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SOTE 2010_1 - IFZ

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Frauen & Technik<br />

durchaus verführerische<br />

Frau, die das Rennrad fest<br />

im Griff hat, den Blick direkt<br />

auf den Betrachter<br />

und die Betrachterin richtet<br />

und mit dem Slogan<br />

„Dieses Rad ist ein Renner<br />

… nicht nur für Männer“<br />

für das neue Produkt des<br />

Radherstellers (Abb. 6)<br />

wirbt.<br />

Die Anzeigen aus aktiv<br />

Radfahren fallen dagegen<br />

durch eine sehr differenzierte<br />

und insgesamt gendergerecht(er)e<br />

Darstellung<br />

von Frauen und<br />

Männern auf. In diesem<br />

Marktsegment treten unzeitgemäße<br />

Rollenklischees nahezu nicht<br />

mehr auf (z. B. „er“ fährt vornweg, „sie“<br />

hinterher), zudem sind Frauen proportional<br />

häufiger zu sehen als in den oben genannten<br />

Anzeigen für andere Gebrauchsgüter (in<br />

27 von 48 Anzeigen). Frauen werden als<br />

kompetent, aktiv und gleichberechtigt dargestellt.<br />

Genau wie Männer interessieren sie<br />

sich für unterschiedliche Fahrradtypen<br />

(City Bike, e-bike, MTB, Liegerad, etc.). Sie<br />

sind normalgewichtig, unterschiedlichen<br />

Alters und situationsgerecht gekleidet<br />

(Jeans, T-Shirt, bike gear, business outfit)<br />

(Abb. 7-9). Nur in einer einzigen Anzeige für<br />

einen Fahrradsattel wurde der Typus „jung,<br />

blond, Püppchen“ als Bild gewählt (Abb.<br />

10). Diese Frau arbeitet als Profi-Model in<br />

London. Unter insgesamt 48 Anzeigen fielen<br />

zwei Anzeigen auf, die explizit Käuferinnen<br />

ansprechen sollen. Centurion wirbt<br />

für EVE, ein Tourenrad, welches „passion,<br />

style and power“ verspricht, Panther für<br />

das „Panther MTB Lady-Line: Überlegen<br />

weiblich in Ausstattung & Design“. Panther<br />

hinterlegt seine Anzeige mit einem<br />

rosa eingefärbten Bild einer Mountainbikerin<br />

(Abb. 11). Centurion erzählt die biblische<br />

Geschichte von Eva: „Es war kurz<br />

nach Vollendung der Schöpfung, als Eva<br />

den Rest der Menschheit mit einem Apfel<br />

lockte. Man kennt die Geschichte. Danach<br />

war ein größerer Umzug fällig.“ Und leitet<br />

dann auf die Verlockung durch das Eve<br />

Ultimate bike über.<br />

Obwohl sich das Produktmarketing für<br />

Fahrräder insgesamt ausgewogener und<br />

gendergerechter als die Werbung vieler anderer<br />

Branchen präsentiert, zeigen sich in<br />

Einzelfällen doch die Grenzen eines vielleicht<br />

gut gemeinten, aber missverstandenen<br />

Gender Marketings.<br />

Abb. 9: Kettler E-Bike<br />

Abb. 10: Sattel von Selle Royal<br />

Konsumentinnen sind dem<br />

Markt voraus<br />

„Shrink it and pink it“ erweist sich weder<br />

im Produktdesign noch im Marketing als<br />

zufriedenstellendes Konzept, um Kundinnen<br />

erfolgreich anzusprechen. Obwohl<br />

umfangreiche statistische Daten zur Kaufkraft,<br />

zu Kaufentscheidungen und zum<br />

Kaufverhalten von Frauen ebenso vorliegen<br />

wie detaillierte Studien zu ihren Vorstellungen<br />

und Ansprüchen an technische<br />

Produkte, tun sich Unternehmen noch immer<br />

erstaunlich schwer, diesen Wachstumsmarkt<br />

zu bedienen.<br />

Das ernüchternde Ergebnis einer von der<br />

Boston Consulting Group 2008 durchgeführten<br />

weltweiten Umfrage unter 12.000<br />

Teilnehmerinnen ergab, dass Frauen die<br />

Produkte, die sie wünschen, nicht in ausreichendem<br />

Maß und in der gewünschten<br />

Qualität geboten finden und sie sich als<br />

Käuferinnen unterschätzt fühlten. Hinzu<br />

kommt, dass Frauen sich häufig mit überkommenen<br />

und abwertenden Rollenklischees<br />

konfrontiert sehen (Silverstein,<br />

Seite 3).<br />

2005 befragte Media Analyzer Konsumentinnen<br />

zum Frauenbild in Werbeanzeigen:<br />

90 Prozent der befragten Frauen möchten<br />

ein anderes, neutrales Frauenbild vermittelt<br />

haben (MediaAnalyzer, S. 8). Konsumentinnen,<br />

so scheint es, sind dem Markt<br />

weit voraus.<br />

Der Artikel greift Ergebnisse des durch das<br />

Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

(BMBF) geförderten und von der<br />

Fraunhofer-Gesellschaft durchgeführten<br />

Projekts „Gender Chancen – Nutzung des<br />

Potenzials von Frauen im Innovationssystem“<br />

auf (Förderkennzeichen<br />

01FW0702).<br />

Abb. 11: Panther MTB Lady Line,<br />

Fancy 777<br />

Quellen<br />

• audio vision, Ausgaben Nr. 2-5, 2009.<br />

• Brigitte, Ausgaben Nr. 1–7, 2009.<br />

• Vanity Fair, Ausgaben Nr. 58, 2008 und<br />

Nr. 1-7, 2009.<br />

• aktiv Radfahren, Ausgaben Nr. 1-5, 2009.<br />

Alle Abbildungen stammen aus diesen Zeitschriften.<br />

Literatur<br />

• Barnard, M.: Approaches to Understanding<br />

Visual Culture. Houndmills/New York: Palgrave<br />

2001.<br />

• Binkley, C.: The Forgotten Market Online:<br />

Older Women. In: The Wall Street Journal,<br />

21.05.2009.<br />

• Designline Office. Das Online Magazin für<br />

Produkt- und Interiordesign. Gespräch mit Agnete<br />

Enga / Smart Design. 25.05.2009. Online:<br />

http://www.designlines.de/im_gespraech/Agnete-Enga-Smart-Design_775524.html.<br />

• Goffman, E.: Gender Advertisements. London:<br />

The Macmillan Press Ltd. 1979.<br />

• Holtz-Bacha, C. (Hg.): Stereotype? Frauen<br />

und Männer in der Werbung. Wiesbaden: VS<br />

Verlag für Sozialwissenschaften 2008.<br />

• Jaffé, D.: Reise-Entscheidungen. Die Rolle<br />

von Frauen bei Kaufentscheidungen im Tourismus.<br />

bluestone gender marketing: 10.03.2006<br />

(pdf-Dokument): www.bluestone-ag.de/docs/<br />

bluestone-itb2006-d.pdf.<br />

• MediaAnalyzer Software & Research GmbH:<br />

Werbewirkung auf Frauen im B2B Bereich.<br />

Hamburg 2005 (pdf-Dokument): http://www.<br />

mediaanalyzer.com/know-how/studien.html.<br />

• Mühlen-Achs, G.: Wer führt? Körpersprache<br />

und die Ordnung der Geschlechter. München:<br />

Frauenoffensive 2003.<br />

• Silverstein, M. J., K. Sayre: The Female Economy.<br />

In: Harvard Business Review, September<br />

2009, S. 1-8. ■<br />

Soziale Technik 1/<strong>2010</strong><br />

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