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AUF EIN WORT - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...

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IGDA – <strong>AUF</strong> <strong>EIN</strong> <strong>WORT</strong> …<br />

Der Oster-Weihnachtshase (IGdA-aktuell 2/2007, S. 3) hatte auch noch einen dicken Stapel der<br />

Zeitschrift publikation mitgebracht, deren Herausgeber unser Gründer Rudolf Descher war. Aus der redaktionellen<br />

Arbeit an der publikation entstand in Descher der Wunsch nach einer Plattform zur Förderung<br />

der Zusammenarbeit von Autoren in Sachen Erfahrung, Kritik, Positionsbestimmung. Der<br />

mündliche Austausch war ihm auf Grund der politischen Situation Mitte der 1960er Jahre äußerst<br />

wichtig geworden, nicht zuletzt um den Zeitgeist zu entdecken und zu formulieren. Darum rief<br />

Descher im Jahr 1967 in der publikation zur Gründung auf und hob die „<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

<strong>deutschsprachiger</strong> Autoren” aus der Taufe. Offenbar hatte er mit seinem Aufruf den Nerv seiner Leser<br />

getroffen. Wie groß der Bedarf nach Zusammenschluss und Austausch war, mag beweisen, dass sich<br />

bis zur ersten Mitgliederversammlung 1968 bereits einhundert Mitglieder eingeschrieben hatten.<br />

Inzwischen hat die IGdA nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in sieben weiteren<br />

Staaten Mitglieder gefunden. Diese Streuung bringt den Anreiz, zu entdecken, wie fremde Lebensweise<br />

in der Literatur zum Ausdruck gebracht wird und uns als Leser und Zuhörer bereichert.<br />

Jede Gemeinschaft lebt von und mit den Treffen und Gesprächen. Mittlerweile haben sich die Jahreshauptversammlungen<br />

und Regionaltreffen zu wertvollen Gelegenheiten für Begegnungen, Präsentationen<br />

und Gespräche der Mitglieder gemausert. Die Pflege der deutschen Sprache steht stets im<br />

Vordergrund, und zwar nicht erst jetzt, da die missglückte Schreibreform sie mit Ungetümen in Worten<br />

und Schreibweise eher verhunzt als verständlich macht. So gilt es für jeden von uns – von der schreibenden<br />

Zunft – eine Portion Einfühlung und Eigenverantwortung zu demonstrieren.<br />

Auch von diesem Standpunkt aus ist es der IGdA ein Anliegen, mit ihren Schreibseminaren, Wettbewerben<br />

und Treffen für den Erhalt unserer Muttersprache – ohne die allenthalben sich „einschleimenden”<br />

sprachlichen Entgleisungen – einzutreten, wie in der Rubrik Neues aus der Duden-Redaktion<br />

in der IGdA-aktuell vorbildlich dargestellt. Auch Schullesungen gehören dazu. Sie sind eine notwendige<br />

Aufgabe des Schriftstellers, um die Schüler hellhörig zu machen auf die sprachlichen<br />

Feinheiten des Geschriebenen. Sie sind bei den Treffen fester Bestandteil geworden.<br />

Die Begegnungen mit Literaten-Gruppierungen anderer zumeist europäischer Länder führten zu<br />

Freundschaften über alle Grenzen hinweg. Auslandtreffen, zum Beispiel von Roland Leonhardt mehrmals<br />

in Prag organisiert, von Lore Tomalla in Spanien, Liane Presich-Petuelli in Eisenstadt und Wien<br />

oder in Radstadt in Österreich, von Elfi Margreiter vorbereitet und geleitet, und viele mehr; nicht zu<br />

vergessen, die eindrucksvollen Begegnungen in der Waldarena in Obtarrenz unter der Regie von Vilma<br />

und Hermann Kuprian. Es ist nicht zu übersehen: die IGdA hat sich in den vierzig Jahren ihres Bestehens<br />

zu einem respektablen Verein entwickelt.<br />

Die Kulturszene ist deutlich in Bewegung geraten und wir gehen mit.<br />

Da kann man nur gratulieren!<br />

Helga Kullak-Brückbauer<br />

Sehr verehrte Frau Miller-Waldner,<br />

liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

zum 40. Bestehen der IGdA entbiete ich im Namen der ELS-Gesellschaft die besten Wünsche. Glück<br />

und Unglück des Menschen werden deutlich im Verhältnis zu anderen, gespiegelt in den Werken auch<br />

Ihrer Autorinnen und Autoren. Die Gratulationen zum Jubiläum können die Spiegel dieses Verhältnisses<br />

sein. Wie klar sollen Jubilar und Gratulanten sich diesen Spiegel wünschen? Klarheit kann Würde,<br />

Unschärfe Rücksicht bedeuten. Zur Festveranstaltung aus gegebenem Anlass wünsche ich von beiden<br />

ein ausgewogenes Maß.<br />

Herzlich<br />

Hajo Jahn, 1. Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. und -Stiftung<br />

Die Gesellschaft der Lyrikfreunde gratuliert der IGdA zu ihrem 40 jährigen Bestehen<br />

und wünscht ihr für die Zukunft weiterhin so viel Erfolg wie bisher.<br />

Für den Vorstand<br />

DDr. Christine Michelfeit<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 3


die am Samstag in Hannover gegründete <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

<strong>deutschsprachiger</strong> Autoren (IGdA)<br />

dienen. Die Initiative für diesen Zusammenschluß<br />

ging vom Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift<br />

publikation, Rudolf Descher (Bremen) aus.<br />

Nach Deschers Angaben haben sich bis jetzt 150<br />

Schriftsteller und Schriftstellerinnen für die IGdA<br />

angemeldet. Zu den Aufgaben der <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

gehören laut Satzung „qualitative Selbstkontrolle,<br />

Erfahrungsaustausch, Pflege der Beziehungen<br />

und Herstellung neuer Kontakte zu qualifizierten<br />

Verlagen und Agenturen ... (Stuttgarter Zeitung Nr.<br />

122, 31. 5. 1967)<br />

Wer war Rudolf Descher? Er wurde am 20. 3.<br />

1919 in Düsseldorf geboren. Er war gelernter<br />

Versicherungskaufmann für Presse und Werbung.<br />

Sein Hauptinteresse jedoch lag bei der<br />

journalistischen Arbeit. So wurde er 1942 Schriftsteller<br />

bei einer Pommerschen Zeitung. 1945 wurde<br />

ihm für kurze Zeit Berufsverbot verhängt. In<br />

dieser Zeit errichtete er eine eigene Pressekorrespondenz<br />

und war Mitbegründer der Presse-<br />

Bibliographischen AG e. V.<br />

1948 wurde Descher Alleinredakteur des Melsunger<br />

Tagblatts in Hessen, dann Redakteur und<br />

Werbeleiter der Wochenzeitschrift Roland, einem<br />

FDP-Organ. Nach dem Bruch mit dieser Zeitschrift<br />

arbeitete er als Werbeleiter bei der Norddeutschen-Mende-Rundfunk-KG.<br />

Zwischen 1956<br />

und 1961 arbeitete er als Mitherausgeber der<br />

Jahrbücher Der Journalist und des siebenbändigen<br />

Handbuches der journalistischen Praxis.<br />

Ab 1957 zeichnete er verantwortlich für die<br />

Monatszeitschrift publikation, die zuerst durch J.<br />

Lahusen beim Heyne Verlag, ab 1966 durch Rudolf<br />

Descher selbst erschien. Publikation war die<br />

einzige gemeinsame Autoren- und Verlegerzeitschrift,<br />

mit Platz für Meldungen der deutschsprachigen<br />

Autorenverbände, Preisausschreiben, Rezensionen<br />

etc. Ein Kleinanzeigenteil „Der Literarische<br />

Markt” bot Raum für kostenlose dreizeilige<br />

Gesuche oder Angebote für Autoren und Verleger.<br />

In der publikation Nr. 8/1965 rief Rudolf<br />

Descher zur Gründung einer <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

für Autoren auf. Das Echo war immens.<br />

Die Gründung wurde wie folgt durch die dpa in<br />

der Presse gemeldet:<br />

Der Förderung der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen<br />

Belange <strong>deutschsprachiger</strong> Autoren will<br />

Rudolf Descher war von 1969 bis 1970 1. Vorsitzender<br />

der IGdA. Er legte sein Amt aus gesundheitlichen<br />

Gründen nieder, vor allem, da er<br />

durch zahlreiche weitere ehrenamtliche Tätigkeiten<br />

in Anspruch genommen war. Rudolf Descher<br />

starb 1970. Im Juli-Heft der publikation<br />

nahm die IGdA von ihrem Gründer und Förderer<br />

Abschied. Den Nachruf schrieb Hermann<br />

Kuprian, Völs.<br />

Um die großen Verdienste unseres Gründers<br />

zu würdigen, wurde der jährliche Literatur-Preis<br />

der IGdA ihm zu Ehren RUDOLF-DESCHER-FE-<br />

DER genannt.<br />

Helga Kullak-Brückbauer<br />

(aus IGdA-aktuell 4/1987)<br />

Ehrenpräsidenten<br />

W. Emil Schröder, René Marti<br />

Vorsitzende<br />

Willi Köhler, Rudolf Descher, Wolfram Katzenberger,<br />

W. Emil Schröder, Hans Hoffmann, Wilhelm Viercke,<br />

Helmfried Knoll, Hermann Wischnat, Peter Godow, Grete<br />

Wassertheurer, Othmar Seidner, Jutta Miller-Waldner<br />

Geschäftsführer<br />

W. E. Schröder, Ernst Reichelt, Uwe Siebrands, Wolfgang<br />

G. Schulze, Grete Wassertheurer, Gertrud Schlosser-Laukel,<br />

Jutta Miller-Waldner, Fritz Boss, Maria-Luise Kleineberg<br />

Schatzmeister<br />

Gerti Pietsch, Wilhelm Viercke, Karl-Heinz Schneider,<br />

Roland Leonhardt, Irmengard Hörning, Cordula Scheel,<br />

Fred Helm, Fritz Boss, Volker Wille<br />

Redaktionsleiter<br />

Hans Hoffmann (Das literarische Wort)<br />

Ernst Reichelt, Uwe Siebrands, Manfred Boger, Elmar M.<br />

Kreilos, H. Jochen Dyck, Hermann Wischnat, Roswitha<br />

Martell, Jutta Miller-Waldner<br />

Ehrenmitglieder<br />

Theodor Seidenfaden, Helmfried Knoll,<br />

Helga Kullak-Brückbauer<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 4


WIE ALLES BEGANN:<br />

FAKTEN, D ATEN, NAMEN AUS DEN ERSTEN JAHREN DER IGDA<br />

In der Zeitschrift publikation (Untertitel: Der Literarische<br />

Markt) erschien im Juni 1965 ein Artikel<br />

des Redakteurs Rudolf Descher, in dem es unter<br />

anderem hieß: „Die Fälle … beweisen, daß dem<br />

Schutzstreben der Autoren nicht Genüge getan<br />

wird. Sie beweisen auch, daß kein ausreichender<br />

Verbandsschutz besteht; sie fordern zur Selbsthilfe<br />

geradezu heraus. Es muss etwas getan werden!<br />

Publikation, die einzige gemeinsame Autoren-<br />

und Verlegerzeitschrift des deutschen<br />

Sprachgebietes, will deshalb im Zusammenwirken<br />

mit Autoren, Agenturen und Verlegern<br />

versuchen, eine echte, funktionstüchtige<br />

<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

ins Leben zu rufen, die nicht nur<br />

derlei „Pannen” vermeiden, sondern<br />

die Zusammenarbeit von<br />

Autoren und Agenturen zugunsten<br />

der deutschsprachigen Literatur<br />

steuern soll. Ich strebe eine<br />

‘<strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong><br />

Autoren’ an.” Im weiteren<br />

Verlauf seiner Ausführungen<br />

stellte er die Aufgaben<br />

einer solchen <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

heraus: Qualitätskontrolle,<br />

Honorarkontrolle, Streuplan-Kontrolle.<br />

Er forderte des weiteren,<br />

der Charakter der Gemeinschaft<br />

müsse gemeinnützig sein und auf<br />

ehrenamtlicher Geschäftsführung<br />

und Mitarbeit fußen.<br />

Die Resonanz auf diese Veröffentlichung war<br />

unerwartet groß; Descher konnte zwar vor allem<br />

auf Reaktionen aus Autorenkreisen verweisen,<br />

doch auch Agenturen ließen ihr Interesse an dem<br />

Vorhaben erkennen. Leider hielten sich die Verlage<br />

mit einer Stellungnahme zurück. Allen Interessenten<br />

erklärte D., was die <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

nach seiner Auffassung nicht sein würde –<br />

„kein Literaturkreis, keine ‘Gruppe’, keine auf<br />

Gewinn ausgerichtete Gemeinschaft (die also<br />

auch keine direkten Verdienstmöglichkeit biete)<br />

und – last but not least – keine Agentur!” Man<br />

wolle vielmehr den Schriftsteller aus seiner Isolation<br />

herauslösen. Und im Rahmen des Machbaren<br />

an der Schaffung eines besseren „Marktes”<br />

für Literatur mitwirken.<br />

Nach weiteren Veröffentlichungen in der publikation<br />

– Rudolf Descher zeichnete inzwischen<br />

auch als Herausgeber –, lebhaftem Schriftwechsel<br />

und intensiven Vorgesprächen fand am 20. Mai<br />

1967 die Gründungsversammlung der IGdA in<br />

Hannover statt.<br />

Descher hatte wiederholt erklärt, er könne die<br />

Last der IGdA-Arbeit nicht übernehmen und<br />

stellte sich nicht zur Wahl für ein Vorstandsamt.<br />

Zum Vorsitzenden wurde Willi Köhler, ein tatkräftiger<br />

junger Journalist, gewählt, zum stellvertretenden<br />

Vorsitzenden René Marti, zum Geschäftsführer<br />

W. Emil Schröder, ein versierter<br />

Mann der Feder, Chefredakteur a. D. Geschäftsführung,<br />

Kassen- und Schriftführung lagen damals<br />

noch in einer Hand.<br />

Nach einem arbeitsreichen<br />

Jahr des Anlaufs und Aufbaus<br />

und einer Vorstandssitzung in<br />

Steinheim trafen sich zahlreiche<br />

Mitglieder zur JHV 1968<br />

am 20. und 21. 9. in Butzbach/<br />

Hessen. Der Titel des Hauptreferates<br />

lautete bezeichnenderweise<br />

„Zusammenarbeit<br />

Dienste – Schriftsteller: Eine<br />

Analyse der Gegenwart”, es<br />

wurde gehalten von Lutz<br />

Christiansen, dem Inhaber<br />

einer Agentur.<br />

Das erste IGdA-Preisausschreiben<br />

1968 (rund 300 Einsendungen!)<br />

wurde in Lyrik<br />

und Prosa gewertet, einer der<br />

Gewinner war Heinz von der<br />

Wall.<br />

Die nächste Hauptversammlung brachte Vorstandswahlen;<br />

sie fand statt am 29. und 30. 8.<br />

1969 in Steinheim. Willi Köhler legte sein Amt<br />

wegen beruflicher Belastung nieder. Auf Wunsch<br />

vieler Mitglieder fand sich Rudolf Descher bereit,<br />

sich zum Vorsitzenden wählen zu lassen. Um ihn<br />

zu entlasten, wurde beschlossen, zwei Stellvertreter<br />

zu wählen. Die Wahl ergab folgendes Ergebnis:<br />

Vorsitzender Rudolf Descher, Stellvertreter<br />

René Marti und Willi Fleddermann, Geschäftsführer<br />

W. Emil Schröder; zu dessen Entlastung<br />

wurde das Amt des Schatzmeisters eingeführt<br />

und hierzu gewählt Gerti Pietsch.<br />

Auf der Hauptversammlung wurde als Ziel<br />

der IGdA bezeichnet, „die Arbeit der klassischen<br />

Autorenverbände soweit wie möglich zu stärken”<br />

und die „in den Verbänden nicht gepflegten<br />

Aufgaben mit besonderer Intensität und Energie<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 5


zu verfolgen”. Nicht Zersplitterung, sondern<br />

Zusammenarbeit sei das Ziel. Großes Interesse<br />

fand ein Bericht über die Arbeit des inzwischen<br />

eingerichteten IGdA-Lektorats. Eine Vielzahl der<br />

Mitglieder vertrat die Auffassung, das Lektorat<br />

dürfe keine gesellschaftlichen oder politischen<br />

Wertungen vornehmen. Da die Linie der Gemeinschaft<br />

ohnehin auf zwar nicht unpolitisch,<br />

wohl aber unparteilich festgelegt worden war,<br />

wohl eine Selbstverständlichkeit. Einen vielversprechenden<br />

Anfang machten die Arbeitskreise<br />

(Roman, Hörspiel, Film usw.), deren Hauptanliegen<br />

das Fachgespräch war. Leider versandete<br />

diese Sparte aus vielerlei Gründen. Ein<br />

ähnliches Schicksal erlitt das Vorhaben „IGdA-<br />

Studie, ein neuer<br />

Leitfaden für Autoren”;<br />

jedoch sind sehr nützliche<br />

Voraus-Veröffentlichungen<br />

in den Mitteilungsblättern<br />

der<br />

IGdA erschienen.<br />

1970 erfuhren seine<br />

Freunde den viel zu frühen<br />

und unerwarteten<br />

Tod Rudolf Deschers,<br />

der sich um die IGdA so<br />

große Verdienste erworben<br />

hatte; die IGdA ist<br />

sein „Kind” und er war<br />

ihr ein großer Förderer<br />

und Initiator.<br />

Einige Zeit vor seinem Tode hatte Rudolf Descher<br />

den Vorsitz niedergelegt, es waren also<br />

Neuwahlen erforderlich, die bei der Hauptversammlung<br />

am 4. und 5. 9. 1970 in Bietigheim<br />

stattfanden. Die Wahlen ergaben folgendes Ergebnis:<br />

Vorsitzender Wolfram Katzenberger,<br />

Stellvertreter René Marti und Willi Fleddermann,<br />

Geschäftsführer W. Emil Schröder, Schatzmeister<br />

Wilhelm Viercke.<br />

1970 waren wieder IGdA-Wettbewerbe<br />

durchgeführt worden.<br />

Auf der JHV vom 17. bis 9. 1971 in Braunlage<br />

wurde festgestellt, dass 25 der insgesamt fast 200<br />

Mitglieder im Ausland wohnten. Beschlossen<br />

wurde der Ausbau der Mitteilungen agentur-report<br />

und die Ansammlung von Rücklagen, um<br />

die Herausgabe einer Anthologie zu ermöglichen.<br />

Die Neuwahlen brachten folgendes Ergebnis:<br />

Vorsitzender W. Emil Schröder, Stellvertreter<br />

Willi Fleddermann und Horst Brede, Geschäftsführerin<br />

Ursula Völkel, Schatzmeister Wilhelm<br />

Viercke, Beisitzer u. a. René Marti. Wolfram Katzenberger<br />

hatte sein Amt als Vorsitzender zurückgegeben,<br />

führte aber die von ihm ins Leben<br />

gerufenen „Heidelberger Gespräche” weiter, die<br />

bereits positiv Anklang gefunden hatten.<br />

Auf der Vorstandssitzung am 24. 3. 1972 in<br />

Bünde wurde beschlossen, eine bessere Verteilung<br />

der Aufgabengebiete vorzunehmen; W.<br />

Emil Schröder, der bis vor kurzem fast alle Arbeiten<br />

übernommen und sich hervorragende Verdienste<br />

um die IGdA erworben hatte, musste entlastet<br />

werden. Der Vorstand gab sich eine Geschäftsordnung.<br />

Mit Ursula Völkel (Geschäftsführerin)<br />

trat eine sehr aktive und wendige Persönlichkeit<br />

in den Vordergrund, die es besonders<br />

verstand, den Kontakt zwischen dem Vorstand<br />

und den einzelnen Mitgliedern zu beleben. Neben<br />

vielen anderen<br />

Aktivitäten führte sie<br />

eine „IGdA-Aktion<br />

Krefeld” zum 600. Geburtstag<br />

der Stadt<br />

durch, die viel positive<br />

Resonanz fand.<br />

Zum fünfjährigen<br />

Bestehen der IGdA<br />

sollte ein Manuskript<br />

erscheinen mit Gedichten,<br />

Kurzgeschichten,<br />

Aphorismen<br />

und unterhaltenden<br />

Fachbeiträgen, die<br />

unter dem Titel 600<br />

Jahre Stadt Krefeld/5 Jahre IGdA zur Hauptversammlung<br />

in Krefeld (8.–10. 9. 1972) erschien. E.<br />

W. Schröder schrieb in seinem Leitwort u. a.<br />

„Noch wird geistige Arbeit, schöpferische Leistung<br />

nicht elektronisch ausgewertet – noch nicht!<br />

Aber gerade deshalb ist es so unendlich schwierig,<br />

Fortschritte einer Gemeinschaft, die sich aus<br />

Schriftstellern, also Geistesschaffenden, zusammensetzt,<br />

allen sichtbar zu machen. Das aber ist<br />

die unausgesprochene Erwartung einer Mitgliedschaft,<br />

die sich aus ebenso vielen Individualisten<br />

zusammensetzt als ihre Gesamtzahl von rund<br />

zweihundert ausweist. Es ist der Traum vom Erfolg,<br />

nicht von Medaillen in Gold, Silber, Bronze,<br />

sondern des Sichgedrucktsehens, des Gelesenund<br />

Anerkanntwerdens. Geistige Arbeit muss<br />

sichtbar gemacht werden. Das allein aber verbürgt<br />

keineswegs den Erfolg. Auf einem Markt,<br />

der täglich mit Millionen Zeitungsexemplaren,<br />

Zeitschriften, der jährlich mit rund fünfzigtausend<br />

neu erschienenen Büchern überflutet wird,<br />

ist es schwierig, den Blick auf ein wirklich gutes<br />

Gedicht, eine blendend geschriebene Erzählung<br />

zu lenken. Wir leben im zwanzigsten Jahrhun-<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 6


dert, in dem selbst das Geschriebene als Ware betrachtet<br />

und zumeist nach den Gesetzen von Angebot<br />

und Nachfrage be- und entwertet wird.”<br />

Die Hauptversammlung im September 1972<br />

brachte eine Zäsur in der Entwicklung der Gemeinschaft.<br />

W. Emil Schröder, der fünf Jahre lang<br />

unermüdlich für die Vereinigung tätig gewesen<br />

war, wurde zum Ehrenvorsitzenden, und ein<br />

neuer Vorstand gewählt.<br />

Diese kleine Arbeit wollte nur einige Streiflichter<br />

auf die ersten Jahre der IGdA werfen.<br />

Über diese und auch die folgende Zeit wäre noch<br />

vieles festzuhalten.<br />

Die Geschichte der IGdA ist nicht frei von<br />

Querelen (welche Vereinigung könnte das wohl<br />

von sich behaupten!), aber sie weist auch viele<br />

Erfolge und Höhepunkte auf – Lohn für jene<br />

Freunde, die sich ehrenamtlich um die Belange<br />

der Mitglieder kümmern und sich bemühen, die<br />

Ziele unserer Gemeinschaft Tat werden zu lassen.<br />

Zum Schluss sei mir ein persönliches Wort gestattet.<br />

Ich bin seit der Gründung dabei und habe<br />

oft mit Hoffen und Bangen die Entwicklung<br />

„hautnah” verfolgt – daher mein Bedürfnis, heute<br />

einmal all denen zu danken, die aktiv mitarbeiteten<br />

und heute mitarbeiten.*<br />

Wilhelm Viercke, 1983<br />

*Diesem Dank schließt sich die jetzige Vorsitzende<br />

an, die zwar nicht seit Anfang an dabei ist,<br />

sondern erst seit 1989, aber durch die vielen Unterlagen,<br />

die sie seit der Gründung der IGdA besitzt,<br />

das Gefühl hat, sie sei es. Vor allem aber<br />

dankt sie den Mitgliedern, die Treffen organisierten,<br />

den ReferentInnen und ModeratorInnen, die<br />

zum Gelingen der Treffen beitrugen, den Mitgliedern,<br />

die neue Mitglieder warben, die gute<br />

Gedanken über die IGdA zu Papier brachten und<br />

mit Rat und Tat halfen. Sie dankt den Redaktionsmitgliedern,<br />

den KassenprüferInnen, WahlhelferInnen,<br />

DozentInnen von Werkstattgesprächen,<br />

JurorInnen bei Wettbewerben und natürlich<br />

allen Vorstandsmitgliedern, vor allem denen,<br />

die sich auch in bewegten Zeiten für die IGdA<br />

einsetzten. Und sie dankt all den Mitgliedern, die<br />

aktiv am Vereinsleben teilnahmen und teilnehmen,<br />

in dem sie zu den Treffen kommen, für die<br />

IGdA-aktuell nicht nur Texte einschicken, sondern<br />

auch Rezensionen und Leserbriefe schreiben –<br />

die dafür sorgen, dass die IGdA lebt. Ohne all die<br />

unermüdlichen Helferinnen und Helfer würden<br />

wir in diesem Jahr nicht stolz unser Vierzigjähriges<br />

feiern!<br />

Jutta Miller-Waldner<br />

RUDOLF-DESCHER-FEDER-PREISTRÄGER<br />

(1985 gestiftet)<br />

1985 Gerhard Zipperling<br />

1986 Georg Ihmann<br />

1987 Dietmut Krauss<br />

1988 Grete Wassertheurer<br />

1989 Hermann Kuprian<br />

1990 Barbara Suchner<br />

1991 Hans Faber-Perathoner<br />

1992 keine Verleihung<br />

1993 Jutta Makowsky<br />

1994 Peter Biqué<br />

1995 Johanna Jonas-Lichtenwallner<br />

1996 Ursula Student<br />

1997 Helmfried Knoll<br />

1998 Hermann Wischnat<br />

1999 Magda Nell<br />

2000 Karl-Hermann Schneider<br />

2001 Regine Lotz-Albach<br />

2002 Gabriele von Hippel-Schäfer<br />

2003 Liane Presich-Petuelli<br />

2004 Hilde Peyr-Höwarth<br />

2005 Brigitta Weiss<br />

2006 Anant Kumar<br />

2007 Ernest-Edmund Keil<br />

WIE ICH DIE IGDA GEFUNDEN HABE<br />

Wie ich die IGdA gefunden habe? Eigentlich hat<br />

sie mich gefunden, vielleicht, weil den vier Buchstaben<br />

meine Ignoranz missfiel, mit der ich sie in<br />

die PC-Tastatur getippt hatte auf der Suche nach<br />

einer ganz anderen. Was die Suchmaschine<br />

Google mir präsentierte war richtig, Neugier<br />

weckte die Zeichenfolge „.net” in einem anderen<br />

Kontakt in die elektronische Welt.<br />

Die Maus half, Licht ins Dunkle zu bringen:<br />

ein Klick und ein altbekanntes Sigel mit vier<br />

Buchstaben sprang mir entgegen, gefolgt von<br />

meinem „ei gucke da”, denn die IGDA (International<br />

Game Developers Association), mit der ich<br />

bislang selten genug zu tun hatte als Anlaufstelle<br />

in anderen Geschäften, hat ebenso mit Phantasie,<br />

nichts aber mit Literatur zu tun.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 7


Die Jahre und ihre Abfolge habe ich längst<br />

nicht mehr im Kopf, aber ich meine, bei der<br />

Gründungsversammlung (war das nicht in Butzbach?)<br />

mit dabei gewesen zu sein. Nachschauen<br />

in alten Akten und Ordnern bringt nichts, das<br />

meiste ist nicht mehr da; beim Umzug vor dreißig<br />

Jahren, von der einen in die noch kleinere<br />

Kleinstadt, ging wichtigeres verloren, manches<br />

fiel später durch das Sieb.<br />

Erinnerlich ist mir,<br />

dass mein Freund und<br />

ich damals Rudolf Descher<br />

beeindruckt haben<br />

mussten, denn schon auf<br />

der von weiblichem Pilot<br />

gesteuerten Rückfahrt<br />

saßen wir beide auf der<br />

engen Rückbank im engen<br />

VW-Käfer und tippten<br />

auf der mitgeführten<br />

Reiseschreibmaschine<br />

den bestellten Tagungsbericht.<br />

Wir, mein Freund<br />

und ich, hatten 1966<br />

einen eigenen Club gegründet,<br />

die Arbeitsgemeinschaft<br />

junger Publizisten,<br />

die wir mit ihren<br />

etwa zwei Dutzend<br />

Streitgenossen in den<br />

deutschsprachigen Ländern<br />

als Fördermitglied<br />

in die IGdA einbrachten, dort einiges an Mitarbeit<br />

leisteten, viel lernten und viele Erfahrungen<br />

weitergeben konnten.<br />

Wichtig war die Arbeit am und mit dem<br />

Agentur-Report. Er vermittelte Daten im Verkehr<br />

zwischen Neulingen in der schreibenden Zunft<br />

und den Presseagenturen und ähnlichem als Vermittler<br />

zu den druckenden, lies „zahlenden”, Abnehmern<br />

meist unterhaltsamer Stücke. Ein Service,<br />

der durch immer spärlicher werdende Informationen<br />

aus der „Szene” trotz damals noch<br />

großen Bedarfs auf beiden Seiten über wenige<br />

Ausgaben nicht hinauskam. Im Nachhinein betrachtet<br />

war ihm zwangsläufig kein langes Leben<br />

beschieden.<br />

Damals schon war die Presselandschaft durch<br />

Zusammenschlüsse im Schwinden begriffen. Mit<br />

ihren Feuilleton-Seiten waren Tages- und Wochenpresse<br />

Hauptabnehmer der etablierten Unterhaltungsschreiber;<br />

oft auch aufgeschlossen gegenüber<br />

dem guten Nachwuchs. Wer heute eine<br />

Tageszeitung aufschlägt, wird nur sehr selten<br />

noch den Fortsetzungsroman finden oder die<br />

ganze Seite mit kurzweiligen Texten, deren wichtigster<br />

Inhalt die bloße Unterhaltung ist.<br />

Das Jahr 1974 brachte den Bruch mit der<br />

IGdA in vielfacher Hinsicht, vielleicht auch willkommen.<br />

Er war für viele schmerzlich. Wenn<br />

auch die unmittelbar folgende Entwicklung in<br />

die provinzielle Mittelmäßigkeit steuerte, wird<br />

wohl irgendwann das Ruder herumgeworfen<br />

worden sein. Soweit ich<br />

es nach den heute mir<br />

zugänglichen Informationen<br />

beurteilen kann,<br />

hat der Verein zurückgefunden<br />

zu seinen ursprünglichen<br />

Wegen<br />

und seinen Zielen im<br />

Sinne Rudolf Deschers,<br />

angepasst an die heutige<br />

Wirklichkeit. Die Abweichung<br />

in die Sackgasse<br />

der elitären Insellesungen<br />

(Insel im wörtlichen<br />

Sinne, worauf ich meine<br />

Andeutungen an vergangene,<br />

vergessene Zeiten<br />

beschränken will) ist<br />

wohl überstanden.<br />

Ich habe den Weg der<br />

IGdA nicht weiter verfolgt,<br />

Kontakte rissen ab,<br />

die Distanz wurde größer.<br />

Mich hatte schon zuvor<br />

noch mehr als meinen Freund der nötige<br />

Broterwerb eingeholt. Zwei Jahre Arbeit und Reisen<br />

in und durch West- und Süddeutschland hatte<br />

manche Gelegenheit zum Kontakt mit Menschen<br />

ergeben, mit denen man sonst vorwiegend<br />

brieflich verkehrt hatte. Gut für das nötige Engagement<br />

in Tagesarbeit für Arbeits- und <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

war diese Zeit nicht.<br />

Ein Versuch, in der Alternativen Literaturszene<br />

Fuß zu fassen, schlug nicht gerade fehl,<br />

doch es wäre nichts Dauerhaftes geworden. Die<br />

Arbeit als Literarische Agentur wurde nach hoffnungsfrohen<br />

Anfängen ein Opfer immer weiter<br />

fortschreitender Strukturänderungen. Kontakte<br />

anderer Art zu Etablierten litten ebenso unter<br />

den Jahren auswärts mit ihren Zwängen und ließen<br />

sich hernach kaum erneuern. Alles Dinge, an<br />

denen man nicht nur nebenbei arbeiten konnte.<br />

So stand man vor der Wahl: Ganz oder gar nicht,<br />

wobei die Entscheidung für letzteres fiel, denn<br />

die bevorstehende Familiengründung setzte andere<br />

Prioritäten.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 8


Vom Schreiben bin ich nicht weggekommen.<br />

Zwar war nicht viel veröffentlicht worden, aber<br />

ich war durch Erfahrungsberichte und den zwischendurch<br />

erworbenen Durchblick auf dem Boden<br />

der Tatsachen geblieben.<br />

Heute gibt es die Forschung in der Ortsgeschichte,<br />

das journalistische Aufbereiten der auf<br />

wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen Informationen<br />

und Erkenntnisse. Hier geht es um<br />

Fakten, das Fabulieren hat mir eigentlich nie so<br />

viel Freude bereitet wie das Schnabulieren, so<br />

oder so.<br />

Wichtig, zwar nicht gerade<br />

gehasst und noch mehr<br />

geliebt ist die redaktionelle<br />

Bearbeitung einer kleinen<br />

einschlägigen Schriftenreihe<br />

mit mittlerweile etwa fünfzig<br />

Ausgaben, die Anerkennung<br />

und ihren Leserkreis<br />

gefunden hat. Sie steht auf<br />

gemeinnützigen Füßen und<br />

bringt Ehre und noch mehr<br />

Arbeit ein, was AutorInnen<br />

und „Chef-Redakteur” genügt. Zwischenzeitliche<br />

Erfahrungen in der Werbeabteilung eines kleinen<br />

professionellen Buchverlages und der Herstellung<br />

von Büchern, Katalogen und Prospekten<br />

sind hilfreich dort, wo es heute um die Produktion<br />

von Gedrucktem beziehungsweise elektronischen<br />

Medien geht, sei es CD/DVD oder<br />

Internet-Auftritt. Der meist spannende Brotberuf<br />

ist „off topic”, wie es neudeutsch heißt.<br />

Würde ich nach vierzig Jahren heutiger Erkenntnisse<br />

eine hilfreiche Hand wie die der IGdA<br />

neu ergreifen? Für damals gilt ein uneingeschränktes<br />

„Ja!”, heute denke ich, dass mein persönlicher<br />

Weg nichts gemeinsam hat mit dem<br />

einer <strong>Interessengemeinschaft</strong>, die ähnlich einer<br />

Gewerkschaft wirtschaftliche Ansprüche zwar<br />

knallhart anmelden, aber<br />

kaum durchsetzen könnte.<br />

Die aber anderes vermitteln<br />

konnte: Handwerkliches<br />

Drumherum,<br />

Erfahrungsaustausch,<br />

Anregungen für die<br />

eigene Kreativität und<br />

nicht zuletzt den Kontakt<br />

mit Menschen unterschiedlichster<br />

Coleur,<br />

egal, ob die Chemie<br />

stimmte oder nicht.<br />

Sommerkind*<br />

(*Name der Redaktion bekannt)<br />

AUS DEM ARCHIV DER IGDA<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 9


Willi Volka<br />

Ein Frauenzimmer<br />

lang im Garten träumend saß.<br />

Sitzfleisch plastikhart.<br />

(3. Platz beim Kitsch-Wettbewerb von Verstärker:<br />

Organ zur Rückkopplung von Kunst und Literatur)<br />

Angelika Genkin<br />

PAN<br />

(Ein Novembertraum)<br />

Ein letztes Mal wollt’<br />

ich die Wärme eines späten Sommers zwingen.<br />

Vergeblich rief ich, denn seit heute Morgen blieb sie fern.<br />

Auch du bist fort, und wo vordem der Igel uns so keck belauscht,<br />

sitzt Pan und trinkt, man glaubt es kaum, im Nebelgrau ein goldenhelles Bier.<br />

Mit süßen Tönen lockt er mich herbei, bläst eine sanfte Melodie zum Schein,<br />

und trachtet hinter steiler Stirn allein – wie er die Flötentöne mich noch lehren will.<br />

Mit weißen Zähnen lacht er in die Dämmerung, zwingt meinen Blick an seinen Mund,<br />

dass ich nicht sehen soll, wie eben unterm Tisch der Pferdefuß verborgen bleibt.<br />

Nimm dich in Acht,<br />

denn Pan, das ist bekannt, gebietet der Natur zum eig’nen Nutzen nur,<br />

und glaubst du ihm, liegst du alsbald so wehrlos wie der Igel da,<br />

der rücklings auf das welke Laub gestreckt<br />

sich nicht zur Kugel barg zur rechten Zeit.<br />

Nimm dich in Acht und sei gescheit,<br />

denn lässt du dich ergreifen,<br />

so greift er dich + onaniert mit dir.<br />

Dann, liebes Kind, ist es zu spät.<br />

Der Mond zerplatzt und stürzt sich in den See,<br />

die Erde öffnet ihren dunklen Leib<br />

und alle Welt versinkt<br />

in Pech und<br />

Schwefel.<br />

.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 10


Gisela Conring<br />

Oscar Stucky<br />

GLÜCK<br />

<strong>EIN</strong> LETZTES<br />

Dasitzen – nur so<br />

auf der Bank, Rücken<br />

an Rücken gelehnt, Ohr streift an Ohr.<br />

Der spielende Wind<br />

vermischt langes und kurzes Haar<br />

grau in grau gesträhnt.<br />

Im Geflecht unserer Adern<br />

pulsen Ströme von Wärme.<br />

Unsere Augen wandern weit über Gärten<br />

bunt von den Farben<br />

des Herbstlaubs.<br />

Herbstzeit – wir wissen.<br />

Verlieren darüber keine Worte:<br />

Zeit bringt Sterben, und Zeit schenkt Leben.<br />

Noch ist sie unser.<br />

Nur so dasitzen, aneinandergelehnt. Geborgen<br />

im Glück der Gegenwart.<br />

Brigitte Pulley-Grein<br />

STILLE FREUDE<br />

Schon ziehn die ersten Nebelgeister<br />

Vom Berg hinab bis in das Tal,<br />

Sie werden täglich immer dreister,<br />

Erscheinen in der Überzahl.<br />

Gleich ist die Welt dann wieder trübe,<br />

So gänzlich ohne Sonnenschein,<br />

Doch eine ewig treue Liebe<br />

Hüllt dich und mich in Hoffnung ein.<br />

Drum blüht in uns die stille Freude,<br />

Sie tröstet unser klagend Herz<br />

Mit Gottvertraun, daß für uns beide<br />

Einst neu erblüht ein junger März.<br />

Wenn im Herbstwind<br />

Dein Tagtraum sich regt<br />

und Du dann siehst,<br />

dass Blätter wie Seelen<br />

unendlich leicht schweben<br />

dann<br />

wirst auch Du finden<br />

im Hinweg<br />

das Licht.<br />

(aus: Wilder Garten)<br />

Wilma Klevinghaus<br />

HERBSTGLÜHEN<br />

Ins Rot und Gold der letzten Farbenfeuer<br />

fließt nun das Naß der langen Nächte.<br />

Als ob der Garten sich verbergen möchte,<br />

sinkt er ergrauend hinter Nebelschleier.<br />

Zur Wärme zogen Schwalb’ und Silberreiher.<br />

Das Licht versickert in die Schattenschächte.<br />

Daß er dem Land die Stille wiederbrächte,<br />

friert ohne Lied der totgesagte Weiher.<br />

Nun, da erlöschen will der Feierwochen Glanz,<br />

wird bald verweht des hellen Sommers Spur.<br />

Verwelkte Blätter mit dem Wind im Tanz<br />

träumen vom Glück, das ihnen widerfuhr,<br />

und künden doch von Tod und Sterben nur …<br />

Auf denn, mein Herz, flicht deiner Hoffnung<br />

Kranz!<br />

Magda Nell<br />

Blattinseln am See,<br />

Wind kämmt das Haar der Weiden<br />

Der Nebelschall, verflogen –<br />

Aus 3/2005<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 11


Liane Presich-Petuelli<br />

Anneliese Korte<br />

ABEND IM GEBIRGE<br />

AKROSTICHON<br />

der Mittag ist verbrannt<br />

und abgeglüht<br />

nun rauchen Schatten<br />

aus erloschnem Grün<br />

umfloren Buchen<br />

schwärzen Birkenglanz<br />

hoch oben<br />

wo auf dürrem Felsenkranz<br />

die letzten Purpurbänder<br />

nachtwärts ziehn<br />

wölkt Nebel Schleier<br />

federzart und fern<br />

wie einst um Frühlingsmond<br />

und Frühlingsstern<br />

Bergdohlen flattern auf<br />

zu schrillem Flug<br />

schrein Winterklage<br />

lästern Sommertrug<br />

und Schwermut sinkt<br />

auf Herbstzeitlosenwiesen<br />

die erdfeucht frösteln<br />

unter meinen Füßen<br />

Dagmar Westphal<br />

BLÜHEND<br />

In Nebelwäldern<br />

schweigen lange die Grillen.<br />

Vögel fliegen aus.<br />

Sonne verwelkt im Geäst.<br />

Kirschblatt zittert im Wind.<br />

Ruhig der Herbstmorgen.<br />

Aufgehende Sonne – kalt<br />

Und so berührt sie glitzernde<br />

Raureif-geschmückte Gräser.<br />

Ein kurzes Glück<br />

Immer nur –<br />

Frühmorgens.<br />

Barbara Suchner<br />

LINDENDUFT<br />

Wenn die Linden verblüht,<br />

ist der Sommer vorbei,<br />

sagte mein Lehrer (Botanik)<br />

damals in Breslau,<br />

im Leuchten des Lenzes.<br />

Längst sind die Linden verblüht.<br />

Früchte,<br />

im Winde gewiegt,<br />

sturmgerüttelt,<br />

stumm gereift,<br />

werden bald fallen.<br />

Der Winter naht,<br />

der letzte Abend,<br />

die Nacht.<br />

Doch Lindenduft<br />

atme ich noch.<br />

Ich nehme ihn mit.<br />

Was vom Leben blieb<br />

sind die Stimmen der Toten<br />

zwischen den Gräsern<br />

ein blühender Rosenbusch<br />

und das Kind in der Wiege.<br />

(aus: Umarmt von Licht und Sand)<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 12


Gerhard J. Dürschke<br />

RIEN NE VA PLUS<br />

Sonne aus Blei, Tabula rasa – nichts geht mehr<br />

Ein Fluch zerstört das Ende einer großen Liebe<br />

Ein Herbstwinter in Deutschland<br />

Hart wie das Herz, so schön und stark das Weib<br />

Totes Herz, ein Wahnsinn der drohenden Metapher<br />

Auf der Flucht unterwegs im Zeitalter der Liebe<br />

Das weibliche Taghell im Herzen der Finsternis<br />

Ein Herbstwinter in Deutschland<br />

Im Jammertal, ein hehres Ziel, eine Art Heimkehr<br />

Ewiger Herbst in hohlen Gassen, ein toter Künstler<br />

Das Ende einer Flucht in scheiternder Haltlosigkeit<br />

Und der Freispruch verfaßt einen Tango mortale<br />

Ein Herbstwinter in Deutschland<br />

Sehr schmerzlich das Ende der Bequemlichkeiten<br />

Der Ruf des Scheiterns legt sich übers flache Land<br />

Wo geschwiegen wird ist alles idyllisch und schön<br />

Sagen die gestrigen Mörder aus der Nachbarschaft<br />

Ein Herbstwinter in Deutschland<br />

Die letzte Pflicht eines jeden Bürgers ist die Ruhe<br />

Ein Hordenbild – passen Sie gut auf sich auf!<br />

Leben und Sterben im Reich des täglichen Dialoges<br />

Ein Abschied in herbstlich rötlicher Abendsonne<br />

Ein Herbstwinter in Deutschland<br />

Die Nacht senkt sich auf das fliehende Jahrhundert<br />

Unter den Linden – Die Zukunft liegt hinter uns.<br />

Ingrid Benada<br />

GROSSSTADT BERLIN<br />

Menschenfressendes Ungeheuer,<br />

unverdaute Überbleibsel ausspuckend,<br />

in den Himmel reckende<br />

stählerne Arme,<br />

furchteinflößend wie die Windmühlen<br />

Don Quijotes.<br />

Rennen und hasten,<br />

eilen und jagen,<br />

hämmern und quietschen<br />

und dröhnen als Vorgeschmack auf die Hölle.<br />

Fänge greifen gierig und zermalmend<br />

die Ruhe<br />

einer einstmals stilleren Welt.<br />

Und doch –<br />

irgendwo der Gesang eines Grünfinken,<br />

das leise Rascheln der Blätter,<br />

das zärtliche Flüstern menschlicher Stimmen.<br />

„Freiheit für die Langsamkeit!<br />

Für die Stille!”<br />

Wer rief da?<br />

(aus: Tagträume: Lyrik)<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 13


Anna Maria Sauseng<br />

Margot Weinand<br />

… DURCH DIE STADT<br />

TRÜBE GEDANKEN<br />

Der Boden Asphalt,<br />

lärmende Autos,<br />

Gedränge von Menschen,<br />

begegnen, überholen ...<br />

ich gehe und gehe,<br />

kein Mensch nimmt Notiz<br />

von mir und vom Bettler,<br />

der hungernd und frierend<br />

am Straßenrand kniet.<br />

Schmerzende Füße<br />

vom harten Asphalt,<br />

schmerzender Kopf<br />

vom Dröhnen der Autos,<br />

schmerzende Seele<br />

vom Alleinsein in der Stadt,<br />

kein Mensch spricht ein Wort<br />

mit mir und dem Bettler ...<br />

Begegnung, Begleitung,<br />

so stumm ist’s um mich.<br />

Inge Sydow-Ferenz<br />

SIEGER<br />

Zwei die sich feindlich gegenüber stehen<br />

wer weiß schon wirklich warum<br />

die sich vernichten wollen<br />

um jeden Preis<br />

jeder berufen und abgesandt<br />

von seinem eigenen Gott<br />

Mit stolz erhobenem Haupt starren sie<br />

unverwandt zum Himmel empor<br />

und keiner bemerkt den kleinen erdgebundenen<br />

Teufel<br />

der zwischen ihren Füßen triumphierend von<br />

einem zum<br />

anderen springt<br />

und lacht und lacht<br />

der sie alle beide verspottet<br />

werfe trübe Gedanken<br />

von der Brücke ins Wasser<br />

sie zerfließen<br />

die Welle rollt sie ein<br />

Klaus Mühlen<br />

DER FÄHRMANN<br />

Am Ufer stand ich und schaute hinüber,<br />

die Geduld mir keineswegs eigen,<br />

„Komm und hol über”, hatte ich gerufen,<br />

gewiss dabei, der Fährmann holt mich rüber,<br />

doch ich bangte, verlassen zu bleiben.<br />

Wenn wir heute Schiffe sehen<br />

mit Gütern aller Art hoch beladen,<br />

mit Menschen von hier nach dort,<br />

auf denen Flaggen fremder Nationen wehen,<br />

ist die Zeit von damals vergessen.<br />

Über kurze und lange Strecken geirrt,<br />

wird es einmal die letzte Fahrt sein,<br />

dort wo Himmel und Wasser vereint<br />

Wind und Wellen das Schiff verschlingen wird<br />

und sehnsuchtsvoll leise ,,Hol über” verklingt.<br />

Kein schwarzes Kreuz aus Granit steht,<br />

kein Schild, das die Lebensdaten zeigt,<br />

versunken in der Unendlichkeit Vergangenes,<br />

wenn frisch der Morgenwind weht<br />

über neue Höhen hinaus, vergessen.<br />

(aus: Krieg dem Krieg)<br />

der sie alle beide beherrscht<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 14


Gabriele von Hippel-Schäfer<br />

Hilde Peyr-Höwarth<br />

LAND’S END<br />

ABSCHIED<br />

Stehen und schaun<br />

in Uferloses<br />

Kein Schritt<br />

führt hier weiter<br />

Vom Hörensagen<br />

gewußt, geglaubt:<br />

auch jenseits<br />

ist Land und Leben<br />

Doch dieser Zwischenraum<br />

raubt dir den Atem<br />

(aus: Der verschüttete Quell: Gedichte nach<br />

Märchenmotiven)<br />

Juliana Modoi<br />

REIF<br />

Spricht<br />

die Sonne<br />

zum Meer:<br />

„Du bist<br />

noch nicht reif,<br />

meine gläserne Frucht!”,<br />

will ich<br />

in Wolken<br />

schwimmen,<br />

oder als Wein<br />

über die Ufer<br />

strömen,<br />

mich als Lava<br />

aus Vulkanen<br />

ergießen,<br />

oder als Wanderdüne<br />

ein einsamer Pilger<br />

sein.<br />

(aus: Im Wind der Verschwendung: Gedichte)<br />

Noch einmal deine Stimme hören,<br />

mit dir an fremden Ufern stehn,<br />

nach fernen Schiffen Ausschau halten<br />

und Sonnenuntergänge sehn.<br />

Wir ahnten nicht, dass jener Sommer<br />

bereits ein Abschiednehmen war,<br />

jetzt bist du fern und unerreichbar,<br />

und dennoch bist du mir so nah.<br />

Wenn sich im Wind die Segel blähen,<br />

die Brandung sich am Felsen bricht,<br />

seh ich dich an der Küste stehen,<br />

ich ruf nach dir – du hörst mich nicht.<br />

Ich möcht im Sand nach Spuren suchen,<br />

im Mondlicht deinen Schatten sehn,<br />

doch auf die letzte deiner Reisen,<br />

da musstest du alleine gehn.<br />

Doch das Meer und der Wind<br />

erzählen von dir,<br />

die Brandung rauscht durch die Nacht,<br />

die Möwen am Strand, die Muscheln im Sand,<br />

die Schatten der Bäume und nachts<br />

meine Träume, sie alle erzählen von dir.<br />

Karin Alette<br />

NATURGEWALTEN<br />

verblasstes unterholz<br />

knisternde waldwege<br />

hinter der nebelwand<br />

wittert der beobachter<br />

zeitgeschehen<br />

sie bäumt sich auf<br />

die natur<br />

gewaltige wassermassen<br />

schlagen zurück<br />

stück für stück<br />

land unter<br />

fragen tauchen auf<br />

endlich<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 15


Bernd Ost<br />

PAAR IM LIEBESNEBEL<br />

Ein Sturmwind<br />

mit peitschendem Regen,<br />

eine wühlende Brandung<br />

saugt deine Füße,<br />

habgieriger Sand<br />

umsprudelt und schmeichelt<br />

will dich begehren,<br />

spürst Regen und Gischt<br />

auf nackter Haut,<br />

glücklich ergeben<br />

Marieluise Erckenbrecht<br />

VORLÄUFIG<br />

eifrig schleppen die Menschen<br />

den tragbaren Besitz<br />

vermeintlicher Schätze<br />

ein halbes wichtiges Leben<br />

zum Bahnhof<br />

sie spüren sich angezogen<br />

von seiner Nähe<br />

starren geblendet<br />

in sein rundes Zahlengesicht<br />

zwei Arme bewegen sich<br />

Strich um Strich<br />

verräterisch langsam<br />

der Bahnhof ist durchlässig<br />

hinter seiner Fassade<br />

verteilt er die Menschen<br />

sie reisen hierhin dorthin<br />

das Ziel ist immer vorläufig<br />

Traute Bühler-Kistenberger<br />

WOHNEN IM LEISEN<br />

Mußt nicht weit reisen<br />

Nur Augen schließen rasten<br />

unter uralten Bäumen<br />

wohnen im Leisen –<br />

Den Vogel hoch oben grüßen<br />

licht hingetragen<br />

ins Wolkenlose aufsteigen –<br />

Dich lösen<br />

träumen –<br />

dich nicht mehr beweisen<br />

quälen und eilen –<br />

Freihaben<br />

endlich daheim sein bei dir –<br />

AUSRUHEN<br />

WEILEN<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 16


Vera Hewener<br />

LIEBESKUSS<br />

Herzwind, dem Brennenden hauche Kühlung, dem Sterbenden Leben,<br />

flieht dieser Nachtfaser Kranz. Lichtwerk ins Dunkel. So glüh<br />

Weglicht verlassenen Seelen, erfüll’ sie mit flammender Hoffnung,<br />

schwebendem Tagesgefühl. Liebe, die sucht, dich erlöst.<br />

Sehnsucht entfesselt die sprühenden Funken, von Träumen befeuert,<br />

gegenwartsnah wie dein Kuss. Herztiefer Sternengesang!<br />

Rudi Bachmann-Voelker<br />

Stefan Boris Birk<br />

ICH BIN<br />

LIEBE IN DREI TEILEN<br />

Ich bin in einem Raum gewesen.<br />

Um mich ein Schwingen,<br />

Lichter<br />

und laute Töne.<br />

So nah<br />

und doch so fern waren sie.<br />

So unheimlich schön.<br />

Steinern mein Herz.<br />

Ich wollte schreien<br />

und blieb stumm.<br />

Dann, dein Gesicht.<br />

Worte, die ich nicht verstand,<br />

und doch ergriff mich ein Schwingen.<br />

Geführt von deiner unsichtbaren Hand<br />

fing ich an mich zu drehen<br />

und zu schweben.<br />

Ganz langsam zu leben.<br />

Antje E. Schnabl<br />

Schaumküsse<br />

Schmecken am Anfang und selten<br />

Verführerisch süß<br />

Später und zu oft<br />

Ungewollte Nebenwirkungen<br />

Küsse<br />

Hochnebel<br />

In der Kaffeetasse<br />

Am Montagmorgen.<br />

Ich küsse deinen zarten<br />

Roten Mund,<br />

Ich küsse ihn dir wund<br />

Vor Begierde<br />

Lass mich nicht in Ruhe<br />

Lass mich<br />

Nicht in Ruhe<br />

Möchte dich lieben<br />

Möchte dich begehren<br />

Möchte dich verehren.<br />

Körper<br />

Dein Körper ist so schön.<br />

Dein Körper ist mir heilig.<br />

Ich liebe dich und gehe mit deinem<br />

Körper auf die Reise<br />

Trotzdem begehre ich sie<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 17


Brigitta Weiss<br />

Katja Herrmann<br />

SO WEISS<br />

KOMM ZU MIR<br />

Im Schneetreiben<br />

unserer Lust<br />

lasse ich mir<br />

deine Küsse<br />

wie Schneeflocken<br />

auf der Zunge<br />

zergehn.<br />

Eisblumen<br />

hinter meinen<br />

Augen<br />

schmelzen<br />

unter deinem<br />

Lächeln<br />

dahin.<br />

Deine Finger – fünf<br />

Sonnenstrahlen<br />

sprengen<br />

die Decken<br />

aus Eis:<br />

Tauwetter ist<br />

angesagt.<br />

(aus: Leumund: Gedichte)<br />

Susanne Fiedler<br />

ABSCHIED<br />

Ich werde achtsam sein<br />

Die Worte sehr gut wählen<br />

Mein Herz wie einen ersten Keim<br />

aus einer alten Wunde schälen<br />

Ich werde meine Furcht bezwingen<br />

und keine Macht dem Alten geben<br />

Die allerersten Töne singen<br />

auf meinem Weg ins Leben<br />

Komm zu mir, komm,<br />

nimm mich in dich und meine Welt,<br />

die nicht Fassade braucht, um zu gefallen,<br />

schenk mir dein Lachen für jedes Stückchen Liebe,<br />

dein Herz im Tausch für meine Hand.<br />

Komm zu mir, komm,<br />

du findest mich<br />

im Licht<br />

Regine Lotz-Albach<br />

AUS BAUM UND BLÜTE<br />

Der Tisch<br />

an dem ich sitze<br />

reicht mir aus<br />

für meine Speise<br />

für Vater – Mutter<br />

und für meine Träume –<br />

Der Tisch<br />

an dem ich sitze<br />

gibt mir Halt<br />

für meine Bücher<br />

Worte Verse<br />

und für meine Reime –<br />

Der Tisch<br />

an dem ich sitze<br />

ist aus Holz<br />

ich spüre<br />

mit der bloßen Hand<br />

es war der Baum<br />

der nachts die Blüten<br />

abgeworfen unterm Stern –<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 18


Roslies Wille-Nopens<br />

Heinz Oelfke<br />

Um die ersten Worte sagen zu können<br />

mußt Du tief Atem holten<br />

Deinen Körper bewegen<br />

Du kannst die gesprochenen Worte<br />

nicht zurückholen<br />

und entscheidest Dich<br />

nichts zu sagen<br />

unbeweglich zu bleiben<br />

kaum zu atmen<br />

Werner Saemann<br />

MODERNER SCHREIBER<br />

er kann sich nicht freuen<br />

Happy-End ist ihm Kitsch<br />

er kann auch nicht weinen<br />

ihn langweilt das Glück<br />

ABEND IN GRASSE<br />

Noch vom Lavendelduft umgeben,<br />

dem süßen Odem der Provence,<br />

im lichten Grün weinschwangerer Reben<br />

und blumenbunter Gärten Glanz<br />

warst du bei jedem Schritt zugegen,<br />

bei Lust und Lieb und Spiel und Tanz.<br />

Du, Gott aus Lorbeer und aus Myrthen,<br />

beim roten Wein, beim Lied der Hirten.<br />

Du, Amor, ewig junger Gott,<br />

wo würdest schöner du erscheinen<br />

als unter den Olivenhainen<br />

in diesem gottgeliebten Land,<br />

wenn Herzen liebend sich vereinen<br />

mit Amorettenflügelband.<br />

(aus: Ich sah so viele Blumen blühen)<br />

er möchte wer sein<br />

jetzt schreibt er Thriller<br />

er geht an die Grenzen<br />

schreibt nur über sich<br />

Waltraud Weiß<br />

HERMES<br />

Wie schön er ist!<br />

Ich umrunde ihn –<br />

Umgarnen möchte ich ihn –<br />

Umkreisen ...<br />

Nur umhüllen möchte ich ihn<br />

Nich t<br />

Zu schön ist<br />

Alles an ihm<br />

Das Schönste aber<br />

Zeigt er mir<br />

Von hinten<br />

Wie fest und prall<br />

Wie warm gefärbt<br />

Seine Haut die straffe Form zeigt –<br />

Genau passend ...<br />

... für meine Hände!<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 19


AUS DEM ARCHIV DER IGDA<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 20


WIR BEGRÜSSEN UNSERE NEUEN MITGLIEDER<br />

Benedikta Buddeberg, 58099 Hagen<br />

Hans Meyer, 91443 Scheinfeld<br />

Amalia Koslowski (Pseudonym: Amalia N.<br />

Kardonas), 58099 Hagen<br />

Maria Sassin, 41569 Rommerskirchen<br />

Josef Albert Stöckl, 83527 Kirchdorf<br />

Benedikta Buddeberg<br />

Josef Albert Stöckl<br />

HERBSTTAG<br />

(Zu jeder Jahreszeit zu singen)<br />

Herr, keine Zeit. Der Sommer war nur Hauch.<br />

Kein Schatten hält uns an die Sonnenuhren,<br />

und keine Spuren lässt des Lebens Rauch.<br />

Befiehl den leeren Stunden voll zu sein;<br />

gib ihnen nur zwei sinnerfüllte Tage,<br />

dränge sie zur Vollendung hin im Jagen,<br />

schenk ihnen Süße wie von schwerem Wein.<br />

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.<br />

Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,<br />

wird surfen, chatten, Kurzbotschaften schreiben<br />

und wird auf Datenstraßen hin und her<br />

unruhig schlaflos wie die Blätter treiben.<br />

HERBST<br />

Silberschleier ziehen<br />

gewebt von Herbstes Hand<br />

Schwalbenschwärme fliehen<br />

hinweg in warmes Land.<br />

Müde Ackerkrume<br />

ruht träg im Sonnenstrahl<br />

welke Sonnenblume<br />

leuchtet ein letztes Mal.<br />

Offnes Grab liegt schweigend<br />

ein Herz wird zugedeckt<br />

Wiege sanft sich neigend<br />

ein Herz ward aufgeweckt.<br />

(nach Rainer Maria Rilke: Herbsttag)<br />

Amalia N. Kardonas<br />

Auszug aus: Die Comtesse<br />

PROLOG<br />

Angers, August im Jahr des Herrn 1660<br />

D<br />

as Gefährt sah kostbarer aus als die Kutschen,<br />

in denen Héloise bisher gereist<br />

war. Es war länger, breiter, höher, sein<br />

Inneres mit glänzend poliertem, stark gemasertem<br />

Holz vertäfelt und die Bänke mit einem dicht<br />

gewebten Stoff bezogen, der keinerlei Abnutzung<br />

zeigte. Keine zerschlissenen Partien vorn an den<br />

Kanten wie bei der Kutsche ihres Papas. Dennoch:<br />

der Holzboden war am Einstieg abgewetzt.<br />

Wie viele Menschen mochten in dieser luxuriösen<br />

Kutsche gereist sein? Wie viele Mädchen hatte<br />

Marie Montvert aus ihren Elternhäusern abgeholt<br />

und nach Paris begleitet?<br />

Ihr Papa wollte sie zum Abschied mit einem<br />

Lächeln aufmuntern, doch es erreichte seine<br />

Augen nicht. „Schaue nicht zurück, mein Mädchen,<br />

sonst siehst du deinen Kummer in unseren<br />

Tränen. Damit wird alles Kommende untragbar.”<br />

Héloise versuchte, sich an seinen Rat zu halten.<br />

Sie kauerte mit dem Rücken in Fahrtrichtung auf<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 21


der Kante der Sitzbank und starrte aus dem Fenster.<br />

‘Papa. Warum?’ Die Tränen in ihren Augen<br />

brannten und fanden einen eigenen Ausweg.<br />

Marie Montvert, Duchesse von St. Germain<br />

und die beste Freundin ihrer Mutter, saß ihr gegenüber,<br />

aufrecht, sie beobachtend. Sie fächerte<br />

sich mit einem Hauch von Seide Luft zu. In Héloises<br />

Augen war Marie ein respekteinflößender<br />

Wegweiser, der in dem Dickicht, in das sie geschickt<br />

wurde, nur von Nutzen sein konnte, zumal<br />

sie diesen Wegweiser mochte. Marie machte<br />

ihr den Abschied, den Neubeginn,<br />

die Fremde erträglich. Sie<br />

war ihre Patin und sollte die einzige<br />

Stütze an Héloises Seite<br />

sein, wenn sie dem König und<br />

der Königin von Frankreich vorgestellt<br />

wurde.<br />

Hinter Marie, hinter dem gemaserten<br />

Holz der Rückwand<br />

und weit hinter der letzten Biegung,<br />

in dem kleinen Ort namens<br />

Le Plessis-Macé bei Angers,<br />

war ihr Zuhause, sollte es<br />

immer sein. Dort lebte Adolphe<br />

Maximilien de Clement-Barentin,<br />

Marquis de Bellefort. Ihr<br />

starker, unbesiegbarer Papa. Er<br />

war Musketier im Regiment des<br />

Königs gewesen, des alten Königs, dessen Edelmut<br />

er immer noch schätzte. Héloise liebte ihren<br />

Papa bedingungslos.<br />

Dort herrschte Madeleine de Clement-Barentin,<br />

eine geborene St. Phare. Ihre Mutter. Madeleine<br />

war entweder nur einschüchternd oder herablassend.<br />

Diese Eigenarten hatte sie perfektioniert.<br />

Madeleine gebar sieben Kinder, und Héloise,<br />

die jüngste Tochter, begegnete ihr entweder<br />

mit Scheu oder Verachtung. Héloise wünschte<br />

sich oft, Marie wäre ihr Mama.<br />

In Le Plessis-Macé lebte Raphael, der einzige<br />

ihrer vier Brüder, den sie kannte, und ihre Großtante<br />

Sophie Aimée d’Aulnay-sous-Bois, Duchesse<br />

de Reims. Sophie war ihre Lehrerin und<br />

eine Hexe. Das jedenfalls behauptete Madeleine.<br />

Héloise wusste es besser.<br />

In Gedanken versunken presste sie ihre<br />

Hände um den Einband eines Buches, das Papa<br />

ihr zum Abschied überreichte. Es sollte Héloise<br />

an daheim erinnern, an die Bücher in der Bibliothek,<br />

die sie liebte. Héloise war oft, umhüllt von<br />

den Düften nach Papier, Leder und Holz, über<br />

einer Landkarte eingeschlummert. Dann träumte<br />

sie von Expeditionen in weit entfernte Regionen.<br />

Die Herbarien, die sie mit Sophies Hilfe anlegte,<br />

waren sicher im Reisegepäck verstaut. Diese<br />

Schätze ließ Héloise auf gar keinen Fall daheim,<br />

denn sie wollte nicht, dass ihre Mutter sie<br />

fand. Madeleine hielt nichts von diesen Dingen –<br />

sie meinte die Kräuterkunde – und hätte die Bücher<br />

in den Kamin geworfen. Héloise war sich<br />

sicher, dass Madeleine gar nichts verstand. Immerhin<br />

halfen ‘diese Dinge’ bei<br />

Papas Blasensteinen und Raphaels<br />

Wundheilungen.<br />

Raphael. Ein Lächeln. Der Elfjährige,<br />

der ihr mit dem Herzen<br />

so nahe war, als seien sie aus<br />

einem Holz geschnitzt, war das<br />

Gegenstück ihres Temperaments:<br />

Raphael de Clement-Barentin<br />

war ein Wirbelwind, und<br />

seine Neigung zu Unfällen ließen<br />

Héloise mitunter verzweifeln.<br />

Seine Verletzungen beschränkten<br />

sich auf Blessuren<br />

und Prellungen, wenn er wieder<br />

einmal von einem zu hohen<br />

Baum gesprungen war oder die<br />

Breite eines Flussbetts unterschätzte,<br />

doch es verging keine Woche ohne Aufregung.<br />

Kaum war eine Wunde verarztet, heckte<br />

er neue Streiche aus und sein ansteckendes<br />

Lachen fehlte ihr schon jetzt.<br />

Sie seufzte und sah, während ihr Daumen heftig<br />

über den ledernen Einband des Buches rieb,<br />

wieder aus dem Fenster. Papa wählte das Buch,<br />

so wie er alles, was er begann, sorgfältig und<br />

konzentriert zu Ende führte. Sie war, bevor sie<br />

die erste Seite aufschlug, überzeugt, dass ihr die<br />

Geschichte Trost und Kraft spendete, um die<br />

Trennung auszuhalten. Sie hielt das Buch an die<br />

Nase, atmete den Duft des Leders ein und konservierte<br />

diesen Moment in ihrer Erinnerung.<br />

Das Buch wurde zu einer Brücke, die es ihr erlaubte,<br />

hinüberzugehen und ihrer Familie zu begegnen.<br />

Vielleicht war es nicht verkehrt, mit Marie<br />

nach Paris zu gehen, und wenn es ihr dort gar<br />

nicht gefiel, konnte sie immer noch zurück nach<br />

Le Plessis-Macé.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 22


!Maria Sassin<br />

Auszug aus: Japhet, Jahwe und die Flut<br />

SCHLIMME EREIGNISSE<br />

H<br />

inter einer dichten Hecke verborgen,<br />

beobachtete Japhet, wie der Vermummte<br />

die Ziegen mit duftenden<br />

Kräuterbündeln anlockte. Mit lautem Gemecker<br />

strömten die Tiere auf den Fremden zu. Der<br />

Mann streute langsam Kraut um Kraut auf die<br />

harte Erde, während er sich vor der Ziegenherde<br />

her von der Weide fort bewegte.<br />

„Schon wieder ein Diebstahl”, seufzte der<br />

Junge. „Und abermals habe ich mich nicht getraut<br />

einzuschreiten. Dabei hätte ich nur aus den<br />

Büschen kommen und laut schreien müssen,<br />

dann wären die Geißen dem Mann niemals gefolgt.<br />

Zu spät – weg sind sie.”<br />

Der Zehnjährige mit den schwarzen Haaren<br />

rieb sich den Arm mit der Narbe. Nicht immer<br />

war er so feige gewesen wie heute. Vor einigen<br />

Monaten, als eine Bande Jugendlicher ein Mädchen<br />

beschimpft und getreten hatte, war Japhet<br />

wie der Blitz unter sie gefahren und hatte wild<br />

um sich geschlagen, um die Angreifer zu zerstreuen.<br />

Zwar kam durch sein lautes Geschrei<br />

sein Vater herbei und verjagte die frechen Burschen,<br />

doch legten sich diese wenige Tage später<br />

auf die Lauer, als der Junge allein zum Brunnen<br />

ging, und schlugen ihn brutal zusammen. „Es<br />

wird auch immer schlimmer. Jeder achtet nur auf<br />

sich und keiner kümmert sich mehr um den<br />

Anderen”, seufzte die Mutter, als sie ihn verband,<br />

so gut sie konnte.<br />

Sie hatte zweifellos Recht – fast jeden Tag<br />

hörte man in der Stadt von Schlägereien, Diebstählen,<br />

Streit und sogar Mord. Es wurde immer<br />

schwerer, als gottesfürchtiger Mann hier zu leben,<br />

sagte Vater Noah wieder und wieder.<br />

„Eines Tages, Japhet, wird das alles anders”,<br />

versuchte er den arg zerschundenen Sohn zu<br />

trösten. „Irgendwann wird Jahwe dafür sorgen,<br />

dass dieses Unrecht aufhört!”<br />

„Abba hat gut reden”, stöhnte Japhet. „Ihn<br />

achten die Leute und bisher hat ihm keiner ein<br />

Leid angetan!”<br />

Er rieb sich die schmerzende Narbe. Dann<br />

schlich er aus den Büschen zurück zur Straße, die<br />

zu seinem Heim führte.<br />

Auf dem großen Platz in der Mitte der Stadt<br />

war Markttag. Frauen versuchten, die Erträge<br />

ihrer Gärten gegen Fleisch oder Haushaltsgegenstände<br />

zu tauschen. Stoffhändler breiteten ihre<br />

leuchtende Ware aus. Es roch gut nach Gewürzen<br />

und frischen Früchten.<br />

Japhet spürte, dass sein Magen sich vor Hunger<br />

zusammenzog. Die Mittagsstunde war längst<br />

überschritten, und da der Junge sich nicht früher<br />

aus seinem Versteck getraut hatte, musste er ohne<br />

Essen auskommen.<br />

„Das wäre ja noch schöner, wenn hier jeder<br />

käme, wie er will”, sagte seine Mutter streng,<br />

wenn eins der fünf Kinder die Essenszeit nicht<br />

einhielt.<br />

Wie gut das Obst duftete! Japhet lief schnüffelnd<br />

auf einen der Stände zu. Wie meistens hatte er<br />

keine noch so kleine Münze in der Tasche, um<br />

sich ein paar Bissen zu kaufen. Weil er seit einiger<br />

Zeit so rasch wuchs, war er ständig hungrig.<br />

Da – ein großer Junge rannte in vollem Lauf<br />

auf einen der Stände zu und krachte mit seinem<br />

ganzen Gewicht in die Obstpyramide. Datteln,<br />

Orangen und Äpfel kullerten zu Boden, verstreuten<br />

sich im Umkreis des Tischchens. Aus<br />

dem Nichts strömten zerlumpte Jugendliche herbei,<br />

stopften sich die Taschen voll und verschwanden<br />

wie der Blitz zwischen den Marktbuden.<br />

Zwei leuchtende Orangen rollten unter<br />

einen Tisch neben Japhet. Der Junge bückte sich<br />

hungrig, um sich die Früchte zu holen.<br />

Wie gut sie ihm schmecken würden!<br />

„Halt, Japhet”, hörte er plötzlich eine sehr<br />

ernste Stimme. „Du bist hungrig, ja, aber die<br />

Orangen gehören der alten Martha. Du kannst sie<br />

nicht einfach nehmen!”<br />

Japhet schrak zusammen. Wer hatte ihn gemahnt,<br />

seine Gedanken gelesen? War etwa der<br />

Vater auf dem Markt? Der Junge schaute sich<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 23


um. Niemand war zu sehen, der so hätte sprechen<br />

können.<br />

Leute hasteten vorbei. Die alte Marktfrau versuchte<br />

weinend, den Rest ihrer Früchte wieder<br />

aufzubauen. Wenn sie nicht genug verkaufte,<br />

mussten ihre Enkel heute wieder einmal hungrig<br />

zu Bett gehen. Die verlorene Ware würde sie zudem<br />

dem Obstbauern, von dessen Bäumen sie<br />

stammte, ersetzen müssen.<br />

Still griff Japhet nach den Orangen und<br />

brachte sie zu der Händlerin.<br />

„Hier, Martha, die habe ich gerettet”, sagte er<br />

freundlich.<br />

„Gott segne dich. Du bist ein guter Junge”,<br />

antwortete die Alte leise. „Sieh her, hier sind<br />

einige zerdrückte Feigen. Nimm sie ruhig – die<br />

will keiner mehr kaufen. Ich weiß doch, dass ihr<br />

Burschen ständig hungrig seid! Ach, die Zustände<br />

werden aber auch immer schlimmer. Das ist<br />

schon das dritte Mal in diesem Monat, dass man<br />

mich so bestiehlt. Wenn es so weiter geht, kann<br />

ich den Bettelstab nehmen und über das Land<br />

ziehen ...” Martha weinte wieder. Japhet wusste<br />

nicht, was er sagen sollte, dankte für die Früchte<br />

und machte sich kauend auf den Heimweg.<br />

Daheim fand der Junge den Vater in einer Ecke<br />

der Hütte vor. Das wunderte ihn nicht, denn oft<br />

verzog sich der alte Noah, um vor seinem kleinen<br />

Altar Gott anzubeten. Die Nachbarn verlachten<br />

ihn häufig wegen dieser seltsamen Angewohnheit.<br />

Ihre Götter waren anders, sie verlangten<br />

rauschende Feste und zahlreiche Menschenopfer.<br />

Noahs Gott war ihnen zu langweilig. Und<br />

auch zu streng – keiner hatte mehr Interesse<br />

daran, irgendwelche Gebote zu halten. Die Menschen<br />

genossen es, stets das zu tun, worauf sie<br />

Lust hatten, ohne darauf zu achten, ob es Anderen<br />

schadete.<br />

„Hallo, Vater”, sagte Japhet, als er tiefer in die<br />

Hütte ging.<br />

„Oh, Japhet. Du bist spät dran. Hast du gegessen?”<br />

„Ja, die alte Martha gab mir ein paar Feigen,<br />

die völlig zerquetscht waren.”<br />

Aufgeregt begann der Junge, seinem Vater alles<br />

zu erzählen, was er an diesem Morgen erlebt<br />

hatte.<br />

Noah runzelte die Stirn. „Es ist unglaublich,<br />

was diese Burschen sich herausnehmen! Man ist<br />

ja seines Lebens hier nicht mehr sicher. Hast du<br />

Wasser geholt?”<br />

Japhet wurde rot. Über all den Ereignissen<br />

hatte er seine Pflicht völlig vergessen.<br />

„Nein, Vater. Aber ich gehe sofort, damit wir<br />

heute Abend genug zu trinken haben. Wo ist<br />

Mama denn?”<br />

„Sie ist in die Hügel gegangen, um Kraut für<br />

die Suppe zu sammeln. Wahrscheinlich kommt<br />

sie bald zurück. Also beeile dich mit dem Wasserholen,<br />

damit sie mit dem Kochen beginnen<br />

kann!”<br />

Japhet verließ die Hütte und bückte sich, um<br />

die Eimer aufzuheben, die neben dem Eingang<br />

standen.<br />

Wütend schrie er auf: „Guck mal, Abba! Da<br />

hat jemand den Boden herausgebrochen! Wie soll<br />

ich denn damit zum Brunnen gehen?”<br />

„Ach, diese unnütze Zerstörungswut”, seufzte<br />

Noah. „Was soll das nur? Lauf zum Nachbarn,<br />

Kleiner, und leih dir ein Gefäß. Sonst musst du ja<br />

zweimal gehen, und der Weg ist weit!”<br />

Noch bevor Japhet gehorchen konnte, kam weinend<br />

seine Schwester Mara angerannt. Mit Sina,<br />

der Frau seines ältesten Bruders Sem, hatte sie<br />

die Schafe auf einem nahen Hügel gehütet.<br />

„Räuber”, schrie sie mit tränenüberströmtem<br />

Gesicht. „Sie haben uns geschlagen und sind mit<br />

der Hälfte der Herde verschwunden, bevor wir<br />

es geschafft haben, Hilfe herbeizurufen! Ein paar<br />

Tiere haben Cham und Sem den Dieben noch<br />

wieder abgejagt! Der Rest ist verloren.”<br />

„Das ist schlimm, sehr schlimm. Nun wird<br />

schon meine eigene Familie angegriffen. Dabei<br />

kennen mich die Leute doch als gerechten und<br />

gottesfürchtigen Mann. Wie oft sind sie zu mir<br />

gekommen, um Rat zu erbitten! Immer wieder<br />

habe ich den Armen von unserem Essen gegeben.<br />

Fast die Hälfte der Wolle bekamen die Bettler,<br />

damit sie sich kleiden können! Und jetzt? Noch<br />

nie vorher ist so etwas geschehen. Weine nicht,<br />

Tochter. Die Menschen sind böse geworden. Wie<br />

lange kann Gott das noch ertragen?”<br />

Kopfschüttelnd verzog der Mann sich wieder<br />

in seine Andachtsecke, um mit Jahwe zu beratschlagen,<br />

was zu tun sei.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 24


Jutta Miller-Waldner<br />

KARTOFFELSALAT MIT BULETTEN<br />

J<br />

eden Sonntag fuhren wir, wenn das Wetter<br />

einigermaßen schön war, mit Decken, Badezeugs<br />

und Gläsern mit Kartoffelsalat und<br />

Tüten mit Buletten bepackt mit der S-Bahn ins<br />

Grüne. Wir, das waren meine Eltern, mein Bruder<br />

und ich. Manchmal fuhren wir zum Müggelsee<br />

oder an die Spree, aber meistens ging es nach<br />

Grünau in das Strandbad. Wir sind ins Wasser<br />

gegangen, ich habe geflippert oder auch geschaukelt,<br />

dass ich fast in den Himmel flog, aber ich<br />

flog doch nie.<br />

Und dann lag ich auf meiner Decke, schaute<br />

den weißen Wolken nach, und sie wurden Burgen,<br />

und ich war das Burgfräulein im finsteren<br />

Verließ mit ekligen Ratten, und ein Ritter kam<br />

und wollte mich befreien. Aber stattdessen<br />

spritzte mich mein Bruder nass. Ich hörte die<br />

Äppelkähne tuckern und stellte mir vor, wie ich<br />

auf solch einem Kahn wohnen würde, Tag für<br />

Tag unterwegs, immer woanders und immer auf<br />

dem Wasser. Ich würde fremde Städte sehen und<br />

fremde Menschen mit schwarzen, gelben oder<br />

roten Gesichtern und vielleicht auch mal eine<br />

Giraffe oder einen Elefanten. Und dann würde<br />

ich unter Brücken hindurch schippern, und<br />

Kinder würden auf mich herunterspucken. Das<br />

fand ich nicht so gut.<br />

Ich beschloss, nicht auf solch einem Dampfer<br />

zu leben und ein bisschen schwimmen zu gehen.<br />

Vielleicht würde ich ja irgendwann so schnell<br />

kraulen, dass ich Olympiasiegerin werden würde<br />

oder zumindest Weltmeisterin, und alle würden<br />

mir zujubeln und „Das hast du gut gemacht,<br />

Bine”, rufen, und ich würde ganz lässig in die<br />

Menge gucken und in die Fernsehkameras winken.<br />

Aber dann bekam ich einen Krampf in der<br />

rechten Wade und humpelte zurück auf meine<br />

Decke. Das war also auch nichts.<br />

Ich schloss die Augen und hörte die Wellen<br />

plätschern und die Kinder kreischen und die<br />

Alten quatschen, und alles schien so weit weg.<br />

Und wenn ich blinzelte, sah ich die Kiefern über<br />

mir in den unwahrscheinlich blauen Himmel<br />

ragen, und dann wieder wurde ich bepudert mit<br />

Sand und nassgespritzt von den Kindern, die<br />

mitten zwischen den Decken tobten. Aber ich<br />

war viel zu faul, um zu meckern. Doch schließlich<br />

grummelte mein Magen, und ich klopfte<br />

darauf und sagte, nun sei mal stille, aber das<br />

nützte nichts, und dann, ja dann kitzelte der Duft<br />

nach Kartoffelsalat in meiner Nase, und ich war<br />

hellwach. Nie wieder hat mir etwas so gut geschmeckt<br />

wie Kartoffelsalat, angemacht mit Öl,<br />

Essig und Brühe und vielen, vielen klein<br />

geschnittenen Zwiebeln, angewärmt in der märkischen<br />

Sonne, gegessen unter märkischen Kiefern,<br />

wo ich beim Kauen fast den Sand zwischen<br />

den Zähnen knirschen hörte, und dazu eine kalte<br />

Bulette mit Senf. Denn der Duft von dem Salat,<br />

das war der Duft nach Sonntag, und die Buletten<br />

dufteten nach Zeit, genug Zeit, so viel Zeit, die<br />

ich hatte, unglaublich viel Zeit.<br />

Wenn dann die Sonne tiefer sank und immer<br />

röter wurde und die Havel sich nachmittäglich<br />

färbte, wurde ich energisch von meinen Eltern<br />

aus meinem Frieden gerissen. Wir packten die<br />

leeren Kartoffelsalatgläser ein für das nächste<br />

Mal, und ich leckte die letzten Bulettenkrümel<br />

vom Pergamentpapier und knüllte es zusammen<br />

und schmiss es in den Abfallkorb, den mindestens<br />

tausend Wespen umsurrten, und ich rannte<br />

ganz schnell weg. Mein Bruder und ich schüttelten<br />

die Decken aus, dass den anderen der Sand<br />

um die Ohren flog und meine Mutter schimpfte.<br />

Aber wir lachten und schmissen uns in den Sand<br />

und beschmissen uns mit Sand, bis uns mein<br />

Vater energisch auseinander riss und uns eine<br />

Ohrfeige gab, so dass wir erst einmal heulten.<br />

Aber dann zog ich doch mein Kleid über und<br />

brüllte „Aua!”, weil der Stoff auf meinem Sonnenbrand<br />

scheuerte. Die Schuhe drückten vom<br />

Sand, der immer wieder hineinfiel, so dass ich<br />

dauernd stehenbleiben musste, um sie auszuschütteln,<br />

bis ich barfuß ging mit den Schuhen in<br />

der Hand und hopste, weil die Steinchen auf<br />

dem Weg fürchterlich piekten.<br />

Und so machten wir uns allesamt schwerbepackt<br />

und müde von der Luft und von der Sonne<br />

auf den Heimweg, auf den Massenheimweg.<br />

Und warteten auf die S-Bahn und quetschten uns<br />

in die Wagons und näherten uns der stickigheißen<br />

Stadt.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 25


Und ich war wieder in meiner Kammer und<br />

guckte wieder auf die trostlose Fassade vom<br />

Haus gegenüber, an dem die Farbe abblätterte,<br />

und auf den Hof, wo ein verkrüppeltes Bäumchen<br />

mühsam seine Zweige dem Licht entgegenstreckte.<br />

Und wo manchmal eine Amsel sang<br />

voller Lebenslust und Freude, aber wir fühlten<br />

uns glatt belästigt von ihrem Geschrei. Ich packte<br />

das Badezeug aus, und ein bisschen Sand staubte<br />

auf den Boden, und das Kartoffelsalatglas roch<br />

nach Zeit und Freiheit, aber ich war wieder<br />

gefangen in einszwanzig mal vier Quadratmetern.<br />

Ich hörte das Gekeife der Portierschen auf<br />

dem Hof und Mimi von nebenan eine Arie aus<br />

La Bohème schmettern. Jemand hämmerte, und<br />

über mir klackerten die Absätze von Fräulein<br />

Krause.<br />

Es war Zeit, Schularbeiten zu machen, ein<br />

paar Stullen zu schmieren, ins Bett zu gehen. Ich<br />

schlug das Aufsatzheft auf, schraubte die Kappe<br />

von meinem Füller ab, knabberte ein bisschen an<br />

meinem Zopf und fing an zu schreiben: Kartoffelsalat<br />

mit Buletten.<br />

(Eine der Siegergeschichten des Schreibwettbewerbs<br />

von Buchjournal und Books on Demand 2006 zum<br />

Thema Heimat; abgedruckt in Von ferne gesehen: Heimatgeschichten)<br />

Ernst-Edmund Keil<br />

DER KRIEG DER TÖPFE<br />

T<br />

opf ist nicht gleich Topf, doch haben meine<br />

Töpfe, aus welchem Material sie immer<br />

geformt, gewalzt, gehämmert und geschmiedet<br />

sind, eines gemeinsam, sie brennen<br />

alle an, und zwar so, dass sie oft, auch unter<br />

schweißtreibendem Einsatz von Metallschwämmen<br />

und Eisenspänen, nicht mehr zu retten sind<br />

und ich mich von ihnen trennen muss, weshalb<br />

ihrer, die mir entweder vererbt und geschenkt<br />

wurden, immer weniger werden.<br />

Nun ist das vielleicht nicht so tragisch, weil<br />

ich allein mit ihnen bin, seit ich geschieden<br />

wurde und meine Kinder eigene Töpfe und<br />

Kümmernisse haben. Seither bin ich, nicht ungern,<br />

mein eigener Koch, und was meine männlichen<br />

Kochkünste anbetrifft, so kann ich mir getrost<br />

auf die Schulter klopfen. Ich habe große<br />

Vorbilder, vergangene und gegenwärtige, und<br />

die sind ausnahmslos meines Geschlechts. Das<br />

sollte mich ermutigen, trotz gewisser Widerstände,<br />

die meine mir verbliebenen Töpfe meinen<br />

Künsten entgegenstellen, den täglichen Kampf<br />

am Kochherd weiter zu führen. Man kann an Widerständen<br />

ja eigentlich nur wachsen. Nachdem<br />

ich ja auch ein Künstler bin, wenn auch keiner<br />

vom Schlage eines Bocuse oder Lafers oder wie<br />

diese Hochmeister des Kochlöffels auch immer<br />

heißen, fühle ich mich manchmal am heimischen<br />

Kochherd geradezu kreativ. Ich bilde mir jedenfalls<br />

ein, dass das, was ich da, gut gewürzt, hin<br />

und wieder zusammenbraue, auch schmeckt, wenigstens<br />

mir, doch wohl nur mir, fürchte ich.<br />

Denn meine Freunde, und das fällt sogar mir auf,<br />

bringen entweder etwas zum Essen mit, belegte<br />

Brötchen, Laugenbretzel, Teilchen, von denen sie<br />

mir mitleidig anbieten, oder sie bestehen hartnäckig<br />

darauf, mich auszuführen. Wahrscheinlich<br />

riecht es in meiner Küche in der Regel nach Angebranntem<br />

zum Beispiel oder es sieht darin so<br />

chaotisch aus, dass sie die Hygiene meiner Speisen<br />

ernstlich in Zweifel ziehen.<br />

Eine besonders barmherzige Seele hat mir<br />

jüngst zum Geburtstag eine Spülmaschine geschenkt,<br />

die ich selten fülle und selten leere, weil<br />

ich kein Maschinenfreak bin und lieber vor der<br />

industriellen Revolution auf die Welt gekommen<br />

wäre. Wenn man sich das aussuchen könnte,<br />

kann man aber nicht. Ich bin, so gesehen, eine<br />

unzeitgemäße und schwierige Erscheinung, die<br />

sich der veränderten Umwelt nicht anzupassen<br />

vermag. Während Herr Lafers zum Beispiel immer<br />

freundlich grinsend und stundenlang mit<br />

einem Holzlöffel in seinem bayrischen Süppchen<br />

herumrührt und diese rührenden Vorgänge auch<br />

noch jovial-bajuwarisch kommentiert, werde ich,<br />

sobald ich den Löffel in meine diätetischen Breichen<br />

versenkt habe, von Einfällen geradezu überfallen,<br />

die jedoch mit Gastronomie wenig oder<br />

gar nichts zu tun haben. Im Gegenteil, ich lasse,<br />

heimgesucht von meinen Geistesblitzen, den<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 26


Löffel fallen, renne über den langen Flur in mein<br />

mit Büchern voll gestopftes Arbeitszimmer, mein<br />

Atelier, und setze mich an den Schreibtisch.<br />

Denn ich gehöre, und das muss seit Kindheit in<br />

meinen Genen geschlummert haben, zu den berufsmäßigen<br />

Schreiberlingen, denen das, was sie<br />

auf das geduldige Papier werfen oder in den alles<br />

verschlingenden PC hineinhämmern, sogar<br />

veröffentlicht, ja gelegentlich auch mit literarischen<br />

Preisen bedacht wird. Der Computer ist<br />

übrigens die einzige Maschine, mit der ich mich<br />

ein wenig vertraut gemacht habe, obwohl auch<br />

diese ihren eigenen Kopf hat, der mich immer<br />

wieder höllisch nervt, weil ich ihre Widerspenstigkeit<br />

oft nur unter heißen Tränen bändigen<br />

oder zähmen kann, als wäre sie meine fleischgewordene<br />

und launische Geliebte.<br />

Und da sitze ich also, mangels einer Sekretärin,<br />

an meinem Sekretär und dichte, wild verzückt<br />

und in heiliger Trance, was das Zeug hält,<br />

bis dicke und übel riechende Rauchschwaden<br />

durch den Korridor ziehen und, ohne zu fragen,<br />

in meine halbgeöffnete Schreib-Werkstatt eindringen,<br />

dass ich mit tränenden Augen aufspringe<br />

wie aus tiefem Schlummer und in die<br />

Küche stürze, um zu retten, was oft nicht mehr<br />

zu retten ist. Aber es gibt ja immer noch einen<br />

Apfel, eine Birne oder Banane, einen kleinen<br />

Joghurt oder Quark, um den ersten Hungerstich<br />

zu stillen.<br />

Nun, nachdem die Töpfe nicht mehr zu reinigen<br />

waren oder ihrer Böden, wegen Überhitzung,<br />

verlustig gingen, hat man mir die Benutzung<br />

dieser Alu-Töpfe ans Herz gelegt, die, weil<br />

teflonbeschichtet, nicht mehr anbrennen sollen,<br />

auch, weil aus einem Guss, keine angeschweißten<br />

Böden mehr hätten. Also bin ich mit meiner<br />

Metrokarte, die ich meinem kreativen Schreibbüro<br />

verdanke, in die nächste Metro und habe<br />

gleich zwei dieser warm empfohlenen Töpfe gegen<br />

Bares erworben.<br />

Ach, hätte ich nur nicht auf diese wohlgemeinten<br />

Ratschläge gehört! Mit diesen Alu-Töpfen<br />

beginnt der unaufhaltsame Niedergang meiner,<br />

ohnehin dilletantischen, Kochkünste. Denn,<br />

obwohl teflonbeschichtet, brannten nach wie vor<br />

die selbst verfertigten Speisen an (die Musen<br />

hörten nicht auf, mich zu küssen und aus der<br />

Küche zu vertreiben), und zwar dergestalt, dass<br />

sie sich reinlich sauber ablösten vom beschichteten<br />

Boden, aber mitsamt der stark verkohlten<br />

Kruste, die nicht hängen blieb wie bisher, sondern<br />

sich mit der übrigen Speise unlöslich vermischte.<br />

Mit dem Ergebnis, dass ich nachts nicht<br />

mehr vom Zucker träumte, der mich plagte, sondern<br />

vom Magenkrebs, der mich, weil unheilbar,<br />

binnen kurzem ins Jenseits beförderte. Wenn ich<br />

morgens aufwachte, wähnte ich mich schon im<br />

Paradies, obwohl mir trotz intensiver Suche<br />

unter Tischen, Stühlen und Betten, hinter Schränken<br />

und unter Kommoden kein einziger dieser<br />

Engel begegnete, der mich, wie im Koran versprochen,<br />

maßlos hätte in Sachen Erotika verwöhnen<br />

können. Ich war bitter enttäuscht.<br />

Aber was viel schlimmer war und eher an die<br />

Hölle erinnerte und letztlich zu einer sehr<br />

schmerzlichen Trennung von besagten Töpfen<br />

führte: Diese Quälgeister, weil aus einem Guss,<br />

erhitzten sich dergestalt, und zwar einschließlich<br />

der dazugehörigen Henkel, dass ich, eilig und<br />

spontan, wie ich nun einmal war, mir der Reihe<br />

nach sämtliche Finger der rechten und linken<br />

Hand verbrannte, dass ich erst mit silberweißen,<br />

später blutunterlaufenen Brandblasen fluchend<br />

durch mein Wohn-Revier lief, bis nichts mehr<br />

ging, nicht einmal mit dem kleinen Finger, weil<br />

die Zahl der menschlichen Extremitäten seit<br />

Adam und Eva konstant geblieben ist und die<br />

Haut an den Fingerkuppen eher zart, dünn und<br />

unbehaart ist, was uns wiederum von den Affen,<br />

mit denen wir manchmal verglichen oder verwechselt<br />

werden, eklatant unterschied.<br />

Als verbranntes Kind landete ich schließlich<br />

beim Arzt, meinem Freund und Helfer in allen<br />

Lebens- und Leidenslagen, der sich allerdings<br />

weniger um meine Blasen als um meinen Zucker<br />

kümmerte und bekümmerte und mich unverzüglich,<br />

da ich seine Dienste längere Zeit nicht in<br />

Anspruch genommen hatte, ins Keller-Labor<br />

schickte und folgenden Tages, ob der erzielten<br />

Ergebnisse, seine fachärztliche Stirn in besorgte<br />

und besorgniserregende Falten legte. Es sah nicht<br />

gut aus. Meine Blutwerte, so klagte er, seien alarmierend.<br />

Abgenommen hätte ich, mit Blick auf<br />

meinen schwangeren Bauch, wohl auch nicht,<br />

Was ich denn so äße? Worauf ich mit der Schulter<br />

zuckte und mit Selbstbedauern wehleidig auf<br />

meine Blasen verwies.<br />

„Sehen Sie nur.”<br />

Schrecklich, fand mein weiß bekitteltes Gegenüber<br />

und schüttelte unwirsch sein weißhaariges<br />

Haupt. Das müsse sich grundlegend än-<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 27


dern. So ginge es nicht weiter. Hier müssten drakonische<br />

Maßnahmen ergriffen werden.<br />

„Sie essen”, entschied er schließlich und<br />

machte eine entsprechende Notiz, obwohl nur<br />

ein ambulanter Patient, „ab morgen in der Kantine<br />

meiner Klinik. Diät, Hören Sie, Diät. Und<br />

zwar lebenslänglich.”<br />

Stand ich vor dem letzten Gericht und war<br />

ich zu ewiger Gefängnisstrafe verurteilt? Der<br />

Mann im weißen Kittel konnte, obwohl Freund<br />

und Helfer, einem richtig Angst machen, dass<br />

einem Hören und Sehen verging. Aber ich konnte<br />

ihn nicht aus seiner hippokratischen Verantwortung<br />

entlassen, musste gehorchen und hinunter<br />

schlucken, was er mir immer auferlegte.<br />

Lebenslänglich.<br />

Doch als ich mich anderntags von meiner<br />

Junggesellenküche verabschiedete, nicht ganz<br />

ohne Bedauern, trotz allem, und mich, gegen<br />

meine Essgewohnheiten, pünktlich zwölf Uhr in<br />

der benachbarten Klinik und in dem neben der<br />

Rezeption befindlichen Speisesälchen einfand,<br />

war ich nicht wenig überrascht. Ich wurde, ohne<br />

Aufpasser, an einen freien Tisch gesetzt unter unvergitterte<br />

Fenster, durch die hindurch man ins<br />

frühlingshafte Grüne sah, und wurde freundlichst<br />

bedient mit Vor- und Nachspeise und<br />

einem Essen aus gediegener, rheinischer Küche.<br />

Der Koch war offensichtlich eine Köchin, und es<br />

gab recht deftige Hausmannskost, Griesklößchen<br />

oder Spargelcreme-Suppe als Vorspeise, dazu<br />

eine gute Portion Kopfsalat, als Hauptgericht<br />

wurde mir Rostbraten, Brat- oder Mettwurst oder<br />

gefillter Fisch serviert mit frischen Kartoffeln und<br />

diversen Gemüsen, alles in cremiger Bechamelsoße,<br />

reichlich, reichlich, und am Ende gab es erst<br />

einen Pudding mit Sahnehäubchen und obendrein<br />

einen Kaffee mit Milch und Süßstoff. Ich<br />

ließ es mir schmecken und wischte mir behaglich<br />

das Maul mit einer Serviette. Wie im Hotel,<br />

dachte ich. So konnte es weiter gehen.<br />

Obwohl, ich gebe es zu, mich auf dem Nachhauseweg<br />

gewisse Bedenken beschlichen, ob<br />

mein Freund und Helfer wusste, was in seiner<br />

Küche vorging beziehungsweise im Hirn seiner<br />

rheinischen Köchin oder ob diese überhaupt ahnte,<br />

wie man mit übergewichtigen Diabetikern<br />

gastronomisch umzugehen habe? Offensichtlich<br />

dachte sie, dass ich ohne Zucker von allen Teufeln<br />

befreit war, was ein schlimmer Irrtum ist,<br />

denn die Fette in Fleisch und Soßen könnten, wie<br />

schon einmal gehabt, wieder meinen Herzarterien<br />

zusetzen und mich an den Rand des letalen<br />

Zusammenbruchs bringen. Gut, einmal musste<br />

in meinem hohen Alter gestorben werden,<br />

doch statt in der Klinik nach Genuss einer fetten,<br />

dicken rheinischen Bratwurst zu enden, hätte ich<br />

es vorgezogen, im Arm einer jungen und schlanken<br />

Geliebten mein Leben auszuhauchen. Aber<br />

danach fragte hier niemand. Leider.<br />

Amos Ruwwe<br />

BEGEGNUNG MIT GOTT<br />

D<br />

ie Tage werden länger. Es wird bald<br />

Frühling. Heilfasten ist angesagt. Der<br />

Winterspeck muss weg, spätestens im<br />

Freibad muss die Figur wieder sitzen. Beim letzten<br />

Heilfasten kam mir der Gedanke, dass Gott<br />

mit seiner Fastenzeit von vierzig Tagen – und das<br />

auch noch in der Wüste – mir gegenüber einen<br />

enormen Wissensvorsprung hat. Seine Fastenzeit<br />

endete bekanntlich in Jerusalem, bei mir ging das<br />

Fasten nur in einen geregelten Tagesablauf über.<br />

Jedenfalls kam mir beim Fasten der Gedanke,<br />

wie viel Zeit der Mensch mit der Nahrungsaufnahme<br />

verbringt. Wenn ich einmal Gott begegnen<br />

sollte und wir in ein unterhaltsames Gespräch<br />

kämen, würde ich ihm gern einige Veränderungen<br />

vorschlagen. Enorme Zeiteinsparungen<br />

wären möglich, wenn die gesamte Nahrungsaufnahme<br />

ersatzlos gestrichen würde. Einkaufen,<br />

kochen, verdauen und alle anderen Tätigkeiten<br />

fielen dann weg und das Glücksgefühl<br />

des Heilfastens wäre allgegenwärtig<br />

„Mücken und Fliegen”, so könnte ich fortfahren,<br />

„werden von uns Menschen nicht unbedingt<br />

als Bereicherung der Natur angesehen, sondern<br />

eher als Plage”. Gott könnte einwenden, das käme<br />

auf die Sichtweise an. „Aber darüber reden<br />

können wir doch mal”, würde ich nachhaken.<br />

Geduldig wie er ist, nickt er dann bestimmt zu-<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 28


stimmend. Vielleicht, so fahre ich fort, sei es ihm<br />

ja möglich, mit einem Augenzwinkern oder einer<br />

anderen kleinen Geste Mücken und Fliegen einfach<br />

verschwinden zu lassen. Erfolgreiches Jagen<br />

zeichnet sich dann nicht mehr durch einen Blutfleck<br />

auf der weißen Raufasertapete ab. Die Ehefrau,<br />

wahlweise auch der Ehemann, schimpft<br />

zuerst über die summenden Mücken, später über<br />

den Fleck an der Wand. Streit ist da oft näher als<br />

eine gemütliche Nachtruhe.<br />

Einen letzten Änderungsgedanken möchte ich<br />

ihm dann auch noch vorstellen: Es geht um das<br />

Schlafen. Stunden verschlafen wir Menschen.<br />

Fliegen und Mücken, das Essen und Schlafen, alles<br />

ersatzlos gestrichen – und wir hätten eine<br />

Menge Zeit mehr. Nie wieder mit der Fliegenklatsche<br />

bewaffnet schlaftrunken in lauen Sommernächten<br />

durch die Betten den Mücken nachstellen.<br />

Nahrung und Fliegen haben ebenfalls ein besonders<br />

Verhältnis zueinander. Ist die Nahrungsaufnahme<br />

gestrichen, schlägt man sozusagen<br />

mehrere Fliegen mit einem Streich.<br />

Nun warte ich aber erst einmal eine Begegnung<br />

mit Gott ab. So wie ich ihn bisher kennen<br />

gelernt habe, wird er mir geduldig zuhören,<br />

schließlich lächeln und nichts zu meinen Gedanken<br />

sagen. Er wird sich schon seine eigenen Gedanken<br />

dazu machen. Und ich? Jetzt, beim Mittagessen,<br />

die Fliegenklatsche neben mir, fünfundzwanzig<br />

Grad im Schatten, freue ich mich auf<br />

meinen Mittagsschlaf, und es kommen mir schon<br />

die ersten Zweifel, ob ich bei einer Begegnung<br />

mit Gott nicht lieber ein anderes Thema wählen<br />

sollte.<br />

Willy Hänscheid<br />

WIR LASSEN UNS LIFTEN<br />

I<br />

ch stand vor dem Spiegel. Mein Aussehen<br />

gefiel mir überhaupt nicht mehr.<br />

„Das ist dein Alter”, sagte meine Frau und<br />

schaute ebenfalls prüfend in den Spiegel.<br />

„Dir kann nur noch einer helfen.”<br />

„Und wer?”<br />

„Der Schönheitschirurg”, sagte meine Frau.<br />

„Ach ja?”<br />

„Das Gesicht liften, den Bauchspeck absaugen<br />

...”<br />

„Und Silikon”, unterbrach ich sie.<br />

„Was willst du mit Silikon? Schließlich hast<br />

du keine Brüste.”<br />

Sie betrachtete mich wie ein Schneider beim<br />

Aufmaß für einen neuen Anzug.<br />

„Obwohl ...”<br />

„Obwohl was?”<br />

„Dein Busen ist auch nicht zu verachten.”<br />

„Das sind Muskeln”, stellte ich entrüstet klar.<br />

Sie war da ganz anderer Ansicht und hielt mir<br />

einen Vortrag über Fettpolster. Etwas später hielt<br />

sie mir ein Blatt Papier unter die Nase.<br />

„Was ist das?”<br />

„Das Prospekt eines Schönheitschirurgen.”<br />

„Und was soll ich damit?”<br />

„Anschauen”, sagte meine Frau. „Sieh hier<br />

dieses Gesicht! Das ist vorher und das ist nachher.”<br />

Das erste Bild zeigte ein ziemlich zerfurchtes<br />

Gesicht. Auf dem zweiten Bild war kaum noch<br />

eine Falte zu erkennen.<br />

„Das ist ein gewaltiger Beschiss”, sagte ich.<br />

„Und wieso?”<br />

„Hier dieses faltenlose Gesicht ...”<br />

„Ja?”<br />

„Du willst mir doch nicht sagen, dass es die<br />

selbe Person ist.”<br />

„Aber ganz sicher”, meinte sie bestimmt. „Die<br />

Haut wird gerafft.”<br />

„Ach!”<br />

„Man löst die Haut und zieht sie nach oben,<br />

bis alles ganz glatt und straff ist.”<br />

„Und was ist dann mit den Ohren?”<br />

„Die werden wieder neu eingepasst.”<br />

„Was du nicht sagst!”<br />

Ich betrachtete wieder eingehend das Bild.<br />

„Man kann es auch ausfüttern”, sagte meine<br />

Frau.<br />

„Mit Silikon?”<br />

„Nein, sicher nicht mit Silikon.”<br />

„Sondern?”<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 29


„Ich weiß es auch nicht so genau”, gab sie<br />

schließlich zu.<br />

Ich schaute sie an.<br />

„Und es sind doch zwei verschiedene Personen”,<br />

stellte ich nach einer Weile fest.<br />

„Wieso?”<br />

„Schau hier! Auf diesem Bild nach dem Liften<br />

hat die Person etwas am Kinn, was in dem runzeligen<br />

Gesicht offensichtlich fehlt.”<br />

Meine Frau betrachtete beide Bilder sehr genau<br />

und meinte: „Es könnte ein Grübchen sein.”<br />

„Das glaube ich nicht.”<br />

„Es sieht aber so aus.”<br />

„Und wenn schon.”<br />

Meine Frau ließ das Blatt sinken.<br />

„Was soll es denn sonst sein?”, fragte sie nach<br />

einer Weile ärgerlich.<br />

„Es wird der Bauchnabel sein”, sagte ich und<br />

verzog mich vorsichtshalber aus ihrer Reichweite.<br />

Kornelia Eleonore Hofmann<br />

MIT FÜNFZIG FÄNGT DAS LEBEN (NOCH MAL) AN<br />

– GEDANKEN ZUR LEBENSMITTE –<br />

Bevor wir recht wissen, was Leben heißt,<br />

ist es schon halb vorbei. (Englisches Sprichwort)<br />

S<br />

ollte man Schlagertexten glauben, fängt das<br />

Leben mit siebzehn oder sogar sechsundsechzig<br />

Jahren erst an. Das hängt wohl für<br />

jeden vom Standpunkt ab. Für meine Person<br />

hatte ich mir die Lebensmitte so um die Fünfzig<br />

ausgeguckt. Bis dahin, so glaubte ich, würde das<br />

Leben in geregelten Bahnen verlaufen, man etwas<br />

erreicht haben, die Kinder erwachsen und<br />

selbständig sein. Und dann, ja endlich dann,<br />

kann ich alles das machen, was ich schon immer<br />

tun wollte. Beruflich was Neues beginnen, meine<br />

Hobbys in den Mittelpunkt rücken, reisen und<br />

mich ausgiebig meinem Mann widmen.<br />

Obwohl, wenn ich so zurückdenke, erschienen<br />

mir in meiner Jugend die Frauen so um die<br />

Fünfzig nicht attraktiv. So wollte ich nie werden.<br />

Viele hatten damals den Charme einer Matrone,<br />

die meist grauen Haare zu einem Dutt hochgesteckt,<br />

und ihre oft unproportionierten Figuren<br />

waren in Kittelschürzen gehüllt.<br />

Sicher, die Frauen nach dem Krieg hatten andere<br />

Sorgen, waren froh, überlebt zu haben, und<br />

die Mühen des Alltags ließen es einfach nicht zu,<br />

an sich zu denken. Fitness und Wellness waren<br />

Fremdwörter.<br />

Nun gut, jetzt bin ich fünfzig. Welche soll die<br />

erste große Veränderung sein? Fitness natürlich,<br />

um die neugesteckten Aufgaben gut zu schaffen.<br />

Obwohl, eigentlich müsste ich doch noch fit sein<br />

nach all den Jahren im Dauerlauf zwischen Job,<br />

Kindern, Hunden, Haus und Garten. Na ja, ein<br />

paar Übungen können nicht schaden. Früh am<br />

Morgen zwanzig Kniebeugen müssten der richtige<br />

Start in den Tag sein. Oh, nach Nummer fünf<br />

ein verdächtiges Knacken im Knie. Es wird doch<br />

nicht Arthrose ...? Aber nein. Sicherlich liegt es<br />

nur am Wetter, das mir manchmal etwas auf die<br />

Gelenke schlägt.<br />

Der ausgiebige Blick in den Spiegel lässt ein<br />

neues Aufgabengebiet erahnen. Das Lächeln<br />

vergeht mir. Ist auch besser so. Die Zähne sind<br />

nicht mehr so wie in der Zahnpasta-Werbung.<br />

Auch sind längst nicht mehr alle mein eigenen.<br />

Meine Zahnärztin verpasste mir eine Brücke.<br />

Von nun an schicke ich Stoßgebete in den Himmel,<br />

dass die verbliebenen mir erhalten bleiben.<br />

Hoffentlich kein frommer Wunsch.<br />

Mit den Fältchen geht es eigentlich. Na, wenigstens<br />

etwas. Bei genauerem Hinsehen muss<br />

ich leider feststellen, dass sie mit ein paar Kilo zu<br />

viel auf der Waage gut unterpolstert sind.<br />

Schon längst habe ich mein Wunschgewicht<br />

nach oben korrigiert. Ganz anders mein Mann. Er<br />

hat sein Normalgewicht gehalten. In seinem<br />

schwarzen Hochzeitsanzug sieht er noch tadellos<br />

aus, und das seit über dreißig Jahren. Eine Ungerechtigkeit!<br />

Dafür hat er aber graues Haar, und mein<br />

Haupt ziert noch die volle dunkle Lockenpracht.<br />

Hier und da blitzt mal ein silbernes Strähnchen.<br />

Aber man will ja nicht gleich kleinlich sein.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 30


Eine Diät? Sollte ich vielleicht mal fasten?<br />

Nein, so radikal sollen die Veränderungen nun<br />

doch nicht sein. Schließlich fehlt mir die Zeit, um<br />

die Kalorien zu zählen. Ich habe mir doch so viel<br />

vorgenommen. Endlich soll alles ganz anders<br />

werden. Ohne Stress und ohne Hektik.<br />

Mit Handy und Laptop bestückt gehe ich<br />

Schritte in die Selbständigkeit. Teile mir meine<br />

Sechzig-Stunden-Woche gut ein.<br />

Urlaub, Hobbys? Kommt später. Schließlich<br />

will ja das Rentnerdasein auch noch sinnvoll<br />

ausgefüllt sein.<br />

Karin Manke<br />

WARUM IMMER ICH?<br />

I<br />

n einem Brief schrieb die Freundin: „Weißt<br />

du, ich habe das Gefühl: Mareike gegen den<br />

Rest der Welt.” Diese Bemerkung, die wie<br />

eine Randbemerkung dahin gesagt sein sollte,<br />

klang lange in ihr nach. In der Nacht plötzlich<br />

aufgewacht, tauchte dieser Satz auf, manchmal<br />

auch am Tage, wenn Mareike nicht wahrhaben<br />

wollte, was alle sahen, dachten aber dann doch<br />

nicht äußerten.<br />

Mareike litt am Trotz, am Widerstand, an der<br />

Unfähigkeit ihrer Angst zu begegnen, an einer<br />

Form von Zerrissenheit, die wollte, aber nicht<br />

konnte, weil zwischen beidem die Unmöglichkeit<br />

lag, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Soweit<br />

war Mareike im Laufe ihres über fünfzigjährigen<br />

Lebens schon gekommen, das zu erkennen, wenn<br />

es ihr auch nicht gelang, dieses Wissen praktisch<br />

anwendend in ihr Leben einzubeziehen.<br />

Wie eine unanfechtbare Strategie hatte sich<br />

diese Lebensrichtlinie bis in ihre kleinsten Zellen<br />

eingenistet, und die übernahmen ganz selbständig<br />

die Regie, trat wieder einmal so ein Lebensfakt<br />

auf, in dem sie zu entscheiden hatte: zu<br />

kämpfen oder einfach nur anzunehmen und<br />

zuzulassen.<br />

Mareike konnte nicht akzeptieren, Mareike<br />

leistete immer Widerstand.<br />

Was Mareike nicht wollte, das tat sie auch nicht.<br />

Das nicht Wollen lag aber auch stets ganz dicht<br />

neben der Angst, wovor auch immer.<br />

„Du solltest dir einmal deine Ängste bewusst<br />

machen”, empfahl ihr die Freundin, die Heilpraktikerin<br />

für Psychotherapie war.<br />

Mareike verstand und nickt bestätigend, aber<br />

noch im gleichen Moment setzte sich erneut der<br />

Funke Widerstand in ihr in Bewegung und entflammte<br />

sie. Sie hörte sich von Innen heraus reden:<br />

„Ich geb doch nicht auf. Ich schaff das<br />

schon, auch ohne Hilfe.”<br />

Da konnte ihr die Freundin auch gleich noch<br />

das Spiegelgesetz erklären, Mareike verstand,<br />

aber noch im Verstehen widersetzte sie sich.<br />

Solchen Tagen folgte meist eine unruhige,<br />

schlaflose Nacht. Bilder aus der Kindheit tauchten<br />

wieder auf<br />

Da gab es einen Abend, als sie mit der Mutter<br />

allein zu Hause waren. Mit ihrem jüngeren Bruder<br />

spielte sie am großen Tisch im Wohnzimmer<br />

ein Kartenspiel. Das Abendessen lag bereits hinter<br />

ihnen, und die Geschwister wussten nicht,<br />

worauf sie noch warteten. Sonst hieß es doch<br />

immer gleich: „Ab ins Bett!”<br />

Von Mutter war auch nichts zu hören und zu<br />

sehen. Da ihr Lieblingsort, der auch ihr Rückzugsort<br />

war – aber das wusste Mareike erst viele<br />

Jahre später – die Küche war, spielte man eben<br />

noch weiter, zankte sich auch ein wenig und<br />

wechselte nach einer knappen Stunde zu Mensch<br />

ärgere dich nicht über.<br />

Die Stubenlampe mit den vier Armen hing<br />

hoch über der Tischplatte. Sie beleuchtete nur die<br />

Fläche des Tisches, die Wände ringsum versanken<br />

wie in ein Schattenspiel und warfen Spiegelbilder<br />

an die bunten Tapetenwände.<br />

Mitten im Ärgern, weil Mareike nun schon<br />

zum vierten Mal rausgeworfen wurde und mit<br />

ihrem Stein noch nicht eine komplette Runde geschafft<br />

hatte, hörten sie Lärm, der von der Straße<br />

kam. Rasch waren sie am großen Stubenfenster,<br />

vor der Gardine und Übergardine hingen. Daran<br />

etwas zu verändern war, ihnen seit Jahren eingetrichtert,<br />

streng verboten. Also gingen sie nach<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 31


nebenan ins Schlafzimmer der Eltern, deren<br />

Fenster auch auf der Straßenseite lagen.<br />

Da stand auch schon Mutter mahnend neben<br />

ihnen. „Beugt euch nicht zu weit raus!”<br />

Die Straße, die nach rechts und links einige<br />

Meter Einblick gewährte, machte ebenso beidseitig<br />

einen Knick. Den vermochte man nur einzusehen,<br />

wenn man mit dem Oberkörper sich hinauszulehnen<br />

versuchte und so mit der Balance im<br />

Zimmer zu bleiben bemüht war, um nicht herabzustürzen,<br />

dabei hin und her schwebend.<br />

Das Näherkommen der grölenden, singenden<br />

und fluchenden Stimme ließ die Geschwister<br />

endlich wieder in den Stand kommen, und ihre<br />

Füße ruhten sicher auf dem Boden des Schlafzimmers.<br />

Die Mutter stand im dunklen Zimmer hinter<br />

ihnen und ließ sich berichten. „Jetzt ist Vater<br />

an der Tür.”<br />

Nun trat wieder Ruhe auf der menschenleeren<br />

Straße ein, dafür aber schallte es im ganzen<br />

Treppenhaus. Die Nachbarn über und unter ihnen<br />

standen wohl ängstlich hinter den verschlossenen<br />

Wohnungstüren. Diese Szene kannten sie<br />

schon und auch die Wutausbrüche und brutalen<br />

Beschimpfungen, denen sie schon ausgesetzt waren,<br />

und so schwiegen sie lieber und erduldeten<br />

die spätabendliche Störung. Gleich musste der<br />

Mieter ja hinter der Wohnungstür verschwunden<br />

sein, und einigen tat vielleicht sogar die arme<br />

Frau leid.<br />

Mutter hatte die Korridortür weit geöffnet. Sie<br />

sagte nichts, sie stand nur da und erwartete den<br />

Vater, der sich mühsam die Treppen hinauf zog,<br />

während ihm eine gewaltige Alkoholfahne nachhing<br />

und für Sekunden in jeder Etage stehen<br />

blieb.<br />

Mareike und ihr Bruder, der nur ein Jahr jüngere,<br />

standen hinter der Mutter, ängstlich, aber<br />

doch auch neugierig, um nichts zu verpassen.<br />

Der Vater entdeckte sie und lallte fast liebevoll:<br />

„Ihr seid ja noch nicht im Bett”.<br />

Mutter half ihm aus der abgeschabten Lederjacke,<br />

die Mareike schnell am Vaterhaken in der<br />

Flurgarderobe aufhing.<br />

Der Bruder hatte eine Stuhl vom Tisch abgerückt,<br />

auf den Mutter den Ehemann setzen ließ.<br />

Er musste sich am Tisch festhalten, um nicht vom<br />

Stuhl zu rutschen, und dabei fielen die Figuren<br />

vom Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel durcheinander,<br />

und einige landeten auf dem Fußboden und<br />

verschwanden in der Dunkelheit.<br />

„Wo ist meine Tasche?”, fragte der Vater.<br />

„Mareike geh und hol sie!” Mutter schaute<br />

ihre Älteste an. Sie war fast dreizehn Jahre alt. –<br />

Und auch das wurde Mareike erst viele Jahre<br />

später bewusst, in diesem Moment wünschte sich<br />

die Mutter Mareike als Verbündete, sozusagen<br />

als Freundin, als Partnerin mit Verständnis, ein<br />

Zusammenhalten von Frau zu Frau. Aber dazu<br />

war Mareike noch nicht in der Lage. –<br />

Der Vater wühlte mit ungeschickten Fingern<br />

in der Tasche und wollte wohl sogleich einen<br />

Schatz herbei zaubern, der die Kinder zu erfreuen<br />

vermochte. Dem Sohn war schon die Vorfreude<br />

im Gesicht abzulesen, und er amüsierte<br />

sich über das komische Verhalten des Vaters.<br />

Da war er gefunden, eine Apfelsine, orange<br />

mit einem wulstigen dicken Nabel auf der Rundung.<br />

„Teil sie mit deiner Schwester.”<br />

Zuerst schabten die Kinder mit ihren Zähnen<br />

das Weiße von der Schaleninnenfläche ab, dann<br />

steckten sie sich genussvoll die einzelnen Stücke<br />

in den Mund.<br />

„So Kinder, und jetzt gebt mir noch einen<br />

Kuss – und dafür bekommt ihr eine Mark.”<br />

Das war sonst das Taschengeld für eine ganze<br />

Woche. Dem jüngeren Bruder fiel das gar nicht<br />

schwer, er kletterte auf Vaters Schoß, als würde<br />

er eine feuchte Bergwand besteigen, und streckte<br />

seine Kinder-Lippen rasch dem sabbernden, stinkenden<br />

Vatermund entgegen. Das Markstück<br />

landete in seiner Hand und glücklich über die<br />

schnell erworbene Beute ging der Bruder aus<br />

dem Zimmer.<br />

Nun war Mareike an der Reihe. Wo kam dieser<br />

Widerstand in ihr her? Sie sah in Mutters<br />

Gesicht, die ihr zuzureden versuchte „nun sei<br />

nicht blöd”, und dann trat sie neben den Vater.<br />

Dessen Kopf rutschte immer wieder zur Seite,<br />

mit viel Anstrengung hielt er die Augen geöffnet,<br />

die gerötet waren und immer mehr heraus quollen.<br />

An den Lippen hingen die Speichelfaden<br />

vom Bruderkuss und vermischten sich mit Vaters<br />

Spucke.<br />

Mareike trat vom Vater zurück, schaute hilfeflehend<br />

zur Mutter, die aber rührte sich nicht,<br />

griff auch nicht ein in dieses Spiel um Liebe und<br />

Zuneigung, die man sich erkaufen konnte. Mareike<br />

wollte das Zimmer verlassen.<br />

„Halt!”, brüllte ihr der Vater nach. „Du übernimmst<br />

morgen den ganzen Abwasch.” Und<br />

morgen war Sonntag, und da kamen viel Ge-<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 32


schirr und viele Töpfe zusammen. Mareike ertrug<br />

diese Bestrafung gelassen, was aber<br />

schmerzte und bis heute in ihr schmerzte waren<br />

Mutters Worte, als sie das Zimmer verließ: „Wie<br />

kann man nur so blöd sein.”<br />

Im Kinderzimmer sortierte und zählte der<br />

Bruder noch immer seine Geldschätze. Mareike<br />

war wieder einmal leer ausgegangen. Warum immer<br />

ich, dachte sie und legte sich ins Bett, zog<br />

weinend die Decke weit über den Kopf, damit<br />

keiner es hörte.<br />

In dieser Nacht, als Mareike diese Szene aus ihrer<br />

Kindheit noch einmal durchlebte, standen wieder<br />

die Worte ihrer Freundin wie eine Losung neben<br />

ihr. „Ich habe meinen Stolz schon lange aufgegeben.”<br />

Was war das in ihr, was dieser Widerstand,<br />

den sie noch oft in ihrem Leben leistete – dem<br />

Vater, der Mutter, dem Bruder, der Schule, den<br />

Lehrern – eben der ganzen Welt –, es waren<br />

Angst, Trotz und Stolz.<br />

Dieser Stolz ist manchmal so intensiv, dass ihr<br />

als Alternative nur das Märtyrersein einfällt. Die<br />

Freundin warnt sie. Sagt: „Das ist dein Ego – lass<br />

los.”<br />

Mareike hatte sich mit fünfundfünfzig Jahren in<br />

die Selbständigkeit begeben. Seit fünf Jahren<br />

sammelt sie nun Erfolge, und das Kind in ihr hat<br />

noch immer das Sagen: Beweise es allen. Du<br />

schaffst es. Seit Monaten weiß Mareike manchmal<br />

nicht, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten<br />

soll. Sie schuldet zwei Monatsmieten. Bekannte<br />

aus dem Freundeskreis sagen bewundernd:<br />

„Wie stark du bist.” Mareike freut sich darüber<br />

und verharmlost oder verschweigt die Probleme.<br />

Die Nächte werden immer schlafloser mit<br />

den wachsenden Sorgen. Warum immer ich, denkt<br />

sie und holt die nächste Erinnerung wie gerade<br />

Geschehenes hervor. Das macht sie noch trotziger.<br />

Nur einmal wachte sie morgens auf, und da war<br />

eine Stimme in ihr, nicht die der Freundin oder<br />

eine andere ihrer Bekannten – sie kam ganz tief<br />

aus ihrem Inneren. Die sagte nur: PARADIGMA.<br />

Seitdem hinterfragt Mareike. Vor ihr liegt eine<br />

Wende, das sechzigste Lebensjahr.<br />

Andreas Schwedt<br />

LIEBESFEST<br />

J<br />

ulius hob vorsichtig sein Glas und lächelte die<br />

Dame ihm gegenüber an. Auch sie erhob ihr<br />

Glas, und sie stießen an.<br />

„Ich bin der glücklichste Mann der Welt”,<br />

flüsterte Julius.<br />

„Und ich die glücklichste Frau der Welt”,<br />

sagte Maggie.<br />

„Weißt du”, sagte Julius, nachdem er sein<br />

Glas wieder abgestellt hatte, „ich habe nie an die<br />

Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Aber als ich<br />

dich gesehen habe ... von der ersten Sekunde an<br />

... da wusste ich, dass es sie doch gibt!”<br />

Maggie lächelte ihn an. „Auch mir erging es<br />

so. Als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass es<br />

niemals einen anderen Mann für mich geben<br />

wird.”<br />

Julius nahm vorsichtig ihre Hand von der<br />

Tischkante auf und zog sie an seine Lippen. Zärtlich<br />

küsste er sie.<br />

„Mag ... ich ...”<br />

„Psst ...”, sagte sie, mit dem Zeigefinger an ihrem<br />

Mund gebot sie ihm innezuhalten, „sag’ jetzt<br />

nichts mehr”, und sie schloss verträumt die Augen.<br />

„Wir sind jetzt hier und wir haben uns. Das<br />

zählt heute Nacht. Nichts anderes. Lass’ es uns<br />

einfach genießen, ja?”<br />

„Ja ... gerne”, erwiderte Julius, und auch er<br />

schloss für einen Moment die Augen, während er<br />

Maggies Hand wieder freigab.<br />

„Ich möchte so gerne tanzen”, sagte sie nach<br />

einer Weile. Und sie standen auf, und er führte<br />

sie über das Parkett des Etablissements, und ihr<br />

war, als würde sie schweben.<br />

Nein, dachte sie, ganz sicher habe ich mich nicht<br />

in ihm getäuscht. Er ist die größte Liebe meines Lebens,<br />

und er wird es auch für immer bleiben.<br />

Wen hätte ich, wenn nicht Maggie, dachte Julius<br />

und seine Stirn legte sich in Falten. Niemanden,<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 33


dachte er. Nein, ohne Maggie hätte ich die Liebe<br />

meines Lebens versäumt.<br />

Als sie zu Ende getanzt hatten und er sie wieder<br />

an ihren Tisch begleitete, begannen sie seine<br />

Worte zu wärmen.<br />

„Ich liebe dich noch wie am ersten Tag”, sagte<br />

er zärtlich. „Liebe auf den ersten Blick kann ein<br />

ganzen Leben dauern!”<br />

„Ja”, sagte sie gerührt und gab ihm einen<br />

liebevollen Kuss auf die Wange. „Und dabei ist<br />

sie bei uns schließlich auf dem besten Wege. Hast<br />

du vor fünfzig Jahren geglaubt, dass wir unseren<br />

fünfzigsten Hochzeitstag noch so verliebt wie am<br />

ersten Tag feiern würden?”<br />

„Ja”, war seine ehrliche Antwort.<br />

„Ich auch”, sagte sie. Und sie küssten sich.<br />

Sandy Green<br />

<strong>EIN</strong> KL<strong>EIN</strong>ES STÜCK HIMMEL<br />

D<br />

ie alte Frau setzt mühsam einen Schritt<br />

vor den anderen. Kraftlos hängen ihre<br />

Schultern herab wie das schwarze Wollkleid,<br />

vielfach ausgebessert, an manchen Stellen<br />

schon ganz dünn. Der gebeugte Rücken ist steif<br />

vor Schmerzen. Wie der Flaum eines Vogeljungen<br />

sprießt ihr graues Haar, fein und wirr. In der<br />

linken Hand hält sie eine Leinentasche, während<br />

ihre Rechte einen krummen Stock umklammert.<br />

Langsam sucht sie sich einen Weg durch die<br />

verschüttete Straße. Das Geröll versperrt ihr immer<br />

wieder den Weg, Mauerstücke zwingen sie<br />

zu Umwegen. Mit ihrem Stock tastet sie sich vorwärts,<br />

Stück für Stück. Vor einem großen Berg<br />

von Schutt bleibt sie erschöpft stehen. Hier ist<br />

gestern noch eine Straße und der Berg ein<br />

mächtiges Gebäude gewesen. Doch die Angriffe<br />

in der Nacht waren schlimm wie nie zuvor. Immer<br />

noch dröhnen ihr die Sirenen in den Ohren.<br />

Fliegeralarm. Stunden hatte sie in einem Bunker<br />

verbracht, zusammengedrängt mit anderen Frauen,<br />

alten Frauen und jungen Frauen, die meisten<br />

längst Witwen. Säuglinge hatten geschrieen,<br />

Kinder in Ecken gekauert, reglos und still. Dann<br />

die Bomben. Das entsetzliche Pfeifen und die<br />

furchtbaren Einschläge. Staub drang durch jede<br />

Ritze und machte das Atmen zur Qual. Alle wurden<br />

von Hustenanfällen geplagt. Obwohl sie sich<br />

den Stoff ihrer Kleider vor Mund und Nase hielten,<br />

atmeten sie den Staub ein. Einer der Säuglinge<br />

hustete besonders heftig. Doch mit der Zeit<br />

wurde sein Husten leiser und leiser, bis er<br />

schließlich für immer verstummte. Und dann<br />

war da die Angst. Nein, um sich selbst sorgte die<br />

alte Frau sich schon lange nicht mehr. Vor nicht<br />

allzu langer Zeit war ihr Mann bei einem Bombenangriff<br />

ums Leben gekommen. Der Krieg<br />

dauerte schon viel zu lange und hatte an ihrem<br />

Lebenswillen gezehrt. Nun war sie müde und erwartete<br />

den Tod wie einen guten Freund. Nein,<br />

es war die Angst um ihre Tochter und Margot,<br />

ihr Enkelkind. Die beiden lebten in einem anderen<br />

Wohnblock, und die alte Frau betete während<br />

der langen Nacht unablässig für ihre Sicherheit.<br />

Nun war sie auf dem Weg zu ihnen. Das<br />

Haus, in dem sie ein winziges Zimmer unter dem<br />

Dach bewohnt, war von den Bomben verschont<br />

geblieben. Was sie an Lebensmitteln noch besaß,<br />

hatte sie in ihre Leinentasche gepackt und sich<br />

auf den Weg gemacht. Doch nun steht sie wieder<br />

vor einem Schutthaufen, der ihr kein Durchkommen<br />

gewähren will. Mit einem tiefen Seufzer<br />

kehrt sie um und begibt sich auf die Suche nach<br />

einem einfacheren Weg. Wäre sie doch nur ein<br />

paar Jahre jünger und nicht so gebrechlich und<br />

unsicher auf den Beinen. Doch alles Jammern<br />

hatte sie sich schon längst abgewöhnt.<br />

Endlich findet sie einen schmalen Durchgang<br />

zwischen den verstümmelten Häusern mit ihren<br />

toten Fenstern. Die sanfte Herbstsonne scheut die<br />

tiefen Schluchten der Zerstörung. Eine Windböe<br />

wirbelt den Staub auf. Endlich erreicht sie das<br />

Ende der Straße, die in ein großes Trümmerfeld<br />

mündet, das früher einmal der Marktplatz gewesen<br />

ist. Sie wendet sich nach rechts. Jetzt kann sie<br />

das Haus sehen, in dem ihre Tochter mit Margot<br />

wohnt. Es ist unversehrt. Die alte Frau sendet ein<br />

lautloses Dankgebet zum Himmel. Nur die Lippen<br />

bewegen sich. Plötzlich hat sie es eilig.<br />

Schneller klappert ihr Stock auf den Steinen. Ihre<br />

Schritte werden weiter, unvorsichtiger. Mit<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 34


einem Mal geschieht es. Sie kommt mit ihrem<br />

rechten Fuß schräg auf einem großen Stein auf,<br />

der Stein rutscht unter ihrem Gewicht zur Seite.<br />

Die alte Frau beginnt zu taumeln, verliert den<br />

Halt und stürzt zu Boden. Reflexartig versucht<br />

sie, sich mit den Händen abzufangen, Stock und<br />

Tasche fallen in den Staub. Ein entsetzter Aufschrei<br />

lässt sich nicht unterdrücken.<br />

Da sieht sie einen Jungen zwischen den verwaisten<br />

Mauern hervorschauen. Langsam löst er<br />

sich aus dem Schatten und kommt auf sie zu.<br />

Furcht erfasst sie. Ihre fahrigen Hände suchen<br />

die Tasche, doch sie greifen nur Gestein. Der Junge<br />

kommt näher. Erst gestern hatte ihr eine Bekannte<br />

erzählt, dass ihr ein frecher Bengel die<br />

einzige Scheibe Brot stahl, die sie noch besessen<br />

hatte. Der Junge ist fast da. Sie kann die Tasche<br />

nicht erreichen, sieht die durchlöcherten Kinderschuhe<br />

dicht davor stehen bleiben und dünne<br />

Finger nach der Tasche greifen. Unwillkürlich<br />

hält sie die Luft an. Doch da spürt sie eine sanfte<br />

Berührung an der Schulter.<br />

„Kommen Sie, ich helfe Ihnen beim Aufstehen.”<br />

Die alte Frau hebt den Kopf, und ihre Augen<br />

blicken in ein ernstes Knabengesicht. Sie reicht<br />

ihm die Hand. Mit letzter Kraft rappelt sie sich<br />

auf. Der Junge gibt ihr die Tasche und klaubt<br />

ihren Stock aus dem Schutt. Als sie in sein abgezehrtes<br />

Gesicht sieht, steigen ihr Tränen in die<br />

Augen. Sie greift in ihre Tasche und holt einen<br />

Apfel heraus. Für einen kurzen Moment weht ein<br />

glückliches Lächeln über sein Gesicht und seine<br />

Augen strahlen, als er die Frucht wie einen<br />

kostbaren Schatz mit den Händen umschließt.<br />

(Zweiter Preis beim Literaturwettbewerb der Trude-<br />

Unruh-Akademie Heute wir, morgen Ihr<br />

Doris-Elisabeth Gries<br />

DIE BEGEGNUNG<br />

D<br />

er lang anhaltende Regen ließ unerwartet<br />

nach. Nebelschwaden tauchten auf.<br />

Ich befand mich auf dem Heimweg von<br />

meinem Italienurlaub. Während der langen Fahrt<br />

hatte ich beschlossen, einen Abstecher in die Berge<br />

zu machen. In einem der Täler liegt ein kleines<br />

Dorf mit alten Häusern, engen Gassen und gemütlichen<br />

Cafés. Mittendrin eine Kirche, deren<br />

Turm mächtig in den tiefblauen Himmel ragt. In<br />

diesem Dorf habe ich unvergessliche Stunden erlebt.<br />

Als Kind sonnige Schulferien und später, als<br />

ich erwachsen war, glückliche Urlaubstage. Mich<br />

erfasste eine tiefe Vorfreude. In Kürze würde ich<br />

diesen idyllischen Ort wiedersehen. Ich musste<br />

nur noch die Serpentinen hinunter fahren.<br />

Plötzlich wurde der Nebel dichter. Wie aus<br />

dem Nichts tauchte auf der Straße eine Gestalt<br />

auf. Erschrocken bremste ich. Die Gestalt kam<br />

näher. Ich erkannte ihn sofort. Es war Michael,<br />

den ich dreizehn Jahre lang nicht mehr gesehen<br />

hatte. Ich kurbelte die Scheibe herunter und jetzt<br />

schien auch er mich erkannt zu haben.<br />

„Welch ein Zufall!”, rief ich und lachte glücklich.<br />

„Das ist kein Zufall”, sagte er, „ich habe auf<br />

dich gewartet. Glaube mir, du kannst nicht ins<br />

Tal fahren, der Nebel wird immer dichter. Auch<br />

hier oben. Ganz in der Nähe gibt es ein altes<br />

Gasthaus, da kannst du übernachten. Ich werde<br />

mit dir kommen.” Wie selbstverständlich setzte<br />

er sich auf den Beifahrersitz.<br />

Ich stutzte. Woher hatte er gewusst, dass ich<br />

kommen würde? Vielleicht von den Besitzern der<br />

Pension, in der ich von unterwegs aus ein Zimmer<br />

reserviert hatte.<br />

Nach wenigen Minuten erreichten wir das<br />

Gasthaus und setzten uns an einen der Holztische.<br />

Gemütlich hier, dachte ich, während Michael<br />

italienischen Rotwein bestellte. Valpolicella,<br />

den ich besonders mochte.<br />

Draußen in der Dämmerung hatte ich es nicht<br />

bemerkt, aber hier im Licht des Lokals fielen sie<br />

mir auf. Seine traurigen Augen. Nach dem<br />

Grund seiner Traurigkeit wollte ich nicht fragen.<br />

Vielleicht würde sich später eine Gelegenheit ergeben.<br />

Genüsslich nippten wir an dem köstlichen<br />

Roten, der mir schnell zu Kopf stieg.<br />

Wir erzählten uns, was in den dreizehn Jahren<br />

in unserem Leben geschehen war. Wissbegierig<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 35


nahm ich jedes seiner Worte auf Michael schien<br />

es ähnlich zu gehen. Und wie früher, so auch<br />

heute: Die Stunden verrannen wie Sekunden.<br />

Wir waren uns nah, als hätte es nie eine Trennung<br />

gegeben.<br />

„Ich konnte dich nicht vergessen und habe<br />

lange Zeit auf dich gewartet”, sagte er. „Du weißt<br />

doch, du bist meine große Liebe.” Er nahm mich<br />

in den Arm.<br />

„Mir ging es ebenso, auch ich habe dich nicht<br />

vergessen”, sagte ich und schmiegte mich an ihn.<br />

„Aber meine Eltern wollten nicht, dass ich mich<br />

so früh binde. Ich sei zu jung, behaupteten sie damals.”<br />

„Ja, und später”, fragte er, „was war später?<br />

Warum hast du nie auf meine Briefe geantwortet?<br />

Wie oft habe ich bei deinen Eltern angerufen!<br />

Warum hast du nie zurück gerufen?”<br />

Große Sehnsucht lag in seinen Worten. Zärtlich<br />

fuhren seine Fingerspitzen über meine Wangen,<br />

meinen Hals entlang. Sanft küsste er meinen<br />

Mund. Es war nur der Hauch von einem Kuss,<br />

doch weckte diese zarte Berührung auch meine<br />

Sehnsucht.<br />

Ich wollte ihm gerade von dem Brief seiner<br />

Mutter erzählen. Sie schrieb damals meinen Eltern,<br />

dass für ihren Sohn nur ein Mädchen aus<br />

dem Tal in Frage komme. Doch in diesem<br />

Augenblick wandte sich Michael ab und bestellte<br />

Brot und Käse. Schon seit Stunden hatte ich<br />

nichts mehr gegessen, und mein Magen knurrte<br />

laut. Obwohl ich hungrig war, brachte ich keinen<br />

Bissen hinunter. Die anstrengende Fahrt und der<br />

schwere Wein hatten mich müde gemacht. Ich<br />

konnte meine Augen kaum noch offen halten.<br />

„Erinnerst du dich noch an Kathrin, unser<br />

Nachbarmädchen?”, fragte Michael. Ich nickte<br />

und ahnte was kommen würde. „Ich habe Kathrin<br />

vor einem Jahr geheiratet”, sagte er leise.<br />

Ich schluckte. Natürlich hatte ich mit einem<br />

solchen Ereignis rechnen müssen, dennoch taten<br />

mir seine Worte weh. Ich fühlte mein Gesicht erröten.<br />

Verlegen ergriff ich mein Weinglas und<br />

starrte auf die niedergebrannte Kerze.<br />

„Ich möchte dich nicht kränken”, sprach er<br />

weiter, „aber sollte dir Kathrin zufällig im Tal begegnen,<br />

sprich nicht darüber, dass du mich getroffen<br />

hast”.<br />

Erstaunt schaute ich ihn an. In seinem Blick<br />

entdeckte ich Wärme und tiefe Zuneigung für<br />

mich.<br />

„Bitte!”, sagte er. „Du musst es mir versprechen.”<br />

Fast flehentlich klang seine Stimme.<br />

„Warum darf sie es nicht wissen? Wir haben<br />

doch nichts zu verbergen.”<br />

„Aber ich hatte Kathrin versprochen, mich zuerst<br />

bei ihr zu melden“, antwortete Michael mit<br />

ernster Miene. „Es war so ausgemacht.” Er<br />

schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Was<br />

ich dir jetzt gesagt habe, wirst du nicht verstehen.<br />

Später vielleicht.”<br />

Seine Worte hörte ich deutlich, doch ich konnte<br />

mit ihnen nichts anfangen. Anscheinend hatte<br />

ich zuviel Wein getrunken. Aber das Flehen in<br />

seinen Augen sah ich trotz meiner Müdigkeit.<br />

„Wieso melden?”, fragte ich schläfrig. „Seid Ihr<br />

nicht mehr zusammen?” Das war das letzte, woran<br />

ich mich erinnern konnte.<br />

Am anderen Morgen erwachte ich wie aus<br />

einem tiefen Traum. Unerträglicher Lärm, wie<br />

gewaltiges Donnern, schreckte mich auf. Ich saß<br />

wie gelähmt. Nach einer Weile war es still. Totenstill.<br />

Ich schaute mich um. Ich war allein. Wo<br />

war Michael? Ich wusste nicht, wie ich auf mein<br />

Zimmer und ins Bett gekommen war. Ich hatte<br />

keinerlei Erinnerung.<br />

Plötzlich hörte ich weit entfernt Sirenengeheul.<br />

In großer Eile zog ich mich an und hastete<br />

nach draußen. Der Nebel war verschwunden.<br />

Die Sicht ins Tal war klar. Und was ich sah,<br />

nahm mir fast den Atem. Ich zitterte vor Aufregung<br />

und glaubte meinen Augen nicht zu trauen.<br />

Das Ausmaß der Katastrophe erahnte ich<br />

noch gar nicht. So schnell es möglich war, fuhr<br />

ich hinunter ins Tal. Auf der anderen Seite hatte<br />

es einen gewaltigen Erdrutsch gegeben. Große<br />

Teile der Straße waren, wie ich hörte, durch den<br />

lang anhaltenden Regen unterspült und weggebrochen.<br />

Gesteinsmassen waren ins Tal gestürzt<br />

und hatten alles, was auf ihrem Weg lag, mit sich<br />

gerissen. Im Dorf hatte der Erdrutsch viele Häuser<br />

zerstört und unter sich begraben. Auch die<br />

Kirche war verwüstet und der mächtige Turm in<br />

sich zusammengefallen.<br />

Dieser einst bezaubernde Ort war ein Bild des<br />

Schreckens. Überall sah ich die Blinklichter der<br />

Feuerwehr, der Polizei und der Krankenwagen.<br />

Hoch in der Luft kreiste ein Hubschrauber. Es<br />

gab Tote und viele Verletzte. Die Einheimischen<br />

standen unter Schock. Auch ich war entsetzt und<br />

fühlte mit ihnen. Hilfe leisten konnte ich bei die-<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 36


ser Katastrophe nicht. Zum Glück waren bereits<br />

genügend professionelle Helfer im Tal.<br />

Als ich mich umschaute, erschrak ich erneut.<br />

Die Pension, in der ich ein Zimmer reserviert<br />

hatte, war völlig zerstört. Wahrscheinlich wäre<br />

auch ich tot, hätte Michael mich nicht gewarnt.<br />

Er hatte mir das Leben gerettet. War er mein<br />

Schutzengel? Oder war unsere Begegnung doch<br />

nur einer dieser Zufälle, die es angeblich gar<br />

nicht gibt?<br />

Ich musste mit ihm reden. Das Haus suchen,<br />

in dem er wohnte. Vielleicht würde ich ihn dort<br />

finden. Traurig machte ich mich auf den Weg.<br />

Überall sah ich müde und entsetzte Gesichter.<br />

Und zwischen all diesen verzweifelten Menschen<br />

entdeckte ich ein vertrautes Gesicht. Es war<br />

Kathrin. Auch sie schien mich erkannt zu haben.<br />

Ihre Augen blitzten kurz auf. Ich wollte zu ihr<br />

gehen, da hörte ich Michaels Namen. Zwei Frauen<br />

sprachen miteinander. Als auch noch Kathrins<br />

Name fiel, ging ich dichter an sie heran. „Das<br />

arme Mädchen”, hörte ich die Ältere sagen. „Es<br />

ist schon sehr traurig. Erst vor sieben Monaten<br />

hat sie durch einen Verkehrsunfall ihren Mann<br />

verloren, und jetzt liegt auch noch ihr Haus in<br />

Trümmern. Zum Glück hat sie die letzte Nacht<br />

bei einer Freundin im Nachbarort geschlafen.”<br />

Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen.<br />

Michael schon länger tot? Ich hatte ihn doch gestern<br />

noch gesehen. Wie konnte das sein? Eine<br />

plötzliche Eiseskälte erfasste mich. Wie in Trance<br />

ging ich zu meinem Auto. Und wieder glaubte<br />

ich seine Worte zu hören: „Sprich nicht darüber,<br />

dass du mich getroffen hast!”<br />

Andrea Hermann<br />

WIE DIE ASCHENPUHLERIN ZUM VERLAG FAND<br />

Im November 2007 erscheint mein Roman Die<br />

Aschenpuhlerin beim Cenarius-Verlag. Diese Märchenparodie<br />

und ich, wir teilen schon ein ganzes<br />

Stück Weges miteinander. Hätte ich keinen Verlag<br />

dafür gefunden, wären wir bei der Hälfte stecken<br />

geblieben.<br />

Die Idee an sich muss noch aus meiner Schulzeit<br />

stammen. Verschiedene Anfangskapitel, Inhaltszusammenfassungen<br />

und Einzelszenen zeugen<br />

davon. Wirklich geschrieben habe ich die Geschichte<br />

in ihrer jetzigen Form von 2000 bis 2002<br />

und auch schnell überarbeitet, um sie im September<br />

liebevoll gebunden beim Wolfgang-Hohlbein-Preis<br />

einzureichen. In meinem Schreibtagebuch<br />

finde ich am Dienstag, 3. Juli 2001, folgende<br />

Notiz zur Aschenpuhlerin: „So stark habe ich es<br />

noch nie gespürt: Die Heldin meines Aschenputtel-Romans<br />

stapft in Sommerschuhen durch kniehohen<br />

Neuschnee. Da sehe ich auf, blinzle ins<br />

Sonnenlicht und stelle fest, dass ich im Büro sitze,<br />

die Mittagspause geht zu Ende. Draußen und<br />

drinnen herrschen ganz sicher 30 Grad. Aber ich<br />

zittere und habe blaue Hände!” Leider waren andere<br />

weniger gefesselt als ich. Den Wolfgang-<br />

Hohlbein-Preis gewann ich nicht. Was vermutlich<br />

keine Schande ist, bei über 600 Einreichungen.<br />

2002 bis 2005 schickte ich die Aschenpuhlerin<br />

gemeinsam mit einem zweiten Märchenroman<br />

auf die Runde zu verschiedenen Verlagen. Natürlich<br />

begann ich bei den ganz Großen, denn<br />

schließlich sollte es ein Bestseller werden. Dabei<br />

stellte ich übrigens zu meinem Schrecken fest,<br />

dass es gar nicht so sehr viele Verlage gibt. Hinter<br />

einem Dutzend verschiedener Namen verbirgt<br />

sich am Ende doch immer wieder derselbe<br />

Marktbeherrscher. So hatte ich sie dann also alle<br />

durch. Absagen der bekanntesten Verlage stapeln<br />

sich bei mir zu Hause, in verschiedenen Nuancen<br />

der Abweisung.<br />

Irgendwann stieß mich dann der Vortrag<br />

einer Lektorin mit der Nase auf mein Problem. Es<br />

heißt: „Genre”. Das Genre „Märchenroman für<br />

Erwachsene” existiert höchstens in kleinen Spezialverlagen.<br />

Daraufhin beglückte ich auch verschiedene<br />

Spezialisten mit meinen Exposés. Hier<br />

fielen die Absagen dann schon viel freundlicher<br />

aus, von Märchenfreund zu Märchenfreund sozusagen.<br />

Leider gibt es innerhalb des Genres<br />

„Märchenroman für Erwachsene” noch weitere<br />

Untergliederungen wie „Volksmärchen”,<br />

„Kunstmärchen”, „psychologischer Märchenroman”<br />

und viele mehr. Bei meinem Roman handelt<br />

es sich eher um eine humorige Märchenparodie<br />

mit etwas feministischem Tiefsinn. Ein<br />

Probeleser behauptete auch, es sei ein Frauenroman.<br />

Das mit den Genres ist gar nicht einfach!<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 37


Schließlich schwor ich dem Märchenroman<br />

für Erwachsene ab und suchte mir ein neues<br />

Genre. Inzwischen schreibe ich Fantasy und<br />

Science Fiction. Da wissen Leser und Lektorin<br />

gleich, was sie bekommen. Aschenpuhlerin und<br />

Einhorn-Roman lagen jetzt im Schrank bei den<br />

Absagen. Insgesamt war ich froh, dass ich mir<br />

Jack Londons Tipps zu Herzen genommen habe:<br />

Ich habe nie meinen Job fürs Schreiben aufgegeben.<br />

Das gibt einem einen langen Atem und man<br />

ist nicht gezwungen, Tiergeschichten zu<br />

schreiben, obwohl man über den Sinn des Lebens<br />

philosophieren möchte.<br />

Warum die Aschenpuhlerin jetzt doch ihre<br />

Stiefel neu geschnürt hat und weiterwandert,<br />

kann ich nicht erklären. Ich habe nichts Besonderes<br />

gemacht, kann daher auch kein Geheimrezept<br />

weiterreichen. Es war sicher nicht falsch, mein<br />

Exposé etwa hundert Mal zu überarbeiten und<br />

den Roman auch mehrmals. Ansonsten habe ich<br />

neue Romane geschrieben, Kurse besucht, Fingerfertigkeit<br />

geübt. Mich überhaupt viel mit dem<br />

Schreiben beschäftigt und Kontakte gepflegt.<br />

Und dann war ich zum rechten Zeitpunkt am<br />

richtigen Ort. Gerade als der Cenarius-Verlag gegründet<br />

wurde, stand ich parat mit zwei fast fertigen<br />

Romanen.<br />

Eine interessante Koinzidenz lässt mich grübeln,<br />

ob für manche Ereignisse einfach die Zeit<br />

reif sein muss. Man sollte es nicht glauben, aber<br />

vier Tage, nachdem ich den Vertrag mit dem<br />

Verleger unterschrieben hatte, kontaktierte mich<br />

eine Literaturagentur. Sie möchten mich gern<br />

vertreten. Faszinierend. Es wäre also so oder so<br />

passiert?<br />

Das Wichtigste war aber vermutlich, die Geduld<br />

nicht zu verlieren. Irgendwo habe ich mal<br />

gelesen, dass jeder gute Roman irgendwann<br />

einen Verlag findet. Es dauert nur manchmal<br />

etwas länger. (Und wenn er doch keinen Verlag<br />

findet, war er wohl nicht gut?) In einem anderen<br />

Interview las ich, dass man erst neun schlechte<br />

Romane schreiben müsse, um endlich einen<br />

zehnten guten zu schreiben. Damals war ich<br />

gerade bei etwa Nummer 8. Geduld, Geduld,<br />

Geduld!<br />

Die Aschenpuhlerin ist übrigens einer meiner<br />

ersten fünf Romane und war wirklich nicht besonders<br />

fesselnd, wie ich mit mehreren Jahren<br />

Abstand selbst einsehen musste. Anhand der<br />

dürren Buchstaben erstanden mir selbst die Bilder<br />

von damals nicht mehr neu vor meinem<br />

Auge. Aber als der Cenarius-Verlag mein Exposé<br />

interessant fand, setzte ich mich neu motiviert in<br />

den Weihnachtsferien auf den Hosenboden und<br />

arbeitete das ganze Werk von vorn bis hinten<br />

gründlichst durch. Es war die reinste Geisterbahnfahrt,<br />

sich mit dem eigenen Schreibstil von<br />

vor fünf Jahren zu konfrontieren. Ganz zu<br />

schweigen davon, dass an manchen Romantagen<br />

die Sonne zwei Mal unterging. Ich quälte mich<br />

auf der Zielgeraden durch die Hölle. Aber es hat<br />

sich gelohnt. Inzwischen ist die erste Rate des<br />

Honorars auf meinem Konto eingegangen. Nicht<br />

dass ich wegen des Geldes schreibe, aber es ist<br />

doch ein Zeichen des Vertrauens von meinem<br />

Verlag in mich und meinen Roman. Und das tut<br />

mal richtig gut!<br />

Gleichzeitig ist mir auch klar, dass das Brutalste<br />

noch kommt: das Verkaufen. Kritiker/<br />

innen werden mein Buch durch den Kakao ziehen,<br />

in der Luft zerreißen oder vielleicht auch<br />

mal streicheln, schlimmstenfalls vollständig ignorieren.<br />

Wenn ich an die Millionen von Menschen<br />

denke, die möglicherweise mein Buch lesen würden,<br />

aber bisher nichts davon wissen, dann steht<br />

uns noch eine Menge Marketing bevor. Jetzt verlasse<br />

ich das gewohnte Terrain des Schreibens<br />

und begebe mich ins Scheinwerferlicht. Muss mir<br />

Gedanken darüber machen, was ich bei einer<br />

Lesung anziehe. Friseurtermin wäre auch nicht<br />

schlecht. Neue Passbilder?<br />

Ich wünsche hiermit allen Schreibenden viel<br />

Ausdauer!<br />

Angelika Zöllner<br />

SCHREIBEN IN RHODOS<br />

2006 durfte ich zum dritten Mal ein Arbeitsstipendium<br />

in Rhodos/Griechenland, wahrnehmen,<br />

und ich komme deshalb gern dem Wunsch<br />

nach, davon zu erzählen.<br />

Es gibt in Rhodos, wie zum Beispiel auch in<br />

Schweden, dem Baltic Centre in Visby, in Mojácar<br />

(Spanien) und neuerdings auch in Lettland, dem<br />

International Writers’ and Translators’ House in<br />

Ventspils, ein Center für Schriftsteller und Übersetzer.<br />

Hier treffen sich Schreibende aus aller<br />

Welt, um kostenlos zwei bis sechs Wochen zu<br />

arbeiten. Man stellt in Englisch einen Antrag an<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 38


das Center (www.literarycentre.gr) und gibt die<br />

Gründe für seinen Wunsch, dort zu arbeiten, an.<br />

Den Flug zahlt man selbst, Mahlzeiten kann<br />

man sich in einer Gemeinschaftsküche zubereiten.<br />

Kaffee gibt es morgens gratis, dazu Zwieback,<br />

Butter und Marmelade. Wenn man erlebt,<br />

dass die Griechen erst ab 22 Uhr zum Essen ausgehen,<br />

wundert einen nicht mehr das sparsame<br />

Frühstück. Jedes der zehn Zimmer – es gibt nur<br />

ein Doppelzimmer – besitzt Dusche und WC. Familienangehörige<br />

können nicht mitgebracht werden.<br />

Einige der Zimmer haben einen Ausblick zum<br />

Meer. Jeden Abend kann man die Sonne in immer<br />

wieder unterschiedlichen Farben untergehen<br />

sehen über dem Blaugrün der Wellen und begreifen,<br />

wie die Regenbogenfarben zusammen ein<br />

Ganzes ergeben.<br />

Viele der Autoren oder Übersetzer trifft man<br />

auf der Treppe, die hoch in Richtung der Akropolis<br />

und zu einem sich weit dehnenden Ausblick<br />

über das Meer führt. Auf der Akropolis befinden<br />

sich einige gut erhaltene Säulen eines<br />

Apollotempels, ein Odeon usw., zwischen Olivenbäumen<br />

gelegen. Das Gelände um den Tempel<br />

hat eine besondere Anziehung, da es nicht so<br />

touristenüberladen ist wie das Tempelumfeld der<br />

Inselstadt Lindos – und weil diese Hügelverschlossenheit<br />

noch viel Phantasie zulässt. Manches<br />

ist hier, des Geldes wegen, noch lange nicht<br />

ausgegraben.<br />

Möchte man sich von seiner Schreibtischklausur<br />

erholen und neue Eindrücke sammeln, gibt es<br />

sehr Unterschiedliches in Rhodos zu erleben. Einsames<br />

ebenso wie lange Nächte in Tavernen oder<br />

Lokalen mit Lifemusik und manchmal griechischem<br />

Tanz. Wer die Männer, seltener auch<br />

Frauen, hat frei tanzen und sich bewegen sehen –<br />

manchmal ganz allein und das, was sie fühlen –,<br />

kommt ins Nachdenken. In der Saison findet so<br />

manche Aufführung im Melina-Mercouri-Theater<br />

statt, Open-Air zwischen Burgmauern unter<br />

dem Nachthimmel der Alten Stadt, der besterhaltenen<br />

mittelalterlichen Stadt Europas, ein Teil<br />

von Rhodosstadt, der Hauptstadt der Insel. Der<br />

andere Teil heißt schlicht: Neustadt. Unvergessliche<br />

Stimmung.<br />

In der Alten Stadt sollen noch heute rund<br />

fünftausend Menschen wohnen (so genau weiß<br />

man es nicht; die Griechen sind ein herrliches,<br />

gemütvolles Volk, aber man weiß nie genau, ob<br />

Zahlen stimmen – oder Straßen – oder Abfahrtszeiten<br />

– obwohl seit dem EU-Anschluss sich das<br />

sehr geändert hat).<br />

Fesselnd ist sie, diese weitläufige Stadt der Johanniter<br />

mit ihren Steinmauern und Bögen und<br />

dem imposanten Großmeisterpalast, unter dem<br />

sich früher ein Helios-Heiligtum befand. Helios<br />

war der Gott, der sich der Legende nach in diese<br />

Insel verliebte und sie von Zeus geschenkt bekam.<br />

Das Wort Helios beziehungsweise Ilios wird<br />

noch heute im Neugriechischen für ‘Sonne’ gebraucht.<br />

– Im Griechischen sind bis heute viele<br />

Worte mit alter Philosophie erfüllt, auch logos<br />

usw. Bei uns sagt man nur Wort als Übersetzung<br />

– logos bedeutet aber viel mehr. –<br />

Entweder hier oder am Mandraki-Hafen soll<br />

der legendäre Koloss von Rhodos gestanden<br />

haben – das bekommt man jedes Mal anders von<br />

den Stadtführern zu hören, auch in den Reiseführern<br />

steht es unterschiedlich.<br />

Viele Sehenswürdigkeiten und Zeugnisse byzantinischer<br />

Kunst gibt es auf der Insel zu bewundern:<br />

kostbare Ikonen und Freskenmalereien<br />

in kleinen Familienkirchen, in Rhodosstadt mehrere<br />

stilvolle Moscheen mit künstlerisch angelegten<br />

Innenhöfen, uralten Brunnen sowie ein aus<br />

türkischer Zeit übrig gebliebenes Hamam, ein bis<br />

heute genutztes Bad. Drei der Moscheen werden<br />

immer noch von Angehörigen der islamischen<br />

Gemeinde genutzt. Ein alter türkischer Friedhof<br />

zeigt bemerkenswerte Steinfiguren auf den Gräbern,<br />

die die Berufe der Bestatteten wiedergeben.<br />

Neben dem Friedhof befindet sich auch das<br />

Haus, in dem Lawrence Durrell nach Kriegsende<br />

gelebt hat. Man kann seine Erlebnisse in dem<br />

Buch Leuchtende Orangen lesen.<br />

Es gibt außer dem türkischen auch ein jüdisches<br />

Viertel in der Alten Stadt, in dem noch einige<br />

einst aus Spanien vertriebenen Juden leben,<br />

und eine licht gebaute, sehr sehenswerte ältere<br />

Synagoge mit freundlichen Menschen, die nicht<br />

mehr mit der Wimper zucken, wenn man sagen<br />

muss, man stamme aus Deutschland (obgleich<br />

die Nazis dort mehr als genug angerichtet haben).<br />

Unterhalb der Akropolis befinden sich im italienischen<br />

Viertel stilvolle Häuser und Villen aus<br />

der Zeit der Besatzung ab 1912. Die Italiener hatten<br />

Rhodos eingenommen und ‘angeblich’ von<br />

den Türken nach circa vierhundert Jahren befreit.<br />

Mussolini wollte Rhodos später zur Musterinsel<br />

verwandeln. Der „Palazzo des Mussolini” auf<br />

dem zweithöchsten Berg auf Rhodos, dem Profitis<br />

Ilias, und die anderen unter ihm errichteten<br />

Bauten im nahe gelegenen Dorf Eleussa sind alle<br />

verfallen und drücken Öde und Bedrückendes<br />

aus. Meine Freundin aus Katalonien sagte: „Here<br />

is the devil.” Sie verließ so schnell wie möglich<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 39


diesen unheimlichen Palazzo. Fast genauso hatte<br />

ich es das Jahr zuvor gefühlt ... Keiner der Griechen<br />

mag hier renovieren. Selbst die zwei hier<br />

errichteten Hotels gehen ständig pleite ... eine<br />

unheimliche Gegend. Sogar die Bäume scheinen<br />

wie aus Stein. Interessant ist, dass das in keinem<br />

Reiseführer beschrieben steht. Ein älterer Mann,<br />

ein Ingenieur, der uns führte, erzählte, wie die<br />

Väter unter Androhung, das Leben zu verlieren,<br />

zum Errichten der Bauten gezwungen wurden.<br />

Auf Rhodos, das nicht nur griechisch ist –<br />

dort wohnen viele Türken, Juden, Araber, einige<br />

Italiener und viele Ausländer von überall –, leben<br />

die unterschiedliche Kulturen und Religionen<br />

jetzt friedlich miteinander und sind im ständigen<br />

Dialog. Für uns, die wir aus Island, Slowenien,<br />

Russland, Australien, Finnland, Norwegen, Katalonien<br />

(die oben erwähnte Freundin ist gebürtige<br />

Katalonierin. Sie wäre sehr ärgerlich, würde ich<br />

sie als Spanierin abhandeln. Als sie studierte, gab<br />

es wegen Franco keine Erlaubnis, die katalonische<br />

Literatur zu benutzen. Vieles hatte er verbrennen<br />

lassen – wie bei uns die Nazis. Sie war<br />

ins Literaturcenter gekommen, weil ein Schiff in<br />

den 1930ern vor Rhodos untergegangen war mit<br />

Intellektuellen, Archäologen und Künstlern aus<br />

Spanien und Katalonien, unter anderem auch die<br />

Tochter von Lorca), Spanien, der Slowakei, aus<br />

Deutschland, den USA und anderen Weltgegenden<br />

zusammenkommen, ist immer wieder überraschend,<br />

wie tolerant hier Menschen mit ganz<br />

unterschiedlichen Religionen miteinander leben.<br />

Türken und Griechen sind nach den vierhundert<br />

Jahren türkischer Besatzung längst miteinander<br />

verwandt.<br />

2005 war ich eingeladen zu einem Gemeinschaftskonzert<br />

von türkischen und griechischen<br />

Musikern. Türken musizierten und sangen die<br />

griechischen Lieder, und manche der Älteren waren<br />

bewegt und hatten Tränen in den Augen,<br />

wenn sie die Klänge und Texte von Mikis Theodorakis,<br />

der während der Zeit der Junta gefoltert<br />

wurde und 1970 ins Exil nach Frankreich ging,<br />

hörten.<br />

Zur Zeit werden im Literaturcenter Unterschriften<br />

gesammelt, weit reichend schon gedacht<br />

für 2018. Man möchte Kulturhauptstadt<br />

werden. Wer auf die Liste der Unterstützer gesetzt<br />

werden möchte, wende sich bitte an info@<br />

literarycentre.gr mit dem Betreff „Rhodos 2018”.<br />

Melina Mercouri, die Rhodos liebte, hatte eine<br />

lebendige Vorstellung davon, wie sich dort Menschen<br />

aus ganz unterschiedlichen Ländern zu<br />

einem fruchtbaren Austausch ihrer Kulturen<br />

treffen können.<br />

Es bleibt zu erwähnen, dass sich die Bibliothek<br />

im Center und der Computerraum in einem<br />

zum Teil noch verbesserungswürdigen Zustand<br />

befinden. Es wird jedoch bereits daran gearbeitet.<br />

Internetanschluss ohne DSL hatte es zum Beispiel<br />

bei meinem letzten Aufenthalt nur auf einem der<br />

drei PCs gegeben; auch der Drucker funktionierte<br />

nicht. Man durfte allerdings den Drucker des<br />

Office benutzen. Schreiber sollten ihren Laptop<br />

mitbringen – und können sich in südländischer<br />

Ruhe und dem landestypischen Humor üben,<br />

wenn wieder auf der gesamten Insel kurzzeitig<br />

der Strom ausfällt …<br />

Die freundlichen Menschen im Center werden<br />

jedoch ungehalten, wenn sich Autoren beschweren,<br />

wenn sie kein Zimmer mit Meerblick erhalten,<br />

lauthals verkünden, dass sie „es noch nie mit<br />

den ollen Griechen” hatten oder den täglichen<br />

Sonnenuntergang „auch schon besser gesehen”<br />

haben ...<br />

Bewerben sollten sich wirklich nur AutorInnen<br />

und ÜbersetzerInnen, die auch ein wenig<br />

Sinn für das Griechische und seine Kultur haben.<br />

Dann wird es ein besonderes Erlebnis sein, über<br />

Wochen in Ruhe und anregender Umgebung<br />

gratis arbeiten und sich austauschen zu dürfen.<br />

PATMOS – HIN UND ZURÜCK<br />

(aus einem unvollendeten Zyklus)<br />

II<br />

CHORA – HOCH OBEN<br />

um das tausendjährige Johanniskloster<br />

fädeln sich wege<br />

in hellen tupfen gestreut<br />

ich zeichne sie nach<br />

mit den fußspitzen<br />

verfange mich<br />

in straßenwindungen<br />

diesem labyrinthenem schweigen<br />

innen der goldglanz der<br />

ikonen – außen die ahnung<br />

verlorener chiffren<br />

zur oberen welt.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 40


AUS DEM ARCHIV DER IGDA<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 41


SERVICE<br />

(Angaben ohne Gewähr)<br />

W E T T B E W E R B E<br />

Was wäre die Weihnachtszeit ohne Adventskalender? Die IGdA sucht für ihren lyrischen Adventskalender<br />

2007 Weihnachtsgedichte. Bitte schicken Sie Ihr Gedicht (bitte nur eins) mit Namen und Anschrift<br />

versehen bis zum 15. November 2007 an Waltraud Weiß, Ingendorfer Weg 71, 50829 Köln,<br />

adventskalender@igda.net. Die schönsten Gedichte werden wir hinter 23 Türen verstecken, das<br />

allerschönste erscheint am 24. 12. und wird mit einem Jahresabo unserer Literaturzeitschrift IGdAaktuell*<br />

prämiert.<br />

Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen!<br />

*Mitglieder erhalten unser in Kürze erscheinendes Verlagsverzeichnis<br />

Das Forum „Gewaltfreies Burgenland” veranstaltet<br />

in Weiterführung der Aktivitäten rund um<br />

das Thema Gewalt einen Literaturwettbewerb<br />

mit dem Schwerpunkt Hörspiel. Der Gewaltbegriff<br />

ist im Rahmen dieses Literaturwettbewerbes<br />

sehr weit gefasst und reicht von direkten<br />

psychischen und physischen Gewalthandlungen<br />

an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis<br />

hin zu struktureller Gewalt. Das heißt, auch Themen<br />

wie Diskriminierung, Ausbeutung und<br />

Übervorteilung, also Handlungen, welche, egal<br />

ob sie von konkreten Personen, Institutionen<br />

oder der Gesellschaft gesetzt werden, zu einer<br />

umfassenden Form der Gewalt, nämlich der Armut,<br />

führen können, sind in dieser Begriffsdefinition<br />

von Gewalt enthalten. Eingeladen sind vor<br />

allem Burgenländerinnen und Burgenländer,<br />

grundsätzlich aber alle Menschen, die sich literarisch<br />

mit der Gewaltthematik auseinandersetzen<br />

möchten. Eingereicht können unveröff. Hörspieltexte<br />

(max. 4.000 Anschläge inkl. Leerzeichen)<br />

werden, welche gewaltfreie Konfliktlösungen<br />

bzw. gewaltfreies verbales Auftreten gegen<br />

Gewalt zum Inhalt haben. Die Beiträge sind in<br />

2facher Ausfertigung (bitte Kopien und keine<br />

Originale, da die Beiträge nicht retourniert werden)<br />

einzusenden und mit einer sechsstelligen<br />

Kennnummer zu versehen. Name und Anschrift<br />

sowie eine Kurzbiogr. müssen in einem mit dieser<br />

Kennnummer bezeichneten verschlossenen<br />

Kuvert beigefügt werden. Pro Person ist nur ein<br />

Beitrag zugelassen. Sämtliche Rechte an ihrem/<br />

seinem Werk verbleiben bei der Autorin bzw.<br />

beim Autor. Sie bzw. er gestattet lediglich, dass<br />

ihr/sein Text, sofern er ausgewählt wird, einmalig<br />

kostenfrei auf einer Audio-CD veröffentlicht<br />

wird. Eine unabhängige Jury ermittelt die 3<br />

Beiträge, welche prämiert und mit dem „Goldenen<br />

Kleeblatt gegen Gewalt 2007” ausgezeichnet<br />

werden. Preise: 1. Preis: 1.000 Euro, 2. Preis:<br />

700 Euro, 3. Preis: 500 Euro. Die Jury wählt außer<br />

den drei mit dem Goldenen Kleeblatt 2007 ausgezeichneten<br />

Beiträgen noch einige weitere aus,<br />

welche gemeinsam mit den prämierten auf einer<br />

Audio-CD veröffentlicht werden. Die Autorinnen<br />

und Autoren aller veröffentlichten Beiträge<br />

erhalten jeweils 10 Ex. dieser CD. Einsendungen<br />

bis zum 14. 12. 2007 an: Kinder- und Jugendanwaltschaft,<br />

z. Hd. Frau Annemarie Koller,<br />

Hartlsteig 2 A-7000 Eisenstadt. Rückfragen unter<br />

+43-(0)26826002188 täglich von 8.00–15.00 Uhr<br />

bei Frau Annemarie Koller.<br />

Hobby- und Profi-Autoren aus der Region sind<br />

zum Schreibwettbewerb zum Thema Jahreszeiten<br />

eingeladen, den die Gemeinde Stockstadt<br />

anlässlich der Buchmesse im Ried ausschreibt.<br />

Wie die Buchmesse im Ried bietet auch der Wettbewerb<br />

besonders Autoren aus Südhessen einen<br />

Raum für ihre Arbeiten. Preise: Die besten Texte<br />

werden zu einem Buch zusammengefasst und<br />

dank der Kulturstiftung stehen 2.500 Euro für die<br />

Preisträger bereit. „Jeder kann mitmachen, ob mit<br />

literarischer Erfahrung oder nicht, ob Mann oder<br />

Frau, alt oder jung.” Gefragt sind vor allem Kreativität,<br />

Fantasie und etwas Mut. Neu ist, dass<br />

die Geschichte neben dem Bezug zum Thema<br />

auch eine Verbindung zum Ried haben soll. Damit<br />

wollen die Veranstalter dem Wettbewerb<br />

wieder eine stärkere regionale Note geben. In<br />

den vergangenen Jahren hatte der Wettbewerb<br />

deutschlandweit wachsende Beachtung gefunden,<br />

so dass immer mehr Autoren aus der ganzen<br />

Bundesrepublik und dem benachbarten Ausland<br />

Texte einreichten und zur Messeeröffnung<br />

nach Stockstadt kamen. So hatten die Siegertexte<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 42


zwar ein hervorragendes Niveau, aber nur noch<br />

selten einen regionalen Bezug – das soll sich nun<br />

ändern. Bis zum 15. 11. 2007 können Kurzgeschichten,<br />

Essays, Novellen oder andere Prosastücke<br />

eingereicht werden, Lyrik und Drama<br />

sind nicht zugelassen. Um den Nachwuchs zu<br />

fördern, werden junge Autoren bis 20 Jahre in<br />

einer eigenen Kategorie gewertet. Das Thema<br />

können die Autoren nach ihren Vorstellungen<br />

und Ideen auslegen: „Es kann Anlass zu Rückblick<br />

oder Vorschau geben für Veränderungen in<br />

der Natur oder anderswo stehen, dramatisch<br />

oder ironisch vom Leben der Menschen erzählen.”<br />

Jeder Text, den man mit Vergnügen liest,<br />

könne auch ausgezeichnet werden, ermutigen<br />

die Veranstalter. Beiträge in südhessischer Mundart<br />

sind dabei ausdrücklich zugelassen. Das<br />

Anmeldeformular mit den Wettbewerbsbedingungen<br />

liegt im Rathaus Stockstadt aus und kann<br />

dort angefordert werden kann. Infos gibt Klaus<br />

Pautsch vom Kulturamt unter 06158/82911.<br />

Für den Literaturwettbewerb Timmendorfer<br />

Strand werden unveröff. Kurzgeschichten zum<br />

Thema Strandkorb-Geschichten gesucht. Preise:<br />

1. Preis: 250 Euro, 2. Preis: 150 Euro, 3. Preis: 100<br />

Euro sowie ein Wochenende im schönen Ostseebad<br />

Timmendorfer Strand. Max. 3 DIN-A4-S. in<br />

2facher Ausfertigung, Schriftgröße 12, 1,5-facher<br />

Zeilenabstand, Seitenrand 2 cm. Alles ist erlaubt<br />

– vom sprachlichen Experiment bis zu Kurzprosa.<br />

Keine Gedichte, Romane, Drehbücher.<br />

Kurzbiogr. (max. 5 Zeilen), Geburtsdatum und<br />

Adresse nicht vergessen. Manuskripte müssen<br />

zur unentgeltlichen Veröffentlichung zur Verfügung<br />

stehen (mit Verfasser-Nennung. Wichtig:<br />

Unterschrift der Einverständnis-Erklärung, sonst<br />

keine (!) Berücksichtigung. Infos: Frau S. Kuring,<br />

Tel. 04503/807130. Einsendungen bis zum 30. 11.<br />

2007 an: Gemeinde Timmendorfer Strand,<br />

Hauptamt, Strandallee 42, 23669 Timmendorfer<br />

Strand.<br />

Der Dulzinea Lyrikpreis und der Haiku- und<br />

Senryû-Preis werden von der Zeitschrift Dulzinea<br />

vergeben. Die Preise verstehen sich als Förderpreise.<br />

Die Auswahl der Preisträger erfolgt<br />

durch die Redaktion. Textgrundlage für die Auswahl<br />

sind die veröff. Texte der Heftausgaben<br />

Dulzinea 11 und 12. Jeder Heftausgabe sind ein<br />

Lyrikpreis und ein Haiku- und Senryû-Preis zugeordnet.<br />

Preise: Dulzinea Lyrikpreis 6 = 1.000<br />

Euro, Dulzinea Lyrikpreis 7 = 1.000 Euro, 2 mal<br />

Haiku- und Senryû-Preis mit je 250 Euro. Themen:<br />

Dulzinea 12 – moderne Naturlyrik. Einsendungen<br />

bis zum 30. 11. 2007 (Termin wird<br />

evtl. verlängert) als E-Mail-Anhang an redaktion@dulcinea.de<br />

oder Dulzinea, Zeitschrift für<br />

Lyrik und Bild, Postfach 1927, 36009 Fulda. Teilnahmebedingungen<br />

siehe www.dulzinea.de/<br />

lyrikzeitschrift.htm.<br />

Der Herbert Utz Verlag veranstaltet im Rahmen<br />

der Reihe Literareon einen Kurzgeschichten-<br />

Wettbewerb mit dem Motto Eigentor. Pro Autorin/Autor<br />

darf nur ein bisher unveröff. Beitrag<br />

(1.000 Wörter) eingereicht werden. Die Kurzgeschichte<br />

muss einen Titel tragen, der das Motto<br />

enthalten kann, aber auf keinen Fall nur „Eigentor”<br />

lauten darf (Unterscheidbarkeit der Beiträge).<br />

Einsendungen bis zum 30. 11. 2007 (Poststempel)<br />

an: Literareon im Herbert Utz Verlag<br />

GmbH, Stichwort „Eigentor”, Adalbertstr. 57,<br />

80799 München. Der Text ist anonymisiert – d. h.<br />

ohne Nennung der Autorin/des Autors auf dem<br />

Beitrag – in folgender Form einzureichen: Ein Ex.<br />

einseitig ausgedruckt auf DIN-A4 und als Datei<br />

auf Diskette oder CD-ROM (als .doc, .rtf oder<br />

.txt) – bitte 2 Disketten/CDs einsenden (da diese<br />

oft durch den Postversand beschädigt werden).<br />

Dem Text voranzustellen sind Titel und Angabe<br />

der Wortanzahl. Der Text darf keine Text- und<br />

Formatauszeichnungen enthalten (wie kursiv,<br />

fett, unterstrichen). Die Teilnahme-Schutzgebühr<br />

ist in Form von Briefmarken oder Internationalen<br />

Postantwortscheinen beizulegen: Briefmarken<br />

der Deutschen Post AG (5 Marken à 55<br />

Cent), der Österreichischen Post AG (5 Marken à<br />

55 Cent) und der Schweizerischen Post (5 Marken<br />

à 85 Rappen). Aus dem übrigen Ausland<br />

senden Sie uns bitte 2 Stück Internationale Postantwortscheine.<br />

Beiträge, die die Formvorschriften<br />

nicht erfüllen, nehmen am Wettbewerb nicht<br />

teil. Dem Text ist ein Anschreiben mit Name und<br />

Anschrift, Titel des Beitrags, Geburtsdatum und<br />

Kurzbiogr. (3–5 Zeilen), die bei einer evtl. Veröffentlichung<br />

des Beitrags verwendet werden<br />

kann, beizulegen. Preise: 1. Preis: 500 Euro, 2.<br />

Preis: Buchpaket im Wert von 150 Euro, 3. Preis:<br />

Buchpaket im Wert von 100 Euro, 4.–10. Preis:<br />

Buchpakete im Wert von je 50 Euro, Sonderpreis<br />

für Studierende: 1 Wochenende für 2 Personen<br />

in Berlin. Die besten Kurzgeschichten werden in<br />

unserer Anthologienreihe /kladde.auf/die.reihe veröffentlicht.<br />

Die Teilnehmer verpflichten sich, ihre<br />

Werke bis zum Tag der Preisverleihung in keiner<br />

Form zu veröffentlichen. Die Teilnehmer des<br />

Wettbewerbes ermächtigen – ohne Verletzung<br />

von Urheber- und Persönlichkeitsrechten – den<br />

Veranstalter zur Veröffentlichung der Arbeiten<br />

und Kurzdarstellungen der Autorinnen/der<br />

Autoren. www.kurzgeschichten-wettbewerb.de/<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 43


Für des Genre des Literaturwettbewerbs Wartholz<br />

2008 gibt es keine Vorgabe – im Falle von<br />

Lyrik sollen 20 Gedichte eingesendet werden.<br />

Der Umfang des Manuskripts soll auf max. 25<br />

Vorlese-Minuten (ca. 10 S., max. 20.000 Zeichen<br />

mit Leerzeichen) begrenzt sein. Das Manuskript<br />

soll in 5facher Kopie (nicht handschriftlich), einseitig<br />

bedruckt und im A4-Format eingesendet<br />

werden. Um die Anonymität zu garantieren, darf<br />

auf dem Manuskript kein Verfassernamen angegeben<br />

werden. Beizulegen ist ein verschlossenes<br />

Kuvert, in dem Titel des Textes, Name, Anschrift<br />

und Tel.-Nr. sowie eine Ablichtung eines amtlichen<br />

Lichtbildausweises (Führerschein, Pass,<br />

usw.) und ein Lebenslauf enthalten sein müssen.<br />

Der Wettbewerb ist offen für Autorinnen und<br />

Autoren, die bereits literarische Texte veröffentlicht<br />

haben (in den letzten 5 Jahren mindestens 3<br />

Texte in Literaturzeitschriften, als Zeitungsfeuilleton<br />

bzw. in Buchform – kein Eigenverlag). Bitte<br />

dazu Kopien bzw. nachvollziehbare Unterlagen<br />

beilegen. Preise: 1. Preis: 10.000 Euro, 2. Preis:<br />

7.000 Euro, 3. Preis: zweimonatiges Stipendium<br />

in Reichenau a. d. Rax. Quartier und Verpflegung.<br />

2.000 Euro Taschengeld für zwei Monate.<br />

In dieser Zeit ist ein Text über die Gegend zu<br />

schreiben, für den es dann nochmals Euro 1.000<br />

für das Recht zur Veröffentlichung gibt. Aus den<br />

eingesendeten Texten sucht die Vorjury 18 Texte<br />

aus, die beim Lesewettbewerb von 4 namhaften<br />

Fachleuten bewertet werden. Das Wettbewerbslesen<br />

findet von 20.–23. 2. 2008 in Wartholz statt.<br />

Die Kosten für Quartier und Verpflegung der<br />

Autoren/innen übernimmt der Veranstalter. Wir<br />

haben das Recht, die Siegertexte zu veröffentlichen.<br />

Jeder Einsender, der zum Zeitpunkt der<br />

Einsendung das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet<br />

hat, darf nur einen unveröff. Text einreichen.<br />

Falls er bereits einen Termin zur Veröffentlichung<br />

hat, darf dieser nicht vor August 2008<br />

sein. Einsendungen bis zum 15. 12. 2007 an: Literaturwettbewerb,<br />

Schlossgärtnerei Wartholz,<br />

Hauptstr. 113, 2651 Reichenau a. d. Rax, Österreich,<br />

Tel. +43(0)699/11687786. Siehe auch:<br />

www.schlosswartholz.at<br />

Eine straffreie Karriere als Mörder eröffnet die<br />

Schule des Schreibens. Unter dem Motto Seien<br />

Sie heimtückisch – entdecken Sie Ihr Mordstalent<br />

sucht sie neue Krimi-Autoren. Eine Jury aus<br />

erfahrenen Autoren leitet die Ermittlungen. Preise:<br />

Den 5 Gewinnern winkt ein Intensiv-Krimiseminar,<br />

in dem sie von gestandenen Krimi-<br />

Autoren lernen, ihre Ideen zum druckreifen<br />

Kurzkrimi auszubauen. Um die Nachwuchsschriftsteller<br />

bekannt zu machen, veröffentlicht<br />

die Schule des Schreibens die 5 besten Kurzkrimis<br />

im Sammelband. AutorInnen senden ein kurzes<br />

Exposé (max. 1 Norms.) mit der Rahmenhandlung<br />

ihres Krimis, einen treffenden, originellen<br />

Titel sowie einen kurzen, packenden Einstieg<br />

(max. 1.000 Zeichen bzw. eine halbe Seite).<br />

Neben dem Seminar können die Autoren ein professionelles<br />

Lektorat und den praktischen Audio-<br />

Lehrgang „Erfolgreich Autor/in werden” gewinnen.<br />

Schicken Sie uns Ihr Manuskript in 4facher<br />

Kopie. Alternativ können Sie uns auch eine Datei<br />

per Mail oder auf CD zusenden (bitte nur im pdfoder<br />

rtf-Format). Auf Ihrem Manuskript darf<br />

kein Hinweis auf den Verfasser bzw. die Verfasserin<br />

erkennbar sein. In einem beigefügten geschlossenen<br />

Umschlag bzw. einer gesonderten<br />

Datei vermerken Sie bitte Ihren Namen, Ihre Anschrift<br />

einschließlich Tel.-Nr. und ggf. E-Mail-<br />

Adresse – und ganz wichtig – den Titel zu Ihrer<br />

Krimi-Idee. Dieser Titel muss mit dem Titel in<br />

Ihrem Manuskript übereinstimmen. Einsendungen<br />

bis zum 31. 12. 2007 an: Schule des Schreibens,<br />

Stichwort: Mordstalent, Neumann-Reichardt-Str.<br />

27–33, 22041 Hamburg, mordstalent@<br />

schule-des-schreibens.de, Tel. 040/6580954. Teilnahmebedingungen:<br />

www.mordstalent.de<br />

Die Arbeiterkammer Oberösterreich und Brucknerhaus<br />

Linz laden österreichischen und in<br />

Österreich lebenden AutorInnen ein zu Einreichungen<br />

zum Buchpreis 2008. Der mit 10.000<br />

Euro dotierte Preis wird für ein Buch verliehen,<br />

das sich auf hohem literarischen Niveau kritisch<br />

mit unserer Zeit beschäftigt, den sozialen Bedingungen,<br />

unter denen Menschen leben und arbeiten<br />

– oder nicht mehr arbeiten dürfen, mit<br />

dem gesellschaftlichen Wandel und damit zusammenhängenden<br />

politischen und ethischen<br />

Fragen. Eingereicht werden können ausschließlich<br />

Bücher, die ab Januar 2006 erstmals publiziert<br />

wurden. Ausgeschlossen sind Bücher aus<br />

Selbstverlagen, Sachbücher, Anthologien, Lyrik,<br />

Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele. Näheres<br />

unter: www.arbeiterkammer.com/www-96<br />

08.html oder Arbeiterkammer OÖ, Abteilung Bildung<br />

und Kultur, Tel. 050/69062611, schirl.h@<br />

akooe.at. Einsendungen bis zum 31. 12. 2007 an:<br />

AK Oberösterreich, Gruberstr. 40–42, 4020 Linz,<br />

Österreich.<br />

Die Kreisstadt Merzig verleiht gemeinsam mit<br />

dem Saarländischen Rundfunk in Würdigung<br />

des Schriftstellers Gustav Regler den nach ihm<br />

benannten Preis der Stadt Merzig und den För-<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 44


derpreis des SR. Preise: Hauptpreis 5.000 Euro,<br />

Förderpreis 2.500 Euro. Mit dem Hauptpreis<br />

wird eine herausragende, literarische Leistung<br />

prämiert. Beide Preise dürfen auch Übersetzer<br />

auszeichnen und Autoren, die sich reportageliterarischer<br />

oder essayistischer Formen bedienen.<br />

Mit dem Förderpreis wird ein „junger”<br />

Autor ausgezeichnet für einen Text von max. 20<br />

Norms., der sich mit dem Werk von Gustav Regler<br />

auseinandersetzt oder eine eigenständige Arbeit<br />

in der Nachfolge des saarländischen Autors<br />

darstellt. Unter „jung” sind Autoren zu verstehen,<br />

die nicht mehr als 3 eigenständige Veröffentlichungen<br />

vorweisen. Der SR hat das Recht,<br />

den Text des Förderpreisträgers einmalig zu<br />

senden. Vorschläge für den Hauptpreis und<br />

(eigene) Autoren-Bewerbungen für den Förderpreis<br />

sind bis 31. 12. 2007 zu richten an die Stadtbibliothek<br />

der Kreisstadt Merzig, Hochwaldstr.<br />

47, 66663 Merzig. Eigenbewerbungen für den<br />

Hauptpreis sind ausgeschlossen.<br />

Ziel des Buxtehuder Bullen ist es, SchülerInnen<br />

zum Intensiv- und Aktiv-Lesen zu bewegen und<br />

gleichzeitig zu einer Förderung und Verbreitung<br />

guter Jugendbücher beizutragen. Initiator des<br />

Preises ist der Buxtehuder Buchhändler Winfried<br />

Ziemann. Bei den Jugendbüchern muss es sich<br />

um Neuerscheinungen handeln. Die Jury setzt<br />

sich zusammen aus 11 Jugendlichen, 14–17 J.,<br />

und 11 Erwachsenen. Preise: 5.000 Euro sowie<br />

Stahlplastik in Form eines Bullen des Bildhauers<br />

Reinhard Güthling. Bücher aus dem Jahr 2006 (jeweils<br />

1 Expl. des Titels) bis zum 31. 12. 2007 an:<br />

Stadtbibliothek Buxtehude, Ulrike Mensching,<br />

Fischerstr. 2, 21614 Buxtehude, Tel. 04161/99906-<br />

0, u.mensching@stadt.buxtehude. de<br />

Für den Uslarer Literaturpreis 2008 werden Texte<br />

zum Thema Meine Heimat – einzigartig (bis<br />

35 Jahre) gesucht. Preise: 1. Preis: 1.000 Euro, 2.<br />

Preis: 500 Euro, 3. Preis: 250 Euro. Max. 6 DIN-<br />

A4-S., 12 Pt.; die Arbeiten tragen eine 4-stellige<br />

Codenr. und einen Vermerk zu Bundesland und<br />

Region. Beiliegend ein verschlossener Umschlag<br />

mit Adresse, Geburtstag, Tel., Mailadresse, Kurzbiogr.<br />

Codenummer und Vermerk zur Region/<br />

Bundesland sollen auch außen auf dem Umschlag<br />

angegeben werden! Einsendungen bis<br />

zum 31. 1. 2008 an: Harald Wetzold, Leipziger<br />

Str. 48, 37170 Uslar. Infos: www.literatur-kunstkreis-uslar.de/<br />

S T I P E N D I E N<br />

Bewerber gesucht für einen Aufenthalt als Kinder-<br />

und Jugendbuchautor/autorin in einem<br />

Schwarzwaldbauernhaus in Eisenbach für 3<br />

Monate, von Anfang April bis Ende Juni 2008.<br />

Dotation: 2.500 Euro und freies Wohnen. Einsendungen<br />

zum Thema Spielplatz Dorf (bis zu<br />

10 DIN-A4-S. in 5facher Ausfertigung, Erlaubnis<br />

zur Veröffentlichung sowie eine gesonderte Biblio-Biographie)<br />

bis zum 30. 11. 2007 an den Förderkreis<br />

Kreatives Eisenbach e.V., Steinbruchstr.<br />

26 oder Schulweg 14, 79871 Eisenbach. Kontakt<br />

zu regionalen Institutionen und das Durchführen<br />

von Lesungen und Gesprächen sind unbedingt<br />

erwünscht. Infos: www.kreatives-eisenbach.de/autorenwettbewerb.htm.<br />

Die Kinderbuch-Autorenresidenz Struwwelpippi<br />

kommt zur Springprozession wird 2008 vom<br />

Centre National de Littérature und von der<br />

Stadt Echternach ausgeschrieben. Die Stadt ist<br />

eine der ältesten Christianisierungs- und Kulturstätten<br />

Europas. Der irische Mönch Willibrord<br />

(gestorben 739) gründete hier eine Abtei. Echternach<br />

liegt in Luxemburg zwischen Metz, Trier,<br />

Aachen und Lüttich. Gesucht wird ein Kinderbuchautor/eine<br />

Kinderbuchautorin für die Zeit<br />

vom 4. 5. bis 1. 6. 2008. Das sprachliche Umfeld<br />

besteht aus lëtzebuergesch, deutsch und französisch.<br />

Der Aufenthalt fällt zusammen mit der<br />

jährlichen Springprozession zu Ehren des hl. Willibrord.<br />

Auch das Festival International de Musique<br />

Echternach findet zu diesem Zeitpunkt statt. Der/<br />

die Stipendiat/in wohnt in einem spätgotischen<br />

Patrizierhaus im Stadtzentrum und erhält ein Stipendium<br />

von 5.000 Euro, eine Pauschale für Reise<br />

und Aufenthalt und kann auf organisatorische<br />

Betreuung vor Ort zurückgreifen. Es besteht Präsenzpflicht<br />

sowie Teilnahme am kulturellen Leben,<br />

u. a. Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung<br />

in Echternach und mehrerer Lesungen<br />

an Luxemburger Schulen. Mit den Lehrern soll<br />

über Kinder- und Jugendliteratur diskutiert werden.<br />

Kontakt wird gewünscht zu Schriftstellerkollegen<br />

und den Medien, sowie eine dort verfasste<br />

Erzählung des Autors, spielend in Echternach.<br />

Bewerber, der/die bereits in Buchform<br />

publiziert hat, übersenden unter dem Kennwort<br />

„Struwwelpippi kommt zur Springprozession”<br />

eine Auswahl ihrer Veröffentlichungen, einen Lebenslauf<br />

mit Foto und eine umfassende Bibliographie<br />

bis zum 31. 12. 2007 an Centre National<br />

de Littérature, 2 rue Emmanuel Servais, L-7565<br />

Mersch, Tel. 00352/3269551, Fax 00352/327090.<br />

Infos: www.literaturarchiv.lu<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 45


Die Aufenthalte Heinrich Heines sind ein Grund<br />

dafür, dass die Stadt Lüneburg und das Land<br />

Niedersachsen eine Wohnung und ein Literaturstipendium<br />

mit dem Namen des Dichters eingerichtet<br />

haben. Damit wird an eine literarische<br />

Tradition angeknüpft sowie ein Schwerpunkt für<br />

die Gegenwartsliteratur gesetzt. Autorinnen und<br />

Autoren sollen im Heinrich-Heine-Haus eine<br />

Zeitlang wohnen und arbeiten können. Bis Ende<br />

2008 sind alle Plätze belegt. Um Aufenthaltsstipendien<br />

für die Dauer von 6 Monaten und für<br />

die Dauer von 3 Monaten für die Jahre 2009 und<br />

2010 in Lüneburg können sich SchriftstellerInnen<br />

mit einer Buchveröffentlichung (kein Selbstverlag!)<br />

bewerben bis zum 31. 1. 2008; Dotation:<br />

1.400 Euro monatlich und freies Wohnen in einer<br />

2-Zimmer-Wohnung. Neben biographischen/<br />

bibliographischen Angaben in 3facher Ausführung<br />

werden die letzte Veröffentlichung in 2 Ex.,<br />

und 10–20 S. aus einem unveröff. Manuskript in<br />

3 Ex. erbeten. Mit einer Buchveröffentlichung<br />

vergleichbar ist eine größere Anzahl von Einzelveröffentlichungen,<br />

ein Theatertext oder ein Hörspiel.<br />

Das Heinrich-Heine-Stipendium wird<br />

nicht an Übersetzer und Sachbuch-Autoren vergeben.<br />

Bewerbungsunterlagen an: Literaturbüro<br />

Lüneburg e. V., Heinrich-Heine-Haus, Am Ochsenmarkt<br />

1, 21335 Lüneburg. Rückfragen bei<br />

Kerstin Fischer, 04131/309-687 oder literaturbuero@stadt.lueneburg.de.<br />

Kulturschaffenden aus der Schweiz und aus dem<br />

Ausland in den Bereichen Bildende Kunst, deutsche<br />

Literatur, Theater, Musik stellt die Stadtmühle<br />

Willisau ein Wohnatelier inkl. Lebenskostenzuschuss<br />

zur Verfügung. Bewerbungen<br />

für einen in der Regel dreimonatigen Aufenthalt<br />

für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 2009 sind mit Angabe<br />

der gewünschten Aufenthaltszeit bis zum<br />

15. 2. 2008 (Poststempel) zu richten an: Stadtmühle<br />

Willisau, Stefan Zollinger, Müligass 7,<br />

Postfach 3260, CH-6130 Willisau, Tel. 0041/<br />

419725900. Der Bewerbung sind beizufügen:<br />

Deutsche Literatur: Bewerbungsformular (www.<br />

stadtmuehle.ch/pdf/FormularBewerbung09.<br />

pdf), Vita, Publikationsliste, Leseproben, Begründung<br />

der Bewerbung (Motivation). Bildende<br />

Kunst: Vita, Ausstellungsliste, Werkdokumentation.<br />

Elektronische Daten auf CD-Rom oder<br />

DVD. Musik: Vita, Konzertliste, Werkdokumentation,<br />

Partituren nur in Auszügen (DIN-A4).<br />

Elektronische Daten auf CD-Rom oder DVD.<br />

Infos: www. stadtmuehle.ch<br />

Inserat Druck + Papier<br />

Weitere Ausschreibungen auf www.igda.net/blog (Achtung: neue URL)<br />

Die Redaktion begrüßt in ihrer Mitte Angelika Zöllner. Sie betreut den Service-Bereich und das Internet.<br />

Heide Mais und Juliane Schätze, die aus persönlichen Gründen ihr Amt nicht mehr ausüben können,<br />

danken wir sehr herzlich für ihre Arbeit und Mühe.<br />

IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 46

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