AUF EIN WORT - Interessengemeinschaft deutschsprachiger ...
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IGDA – <strong>AUF</strong> <strong>EIN</strong> <strong>WORT</strong> …<br />
Der Oster-Weihnachtshase (IGdA-aktuell 2/2007, S. 3) hatte auch noch einen dicken Stapel der<br />
Zeitschrift publikation mitgebracht, deren Herausgeber unser Gründer Rudolf Descher war. Aus der redaktionellen<br />
Arbeit an der publikation entstand in Descher der Wunsch nach einer Plattform zur Förderung<br />
der Zusammenarbeit von Autoren in Sachen Erfahrung, Kritik, Positionsbestimmung. Der<br />
mündliche Austausch war ihm auf Grund der politischen Situation Mitte der 1960er Jahre äußerst<br />
wichtig geworden, nicht zuletzt um den Zeitgeist zu entdecken und zu formulieren. Darum rief<br />
Descher im Jahr 1967 in der publikation zur Gründung auf und hob die „<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
<strong>deutschsprachiger</strong> Autoren” aus der Taufe. Offenbar hatte er mit seinem Aufruf den Nerv seiner Leser<br />
getroffen. Wie groß der Bedarf nach Zusammenschluss und Austausch war, mag beweisen, dass sich<br />
bis zur ersten Mitgliederversammlung 1968 bereits einhundert Mitglieder eingeschrieben hatten.<br />
Inzwischen hat die IGdA nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in sieben weiteren<br />
Staaten Mitglieder gefunden. Diese Streuung bringt den Anreiz, zu entdecken, wie fremde Lebensweise<br />
in der Literatur zum Ausdruck gebracht wird und uns als Leser und Zuhörer bereichert.<br />
Jede Gemeinschaft lebt von und mit den Treffen und Gesprächen. Mittlerweile haben sich die Jahreshauptversammlungen<br />
und Regionaltreffen zu wertvollen Gelegenheiten für Begegnungen, Präsentationen<br />
und Gespräche der Mitglieder gemausert. Die Pflege der deutschen Sprache steht stets im<br />
Vordergrund, und zwar nicht erst jetzt, da die missglückte Schreibreform sie mit Ungetümen in Worten<br />
und Schreibweise eher verhunzt als verständlich macht. So gilt es für jeden von uns – von der schreibenden<br />
Zunft – eine Portion Einfühlung und Eigenverantwortung zu demonstrieren.<br />
Auch von diesem Standpunkt aus ist es der IGdA ein Anliegen, mit ihren Schreibseminaren, Wettbewerben<br />
und Treffen für den Erhalt unserer Muttersprache – ohne die allenthalben sich „einschleimenden”<br />
sprachlichen Entgleisungen – einzutreten, wie in der Rubrik Neues aus der Duden-Redaktion<br />
in der IGdA-aktuell vorbildlich dargestellt. Auch Schullesungen gehören dazu. Sie sind eine notwendige<br />
Aufgabe des Schriftstellers, um die Schüler hellhörig zu machen auf die sprachlichen<br />
Feinheiten des Geschriebenen. Sie sind bei den Treffen fester Bestandteil geworden.<br />
Die Begegnungen mit Literaten-Gruppierungen anderer zumeist europäischer Länder führten zu<br />
Freundschaften über alle Grenzen hinweg. Auslandtreffen, zum Beispiel von Roland Leonhardt mehrmals<br />
in Prag organisiert, von Lore Tomalla in Spanien, Liane Presich-Petuelli in Eisenstadt und Wien<br />
oder in Radstadt in Österreich, von Elfi Margreiter vorbereitet und geleitet, und viele mehr; nicht zu<br />
vergessen, die eindrucksvollen Begegnungen in der Waldarena in Obtarrenz unter der Regie von Vilma<br />
und Hermann Kuprian. Es ist nicht zu übersehen: die IGdA hat sich in den vierzig Jahren ihres Bestehens<br />
zu einem respektablen Verein entwickelt.<br />
Die Kulturszene ist deutlich in Bewegung geraten und wir gehen mit.<br />
Da kann man nur gratulieren!<br />
Helga Kullak-Brückbauer<br />
Sehr verehrte Frau Miller-Waldner,<br />
liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
zum 40. Bestehen der IGdA entbiete ich im Namen der ELS-Gesellschaft die besten Wünsche. Glück<br />
und Unglück des Menschen werden deutlich im Verhältnis zu anderen, gespiegelt in den Werken auch<br />
Ihrer Autorinnen und Autoren. Die Gratulationen zum Jubiläum können die Spiegel dieses Verhältnisses<br />
sein. Wie klar sollen Jubilar und Gratulanten sich diesen Spiegel wünschen? Klarheit kann Würde,<br />
Unschärfe Rücksicht bedeuten. Zur Festveranstaltung aus gegebenem Anlass wünsche ich von beiden<br />
ein ausgewogenes Maß.<br />
Herzlich<br />
Hajo Jahn, 1. Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. und -Stiftung<br />
Die Gesellschaft der Lyrikfreunde gratuliert der IGdA zu ihrem 40 jährigen Bestehen<br />
und wünscht ihr für die Zukunft weiterhin so viel Erfolg wie bisher.<br />
Für den Vorstand<br />
DDr. Christine Michelfeit<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 3
die am Samstag in Hannover gegründete <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
<strong>deutschsprachiger</strong> Autoren (IGdA)<br />
dienen. Die Initiative für diesen Zusammenschluß<br />
ging vom Herausgeber und Chefredakteur der Zeitschrift<br />
publikation, Rudolf Descher (Bremen) aus.<br />
Nach Deschers Angaben haben sich bis jetzt 150<br />
Schriftsteller und Schriftstellerinnen für die IGdA<br />
angemeldet. Zu den Aufgaben der <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
gehören laut Satzung „qualitative Selbstkontrolle,<br />
Erfahrungsaustausch, Pflege der Beziehungen<br />
und Herstellung neuer Kontakte zu qualifizierten<br />
Verlagen und Agenturen ... (Stuttgarter Zeitung Nr.<br />
122, 31. 5. 1967)<br />
Wer war Rudolf Descher? Er wurde am 20. 3.<br />
1919 in Düsseldorf geboren. Er war gelernter<br />
Versicherungskaufmann für Presse und Werbung.<br />
Sein Hauptinteresse jedoch lag bei der<br />
journalistischen Arbeit. So wurde er 1942 Schriftsteller<br />
bei einer Pommerschen Zeitung. 1945 wurde<br />
ihm für kurze Zeit Berufsverbot verhängt. In<br />
dieser Zeit errichtete er eine eigene Pressekorrespondenz<br />
und war Mitbegründer der Presse-<br />
Bibliographischen AG e. V.<br />
1948 wurde Descher Alleinredakteur des Melsunger<br />
Tagblatts in Hessen, dann Redakteur und<br />
Werbeleiter der Wochenzeitschrift Roland, einem<br />
FDP-Organ. Nach dem Bruch mit dieser Zeitschrift<br />
arbeitete er als Werbeleiter bei der Norddeutschen-Mende-Rundfunk-KG.<br />
Zwischen 1956<br />
und 1961 arbeitete er als Mitherausgeber der<br />
Jahrbücher Der Journalist und des siebenbändigen<br />
Handbuches der journalistischen Praxis.<br />
Ab 1957 zeichnete er verantwortlich für die<br />
Monatszeitschrift publikation, die zuerst durch J.<br />
Lahusen beim Heyne Verlag, ab 1966 durch Rudolf<br />
Descher selbst erschien. Publikation war die<br />
einzige gemeinsame Autoren- und Verlegerzeitschrift,<br />
mit Platz für Meldungen der deutschsprachigen<br />
Autorenverbände, Preisausschreiben, Rezensionen<br />
etc. Ein Kleinanzeigenteil „Der Literarische<br />
Markt” bot Raum für kostenlose dreizeilige<br />
Gesuche oder Angebote für Autoren und Verleger.<br />
In der publikation Nr. 8/1965 rief Rudolf<br />
Descher zur Gründung einer <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
für Autoren auf. Das Echo war immens.<br />
Die Gründung wurde wie folgt durch die dpa in<br />
der Presse gemeldet:<br />
Der Förderung der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen<br />
Belange <strong>deutschsprachiger</strong> Autoren will<br />
Rudolf Descher war von 1969 bis 1970 1. Vorsitzender<br />
der IGdA. Er legte sein Amt aus gesundheitlichen<br />
Gründen nieder, vor allem, da er<br />
durch zahlreiche weitere ehrenamtliche Tätigkeiten<br />
in Anspruch genommen war. Rudolf Descher<br />
starb 1970. Im Juli-Heft der publikation<br />
nahm die IGdA von ihrem Gründer und Förderer<br />
Abschied. Den Nachruf schrieb Hermann<br />
Kuprian, Völs.<br />
Um die großen Verdienste unseres Gründers<br />
zu würdigen, wurde der jährliche Literatur-Preis<br />
der IGdA ihm zu Ehren RUDOLF-DESCHER-FE-<br />
DER genannt.<br />
Helga Kullak-Brückbauer<br />
(aus IGdA-aktuell 4/1987)<br />
Ehrenpräsidenten<br />
W. Emil Schröder, René Marti<br />
Vorsitzende<br />
Willi Köhler, Rudolf Descher, Wolfram Katzenberger,<br />
W. Emil Schröder, Hans Hoffmann, Wilhelm Viercke,<br />
Helmfried Knoll, Hermann Wischnat, Peter Godow, Grete<br />
Wassertheurer, Othmar Seidner, Jutta Miller-Waldner<br />
Geschäftsführer<br />
W. E. Schröder, Ernst Reichelt, Uwe Siebrands, Wolfgang<br />
G. Schulze, Grete Wassertheurer, Gertrud Schlosser-Laukel,<br />
Jutta Miller-Waldner, Fritz Boss, Maria-Luise Kleineberg<br />
Schatzmeister<br />
Gerti Pietsch, Wilhelm Viercke, Karl-Heinz Schneider,<br />
Roland Leonhardt, Irmengard Hörning, Cordula Scheel,<br />
Fred Helm, Fritz Boss, Volker Wille<br />
Redaktionsleiter<br />
Hans Hoffmann (Das literarische Wort)<br />
Ernst Reichelt, Uwe Siebrands, Manfred Boger, Elmar M.<br />
Kreilos, H. Jochen Dyck, Hermann Wischnat, Roswitha<br />
Martell, Jutta Miller-Waldner<br />
Ehrenmitglieder<br />
Theodor Seidenfaden, Helmfried Knoll,<br />
Helga Kullak-Brückbauer<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 4
WIE ALLES BEGANN:<br />
FAKTEN, D ATEN, NAMEN AUS DEN ERSTEN JAHREN DER IGDA<br />
In der Zeitschrift publikation (Untertitel: Der Literarische<br />
Markt) erschien im Juni 1965 ein Artikel<br />
des Redakteurs Rudolf Descher, in dem es unter<br />
anderem hieß: „Die Fälle … beweisen, daß dem<br />
Schutzstreben der Autoren nicht Genüge getan<br />
wird. Sie beweisen auch, daß kein ausreichender<br />
Verbandsschutz besteht; sie fordern zur Selbsthilfe<br />
geradezu heraus. Es muss etwas getan werden!<br />
Publikation, die einzige gemeinsame Autoren-<br />
und Verlegerzeitschrift des deutschen<br />
Sprachgebietes, will deshalb im Zusammenwirken<br />
mit Autoren, Agenturen und Verlegern<br />
versuchen, eine echte, funktionstüchtige<br />
<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
ins Leben zu rufen, die nicht nur<br />
derlei „Pannen” vermeiden, sondern<br />
die Zusammenarbeit von<br />
Autoren und Agenturen zugunsten<br />
der deutschsprachigen Literatur<br />
steuern soll. Ich strebe eine<br />
‘<strong>Interessengemeinschaft</strong> <strong>deutschsprachiger</strong><br />
Autoren’ an.” Im weiteren<br />
Verlauf seiner Ausführungen<br />
stellte er die Aufgaben<br />
einer solchen <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
heraus: Qualitätskontrolle,<br />
Honorarkontrolle, Streuplan-Kontrolle.<br />
Er forderte des weiteren,<br />
der Charakter der Gemeinschaft<br />
müsse gemeinnützig sein und auf<br />
ehrenamtlicher Geschäftsführung<br />
und Mitarbeit fußen.<br />
Die Resonanz auf diese Veröffentlichung war<br />
unerwartet groß; Descher konnte zwar vor allem<br />
auf Reaktionen aus Autorenkreisen verweisen,<br />
doch auch Agenturen ließen ihr Interesse an dem<br />
Vorhaben erkennen. Leider hielten sich die Verlage<br />
mit einer Stellungnahme zurück. Allen Interessenten<br />
erklärte D., was die <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
nach seiner Auffassung nicht sein würde –<br />
„kein Literaturkreis, keine ‘Gruppe’, keine auf<br />
Gewinn ausgerichtete Gemeinschaft (die also<br />
auch keine direkten Verdienstmöglichkeit biete)<br />
und – last but not least – keine Agentur!” Man<br />
wolle vielmehr den Schriftsteller aus seiner Isolation<br />
herauslösen. Und im Rahmen des Machbaren<br />
an der Schaffung eines besseren „Marktes”<br />
für Literatur mitwirken.<br />
Nach weiteren Veröffentlichungen in der publikation<br />
– Rudolf Descher zeichnete inzwischen<br />
auch als Herausgeber –, lebhaftem Schriftwechsel<br />
und intensiven Vorgesprächen fand am 20. Mai<br />
1967 die Gründungsversammlung der IGdA in<br />
Hannover statt.<br />
Descher hatte wiederholt erklärt, er könne die<br />
Last der IGdA-Arbeit nicht übernehmen und<br />
stellte sich nicht zur Wahl für ein Vorstandsamt.<br />
Zum Vorsitzenden wurde Willi Köhler, ein tatkräftiger<br />
junger Journalist, gewählt, zum stellvertretenden<br />
Vorsitzenden René Marti, zum Geschäftsführer<br />
W. Emil Schröder, ein versierter<br />
Mann der Feder, Chefredakteur a. D. Geschäftsführung,<br />
Kassen- und Schriftführung lagen damals<br />
noch in einer Hand.<br />
Nach einem arbeitsreichen<br />
Jahr des Anlaufs und Aufbaus<br />
und einer Vorstandssitzung in<br />
Steinheim trafen sich zahlreiche<br />
Mitglieder zur JHV 1968<br />
am 20. und 21. 9. in Butzbach/<br />
Hessen. Der Titel des Hauptreferates<br />
lautete bezeichnenderweise<br />
„Zusammenarbeit<br />
Dienste – Schriftsteller: Eine<br />
Analyse der Gegenwart”, es<br />
wurde gehalten von Lutz<br />
Christiansen, dem Inhaber<br />
einer Agentur.<br />
Das erste IGdA-Preisausschreiben<br />
1968 (rund 300 Einsendungen!)<br />
wurde in Lyrik<br />
und Prosa gewertet, einer der<br />
Gewinner war Heinz von der<br />
Wall.<br />
Die nächste Hauptversammlung brachte Vorstandswahlen;<br />
sie fand statt am 29. und 30. 8.<br />
1969 in Steinheim. Willi Köhler legte sein Amt<br />
wegen beruflicher Belastung nieder. Auf Wunsch<br />
vieler Mitglieder fand sich Rudolf Descher bereit,<br />
sich zum Vorsitzenden wählen zu lassen. Um ihn<br />
zu entlasten, wurde beschlossen, zwei Stellvertreter<br />
zu wählen. Die Wahl ergab folgendes Ergebnis:<br />
Vorsitzender Rudolf Descher, Stellvertreter<br />
René Marti und Willi Fleddermann, Geschäftsführer<br />
W. Emil Schröder; zu dessen Entlastung<br />
wurde das Amt des Schatzmeisters eingeführt<br />
und hierzu gewählt Gerti Pietsch.<br />
Auf der Hauptversammlung wurde als Ziel<br />
der IGdA bezeichnet, „die Arbeit der klassischen<br />
Autorenverbände soweit wie möglich zu stärken”<br />
und die „in den Verbänden nicht gepflegten<br />
Aufgaben mit besonderer Intensität und Energie<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 5
zu verfolgen”. Nicht Zersplitterung, sondern<br />
Zusammenarbeit sei das Ziel. Großes Interesse<br />
fand ein Bericht über die Arbeit des inzwischen<br />
eingerichteten IGdA-Lektorats. Eine Vielzahl der<br />
Mitglieder vertrat die Auffassung, das Lektorat<br />
dürfe keine gesellschaftlichen oder politischen<br />
Wertungen vornehmen. Da die Linie der Gemeinschaft<br />
ohnehin auf zwar nicht unpolitisch,<br />
wohl aber unparteilich festgelegt worden war,<br />
wohl eine Selbstverständlichkeit. Einen vielversprechenden<br />
Anfang machten die Arbeitskreise<br />
(Roman, Hörspiel, Film usw.), deren Hauptanliegen<br />
das Fachgespräch war. Leider versandete<br />
diese Sparte aus vielerlei Gründen. Ein<br />
ähnliches Schicksal erlitt das Vorhaben „IGdA-<br />
Studie, ein neuer<br />
Leitfaden für Autoren”;<br />
jedoch sind sehr nützliche<br />
Voraus-Veröffentlichungen<br />
in den Mitteilungsblättern<br />
der<br />
IGdA erschienen.<br />
1970 erfuhren seine<br />
Freunde den viel zu frühen<br />
und unerwarteten<br />
Tod Rudolf Deschers,<br />
der sich um die IGdA so<br />
große Verdienste erworben<br />
hatte; die IGdA ist<br />
sein „Kind” und er war<br />
ihr ein großer Förderer<br />
und Initiator.<br />
Einige Zeit vor seinem Tode hatte Rudolf Descher<br />
den Vorsitz niedergelegt, es waren also<br />
Neuwahlen erforderlich, die bei der Hauptversammlung<br />
am 4. und 5. 9. 1970 in Bietigheim<br />
stattfanden. Die Wahlen ergaben folgendes Ergebnis:<br />
Vorsitzender Wolfram Katzenberger,<br />
Stellvertreter René Marti und Willi Fleddermann,<br />
Geschäftsführer W. Emil Schröder, Schatzmeister<br />
Wilhelm Viercke.<br />
1970 waren wieder IGdA-Wettbewerbe<br />
durchgeführt worden.<br />
Auf der JHV vom 17. bis 9. 1971 in Braunlage<br />
wurde festgestellt, dass 25 der insgesamt fast 200<br />
Mitglieder im Ausland wohnten. Beschlossen<br />
wurde der Ausbau der Mitteilungen agentur-report<br />
und die Ansammlung von Rücklagen, um<br />
die Herausgabe einer Anthologie zu ermöglichen.<br />
Die Neuwahlen brachten folgendes Ergebnis:<br />
Vorsitzender W. Emil Schröder, Stellvertreter<br />
Willi Fleddermann und Horst Brede, Geschäftsführerin<br />
Ursula Völkel, Schatzmeister Wilhelm<br />
Viercke, Beisitzer u. a. René Marti. Wolfram Katzenberger<br />
hatte sein Amt als Vorsitzender zurückgegeben,<br />
führte aber die von ihm ins Leben<br />
gerufenen „Heidelberger Gespräche” weiter, die<br />
bereits positiv Anklang gefunden hatten.<br />
Auf der Vorstandssitzung am 24. 3. 1972 in<br />
Bünde wurde beschlossen, eine bessere Verteilung<br />
der Aufgabengebiete vorzunehmen; W.<br />
Emil Schröder, der bis vor kurzem fast alle Arbeiten<br />
übernommen und sich hervorragende Verdienste<br />
um die IGdA erworben hatte, musste entlastet<br />
werden. Der Vorstand gab sich eine Geschäftsordnung.<br />
Mit Ursula Völkel (Geschäftsführerin)<br />
trat eine sehr aktive und wendige Persönlichkeit<br />
in den Vordergrund, die es besonders<br />
verstand, den Kontakt zwischen dem Vorstand<br />
und den einzelnen Mitgliedern zu beleben. Neben<br />
vielen anderen<br />
Aktivitäten führte sie<br />
eine „IGdA-Aktion<br />
Krefeld” zum 600. Geburtstag<br />
der Stadt<br />
durch, die viel positive<br />
Resonanz fand.<br />
Zum fünfjährigen<br />
Bestehen der IGdA<br />
sollte ein Manuskript<br />
erscheinen mit Gedichten,<br />
Kurzgeschichten,<br />
Aphorismen<br />
und unterhaltenden<br />
Fachbeiträgen, die<br />
unter dem Titel 600<br />
Jahre Stadt Krefeld/5 Jahre IGdA zur Hauptversammlung<br />
in Krefeld (8.–10. 9. 1972) erschien. E.<br />
W. Schröder schrieb in seinem Leitwort u. a.<br />
„Noch wird geistige Arbeit, schöpferische Leistung<br />
nicht elektronisch ausgewertet – noch nicht!<br />
Aber gerade deshalb ist es so unendlich schwierig,<br />
Fortschritte einer Gemeinschaft, die sich aus<br />
Schriftstellern, also Geistesschaffenden, zusammensetzt,<br />
allen sichtbar zu machen. Das aber ist<br />
die unausgesprochene Erwartung einer Mitgliedschaft,<br />
die sich aus ebenso vielen Individualisten<br />
zusammensetzt als ihre Gesamtzahl von rund<br />
zweihundert ausweist. Es ist der Traum vom Erfolg,<br />
nicht von Medaillen in Gold, Silber, Bronze,<br />
sondern des Sichgedrucktsehens, des Gelesenund<br />
Anerkanntwerdens. Geistige Arbeit muss<br />
sichtbar gemacht werden. Das allein aber verbürgt<br />
keineswegs den Erfolg. Auf einem Markt,<br />
der täglich mit Millionen Zeitungsexemplaren,<br />
Zeitschriften, der jährlich mit rund fünfzigtausend<br />
neu erschienenen Büchern überflutet wird,<br />
ist es schwierig, den Blick auf ein wirklich gutes<br />
Gedicht, eine blendend geschriebene Erzählung<br />
zu lenken. Wir leben im zwanzigsten Jahrhun-<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 6
dert, in dem selbst das Geschriebene als Ware betrachtet<br />
und zumeist nach den Gesetzen von Angebot<br />
und Nachfrage be- und entwertet wird.”<br />
Die Hauptversammlung im September 1972<br />
brachte eine Zäsur in der Entwicklung der Gemeinschaft.<br />
W. Emil Schröder, der fünf Jahre lang<br />
unermüdlich für die Vereinigung tätig gewesen<br />
war, wurde zum Ehrenvorsitzenden, und ein<br />
neuer Vorstand gewählt.<br />
Diese kleine Arbeit wollte nur einige Streiflichter<br />
auf die ersten Jahre der IGdA werfen.<br />
Über diese und auch die folgende Zeit wäre noch<br />
vieles festzuhalten.<br />
Die Geschichte der IGdA ist nicht frei von<br />
Querelen (welche Vereinigung könnte das wohl<br />
von sich behaupten!), aber sie weist auch viele<br />
Erfolge und Höhepunkte auf – Lohn für jene<br />
Freunde, die sich ehrenamtlich um die Belange<br />
der Mitglieder kümmern und sich bemühen, die<br />
Ziele unserer Gemeinschaft Tat werden zu lassen.<br />
Zum Schluss sei mir ein persönliches Wort gestattet.<br />
Ich bin seit der Gründung dabei und habe<br />
oft mit Hoffen und Bangen die Entwicklung<br />
„hautnah” verfolgt – daher mein Bedürfnis, heute<br />
einmal all denen zu danken, die aktiv mitarbeiteten<br />
und heute mitarbeiten.*<br />
Wilhelm Viercke, 1983<br />
*Diesem Dank schließt sich die jetzige Vorsitzende<br />
an, die zwar nicht seit Anfang an dabei ist,<br />
sondern erst seit 1989, aber durch die vielen Unterlagen,<br />
die sie seit der Gründung der IGdA besitzt,<br />
das Gefühl hat, sie sei es. Vor allem aber<br />
dankt sie den Mitgliedern, die Treffen organisierten,<br />
den ReferentInnen und ModeratorInnen, die<br />
zum Gelingen der Treffen beitrugen, den Mitgliedern,<br />
die neue Mitglieder warben, die gute<br />
Gedanken über die IGdA zu Papier brachten und<br />
mit Rat und Tat halfen. Sie dankt den Redaktionsmitgliedern,<br />
den KassenprüferInnen, WahlhelferInnen,<br />
DozentInnen von Werkstattgesprächen,<br />
JurorInnen bei Wettbewerben und natürlich<br />
allen Vorstandsmitgliedern, vor allem denen,<br />
die sich auch in bewegten Zeiten für die IGdA<br />
einsetzten. Und sie dankt all den Mitgliedern, die<br />
aktiv am Vereinsleben teilnahmen und teilnehmen,<br />
in dem sie zu den Treffen kommen, für die<br />
IGdA-aktuell nicht nur Texte einschicken, sondern<br />
auch Rezensionen und Leserbriefe schreiben –<br />
die dafür sorgen, dass die IGdA lebt. Ohne all die<br />
unermüdlichen Helferinnen und Helfer würden<br />
wir in diesem Jahr nicht stolz unser Vierzigjähriges<br />
feiern!<br />
Jutta Miller-Waldner<br />
RUDOLF-DESCHER-FEDER-PREISTRÄGER<br />
(1985 gestiftet)<br />
1985 Gerhard Zipperling<br />
1986 Georg Ihmann<br />
1987 Dietmut Krauss<br />
1988 Grete Wassertheurer<br />
1989 Hermann Kuprian<br />
1990 Barbara Suchner<br />
1991 Hans Faber-Perathoner<br />
1992 keine Verleihung<br />
1993 Jutta Makowsky<br />
1994 Peter Biqué<br />
1995 Johanna Jonas-Lichtenwallner<br />
1996 Ursula Student<br />
1997 Helmfried Knoll<br />
1998 Hermann Wischnat<br />
1999 Magda Nell<br />
2000 Karl-Hermann Schneider<br />
2001 Regine Lotz-Albach<br />
2002 Gabriele von Hippel-Schäfer<br />
2003 Liane Presich-Petuelli<br />
2004 Hilde Peyr-Höwarth<br />
2005 Brigitta Weiss<br />
2006 Anant Kumar<br />
2007 Ernest-Edmund Keil<br />
WIE ICH DIE IGDA GEFUNDEN HABE<br />
Wie ich die IGdA gefunden habe? Eigentlich hat<br />
sie mich gefunden, vielleicht, weil den vier Buchstaben<br />
meine Ignoranz missfiel, mit der ich sie in<br />
die PC-Tastatur getippt hatte auf der Suche nach<br />
einer ganz anderen. Was die Suchmaschine<br />
Google mir präsentierte war richtig, Neugier<br />
weckte die Zeichenfolge „.net” in einem anderen<br />
Kontakt in die elektronische Welt.<br />
Die Maus half, Licht ins Dunkle zu bringen:<br />
ein Klick und ein altbekanntes Sigel mit vier<br />
Buchstaben sprang mir entgegen, gefolgt von<br />
meinem „ei gucke da”, denn die IGDA (International<br />
Game Developers Association), mit der ich<br />
bislang selten genug zu tun hatte als Anlaufstelle<br />
in anderen Geschäften, hat ebenso mit Phantasie,<br />
nichts aber mit Literatur zu tun.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 7
Die Jahre und ihre Abfolge habe ich längst<br />
nicht mehr im Kopf, aber ich meine, bei der<br />
Gründungsversammlung (war das nicht in Butzbach?)<br />
mit dabei gewesen zu sein. Nachschauen<br />
in alten Akten und Ordnern bringt nichts, das<br />
meiste ist nicht mehr da; beim Umzug vor dreißig<br />
Jahren, von der einen in die noch kleinere<br />
Kleinstadt, ging wichtigeres verloren, manches<br />
fiel später durch das Sieb.<br />
Erinnerlich ist mir,<br />
dass mein Freund und<br />
ich damals Rudolf Descher<br />
beeindruckt haben<br />
mussten, denn schon auf<br />
der von weiblichem Pilot<br />
gesteuerten Rückfahrt<br />
saßen wir beide auf der<br />
engen Rückbank im engen<br />
VW-Käfer und tippten<br />
auf der mitgeführten<br />
Reiseschreibmaschine<br />
den bestellten Tagungsbericht.<br />
Wir, mein Freund<br />
und ich, hatten 1966<br />
einen eigenen Club gegründet,<br />
die Arbeitsgemeinschaft<br />
junger Publizisten,<br />
die wir mit ihren<br />
etwa zwei Dutzend<br />
Streitgenossen in den<br />
deutschsprachigen Ländern<br />
als Fördermitglied<br />
in die IGdA einbrachten, dort einiges an Mitarbeit<br />
leisteten, viel lernten und viele Erfahrungen<br />
weitergeben konnten.<br />
Wichtig war die Arbeit am und mit dem<br />
Agentur-Report. Er vermittelte Daten im Verkehr<br />
zwischen Neulingen in der schreibenden Zunft<br />
und den Presseagenturen und ähnlichem als Vermittler<br />
zu den druckenden, lies „zahlenden”, Abnehmern<br />
meist unterhaltsamer Stücke. Ein Service,<br />
der durch immer spärlicher werdende Informationen<br />
aus der „Szene” trotz damals noch<br />
großen Bedarfs auf beiden Seiten über wenige<br />
Ausgaben nicht hinauskam. Im Nachhinein betrachtet<br />
war ihm zwangsläufig kein langes Leben<br />
beschieden.<br />
Damals schon war die Presselandschaft durch<br />
Zusammenschlüsse im Schwinden begriffen. Mit<br />
ihren Feuilleton-Seiten waren Tages- und Wochenpresse<br />
Hauptabnehmer der etablierten Unterhaltungsschreiber;<br />
oft auch aufgeschlossen gegenüber<br />
dem guten Nachwuchs. Wer heute eine<br />
Tageszeitung aufschlägt, wird nur sehr selten<br />
noch den Fortsetzungsroman finden oder die<br />
ganze Seite mit kurzweiligen Texten, deren wichtigster<br />
Inhalt die bloße Unterhaltung ist.<br />
Das Jahr 1974 brachte den Bruch mit der<br />
IGdA in vielfacher Hinsicht, vielleicht auch willkommen.<br />
Er war für viele schmerzlich. Wenn<br />
auch die unmittelbar folgende Entwicklung in<br />
die provinzielle Mittelmäßigkeit steuerte, wird<br />
wohl irgendwann das Ruder herumgeworfen<br />
worden sein. Soweit ich<br />
es nach den heute mir<br />
zugänglichen Informationen<br />
beurteilen kann,<br />
hat der Verein zurückgefunden<br />
zu seinen ursprünglichen<br />
Wegen<br />
und seinen Zielen im<br />
Sinne Rudolf Deschers,<br />
angepasst an die heutige<br />
Wirklichkeit. Die Abweichung<br />
in die Sackgasse<br />
der elitären Insellesungen<br />
(Insel im wörtlichen<br />
Sinne, worauf ich meine<br />
Andeutungen an vergangene,<br />
vergessene Zeiten<br />
beschränken will) ist<br />
wohl überstanden.<br />
Ich habe den Weg der<br />
IGdA nicht weiter verfolgt,<br />
Kontakte rissen ab,<br />
die Distanz wurde größer.<br />
Mich hatte schon zuvor<br />
noch mehr als meinen Freund der nötige<br />
Broterwerb eingeholt. Zwei Jahre Arbeit und Reisen<br />
in und durch West- und Süddeutschland hatte<br />
manche Gelegenheit zum Kontakt mit Menschen<br />
ergeben, mit denen man sonst vorwiegend<br />
brieflich verkehrt hatte. Gut für das nötige Engagement<br />
in Tagesarbeit für Arbeits- und <strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
war diese Zeit nicht.<br />
Ein Versuch, in der Alternativen Literaturszene<br />
Fuß zu fassen, schlug nicht gerade fehl,<br />
doch es wäre nichts Dauerhaftes geworden. Die<br />
Arbeit als Literarische Agentur wurde nach hoffnungsfrohen<br />
Anfängen ein Opfer immer weiter<br />
fortschreitender Strukturänderungen. Kontakte<br />
anderer Art zu Etablierten litten ebenso unter<br />
den Jahren auswärts mit ihren Zwängen und ließen<br />
sich hernach kaum erneuern. Alles Dinge, an<br />
denen man nicht nur nebenbei arbeiten konnte.<br />
So stand man vor der Wahl: Ganz oder gar nicht,<br />
wobei die Entscheidung für letzteres fiel, denn<br />
die bevorstehende Familiengründung setzte andere<br />
Prioritäten.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 8
Vom Schreiben bin ich nicht weggekommen.<br />
Zwar war nicht viel veröffentlicht worden, aber<br />
ich war durch Erfahrungsberichte und den zwischendurch<br />
erworbenen Durchblick auf dem Boden<br />
der Tatsachen geblieben.<br />
Heute gibt es die Forschung in der Ortsgeschichte,<br />
das journalistische Aufbereiten der auf<br />
wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen Informationen<br />
und Erkenntnisse. Hier geht es um<br />
Fakten, das Fabulieren hat mir eigentlich nie so<br />
viel Freude bereitet wie das Schnabulieren, so<br />
oder so.<br />
Wichtig, zwar nicht gerade<br />
gehasst und noch mehr<br />
geliebt ist die redaktionelle<br />
Bearbeitung einer kleinen<br />
einschlägigen Schriftenreihe<br />
mit mittlerweile etwa fünfzig<br />
Ausgaben, die Anerkennung<br />
und ihren Leserkreis<br />
gefunden hat. Sie steht auf<br />
gemeinnützigen Füßen und<br />
bringt Ehre und noch mehr<br />
Arbeit ein, was AutorInnen<br />
und „Chef-Redakteur” genügt. Zwischenzeitliche<br />
Erfahrungen in der Werbeabteilung eines kleinen<br />
professionellen Buchverlages und der Herstellung<br />
von Büchern, Katalogen und Prospekten<br />
sind hilfreich dort, wo es heute um die Produktion<br />
von Gedrucktem beziehungsweise elektronischen<br />
Medien geht, sei es CD/DVD oder<br />
Internet-Auftritt. Der meist spannende Brotberuf<br />
ist „off topic”, wie es neudeutsch heißt.<br />
Würde ich nach vierzig Jahren heutiger Erkenntnisse<br />
eine hilfreiche Hand wie die der IGdA<br />
neu ergreifen? Für damals gilt ein uneingeschränktes<br />
„Ja!”, heute denke ich, dass mein persönlicher<br />
Weg nichts gemeinsam hat mit dem<br />
einer <strong>Interessengemeinschaft</strong>, die ähnlich einer<br />
Gewerkschaft wirtschaftliche Ansprüche zwar<br />
knallhart anmelden, aber<br />
kaum durchsetzen könnte.<br />
Die aber anderes vermitteln<br />
konnte: Handwerkliches<br />
Drumherum,<br />
Erfahrungsaustausch,<br />
Anregungen für die<br />
eigene Kreativität und<br />
nicht zuletzt den Kontakt<br />
mit Menschen unterschiedlichster<br />
Coleur,<br />
egal, ob die Chemie<br />
stimmte oder nicht.<br />
Sommerkind*<br />
(*Name der Redaktion bekannt)<br />
AUS DEM ARCHIV DER IGDA<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 9
Willi Volka<br />
Ein Frauenzimmer<br />
lang im Garten träumend saß.<br />
Sitzfleisch plastikhart.<br />
(3. Platz beim Kitsch-Wettbewerb von Verstärker:<br />
Organ zur Rückkopplung von Kunst und Literatur)<br />
Angelika Genkin<br />
PAN<br />
(Ein Novembertraum)<br />
Ein letztes Mal wollt’<br />
ich die Wärme eines späten Sommers zwingen.<br />
Vergeblich rief ich, denn seit heute Morgen blieb sie fern.<br />
Auch du bist fort, und wo vordem der Igel uns so keck belauscht,<br />
sitzt Pan und trinkt, man glaubt es kaum, im Nebelgrau ein goldenhelles Bier.<br />
Mit süßen Tönen lockt er mich herbei, bläst eine sanfte Melodie zum Schein,<br />
und trachtet hinter steiler Stirn allein – wie er die Flötentöne mich noch lehren will.<br />
Mit weißen Zähnen lacht er in die Dämmerung, zwingt meinen Blick an seinen Mund,<br />
dass ich nicht sehen soll, wie eben unterm Tisch der Pferdefuß verborgen bleibt.<br />
Nimm dich in Acht,<br />
denn Pan, das ist bekannt, gebietet der Natur zum eig’nen Nutzen nur,<br />
und glaubst du ihm, liegst du alsbald so wehrlos wie der Igel da,<br />
der rücklings auf das welke Laub gestreckt<br />
sich nicht zur Kugel barg zur rechten Zeit.<br />
Nimm dich in Acht und sei gescheit,<br />
denn lässt du dich ergreifen,<br />
so greift er dich + onaniert mit dir.<br />
Dann, liebes Kind, ist es zu spät.<br />
Der Mond zerplatzt und stürzt sich in den See,<br />
die Erde öffnet ihren dunklen Leib<br />
und alle Welt versinkt<br />
in Pech und<br />
Schwefel.<br />
.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 10
Gisela Conring<br />
Oscar Stucky<br />
GLÜCK<br />
<strong>EIN</strong> LETZTES<br />
Dasitzen – nur so<br />
auf der Bank, Rücken<br />
an Rücken gelehnt, Ohr streift an Ohr.<br />
Der spielende Wind<br />
vermischt langes und kurzes Haar<br />
grau in grau gesträhnt.<br />
Im Geflecht unserer Adern<br />
pulsen Ströme von Wärme.<br />
Unsere Augen wandern weit über Gärten<br />
bunt von den Farben<br />
des Herbstlaubs.<br />
Herbstzeit – wir wissen.<br />
Verlieren darüber keine Worte:<br />
Zeit bringt Sterben, und Zeit schenkt Leben.<br />
Noch ist sie unser.<br />
Nur so dasitzen, aneinandergelehnt. Geborgen<br />
im Glück der Gegenwart.<br />
Brigitte Pulley-Grein<br />
STILLE FREUDE<br />
Schon ziehn die ersten Nebelgeister<br />
Vom Berg hinab bis in das Tal,<br />
Sie werden täglich immer dreister,<br />
Erscheinen in der Überzahl.<br />
Gleich ist die Welt dann wieder trübe,<br />
So gänzlich ohne Sonnenschein,<br />
Doch eine ewig treue Liebe<br />
Hüllt dich und mich in Hoffnung ein.<br />
Drum blüht in uns die stille Freude,<br />
Sie tröstet unser klagend Herz<br />
Mit Gottvertraun, daß für uns beide<br />
Einst neu erblüht ein junger März.<br />
Wenn im Herbstwind<br />
Dein Tagtraum sich regt<br />
und Du dann siehst,<br />
dass Blätter wie Seelen<br />
unendlich leicht schweben<br />
dann<br />
wirst auch Du finden<br />
im Hinweg<br />
das Licht.<br />
(aus: Wilder Garten)<br />
Wilma Klevinghaus<br />
HERBSTGLÜHEN<br />
Ins Rot und Gold der letzten Farbenfeuer<br />
fließt nun das Naß der langen Nächte.<br />
Als ob der Garten sich verbergen möchte,<br />
sinkt er ergrauend hinter Nebelschleier.<br />
Zur Wärme zogen Schwalb’ und Silberreiher.<br />
Das Licht versickert in die Schattenschächte.<br />
Daß er dem Land die Stille wiederbrächte,<br />
friert ohne Lied der totgesagte Weiher.<br />
Nun, da erlöschen will der Feierwochen Glanz,<br />
wird bald verweht des hellen Sommers Spur.<br />
Verwelkte Blätter mit dem Wind im Tanz<br />
träumen vom Glück, das ihnen widerfuhr,<br />
und künden doch von Tod und Sterben nur …<br />
Auf denn, mein Herz, flicht deiner Hoffnung<br />
Kranz!<br />
Magda Nell<br />
Blattinseln am See,<br />
Wind kämmt das Haar der Weiden<br />
Der Nebelschall, verflogen –<br />
Aus 3/2005<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 11
Liane Presich-Petuelli<br />
Anneliese Korte<br />
ABEND IM GEBIRGE<br />
AKROSTICHON<br />
der Mittag ist verbrannt<br />
und abgeglüht<br />
nun rauchen Schatten<br />
aus erloschnem Grün<br />
umfloren Buchen<br />
schwärzen Birkenglanz<br />
hoch oben<br />
wo auf dürrem Felsenkranz<br />
die letzten Purpurbänder<br />
nachtwärts ziehn<br />
wölkt Nebel Schleier<br />
federzart und fern<br />
wie einst um Frühlingsmond<br />
und Frühlingsstern<br />
Bergdohlen flattern auf<br />
zu schrillem Flug<br />
schrein Winterklage<br />
lästern Sommertrug<br />
und Schwermut sinkt<br />
auf Herbstzeitlosenwiesen<br />
die erdfeucht frösteln<br />
unter meinen Füßen<br />
Dagmar Westphal<br />
BLÜHEND<br />
In Nebelwäldern<br />
schweigen lange die Grillen.<br />
Vögel fliegen aus.<br />
Sonne verwelkt im Geäst.<br />
Kirschblatt zittert im Wind.<br />
Ruhig der Herbstmorgen.<br />
Aufgehende Sonne – kalt<br />
Und so berührt sie glitzernde<br />
Raureif-geschmückte Gräser.<br />
Ein kurzes Glück<br />
Immer nur –<br />
Frühmorgens.<br />
Barbara Suchner<br />
LINDENDUFT<br />
Wenn die Linden verblüht,<br />
ist der Sommer vorbei,<br />
sagte mein Lehrer (Botanik)<br />
damals in Breslau,<br />
im Leuchten des Lenzes.<br />
Längst sind die Linden verblüht.<br />
Früchte,<br />
im Winde gewiegt,<br />
sturmgerüttelt,<br />
stumm gereift,<br />
werden bald fallen.<br />
Der Winter naht,<br />
der letzte Abend,<br />
die Nacht.<br />
Doch Lindenduft<br />
atme ich noch.<br />
Ich nehme ihn mit.<br />
Was vom Leben blieb<br />
sind die Stimmen der Toten<br />
zwischen den Gräsern<br />
ein blühender Rosenbusch<br />
und das Kind in der Wiege.<br />
(aus: Umarmt von Licht und Sand)<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 12
Gerhard J. Dürschke<br />
RIEN NE VA PLUS<br />
Sonne aus Blei, Tabula rasa – nichts geht mehr<br />
Ein Fluch zerstört das Ende einer großen Liebe<br />
Ein Herbstwinter in Deutschland<br />
Hart wie das Herz, so schön und stark das Weib<br />
Totes Herz, ein Wahnsinn der drohenden Metapher<br />
Auf der Flucht unterwegs im Zeitalter der Liebe<br />
Das weibliche Taghell im Herzen der Finsternis<br />
Ein Herbstwinter in Deutschland<br />
Im Jammertal, ein hehres Ziel, eine Art Heimkehr<br />
Ewiger Herbst in hohlen Gassen, ein toter Künstler<br />
Das Ende einer Flucht in scheiternder Haltlosigkeit<br />
Und der Freispruch verfaßt einen Tango mortale<br />
Ein Herbstwinter in Deutschland<br />
Sehr schmerzlich das Ende der Bequemlichkeiten<br />
Der Ruf des Scheiterns legt sich übers flache Land<br />
Wo geschwiegen wird ist alles idyllisch und schön<br />
Sagen die gestrigen Mörder aus der Nachbarschaft<br />
Ein Herbstwinter in Deutschland<br />
Die letzte Pflicht eines jeden Bürgers ist die Ruhe<br />
Ein Hordenbild – passen Sie gut auf sich auf!<br />
Leben und Sterben im Reich des täglichen Dialoges<br />
Ein Abschied in herbstlich rötlicher Abendsonne<br />
Ein Herbstwinter in Deutschland<br />
Die Nacht senkt sich auf das fliehende Jahrhundert<br />
Unter den Linden – Die Zukunft liegt hinter uns.<br />
Ingrid Benada<br />
GROSSSTADT BERLIN<br />
Menschenfressendes Ungeheuer,<br />
unverdaute Überbleibsel ausspuckend,<br />
in den Himmel reckende<br />
stählerne Arme,<br />
furchteinflößend wie die Windmühlen<br />
Don Quijotes.<br />
Rennen und hasten,<br />
eilen und jagen,<br />
hämmern und quietschen<br />
und dröhnen als Vorgeschmack auf die Hölle.<br />
Fänge greifen gierig und zermalmend<br />
die Ruhe<br />
einer einstmals stilleren Welt.<br />
Und doch –<br />
irgendwo der Gesang eines Grünfinken,<br />
das leise Rascheln der Blätter,<br />
das zärtliche Flüstern menschlicher Stimmen.<br />
„Freiheit für die Langsamkeit!<br />
Für die Stille!”<br />
Wer rief da?<br />
(aus: Tagträume: Lyrik)<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 13
Anna Maria Sauseng<br />
Margot Weinand<br />
… DURCH DIE STADT<br />
TRÜBE GEDANKEN<br />
Der Boden Asphalt,<br />
lärmende Autos,<br />
Gedränge von Menschen,<br />
begegnen, überholen ...<br />
ich gehe und gehe,<br />
kein Mensch nimmt Notiz<br />
von mir und vom Bettler,<br />
der hungernd und frierend<br />
am Straßenrand kniet.<br />
Schmerzende Füße<br />
vom harten Asphalt,<br />
schmerzender Kopf<br />
vom Dröhnen der Autos,<br />
schmerzende Seele<br />
vom Alleinsein in der Stadt,<br />
kein Mensch spricht ein Wort<br />
mit mir und dem Bettler ...<br />
Begegnung, Begleitung,<br />
so stumm ist’s um mich.<br />
Inge Sydow-Ferenz<br />
SIEGER<br />
Zwei die sich feindlich gegenüber stehen<br />
wer weiß schon wirklich warum<br />
die sich vernichten wollen<br />
um jeden Preis<br />
jeder berufen und abgesandt<br />
von seinem eigenen Gott<br />
Mit stolz erhobenem Haupt starren sie<br />
unverwandt zum Himmel empor<br />
und keiner bemerkt den kleinen erdgebundenen<br />
Teufel<br />
der zwischen ihren Füßen triumphierend von<br />
einem zum<br />
anderen springt<br />
und lacht und lacht<br />
der sie alle beide verspottet<br />
werfe trübe Gedanken<br />
von der Brücke ins Wasser<br />
sie zerfließen<br />
die Welle rollt sie ein<br />
Klaus Mühlen<br />
DER FÄHRMANN<br />
Am Ufer stand ich und schaute hinüber,<br />
die Geduld mir keineswegs eigen,<br />
„Komm und hol über”, hatte ich gerufen,<br />
gewiss dabei, der Fährmann holt mich rüber,<br />
doch ich bangte, verlassen zu bleiben.<br />
Wenn wir heute Schiffe sehen<br />
mit Gütern aller Art hoch beladen,<br />
mit Menschen von hier nach dort,<br />
auf denen Flaggen fremder Nationen wehen,<br />
ist die Zeit von damals vergessen.<br />
Über kurze und lange Strecken geirrt,<br />
wird es einmal die letzte Fahrt sein,<br />
dort wo Himmel und Wasser vereint<br />
Wind und Wellen das Schiff verschlingen wird<br />
und sehnsuchtsvoll leise ,,Hol über” verklingt.<br />
Kein schwarzes Kreuz aus Granit steht,<br />
kein Schild, das die Lebensdaten zeigt,<br />
versunken in der Unendlichkeit Vergangenes,<br />
wenn frisch der Morgenwind weht<br />
über neue Höhen hinaus, vergessen.<br />
(aus: Krieg dem Krieg)<br />
der sie alle beide beherrscht<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 14
Gabriele von Hippel-Schäfer<br />
Hilde Peyr-Höwarth<br />
LAND’S END<br />
ABSCHIED<br />
Stehen und schaun<br />
in Uferloses<br />
Kein Schritt<br />
führt hier weiter<br />
Vom Hörensagen<br />
gewußt, geglaubt:<br />
auch jenseits<br />
ist Land und Leben<br />
Doch dieser Zwischenraum<br />
raubt dir den Atem<br />
(aus: Der verschüttete Quell: Gedichte nach<br />
Märchenmotiven)<br />
Juliana Modoi<br />
REIF<br />
Spricht<br />
die Sonne<br />
zum Meer:<br />
„Du bist<br />
noch nicht reif,<br />
meine gläserne Frucht!”,<br />
will ich<br />
in Wolken<br />
schwimmen,<br />
oder als Wein<br />
über die Ufer<br />
strömen,<br />
mich als Lava<br />
aus Vulkanen<br />
ergießen,<br />
oder als Wanderdüne<br />
ein einsamer Pilger<br />
sein.<br />
(aus: Im Wind der Verschwendung: Gedichte)<br />
Noch einmal deine Stimme hören,<br />
mit dir an fremden Ufern stehn,<br />
nach fernen Schiffen Ausschau halten<br />
und Sonnenuntergänge sehn.<br />
Wir ahnten nicht, dass jener Sommer<br />
bereits ein Abschiednehmen war,<br />
jetzt bist du fern und unerreichbar,<br />
und dennoch bist du mir so nah.<br />
Wenn sich im Wind die Segel blähen,<br />
die Brandung sich am Felsen bricht,<br />
seh ich dich an der Küste stehen,<br />
ich ruf nach dir – du hörst mich nicht.<br />
Ich möcht im Sand nach Spuren suchen,<br />
im Mondlicht deinen Schatten sehn,<br />
doch auf die letzte deiner Reisen,<br />
da musstest du alleine gehn.<br />
Doch das Meer und der Wind<br />
erzählen von dir,<br />
die Brandung rauscht durch die Nacht,<br />
die Möwen am Strand, die Muscheln im Sand,<br />
die Schatten der Bäume und nachts<br />
meine Träume, sie alle erzählen von dir.<br />
Karin Alette<br />
NATURGEWALTEN<br />
verblasstes unterholz<br />
knisternde waldwege<br />
hinter der nebelwand<br />
wittert der beobachter<br />
zeitgeschehen<br />
sie bäumt sich auf<br />
die natur<br />
gewaltige wassermassen<br />
schlagen zurück<br />
stück für stück<br />
land unter<br />
fragen tauchen auf<br />
endlich<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 15
Bernd Ost<br />
PAAR IM LIEBESNEBEL<br />
Ein Sturmwind<br />
mit peitschendem Regen,<br />
eine wühlende Brandung<br />
saugt deine Füße,<br />
habgieriger Sand<br />
umsprudelt und schmeichelt<br />
will dich begehren,<br />
spürst Regen und Gischt<br />
auf nackter Haut,<br />
glücklich ergeben<br />
Marieluise Erckenbrecht<br />
VORLÄUFIG<br />
eifrig schleppen die Menschen<br />
den tragbaren Besitz<br />
vermeintlicher Schätze<br />
ein halbes wichtiges Leben<br />
zum Bahnhof<br />
sie spüren sich angezogen<br />
von seiner Nähe<br />
starren geblendet<br />
in sein rundes Zahlengesicht<br />
zwei Arme bewegen sich<br />
Strich um Strich<br />
verräterisch langsam<br />
der Bahnhof ist durchlässig<br />
hinter seiner Fassade<br />
verteilt er die Menschen<br />
sie reisen hierhin dorthin<br />
das Ziel ist immer vorläufig<br />
Traute Bühler-Kistenberger<br />
WOHNEN IM LEISEN<br />
Mußt nicht weit reisen<br />
Nur Augen schließen rasten<br />
unter uralten Bäumen<br />
wohnen im Leisen –<br />
Den Vogel hoch oben grüßen<br />
licht hingetragen<br />
ins Wolkenlose aufsteigen –<br />
Dich lösen<br />
träumen –<br />
dich nicht mehr beweisen<br />
quälen und eilen –<br />
Freihaben<br />
endlich daheim sein bei dir –<br />
AUSRUHEN<br />
WEILEN<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 16
Vera Hewener<br />
LIEBESKUSS<br />
Herzwind, dem Brennenden hauche Kühlung, dem Sterbenden Leben,<br />
flieht dieser Nachtfaser Kranz. Lichtwerk ins Dunkel. So glüh<br />
Weglicht verlassenen Seelen, erfüll’ sie mit flammender Hoffnung,<br />
schwebendem Tagesgefühl. Liebe, die sucht, dich erlöst.<br />
Sehnsucht entfesselt die sprühenden Funken, von Träumen befeuert,<br />
gegenwartsnah wie dein Kuss. Herztiefer Sternengesang!<br />
Rudi Bachmann-Voelker<br />
Stefan Boris Birk<br />
ICH BIN<br />
LIEBE IN DREI TEILEN<br />
Ich bin in einem Raum gewesen.<br />
Um mich ein Schwingen,<br />
Lichter<br />
und laute Töne.<br />
So nah<br />
und doch so fern waren sie.<br />
So unheimlich schön.<br />
Steinern mein Herz.<br />
Ich wollte schreien<br />
und blieb stumm.<br />
Dann, dein Gesicht.<br />
Worte, die ich nicht verstand,<br />
und doch ergriff mich ein Schwingen.<br />
Geführt von deiner unsichtbaren Hand<br />
fing ich an mich zu drehen<br />
und zu schweben.<br />
Ganz langsam zu leben.<br />
Antje E. Schnabl<br />
Schaumküsse<br />
Schmecken am Anfang und selten<br />
Verführerisch süß<br />
Später und zu oft<br />
Ungewollte Nebenwirkungen<br />
Küsse<br />
Hochnebel<br />
In der Kaffeetasse<br />
Am Montagmorgen.<br />
Ich küsse deinen zarten<br />
Roten Mund,<br />
Ich küsse ihn dir wund<br />
Vor Begierde<br />
Lass mich nicht in Ruhe<br />
Lass mich<br />
Nicht in Ruhe<br />
Möchte dich lieben<br />
Möchte dich begehren<br />
Möchte dich verehren.<br />
Körper<br />
Dein Körper ist so schön.<br />
Dein Körper ist mir heilig.<br />
Ich liebe dich und gehe mit deinem<br />
Körper auf die Reise<br />
Trotzdem begehre ich sie<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 17
Brigitta Weiss<br />
Katja Herrmann<br />
SO WEISS<br />
KOMM ZU MIR<br />
Im Schneetreiben<br />
unserer Lust<br />
lasse ich mir<br />
deine Küsse<br />
wie Schneeflocken<br />
auf der Zunge<br />
zergehn.<br />
Eisblumen<br />
hinter meinen<br />
Augen<br />
schmelzen<br />
unter deinem<br />
Lächeln<br />
dahin.<br />
Deine Finger – fünf<br />
Sonnenstrahlen<br />
sprengen<br />
die Decken<br />
aus Eis:<br />
Tauwetter ist<br />
angesagt.<br />
(aus: Leumund: Gedichte)<br />
Susanne Fiedler<br />
ABSCHIED<br />
Ich werde achtsam sein<br />
Die Worte sehr gut wählen<br />
Mein Herz wie einen ersten Keim<br />
aus einer alten Wunde schälen<br />
Ich werde meine Furcht bezwingen<br />
und keine Macht dem Alten geben<br />
Die allerersten Töne singen<br />
auf meinem Weg ins Leben<br />
Komm zu mir, komm,<br />
nimm mich in dich und meine Welt,<br />
die nicht Fassade braucht, um zu gefallen,<br />
schenk mir dein Lachen für jedes Stückchen Liebe,<br />
dein Herz im Tausch für meine Hand.<br />
Komm zu mir, komm,<br />
du findest mich<br />
im Licht<br />
Regine Lotz-Albach<br />
AUS BAUM UND BLÜTE<br />
Der Tisch<br />
an dem ich sitze<br />
reicht mir aus<br />
für meine Speise<br />
für Vater – Mutter<br />
und für meine Träume –<br />
Der Tisch<br />
an dem ich sitze<br />
gibt mir Halt<br />
für meine Bücher<br />
Worte Verse<br />
und für meine Reime –<br />
Der Tisch<br />
an dem ich sitze<br />
ist aus Holz<br />
ich spüre<br />
mit der bloßen Hand<br />
es war der Baum<br />
der nachts die Blüten<br />
abgeworfen unterm Stern –<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 18
Roslies Wille-Nopens<br />
Heinz Oelfke<br />
Um die ersten Worte sagen zu können<br />
mußt Du tief Atem holten<br />
Deinen Körper bewegen<br />
Du kannst die gesprochenen Worte<br />
nicht zurückholen<br />
und entscheidest Dich<br />
nichts zu sagen<br />
unbeweglich zu bleiben<br />
kaum zu atmen<br />
Werner Saemann<br />
MODERNER SCHREIBER<br />
er kann sich nicht freuen<br />
Happy-End ist ihm Kitsch<br />
er kann auch nicht weinen<br />
ihn langweilt das Glück<br />
ABEND IN GRASSE<br />
Noch vom Lavendelduft umgeben,<br />
dem süßen Odem der Provence,<br />
im lichten Grün weinschwangerer Reben<br />
und blumenbunter Gärten Glanz<br />
warst du bei jedem Schritt zugegen,<br />
bei Lust und Lieb und Spiel und Tanz.<br />
Du, Gott aus Lorbeer und aus Myrthen,<br />
beim roten Wein, beim Lied der Hirten.<br />
Du, Amor, ewig junger Gott,<br />
wo würdest schöner du erscheinen<br />
als unter den Olivenhainen<br />
in diesem gottgeliebten Land,<br />
wenn Herzen liebend sich vereinen<br />
mit Amorettenflügelband.<br />
(aus: Ich sah so viele Blumen blühen)<br />
er möchte wer sein<br />
jetzt schreibt er Thriller<br />
er geht an die Grenzen<br />
schreibt nur über sich<br />
Waltraud Weiß<br />
HERMES<br />
Wie schön er ist!<br />
Ich umrunde ihn –<br />
Umgarnen möchte ich ihn –<br />
Umkreisen ...<br />
Nur umhüllen möchte ich ihn<br />
Nich t<br />
Zu schön ist<br />
Alles an ihm<br />
Das Schönste aber<br />
Zeigt er mir<br />
Von hinten<br />
Wie fest und prall<br />
Wie warm gefärbt<br />
Seine Haut die straffe Form zeigt –<br />
Genau passend ...<br />
... für meine Hände!<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 19
AUS DEM ARCHIV DER IGDA<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 20
WIR BEGRÜSSEN UNSERE NEUEN MITGLIEDER<br />
Benedikta Buddeberg, 58099 Hagen<br />
Hans Meyer, 91443 Scheinfeld<br />
Amalia Koslowski (Pseudonym: Amalia N.<br />
Kardonas), 58099 Hagen<br />
Maria Sassin, 41569 Rommerskirchen<br />
Josef Albert Stöckl, 83527 Kirchdorf<br />
Benedikta Buddeberg<br />
Josef Albert Stöckl<br />
HERBSTTAG<br />
(Zu jeder Jahreszeit zu singen)<br />
Herr, keine Zeit. Der Sommer war nur Hauch.<br />
Kein Schatten hält uns an die Sonnenuhren,<br />
und keine Spuren lässt des Lebens Rauch.<br />
Befiehl den leeren Stunden voll zu sein;<br />
gib ihnen nur zwei sinnerfüllte Tage,<br />
dränge sie zur Vollendung hin im Jagen,<br />
schenk ihnen Süße wie von schwerem Wein.<br />
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.<br />
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,<br />
wird surfen, chatten, Kurzbotschaften schreiben<br />
und wird auf Datenstraßen hin und her<br />
unruhig schlaflos wie die Blätter treiben.<br />
HERBST<br />
Silberschleier ziehen<br />
gewebt von Herbstes Hand<br />
Schwalbenschwärme fliehen<br />
hinweg in warmes Land.<br />
Müde Ackerkrume<br />
ruht träg im Sonnenstrahl<br />
welke Sonnenblume<br />
leuchtet ein letztes Mal.<br />
Offnes Grab liegt schweigend<br />
ein Herz wird zugedeckt<br />
Wiege sanft sich neigend<br />
ein Herz ward aufgeweckt.<br />
(nach Rainer Maria Rilke: Herbsttag)<br />
Amalia N. Kardonas<br />
Auszug aus: Die Comtesse<br />
PROLOG<br />
Angers, August im Jahr des Herrn 1660<br />
D<br />
as Gefährt sah kostbarer aus als die Kutschen,<br />
in denen Héloise bisher gereist<br />
war. Es war länger, breiter, höher, sein<br />
Inneres mit glänzend poliertem, stark gemasertem<br />
Holz vertäfelt und die Bänke mit einem dicht<br />
gewebten Stoff bezogen, der keinerlei Abnutzung<br />
zeigte. Keine zerschlissenen Partien vorn an den<br />
Kanten wie bei der Kutsche ihres Papas. Dennoch:<br />
der Holzboden war am Einstieg abgewetzt.<br />
Wie viele Menschen mochten in dieser luxuriösen<br />
Kutsche gereist sein? Wie viele Mädchen hatte<br />
Marie Montvert aus ihren Elternhäusern abgeholt<br />
und nach Paris begleitet?<br />
Ihr Papa wollte sie zum Abschied mit einem<br />
Lächeln aufmuntern, doch es erreichte seine<br />
Augen nicht. „Schaue nicht zurück, mein Mädchen,<br />
sonst siehst du deinen Kummer in unseren<br />
Tränen. Damit wird alles Kommende untragbar.”<br />
Héloise versuchte, sich an seinen Rat zu halten.<br />
Sie kauerte mit dem Rücken in Fahrtrichtung auf<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 21
der Kante der Sitzbank und starrte aus dem Fenster.<br />
‘Papa. Warum?’ Die Tränen in ihren Augen<br />
brannten und fanden einen eigenen Ausweg.<br />
Marie Montvert, Duchesse von St. Germain<br />
und die beste Freundin ihrer Mutter, saß ihr gegenüber,<br />
aufrecht, sie beobachtend. Sie fächerte<br />
sich mit einem Hauch von Seide Luft zu. In Héloises<br />
Augen war Marie ein respekteinflößender<br />
Wegweiser, der in dem Dickicht, in das sie geschickt<br />
wurde, nur von Nutzen sein konnte, zumal<br />
sie diesen Wegweiser mochte. Marie machte<br />
ihr den Abschied, den Neubeginn,<br />
die Fremde erträglich. Sie<br />
war ihre Patin und sollte die einzige<br />
Stütze an Héloises Seite<br />
sein, wenn sie dem König und<br />
der Königin von Frankreich vorgestellt<br />
wurde.<br />
Hinter Marie, hinter dem gemaserten<br />
Holz der Rückwand<br />
und weit hinter der letzten Biegung,<br />
in dem kleinen Ort namens<br />
Le Plessis-Macé bei Angers,<br />
war ihr Zuhause, sollte es<br />
immer sein. Dort lebte Adolphe<br />
Maximilien de Clement-Barentin,<br />
Marquis de Bellefort. Ihr<br />
starker, unbesiegbarer Papa. Er<br />
war Musketier im Regiment des<br />
Königs gewesen, des alten Königs, dessen Edelmut<br />
er immer noch schätzte. Héloise liebte ihren<br />
Papa bedingungslos.<br />
Dort herrschte Madeleine de Clement-Barentin,<br />
eine geborene St. Phare. Ihre Mutter. Madeleine<br />
war entweder nur einschüchternd oder herablassend.<br />
Diese Eigenarten hatte sie perfektioniert.<br />
Madeleine gebar sieben Kinder, und Héloise,<br />
die jüngste Tochter, begegnete ihr entweder<br />
mit Scheu oder Verachtung. Héloise wünschte<br />
sich oft, Marie wäre ihr Mama.<br />
In Le Plessis-Macé lebte Raphael, der einzige<br />
ihrer vier Brüder, den sie kannte, und ihre Großtante<br />
Sophie Aimée d’Aulnay-sous-Bois, Duchesse<br />
de Reims. Sophie war ihre Lehrerin und<br />
eine Hexe. Das jedenfalls behauptete Madeleine.<br />
Héloise wusste es besser.<br />
In Gedanken versunken presste sie ihre<br />
Hände um den Einband eines Buches, das Papa<br />
ihr zum Abschied überreichte. Es sollte Héloise<br />
an daheim erinnern, an die Bücher in der Bibliothek,<br />
die sie liebte. Héloise war oft, umhüllt von<br />
den Düften nach Papier, Leder und Holz, über<br />
einer Landkarte eingeschlummert. Dann träumte<br />
sie von Expeditionen in weit entfernte Regionen.<br />
Die Herbarien, die sie mit Sophies Hilfe anlegte,<br />
waren sicher im Reisegepäck verstaut. Diese<br />
Schätze ließ Héloise auf gar keinen Fall daheim,<br />
denn sie wollte nicht, dass ihre Mutter sie<br />
fand. Madeleine hielt nichts von diesen Dingen –<br />
sie meinte die Kräuterkunde – und hätte die Bücher<br />
in den Kamin geworfen. Héloise war sich<br />
sicher, dass Madeleine gar nichts verstand. Immerhin<br />
halfen ‘diese Dinge’ bei<br />
Papas Blasensteinen und Raphaels<br />
Wundheilungen.<br />
Raphael. Ein Lächeln. Der Elfjährige,<br />
der ihr mit dem Herzen<br />
so nahe war, als seien sie aus<br />
einem Holz geschnitzt, war das<br />
Gegenstück ihres Temperaments:<br />
Raphael de Clement-Barentin<br />
war ein Wirbelwind, und<br />
seine Neigung zu Unfällen ließen<br />
Héloise mitunter verzweifeln.<br />
Seine Verletzungen beschränkten<br />
sich auf Blessuren<br />
und Prellungen, wenn er wieder<br />
einmal von einem zu hohen<br />
Baum gesprungen war oder die<br />
Breite eines Flussbetts unterschätzte,<br />
doch es verging keine Woche ohne Aufregung.<br />
Kaum war eine Wunde verarztet, heckte<br />
er neue Streiche aus und sein ansteckendes<br />
Lachen fehlte ihr schon jetzt.<br />
Sie seufzte und sah, während ihr Daumen heftig<br />
über den ledernen Einband des Buches rieb,<br />
wieder aus dem Fenster. Papa wählte das Buch,<br />
so wie er alles, was er begann, sorgfältig und<br />
konzentriert zu Ende führte. Sie war, bevor sie<br />
die erste Seite aufschlug, überzeugt, dass ihr die<br />
Geschichte Trost und Kraft spendete, um die<br />
Trennung auszuhalten. Sie hielt das Buch an die<br />
Nase, atmete den Duft des Leders ein und konservierte<br />
diesen Moment in ihrer Erinnerung.<br />
Das Buch wurde zu einer Brücke, die es ihr erlaubte,<br />
hinüberzugehen und ihrer Familie zu begegnen.<br />
Vielleicht war es nicht verkehrt, mit Marie<br />
nach Paris zu gehen, und wenn es ihr dort gar<br />
nicht gefiel, konnte sie immer noch zurück nach<br />
Le Plessis-Macé.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 22
!Maria Sassin<br />
Auszug aus: Japhet, Jahwe und die Flut<br />
SCHLIMME EREIGNISSE<br />
H<br />
inter einer dichten Hecke verborgen,<br />
beobachtete Japhet, wie der Vermummte<br />
die Ziegen mit duftenden<br />
Kräuterbündeln anlockte. Mit lautem Gemecker<br />
strömten die Tiere auf den Fremden zu. Der<br />
Mann streute langsam Kraut um Kraut auf die<br />
harte Erde, während er sich vor der Ziegenherde<br />
her von der Weide fort bewegte.<br />
„Schon wieder ein Diebstahl”, seufzte der<br />
Junge. „Und abermals habe ich mich nicht getraut<br />
einzuschreiten. Dabei hätte ich nur aus den<br />
Büschen kommen und laut schreien müssen,<br />
dann wären die Geißen dem Mann niemals gefolgt.<br />
Zu spät – weg sind sie.”<br />
Der Zehnjährige mit den schwarzen Haaren<br />
rieb sich den Arm mit der Narbe. Nicht immer<br />
war er so feige gewesen wie heute. Vor einigen<br />
Monaten, als eine Bande Jugendlicher ein Mädchen<br />
beschimpft und getreten hatte, war Japhet<br />
wie der Blitz unter sie gefahren und hatte wild<br />
um sich geschlagen, um die Angreifer zu zerstreuen.<br />
Zwar kam durch sein lautes Geschrei<br />
sein Vater herbei und verjagte die frechen Burschen,<br />
doch legten sich diese wenige Tage später<br />
auf die Lauer, als der Junge allein zum Brunnen<br />
ging, und schlugen ihn brutal zusammen. „Es<br />
wird auch immer schlimmer. Jeder achtet nur auf<br />
sich und keiner kümmert sich mehr um den<br />
Anderen”, seufzte die Mutter, als sie ihn verband,<br />
so gut sie konnte.<br />
Sie hatte zweifellos Recht – fast jeden Tag<br />
hörte man in der Stadt von Schlägereien, Diebstählen,<br />
Streit und sogar Mord. Es wurde immer<br />
schwerer, als gottesfürchtiger Mann hier zu leben,<br />
sagte Vater Noah wieder und wieder.<br />
„Eines Tages, Japhet, wird das alles anders”,<br />
versuchte er den arg zerschundenen Sohn zu<br />
trösten. „Irgendwann wird Jahwe dafür sorgen,<br />
dass dieses Unrecht aufhört!”<br />
„Abba hat gut reden”, stöhnte Japhet. „Ihn<br />
achten die Leute und bisher hat ihm keiner ein<br />
Leid angetan!”<br />
Er rieb sich die schmerzende Narbe. Dann<br />
schlich er aus den Büschen zurück zur Straße, die<br />
zu seinem Heim führte.<br />
Auf dem großen Platz in der Mitte der Stadt<br />
war Markttag. Frauen versuchten, die Erträge<br />
ihrer Gärten gegen Fleisch oder Haushaltsgegenstände<br />
zu tauschen. Stoffhändler breiteten ihre<br />
leuchtende Ware aus. Es roch gut nach Gewürzen<br />
und frischen Früchten.<br />
Japhet spürte, dass sein Magen sich vor Hunger<br />
zusammenzog. Die Mittagsstunde war längst<br />
überschritten, und da der Junge sich nicht früher<br />
aus seinem Versteck getraut hatte, musste er ohne<br />
Essen auskommen.<br />
„Das wäre ja noch schöner, wenn hier jeder<br />
käme, wie er will”, sagte seine Mutter streng,<br />
wenn eins der fünf Kinder die Essenszeit nicht<br />
einhielt.<br />
Wie gut das Obst duftete! Japhet lief schnüffelnd<br />
auf einen der Stände zu. Wie meistens hatte er<br />
keine noch so kleine Münze in der Tasche, um<br />
sich ein paar Bissen zu kaufen. Weil er seit einiger<br />
Zeit so rasch wuchs, war er ständig hungrig.<br />
Da – ein großer Junge rannte in vollem Lauf<br />
auf einen der Stände zu und krachte mit seinem<br />
ganzen Gewicht in die Obstpyramide. Datteln,<br />
Orangen und Äpfel kullerten zu Boden, verstreuten<br />
sich im Umkreis des Tischchens. Aus<br />
dem Nichts strömten zerlumpte Jugendliche herbei,<br />
stopften sich die Taschen voll und verschwanden<br />
wie der Blitz zwischen den Marktbuden.<br />
Zwei leuchtende Orangen rollten unter<br />
einen Tisch neben Japhet. Der Junge bückte sich<br />
hungrig, um sich die Früchte zu holen.<br />
Wie gut sie ihm schmecken würden!<br />
„Halt, Japhet”, hörte er plötzlich eine sehr<br />
ernste Stimme. „Du bist hungrig, ja, aber die<br />
Orangen gehören der alten Martha. Du kannst sie<br />
nicht einfach nehmen!”<br />
Japhet schrak zusammen. Wer hatte ihn gemahnt,<br />
seine Gedanken gelesen? War etwa der<br />
Vater auf dem Markt? Der Junge schaute sich<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 23
um. Niemand war zu sehen, der so hätte sprechen<br />
können.<br />
Leute hasteten vorbei. Die alte Marktfrau versuchte<br />
weinend, den Rest ihrer Früchte wieder<br />
aufzubauen. Wenn sie nicht genug verkaufte,<br />
mussten ihre Enkel heute wieder einmal hungrig<br />
zu Bett gehen. Die verlorene Ware würde sie zudem<br />
dem Obstbauern, von dessen Bäumen sie<br />
stammte, ersetzen müssen.<br />
Still griff Japhet nach den Orangen und<br />
brachte sie zu der Händlerin.<br />
„Hier, Martha, die habe ich gerettet”, sagte er<br />
freundlich.<br />
„Gott segne dich. Du bist ein guter Junge”,<br />
antwortete die Alte leise. „Sieh her, hier sind<br />
einige zerdrückte Feigen. Nimm sie ruhig – die<br />
will keiner mehr kaufen. Ich weiß doch, dass ihr<br />
Burschen ständig hungrig seid! Ach, die Zustände<br />
werden aber auch immer schlimmer. Das ist<br />
schon das dritte Mal in diesem Monat, dass man<br />
mich so bestiehlt. Wenn es so weiter geht, kann<br />
ich den Bettelstab nehmen und über das Land<br />
ziehen ...” Martha weinte wieder. Japhet wusste<br />
nicht, was er sagen sollte, dankte für die Früchte<br />
und machte sich kauend auf den Heimweg.<br />
Daheim fand der Junge den Vater in einer Ecke<br />
der Hütte vor. Das wunderte ihn nicht, denn oft<br />
verzog sich der alte Noah, um vor seinem kleinen<br />
Altar Gott anzubeten. Die Nachbarn verlachten<br />
ihn häufig wegen dieser seltsamen Angewohnheit.<br />
Ihre Götter waren anders, sie verlangten<br />
rauschende Feste und zahlreiche Menschenopfer.<br />
Noahs Gott war ihnen zu langweilig. Und<br />
auch zu streng – keiner hatte mehr Interesse<br />
daran, irgendwelche Gebote zu halten. Die Menschen<br />
genossen es, stets das zu tun, worauf sie<br />
Lust hatten, ohne darauf zu achten, ob es Anderen<br />
schadete.<br />
„Hallo, Vater”, sagte Japhet, als er tiefer in die<br />
Hütte ging.<br />
„Oh, Japhet. Du bist spät dran. Hast du gegessen?”<br />
„Ja, die alte Martha gab mir ein paar Feigen,<br />
die völlig zerquetscht waren.”<br />
Aufgeregt begann der Junge, seinem Vater alles<br />
zu erzählen, was er an diesem Morgen erlebt<br />
hatte.<br />
Noah runzelte die Stirn. „Es ist unglaublich,<br />
was diese Burschen sich herausnehmen! Man ist<br />
ja seines Lebens hier nicht mehr sicher. Hast du<br />
Wasser geholt?”<br />
Japhet wurde rot. Über all den Ereignissen<br />
hatte er seine Pflicht völlig vergessen.<br />
„Nein, Vater. Aber ich gehe sofort, damit wir<br />
heute Abend genug zu trinken haben. Wo ist<br />
Mama denn?”<br />
„Sie ist in die Hügel gegangen, um Kraut für<br />
die Suppe zu sammeln. Wahrscheinlich kommt<br />
sie bald zurück. Also beeile dich mit dem Wasserholen,<br />
damit sie mit dem Kochen beginnen<br />
kann!”<br />
Japhet verließ die Hütte und bückte sich, um<br />
die Eimer aufzuheben, die neben dem Eingang<br />
standen.<br />
Wütend schrie er auf: „Guck mal, Abba! Da<br />
hat jemand den Boden herausgebrochen! Wie soll<br />
ich denn damit zum Brunnen gehen?”<br />
„Ach, diese unnütze Zerstörungswut”, seufzte<br />
Noah. „Was soll das nur? Lauf zum Nachbarn,<br />
Kleiner, und leih dir ein Gefäß. Sonst musst du ja<br />
zweimal gehen, und der Weg ist weit!”<br />
Noch bevor Japhet gehorchen konnte, kam weinend<br />
seine Schwester Mara angerannt. Mit Sina,<br />
der Frau seines ältesten Bruders Sem, hatte sie<br />
die Schafe auf einem nahen Hügel gehütet.<br />
„Räuber”, schrie sie mit tränenüberströmtem<br />
Gesicht. „Sie haben uns geschlagen und sind mit<br />
der Hälfte der Herde verschwunden, bevor wir<br />
es geschafft haben, Hilfe herbeizurufen! Ein paar<br />
Tiere haben Cham und Sem den Dieben noch<br />
wieder abgejagt! Der Rest ist verloren.”<br />
„Das ist schlimm, sehr schlimm. Nun wird<br />
schon meine eigene Familie angegriffen. Dabei<br />
kennen mich die Leute doch als gerechten und<br />
gottesfürchtigen Mann. Wie oft sind sie zu mir<br />
gekommen, um Rat zu erbitten! Immer wieder<br />
habe ich den Armen von unserem Essen gegeben.<br />
Fast die Hälfte der Wolle bekamen die Bettler,<br />
damit sie sich kleiden können! Und jetzt? Noch<br />
nie vorher ist so etwas geschehen. Weine nicht,<br />
Tochter. Die Menschen sind böse geworden. Wie<br />
lange kann Gott das noch ertragen?”<br />
Kopfschüttelnd verzog der Mann sich wieder<br />
in seine Andachtsecke, um mit Jahwe zu beratschlagen,<br />
was zu tun sei.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 24
Jutta Miller-Waldner<br />
KARTOFFELSALAT MIT BULETTEN<br />
J<br />
eden Sonntag fuhren wir, wenn das Wetter<br />
einigermaßen schön war, mit Decken, Badezeugs<br />
und Gläsern mit Kartoffelsalat und<br />
Tüten mit Buletten bepackt mit der S-Bahn ins<br />
Grüne. Wir, das waren meine Eltern, mein Bruder<br />
und ich. Manchmal fuhren wir zum Müggelsee<br />
oder an die Spree, aber meistens ging es nach<br />
Grünau in das Strandbad. Wir sind ins Wasser<br />
gegangen, ich habe geflippert oder auch geschaukelt,<br />
dass ich fast in den Himmel flog, aber ich<br />
flog doch nie.<br />
Und dann lag ich auf meiner Decke, schaute<br />
den weißen Wolken nach, und sie wurden Burgen,<br />
und ich war das Burgfräulein im finsteren<br />
Verließ mit ekligen Ratten, und ein Ritter kam<br />
und wollte mich befreien. Aber stattdessen<br />
spritzte mich mein Bruder nass. Ich hörte die<br />
Äppelkähne tuckern und stellte mir vor, wie ich<br />
auf solch einem Kahn wohnen würde, Tag für<br />
Tag unterwegs, immer woanders und immer auf<br />
dem Wasser. Ich würde fremde Städte sehen und<br />
fremde Menschen mit schwarzen, gelben oder<br />
roten Gesichtern und vielleicht auch mal eine<br />
Giraffe oder einen Elefanten. Und dann würde<br />
ich unter Brücken hindurch schippern, und<br />
Kinder würden auf mich herunterspucken. Das<br />
fand ich nicht so gut.<br />
Ich beschloss, nicht auf solch einem Dampfer<br />
zu leben und ein bisschen schwimmen zu gehen.<br />
Vielleicht würde ich ja irgendwann so schnell<br />
kraulen, dass ich Olympiasiegerin werden würde<br />
oder zumindest Weltmeisterin, und alle würden<br />
mir zujubeln und „Das hast du gut gemacht,<br />
Bine”, rufen, und ich würde ganz lässig in die<br />
Menge gucken und in die Fernsehkameras winken.<br />
Aber dann bekam ich einen Krampf in der<br />
rechten Wade und humpelte zurück auf meine<br />
Decke. Das war also auch nichts.<br />
Ich schloss die Augen und hörte die Wellen<br />
plätschern und die Kinder kreischen und die<br />
Alten quatschen, und alles schien so weit weg.<br />
Und wenn ich blinzelte, sah ich die Kiefern über<br />
mir in den unwahrscheinlich blauen Himmel<br />
ragen, und dann wieder wurde ich bepudert mit<br />
Sand und nassgespritzt von den Kindern, die<br />
mitten zwischen den Decken tobten. Aber ich<br />
war viel zu faul, um zu meckern. Doch schließlich<br />
grummelte mein Magen, und ich klopfte<br />
darauf und sagte, nun sei mal stille, aber das<br />
nützte nichts, und dann, ja dann kitzelte der Duft<br />
nach Kartoffelsalat in meiner Nase, und ich war<br />
hellwach. Nie wieder hat mir etwas so gut geschmeckt<br />
wie Kartoffelsalat, angemacht mit Öl,<br />
Essig und Brühe und vielen, vielen klein<br />
geschnittenen Zwiebeln, angewärmt in der märkischen<br />
Sonne, gegessen unter märkischen Kiefern,<br />
wo ich beim Kauen fast den Sand zwischen<br />
den Zähnen knirschen hörte, und dazu eine kalte<br />
Bulette mit Senf. Denn der Duft von dem Salat,<br />
das war der Duft nach Sonntag, und die Buletten<br />
dufteten nach Zeit, genug Zeit, so viel Zeit, die<br />
ich hatte, unglaublich viel Zeit.<br />
Wenn dann die Sonne tiefer sank und immer<br />
röter wurde und die Havel sich nachmittäglich<br />
färbte, wurde ich energisch von meinen Eltern<br />
aus meinem Frieden gerissen. Wir packten die<br />
leeren Kartoffelsalatgläser ein für das nächste<br />
Mal, und ich leckte die letzten Bulettenkrümel<br />
vom Pergamentpapier und knüllte es zusammen<br />
und schmiss es in den Abfallkorb, den mindestens<br />
tausend Wespen umsurrten, und ich rannte<br />
ganz schnell weg. Mein Bruder und ich schüttelten<br />
die Decken aus, dass den anderen der Sand<br />
um die Ohren flog und meine Mutter schimpfte.<br />
Aber wir lachten und schmissen uns in den Sand<br />
und beschmissen uns mit Sand, bis uns mein<br />
Vater energisch auseinander riss und uns eine<br />
Ohrfeige gab, so dass wir erst einmal heulten.<br />
Aber dann zog ich doch mein Kleid über und<br />
brüllte „Aua!”, weil der Stoff auf meinem Sonnenbrand<br />
scheuerte. Die Schuhe drückten vom<br />
Sand, der immer wieder hineinfiel, so dass ich<br />
dauernd stehenbleiben musste, um sie auszuschütteln,<br />
bis ich barfuß ging mit den Schuhen in<br />
der Hand und hopste, weil die Steinchen auf<br />
dem Weg fürchterlich piekten.<br />
Und so machten wir uns allesamt schwerbepackt<br />
und müde von der Luft und von der Sonne<br />
auf den Heimweg, auf den Massenheimweg.<br />
Und warteten auf die S-Bahn und quetschten uns<br />
in die Wagons und näherten uns der stickigheißen<br />
Stadt.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 25
Und ich war wieder in meiner Kammer und<br />
guckte wieder auf die trostlose Fassade vom<br />
Haus gegenüber, an dem die Farbe abblätterte,<br />
und auf den Hof, wo ein verkrüppeltes Bäumchen<br />
mühsam seine Zweige dem Licht entgegenstreckte.<br />
Und wo manchmal eine Amsel sang<br />
voller Lebenslust und Freude, aber wir fühlten<br />
uns glatt belästigt von ihrem Geschrei. Ich packte<br />
das Badezeug aus, und ein bisschen Sand staubte<br />
auf den Boden, und das Kartoffelsalatglas roch<br />
nach Zeit und Freiheit, aber ich war wieder<br />
gefangen in einszwanzig mal vier Quadratmetern.<br />
Ich hörte das Gekeife der Portierschen auf<br />
dem Hof und Mimi von nebenan eine Arie aus<br />
La Bohème schmettern. Jemand hämmerte, und<br />
über mir klackerten die Absätze von Fräulein<br />
Krause.<br />
Es war Zeit, Schularbeiten zu machen, ein<br />
paar Stullen zu schmieren, ins Bett zu gehen. Ich<br />
schlug das Aufsatzheft auf, schraubte die Kappe<br />
von meinem Füller ab, knabberte ein bisschen an<br />
meinem Zopf und fing an zu schreiben: Kartoffelsalat<br />
mit Buletten.<br />
(Eine der Siegergeschichten des Schreibwettbewerbs<br />
von Buchjournal und Books on Demand 2006 zum<br />
Thema Heimat; abgedruckt in Von ferne gesehen: Heimatgeschichten)<br />
Ernst-Edmund Keil<br />
DER KRIEG DER TÖPFE<br />
T<br />
opf ist nicht gleich Topf, doch haben meine<br />
Töpfe, aus welchem Material sie immer<br />
geformt, gewalzt, gehämmert und geschmiedet<br />
sind, eines gemeinsam, sie brennen<br />
alle an, und zwar so, dass sie oft, auch unter<br />
schweißtreibendem Einsatz von Metallschwämmen<br />
und Eisenspänen, nicht mehr zu retten sind<br />
und ich mich von ihnen trennen muss, weshalb<br />
ihrer, die mir entweder vererbt und geschenkt<br />
wurden, immer weniger werden.<br />
Nun ist das vielleicht nicht so tragisch, weil<br />
ich allein mit ihnen bin, seit ich geschieden<br />
wurde und meine Kinder eigene Töpfe und<br />
Kümmernisse haben. Seither bin ich, nicht ungern,<br />
mein eigener Koch, und was meine männlichen<br />
Kochkünste anbetrifft, so kann ich mir getrost<br />
auf die Schulter klopfen. Ich habe große<br />
Vorbilder, vergangene und gegenwärtige, und<br />
die sind ausnahmslos meines Geschlechts. Das<br />
sollte mich ermutigen, trotz gewisser Widerstände,<br />
die meine mir verbliebenen Töpfe meinen<br />
Künsten entgegenstellen, den täglichen Kampf<br />
am Kochherd weiter zu führen. Man kann an Widerständen<br />
ja eigentlich nur wachsen. Nachdem<br />
ich ja auch ein Künstler bin, wenn auch keiner<br />
vom Schlage eines Bocuse oder Lafers oder wie<br />
diese Hochmeister des Kochlöffels auch immer<br />
heißen, fühle ich mich manchmal am heimischen<br />
Kochherd geradezu kreativ. Ich bilde mir jedenfalls<br />
ein, dass das, was ich da, gut gewürzt, hin<br />
und wieder zusammenbraue, auch schmeckt, wenigstens<br />
mir, doch wohl nur mir, fürchte ich.<br />
Denn meine Freunde, und das fällt sogar mir auf,<br />
bringen entweder etwas zum Essen mit, belegte<br />
Brötchen, Laugenbretzel, Teilchen, von denen sie<br />
mir mitleidig anbieten, oder sie bestehen hartnäckig<br />
darauf, mich auszuführen. Wahrscheinlich<br />
riecht es in meiner Küche in der Regel nach Angebranntem<br />
zum Beispiel oder es sieht darin so<br />
chaotisch aus, dass sie die Hygiene meiner Speisen<br />
ernstlich in Zweifel ziehen.<br />
Eine besonders barmherzige Seele hat mir<br />
jüngst zum Geburtstag eine Spülmaschine geschenkt,<br />
die ich selten fülle und selten leere, weil<br />
ich kein Maschinenfreak bin und lieber vor der<br />
industriellen Revolution auf die Welt gekommen<br />
wäre. Wenn man sich das aussuchen könnte,<br />
kann man aber nicht. Ich bin, so gesehen, eine<br />
unzeitgemäße und schwierige Erscheinung, die<br />
sich der veränderten Umwelt nicht anzupassen<br />
vermag. Während Herr Lafers zum Beispiel immer<br />
freundlich grinsend und stundenlang mit<br />
einem Holzlöffel in seinem bayrischen Süppchen<br />
herumrührt und diese rührenden Vorgänge auch<br />
noch jovial-bajuwarisch kommentiert, werde ich,<br />
sobald ich den Löffel in meine diätetischen Breichen<br />
versenkt habe, von Einfällen geradezu überfallen,<br />
die jedoch mit Gastronomie wenig oder<br />
gar nichts zu tun haben. Im Gegenteil, ich lasse,<br />
heimgesucht von meinen Geistesblitzen, den<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 26
Löffel fallen, renne über den langen Flur in mein<br />
mit Büchern voll gestopftes Arbeitszimmer, mein<br />
Atelier, und setze mich an den Schreibtisch.<br />
Denn ich gehöre, und das muss seit Kindheit in<br />
meinen Genen geschlummert haben, zu den berufsmäßigen<br />
Schreiberlingen, denen das, was sie<br />
auf das geduldige Papier werfen oder in den alles<br />
verschlingenden PC hineinhämmern, sogar<br />
veröffentlicht, ja gelegentlich auch mit literarischen<br />
Preisen bedacht wird. Der Computer ist<br />
übrigens die einzige Maschine, mit der ich mich<br />
ein wenig vertraut gemacht habe, obwohl auch<br />
diese ihren eigenen Kopf hat, der mich immer<br />
wieder höllisch nervt, weil ich ihre Widerspenstigkeit<br />
oft nur unter heißen Tränen bändigen<br />
oder zähmen kann, als wäre sie meine fleischgewordene<br />
und launische Geliebte.<br />
Und da sitze ich also, mangels einer Sekretärin,<br />
an meinem Sekretär und dichte, wild verzückt<br />
und in heiliger Trance, was das Zeug hält,<br />
bis dicke und übel riechende Rauchschwaden<br />
durch den Korridor ziehen und, ohne zu fragen,<br />
in meine halbgeöffnete Schreib-Werkstatt eindringen,<br />
dass ich mit tränenden Augen aufspringe<br />
wie aus tiefem Schlummer und in die<br />
Küche stürze, um zu retten, was oft nicht mehr<br />
zu retten ist. Aber es gibt ja immer noch einen<br />
Apfel, eine Birne oder Banane, einen kleinen<br />
Joghurt oder Quark, um den ersten Hungerstich<br />
zu stillen.<br />
Nun, nachdem die Töpfe nicht mehr zu reinigen<br />
waren oder ihrer Böden, wegen Überhitzung,<br />
verlustig gingen, hat man mir die Benutzung<br />
dieser Alu-Töpfe ans Herz gelegt, die, weil<br />
teflonbeschichtet, nicht mehr anbrennen sollen,<br />
auch, weil aus einem Guss, keine angeschweißten<br />
Böden mehr hätten. Also bin ich mit meiner<br />
Metrokarte, die ich meinem kreativen Schreibbüro<br />
verdanke, in die nächste Metro und habe<br />
gleich zwei dieser warm empfohlenen Töpfe gegen<br />
Bares erworben.<br />
Ach, hätte ich nur nicht auf diese wohlgemeinten<br />
Ratschläge gehört! Mit diesen Alu-Töpfen<br />
beginnt der unaufhaltsame Niedergang meiner,<br />
ohnehin dilletantischen, Kochkünste. Denn,<br />
obwohl teflonbeschichtet, brannten nach wie vor<br />
die selbst verfertigten Speisen an (die Musen<br />
hörten nicht auf, mich zu küssen und aus der<br />
Küche zu vertreiben), und zwar dergestalt, dass<br />
sie sich reinlich sauber ablösten vom beschichteten<br />
Boden, aber mitsamt der stark verkohlten<br />
Kruste, die nicht hängen blieb wie bisher, sondern<br />
sich mit der übrigen Speise unlöslich vermischte.<br />
Mit dem Ergebnis, dass ich nachts nicht<br />
mehr vom Zucker träumte, der mich plagte, sondern<br />
vom Magenkrebs, der mich, weil unheilbar,<br />
binnen kurzem ins Jenseits beförderte. Wenn ich<br />
morgens aufwachte, wähnte ich mich schon im<br />
Paradies, obwohl mir trotz intensiver Suche<br />
unter Tischen, Stühlen und Betten, hinter Schränken<br />
und unter Kommoden kein einziger dieser<br />
Engel begegnete, der mich, wie im Koran versprochen,<br />
maßlos hätte in Sachen Erotika verwöhnen<br />
können. Ich war bitter enttäuscht.<br />
Aber was viel schlimmer war und eher an die<br />
Hölle erinnerte und letztlich zu einer sehr<br />
schmerzlichen Trennung von besagten Töpfen<br />
führte: Diese Quälgeister, weil aus einem Guss,<br />
erhitzten sich dergestalt, und zwar einschließlich<br />
der dazugehörigen Henkel, dass ich, eilig und<br />
spontan, wie ich nun einmal war, mir der Reihe<br />
nach sämtliche Finger der rechten und linken<br />
Hand verbrannte, dass ich erst mit silberweißen,<br />
später blutunterlaufenen Brandblasen fluchend<br />
durch mein Wohn-Revier lief, bis nichts mehr<br />
ging, nicht einmal mit dem kleinen Finger, weil<br />
die Zahl der menschlichen Extremitäten seit<br />
Adam und Eva konstant geblieben ist und die<br />
Haut an den Fingerkuppen eher zart, dünn und<br />
unbehaart ist, was uns wiederum von den Affen,<br />
mit denen wir manchmal verglichen oder verwechselt<br />
werden, eklatant unterschied.<br />
Als verbranntes Kind landete ich schließlich<br />
beim Arzt, meinem Freund und Helfer in allen<br />
Lebens- und Leidenslagen, der sich allerdings<br />
weniger um meine Blasen als um meinen Zucker<br />
kümmerte und bekümmerte und mich unverzüglich,<br />
da ich seine Dienste längere Zeit nicht in<br />
Anspruch genommen hatte, ins Keller-Labor<br />
schickte und folgenden Tages, ob der erzielten<br />
Ergebnisse, seine fachärztliche Stirn in besorgte<br />
und besorgniserregende Falten legte. Es sah nicht<br />
gut aus. Meine Blutwerte, so klagte er, seien alarmierend.<br />
Abgenommen hätte ich, mit Blick auf<br />
meinen schwangeren Bauch, wohl auch nicht,<br />
Was ich denn so äße? Worauf ich mit der Schulter<br />
zuckte und mit Selbstbedauern wehleidig auf<br />
meine Blasen verwies.<br />
„Sehen Sie nur.”<br />
Schrecklich, fand mein weiß bekitteltes Gegenüber<br />
und schüttelte unwirsch sein weißhaariges<br />
Haupt. Das müsse sich grundlegend än-<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 27
dern. So ginge es nicht weiter. Hier müssten drakonische<br />
Maßnahmen ergriffen werden.<br />
„Sie essen”, entschied er schließlich und<br />
machte eine entsprechende Notiz, obwohl nur<br />
ein ambulanter Patient, „ab morgen in der Kantine<br />
meiner Klinik. Diät, Hören Sie, Diät. Und<br />
zwar lebenslänglich.”<br />
Stand ich vor dem letzten Gericht und war<br />
ich zu ewiger Gefängnisstrafe verurteilt? Der<br />
Mann im weißen Kittel konnte, obwohl Freund<br />
und Helfer, einem richtig Angst machen, dass<br />
einem Hören und Sehen verging. Aber ich konnte<br />
ihn nicht aus seiner hippokratischen Verantwortung<br />
entlassen, musste gehorchen und hinunter<br />
schlucken, was er mir immer auferlegte.<br />
Lebenslänglich.<br />
Doch als ich mich anderntags von meiner<br />
Junggesellenküche verabschiedete, nicht ganz<br />
ohne Bedauern, trotz allem, und mich, gegen<br />
meine Essgewohnheiten, pünktlich zwölf Uhr in<br />
der benachbarten Klinik und in dem neben der<br />
Rezeption befindlichen Speisesälchen einfand,<br />
war ich nicht wenig überrascht. Ich wurde, ohne<br />
Aufpasser, an einen freien Tisch gesetzt unter unvergitterte<br />
Fenster, durch die hindurch man ins<br />
frühlingshafte Grüne sah, und wurde freundlichst<br />
bedient mit Vor- und Nachspeise und<br />
einem Essen aus gediegener, rheinischer Küche.<br />
Der Koch war offensichtlich eine Köchin, und es<br />
gab recht deftige Hausmannskost, Griesklößchen<br />
oder Spargelcreme-Suppe als Vorspeise, dazu<br />
eine gute Portion Kopfsalat, als Hauptgericht<br />
wurde mir Rostbraten, Brat- oder Mettwurst oder<br />
gefillter Fisch serviert mit frischen Kartoffeln und<br />
diversen Gemüsen, alles in cremiger Bechamelsoße,<br />
reichlich, reichlich, und am Ende gab es erst<br />
einen Pudding mit Sahnehäubchen und obendrein<br />
einen Kaffee mit Milch und Süßstoff. Ich<br />
ließ es mir schmecken und wischte mir behaglich<br />
das Maul mit einer Serviette. Wie im Hotel,<br />
dachte ich. So konnte es weiter gehen.<br />
Obwohl, ich gebe es zu, mich auf dem Nachhauseweg<br />
gewisse Bedenken beschlichen, ob<br />
mein Freund und Helfer wusste, was in seiner<br />
Küche vorging beziehungsweise im Hirn seiner<br />
rheinischen Köchin oder ob diese überhaupt ahnte,<br />
wie man mit übergewichtigen Diabetikern<br />
gastronomisch umzugehen habe? Offensichtlich<br />
dachte sie, dass ich ohne Zucker von allen Teufeln<br />
befreit war, was ein schlimmer Irrtum ist,<br />
denn die Fette in Fleisch und Soßen könnten, wie<br />
schon einmal gehabt, wieder meinen Herzarterien<br />
zusetzen und mich an den Rand des letalen<br />
Zusammenbruchs bringen. Gut, einmal musste<br />
in meinem hohen Alter gestorben werden,<br />
doch statt in der Klinik nach Genuss einer fetten,<br />
dicken rheinischen Bratwurst zu enden, hätte ich<br />
es vorgezogen, im Arm einer jungen und schlanken<br />
Geliebten mein Leben auszuhauchen. Aber<br />
danach fragte hier niemand. Leider.<br />
Amos Ruwwe<br />
BEGEGNUNG MIT GOTT<br />
D<br />
ie Tage werden länger. Es wird bald<br />
Frühling. Heilfasten ist angesagt. Der<br />
Winterspeck muss weg, spätestens im<br />
Freibad muss die Figur wieder sitzen. Beim letzten<br />
Heilfasten kam mir der Gedanke, dass Gott<br />
mit seiner Fastenzeit von vierzig Tagen – und das<br />
auch noch in der Wüste – mir gegenüber einen<br />
enormen Wissensvorsprung hat. Seine Fastenzeit<br />
endete bekanntlich in Jerusalem, bei mir ging das<br />
Fasten nur in einen geregelten Tagesablauf über.<br />
Jedenfalls kam mir beim Fasten der Gedanke,<br />
wie viel Zeit der Mensch mit der Nahrungsaufnahme<br />
verbringt. Wenn ich einmal Gott begegnen<br />
sollte und wir in ein unterhaltsames Gespräch<br />
kämen, würde ich ihm gern einige Veränderungen<br />
vorschlagen. Enorme Zeiteinsparungen<br />
wären möglich, wenn die gesamte Nahrungsaufnahme<br />
ersatzlos gestrichen würde. Einkaufen,<br />
kochen, verdauen und alle anderen Tätigkeiten<br />
fielen dann weg und das Glücksgefühl<br />
des Heilfastens wäre allgegenwärtig<br />
„Mücken und Fliegen”, so könnte ich fortfahren,<br />
„werden von uns Menschen nicht unbedingt<br />
als Bereicherung der Natur angesehen, sondern<br />
eher als Plage”. Gott könnte einwenden, das käme<br />
auf die Sichtweise an. „Aber darüber reden<br />
können wir doch mal”, würde ich nachhaken.<br />
Geduldig wie er ist, nickt er dann bestimmt zu-<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 28
stimmend. Vielleicht, so fahre ich fort, sei es ihm<br />
ja möglich, mit einem Augenzwinkern oder einer<br />
anderen kleinen Geste Mücken und Fliegen einfach<br />
verschwinden zu lassen. Erfolgreiches Jagen<br />
zeichnet sich dann nicht mehr durch einen Blutfleck<br />
auf der weißen Raufasertapete ab. Die Ehefrau,<br />
wahlweise auch der Ehemann, schimpft<br />
zuerst über die summenden Mücken, später über<br />
den Fleck an der Wand. Streit ist da oft näher als<br />
eine gemütliche Nachtruhe.<br />
Einen letzten Änderungsgedanken möchte ich<br />
ihm dann auch noch vorstellen: Es geht um das<br />
Schlafen. Stunden verschlafen wir Menschen.<br />
Fliegen und Mücken, das Essen und Schlafen, alles<br />
ersatzlos gestrichen – und wir hätten eine<br />
Menge Zeit mehr. Nie wieder mit der Fliegenklatsche<br />
bewaffnet schlaftrunken in lauen Sommernächten<br />
durch die Betten den Mücken nachstellen.<br />
Nahrung und Fliegen haben ebenfalls ein besonders<br />
Verhältnis zueinander. Ist die Nahrungsaufnahme<br />
gestrichen, schlägt man sozusagen<br />
mehrere Fliegen mit einem Streich.<br />
Nun warte ich aber erst einmal eine Begegnung<br />
mit Gott ab. So wie ich ihn bisher kennen<br />
gelernt habe, wird er mir geduldig zuhören,<br />
schließlich lächeln und nichts zu meinen Gedanken<br />
sagen. Er wird sich schon seine eigenen Gedanken<br />
dazu machen. Und ich? Jetzt, beim Mittagessen,<br />
die Fliegenklatsche neben mir, fünfundzwanzig<br />
Grad im Schatten, freue ich mich auf<br />
meinen Mittagsschlaf, und es kommen mir schon<br />
die ersten Zweifel, ob ich bei einer Begegnung<br />
mit Gott nicht lieber ein anderes Thema wählen<br />
sollte.<br />
Willy Hänscheid<br />
WIR LASSEN UNS LIFTEN<br />
I<br />
ch stand vor dem Spiegel. Mein Aussehen<br />
gefiel mir überhaupt nicht mehr.<br />
„Das ist dein Alter”, sagte meine Frau und<br />
schaute ebenfalls prüfend in den Spiegel.<br />
„Dir kann nur noch einer helfen.”<br />
„Und wer?”<br />
„Der Schönheitschirurg”, sagte meine Frau.<br />
„Ach ja?”<br />
„Das Gesicht liften, den Bauchspeck absaugen<br />
...”<br />
„Und Silikon”, unterbrach ich sie.<br />
„Was willst du mit Silikon? Schließlich hast<br />
du keine Brüste.”<br />
Sie betrachtete mich wie ein Schneider beim<br />
Aufmaß für einen neuen Anzug.<br />
„Obwohl ...”<br />
„Obwohl was?”<br />
„Dein Busen ist auch nicht zu verachten.”<br />
„Das sind Muskeln”, stellte ich entrüstet klar.<br />
Sie war da ganz anderer Ansicht und hielt mir<br />
einen Vortrag über Fettpolster. Etwas später hielt<br />
sie mir ein Blatt Papier unter die Nase.<br />
„Was ist das?”<br />
„Das Prospekt eines Schönheitschirurgen.”<br />
„Und was soll ich damit?”<br />
„Anschauen”, sagte meine Frau. „Sieh hier<br />
dieses Gesicht! Das ist vorher und das ist nachher.”<br />
Das erste Bild zeigte ein ziemlich zerfurchtes<br />
Gesicht. Auf dem zweiten Bild war kaum noch<br />
eine Falte zu erkennen.<br />
„Das ist ein gewaltiger Beschiss”, sagte ich.<br />
„Und wieso?”<br />
„Hier dieses faltenlose Gesicht ...”<br />
„Ja?”<br />
„Du willst mir doch nicht sagen, dass es die<br />
selbe Person ist.”<br />
„Aber ganz sicher”, meinte sie bestimmt. „Die<br />
Haut wird gerafft.”<br />
„Ach!”<br />
„Man löst die Haut und zieht sie nach oben,<br />
bis alles ganz glatt und straff ist.”<br />
„Und was ist dann mit den Ohren?”<br />
„Die werden wieder neu eingepasst.”<br />
„Was du nicht sagst!”<br />
Ich betrachtete wieder eingehend das Bild.<br />
„Man kann es auch ausfüttern”, sagte meine<br />
Frau.<br />
„Mit Silikon?”<br />
„Nein, sicher nicht mit Silikon.”<br />
„Sondern?”<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 29
„Ich weiß es auch nicht so genau”, gab sie<br />
schließlich zu.<br />
Ich schaute sie an.<br />
„Und es sind doch zwei verschiedene Personen”,<br />
stellte ich nach einer Weile fest.<br />
„Wieso?”<br />
„Schau hier! Auf diesem Bild nach dem Liften<br />
hat die Person etwas am Kinn, was in dem runzeligen<br />
Gesicht offensichtlich fehlt.”<br />
Meine Frau betrachtete beide Bilder sehr genau<br />
und meinte: „Es könnte ein Grübchen sein.”<br />
„Das glaube ich nicht.”<br />
„Es sieht aber so aus.”<br />
„Und wenn schon.”<br />
Meine Frau ließ das Blatt sinken.<br />
„Was soll es denn sonst sein?”, fragte sie nach<br />
einer Weile ärgerlich.<br />
„Es wird der Bauchnabel sein”, sagte ich und<br />
verzog mich vorsichtshalber aus ihrer Reichweite.<br />
Kornelia Eleonore Hofmann<br />
MIT FÜNFZIG FÄNGT DAS LEBEN (NOCH MAL) AN<br />
– GEDANKEN ZUR LEBENSMITTE –<br />
Bevor wir recht wissen, was Leben heißt,<br />
ist es schon halb vorbei. (Englisches Sprichwort)<br />
S<br />
ollte man Schlagertexten glauben, fängt das<br />
Leben mit siebzehn oder sogar sechsundsechzig<br />
Jahren erst an. Das hängt wohl für<br />
jeden vom Standpunkt ab. Für meine Person<br />
hatte ich mir die Lebensmitte so um die Fünfzig<br />
ausgeguckt. Bis dahin, so glaubte ich, würde das<br />
Leben in geregelten Bahnen verlaufen, man etwas<br />
erreicht haben, die Kinder erwachsen und<br />
selbständig sein. Und dann, ja endlich dann,<br />
kann ich alles das machen, was ich schon immer<br />
tun wollte. Beruflich was Neues beginnen, meine<br />
Hobbys in den Mittelpunkt rücken, reisen und<br />
mich ausgiebig meinem Mann widmen.<br />
Obwohl, wenn ich so zurückdenke, erschienen<br />
mir in meiner Jugend die Frauen so um die<br />
Fünfzig nicht attraktiv. So wollte ich nie werden.<br />
Viele hatten damals den Charme einer Matrone,<br />
die meist grauen Haare zu einem Dutt hochgesteckt,<br />
und ihre oft unproportionierten Figuren<br />
waren in Kittelschürzen gehüllt.<br />
Sicher, die Frauen nach dem Krieg hatten andere<br />
Sorgen, waren froh, überlebt zu haben, und<br />
die Mühen des Alltags ließen es einfach nicht zu,<br />
an sich zu denken. Fitness und Wellness waren<br />
Fremdwörter.<br />
Nun gut, jetzt bin ich fünfzig. Welche soll die<br />
erste große Veränderung sein? Fitness natürlich,<br />
um die neugesteckten Aufgaben gut zu schaffen.<br />
Obwohl, eigentlich müsste ich doch noch fit sein<br />
nach all den Jahren im Dauerlauf zwischen Job,<br />
Kindern, Hunden, Haus und Garten. Na ja, ein<br />
paar Übungen können nicht schaden. Früh am<br />
Morgen zwanzig Kniebeugen müssten der richtige<br />
Start in den Tag sein. Oh, nach Nummer fünf<br />
ein verdächtiges Knacken im Knie. Es wird doch<br />
nicht Arthrose ...? Aber nein. Sicherlich liegt es<br />
nur am Wetter, das mir manchmal etwas auf die<br />
Gelenke schlägt.<br />
Der ausgiebige Blick in den Spiegel lässt ein<br />
neues Aufgabengebiet erahnen. Das Lächeln<br />
vergeht mir. Ist auch besser so. Die Zähne sind<br />
nicht mehr so wie in der Zahnpasta-Werbung.<br />
Auch sind längst nicht mehr alle mein eigenen.<br />
Meine Zahnärztin verpasste mir eine Brücke.<br />
Von nun an schicke ich Stoßgebete in den Himmel,<br />
dass die verbliebenen mir erhalten bleiben.<br />
Hoffentlich kein frommer Wunsch.<br />
Mit den Fältchen geht es eigentlich. Na, wenigstens<br />
etwas. Bei genauerem Hinsehen muss<br />
ich leider feststellen, dass sie mit ein paar Kilo zu<br />
viel auf der Waage gut unterpolstert sind.<br />
Schon längst habe ich mein Wunschgewicht<br />
nach oben korrigiert. Ganz anders mein Mann. Er<br />
hat sein Normalgewicht gehalten. In seinem<br />
schwarzen Hochzeitsanzug sieht er noch tadellos<br />
aus, und das seit über dreißig Jahren. Eine Ungerechtigkeit!<br />
Dafür hat er aber graues Haar, und mein<br />
Haupt ziert noch die volle dunkle Lockenpracht.<br />
Hier und da blitzt mal ein silbernes Strähnchen.<br />
Aber man will ja nicht gleich kleinlich sein.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 30
Eine Diät? Sollte ich vielleicht mal fasten?<br />
Nein, so radikal sollen die Veränderungen nun<br />
doch nicht sein. Schließlich fehlt mir die Zeit, um<br />
die Kalorien zu zählen. Ich habe mir doch so viel<br />
vorgenommen. Endlich soll alles ganz anders<br />
werden. Ohne Stress und ohne Hektik.<br />
Mit Handy und Laptop bestückt gehe ich<br />
Schritte in die Selbständigkeit. Teile mir meine<br />
Sechzig-Stunden-Woche gut ein.<br />
Urlaub, Hobbys? Kommt später. Schließlich<br />
will ja das Rentnerdasein auch noch sinnvoll<br />
ausgefüllt sein.<br />
Karin Manke<br />
WARUM IMMER ICH?<br />
I<br />
n einem Brief schrieb die Freundin: „Weißt<br />
du, ich habe das Gefühl: Mareike gegen den<br />
Rest der Welt.” Diese Bemerkung, die wie<br />
eine Randbemerkung dahin gesagt sein sollte,<br />
klang lange in ihr nach. In der Nacht plötzlich<br />
aufgewacht, tauchte dieser Satz auf, manchmal<br />
auch am Tage, wenn Mareike nicht wahrhaben<br />
wollte, was alle sahen, dachten aber dann doch<br />
nicht äußerten.<br />
Mareike litt am Trotz, am Widerstand, an der<br />
Unfähigkeit ihrer Angst zu begegnen, an einer<br />
Form von Zerrissenheit, die wollte, aber nicht<br />
konnte, weil zwischen beidem die Unmöglichkeit<br />
lag, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Soweit<br />
war Mareike im Laufe ihres über fünfzigjährigen<br />
Lebens schon gekommen, das zu erkennen, wenn<br />
es ihr auch nicht gelang, dieses Wissen praktisch<br />
anwendend in ihr Leben einzubeziehen.<br />
Wie eine unanfechtbare Strategie hatte sich<br />
diese Lebensrichtlinie bis in ihre kleinsten Zellen<br />
eingenistet, und die übernahmen ganz selbständig<br />
die Regie, trat wieder einmal so ein Lebensfakt<br />
auf, in dem sie zu entscheiden hatte: zu<br />
kämpfen oder einfach nur anzunehmen und<br />
zuzulassen.<br />
Mareike konnte nicht akzeptieren, Mareike<br />
leistete immer Widerstand.<br />
Was Mareike nicht wollte, das tat sie auch nicht.<br />
Das nicht Wollen lag aber auch stets ganz dicht<br />
neben der Angst, wovor auch immer.<br />
„Du solltest dir einmal deine Ängste bewusst<br />
machen”, empfahl ihr die Freundin, die Heilpraktikerin<br />
für Psychotherapie war.<br />
Mareike verstand und nickt bestätigend, aber<br />
noch im gleichen Moment setzte sich erneut der<br />
Funke Widerstand in ihr in Bewegung und entflammte<br />
sie. Sie hörte sich von Innen heraus reden:<br />
„Ich geb doch nicht auf. Ich schaff das<br />
schon, auch ohne Hilfe.”<br />
Da konnte ihr die Freundin auch gleich noch<br />
das Spiegelgesetz erklären, Mareike verstand,<br />
aber noch im Verstehen widersetzte sie sich.<br />
Solchen Tagen folgte meist eine unruhige,<br />
schlaflose Nacht. Bilder aus der Kindheit tauchten<br />
wieder auf<br />
Da gab es einen Abend, als sie mit der Mutter<br />
allein zu Hause waren. Mit ihrem jüngeren Bruder<br />
spielte sie am großen Tisch im Wohnzimmer<br />
ein Kartenspiel. Das Abendessen lag bereits hinter<br />
ihnen, und die Geschwister wussten nicht,<br />
worauf sie noch warteten. Sonst hieß es doch<br />
immer gleich: „Ab ins Bett!”<br />
Von Mutter war auch nichts zu hören und zu<br />
sehen. Da ihr Lieblingsort, der auch ihr Rückzugsort<br />
war – aber das wusste Mareike erst viele<br />
Jahre später – die Küche war, spielte man eben<br />
noch weiter, zankte sich auch ein wenig und<br />
wechselte nach einer knappen Stunde zu Mensch<br />
ärgere dich nicht über.<br />
Die Stubenlampe mit den vier Armen hing<br />
hoch über der Tischplatte. Sie beleuchtete nur die<br />
Fläche des Tisches, die Wände ringsum versanken<br />
wie in ein Schattenspiel und warfen Spiegelbilder<br />
an die bunten Tapetenwände.<br />
Mitten im Ärgern, weil Mareike nun schon<br />
zum vierten Mal rausgeworfen wurde und mit<br />
ihrem Stein noch nicht eine komplette Runde geschafft<br />
hatte, hörten sie Lärm, der von der Straße<br />
kam. Rasch waren sie am großen Stubenfenster,<br />
vor der Gardine und Übergardine hingen. Daran<br />
etwas zu verändern war, ihnen seit Jahren eingetrichtert,<br />
streng verboten. Also gingen sie nach<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 31
nebenan ins Schlafzimmer der Eltern, deren<br />
Fenster auch auf der Straßenseite lagen.<br />
Da stand auch schon Mutter mahnend neben<br />
ihnen. „Beugt euch nicht zu weit raus!”<br />
Die Straße, die nach rechts und links einige<br />
Meter Einblick gewährte, machte ebenso beidseitig<br />
einen Knick. Den vermochte man nur einzusehen,<br />
wenn man mit dem Oberkörper sich hinauszulehnen<br />
versuchte und so mit der Balance im<br />
Zimmer zu bleiben bemüht war, um nicht herabzustürzen,<br />
dabei hin und her schwebend.<br />
Das Näherkommen der grölenden, singenden<br />
und fluchenden Stimme ließ die Geschwister<br />
endlich wieder in den Stand kommen, und ihre<br />
Füße ruhten sicher auf dem Boden des Schlafzimmers.<br />
Die Mutter stand im dunklen Zimmer hinter<br />
ihnen und ließ sich berichten. „Jetzt ist Vater<br />
an der Tür.”<br />
Nun trat wieder Ruhe auf der menschenleeren<br />
Straße ein, dafür aber schallte es im ganzen<br />
Treppenhaus. Die Nachbarn über und unter ihnen<br />
standen wohl ängstlich hinter den verschlossenen<br />
Wohnungstüren. Diese Szene kannten sie<br />
schon und auch die Wutausbrüche und brutalen<br />
Beschimpfungen, denen sie schon ausgesetzt waren,<br />
und so schwiegen sie lieber und erduldeten<br />
die spätabendliche Störung. Gleich musste der<br />
Mieter ja hinter der Wohnungstür verschwunden<br />
sein, und einigen tat vielleicht sogar die arme<br />
Frau leid.<br />
Mutter hatte die Korridortür weit geöffnet. Sie<br />
sagte nichts, sie stand nur da und erwartete den<br />
Vater, der sich mühsam die Treppen hinauf zog,<br />
während ihm eine gewaltige Alkoholfahne nachhing<br />
und für Sekunden in jeder Etage stehen<br />
blieb.<br />
Mareike und ihr Bruder, der nur ein Jahr jüngere,<br />
standen hinter der Mutter, ängstlich, aber<br />
doch auch neugierig, um nichts zu verpassen.<br />
Der Vater entdeckte sie und lallte fast liebevoll:<br />
„Ihr seid ja noch nicht im Bett”.<br />
Mutter half ihm aus der abgeschabten Lederjacke,<br />
die Mareike schnell am Vaterhaken in der<br />
Flurgarderobe aufhing.<br />
Der Bruder hatte eine Stuhl vom Tisch abgerückt,<br />
auf den Mutter den Ehemann setzen ließ.<br />
Er musste sich am Tisch festhalten, um nicht vom<br />
Stuhl zu rutschen, und dabei fielen die Figuren<br />
vom Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel durcheinander,<br />
und einige landeten auf dem Fußboden und<br />
verschwanden in der Dunkelheit.<br />
„Wo ist meine Tasche?”, fragte der Vater.<br />
„Mareike geh und hol sie!” Mutter schaute<br />
ihre Älteste an. Sie war fast dreizehn Jahre alt. –<br />
Und auch das wurde Mareike erst viele Jahre<br />
später bewusst, in diesem Moment wünschte sich<br />
die Mutter Mareike als Verbündete, sozusagen<br />
als Freundin, als Partnerin mit Verständnis, ein<br />
Zusammenhalten von Frau zu Frau. Aber dazu<br />
war Mareike noch nicht in der Lage. –<br />
Der Vater wühlte mit ungeschickten Fingern<br />
in der Tasche und wollte wohl sogleich einen<br />
Schatz herbei zaubern, der die Kinder zu erfreuen<br />
vermochte. Dem Sohn war schon die Vorfreude<br />
im Gesicht abzulesen, und er amüsierte<br />
sich über das komische Verhalten des Vaters.<br />
Da war er gefunden, eine Apfelsine, orange<br />
mit einem wulstigen dicken Nabel auf der Rundung.<br />
„Teil sie mit deiner Schwester.”<br />
Zuerst schabten die Kinder mit ihren Zähnen<br />
das Weiße von der Schaleninnenfläche ab, dann<br />
steckten sie sich genussvoll die einzelnen Stücke<br />
in den Mund.<br />
„So Kinder, und jetzt gebt mir noch einen<br />
Kuss – und dafür bekommt ihr eine Mark.”<br />
Das war sonst das Taschengeld für eine ganze<br />
Woche. Dem jüngeren Bruder fiel das gar nicht<br />
schwer, er kletterte auf Vaters Schoß, als würde<br />
er eine feuchte Bergwand besteigen, und streckte<br />
seine Kinder-Lippen rasch dem sabbernden, stinkenden<br />
Vatermund entgegen. Das Markstück<br />
landete in seiner Hand und glücklich über die<br />
schnell erworbene Beute ging der Bruder aus<br />
dem Zimmer.<br />
Nun war Mareike an der Reihe. Wo kam dieser<br />
Widerstand in ihr her? Sie sah in Mutters<br />
Gesicht, die ihr zuzureden versuchte „nun sei<br />
nicht blöd”, und dann trat sie neben den Vater.<br />
Dessen Kopf rutschte immer wieder zur Seite,<br />
mit viel Anstrengung hielt er die Augen geöffnet,<br />
die gerötet waren und immer mehr heraus quollen.<br />
An den Lippen hingen die Speichelfaden<br />
vom Bruderkuss und vermischten sich mit Vaters<br />
Spucke.<br />
Mareike trat vom Vater zurück, schaute hilfeflehend<br />
zur Mutter, die aber rührte sich nicht,<br />
griff auch nicht ein in dieses Spiel um Liebe und<br />
Zuneigung, die man sich erkaufen konnte. Mareike<br />
wollte das Zimmer verlassen.<br />
„Halt!”, brüllte ihr der Vater nach. „Du übernimmst<br />
morgen den ganzen Abwasch.” Und<br />
morgen war Sonntag, und da kamen viel Ge-<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 32
schirr und viele Töpfe zusammen. Mareike ertrug<br />
diese Bestrafung gelassen, was aber<br />
schmerzte und bis heute in ihr schmerzte waren<br />
Mutters Worte, als sie das Zimmer verließ: „Wie<br />
kann man nur so blöd sein.”<br />
Im Kinderzimmer sortierte und zählte der<br />
Bruder noch immer seine Geldschätze. Mareike<br />
war wieder einmal leer ausgegangen. Warum immer<br />
ich, dachte sie und legte sich ins Bett, zog<br />
weinend die Decke weit über den Kopf, damit<br />
keiner es hörte.<br />
In dieser Nacht, als Mareike diese Szene aus ihrer<br />
Kindheit noch einmal durchlebte, standen wieder<br />
die Worte ihrer Freundin wie eine Losung neben<br />
ihr. „Ich habe meinen Stolz schon lange aufgegeben.”<br />
Was war das in ihr, was dieser Widerstand,<br />
den sie noch oft in ihrem Leben leistete – dem<br />
Vater, der Mutter, dem Bruder, der Schule, den<br />
Lehrern – eben der ganzen Welt –, es waren<br />
Angst, Trotz und Stolz.<br />
Dieser Stolz ist manchmal so intensiv, dass ihr<br />
als Alternative nur das Märtyrersein einfällt. Die<br />
Freundin warnt sie. Sagt: „Das ist dein Ego – lass<br />
los.”<br />
Mareike hatte sich mit fünfundfünfzig Jahren in<br />
die Selbständigkeit begeben. Seit fünf Jahren<br />
sammelt sie nun Erfolge, und das Kind in ihr hat<br />
noch immer das Sagen: Beweise es allen. Du<br />
schaffst es. Seit Monaten weiß Mareike manchmal<br />
nicht, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten<br />
soll. Sie schuldet zwei Monatsmieten. Bekannte<br />
aus dem Freundeskreis sagen bewundernd:<br />
„Wie stark du bist.” Mareike freut sich darüber<br />
und verharmlost oder verschweigt die Probleme.<br />
Die Nächte werden immer schlafloser mit<br />
den wachsenden Sorgen. Warum immer ich, denkt<br />
sie und holt die nächste Erinnerung wie gerade<br />
Geschehenes hervor. Das macht sie noch trotziger.<br />
Nur einmal wachte sie morgens auf, und da war<br />
eine Stimme in ihr, nicht die der Freundin oder<br />
eine andere ihrer Bekannten – sie kam ganz tief<br />
aus ihrem Inneren. Die sagte nur: PARADIGMA.<br />
Seitdem hinterfragt Mareike. Vor ihr liegt eine<br />
Wende, das sechzigste Lebensjahr.<br />
Andreas Schwedt<br />
LIEBESFEST<br />
J<br />
ulius hob vorsichtig sein Glas und lächelte die<br />
Dame ihm gegenüber an. Auch sie erhob ihr<br />
Glas, und sie stießen an.<br />
„Ich bin der glücklichste Mann der Welt”,<br />
flüsterte Julius.<br />
„Und ich die glücklichste Frau der Welt”,<br />
sagte Maggie.<br />
„Weißt du”, sagte Julius, nachdem er sein<br />
Glas wieder abgestellt hatte, „ich habe nie an die<br />
Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Aber als ich<br />
dich gesehen habe ... von der ersten Sekunde an<br />
... da wusste ich, dass es sie doch gibt!”<br />
Maggie lächelte ihn an. „Auch mir erging es<br />
so. Als ich dich gesehen habe, wusste ich, dass es<br />
niemals einen anderen Mann für mich geben<br />
wird.”<br />
Julius nahm vorsichtig ihre Hand von der<br />
Tischkante auf und zog sie an seine Lippen. Zärtlich<br />
küsste er sie.<br />
„Mag ... ich ...”<br />
„Psst ...”, sagte sie, mit dem Zeigefinger an ihrem<br />
Mund gebot sie ihm innezuhalten, „sag’ jetzt<br />
nichts mehr”, und sie schloss verträumt die Augen.<br />
„Wir sind jetzt hier und wir haben uns. Das<br />
zählt heute Nacht. Nichts anderes. Lass’ es uns<br />
einfach genießen, ja?”<br />
„Ja ... gerne”, erwiderte Julius, und auch er<br />
schloss für einen Moment die Augen, während er<br />
Maggies Hand wieder freigab.<br />
„Ich möchte so gerne tanzen”, sagte sie nach<br />
einer Weile. Und sie standen auf, und er führte<br />
sie über das Parkett des Etablissements, und ihr<br />
war, als würde sie schweben.<br />
Nein, dachte sie, ganz sicher habe ich mich nicht<br />
in ihm getäuscht. Er ist die größte Liebe meines Lebens,<br />
und er wird es auch für immer bleiben.<br />
Wen hätte ich, wenn nicht Maggie, dachte Julius<br />
und seine Stirn legte sich in Falten. Niemanden,<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 33
dachte er. Nein, ohne Maggie hätte ich die Liebe<br />
meines Lebens versäumt.<br />
Als sie zu Ende getanzt hatten und er sie wieder<br />
an ihren Tisch begleitete, begannen sie seine<br />
Worte zu wärmen.<br />
„Ich liebe dich noch wie am ersten Tag”, sagte<br />
er zärtlich. „Liebe auf den ersten Blick kann ein<br />
ganzen Leben dauern!”<br />
„Ja”, sagte sie gerührt und gab ihm einen<br />
liebevollen Kuss auf die Wange. „Und dabei ist<br />
sie bei uns schließlich auf dem besten Wege. Hast<br />
du vor fünfzig Jahren geglaubt, dass wir unseren<br />
fünfzigsten Hochzeitstag noch so verliebt wie am<br />
ersten Tag feiern würden?”<br />
„Ja”, war seine ehrliche Antwort.<br />
„Ich auch”, sagte sie. Und sie küssten sich.<br />
Sandy Green<br />
<strong>EIN</strong> KL<strong>EIN</strong>ES STÜCK HIMMEL<br />
D<br />
ie alte Frau setzt mühsam einen Schritt<br />
vor den anderen. Kraftlos hängen ihre<br />
Schultern herab wie das schwarze Wollkleid,<br />
vielfach ausgebessert, an manchen Stellen<br />
schon ganz dünn. Der gebeugte Rücken ist steif<br />
vor Schmerzen. Wie der Flaum eines Vogeljungen<br />
sprießt ihr graues Haar, fein und wirr. In der<br />
linken Hand hält sie eine Leinentasche, während<br />
ihre Rechte einen krummen Stock umklammert.<br />
Langsam sucht sie sich einen Weg durch die<br />
verschüttete Straße. Das Geröll versperrt ihr immer<br />
wieder den Weg, Mauerstücke zwingen sie<br />
zu Umwegen. Mit ihrem Stock tastet sie sich vorwärts,<br />
Stück für Stück. Vor einem großen Berg<br />
von Schutt bleibt sie erschöpft stehen. Hier ist<br />
gestern noch eine Straße und der Berg ein<br />
mächtiges Gebäude gewesen. Doch die Angriffe<br />
in der Nacht waren schlimm wie nie zuvor. Immer<br />
noch dröhnen ihr die Sirenen in den Ohren.<br />
Fliegeralarm. Stunden hatte sie in einem Bunker<br />
verbracht, zusammengedrängt mit anderen Frauen,<br />
alten Frauen und jungen Frauen, die meisten<br />
längst Witwen. Säuglinge hatten geschrieen,<br />
Kinder in Ecken gekauert, reglos und still. Dann<br />
die Bomben. Das entsetzliche Pfeifen und die<br />
furchtbaren Einschläge. Staub drang durch jede<br />
Ritze und machte das Atmen zur Qual. Alle wurden<br />
von Hustenanfällen geplagt. Obwohl sie sich<br />
den Stoff ihrer Kleider vor Mund und Nase hielten,<br />
atmeten sie den Staub ein. Einer der Säuglinge<br />
hustete besonders heftig. Doch mit der Zeit<br />
wurde sein Husten leiser und leiser, bis er<br />
schließlich für immer verstummte. Und dann<br />
war da die Angst. Nein, um sich selbst sorgte die<br />
alte Frau sich schon lange nicht mehr. Vor nicht<br />
allzu langer Zeit war ihr Mann bei einem Bombenangriff<br />
ums Leben gekommen. Der Krieg<br />
dauerte schon viel zu lange und hatte an ihrem<br />
Lebenswillen gezehrt. Nun war sie müde und erwartete<br />
den Tod wie einen guten Freund. Nein,<br />
es war die Angst um ihre Tochter und Margot,<br />
ihr Enkelkind. Die beiden lebten in einem anderen<br />
Wohnblock, und die alte Frau betete während<br />
der langen Nacht unablässig für ihre Sicherheit.<br />
Nun war sie auf dem Weg zu ihnen. Das<br />
Haus, in dem sie ein winziges Zimmer unter dem<br />
Dach bewohnt, war von den Bomben verschont<br />
geblieben. Was sie an Lebensmitteln noch besaß,<br />
hatte sie in ihre Leinentasche gepackt und sich<br />
auf den Weg gemacht. Doch nun steht sie wieder<br />
vor einem Schutthaufen, der ihr kein Durchkommen<br />
gewähren will. Mit einem tiefen Seufzer<br />
kehrt sie um und begibt sich auf die Suche nach<br />
einem einfacheren Weg. Wäre sie doch nur ein<br />
paar Jahre jünger und nicht so gebrechlich und<br />
unsicher auf den Beinen. Doch alles Jammern<br />
hatte sie sich schon längst abgewöhnt.<br />
Endlich findet sie einen schmalen Durchgang<br />
zwischen den verstümmelten Häusern mit ihren<br />
toten Fenstern. Die sanfte Herbstsonne scheut die<br />
tiefen Schluchten der Zerstörung. Eine Windböe<br />
wirbelt den Staub auf. Endlich erreicht sie das<br />
Ende der Straße, die in ein großes Trümmerfeld<br />
mündet, das früher einmal der Marktplatz gewesen<br />
ist. Sie wendet sich nach rechts. Jetzt kann sie<br />
das Haus sehen, in dem ihre Tochter mit Margot<br />
wohnt. Es ist unversehrt. Die alte Frau sendet ein<br />
lautloses Dankgebet zum Himmel. Nur die Lippen<br />
bewegen sich. Plötzlich hat sie es eilig.<br />
Schneller klappert ihr Stock auf den Steinen. Ihre<br />
Schritte werden weiter, unvorsichtiger. Mit<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 34
einem Mal geschieht es. Sie kommt mit ihrem<br />
rechten Fuß schräg auf einem großen Stein auf,<br />
der Stein rutscht unter ihrem Gewicht zur Seite.<br />
Die alte Frau beginnt zu taumeln, verliert den<br />
Halt und stürzt zu Boden. Reflexartig versucht<br />
sie, sich mit den Händen abzufangen, Stock und<br />
Tasche fallen in den Staub. Ein entsetzter Aufschrei<br />
lässt sich nicht unterdrücken.<br />
Da sieht sie einen Jungen zwischen den verwaisten<br />
Mauern hervorschauen. Langsam löst er<br />
sich aus dem Schatten und kommt auf sie zu.<br />
Furcht erfasst sie. Ihre fahrigen Hände suchen<br />
die Tasche, doch sie greifen nur Gestein. Der Junge<br />
kommt näher. Erst gestern hatte ihr eine Bekannte<br />
erzählt, dass ihr ein frecher Bengel die<br />
einzige Scheibe Brot stahl, die sie noch besessen<br />
hatte. Der Junge ist fast da. Sie kann die Tasche<br />
nicht erreichen, sieht die durchlöcherten Kinderschuhe<br />
dicht davor stehen bleiben und dünne<br />
Finger nach der Tasche greifen. Unwillkürlich<br />
hält sie die Luft an. Doch da spürt sie eine sanfte<br />
Berührung an der Schulter.<br />
„Kommen Sie, ich helfe Ihnen beim Aufstehen.”<br />
Die alte Frau hebt den Kopf, und ihre Augen<br />
blicken in ein ernstes Knabengesicht. Sie reicht<br />
ihm die Hand. Mit letzter Kraft rappelt sie sich<br />
auf. Der Junge gibt ihr die Tasche und klaubt<br />
ihren Stock aus dem Schutt. Als sie in sein abgezehrtes<br />
Gesicht sieht, steigen ihr Tränen in die<br />
Augen. Sie greift in ihre Tasche und holt einen<br />
Apfel heraus. Für einen kurzen Moment weht ein<br />
glückliches Lächeln über sein Gesicht und seine<br />
Augen strahlen, als er die Frucht wie einen<br />
kostbaren Schatz mit den Händen umschließt.<br />
(Zweiter Preis beim Literaturwettbewerb der Trude-<br />
Unruh-Akademie Heute wir, morgen Ihr<br />
Doris-Elisabeth Gries<br />
DIE BEGEGNUNG<br />
D<br />
er lang anhaltende Regen ließ unerwartet<br />
nach. Nebelschwaden tauchten auf.<br />
Ich befand mich auf dem Heimweg von<br />
meinem Italienurlaub. Während der langen Fahrt<br />
hatte ich beschlossen, einen Abstecher in die Berge<br />
zu machen. In einem der Täler liegt ein kleines<br />
Dorf mit alten Häusern, engen Gassen und gemütlichen<br />
Cafés. Mittendrin eine Kirche, deren<br />
Turm mächtig in den tiefblauen Himmel ragt. In<br />
diesem Dorf habe ich unvergessliche Stunden erlebt.<br />
Als Kind sonnige Schulferien und später, als<br />
ich erwachsen war, glückliche Urlaubstage. Mich<br />
erfasste eine tiefe Vorfreude. In Kürze würde ich<br />
diesen idyllischen Ort wiedersehen. Ich musste<br />
nur noch die Serpentinen hinunter fahren.<br />
Plötzlich wurde der Nebel dichter. Wie aus<br />
dem Nichts tauchte auf der Straße eine Gestalt<br />
auf. Erschrocken bremste ich. Die Gestalt kam<br />
näher. Ich erkannte ihn sofort. Es war Michael,<br />
den ich dreizehn Jahre lang nicht mehr gesehen<br />
hatte. Ich kurbelte die Scheibe herunter und jetzt<br />
schien auch er mich erkannt zu haben.<br />
„Welch ein Zufall!”, rief ich und lachte glücklich.<br />
„Das ist kein Zufall”, sagte er, „ich habe auf<br />
dich gewartet. Glaube mir, du kannst nicht ins<br />
Tal fahren, der Nebel wird immer dichter. Auch<br />
hier oben. Ganz in der Nähe gibt es ein altes<br />
Gasthaus, da kannst du übernachten. Ich werde<br />
mit dir kommen.” Wie selbstverständlich setzte<br />
er sich auf den Beifahrersitz.<br />
Ich stutzte. Woher hatte er gewusst, dass ich<br />
kommen würde? Vielleicht von den Besitzern der<br />
Pension, in der ich von unterwegs aus ein Zimmer<br />
reserviert hatte.<br />
Nach wenigen Minuten erreichten wir das<br />
Gasthaus und setzten uns an einen der Holztische.<br />
Gemütlich hier, dachte ich, während Michael<br />
italienischen Rotwein bestellte. Valpolicella,<br />
den ich besonders mochte.<br />
Draußen in der Dämmerung hatte ich es nicht<br />
bemerkt, aber hier im Licht des Lokals fielen sie<br />
mir auf. Seine traurigen Augen. Nach dem<br />
Grund seiner Traurigkeit wollte ich nicht fragen.<br />
Vielleicht würde sich später eine Gelegenheit ergeben.<br />
Genüsslich nippten wir an dem köstlichen<br />
Roten, der mir schnell zu Kopf stieg.<br />
Wir erzählten uns, was in den dreizehn Jahren<br />
in unserem Leben geschehen war. Wissbegierig<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 35
nahm ich jedes seiner Worte auf Michael schien<br />
es ähnlich zu gehen. Und wie früher, so auch<br />
heute: Die Stunden verrannen wie Sekunden.<br />
Wir waren uns nah, als hätte es nie eine Trennung<br />
gegeben.<br />
„Ich konnte dich nicht vergessen und habe<br />
lange Zeit auf dich gewartet”, sagte er. „Du weißt<br />
doch, du bist meine große Liebe.” Er nahm mich<br />
in den Arm.<br />
„Mir ging es ebenso, auch ich habe dich nicht<br />
vergessen”, sagte ich und schmiegte mich an ihn.<br />
„Aber meine Eltern wollten nicht, dass ich mich<br />
so früh binde. Ich sei zu jung, behaupteten sie damals.”<br />
„Ja, und später”, fragte er, „was war später?<br />
Warum hast du nie auf meine Briefe geantwortet?<br />
Wie oft habe ich bei deinen Eltern angerufen!<br />
Warum hast du nie zurück gerufen?”<br />
Große Sehnsucht lag in seinen Worten. Zärtlich<br />
fuhren seine Fingerspitzen über meine Wangen,<br />
meinen Hals entlang. Sanft küsste er meinen<br />
Mund. Es war nur der Hauch von einem Kuss,<br />
doch weckte diese zarte Berührung auch meine<br />
Sehnsucht.<br />
Ich wollte ihm gerade von dem Brief seiner<br />
Mutter erzählen. Sie schrieb damals meinen Eltern,<br />
dass für ihren Sohn nur ein Mädchen aus<br />
dem Tal in Frage komme. Doch in diesem<br />
Augenblick wandte sich Michael ab und bestellte<br />
Brot und Käse. Schon seit Stunden hatte ich<br />
nichts mehr gegessen, und mein Magen knurrte<br />
laut. Obwohl ich hungrig war, brachte ich keinen<br />
Bissen hinunter. Die anstrengende Fahrt und der<br />
schwere Wein hatten mich müde gemacht. Ich<br />
konnte meine Augen kaum noch offen halten.<br />
„Erinnerst du dich noch an Kathrin, unser<br />
Nachbarmädchen?”, fragte Michael. Ich nickte<br />
und ahnte was kommen würde. „Ich habe Kathrin<br />
vor einem Jahr geheiratet”, sagte er leise.<br />
Ich schluckte. Natürlich hatte ich mit einem<br />
solchen Ereignis rechnen müssen, dennoch taten<br />
mir seine Worte weh. Ich fühlte mein Gesicht erröten.<br />
Verlegen ergriff ich mein Weinglas und<br />
starrte auf die niedergebrannte Kerze.<br />
„Ich möchte dich nicht kränken”, sprach er<br />
weiter, „aber sollte dir Kathrin zufällig im Tal begegnen,<br />
sprich nicht darüber, dass du mich getroffen<br />
hast”.<br />
Erstaunt schaute ich ihn an. In seinem Blick<br />
entdeckte ich Wärme und tiefe Zuneigung für<br />
mich.<br />
„Bitte!”, sagte er. „Du musst es mir versprechen.”<br />
Fast flehentlich klang seine Stimme.<br />
„Warum darf sie es nicht wissen? Wir haben<br />
doch nichts zu verbergen.”<br />
„Aber ich hatte Kathrin versprochen, mich zuerst<br />
bei ihr zu melden“, antwortete Michael mit<br />
ernster Miene. „Es war so ausgemacht.” Er<br />
schwieg einen Moment und fuhr dann fort: „Was<br />
ich dir jetzt gesagt habe, wirst du nicht verstehen.<br />
Später vielleicht.”<br />
Seine Worte hörte ich deutlich, doch ich konnte<br />
mit ihnen nichts anfangen. Anscheinend hatte<br />
ich zuviel Wein getrunken. Aber das Flehen in<br />
seinen Augen sah ich trotz meiner Müdigkeit.<br />
„Wieso melden?”, fragte ich schläfrig. „Seid Ihr<br />
nicht mehr zusammen?” Das war das letzte, woran<br />
ich mich erinnern konnte.<br />
Am anderen Morgen erwachte ich wie aus<br />
einem tiefen Traum. Unerträglicher Lärm, wie<br />
gewaltiges Donnern, schreckte mich auf. Ich saß<br />
wie gelähmt. Nach einer Weile war es still. Totenstill.<br />
Ich schaute mich um. Ich war allein. Wo<br />
war Michael? Ich wusste nicht, wie ich auf mein<br />
Zimmer und ins Bett gekommen war. Ich hatte<br />
keinerlei Erinnerung.<br />
Plötzlich hörte ich weit entfernt Sirenengeheul.<br />
In großer Eile zog ich mich an und hastete<br />
nach draußen. Der Nebel war verschwunden.<br />
Die Sicht ins Tal war klar. Und was ich sah,<br />
nahm mir fast den Atem. Ich zitterte vor Aufregung<br />
und glaubte meinen Augen nicht zu trauen.<br />
Das Ausmaß der Katastrophe erahnte ich<br />
noch gar nicht. So schnell es möglich war, fuhr<br />
ich hinunter ins Tal. Auf der anderen Seite hatte<br />
es einen gewaltigen Erdrutsch gegeben. Große<br />
Teile der Straße waren, wie ich hörte, durch den<br />
lang anhaltenden Regen unterspült und weggebrochen.<br />
Gesteinsmassen waren ins Tal gestürzt<br />
und hatten alles, was auf ihrem Weg lag, mit sich<br />
gerissen. Im Dorf hatte der Erdrutsch viele Häuser<br />
zerstört und unter sich begraben. Auch die<br />
Kirche war verwüstet und der mächtige Turm in<br />
sich zusammengefallen.<br />
Dieser einst bezaubernde Ort war ein Bild des<br />
Schreckens. Überall sah ich die Blinklichter der<br />
Feuerwehr, der Polizei und der Krankenwagen.<br />
Hoch in der Luft kreiste ein Hubschrauber. Es<br />
gab Tote und viele Verletzte. Die Einheimischen<br />
standen unter Schock. Auch ich war entsetzt und<br />
fühlte mit ihnen. Hilfe leisten konnte ich bei die-<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 36
ser Katastrophe nicht. Zum Glück waren bereits<br />
genügend professionelle Helfer im Tal.<br />
Als ich mich umschaute, erschrak ich erneut.<br />
Die Pension, in der ich ein Zimmer reserviert<br />
hatte, war völlig zerstört. Wahrscheinlich wäre<br />
auch ich tot, hätte Michael mich nicht gewarnt.<br />
Er hatte mir das Leben gerettet. War er mein<br />
Schutzengel? Oder war unsere Begegnung doch<br />
nur einer dieser Zufälle, die es angeblich gar<br />
nicht gibt?<br />
Ich musste mit ihm reden. Das Haus suchen,<br />
in dem er wohnte. Vielleicht würde ich ihn dort<br />
finden. Traurig machte ich mich auf den Weg.<br />
Überall sah ich müde und entsetzte Gesichter.<br />
Und zwischen all diesen verzweifelten Menschen<br />
entdeckte ich ein vertrautes Gesicht. Es war<br />
Kathrin. Auch sie schien mich erkannt zu haben.<br />
Ihre Augen blitzten kurz auf. Ich wollte zu ihr<br />
gehen, da hörte ich Michaels Namen. Zwei Frauen<br />
sprachen miteinander. Als auch noch Kathrins<br />
Name fiel, ging ich dichter an sie heran. „Das<br />
arme Mädchen”, hörte ich die Ältere sagen. „Es<br />
ist schon sehr traurig. Erst vor sieben Monaten<br />
hat sie durch einen Verkehrsunfall ihren Mann<br />
verloren, und jetzt liegt auch noch ihr Haus in<br />
Trümmern. Zum Glück hat sie die letzte Nacht<br />
bei einer Freundin im Nachbarort geschlafen.”<br />
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen.<br />
Michael schon länger tot? Ich hatte ihn doch gestern<br />
noch gesehen. Wie konnte das sein? Eine<br />
plötzliche Eiseskälte erfasste mich. Wie in Trance<br />
ging ich zu meinem Auto. Und wieder glaubte<br />
ich seine Worte zu hören: „Sprich nicht darüber,<br />
dass du mich getroffen hast!”<br />
Andrea Hermann<br />
WIE DIE ASCHENPUHLERIN ZUM VERLAG FAND<br />
Im November 2007 erscheint mein Roman Die<br />
Aschenpuhlerin beim Cenarius-Verlag. Diese Märchenparodie<br />
und ich, wir teilen schon ein ganzes<br />
Stück Weges miteinander. Hätte ich keinen Verlag<br />
dafür gefunden, wären wir bei der Hälfte stecken<br />
geblieben.<br />
Die Idee an sich muss noch aus meiner Schulzeit<br />
stammen. Verschiedene Anfangskapitel, Inhaltszusammenfassungen<br />
und Einzelszenen zeugen<br />
davon. Wirklich geschrieben habe ich die Geschichte<br />
in ihrer jetzigen Form von 2000 bis 2002<br />
und auch schnell überarbeitet, um sie im September<br />
liebevoll gebunden beim Wolfgang-Hohlbein-Preis<br />
einzureichen. In meinem Schreibtagebuch<br />
finde ich am Dienstag, 3. Juli 2001, folgende<br />
Notiz zur Aschenpuhlerin: „So stark habe ich es<br />
noch nie gespürt: Die Heldin meines Aschenputtel-Romans<br />
stapft in Sommerschuhen durch kniehohen<br />
Neuschnee. Da sehe ich auf, blinzle ins<br />
Sonnenlicht und stelle fest, dass ich im Büro sitze,<br />
die Mittagspause geht zu Ende. Draußen und<br />
drinnen herrschen ganz sicher 30 Grad. Aber ich<br />
zittere und habe blaue Hände!” Leider waren andere<br />
weniger gefesselt als ich. Den Wolfgang-<br />
Hohlbein-Preis gewann ich nicht. Was vermutlich<br />
keine Schande ist, bei über 600 Einreichungen.<br />
2002 bis 2005 schickte ich die Aschenpuhlerin<br />
gemeinsam mit einem zweiten Märchenroman<br />
auf die Runde zu verschiedenen Verlagen. Natürlich<br />
begann ich bei den ganz Großen, denn<br />
schließlich sollte es ein Bestseller werden. Dabei<br />
stellte ich übrigens zu meinem Schrecken fest,<br />
dass es gar nicht so sehr viele Verlage gibt. Hinter<br />
einem Dutzend verschiedener Namen verbirgt<br />
sich am Ende doch immer wieder derselbe<br />
Marktbeherrscher. So hatte ich sie dann also alle<br />
durch. Absagen der bekanntesten Verlage stapeln<br />
sich bei mir zu Hause, in verschiedenen Nuancen<br />
der Abweisung.<br />
Irgendwann stieß mich dann der Vortrag<br />
einer Lektorin mit der Nase auf mein Problem. Es<br />
heißt: „Genre”. Das Genre „Märchenroman für<br />
Erwachsene” existiert höchstens in kleinen Spezialverlagen.<br />
Daraufhin beglückte ich auch verschiedene<br />
Spezialisten mit meinen Exposés. Hier<br />
fielen die Absagen dann schon viel freundlicher<br />
aus, von Märchenfreund zu Märchenfreund sozusagen.<br />
Leider gibt es innerhalb des Genres<br />
„Märchenroman für Erwachsene” noch weitere<br />
Untergliederungen wie „Volksmärchen”,<br />
„Kunstmärchen”, „psychologischer Märchenroman”<br />
und viele mehr. Bei meinem Roman handelt<br />
es sich eher um eine humorige Märchenparodie<br />
mit etwas feministischem Tiefsinn. Ein<br />
Probeleser behauptete auch, es sei ein Frauenroman.<br />
Das mit den Genres ist gar nicht einfach!<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 37
Schließlich schwor ich dem Märchenroman<br />
für Erwachsene ab und suchte mir ein neues<br />
Genre. Inzwischen schreibe ich Fantasy und<br />
Science Fiction. Da wissen Leser und Lektorin<br />
gleich, was sie bekommen. Aschenpuhlerin und<br />
Einhorn-Roman lagen jetzt im Schrank bei den<br />
Absagen. Insgesamt war ich froh, dass ich mir<br />
Jack Londons Tipps zu Herzen genommen habe:<br />
Ich habe nie meinen Job fürs Schreiben aufgegeben.<br />
Das gibt einem einen langen Atem und man<br />
ist nicht gezwungen, Tiergeschichten zu<br />
schreiben, obwohl man über den Sinn des Lebens<br />
philosophieren möchte.<br />
Warum die Aschenpuhlerin jetzt doch ihre<br />
Stiefel neu geschnürt hat und weiterwandert,<br />
kann ich nicht erklären. Ich habe nichts Besonderes<br />
gemacht, kann daher auch kein Geheimrezept<br />
weiterreichen. Es war sicher nicht falsch, mein<br />
Exposé etwa hundert Mal zu überarbeiten und<br />
den Roman auch mehrmals. Ansonsten habe ich<br />
neue Romane geschrieben, Kurse besucht, Fingerfertigkeit<br />
geübt. Mich überhaupt viel mit dem<br />
Schreiben beschäftigt und Kontakte gepflegt.<br />
Und dann war ich zum rechten Zeitpunkt am<br />
richtigen Ort. Gerade als der Cenarius-Verlag gegründet<br />
wurde, stand ich parat mit zwei fast fertigen<br />
Romanen.<br />
Eine interessante Koinzidenz lässt mich grübeln,<br />
ob für manche Ereignisse einfach die Zeit<br />
reif sein muss. Man sollte es nicht glauben, aber<br />
vier Tage, nachdem ich den Vertrag mit dem<br />
Verleger unterschrieben hatte, kontaktierte mich<br />
eine Literaturagentur. Sie möchten mich gern<br />
vertreten. Faszinierend. Es wäre also so oder so<br />
passiert?<br />
Das Wichtigste war aber vermutlich, die Geduld<br />
nicht zu verlieren. Irgendwo habe ich mal<br />
gelesen, dass jeder gute Roman irgendwann<br />
einen Verlag findet. Es dauert nur manchmal<br />
etwas länger. (Und wenn er doch keinen Verlag<br />
findet, war er wohl nicht gut?) In einem anderen<br />
Interview las ich, dass man erst neun schlechte<br />
Romane schreiben müsse, um endlich einen<br />
zehnten guten zu schreiben. Damals war ich<br />
gerade bei etwa Nummer 8. Geduld, Geduld,<br />
Geduld!<br />
Die Aschenpuhlerin ist übrigens einer meiner<br />
ersten fünf Romane und war wirklich nicht besonders<br />
fesselnd, wie ich mit mehreren Jahren<br />
Abstand selbst einsehen musste. Anhand der<br />
dürren Buchstaben erstanden mir selbst die Bilder<br />
von damals nicht mehr neu vor meinem<br />
Auge. Aber als der Cenarius-Verlag mein Exposé<br />
interessant fand, setzte ich mich neu motiviert in<br />
den Weihnachtsferien auf den Hosenboden und<br />
arbeitete das ganze Werk von vorn bis hinten<br />
gründlichst durch. Es war die reinste Geisterbahnfahrt,<br />
sich mit dem eigenen Schreibstil von<br />
vor fünf Jahren zu konfrontieren. Ganz zu<br />
schweigen davon, dass an manchen Romantagen<br />
die Sonne zwei Mal unterging. Ich quälte mich<br />
auf der Zielgeraden durch die Hölle. Aber es hat<br />
sich gelohnt. Inzwischen ist die erste Rate des<br />
Honorars auf meinem Konto eingegangen. Nicht<br />
dass ich wegen des Geldes schreibe, aber es ist<br />
doch ein Zeichen des Vertrauens von meinem<br />
Verlag in mich und meinen Roman. Und das tut<br />
mal richtig gut!<br />
Gleichzeitig ist mir auch klar, dass das Brutalste<br />
noch kommt: das Verkaufen. Kritiker/<br />
innen werden mein Buch durch den Kakao ziehen,<br />
in der Luft zerreißen oder vielleicht auch<br />
mal streicheln, schlimmstenfalls vollständig ignorieren.<br />
Wenn ich an die Millionen von Menschen<br />
denke, die möglicherweise mein Buch lesen würden,<br />
aber bisher nichts davon wissen, dann steht<br />
uns noch eine Menge Marketing bevor. Jetzt verlasse<br />
ich das gewohnte Terrain des Schreibens<br />
und begebe mich ins Scheinwerferlicht. Muss mir<br />
Gedanken darüber machen, was ich bei einer<br />
Lesung anziehe. Friseurtermin wäre auch nicht<br />
schlecht. Neue Passbilder?<br />
Ich wünsche hiermit allen Schreibenden viel<br />
Ausdauer!<br />
Angelika Zöllner<br />
SCHREIBEN IN RHODOS<br />
2006 durfte ich zum dritten Mal ein Arbeitsstipendium<br />
in Rhodos/Griechenland, wahrnehmen,<br />
und ich komme deshalb gern dem Wunsch<br />
nach, davon zu erzählen.<br />
Es gibt in Rhodos, wie zum Beispiel auch in<br />
Schweden, dem Baltic Centre in Visby, in Mojácar<br />
(Spanien) und neuerdings auch in Lettland, dem<br />
International Writers’ and Translators’ House in<br />
Ventspils, ein Center für Schriftsteller und Übersetzer.<br />
Hier treffen sich Schreibende aus aller<br />
Welt, um kostenlos zwei bis sechs Wochen zu<br />
arbeiten. Man stellt in Englisch einen Antrag an<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 38
das Center (www.literarycentre.gr) und gibt die<br />
Gründe für seinen Wunsch, dort zu arbeiten, an.<br />
Den Flug zahlt man selbst, Mahlzeiten kann<br />
man sich in einer Gemeinschaftsküche zubereiten.<br />
Kaffee gibt es morgens gratis, dazu Zwieback,<br />
Butter und Marmelade. Wenn man erlebt,<br />
dass die Griechen erst ab 22 Uhr zum Essen ausgehen,<br />
wundert einen nicht mehr das sparsame<br />
Frühstück. Jedes der zehn Zimmer – es gibt nur<br />
ein Doppelzimmer – besitzt Dusche und WC. Familienangehörige<br />
können nicht mitgebracht werden.<br />
Einige der Zimmer haben einen Ausblick zum<br />
Meer. Jeden Abend kann man die Sonne in immer<br />
wieder unterschiedlichen Farben untergehen<br />
sehen über dem Blaugrün der Wellen und begreifen,<br />
wie die Regenbogenfarben zusammen ein<br />
Ganzes ergeben.<br />
Viele der Autoren oder Übersetzer trifft man<br />
auf der Treppe, die hoch in Richtung der Akropolis<br />
und zu einem sich weit dehnenden Ausblick<br />
über das Meer führt. Auf der Akropolis befinden<br />
sich einige gut erhaltene Säulen eines<br />
Apollotempels, ein Odeon usw., zwischen Olivenbäumen<br />
gelegen. Das Gelände um den Tempel<br />
hat eine besondere Anziehung, da es nicht so<br />
touristenüberladen ist wie das Tempelumfeld der<br />
Inselstadt Lindos – und weil diese Hügelverschlossenheit<br />
noch viel Phantasie zulässt. Manches<br />
ist hier, des Geldes wegen, noch lange nicht<br />
ausgegraben.<br />
Möchte man sich von seiner Schreibtischklausur<br />
erholen und neue Eindrücke sammeln, gibt es<br />
sehr Unterschiedliches in Rhodos zu erleben. Einsames<br />
ebenso wie lange Nächte in Tavernen oder<br />
Lokalen mit Lifemusik und manchmal griechischem<br />
Tanz. Wer die Männer, seltener auch<br />
Frauen, hat frei tanzen und sich bewegen sehen –<br />
manchmal ganz allein und das, was sie fühlen –,<br />
kommt ins Nachdenken. In der Saison findet so<br />
manche Aufführung im Melina-Mercouri-Theater<br />
statt, Open-Air zwischen Burgmauern unter<br />
dem Nachthimmel der Alten Stadt, der besterhaltenen<br />
mittelalterlichen Stadt Europas, ein Teil<br />
von Rhodosstadt, der Hauptstadt der Insel. Der<br />
andere Teil heißt schlicht: Neustadt. Unvergessliche<br />
Stimmung.<br />
In der Alten Stadt sollen noch heute rund<br />
fünftausend Menschen wohnen (so genau weiß<br />
man es nicht; die Griechen sind ein herrliches,<br />
gemütvolles Volk, aber man weiß nie genau, ob<br />
Zahlen stimmen – oder Straßen – oder Abfahrtszeiten<br />
– obwohl seit dem EU-Anschluss sich das<br />
sehr geändert hat).<br />
Fesselnd ist sie, diese weitläufige Stadt der Johanniter<br />
mit ihren Steinmauern und Bögen und<br />
dem imposanten Großmeisterpalast, unter dem<br />
sich früher ein Helios-Heiligtum befand. Helios<br />
war der Gott, der sich der Legende nach in diese<br />
Insel verliebte und sie von Zeus geschenkt bekam.<br />
Das Wort Helios beziehungsweise Ilios wird<br />
noch heute im Neugriechischen für ‘Sonne’ gebraucht.<br />
– Im Griechischen sind bis heute viele<br />
Worte mit alter Philosophie erfüllt, auch logos<br />
usw. Bei uns sagt man nur Wort als Übersetzung<br />
– logos bedeutet aber viel mehr. –<br />
Entweder hier oder am Mandraki-Hafen soll<br />
der legendäre Koloss von Rhodos gestanden<br />
haben – das bekommt man jedes Mal anders von<br />
den Stadtführern zu hören, auch in den Reiseführern<br />
steht es unterschiedlich.<br />
Viele Sehenswürdigkeiten und Zeugnisse byzantinischer<br />
Kunst gibt es auf der Insel zu bewundern:<br />
kostbare Ikonen und Freskenmalereien<br />
in kleinen Familienkirchen, in Rhodosstadt mehrere<br />
stilvolle Moscheen mit künstlerisch angelegten<br />
Innenhöfen, uralten Brunnen sowie ein aus<br />
türkischer Zeit übrig gebliebenes Hamam, ein bis<br />
heute genutztes Bad. Drei der Moscheen werden<br />
immer noch von Angehörigen der islamischen<br />
Gemeinde genutzt. Ein alter türkischer Friedhof<br />
zeigt bemerkenswerte Steinfiguren auf den Gräbern,<br />
die die Berufe der Bestatteten wiedergeben.<br />
Neben dem Friedhof befindet sich auch das<br />
Haus, in dem Lawrence Durrell nach Kriegsende<br />
gelebt hat. Man kann seine Erlebnisse in dem<br />
Buch Leuchtende Orangen lesen.<br />
Es gibt außer dem türkischen auch ein jüdisches<br />
Viertel in der Alten Stadt, in dem noch einige<br />
einst aus Spanien vertriebenen Juden leben,<br />
und eine licht gebaute, sehr sehenswerte ältere<br />
Synagoge mit freundlichen Menschen, die nicht<br />
mehr mit der Wimper zucken, wenn man sagen<br />
muss, man stamme aus Deutschland (obgleich<br />
die Nazis dort mehr als genug angerichtet haben).<br />
Unterhalb der Akropolis befinden sich im italienischen<br />
Viertel stilvolle Häuser und Villen aus<br />
der Zeit der Besatzung ab 1912. Die Italiener hatten<br />
Rhodos eingenommen und ‘angeblich’ von<br />
den Türken nach circa vierhundert Jahren befreit.<br />
Mussolini wollte Rhodos später zur Musterinsel<br />
verwandeln. Der „Palazzo des Mussolini” auf<br />
dem zweithöchsten Berg auf Rhodos, dem Profitis<br />
Ilias, und die anderen unter ihm errichteten<br />
Bauten im nahe gelegenen Dorf Eleussa sind alle<br />
verfallen und drücken Öde und Bedrückendes<br />
aus. Meine Freundin aus Katalonien sagte: „Here<br />
is the devil.” Sie verließ so schnell wie möglich<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 39
diesen unheimlichen Palazzo. Fast genauso hatte<br />
ich es das Jahr zuvor gefühlt ... Keiner der Griechen<br />
mag hier renovieren. Selbst die zwei hier<br />
errichteten Hotels gehen ständig pleite ... eine<br />
unheimliche Gegend. Sogar die Bäume scheinen<br />
wie aus Stein. Interessant ist, dass das in keinem<br />
Reiseführer beschrieben steht. Ein älterer Mann,<br />
ein Ingenieur, der uns führte, erzählte, wie die<br />
Väter unter Androhung, das Leben zu verlieren,<br />
zum Errichten der Bauten gezwungen wurden.<br />
Auf Rhodos, das nicht nur griechisch ist –<br />
dort wohnen viele Türken, Juden, Araber, einige<br />
Italiener und viele Ausländer von überall –, leben<br />
die unterschiedliche Kulturen und Religionen<br />
jetzt friedlich miteinander und sind im ständigen<br />
Dialog. Für uns, die wir aus Island, Slowenien,<br />
Russland, Australien, Finnland, Norwegen, Katalonien<br />
(die oben erwähnte Freundin ist gebürtige<br />
Katalonierin. Sie wäre sehr ärgerlich, würde ich<br />
sie als Spanierin abhandeln. Als sie studierte, gab<br />
es wegen Franco keine Erlaubnis, die katalonische<br />
Literatur zu benutzen. Vieles hatte er verbrennen<br />
lassen – wie bei uns die Nazis. Sie war<br />
ins Literaturcenter gekommen, weil ein Schiff in<br />
den 1930ern vor Rhodos untergegangen war mit<br />
Intellektuellen, Archäologen und Künstlern aus<br />
Spanien und Katalonien, unter anderem auch die<br />
Tochter von Lorca), Spanien, der Slowakei, aus<br />
Deutschland, den USA und anderen Weltgegenden<br />
zusammenkommen, ist immer wieder überraschend,<br />
wie tolerant hier Menschen mit ganz<br />
unterschiedlichen Religionen miteinander leben.<br />
Türken und Griechen sind nach den vierhundert<br />
Jahren türkischer Besatzung längst miteinander<br />
verwandt.<br />
2005 war ich eingeladen zu einem Gemeinschaftskonzert<br />
von türkischen und griechischen<br />
Musikern. Türken musizierten und sangen die<br />
griechischen Lieder, und manche der Älteren waren<br />
bewegt und hatten Tränen in den Augen,<br />
wenn sie die Klänge und Texte von Mikis Theodorakis,<br />
der während der Zeit der Junta gefoltert<br />
wurde und 1970 ins Exil nach Frankreich ging,<br />
hörten.<br />
Zur Zeit werden im Literaturcenter Unterschriften<br />
gesammelt, weit reichend schon gedacht<br />
für 2018. Man möchte Kulturhauptstadt<br />
werden. Wer auf die Liste der Unterstützer gesetzt<br />
werden möchte, wende sich bitte an info@<br />
literarycentre.gr mit dem Betreff „Rhodos 2018”.<br />
Melina Mercouri, die Rhodos liebte, hatte eine<br />
lebendige Vorstellung davon, wie sich dort Menschen<br />
aus ganz unterschiedlichen Ländern zu<br />
einem fruchtbaren Austausch ihrer Kulturen<br />
treffen können.<br />
Es bleibt zu erwähnen, dass sich die Bibliothek<br />
im Center und der Computerraum in einem<br />
zum Teil noch verbesserungswürdigen Zustand<br />
befinden. Es wird jedoch bereits daran gearbeitet.<br />
Internetanschluss ohne DSL hatte es zum Beispiel<br />
bei meinem letzten Aufenthalt nur auf einem der<br />
drei PCs gegeben; auch der Drucker funktionierte<br />
nicht. Man durfte allerdings den Drucker des<br />
Office benutzen. Schreiber sollten ihren Laptop<br />
mitbringen – und können sich in südländischer<br />
Ruhe und dem landestypischen Humor üben,<br />
wenn wieder auf der gesamten Insel kurzzeitig<br />
der Strom ausfällt …<br />
Die freundlichen Menschen im Center werden<br />
jedoch ungehalten, wenn sich Autoren beschweren,<br />
wenn sie kein Zimmer mit Meerblick erhalten,<br />
lauthals verkünden, dass sie „es noch nie mit<br />
den ollen Griechen” hatten oder den täglichen<br />
Sonnenuntergang „auch schon besser gesehen”<br />
haben ...<br />
Bewerben sollten sich wirklich nur AutorInnen<br />
und ÜbersetzerInnen, die auch ein wenig<br />
Sinn für das Griechische und seine Kultur haben.<br />
Dann wird es ein besonderes Erlebnis sein, über<br />
Wochen in Ruhe und anregender Umgebung<br />
gratis arbeiten und sich austauschen zu dürfen.<br />
PATMOS – HIN UND ZURÜCK<br />
(aus einem unvollendeten Zyklus)<br />
II<br />
CHORA – HOCH OBEN<br />
um das tausendjährige Johanniskloster<br />
fädeln sich wege<br />
in hellen tupfen gestreut<br />
ich zeichne sie nach<br />
mit den fußspitzen<br />
verfange mich<br />
in straßenwindungen<br />
diesem labyrinthenem schweigen<br />
innen der goldglanz der<br />
ikonen – außen die ahnung<br />
verlorener chiffren<br />
zur oberen welt.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 40
AUS DEM ARCHIV DER IGDA<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 41
SERVICE<br />
(Angaben ohne Gewähr)<br />
W E T T B E W E R B E<br />
Was wäre die Weihnachtszeit ohne Adventskalender? Die IGdA sucht für ihren lyrischen Adventskalender<br />
2007 Weihnachtsgedichte. Bitte schicken Sie Ihr Gedicht (bitte nur eins) mit Namen und Anschrift<br />
versehen bis zum 15. November 2007 an Waltraud Weiß, Ingendorfer Weg 71, 50829 Köln,<br />
adventskalender@igda.net. Die schönsten Gedichte werden wir hinter 23 Türen verstecken, das<br />
allerschönste erscheint am 24. 12. und wird mit einem Jahresabo unserer Literaturzeitschrift IGdAaktuell*<br />
prämiert.<br />
Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen!<br />
*Mitglieder erhalten unser in Kürze erscheinendes Verlagsverzeichnis<br />
Das Forum „Gewaltfreies Burgenland” veranstaltet<br />
in Weiterführung der Aktivitäten rund um<br />
das Thema Gewalt einen Literaturwettbewerb<br />
mit dem Schwerpunkt Hörspiel. Der Gewaltbegriff<br />
ist im Rahmen dieses Literaturwettbewerbes<br />
sehr weit gefasst und reicht von direkten<br />
psychischen und physischen Gewalthandlungen<br />
an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bis<br />
hin zu struktureller Gewalt. Das heißt, auch Themen<br />
wie Diskriminierung, Ausbeutung und<br />
Übervorteilung, also Handlungen, welche, egal<br />
ob sie von konkreten Personen, Institutionen<br />
oder der Gesellschaft gesetzt werden, zu einer<br />
umfassenden Form der Gewalt, nämlich der Armut,<br />
führen können, sind in dieser Begriffsdefinition<br />
von Gewalt enthalten. Eingeladen sind vor<br />
allem Burgenländerinnen und Burgenländer,<br />
grundsätzlich aber alle Menschen, die sich literarisch<br />
mit der Gewaltthematik auseinandersetzen<br />
möchten. Eingereicht können unveröff. Hörspieltexte<br />
(max. 4.000 Anschläge inkl. Leerzeichen)<br />
werden, welche gewaltfreie Konfliktlösungen<br />
bzw. gewaltfreies verbales Auftreten gegen<br />
Gewalt zum Inhalt haben. Die Beiträge sind in<br />
2facher Ausfertigung (bitte Kopien und keine<br />
Originale, da die Beiträge nicht retourniert werden)<br />
einzusenden und mit einer sechsstelligen<br />
Kennnummer zu versehen. Name und Anschrift<br />
sowie eine Kurzbiogr. müssen in einem mit dieser<br />
Kennnummer bezeichneten verschlossenen<br />
Kuvert beigefügt werden. Pro Person ist nur ein<br />
Beitrag zugelassen. Sämtliche Rechte an ihrem/<br />
seinem Werk verbleiben bei der Autorin bzw.<br />
beim Autor. Sie bzw. er gestattet lediglich, dass<br />
ihr/sein Text, sofern er ausgewählt wird, einmalig<br />
kostenfrei auf einer Audio-CD veröffentlicht<br />
wird. Eine unabhängige Jury ermittelt die 3<br />
Beiträge, welche prämiert und mit dem „Goldenen<br />
Kleeblatt gegen Gewalt 2007” ausgezeichnet<br />
werden. Preise: 1. Preis: 1.000 Euro, 2. Preis:<br />
700 Euro, 3. Preis: 500 Euro. Die Jury wählt außer<br />
den drei mit dem Goldenen Kleeblatt 2007 ausgezeichneten<br />
Beiträgen noch einige weitere aus,<br />
welche gemeinsam mit den prämierten auf einer<br />
Audio-CD veröffentlicht werden. Die Autorinnen<br />
und Autoren aller veröffentlichten Beiträge<br />
erhalten jeweils 10 Ex. dieser CD. Einsendungen<br />
bis zum 14. 12. 2007 an: Kinder- und Jugendanwaltschaft,<br />
z. Hd. Frau Annemarie Koller,<br />
Hartlsteig 2 A-7000 Eisenstadt. Rückfragen unter<br />
+43-(0)26826002188 täglich von 8.00–15.00 Uhr<br />
bei Frau Annemarie Koller.<br />
Hobby- und Profi-Autoren aus der Region sind<br />
zum Schreibwettbewerb zum Thema Jahreszeiten<br />
eingeladen, den die Gemeinde Stockstadt<br />
anlässlich der Buchmesse im Ried ausschreibt.<br />
Wie die Buchmesse im Ried bietet auch der Wettbewerb<br />
besonders Autoren aus Südhessen einen<br />
Raum für ihre Arbeiten. Preise: Die besten Texte<br />
werden zu einem Buch zusammengefasst und<br />
dank der Kulturstiftung stehen 2.500 Euro für die<br />
Preisträger bereit. „Jeder kann mitmachen, ob mit<br />
literarischer Erfahrung oder nicht, ob Mann oder<br />
Frau, alt oder jung.” Gefragt sind vor allem Kreativität,<br />
Fantasie und etwas Mut. Neu ist, dass<br />
die Geschichte neben dem Bezug zum Thema<br />
auch eine Verbindung zum Ried haben soll. Damit<br />
wollen die Veranstalter dem Wettbewerb<br />
wieder eine stärkere regionale Note geben. In<br />
den vergangenen Jahren hatte der Wettbewerb<br />
deutschlandweit wachsende Beachtung gefunden,<br />
so dass immer mehr Autoren aus der ganzen<br />
Bundesrepublik und dem benachbarten Ausland<br />
Texte einreichten und zur Messeeröffnung<br />
nach Stockstadt kamen. So hatten die Siegertexte<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 42
zwar ein hervorragendes Niveau, aber nur noch<br />
selten einen regionalen Bezug – das soll sich nun<br />
ändern. Bis zum 15. 11. 2007 können Kurzgeschichten,<br />
Essays, Novellen oder andere Prosastücke<br />
eingereicht werden, Lyrik und Drama<br />
sind nicht zugelassen. Um den Nachwuchs zu<br />
fördern, werden junge Autoren bis 20 Jahre in<br />
einer eigenen Kategorie gewertet. Das Thema<br />
können die Autoren nach ihren Vorstellungen<br />
und Ideen auslegen: „Es kann Anlass zu Rückblick<br />
oder Vorschau geben für Veränderungen in<br />
der Natur oder anderswo stehen, dramatisch<br />
oder ironisch vom Leben der Menschen erzählen.”<br />
Jeder Text, den man mit Vergnügen liest,<br />
könne auch ausgezeichnet werden, ermutigen<br />
die Veranstalter. Beiträge in südhessischer Mundart<br />
sind dabei ausdrücklich zugelassen. Das<br />
Anmeldeformular mit den Wettbewerbsbedingungen<br />
liegt im Rathaus Stockstadt aus und kann<br />
dort angefordert werden kann. Infos gibt Klaus<br />
Pautsch vom Kulturamt unter 06158/82911.<br />
Für den Literaturwettbewerb Timmendorfer<br />
Strand werden unveröff. Kurzgeschichten zum<br />
Thema Strandkorb-Geschichten gesucht. Preise:<br />
1. Preis: 250 Euro, 2. Preis: 150 Euro, 3. Preis: 100<br />
Euro sowie ein Wochenende im schönen Ostseebad<br />
Timmendorfer Strand. Max. 3 DIN-A4-S. in<br />
2facher Ausfertigung, Schriftgröße 12, 1,5-facher<br />
Zeilenabstand, Seitenrand 2 cm. Alles ist erlaubt<br />
– vom sprachlichen Experiment bis zu Kurzprosa.<br />
Keine Gedichte, Romane, Drehbücher.<br />
Kurzbiogr. (max. 5 Zeilen), Geburtsdatum und<br />
Adresse nicht vergessen. Manuskripte müssen<br />
zur unentgeltlichen Veröffentlichung zur Verfügung<br />
stehen (mit Verfasser-Nennung. Wichtig:<br />
Unterschrift der Einverständnis-Erklärung, sonst<br />
keine (!) Berücksichtigung. Infos: Frau S. Kuring,<br />
Tel. 04503/807130. Einsendungen bis zum 30. 11.<br />
2007 an: Gemeinde Timmendorfer Strand,<br />
Hauptamt, Strandallee 42, 23669 Timmendorfer<br />
Strand.<br />
Der Dulzinea Lyrikpreis und der Haiku- und<br />
Senryû-Preis werden von der Zeitschrift Dulzinea<br />
vergeben. Die Preise verstehen sich als Förderpreise.<br />
Die Auswahl der Preisträger erfolgt<br />
durch die Redaktion. Textgrundlage für die Auswahl<br />
sind die veröff. Texte der Heftausgaben<br />
Dulzinea 11 und 12. Jeder Heftausgabe sind ein<br />
Lyrikpreis und ein Haiku- und Senryû-Preis zugeordnet.<br />
Preise: Dulzinea Lyrikpreis 6 = 1.000<br />
Euro, Dulzinea Lyrikpreis 7 = 1.000 Euro, 2 mal<br />
Haiku- und Senryû-Preis mit je 250 Euro. Themen:<br />
Dulzinea 12 – moderne Naturlyrik. Einsendungen<br />
bis zum 30. 11. 2007 (Termin wird<br />
evtl. verlängert) als E-Mail-Anhang an redaktion@dulcinea.de<br />
oder Dulzinea, Zeitschrift für<br />
Lyrik und Bild, Postfach 1927, 36009 Fulda. Teilnahmebedingungen<br />
siehe www.dulzinea.de/<br />
lyrikzeitschrift.htm.<br />
Der Herbert Utz Verlag veranstaltet im Rahmen<br />
der Reihe Literareon einen Kurzgeschichten-<br />
Wettbewerb mit dem Motto Eigentor. Pro Autorin/Autor<br />
darf nur ein bisher unveröff. Beitrag<br />
(1.000 Wörter) eingereicht werden. Die Kurzgeschichte<br />
muss einen Titel tragen, der das Motto<br />
enthalten kann, aber auf keinen Fall nur „Eigentor”<br />
lauten darf (Unterscheidbarkeit der Beiträge).<br />
Einsendungen bis zum 30. 11. 2007 (Poststempel)<br />
an: Literareon im Herbert Utz Verlag<br />
GmbH, Stichwort „Eigentor”, Adalbertstr. 57,<br />
80799 München. Der Text ist anonymisiert – d. h.<br />
ohne Nennung der Autorin/des Autors auf dem<br />
Beitrag – in folgender Form einzureichen: Ein Ex.<br />
einseitig ausgedruckt auf DIN-A4 und als Datei<br />
auf Diskette oder CD-ROM (als .doc, .rtf oder<br />
.txt) – bitte 2 Disketten/CDs einsenden (da diese<br />
oft durch den Postversand beschädigt werden).<br />
Dem Text voranzustellen sind Titel und Angabe<br />
der Wortanzahl. Der Text darf keine Text- und<br />
Formatauszeichnungen enthalten (wie kursiv,<br />
fett, unterstrichen). Die Teilnahme-Schutzgebühr<br />
ist in Form von Briefmarken oder Internationalen<br />
Postantwortscheinen beizulegen: Briefmarken<br />
der Deutschen Post AG (5 Marken à 55<br />
Cent), der Österreichischen Post AG (5 Marken à<br />
55 Cent) und der Schweizerischen Post (5 Marken<br />
à 85 Rappen). Aus dem übrigen Ausland<br />
senden Sie uns bitte 2 Stück Internationale Postantwortscheine.<br />
Beiträge, die die Formvorschriften<br />
nicht erfüllen, nehmen am Wettbewerb nicht<br />
teil. Dem Text ist ein Anschreiben mit Name und<br />
Anschrift, Titel des Beitrags, Geburtsdatum und<br />
Kurzbiogr. (3–5 Zeilen), die bei einer evtl. Veröffentlichung<br />
des Beitrags verwendet werden<br />
kann, beizulegen. Preise: 1. Preis: 500 Euro, 2.<br />
Preis: Buchpaket im Wert von 150 Euro, 3. Preis:<br />
Buchpaket im Wert von 100 Euro, 4.–10. Preis:<br />
Buchpakete im Wert von je 50 Euro, Sonderpreis<br />
für Studierende: 1 Wochenende für 2 Personen<br />
in Berlin. Die besten Kurzgeschichten werden in<br />
unserer Anthologienreihe /kladde.auf/die.reihe veröffentlicht.<br />
Die Teilnehmer verpflichten sich, ihre<br />
Werke bis zum Tag der Preisverleihung in keiner<br />
Form zu veröffentlichen. Die Teilnehmer des<br />
Wettbewerbes ermächtigen – ohne Verletzung<br />
von Urheber- und Persönlichkeitsrechten – den<br />
Veranstalter zur Veröffentlichung der Arbeiten<br />
und Kurzdarstellungen der Autorinnen/der<br />
Autoren. www.kurzgeschichten-wettbewerb.de/<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 43
Für des Genre des Literaturwettbewerbs Wartholz<br />
2008 gibt es keine Vorgabe – im Falle von<br />
Lyrik sollen 20 Gedichte eingesendet werden.<br />
Der Umfang des Manuskripts soll auf max. 25<br />
Vorlese-Minuten (ca. 10 S., max. 20.000 Zeichen<br />
mit Leerzeichen) begrenzt sein. Das Manuskript<br />
soll in 5facher Kopie (nicht handschriftlich), einseitig<br />
bedruckt und im A4-Format eingesendet<br />
werden. Um die Anonymität zu garantieren, darf<br />
auf dem Manuskript kein Verfassernamen angegeben<br />
werden. Beizulegen ist ein verschlossenes<br />
Kuvert, in dem Titel des Textes, Name, Anschrift<br />
und Tel.-Nr. sowie eine Ablichtung eines amtlichen<br />
Lichtbildausweises (Führerschein, Pass,<br />
usw.) und ein Lebenslauf enthalten sein müssen.<br />
Der Wettbewerb ist offen für Autorinnen und<br />
Autoren, die bereits literarische Texte veröffentlicht<br />
haben (in den letzten 5 Jahren mindestens 3<br />
Texte in Literaturzeitschriften, als Zeitungsfeuilleton<br />
bzw. in Buchform – kein Eigenverlag). Bitte<br />
dazu Kopien bzw. nachvollziehbare Unterlagen<br />
beilegen. Preise: 1. Preis: 10.000 Euro, 2. Preis:<br />
7.000 Euro, 3. Preis: zweimonatiges Stipendium<br />
in Reichenau a. d. Rax. Quartier und Verpflegung.<br />
2.000 Euro Taschengeld für zwei Monate.<br />
In dieser Zeit ist ein Text über die Gegend zu<br />
schreiben, für den es dann nochmals Euro 1.000<br />
für das Recht zur Veröffentlichung gibt. Aus den<br />
eingesendeten Texten sucht die Vorjury 18 Texte<br />
aus, die beim Lesewettbewerb von 4 namhaften<br />
Fachleuten bewertet werden. Das Wettbewerbslesen<br />
findet von 20.–23. 2. 2008 in Wartholz statt.<br />
Die Kosten für Quartier und Verpflegung der<br />
Autoren/innen übernimmt der Veranstalter. Wir<br />
haben das Recht, die Siegertexte zu veröffentlichen.<br />
Jeder Einsender, der zum Zeitpunkt der<br />
Einsendung das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet<br />
hat, darf nur einen unveröff. Text einreichen.<br />
Falls er bereits einen Termin zur Veröffentlichung<br />
hat, darf dieser nicht vor August 2008<br />
sein. Einsendungen bis zum 15. 12. 2007 an: Literaturwettbewerb,<br />
Schlossgärtnerei Wartholz,<br />
Hauptstr. 113, 2651 Reichenau a. d. Rax, Österreich,<br />
Tel. +43(0)699/11687786. Siehe auch:<br />
www.schlosswartholz.at<br />
Eine straffreie Karriere als Mörder eröffnet die<br />
Schule des Schreibens. Unter dem Motto Seien<br />
Sie heimtückisch – entdecken Sie Ihr Mordstalent<br />
sucht sie neue Krimi-Autoren. Eine Jury aus<br />
erfahrenen Autoren leitet die Ermittlungen. Preise:<br />
Den 5 Gewinnern winkt ein Intensiv-Krimiseminar,<br />
in dem sie von gestandenen Krimi-<br />
Autoren lernen, ihre Ideen zum druckreifen<br />
Kurzkrimi auszubauen. Um die Nachwuchsschriftsteller<br />
bekannt zu machen, veröffentlicht<br />
die Schule des Schreibens die 5 besten Kurzkrimis<br />
im Sammelband. AutorInnen senden ein kurzes<br />
Exposé (max. 1 Norms.) mit der Rahmenhandlung<br />
ihres Krimis, einen treffenden, originellen<br />
Titel sowie einen kurzen, packenden Einstieg<br />
(max. 1.000 Zeichen bzw. eine halbe Seite).<br />
Neben dem Seminar können die Autoren ein professionelles<br />
Lektorat und den praktischen Audio-<br />
Lehrgang „Erfolgreich Autor/in werden” gewinnen.<br />
Schicken Sie uns Ihr Manuskript in 4facher<br />
Kopie. Alternativ können Sie uns auch eine Datei<br />
per Mail oder auf CD zusenden (bitte nur im pdfoder<br />
rtf-Format). Auf Ihrem Manuskript darf<br />
kein Hinweis auf den Verfasser bzw. die Verfasserin<br />
erkennbar sein. In einem beigefügten geschlossenen<br />
Umschlag bzw. einer gesonderten<br />
Datei vermerken Sie bitte Ihren Namen, Ihre Anschrift<br />
einschließlich Tel.-Nr. und ggf. E-Mail-<br />
Adresse – und ganz wichtig – den Titel zu Ihrer<br />
Krimi-Idee. Dieser Titel muss mit dem Titel in<br />
Ihrem Manuskript übereinstimmen. Einsendungen<br />
bis zum 31. 12. 2007 an: Schule des Schreibens,<br />
Stichwort: Mordstalent, Neumann-Reichardt-Str.<br />
27–33, 22041 Hamburg, mordstalent@<br />
schule-des-schreibens.de, Tel. 040/6580954. Teilnahmebedingungen:<br />
www.mordstalent.de<br />
Die Arbeiterkammer Oberösterreich und Brucknerhaus<br />
Linz laden österreichischen und in<br />
Österreich lebenden AutorInnen ein zu Einreichungen<br />
zum Buchpreis 2008. Der mit 10.000<br />
Euro dotierte Preis wird für ein Buch verliehen,<br />
das sich auf hohem literarischen Niveau kritisch<br />
mit unserer Zeit beschäftigt, den sozialen Bedingungen,<br />
unter denen Menschen leben und arbeiten<br />
– oder nicht mehr arbeiten dürfen, mit<br />
dem gesellschaftlichen Wandel und damit zusammenhängenden<br />
politischen und ethischen<br />
Fragen. Eingereicht werden können ausschließlich<br />
Bücher, die ab Januar 2006 erstmals publiziert<br />
wurden. Ausgeschlossen sind Bücher aus<br />
Selbstverlagen, Sachbücher, Anthologien, Lyrik,<br />
Theaterstücke, Drehbücher und Hörspiele. Näheres<br />
unter: www.arbeiterkammer.com/www-96<br />
08.html oder Arbeiterkammer OÖ, Abteilung Bildung<br />
und Kultur, Tel. 050/69062611, schirl.h@<br />
akooe.at. Einsendungen bis zum 31. 12. 2007 an:<br />
AK Oberösterreich, Gruberstr. 40–42, 4020 Linz,<br />
Österreich.<br />
Die Kreisstadt Merzig verleiht gemeinsam mit<br />
dem Saarländischen Rundfunk in Würdigung<br />
des Schriftstellers Gustav Regler den nach ihm<br />
benannten Preis der Stadt Merzig und den För-<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 44
derpreis des SR. Preise: Hauptpreis 5.000 Euro,<br />
Förderpreis 2.500 Euro. Mit dem Hauptpreis<br />
wird eine herausragende, literarische Leistung<br />
prämiert. Beide Preise dürfen auch Übersetzer<br />
auszeichnen und Autoren, die sich reportageliterarischer<br />
oder essayistischer Formen bedienen.<br />
Mit dem Förderpreis wird ein „junger”<br />
Autor ausgezeichnet für einen Text von max. 20<br />
Norms., der sich mit dem Werk von Gustav Regler<br />
auseinandersetzt oder eine eigenständige Arbeit<br />
in der Nachfolge des saarländischen Autors<br />
darstellt. Unter „jung” sind Autoren zu verstehen,<br />
die nicht mehr als 3 eigenständige Veröffentlichungen<br />
vorweisen. Der SR hat das Recht,<br />
den Text des Förderpreisträgers einmalig zu<br />
senden. Vorschläge für den Hauptpreis und<br />
(eigene) Autoren-Bewerbungen für den Förderpreis<br />
sind bis 31. 12. 2007 zu richten an die Stadtbibliothek<br />
der Kreisstadt Merzig, Hochwaldstr.<br />
47, 66663 Merzig. Eigenbewerbungen für den<br />
Hauptpreis sind ausgeschlossen.<br />
Ziel des Buxtehuder Bullen ist es, SchülerInnen<br />
zum Intensiv- und Aktiv-Lesen zu bewegen und<br />
gleichzeitig zu einer Förderung und Verbreitung<br />
guter Jugendbücher beizutragen. Initiator des<br />
Preises ist der Buxtehuder Buchhändler Winfried<br />
Ziemann. Bei den Jugendbüchern muss es sich<br />
um Neuerscheinungen handeln. Die Jury setzt<br />
sich zusammen aus 11 Jugendlichen, 14–17 J.,<br />
und 11 Erwachsenen. Preise: 5.000 Euro sowie<br />
Stahlplastik in Form eines Bullen des Bildhauers<br />
Reinhard Güthling. Bücher aus dem Jahr 2006 (jeweils<br />
1 Expl. des Titels) bis zum 31. 12. 2007 an:<br />
Stadtbibliothek Buxtehude, Ulrike Mensching,<br />
Fischerstr. 2, 21614 Buxtehude, Tel. 04161/99906-<br />
0, u.mensching@stadt.buxtehude. de<br />
Für den Uslarer Literaturpreis 2008 werden Texte<br />
zum Thema Meine Heimat – einzigartig (bis<br />
35 Jahre) gesucht. Preise: 1. Preis: 1.000 Euro, 2.<br />
Preis: 500 Euro, 3. Preis: 250 Euro. Max. 6 DIN-<br />
A4-S., 12 Pt.; die Arbeiten tragen eine 4-stellige<br />
Codenr. und einen Vermerk zu Bundesland und<br />
Region. Beiliegend ein verschlossener Umschlag<br />
mit Adresse, Geburtstag, Tel., Mailadresse, Kurzbiogr.<br />
Codenummer und Vermerk zur Region/<br />
Bundesland sollen auch außen auf dem Umschlag<br />
angegeben werden! Einsendungen bis<br />
zum 31. 1. 2008 an: Harald Wetzold, Leipziger<br />
Str. 48, 37170 Uslar. Infos: www.literatur-kunstkreis-uslar.de/<br />
S T I P E N D I E N<br />
Bewerber gesucht für einen Aufenthalt als Kinder-<br />
und Jugendbuchautor/autorin in einem<br />
Schwarzwaldbauernhaus in Eisenbach für 3<br />
Monate, von Anfang April bis Ende Juni 2008.<br />
Dotation: 2.500 Euro und freies Wohnen. Einsendungen<br />
zum Thema Spielplatz Dorf (bis zu<br />
10 DIN-A4-S. in 5facher Ausfertigung, Erlaubnis<br />
zur Veröffentlichung sowie eine gesonderte Biblio-Biographie)<br />
bis zum 30. 11. 2007 an den Förderkreis<br />
Kreatives Eisenbach e.V., Steinbruchstr.<br />
26 oder Schulweg 14, 79871 Eisenbach. Kontakt<br />
zu regionalen Institutionen und das Durchführen<br />
von Lesungen und Gesprächen sind unbedingt<br />
erwünscht. Infos: www.kreatives-eisenbach.de/autorenwettbewerb.htm.<br />
Die Kinderbuch-Autorenresidenz Struwwelpippi<br />
kommt zur Springprozession wird 2008 vom<br />
Centre National de Littérature und von der<br />
Stadt Echternach ausgeschrieben. Die Stadt ist<br />
eine der ältesten Christianisierungs- und Kulturstätten<br />
Europas. Der irische Mönch Willibrord<br />
(gestorben 739) gründete hier eine Abtei. Echternach<br />
liegt in Luxemburg zwischen Metz, Trier,<br />
Aachen und Lüttich. Gesucht wird ein Kinderbuchautor/eine<br />
Kinderbuchautorin für die Zeit<br />
vom 4. 5. bis 1. 6. 2008. Das sprachliche Umfeld<br />
besteht aus lëtzebuergesch, deutsch und französisch.<br />
Der Aufenthalt fällt zusammen mit der<br />
jährlichen Springprozession zu Ehren des hl. Willibrord.<br />
Auch das Festival International de Musique<br />
Echternach findet zu diesem Zeitpunkt statt. Der/<br />
die Stipendiat/in wohnt in einem spätgotischen<br />
Patrizierhaus im Stadtzentrum und erhält ein Stipendium<br />
von 5.000 Euro, eine Pauschale für Reise<br />
und Aufenthalt und kann auf organisatorische<br />
Betreuung vor Ort zurückgreifen. Es besteht Präsenzpflicht<br />
sowie Teilnahme am kulturellen Leben,<br />
u. a. Durchführung einer öffentlichen Veranstaltung<br />
in Echternach und mehrerer Lesungen<br />
an Luxemburger Schulen. Mit den Lehrern soll<br />
über Kinder- und Jugendliteratur diskutiert werden.<br />
Kontakt wird gewünscht zu Schriftstellerkollegen<br />
und den Medien, sowie eine dort verfasste<br />
Erzählung des Autors, spielend in Echternach.<br />
Bewerber, der/die bereits in Buchform<br />
publiziert hat, übersenden unter dem Kennwort<br />
„Struwwelpippi kommt zur Springprozession”<br />
eine Auswahl ihrer Veröffentlichungen, einen Lebenslauf<br />
mit Foto und eine umfassende Bibliographie<br />
bis zum 31. 12. 2007 an Centre National<br />
de Littérature, 2 rue Emmanuel Servais, L-7565<br />
Mersch, Tel. 00352/3269551, Fax 00352/327090.<br />
Infos: www.literaturarchiv.lu<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 45
Die Aufenthalte Heinrich Heines sind ein Grund<br />
dafür, dass die Stadt Lüneburg und das Land<br />
Niedersachsen eine Wohnung und ein Literaturstipendium<br />
mit dem Namen des Dichters eingerichtet<br />
haben. Damit wird an eine literarische<br />
Tradition angeknüpft sowie ein Schwerpunkt für<br />
die Gegenwartsliteratur gesetzt. Autorinnen und<br />
Autoren sollen im Heinrich-Heine-Haus eine<br />
Zeitlang wohnen und arbeiten können. Bis Ende<br />
2008 sind alle Plätze belegt. Um Aufenthaltsstipendien<br />
für die Dauer von 6 Monaten und für<br />
die Dauer von 3 Monaten für die Jahre 2009 und<br />
2010 in Lüneburg können sich SchriftstellerInnen<br />
mit einer Buchveröffentlichung (kein Selbstverlag!)<br />
bewerben bis zum 31. 1. 2008; Dotation:<br />
1.400 Euro monatlich und freies Wohnen in einer<br />
2-Zimmer-Wohnung. Neben biographischen/<br />
bibliographischen Angaben in 3facher Ausführung<br />
werden die letzte Veröffentlichung in 2 Ex.,<br />
und 10–20 S. aus einem unveröff. Manuskript in<br />
3 Ex. erbeten. Mit einer Buchveröffentlichung<br />
vergleichbar ist eine größere Anzahl von Einzelveröffentlichungen,<br />
ein Theatertext oder ein Hörspiel.<br />
Das Heinrich-Heine-Stipendium wird<br />
nicht an Übersetzer und Sachbuch-Autoren vergeben.<br />
Bewerbungsunterlagen an: Literaturbüro<br />
Lüneburg e. V., Heinrich-Heine-Haus, Am Ochsenmarkt<br />
1, 21335 Lüneburg. Rückfragen bei<br />
Kerstin Fischer, 04131/309-687 oder literaturbuero@stadt.lueneburg.de.<br />
Kulturschaffenden aus der Schweiz und aus dem<br />
Ausland in den Bereichen Bildende Kunst, deutsche<br />
Literatur, Theater, Musik stellt die Stadtmühle<br />
Willisau ein Wohnatelier inkl. Lebenskostenzuschuss<br />
zur Verfügung. Bewerbungen<br />
für einen in der Regel dreimonatigen Aufenthalt<br />
für die Zeit vom 1. 1. bis 31. 12. 2009 sind mit Angabe<br />
der gewünschten Aufenthaltszeit bis zum<br />
15. 2. 2008 (Poststempel) zu richten an: Stadtmühle<br />
Willisau, Stefan Zollinger, Müligass 7,<br />
Postfach 3260, CH-6130 Willisau, Tel. 0041/<br />
419725900. Der Bewerbung sind beizufügen:<br />
Deutsche Literatur: Bewerbungsformular (www.<br />
stadtmuehle.ch/pdf/FormularBewerbung09.<br />
pdf), Vita, Publikationsliste, Leseproben, Begründung<br />
der Bewerbung (Motivation). Bildende<br />
Kunst: Vita, Ausstellungsliste, Werkdokumentation.<br />
Elektronische Daten auf CD-Rom oder<br />
DVD. Musik: Vita, Konzertliste, Werkdokumentation,<br />
Partituren nur in Auszügen (DIN-A4).<br />
Elektronische Daten auf CD-Rom oder DVD.<br />
Infos: www. stadtmuehle.ch<br />
Inserat Druck + Papier<br />
Weitere Ausschreibungen auf www.igda.net/blog (Achtung: neue URL)<br />
Die Redaktion begrüßt in ihrer Mitte Angelika Zöllner. Sie betreut den Service-Bereich und das Internet.<br />
Heide Mais und Juliane Schätze, die aus persönlichen Gründen ihr Amt nicht mehr ausüben können,<br />
danken wir sehr herzlich für ihre Arbeit und Mühe.<br />
IGdA-aktuell, Heft 3 (2007), Seite 46