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Heft 1 (2013) - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

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Organ der<br />

<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />

<strong>deutschsprachiger</strong><br />

<strong>Autoren</strong> e. V.<br />

ISSN 0930-7079<br />

IGdA-aktuell<br />

37. Jahrgang <strong>2013</strong><br />

Ausgabe 1<br />

Einzelheft € 6.-<br />

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik


INHALT<br />

IMPRESSUM<br />

EDITORIAL<br />

Gaby G. Blattl S. 3<br />

LYRIK S. 4<br />

von<br />

Th. Schmich: Zahl es heim<br />

W. Riedel: Welle;<br />

W. Klevinghaus:<br />

Unausgesprochen;<br />

G.v.Hippel-Schäfer:<br />

Verwindung;<br />

Georg Walz: sylphen;<br />

W. Volka: Crash;<br />

G. Jaeckel: Monat des Lichts;<br />

I. ter Veer: In der Nacht;<br />

Heidrun Schaller:<br />

tönende Himmelsspuren;<br />

R.Weidauer: Gethsemane;<br />

J.K. Kuppe: abhanden<br />

gekommen;<br />

H. Thomas: Pfingsmontag;<br />

Cordula Scheel: Gehen<br />

müssen;<br />

Th. Rackwitz: ein ara;<br />

H. Wischnat: Altersweisheit;<br />

Erratum<br />

PROSA S. 8<br />

von<br />

P.J. Kempf: Freunde;<br />

W. Seekamp: Postkarte;<br />

M.M. Zulla: Der Fremde;<br />

M. Hesseler: Im Spinnennetz;<br />

R. Bachmann-Voelkel: Sein<br />

letzter Tag;<br />

R. Vollath: Das Begehren; Oleg<br />

Suturin: Sie wusste es; Th.<br />

Schiffer: Am Flughafen;<br />

H. Protsch: Begegnung;<br />

F. Preitler: Gewalt ist keine<br />

Lösung<br />

ESSAY S. 28<br />

Johanna Klara Kuppe:<br />

Violett I<br />

Birgit Brüster: Max Ernst<br />

IGdA S. 34<br />

Nachruf<br />

Rainer Hengsbach-<br />

Parcham<br />

Neue Mitglieder S. 35<br />

Thomas Schiffer<br />

Helmfried Protsch<br />

Lothar Klouten<br />

Aktivitäten der Mitglieder<br />

S. 36<br />

Aus der Redaktion<br />

Das Jahr <strong>2013</strong><br />

Erinnerung:<br />

Seminar in Puchheim S. 38<br />

Jahreshauptversammlung<br />

<strong>2013</strong> S. 39<br />

Programm S. 40<br />

Wettbewerbe S. 41<br />

Redaktionsanschrift der<br />

IGdA-aktuell: (derzeit)<br />

Gaby G. Blattl (siehe Geschäftsstelle)<br />

Zuständigkeiten:<br />

Renate Weidauer (Lyrik,<br />

Leserbriefe)<br />

renateweidauer@igda.net<br />

Gaby G. Blattl (Prosa/Essay, Büchertisch,<br />

Rezensionen, Aktivitäten,<br />

Internes, Wettbewerbe, etc.))<br />

e-mail: gabyblattl@igda.net<br />

Georg Walz (Umschlag, Grafik)<br />

redaktion.igda@gmail.com<br />

Postanschrift:<br />

IGdA - Johanna Klara Kuppe<br />

71332 Waiblingen, Hausgärten 6<br />

Layout: Gaby G. Blattl, Wien<br />

Druck: Medien-Service Winter<br />

Bad Winsheim)<br />

IGdA-aktuell erscheint dreimal pro<br />

Jahr, für Mitglieder kostenlos Abonnement:<br />

€ 18 .-/Jahr<br />

Alle Rechte an den Beiträgen liegen<br />

bei den <strong>Autoren</strong>. Nachdruck nur mit<br />

ausdrücklicher Genehmigung der<br />

Urheberrechthaber. Namentlich gezeichnete<br />

Beiträge geben die Meinung<br />

der <strong>Autoren</strong>, nicht unbedingt die der<br />

Redaktion wieder.<br />

ISSN 0930-7079<br />

1. Vorsitzender: Othmar Seidner<br />

A-1020 Wien, Handelskai 224/5/9/59<br />

e-mail: othmar-seidner@chello.at<br />

Tel: 00431/9252565<br />

Geschäftsstelle: Gaby G. Blattl<br />

A-1230 Wien<br />

Anton- Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />

e-mail: gabyblattl@igda.net<br />

Tel: 00431/9671024<br />

Schatzmeister: Dr. Volker Wille<br />

D-30659 Hannover, Platanenhof 23<br />

e-mail: adl.wille@t-online.de<br />

Tel: 0511/652823<br />

Bankverbindung:<br />

Postbank Hannover, BLZ: 250 100 30<br />

Konto: 102088-302<br />

IBAN DE50 2501 0030 0102 0883 02<br />

BIC PBNKDEFF<br />

IGdA-Aktuell wird auf chlorfrei<br />

gebleichtem Papier gedruckt.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 2


EDITORIAL<br />

Liebe Mitglieder der IGdA,<br />

Liebe Leser,<br />

Das Jahr ist noch jung, es kann ein gutes werden – wenn wir das wollen!<br />

In diesem Jahr gibt es wieder ein Seminar, das Prof. Dr. Mario Andreotti in Puchheim abhält. Zur<br />

Erinnerung – Details im Blattinneren; es sind noch Restplätze frei.<br />

- In diesem Jahr – findet die Jahreshauptversammlung in Wien statt. Anmeldungen bitte rechtzeitig<br />

bis Ende April <strong>2013</strong> an die Geschäftsstelle. Das bedeutet nicht, dass Schnellentschlossene nicht<br />

erwünscht sind, aber zur Planung sind Angaben notwendig. Das Treffen findet statt, auch wenn<br />

weniger als 15 Mitglieder außer dem Vorstand teilnehmen. Freunde, Bekannte, Interessierte sind<br />

jederzeit willkommen.<br />

Sie finden das Programm in dieser Ausgabe. Beiträge zum Thema ‚Zeit darf nicht bemessen<br />

werden‘ für den Festabend werden die Teilnehmer sicher mitbringen, damit gelesen, gelesen und<br />

gelesen werden kann. Wie versprochen, wird es wienerisch – literarisch – interessant werden.<br />

- In diesem Jahr wird – wir hoffen es – die Descher-Feder wieder vergeben, ein Festabend dazu<br />

ist in Planung.<br />

- In diesem Jahr haben wir bereits jetzt drei neue Mitglieder gewinnen können.<br />

Helmfried Protsch - Literat, Künstler, Gallerist - ein Verleger mit Herz und Sachkenntnis für<br />

Literatur und <strong>Autoren</strong>, der in seinem Münchner Georg von Toyberg Verlag äußerst interessante<br />

Bücher herausgibt, auch zweisprachig (zuletzt Übersetzungen von Sologub-Gedichten aus dem<br />

Russischen ins Deutsche), und das zu sensationellen Bedingungen. Mehr dazu finden Sie in dieser<br />

Ausgabe. Thomas Schiffer und Helmfried Protsch sind jeweils mit einem Prosatext vertreten<br />

In Lothar Klouten haben wir einen Historiker, Sozialwissenschaftler, Pädagogen, tätig als Autor,<br />

Journalist und Herausgeber, gewinnen können, der abseits der Verlagsszenerie eigene Wege geht<br />

und auch andere <strong>Autoren</strong> mit seinem Konzept unterstützt. Auch dazu lesen Sie bitte im Blattinneren.<br />

Dadurch rückt die Möglichkeit der Herausgabe eines Almanachs in greifbare Nähe. Wer Interesse<br />

an einer Beteiligung eines solchen Buches hat, möge das in der Geschäftsstelle melden.<br />

Es kann ein gutes Jahr werden – wenn wir aktiv werden. Damit komme ich zur Zeitung:<br />

es wird noch immer nach einem/einer ZeitungsmacherIn gesucht.<br />

Wer sein Gedicht, seinen Prosatext, ein Essay, eine Glosse, etc. in der IGdA-aktuell lesen möchte,<br />

muss Texte einsenden. Zur Erinnerung: Gedichte an renateweidauer@igda.net, alle anderen Texte<br />

an die Geschäftsstelle.<br />

Allerdings können wir nur einwandfreie Manuskripte annehmen, tippfehlerfrei, grammatikalisch<br />

und auch die Orthographie betreffend. Es übersteigt unsere Möglichkeiten, Beiträge zu lektorieren.<br />

Wortschöpfungen sind interessant, Schreibfehler nicht.<br />

Bitte bedenken Sie, dass jeder Text, den Sie aus der Hand geben, Ihre Visitenkarte ist. Die Sprache<br />

ist unser Instrument, mit dem wir pfleglich umgehen sollten.<br />

Mit den besten Wünschen für ein erfreuliches, kreatives, erfüllendes 2 0 1 3,<br />

Gaby G. Blattl<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 3


LYRIK<br />

Theo Schmich, Essen<br />

Zahl es heim<br />

Ich zahl es dir heim<br />

Droht der Mann<br />

Der Frau<br />

Die es schon heimgezahlt hat<br />

Die Gleichgültigkeit<br />

Mit Kälte gezahlt<br />

Mit Schlägen der Mann<br />

Die Frau dem Kind das zurück<br />

Das wächst<br />

Kälte, Gleichgültigkeit<br />

Ich zahl es dir heim<br />

Soldat<br />

Krieg<br />

Zahl es heim<br />

Tod, Vernichtung<br />

Kälte Gleichgültigkeit<br />

Ich zahl es heim.<br />

aus: „Am Ufer der Träume“ Anthologie Heyne-Verlag<br />

Wilma Klevinghaus, Erkrath<br />

Unausgesprochen<br />

Sie sprachen viel<br />

an diesem Abend<br />

lachten und scherzten<br />

wälzten Fragen<br />

und Probleme<br />

die beide bewegten<br />

Es kribbelte<br />

in ihren Leibern<br />

und Herzen<br />

Aber das Wort<br />

das eine Wort<br />

auf das beide warteten<br />

wagte keiner<br />

auszusprechen<br />

und die Welt<br />

und ihrer beider Leben<br />

änderten sich nicht …<br />

Wilhelm Riedel, Groß-Zimmern<br />

Welle<br />

Ein Vogel schwingt leicht<br />

vom Nest im Gebüsch<br />

zum Giebel hinauf,<br />

sein Lied schwebt herunter<br />

in unsere Ohren,<br />

sie öffnen sich weit,<br />

tief aus der Seele<br />

antworten Laute,<br />

werden zum Bild,<br />

mein Heim und Palast,<br />

Melodie aus Chören,<br />

die mich umklingt.<br />

Gabriele von Hippel-Schäfer,<br />

Freiburg-Opfingen<br />

Verwindung (Phönix 3)<br />

Da ich nun stürzte<br />

In Trauer und Trug<br />

Wandelte sich<br />

Mein Gefieder zu Asche<br />

Fliege Asche<br />

In schneeige Weite<br />

Durch das VerBlasen<br />

VerZweifeln VerWinden<br />

Rauschen die Gründe<br />

Noch immer LebWohl<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 4


LYRIK<br />

Georg Walz, Wolfrathshausen<br />

Sylphen<br />

trocknen tränen<br />

damit sie die glut der sehnsucht nicht<br />

löschen, als ob die wölfe<br />

nicht schon genug damit zu tun<br />

hätten, die schatten der nacht<br />

aus ihren rufen zu<br />

filtern<br />

Willi Volka, Hannover<br />

Crash<br />

Milchstraßengeometrie<br />

angekreuzt<br />

mit weiß gekreuzigtem Blau<br />

verschleiert.<br />

Flugzeiten und Reisewege<br />

kreuzen<br />

über und nacheinander sich<br />

die Zeiten sind so.<br />

In Sekunden<br />

streifen Schwingen einander<br />

Zugvögel stürzen schwingen<br />

federlos.<br />

Luftkreuz ohne Balken<br />

dann steht auf das Entsetzen<br />

rauchende Seelen<br />

zum Unbekannten.<br />

Gerda Jaeckel, Bad Doberan<br />

Monat des Lichts<br />

Komm trag mich empor<br />

Lichter drehen im Feld<br />

Golden zeigt sich deine Welt<br />

den Überfluss zu loben<br />

Irmentraut ter Veer, Den Haag<br />

In der Nacht<br />

das Meer<br />

rauscht anders –<br />

ein Möwenschrei<br />

blitzt kurz auf<br />

im Wolkengewölbe –<br />

knirschende Schritte<br />

im Sand<br />

halten an –<br />

Tropfengefunkel<br />

in Dunkelheit<br />

sprüht in die Seele<br />

aus Zitternder Himmel<br />

Heidrun Schaller, Glückstadt<br />

tönende Himmelsspuren<br />

sind mit dem<br />

warmen Westwind<br />

unter dem Gefieder<br />

vom Meer her<br />

über das frostige Land<br />

gezogen<br />

Frühlingsbotschaft<br />

am noch klirrendkalten<br />

zartblauen Firmament<br />

Renate Weidauer, Puchheim<br />

Gethsemane<br />

Wo die Stille schreit<br />

ist Gethsemane<br />

hinter der Mauer<br />

von Schlaf<br />

herrscht Einsamkeit.<br />

Gefährten entzogen sich<br />

in den Schutz<br />

ihres abwesenden Ich.<br />

Ohne Widerhall<br />

Gebete und Weinen<br />

des Einen.<br />

Anprall an geschlossene Lider.<br />

ER allein<br />

mit dem Vater.<br />

Nah kräht der Hahn.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 5


LYRIK<br />

Johanna Klara Kuppe, Waiblingen<br />

abhanden gekommen im<br />

wolfsmond sind die<br />

abgenommenen flügel<br />

wünschelrute<br />

nistet kälte im<br />

leintuch aus fahlem<br />

gelächter ameisen<br />

sägen am pappelblatt.<br />

Helga Thomas, Lörrach<br />

Pfingstmontag<br />

Gestern<br />

war der Tag der Erleuchtung,<br />

als ihr DAS WORT verstanden,<br />

gleich, mit welchen Zungen gesprochen,<br />

denn das Feuer der göttlichen Zunge<br />

hat euren Scheitel geküsst.<br />

Heute<br />

versucht ihr zu erinnern,<br />

was gestern geschah, und erzählt euch,<br />

was jeder erlebte,<br />

und schon versteht ihr<br />

das Wort des andern<br />

nicht mehr.<br />

Cordula Scheel, Hamburg<br />

Gehen müssen<br />

Zurücklassen<br />

„Wir verlieren viel<br />

manche Dinge<br />

haben“ sagst du<br />

„ein Eigenleben<br />

manche sterben<br />

manche müssen wir<br />

einfach loslassen<br />

freiwillig<br />

auch Menschen<br />

ihnen zuliebe<br />

um unsretwillen<br />

sie rufen sonst<br />

unsere Augen zurück<br />

unterwegs“<br />

die Nacht legt sich<br />

über deine Worte<br />

„Was taugt kommt<br />

im Dunkel ans Licht“<br />

sagst du und „am Bug<br />

spürst du die Bewegungen<br />

des Wassers in allem“<br />

Die alte Geschichte<br />

vom Tribunal der<br />

Schiffbrüchigen<br />

dort bestehen können<br />

offene Augenblicke<br />

schwankende Wände<br />

leere Räume<br />

Willi Volka, Hannover<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 6


LYRIK<br />

Thomas Rackwitz, Berlin<br />

ein ara hatte aranoia<br />

(er saß zu lang im aradies).<br />

ihn zwickten keine arasiten,<br />

doch gings ihm arantiert recht mies,<br />

denn flog er einen arathon,<br />

mit nem arapluie, im schlaf.<br />

vorbei ging es am ararat<br />

(arabisch schwieg ein aragraf) –<br />

der berg stand unter arantäne.<br />

er lernte dort aranteln lieben:<br />

arachneglück, dann arakiri.<br />

ach, wär er nur im aradies geblieben ...<br />

Hermann Wischnat, Bad Laer<br />

Altersweisheit<br />

Ich bin seit einiger Zeit im Ruhestand<br />

und warte<br />

mit Ungeduld<br />

auf meine Altersweisheit<br />

Also früher hätte ich nie geglaubt,<br />

dass einer auf die so lange warten muss.<br />

Ich weiß nicht.<br />

Sollte ich etwas zwischendurch<br />

immer mal wieder für die doch mal<br />

was tun?<br />

An dieser Stelle noch einmal die dringende<br />

Bitte: der Frühling kommt, bunt und prächtig -<br />

werden Sie kreativ, fröhlich oder ernst - senden<br />

Sie Gedichte! Der Fundus ist fast ausgeschöpft.<br />

Ilona Daniela Weigel, Böblingen<br />

In den Strassen dieser Stadt<br />

(für Tadeusz Bonkowski *5. 3.1960)<br />

Auf die Straße gejagt<br />

Kälte<br />

Dein Bett unter Dir<br />

Ein Eimer manchmal<br />

Deinen Nieren<br />

Eine Tüte zum Schutz<br />

Polizisten<br />

Kamen<br />

Zogen die Schuhe Dir aus<br />

Sie WOLLTEN<br />

Nur<br />

Du lebst immer noch<br />

Im Regen<br />

Geschlafen im Schnee<br />

Der so warm in Deinem Mund<br />

Und wo Obdach für Dich in dieser Stadt<br />

Ist nur der Tod Dein Freund<br />

Doch Du fürchtest ihn nicht mehr<br />

Du bleibst und sprichst zu mir<br />

Malst Leben<br />

In die Augen toter Seelen<br />

In den Straßen<br />

Dieser Stadt<br />

(26. Oktober 2011)<br />

ERRATUM: bedauerlicherweise wurde in der<br />

letzen Ausgabe das Gedicht fehlerhaft abgedruckt.<br />

Hier der Originaltext.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 7


PROSA<br />

Peter J. Kempf, Blieskastel-Biesingen<br />

Freunde<br />

Die Franzosen riefen ihn Frederic,<br />

den Saarländer, der mit seinen Mannen in<br />

Frankreich Straßenmarkierungen auftrug und<br />

Leitplanken setzte. Wir würden nach dem<br />

ersten Tag sterben, wir „Sesselfurzer“ und<br />

„Schaffschuhversteckler“, tönte er im Verlauf<br />

einer Diskussion auf der Geburtstagsfeier<br />

seines Freundes, meines Nachbarn. Ich musste<br />

lachen. Zwei Jahre zuvor hatte ich ein Haus<br />

gebaut, war als Polizist gut durchtrainiert und<br />

hatte vorm Staatsdienst unter Tage mein Geld<br />

verdient. Körperliche Anstrengungen waren<br />

mir nicht fremd. Das war im April 1978, nach<br />

mehreren St. Emilion Grand Cru. Zwei Monate<br />

später stand ich mit meinem Nachbarn im<br />

Depot der Firma „Secouroute“ in Senlis und<br />

blickte in Fritzes Gesicht. „Zwei Freunde von<br />

mir, Hans und Peter, ein Buchhalter und ein<br />

Polizist. Die werden uns in den nächsten<br />

zwei Wochen unterstützen. Ihr braucht sie<br />

nicht zu schonen. Die sind ausgeruht.“ Etwa<br />

fünfzehn Gesichter strahlten uns freudig<br />

erregt an. Kurz und bündig die Vorstellung,<br />

dann ging’s an die Arbeit. Wir trugen jetzt<br />

eine orange Kluft. Vierzig Kilo wog eine<br />

Leitplanke und der Vorschlaghammer war<br />

auch nicht ohne. Bald floss der Schweiß<br />

in Strömen. Die Dusche am Abend, eine<br />

Wohltat für die geschundenen Knochen.<br />

Ein Krampf der Armmuskulatur ließ nicht<br />

mehr zu, dass ich Hals und Haare wusch.<br />

Hans erging es nicht anders. Wir hatten uns<br />

gut vorbereitet, doch nicht gut genug. Aber<br />

wir schliefen tief wie Murmeltiere und der<br />

nächste Morgen sah uns mit strahlendem<br />

Gesicht. Keine Schwäche zeigen…<br />

Nach nur drei Tagen hatten wir uns den<br />

Respekt der Jungs erarbeitet. Fritz, der uns<br />

nach der Vorstellung im Depot verlassen hatte,<br />

kam am Donnerstag von einer Baustelle bei<br />

Montpellier zurück. Bald war er über alles<br />

informiert, auch über unsere Leistung. Dass<br />

wir so mithalten würden, daran hatte er nicht<br />

geglaubt. Wir hatten Spaß an unserer Arbeit,<br />

auch weil wir wussten, dass das Ende der<br />

Knochenarbeit abzusehen war.<br />

„Das Wochenende verbringen wir in Paris“,<br />

versprach Fritz, der mit uns äußerst zufrieden<br />

schien. Während der Woche hatte ich einen<br />

Freund gefunden. Jean-Marie war Lehrer,<br />

hatte aber keine Anstellung gefunden, da<br />

er Kommunist sei, hatte er mir erklärt. Er<br />

stammte aus dem lothringischen Sarralbe,<br />

wo die Firma ihren Sitz hatte, und er sprach<br />

besser Deutsch als ich Französisch. Vom<br />

Aussehen her hätte er Pierre Richards<br />

Cousin sein können. Auch seine Haare<br />

versuchten vom Haupt zu flüchten. Und<br />

genau wie der große Blonde mit dem<br />

schwarzen Schuh, ließ er keine Gelegenheit<br />

aus, mit Wortwitz zu glänzen. Seine ernste<br />

Seite bugsierte den Frankreichbazillus in<br />

meine Hirnwindungen, nachdem er mich<br />

bereits nach den ersten Tagen in Senlis und<br />

die Histoire der Krondomäne eingetaucht<br />

hatte. Montags war ich eingetroffen, mittwochs<br />

war mir Hugo Capet kein Fremder<br />

mehr. Jeanne d’Arc sah ich im Schlaf<br />

nach Paris reiten und Louis de Funes als<br />

Geizigen durch die Fausse Porte hecheln.<br />

Am Samstagmorgen starteten wir Richtung<br />

Paris. Jean-Marie und Robert, ein bärbeißig<br />

scheinender Auvergnate, begleiteten uns. In<br />

St. Denis stellten wir as Auto ab und stiegen<br />

in die Metro. Einmal umsteigen, dann<br />

brachte uns beim Trocadero eine Treppe<br />

hoch zum Palais de Chaillot. Die Sonne<br />

schien und der Platz erschlug mich fast. Wir<br />

liefen einige Meter am Palais vorbei, dann<br />

sah ich ihn, den Eiffelturm. Ich war zum<br />

ersten Mal in Paris, und das, was hier meine<br />

Augen erblickten, begeisterte mich. Dieses<br />

Stahlgerüst…Phänomenal !!! Bis zum Abend<br />

hatten unsere Freunde uns Pariser Fassaden<br />

gezeigt, in der Nacht machten sie uns am<br />

Place de Clichy und Pigalle mit der Seele<br />

bekannt. Eine Taxe brachte uns gegen Morgen<br />

nach St. Denis. In Senlis angekommen fiel<br />

ich bald in tiefen Schlaf. Dann begann ich zu<br />

träumen, und am Morgen wusste ich, dass<br />

Paris einen Platz in meinem Herzen erobert<br />

hatte. Auf der Rückfahrt nach Sarralbe, wo wir<br />

von unseren Frauen sehnsüchtig erwartet wurden,<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 8


PROSA<br />

bot uns unser Patron an, jederzeit könnten wir<br />

die Sache wiederholen. Ein Anruf genüge. Wir<br />

riefen nun jedes Jahr an. Doch Hans schied kurz<br />

vor Weihnachten 1982, nach einem Herzinfarkt,<br />

aus dem Leben, mit 42 Jahren. Ich konnte mich<br />

jetzt nicht auch noch von meinen französischen<br />

Freunden trennen. Ab 1983 verbrachte ich daher<br />

jährlich drei Wochen in meiner zweiten Heimat.<br />

Einmal vierzehn Tage Urlaub, dann noch acht<br />

Tage Überstundenrückvergütung.<br />

Im Juni 1984 erlebte ich das Departement Oise<br />

emotionsgeladen wie nie zuvor. Ich kannte jetzt<br />

auch Compiegne und weite Landstriche an der<br />

Somme entlang, und ich hatte während unserer<br />

Arbeit viele Soldatenfriedhöfe gesehen.<br />

Am Montag, 4. Juni, hatte ich mich nach<br />

Sarralbe begeben. Mit Fritz fuhr ich nach St.<br />

Quentin, dann auf die Baustelle nach Banteux,<br />

wo wir Jean-Marie mit seinem Arbeitstrupp<br />

trafen. Ich zog den Orange-Anzug an und fuhr<br />

mit meinen Freunden nach Vendhuile, von<br />

dort durchs freie Feld Richtung Epehy, wo wir<br />

an der Autobahnbaustelle Leitplanken abluden.<br />

Hier, wo die Departement Aisne, Nord und<br />

Somme sich treffen, sind die Soldatenfriedhöfe und<br />

Kriegerdenkmale nicht zu übersehen. Es regnete<br />

auf Teufel komm raus und überall wurden die<br />

Feiern zum vierzigsten Jahrestag der Landung<br />

der Alliierten in der Normandie angekündigt.<br />

Mir war bei dem Gedanken, dass mein Großvater<br />

hier auch im 1.Weltkrieg gekämpft hatte, ganz<br />

mulmig zumute. Der Kaiser hatte ihn als<br />

45-jährigen noch zu den Waffen gerufen und an<br />

die Westfront geschickt. Auf seiner Heimatkarte<br />

des Saargebiets, die er mit ins Feld genommen<br />

hatte, ist zu lesen, dass er am 9.1.1917 eingezogen<br />

wurde, dann über Lüttich und Hirson bis nach Laon<br />

gelangt war, eingetroffen am 22.6.1918. Allein<br />

der Gedanke, dass er irgend einen Angehörigen<br />

eines meiner Freunde getötet oder verletzt haben<br />

könnte, bescherte mir eine Depression, die sich<br />

zwei Tage später noch verstärkte, als ich in „Le<br />

Matin“ den Aufmacher las: JOUR „J“ + 40 ANS.<br />

Darunter war zu lesen, dass die Amerikaner an<br />

diesem 6. Juni 1944 sechstausend Gefallene zu<br />

beklagen hatten. Meine Freunde konnten nicht<br />

fassen, dass meine sonst gute Laune durch diese<br />

Geschehnisse derart gravierend abgesackt war.<br />

Sie witzelten und versuchten mich aufzubauen.<br />

„Peter! Am Freitag feiern wir ein Fest“, kündigte<br />

Jean-Marie an. „Ich lade auch meine Freunde<br />

ein.“ Am Abend war ich dank des Zuspruchs<br />

meiner Mitstreiter wieder obenauf, so dass ich<br />

mich auf Freitag freuen konnte. Gemeinsam mit<br />

Jean-Maries Freunden hatte ich in den Jahren<br />

zuvor manche Nacht durchgefeiert. Wir hatten<br />

Rotwein bis zum Abwinken genossen und uns<br />

dabei die Köpfe heißgeredet. Oft bot allein mein<br />

Beruf für Stunden Diskussionsstoff. Besonders<br />

liebte ich in Senlis die „Belle Epoque“, eine heute<br />

nicht mehr vorhandene Jazzkneipe. Ihre Belle<br />

Epoque Ausstattung hatte mich fasziniert, genau<br />

wie Jacques Doudells Jazzband. Hier hatten wir<br />

über Malerei und Architektur, über Literatur und<br />

Geschichte parliert. Man hatte mich mit Villon<br />

und Sartre bekannt gemacht, mir Voltaire, Diderot,<br />

Rousseau und viele andere zu lesen empfohlen:<br />

Ich fühlte mich hier, als gehörte ich zur Familie.<br />

Und am Freitagabend sah ich sie hocherfreut<br />

wieder: Simon, ein Engländer, mit seiner Freundin<br />

Géraldine, Gérard, Didier, Pascal, Philippe und<br />

Jean-Marie. Schade nur, dass Sonja fehlte, die<br />

sich Monate zuvor von Jean-Marie getrennt hatte.<br />

Die Feier zur Landung in der Normandie, das zu<br />

der Zeit den Alltag beherrschende Thema, wurde<br />

mit keinem Wort erwähnt. Wir unterhielten uns<br />

über Musik, Literatur und Geschichte, und<br />

darüber, was ich hier tun könnte, wenn ich die<br />

Uniform an den Nagel gehängt, Haus verkauft<br />

und mit Frau und Kind hierher gezogen wäre.<br />

Wir sprangen von der Kunst und Kultur zum<br />

schnöden Alltag, rechneten das eine gegen das<br />

andere auf und gossen Rotwein in uns hinein. Da<br />

keine Band spielte nahm Simon eine Gitarre von<br />

der Wand und untermalte mit geübten Griffen<br />

die Diskussion. Ich hatte in all den Jahren<br />

französische Kultur und Lebensart genossen und<br />

hatte selbst bereits ausgelotet, welche Perspektive<br />

sich mir hier bieten. Auf Dauer war die Arbeit<br />

auf der Straße, die Fritz mir anbot, keine Lösung,<br />

nur als Übergang. Aber Übergang zu was? Es<br />

war bereits Vier, als ich mutterseelenallein an der<br />

Kathedrale vorbei zum Arbeiterwohnheim hin<br />

trottete. Im Vorbeigehen bat ich Jeanne d’Arc um<br />

einen Fingerzeig, wobei ich hoffte, dass sie auch<br />

einen trunkenen Deutschen erhört. Acht Tage<br />

später nahm mich der häusliche und dienstliche<br />

Alltag wieder in Empfang. Von der Krondomaine<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 9


PROSA<br />

aufs flache Land. Genauso fühlte ich mich. Und<br />

der Dienstalltag begann wieder in mir zu fressen,<br />

besonders das innerdienstliche Hick-Hack.<br />

Mit dem Geld, das Fritz mir zugesteckt hatte,<br />

fuhr ich vier Wochen später samt Familie nach<br />

Cannes, genau gesagt in den chemin de l’Olivet,<br />

wo wir im vierten Stock eines Hochhauses<br />

die Zweitwohnung einerBekannten angemietet<br />

hatten. In mir brodelte es. Kaum zu Hause setzte<br />

ich mich an die Schreibmaschine und begann<br />

sie zu traktieren. Meine Arbeit in Frankreich<br />

stellte ich meinem Dienstalltag gegenüber, mein<br />

Ferienpatron meinem Dienststellenleiter. Geh‘<br />

und komme, was da mag! Drei Monate später<br />

war mein Werk abgeschlossen, ein dreiviertel<br />

Jahr später veröffentlicht. Es war literarisch<br />

gesehen kein großes Werk, aber plötzlich genoss<br />

ich eine besondere Art Narrenfreiheit. Finanziell<br />

hatte sich der Aufwand nicht gelohnt. Aber es<br />

hatte mir den Druck genommen und anderen<br />

seelisch-moralischen Auftrieb vermittelt. Und<br />

Jean-Marie?<br />

Sommer 1996. Zehn Jahre waren vergangen, seit<br />

wir letztmalig zusammengearbeitet hatten. Wir<br />

hatten damals in Straßburg Fußgängerüberwege<br />

markiert. Er überraschte mich zu Hause, als ich<br />

mit der Innenausstattung eines Anbaus beschäftigt<br />

war. „Ich hab‘ nur fünf Minuten Zeit.“ Dann erfuhr<br />

ich, dass er jetzt auf Martinique lebt, und dass es<br />

ihm sehr gut gehe. Er sah auch gut aus. Minuten<br />

später war er verschwunden. Den Regenschirm<br />

ließ er zurück...<br />

Ein halbes Jahr später läutete um Drei in der<br />

Nacht das Telefon. Meine Frau nahm den Hörer<br />

ab, lauschte erste Worte und reichte mir dann den<br />

Hörer: „Nimm du. Ein Besoffener.“<br />

„Hallo Peter! Geht’s dir gut?“ Es war Jean-<br />

Marie. Er lachte und schien leicht beschwipst.<br />

„Wo steckst du denn?“ „An der Bar… Willst du<br />

nicht mitsaufen?“ „Dann sag‘ mir endlich, wo du<br />

steckst!“ Er lachte. „Du kennst Fort-de-France?“<br />

„Bist du denn wahnsinnig. Weißt du überhaupt<br />

wie spät es ist?“ Er wusste es. Er wusste auch,<br />

dass ich mich freute, nochmals seine Stimme zu<br />

hören. Sogar um diese Zeit. Zwei Jahre später.<br />

Einen Roten Tropfen im Glas saß ich vor „Chez<br />

Alex“ in der rue Louis Pasteur. Der Kellner<br />

begann Sonnenschirme einzuholen und Stühle<br />

zusammenzustellen. Dunkle Wolken zogen über<br />

Sarreguemines zusammen und kündigten einen<br />

Gewitterregen an. Aufmerksam folgte ich dem<br />

Treiben. Wind blies vom Himmelsberg und fegte<br />

Staub über den Trottoirs. Plötzlich sah ich ihn.<br />

Den Rucksack auf dem Rücken, das lichte Haar<br />

leicht ergraut, von einem Jungen und einer Frau<br />

begleitet. Das konnte nicht wahr sein! Während<br />

er sprach fiel sein Blick auf mich. Ein freudiges<br />

Grinsen überzog sein Gesicht. Ich sprang von<br />

meinem Stuhl ihm entgegen. Wir umarmten uns,<br />

musterten uns von Kopf bis Fuß und lachten.<br />

Graue Hunde waren wir geworden. „Quelle<br />

surprise!?!<br />

Er fand die ersten Worte. Danach ging es schnell.<br />

Die Frau sei seine Schwester, der Junge deren<br />

Sohn. Er lebe immer noch auf Martinique. Es<br />

gehe ihm gut und morgen fliege er ab Paris<br />

zurück. Gleich seien die Geschäfte zu, und er<br />

müsse noch einkaufen. „Au revoir!“<br />

Sekunden später schluckte ihn die Fußgängerzone.<br />

„Schade!“ dachte ich. Wenig später fuhr ich<br />

nach Hause. Es regnete, blitzte und donnerte.<br />

Ich goss mir einen Chiroubles ins Glas! Und an<br />

der Garderobe hing immer noch Jean-Maries<br />

Regenschirm…<br />

Wolfgang Seekamp, Achim<br />

Postkarte aus dem Paradies -<br />

eine Frühlingsgeschichte<br />

Draußen ist der Schnee fast weggeschmolzen, es<br />

ist milder geworden und mir kommt es mit einem<br />

Mal tatsächlich schon ein wenig frühlingshaft<br />

vor. Und zumindest denke ich wohl nicht alleine<br />

so, sicherlich empfinden es andere so wohl auch,<br />

wie z.B. die putzigen und niedlichen Singvögel<br />

hinter meinem Fenster, ihr Singen und Piepen<br />

hört sich mit einem Mal wesentlich intensiver<br />

und nicht mehr so zaghaft an wie vorher. Es<br />

sind die ersten vorsichtigen Versuche unseres<br />

norddeutschen Frühlingszauderers, sich ein wenig<br />

in Erinnerung zu bringen. Manchmal habe<br />

ich aber schon oft gedacht, warum der Frühling<br />

nur bei uns am Anfang des Jahres immer so<br />

seltsam schüchtern ist, soll er sich doch mal<br />

Verstärkung holen, z.B. bei Herrn ‚Printemps’<br />

aus Frankreich oder bei dem altehrwürdigen ‚Sir<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 10


PROSA<br />

Spring’ aus dem lieblichen englischen Cornwall,<br />

diese beiden Herren sind für solch einen Spaß<br />

vielleicht ja immer zu haben. Zu Dritt wäre es<br />

auch bestimmt sehr viel leichter, den inzwischen<br />

schon sehr behäbigen kalten ‚Alt-Winter-Herren’<br />

von seinem Sitzfleisch empor zu jagen<br />

und ihm für diese Saison den wohlverdienten<br />

Laufpass zu geben. Na gut, warten wir es ab,<br />

vermutlich ist unser Herr Lenz wohl einfach nur<br />

zu stolz, sich aus anderen Nachbarländern Hilfe<br />

zu holen, dafür muss man vielleicht ja auch ein<br />

wenig Verständnis haben.<br />

Ich bin am Aufräumen und ganz plötzlich halte<br />

ich eine alte Ansichtskarte in der Hand! Ach<br />

ja, damals vor langer Zeit, im Mai 1964 hatte<br />

ich diese Karte geschrieben. Der Frühling war<br />

schon fast zu Ende und es war ein sehr warmer<br />

Frühling gewesen, aber eben nicht nur bei uns<br />

in Norddeutschland, sondern auch dort, wo ich<br />

damals als knapp Achtzehnjähriger mit meinem<br />

gleichaltrigen Freund Urlaub gemacht hatte. Ja,<br />

dieser Mai ´64 hatte es ohnehin in sich, denn<br />

die Postkarte, die ich in der Hand halte, wurde<br />

von mir irgendwo am ‚Lago di garda’ in einen<br />

Briefkasten gesteckt, in einen italienischen<br />

Briefkasten wohlgemerkt und eben keinen<br />

österreichischen. Und ich war damals so erfüllt<br />

von meinen Eindrücken, dass meine Familie an<br />

diesen Hochgefühlen unbedingt teilhaben sollte,<br />

wähnten sie uns Urlauber ja in einem anderen<br />

Land, nämlich im Nachbarland Österreich, also<br />

in dem Land, in dem wir damals ausschließlich<br />

unseren Urlaub machen wollten.<br />

Ja, der Mai ´64, mein Freund und ich waren gerade<br />

erst einem anstrengenden Prüfungsstress während<br />

unserer Ausbildung entronnen und bis zu<br />

diesem Zeitpunkt hatten wir den wunderschönen<br />

Frühling ‚draußen’ noch gar nicht zur Kenntnis<br />

genommen. Nun aber war eine Phase eingetreten,<br />

in der wir uns erholen und dabei etwas<br />

anderes sehen wollten und dazu kam ein Urlaub<br />

gera-de recht, das erforderliche Geld hatten wir<br />

schon vorher an die Seite gelegt. So kam es, dass<br />

wir uns immerhin einen 14-tägigen Wanderurlaub<br />

in den österreichischen Bergen leisten konnten.<br />

Mitte Mai würden wir mit dem Zug von Bremen<br />

losfahren und dann in dem bis dahin noch gar<br />

nicht so sehr bekannten kleinen Urlaubsort Sölden<br />

wohnen, gelegen im südlichen Teil des Ötztales.<br />

Umgeben von hohen Bergen und Gletschern,<br />

so träumten wir, würden wir die österreichische<br />

Bergwelt erkunden, grüne Almen durchqueren<br />

und in einer abgelegenen Almhütte Buttermilch<br />

und Kaiserschmarren zu uns nehmen.<br />

So ähnlich wie damals bin ich auch jetzt am<br />

Träumen, die alte Ansichtskarte habe ich<br />

inzwischen auf den Tisch gelegt und daneben liegt<br />

jetzt außerdem eine ältere auseinandergefaltete<br />

Wanderkarte aus dem Ötztal vor mir. Und um<br />

wieder bei den jugendlichen Träumen im Mai<br />

´64 anzuknüpfen, ja, unsere Vorstellungen und<br />

Wünsche wurden wirklich mehr als erfüllt, und<br />

das kam damals so:<br />

Zwar war es schon Mitte Mai, die Sommersaison<br />

in den Bergen begann aber gerade erst und es<br />

war manchmal während unserer Touren noch<br />

ein wenig frisch und einige Schneereste säumten<br />

sogar noch unsere Wege, aber das machte uns<br />

seinerzeit nichts aus, wir waren jung und nur<br />

beschäftigt mit der herrlichen Bergwelt um uns<br />

herum, denn jeder Tag war ausgefüllt mit immer<br />

neuen Wandertouren. Mit der Seilbahn ging es<br />

z.B. hinauf auf die schmalen Pfade des Gebietes<br />

am Gaislachkogl oder mit dem Linienbus zur<br />

Rettenbachalm und weiter in Richtung Rotkogl,<br />

es war alles dabei, was das Wanderherz begehrte.<br />

Vieles hatten wir staunend und ehrfürchtig<br />

zur Kenntnis genommen, bis dato kannten wir<br />

lediglich die Bergwelt um Mittenwald herum, die<br />

wir ein Jahr vorher zum allerersten Mal erkundet<br />

hatten, aber dieses hochalpine Wandergebiet im<br />

Süden Österreichs war natürlich noch eine ganze<br />

Nummer größer. Unser Blick ging nur nach oben<br />

hinauf zu den Dreitausendern am Horizont, zum<br />

Granatenkogl und zum Seelenkogl, zum Hohe<br />

Wilde und zur Marzellspitze. Manch Berghütte<br />

sahen wir kleben am Felsen, das elektrische<br />

Licht war abends im Dunkeln als klitzekleines<br />

Glitzern in der schwarzen Nacht auszumachen<br />

und später lüfteten wir das Geheimnis dieser<br />

fernen Hütte, indem wir selber völlig verschwitzt<br />

durch die niedrige Eingangstür in das<br />

Dunkle der Hütte hineintraten. Dort saßen wir<br />

häufig noch ganz alleine, die Touristen waren zu<br />

diesem Zeitpunkt sehr selten dort oben und der<br />

Hüttenwirt freute sich über jeden Gast und fragte<br />

uns meistens ganz neugierig, wie es denn im<br />

fernen Norddeutschland wohl aussehen und sich<br />

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so leben lassen würde, so ganz ohne Berge, alles<br />

wäre flach und man sehe außer dem Horizont<br />

sonst ja rein gar nichts. Doch wir klärten unseren<br />

neugierigen Gesprächspartner in der Regel<br />

zumindest dahingehend auf, dass es auch bei uns<br />

eigentlich sehr schön sei und man dort ganz gut<br />

leben könne.<br />

Wir wohnten direkt in Sölden hinterm Kirchturm<br />

in einer guten kleinen und sauberen Pension.<br />

Gleich neben dem Kirchturm gab es ein kleines<br />

Reisebüro, an seinen Schaufenstern gingen wir<br />

natürlich tagtäglich vorbei und wir sahen aus den<br />

Augenwinkeln ständig die bunten Ankündigungen<br />

von diversen ein- bis zweitägigen Busreise-<br />

Angeboten. Da waren Städtetouren nach Innsbruck<br />

und Rundfahrten durchs Pitztal dabei und dann<br />

noch einige andere durchaus attraktive Touren.<br />

Und darüberhinaus gab es auch ein Angebot<br />

über eine zweitägige Busfahrt zum Gardasee<br />

einschließlich Meran. Diese Fahrt wurde optisch<br />

deutlich auffälliger herausgehoben, denn das<br />

Ganze schien etwas Besonderes zu sein, war es<br />

doch eine ‚Saison-Eröffnungs-Busfahrt’ über die<br />

noch ziemlich neue Timmelsjoch-Hochalpentraße,<br />

beginnend am Ende des Ötztales und hochführend<br />

zum Grenzübergang in Richtung Italien.<br />

Nun war es nicht so, dass wir auf eine Busfahrt<br />

unbedingt reflektierten, im Gegenteil, denn die<br />

Ötztaler Alpen hielten uns völlig in Atem, wir<br />

waren begeistert und freuten uns abends bereits<br />

über unsere nächste geplante Bergtour. Aber<br />

irgendwie ging uns das Wort ‚Italien’ nicht mehr<br />

aus dem Sinn, wir waren völlig fasziniert über<br />

diese sich ergebende unerwartete Möglichkeit,<br />

keiner mochte es so richtig zugeben, aber dieses<br />

Wort ‚Italien’ nagte ständig in uns, es ging uns<br />

nicht mehr aus dem Sinn. Gleichzeitig hatten wir<br />

aber ein schlechtes Gewissen, die großartigen<br />

Berge lagen vor unseren Füßen und wir wollten<br />

diese Welt, wenn auch nur für zwei Tage, schnöde<br />

verlassen. Doch irgendwann beruhigten wir uns,<br />

indem wir uns klarmachten, dass wir während<br />

der Fahrt ja ein weiteres Mal in die hochalpine<br />

Gletscherwelt, diesmal eben am Timmelsjoch,<br />

eintauchen würden. Irgendwann war unsere<br />

Zauderei dann auch vorbei und wir buchten ‚sie’<br />

einfach, die Busreise nach Italien zum Gardasee!<br />

Am Tag der Fahrt ging es frühmorgens um fünf<br />

Uhr direkt am Kirchturm los, vor uns stand<br />

ein Kleinbus, in dem insgesamt neun Personen<br />

mitfahren würden und wir alle blickten sehr<br />

erwartungsvoll auf die beiden nächsten Tage.<br />

Mit dem Bus ging es schnell immer nur bergauf.<br />

Sehr bald durchfuhren wir die immerhin über<br />

2000 m hochgelegenen Bergdörfer Obergurgl<br />

und Hochgurgl mit dem über 3000 m hohen<br />

Wurmkogel im Hintergrund und dann schon<br />

wurden die Serpentinen immer enger und steiler.<br />

Immerhin befanden wir uns ja auch auf Österreichs<br />

höchstgelegenem Straßen-Grenzübergang!<br />

Irgendwann waren wir ganz oben am Timmelsjoch<br />

angekommen, wir hatten die ‚Europäische Wasserscheide’<br />

und auch die Staatsgrenze zwischen<br />

Österreich und Italien erreicht und machten<br />

eine Pause und bestaunten die umliegenden<br />

Gletscherwelten. Hier waren nun bereits in<br />

grauer Vorzeit die ersten Siedler aus Passaier<br />

kommend hoffnungsvoll in den Schutz des<br />

inneren Ötztales gezogen. Und dann ging es<br />

weiter, jetzt nur noch bergab auf gefährlich engen<br />

und steilen Serpentinen. Für die Italiener war es<br />

nun der ‚Passo des Rombo’und wir fanden, dass<br />

dies ebenfalls ein sehr schöner Name war. Die<br />

Abwärtsfahrt auf den schmalen Fahrwegen, vor<br />

allem in den wahnsinnig engen Straßenkehren,<br />

wollte schon kein Ende nehmen, aber dann hielt<br />

unser Bus ganz plötzlich auf einem kleinen<br />

Parkplatz und wir stiegen aus und schauten<br />

in Richtung der ausgestreckten Hand unseres<br />

Busfahrers, sie zeigte gen Süden. Und dann, ja<br />

wirklich weit hinten noch etwas im Dunst gelegen,<br />

entdeckten wir die ersten Spuren Italiens,<br />

einige Bäume säumten auch bereits die Pass-<br />

Straße und erste kleine Dörfer machten sich im<br />

Flimmern der Vormittagsluft bemerkbar. Und ich<br />

erinnere mich deutlich, plötzlich zog ein warmer<br />

Luftstrom an mir vorbei, er war völlig anders als<br />

ich es bisher aus Norddeutschland gewohnt war,<br />

es war ein erster Hauch von südlicher Wärme,<br />

aber das war es nicht allein. Der feine Windhauch<br />

war durchsetzt von einem angenehm sanften und<br />

zarten Duft, der ein Aroma mit sich trug, das nach<br />

südlicher Vegetation, nach Orangen- und Oleanderbäumen<br />

und anderen Gewächsen schmeckte.<br />

Es war nur ein winziger Moment, ein Vorbote<br />

quasi, aber dieser Dufthauch pflanzte sich fortan<br />

bei mir ein und ich wusste, dieses einzigartige<br />

Gefühl des Aufbrechens sämtlicher Sinne würde<br />

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für alle Zeiten unwiederbringlich in mir verhaftet<br />

bleiben! Ja, so war es damals, ich weiß es noch<br />

immer genau, dieser allererste Kontakt mit dem<br />

Süden war wirklich einmalig, er konnte später<br />

nie mehr durch noch so viele Besuche Italiens<br />

übertroffen werden!<br />

Inzwischen waren wir in Meran angekommen,<br />

dort spazierten wir durch enge Gassen und waren<br />

fasziniert vom mediterranen Trubel. Händler<br />

boten marktschreierisch südländisches Obst und<br />

Gemüse an und viele Leute saßen vor kleinen<br />

Cafés und tranken Espresso und Capuccino. Links<br />

und rechts säumten Palmen unseren Weg und<br />

herrliche Blumenrabatte schmückten die grünen<br />

Rasenflächen, auf denen mittendrin manchmal<br />

noch ein Brunnen mit einer sprudelnden<br />

Wasserfontäne den glanzvollen Höhepunkt bildete.<br />

Und dann ging es weiter und unser kleiner Bus<br />

erreichte nach einiger Zeit den Gardasee. Auch<br />

hier hielt er zunächst an einer etwas größeren<br />

Wegkehre oberhalb des Sees an und wir stiegen<br />

aus und bestaunten das große Panorama, das nun<br />

direkt unter uns lag, - vor uns erstreckte sich also<br />

der Lago di Garda!<br />

„Benvenuti al Lago di Garda, il più grande lago<br />

d’Italia è molto varia cerca“, etwa so ähnlich lauteten<br />

die Worte, die ich von irgendwoher auffing.<br />

Ja, si, das war wirklich volle ‚Granate’, smaragdgrün,<br />

türkisblau, eine Blau-Offensive, die<br />

ich noch nie in meinem Leben vorher in dieser<br />

Form erlebt hatte! Das schillernde blaue Band<br />

zog sich entlang der beidseitigen Hügelkette<br />

viele Kilometer bis zum Horizont hin, wobei<br />

das Ende des Sees gar nicht mehr zu erkennen<br />

war. Und unter uns, am Anfang des Sees, dort wo<br />

Zypressen- und andere südliche Grüngewächse<br />

auszumachen waren, lag der kleine Ort Riva!<br />

Hier sollte nach den Angaben des Busfahrers für<br />

eine Nacht unser Quartier aufgeschlagen werden.<br />

„Liebe Eltern, viele Grüße vom Gardasee, wir<br />

fühlen uns wie im Paradies, es ist wunderbar<br />

warm und die Luft ist wie Seide, wir wohnen<br />

direkt am See in einer hochherrschaftlichen<br />

Villa. Die Zimmer sind fantastisch, alle sind sehr<br />

groß und mit hohen Decken versehen, für die<br />

Übernachtung mit Abendessen und Frühstück<br />

haben wir elf DM bezahlt. Die Nacht haben wir<br />

kaum geschlafen, weil wir ganz früh baden gehen<br />

wollten, um sechs Uhr sind wir dann tatsächlich<br />

auch gleich direkt vom Bett aus in das blaue klare<br />

Wasser gelaufen…“<br />

Genauso steht es auf der Rückseite der<br />

Ansichtskarte, die ich jetzt wieder vom Tisch<br />

aufgenommen habe, so hatte ich es damals<br />

meiner Familie geschrieben. Aber es hätte<br />

nach den vielen Jahren, die seitdem vergangen<br />

sind, dieses Dokumentes in meiner Hand nicht<br />

bedurft, um dieses Erlebnis jetzt ähnlich zu<br />

schildern, wie es tatsächlich war. Zu sehr hatte<br />

sich dieses denkwürdige morgendliche Bad in<br />

den ‚Fluten des Gardasees’ seitdem in mein<br />

Gedächtnis eingebrannt. Es war das intensivste<br />

Badeerlebnis, das ich bis dato in meinem Leben<br />

und eigentlich auch später je erlebt hatte! Allein<br />

das Aufstehen war schon bemerkenswert, keine<br />

der sonst üblichen morgendlichen Handhabungen<br />

sollte uns aufhalten, schnell hinaus aus dem<br />

großen Bett, die nackten Füße auf spiegelblanke<br />

italienische Fliesen gesetzt und dann liefen<br />

wir durch das Zimmer in Richtung der großen<br />

Veranda, liefen anschließend die Stufen herunter<br />

und direkt weiter in Richtung See. Keine Straße,<br />

kein Gebäude sollte uns im Wege stehen, wir<br />

liefen nur über nasses warmes und dampfendes<br />

Gras die Wiese hinunter, die unmittelbar und<br />

direkt in den See hineinführte. Und immer liefen<br />

wir weiter und weiter und zum Schluss in das<br />

klare Wasser hinein. Wasser, das trotz der frühen<br />

Uhrzeit und des noch dauernden Frühjahres wider<br />

Erwarten schon angenehm warm war. Unter uns<br />

schillerte und leuchtete es an diesem Morgen<br />

ganz besonders, es kam uns vor, als würden wir<br />

in gefärbtem Wasser schweben; Wasser, das einen<br />

aquamarinfarbenen Grünblau-Ton hatte. Weiter<br />

unten flitzten unentwegt und hakenschlagend ein<br />

paar Fische durch unsere Beine hindurch, aber<br />

ansonsten war alles ruhig, kein Geräusch, kein<br />

Mensch, nur wir und die Berge ringsherum in<br />

andächtiger Stille. Wir genossen völlig fasziniert<br />

diesen einmaligen Augenblick in unserem Leben.<br />

Ich weiß es noch genau, das Badeerlebnis<br />

dauerte nur ein paar Minuten, aber diese Minuten,<br />

das wusste ich schon damals, würde ich, ebenso<br />

wie die Momente am Tage vorher auf der Pass-<br />

Straße, nie mehr in meinem Leben vergessen<br />

können, sie gehörten von diesem Moment an für<br />

alle Zeiten nur mir…<br />

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PROSA<br />

Ja, so sitze ich hier mit meiner Ansichtskarte<br />

und drehe und wende sie hin und her, draußen ist<br />

inzwischen schon die Dämmerung eingebrochen<br />

und von dem frühlingshaften Zwitschern der<br />

Vögel hört man im Moment auch nichts mehr,<br />

sehr still ist es geworden und die Vögel haben<br />

sich bestimmt schon ein sicheres Plätzchen zum<br />

Übernachten gesucht. Ich schalte das Licht ein, um<br />

die Potkarte nochmal sehr genau zu betrachten.<br />

Zunächst sehe ich mir die Vorderseite mit dem<br />

schönen Foto vom Gardasee an, befühle dann die<br />

Rückseite mit meinen Fingern, registriere jede<br />

einzelne Umrandungszacke der roten 40-Lire-<br />

Briefmarke, auf ihr prangt übrigens wunderschön<br />

der abgebildete Kopf irgendeiner weiblichen<br />

antiken Götterstatue - und ich betrachte meine<br />

Schrift von damals sehr genau. Ja, eigentlich<br />

hatte ich einmal eine sehr schöne und akkurate<br />

Schrift gehabt, fast hätte ich es vergessen, und<br />

mit dem Schreiben muss ich mir bestimmt sehr<br />

viel Zeit genommen haben, trotz des sicherlich<br />

engen Zeitplanes während dieser kurzen Italien-<br />

Reise. - Seltsam, da halte ich eine von mir vor<br />

fast 50 Jahren geschriebene Botschaft an diesem<br />

spätwinterlichen bzw. vorfrühlingshaften Tage<br />

wieder in meiner eigenen Hand, befühle die<br />

Vorderseite der Karte, wische vorsichtig über<br />

die weiße Rückseite und lese die alte vertraute<br />

Heimatadresse, ach ja, damals gab es ja noch die<br />

zweistelligen Postleitzahlen. - Und ich stelle mir<br />

auch die Eltern beim Lesen meiner Karte vor und<br />

überlege, was sie wohl beim Lesen meiner Zeilen<br />

gedacht haben. So richtig hatten wir hinterher,<br />

vermutlich wohl aus Zeitgründen, über meine<br />

Karte nicht mehr gesprochen; aber gefreut haben<br />

sie sich über meine Reise ganz bestimmt, das<br />

weiß ich noch.<br />

So ist also alles wieder ganz nah in diesem<br />

Moment und doch ist alles längst vorbei. Nur die<br />

Postkarte aus dem Paradies habe ich und halte sie<br />

ganz fest in meiner Hand. Weglegen sollte ich sie<br />

noch nicht so schnell, denn ich möchte versuchen<br />

mit ihr noch ein bisschen zu träumen! Denn<br />

Träume habe ich meistens sehr viele und ich bin<br />

mir fast sicher, dass ich mit dieser Ansichtskarte,<br />

angesichts des zögerlichen Frühlings bei<br />

uns, gleich von südlicher Wärme und zartem<br />

Oleanderduft träumen werde. Und irgendwann<br />

im Verlaufe meines Traumes kann ich mir auch<br />

vorstellen einzutauchen,…einzutauchen in ein<br />

wundervoll klares aquamarinfarben schillerndes<br />

Wasser. Und hierbei werde ich, das weiß ich,<br />

ganz besonders glücklich sein und anfangen zu<br />

schweben…, schweben so wie damals in dem<br />

herrlichen Wasser des Gardasees.<br />

Und später, wenn ich wieder aufwache aus<br />

meinen Träumen, bin ich die nächsten Tage ganz<br />

gespannt, wie es unserem schüchternen Herrn<br />

Lenz wohl so geht, wird er dann vielleicht schon<br />

etwas mutiger geworden sein und zumindest<br />

darüber nachdenken, wie er den trägen Winter<br />

aus seinem bequemen Lehnstuhl am Besten<br />

herausgraulen könnte?…Da gab es doch einige<br />

ganz gute Methoden, lieber Herr Lenz, lassen<br />

Sie sich doch bitte schön mal etwas einfallen,…<br />

woanders geht es doch auch!<br />

Marcella Maria Zulla, Weiden/Opf.<br />

Der Fremde<br />

auf dem hölzernenSteg<br />

Leonardo stand am Ende eines weit ins Meer<br />

hinausragenden, hölzernen Stegs und drückte seine<br />

Zigarette aus. Das Gesicht schien angespannt,<br />

der Blick konzentriert auf etwas in der weiten<br />

Leere des Raums zwischen Ozean und Himmel<br />

gerichtet. Leonardo war ein äußerst attraktiver<br />

Mann Mitte zwanzig und wäre da nicht diese<br />

fordernde Starre in seinen Augen, fielen ihm<br />

die Frauen sicherlich noch um ein Vielfaches<br />

mehr zu Füßen, als sie dies ohnehin schon taten.<br />

Doch das war ihm nicht wichtig, denn er suchte<br />

nach etwas anderem. Seine scharf geschnittenen<br />

Gesichtszüge verliehen ihm zusätzliche Strenge.<br />

Leonardo steckte sich eine weitere Zigarette an<br />

und wippte in einem Anflug von Nervosität auf<br />

seinen Fersen vor und zurück. Er wartete bereits<br />

lange. Zu lange.<br />

Señor Guillermo Rodriguez warf einen unruhigen<br />

Blick auf die schmutzige, an der Wand hängende<br />

Uhr, die einst in weiß geglänzt haben muss. Das<br />

Ziffernblatt löste sich bereits zwischen der zehn<br />

und der zwölf ab und der Minutenzeiger, der<br />

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genau an dieser Stelle stecken geblieben war,<br />

zuckte nur noch verzweifelt. Und obwohl die Uhr<br />

schon vor langer Zeit zum Stillstand gekommen<br />

war, blickte Señor Rodriguez immer zuerst an<br />

jene vertraute Stelle über der Eingangstür, bevor<br />

er seine fast ebenso alte Armbanduhr konsultierte.<br />

Noch wenige Minuten, dann würde er seine<br />

Schicht beenden. Ziellos ging er umher und fragte<br />

sich, wie viel Aufregung man in seinem Alter<br />

wohl noch ertragen konnte. Rodriguez war ein<br />

stämmiger, kleiner Mann, der viel älter aussah,<br />

als er eigentlich war. Er arbeitete in einem kleinen<br />

Supermarkt und war in Wahrheit ganz allein. Nur<br />

das Foto seiner Frau und seiner Kinder, das auf<br />

der Theke stand, spendete ihm Hoffnung und<br />

vertraute Nähe. Monatlich schickte er nahezu sein<br />

gesamtes Gehalt an seine Familie in der Ferne.<br />

Señor Rodriguez hatte vor fast zwanzig Jahren<br />

alles zurückgelassen, das ihm etwas bedeutete,<br />

um in den Vereinigten Staaten Geld zu verdienen.<br />

Leonardo warf einen Blick auf seine Armbanduhr<br />

und stellte fest, dass es so weit war. Angespannt<br />

versuchte er, seinen Körper in einem solchen Maß<br />

zu beherrschen, das ihm erlaubte, niemanden<br />

in seine Gefühlswelt hineinsehen zu lassen.<br />

Noch nicht einmal diesen einen Mann, dem es<br />

naturgemäß vielleicht sogar zustünde. Aber er<br />

konnte nicht anders, als sich zu verschließen. Wo<br />

war er all die Jahre gewesen, in denen er ihn so<br />

sehr vermisst hatte? Sein Gesicht erhärtete sich<br />

zu einer Maske, während er den Strand mit den<br />

Augen nach ihm absuchte.<br />

Señor Rodriguez ging im Schnellschritt in Richtung<br />

Strand, nachdem er den Laden abgeschlossen<br />

hatte. Schweißperlen standen an seiner Stirn,<br />

obwohl er sich nach Feierabend sogar noch<br />

dazu entschlossen hatte, zu duschen. Doch nun<br />

schwitzte er schon wieder. In seinem Körper<br />

tobten Gefühle, die man verspürt, wenn man frisch<br />

verliebt ist. Doch zum anderen machte sich auch<br />

ein sehr bedrückendes in ihm breit, das wie Gift<br />

in den Venen durch seinen Körper transportiert<br />

wurde und seine Freude trübte. Er hatte es schon<br />

öfter gespürt, doch nie zuvor so deutlich wie<br />

jetzt. Mit jedem Schritt lähmte es ihn ein wenig<br />

mehr, sodass er, fast am Ziel, sogar überlegte,<br />

umzukehren. Der Wind löschte erbarmungslos<br />

Rodriguez Schritte im Sand - geradeso, als hätte<br />

er sich nie auf dem Weg gemacht.<br />

Was sollte er sagen? Würde er ihn überhaupt<br />

noch erkennen? Unwillkürlich begann er zu<br />

laufen, als könne alles, wofür er zwanzig Jahre<br />

lang gearbeitet hatte, jeden Augenblick wie ein<br />

Kartenhaus in sich zusammenfallen. Fast war es<br />

geschafft.<br />

Während Leonardo die Bretter des langen<br />

Stegs zählte, fiel ihm plötzlich ein rundlicher<br />

Mann an dessen Ende auf. War er das? War er<br />

das wirklich? Unwillkürlich griff er nach seiner<br />

Zigarettenschachtel, doch sie war leer. Seine Hand<br />

begann zu zittern, aber seine Miene war nach<br />

wie vor eisig. Sah man ganz genau hin, konnte<br />

man sogar erahnen, dass sie sich beim Anblick<br />

jenen Mannes sogar in eine noch abweisendere<br />

Maske mit einem Hauch von Hass verwandelte,<br />

geradeso, als wäre sie in Stein gemeißelt und<br />

hätte niemals anders ausgesehen.<br />

Um die Tatsache zu kompensieren, dass er keine<br />

Zigaretten mehr hatte, knirschte er mit den<br />

Zähnen und musterte den Mann ihm gegenüber<br />

ohne den Blick abzuwenden. Sollte er etwas<br />

sagen oder besser abwarten, ob er etwas zu sagen<br />

hatte? Er war viel kleiner, als er es sich vorgestellt<br />

hatte. Stünde er neben ihm, so wäre er sicher<br />

einen ganzen Kopf kleiner als Leonardo. Der<br />

dickliche Mann stand noch immer am anderen<br />

Ende des Stegs und blickte unverwandt in seine<br />

Richtung. ‚Warum kommt er nicht?‘, fragte er<br />

sich ärgerlich. Womöglich wartete er darauf, dass<br />

Leonardo den ersten Schritt in seine Richtung tat.<br />

Doch er entschloss sich, stehen zu bleiben.<br />

Señor Rodriguez befand sich noch immer am<br />

anderen Ende des Stegs und wusste nicht, was er<br />

tun sollte. Die anfängliche und überschwängliche<br />

Freude war nun endgültig versiegt. Er war wie<br />

gelähmt, so als hätten sich seine Füße zu Blei<br />

verwandelt. Unfähig zu vollenden, was er sich<br />

schon so lange vorgenommen hatte, stand er da und<br />

blickte hinüber zu dem jungen Mann am Horizont.<br />

Er konnte dessen Gesicht kaum erkennen, dennoch<br />

sah er sehr gut aus. Sein Körper war trainiert und er<br />

trug gute Kleidung, vermutlich Markenkleidung.<br />

Ein kurzes, zufriedenes Lächeln huschte über<br />

Rodriguez Gesicht. Dieser Junge hatte wahrscheinlich<br />

schon die Universität abgeschlossen, sprach<br />

mindestens zwei Sprachen und war vielleicht sogar<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 15


PROSA<br />

verheiratet. Rodriguez fragte sich, ob er womöglich<br />

bereits Großvater geworden war. Doch plötzlich<br />

überfiel ihn ein beklemmendes Gefühl: War<br />

dieser junge Mann überhaupt der, für den er ihn<br />

hielt? Er atmete einmal tief ein, dann tat er den<br />

ersten Schritt.<br />

Jetzt kam er direkt auf ihn zu. Vor Schreck<br />

klammerte er sich mit einer Hand an dem<br />

hölzernen Gelände des Stegs fest und trieb sich<br />

einen Spieß unter den Fingernagel, doch er<br />

bemerkte es kaum. Der Gedanke, sich schnell die<br />

Schuhe von den Füßen zu treten und ins Meer<br />

zu springen, zog einmal vor seinem inneren Auge<br />

vorüber. Entsetzt bemerkte Leonardo, wie er im<br />

Begriff war, die Kontrolle über seine Gefühle zu<br />

verlieren. ‚Reiß dich zusammen‘, sagte er sich.<br />

Der rundliche kleine Mann kam etwa vier Meter<br />

vor ihm zum Stillstand und blickte ihn eine ganze<br />

Weile unverwandt an, ohne etwas zu sagen,<br />

ohne auch nur zu blinzeln. Leonardo fühlte<br />

sich bedrängt, fast so, als würde der Mann ihm<br />

gegenüber versuchen, ihm etwas wegzunehmen.<br />

Unruhig huschten seine Augen über die Skyline<br />

der Stadt und er wünschte tief in seinem Herzen,<br />

er könnte irgendein ehrliches Gefühl zulassen -<br />

doch es gelang ihm nicht. Er kannte den Mann,<br />

der da vor ihm stand, gar nicht.<br />

Rodriguez brauchte nicht mehr zu fragen, ob<br />

der junge Mann ihm gegenüber der war, auf den<br />

er gewartet hatte. Die kleine Narbe an seiner<br />

Augenbraue, die er sich beim Spielen als kleines<br />

Kind zugezogen hatte, bestätigte seine Identität.<br />

Er wünschte, er könnte etwas sagen, doch er war<br />

zu überwältigt, die richtigen Worte zu finden.<br />

Zu überwältigt, ohne zu wissen, ob aufgrund des<br />

lang ersehnten Wiedersehens oder weil er wider<br />

Erwarten einem Fremden begegnet war.<br />

Michael Hesseler, Bremen<br />

Im Spinnennetz<br />

Illusionen haben sie nach Jamaika getrieben. Die<br />

hartherzige und herzlose Mutter hat ihrem Sohn<br />

Jürgen endlich eine Frau zugesprochen. Cousin<br />

Bert nennt ihn wegen seines ausgemergelten<br />

Aussehens oft nur ‚Mahatma Gandhi’; denn<br />

eine Rachitis hat Jürgen abmagern lassen,<br />

das jahrelange Schlafen auf nacktem Dachboden<br />

in kalt durch gehangenem Bett hat zu einem<br />

Rundrücken geführt. Seit seiner ersten Ehe, die<br />

an der Liaison von Mahatmas Frau mit einem<br />

heißblütigen Italiener zerbrochen ist, steht Jürgen<br />

wieder auf Freiersfüßen. Es muss daher wohl<br />

eine Frau aus der Karibik sein, um den tristen<br />

Alltag mit seiner alten Mutter nach 20 Jahren<br />

endlich bunt schillernd durchbrechen zu können.<br />

Ohne konkrete Anhaltspunkte dafür haben<br />

sich Vater Hugo und Sohn Bert die kommende<br />

Entwicklung mit der ihnen beiden eigenen<br />

blühenden Phantasie schon voraus gesponnen<br />

und herzlich über eine mögliche Hochzeit in<br />

exotischer Ferne gelacht. Wirklichkeitsnah haben<br />

sie sich als Ehrengäste und Berichterstatter in<br />

eine großartige Phantasiereise hineinfabuliert.<br />

Als dann die Einladung zur Hochzeit wie in<br />

einer „self-fulfilling-prophecy“ wirklich kommt,<br />

schlägt eine Bombe in ihren Alltag ein. Dort, wo<br />

ohnehin außer Zank, Geldnot und Schuldenlast<br />

nicht viel los ist und ihre wenigen Freunde schon<br />

offen zu verlässlichen Feinden mutiert sind, setzt<br />

der Brief Chancen wie Lawinen frei. Sie sind<br />

also hier, fast so frei wie in der aristokratischen<br />

TSommerfrische des 19. Jahrhunderts, frei<br />

wie in den bürgerlichen Erholungsurlauben<br />

der Zwischenkriegszeit. Oder ist es nicht eher<br />

ein Noturlaub, als ob feindliche Innenseiter<br />

jüdische Städter von der echten Sommerfrische<br />

ausgeschlossen und zu Außenseitern gestempelt<br />

hätten?<br />

Sie sind also angekommen, haben sich den Bauch<br />

gefüllt mit Suppen, mariniertem Fleisch aus<br />

Huhn und Schwein, gegrillt über Pimentzweigen,<br />

würzigem Ziegenfleisch aus den typischen<br />

Töpfen, Patties mit Gemüse, viel John Cake,<br />

Mangos und Papayas, sowie anstatt Rum wie<br />

manche Einheimischen Red Stripe Bier und sogar<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 16


PROSA<br />

etwas kalifornischen Rotwein. Das weibliche<br />

Geschlecht und einige Männer haben ihren<br />

Durst mit Kokosmilch, Limonade oder einem<br />

undefinierbaren, nach Brühe schmeckenden Tee<br />

zu sich genommen. Kaffee natürlich für alle<br />

außer den Kleinkindern.<br />

Als Vater und Sohn den Flieger bestiegen<br />

haben, sind sie sich wie Auswanderer, Goldsucher,<br />

Eroberer oder der Kaiser von Kalifornien<br />

vorgekommen. Jetzt, wo sie das Ziel erreicht<br />

haben, ohne wirklich angekommen zu sein,<br />

müssen sie desillusioniert erkennen, dass ja<br />

alles schon bis zur Unkenntlichkeit entdeckt<br />

ist. Land und Leute sind entblößt bis auf nackte<br />

Sorgen, Leid und Armut. Dahinein hat also<br />

Mahatma heiraten müssen, ausgerechnet, und<br />

sie hat er hereinziehen müssen in diesen Sumpf.<br />

Jetzt muss nach anfänglichem Schock wie so<br />

oft die symbolische Suche nach dem Meer<br />

herhalten, um die Wahrnehmungsverzerrung<br />

wider wegzuwaschen und den Blick wieder frei<br />

zu bekommen für höhere Pläne. Ein spontaner<br />

Sprung ins kühle Nass reicht dafür wohl für<br />

blauäugige Menschen, wie sie es sind, aus. Für<br />

sie würden wohl Feinde immer Karikaturen<br />

bleiben, vor denen man nie fliehen muss. Sie<br />

haben es also wieder einmal geschafft, nicht am<br />

vermeintlichen Wohlstand anderer, Reichtum<br />

nennen sie es schon lange nicht mehr, aktiv<br />

teilzuhaben. Ihre „material world“ ist zerstoben<br />

zu bloßer Symbolik, meditativer Betrachtung<br />

und einer rückwärtsgewandten Phantasiereise.<br />

Hier können sich Schweine noch nicht einmal<br />

ihren eige-nen Metzger suchen. Keine Eiche ist<br />

in Sicht, die ihre Souveränität dadurch beweist,<br />

dass es sie nicht stört, wenn sich Schweine an ihr<br />

reiben.<br />

Sie befinden sich fast in der Mitte eines<br />

Spinnennetzes. Von da stoßen die Augen von Vater<br />

und Sohn auf nichts als Zuckerrohrplantagen.<br />

Dieses äußere Labyrinth begrenzt zunächst<br />

schicksalhaft ihren inneren Horizont, so dass<br />

sie das Ziel in Form eines fernen Sandstrandes<br />

an einem offen brausenden Meer nur durch<br />

erzwungene Umwege, Schleifen, Irrungen und<br />

Wirrungen hindurch erkennen können. Es bleibt<br />

nur die Erahnung des Ausgangs nach vielen<br />

Wendepunkten. Es hat lange gedauert, bis sich<br />

Vater und Sohn einig geworden sind, endlich aus<br />

dem wogenden Meer zukünftigen Rums frech<br />

zum wahren Meer zu starten und gemeinsam zu<br />

fremden Welten aufzubrechen. Kompass ist mehr<br />

der Wahn als der Plan, geboren in einer Art Hazienda<br />

vergangener Kolonialzeit, heruntergekommen<br />

zu einem losen Zusammenhalt windschiefer<br />

Verschläge. Innerlich antizipieren beide bewusst<br />

die Kreuzungen wie Richtungsentscheidungen,<br />

ignorieren dabei unbeirrt und unverzagt mögliche<br />

Rückschläge. Erfahrungsbedingt tragen dabei<br />

beide wohl ganz verschiedene mentale Modelle<br />

im Kopf mit sich herum. Der eine marschiert wie<br />

auf fremden Befehl voran gegen einen anonymen<br />

Feind, fast sinnentleert. Der andere denkt zurück<br />

an die gnadenlos-naive Begehung des Londoner<br />

Großstadtgebietes mit Freunden, wobei sie sich<br />

buchhalterisch an einem Jugendherbergsführer<br />

orientiert haben. Seltsamer Weise ist in diesen<br />

harten und dunklen Zeiten die Kommunikation<br />

zwischen dem Alten und Jungen mehr als eine nur<br />

lose paradoxe Verbindung ohne Verständigung.<br />

Diese beide stammen nicht nur von einem Baum<br />

ab, sondern können auch nach dem Zerschneiden,<br />

Transport und Verarbeitung zu unterschiedlichen<br />

Holzprodukten noch miteinander ohne Maske<br />

sprechen. Obwohl der Alte für den Jungen nicht<br />

nur eine kopierbare Blaupause ist, variieren beide<br />

Persönlichkeiten doch in ihren individuellen<br />

Eigenschaften wenig.<br />

Um unzählige Ecken müssen die beiden biegen,<br />

doch haben sie alle Zeit dieser Welt. Irgendwann<br />

treffen sie an einem Kreuzungspunkt auf einen<br />

ärmlich gekleideten Mann. Vor ihm tobt ungestüm<br />

und laut schreiend ein Kind her, einen Drachen<br />

über sich ziehend wie einen Speer im Wind. Beide,<br />

vielleicht auch Vater und Sohn, sind barfuß. Ihnen<br />

ist es gleichgültig, durch das Wassergerinsel<br />

am Rande des schlammigen Sandwegs tappen<br />

zu müssen. Dieser Vater kann sich wirklich<br />

nicht um sein Kind kümmern. Die sorgenvoll<br />

zusammengezogenen Brauen, die gerunzelte<br />

umwölkte Stirn und der gebeugte Rücken, sein<br />

inneres Kreuz hoffnungslos schleppend, sprechen<br />

Bände. Die beiden aus der anderen Kultur, mit<br />

einem anderen Kreuz, greifen weit aus mit ihren<br />

Schritten und überholen daher sprachlos die<br />

beiden Einheimischen. Beide enthalten sich tief<br />

greifender Kommentare zur Lebenslage, Small<br />

Talk oder echter zweckfreier Begegnungssuche,<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 17


PROSA<br />

die ein einmaliges, zeitloses Ereignis wäre. Hier<br />

tauschen sich keine Existenzen in verdichteter<br />

Verbindung aus. Sie denken sich nicht gemeinsam<br />

zurück, heute neu und mutig vorwärts. Es können<br />

keine gemeinsamen Themen entstehen, die als<br />

lebendige Narreteien den Sinn als Sklaven oder<br />

Herren der Welt gebären. Sie brauchen ihre Zeit<br />

nicht künstlich durch Dynamik zu verlängern und<br />

auszudehnen bis in die Unendlichkeit der Welt.<br />

Ihre individuelle Zeit endet wohl voraussehbar<br />

nach bekannten Vorgaben. Hier ist nichts<br />

Gemeinsames vorbei, so dass ein Mitspieler<br />

herzhaft darüber lachen könnte. Die einen sind<br />

mit Spiel und Leid, die anderen mit der Weite<br />

irgendwo dahinten beschäftigt, vielleicht mit der<br />

Möglichkeit, durch eine messbare Reduktion von<br />

Unglück ein wenig glücklicher zu werden. Nord<br />

und Süd sind durch unterschiedlich einengende<br />

Perspektiven so abgelenkt, dass sie sich auch<br />

nicht als Feinde begegnen.<br />

Wiederum nach unendlich vielen Ecken, endlos<br />

vielen Quadraten und Rechtecken sowie unzähligen<br />

monoton sich entlang schlängelnden Sandwegen<br />

bleiben Vater und Sohn fast erstarrt stehen; denn<br />

das Meer taucht plötzlich in Form von hohen<br />

Wellen, blendend-reflektierender Sonne und<br />

einem massiven Blau-Grün vor dem Himmelblau<br />

am Horizont auf. Erst als sich alles in den beiden<br />

löst, laufen sie wie Kinder hin, ziehen sich bis auf<br />

die Badehose aus und stürzen sich jauchzend in<br />

die Wogen. Noch Gerettete. Sie schwimmen ein<br />

paar Meter, bleiben im kühlenden Nass stehen,<br />

tauchen ein wenig, legen sich zur Entspannung<br />

auf den Rücken, sehen ins Nichts zur oder in<br />

die Mitte des Seins. Weit da oben ist wohl der<br />

Mittelpunkt von allem.<br />

Viel an nicht messbarer Zeit hat wohl vergehen<br />

müssen, bis sie sich langsam von diesem<br />

menschlichen Urzustand befreien und ihre Körper<br />

durch die Schwere des Wassers zum Ufer drücken<br />

können. Die letzte Welle hebt sie sanft und leicht<br />

aufs Ufer. Glücklich erschöpft werfen sie sich auf<br />

den weißen leeren Sand. Lange bleiben sie mit<br />

geschlossenen Augen auf dem Rücken liegen.<br />

Vater und Sohn, Freunde, einig wie selten. Dann<br />

richten sie sich stumm auf und blicken - auf ihre<br />

Ellbogen gestützt - umher. Schnecken, Muscheln,<br />

Krebse. Alles, was klein ist und herumkriechen<br />

kann, kommt aus dem Meer, hat schon zeitlich<br />

befristete Spuren hinterlassen. Warum nicht auch<br />

von Menschen, und seien es von so genannten<br />

zivilisierten mit Platt-Spreizfüßen! So haben<br />

sich die ersten Menschen irgendwann in grauer<br />

Vorzeit irgendein Eiland angeeignet. Sie haben<br />

die Hand in den Sand, ins Meer gesteckt und laut<br />

zu sich selbst gerufen: “Das ist mein, hier bleibe<br />

ich.“ Alle haben sich in der Horde laut zugerufen:<br />

„Hier wollen wir bleiben und uns wohlfühlen.“<br />

Vater und Sohn vergessen ohne Anstrengung<br />

die Hochzeitsgäste, die irgendwo in ihren<br />

Hängematten oder Bettgestellen dösen,<br />

kaputt von der feucht-tückischen Hitze und<br />

vom übermäßigen Fressen und Saufen. Jene<br />

Gewohnheitstiere stehen für die unbehagliche<br />

Aussicht, sich wieder auf den altbekannten<br />

faden Zivilisationsalltag einlassen zu müssen.<br />

Vater und Sohn wollen dagegen spüren, wie<br />

man sich aufrichtet zum aufrechten Gang und<br />

das Gefühl erleben, ein Mensch zu sein, der sich<br />

nicht mehr verbiegen lässt. Davon haben die<br />

beiden, Vater und Sohn in feindlicher Umgebung<br />

immer geträumt. Die ewige Sommerfrische-<br />

Umgebung symbolisiert diesen selbst versunkenen<br />

menschlichen Urzustand.<br />

Doch irgendwann später findet ein Bauer in dieser<br />

Einöde, weit weg von den Millionärspalästen<br />

bekannter Filme, zwei Leichen: Fast skelettiert, mit<br />

von Möwen herausgepickten Augen, angefressen<br />

von anderen Tieren. Fürwahr Vater und Sohn haben<br />

die Grenzen ohne Holzweg überschritten und im<br />

äußeren Labyrinth die normal-einfachen Gäste auf<br />

Erden mit ihrem Überleben zurückgelassen. Keine<br />

ewige Sommerfrische, die Feinde des Zufalls<br />

haben sie gefunden und zugeschlagen.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 18


PROSA<br />

Rudolf G. Bachmann-Voelkel,<br />

Hildesheim<br />

Sein letzter Tag<br />

Ich kam auf die Dienststelle. Frank war schon<br />

dort. Wir waren an diesem Freitag allein. Die<br />

anderen hatten entweder dienstfrei oder Urlaub.<br />

„Hallo! Guten Morgen Frank.“<br />

„Guten Morgen Günter.“<br />

“Heute ist ja dein letzter Tag in Ladenburg und<br />

am Montag dein erster in Käfertal.“<br />

„Ja.“<br />

Er machte nicht gerade einen glücklichen<br />

Eindruck, aber was sollte er machen? Er ging<br />

auf die Fachschule der Polizei. Sein Ziel: Die<br />

Fachhochschulreife. Dann: Studium in Villingen-<br />

Schwenningen. Man hatte ihn, kurzfristig, ohne<br />

ihn zu fragen, zur Kriminalpolizei, Außenstelle<br />

Käfertal versetzt. An seiner Stelle sollte ein<br />

anderer zu uns kommen. Wer, wusste ich noch<br />

nicht.<br />

„Soll ich dir helfen deine Sachen zu packen?“<br />

„Das wäre nett, aber zuerst trinken wir einen<br />

Kaffee.“<br />

Frank ging in den Sozialraum und stellte einen<br />

Kaffee auf. Es ist schade, dass er gehen muss,<br />

dachte ich. Er war ein Kollege, mit dem ich gerne<br />

zusammenarbeitete. Einer mit Eigenarten. Wer<br />

hat die nicht? Ich betrachtete die Fotografien<br />

an der Wand, alt Ladenburg, die sein Opa nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen hatte. Auf<br />

seinem Schreibtisch dieselbe Unordnung wie<br />

immer. Daran hatte ich mich schon gewöhnt. Wir<br />

waren meist zusammen unterwegs. Das verband.<br />

„So, der Kaffee ist fertig.“<br />

Wir setzten uns zusammen und unterhielten uns<br />

über die gemeinsamen Jahre. Acht Jahre wären<br />

es bald geworden, stellten wir fest. Nach dem<br />

Erzählen, Erinnern und über die Zukunft reden,<br />

machten wir uns an die Arbeit. Mein Telefon<br />

läutete.<br />

„Meyer, Wache. Wir haben einen Raubüberfall<br />

auf die Volksbank in Seckenheim. Der Täter soll<br />

noch im Objekt sein.“<br />

„Wir beeilen uns“, sagte ich.<br />

„Frank, schnell, umschnallen. Raubüberfall auf<br />

die Volksbank Seckenheim. Der Täter soll noch<br />

in der Bank sein.“<br />

Das ist ja ein toller Abschluss für Frank, waren<br />

meine Gedanken. Wir fuhren los. Nach fünf<br />

Minuten trafen wir ein. Zwei Fahrzeuge des<br />

Polizeireviers Ladenburg waren schon vor Ort.<br />

„Achtung, der Täter ist noch im Objekt,“ sagte<br />

ein Uniformierter.<br />

„Es gibt einen weiteren Zugang vom Parkplatz.<br />

Steht schon jemand dort?“<br />

„Nein, wir sind auch gerade eingetroffen.<br />

Frank, du bleibst hier. Ich gehe nach hinten, auf<br />

den Parkplatz und sichere dort ab.“<br />

„Ja.“<br />

Ich ging über die Freiburger Straße und von<br />

dort nach links, auf den Parkplatz der Bank.<br />

Ich blieb hinter einem Mauervorsprung stehen.<br />

Dort konnte ich direkt auf die rückwärtige Tür<br />

sehen ohne selbst gesehen zu werden, und ohne<br />

unmittelbar gefährdet zu sein. Es tat sich nichts.<br />

Gott sei Dank, dass sich keine Leute auf dem<br />

Parkplatz befanden. Plötzlich ging die Tür auf.<br />

Ein Mann wurde hindurch geschoben, die Hände<br />

über dem Kopf verschränkt. Sein Gesicht zeigte<br />

zum Boden. Hinter ihm der Bankräuber. Er hielt<br />

einen Revolver an den Kopf des Mannes. Ich<br />

wurde nervös. Beide liefen in meine Richtung.<br />

Als sie noch etwa zehn Schritte von mir entfernt<br />

waren, erkannte ich die Geisel. Es war Frank.<br />

Wie war das passiert? Warum war er in die Bank<br />

gegangen? Wir mussten doch draußen warten,<br />

bis der Notruf eintraf. Mechanisch trat ich aus<br />

meiner Deckung hervor. Beide sahen mich.<br />

Ich rief: „Mach keinen Scheiß! Die Bank ist<br />

umstellt! Mensch, sei vernünftig! Noch ist nichts<br />

Schlimmeres passiert!“<br />

Er hob seine Waffe. Ich bleib regungslos stehen.<br />

Versteinert. Er schoss. Ein Schlag in meinen<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 19


PROSA<br />

Oberkörper. Ich sackte in mich zusammen.<br />

Abgehakt …<br />

Das Kalenderblatt sagt mir, unnachgiebig,<br />

dass schon wieder ein Tag angebrochen ist,<br />

seinen Lauf nehmend,<br />

der zu Ende gehen wird,<br />

mit mir, oder ohne mich.<br />

Ich hake ihn,<br />

oder er hakt mich ab.<br />

Das hört sich hart an, für die Ängstlichen,<br />

für die sinnlos in den Tag lebenden.<br />

Doch ich träume, fühle, lache, weine.<br />

Lebe.<br />

Tag für Tag.<br />

Viele Bilder rasten an meinen Augen vorbei.<br />

Mir schien, als würde ich schweben, über<br />

meinem Körper, der auf dem Parkplatz lag. Um<br />

mich Sanitäter und ein Arzt, Spritzen und ein<br />

Beatmungsgerät. Frank stand fassungslos in der<br />

Nähe. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen,<br />

während er dem davonfahrenden Notarztwagen<br />

nachschaute.<br />

Rainer Vollath<br />

Das Begehren<br />

Thomas Manns Liebe zu Klaus Heuser<br />

auf Sylt im Jahre 1927<br />

Da endlich kam er daher schwebenden Fußes<br />

wie Hermes, der Götterbote, in weißen Schuhen<br />

aus Segeltuch auf dem weichen Sand von<br />

Kampens Strand in einem weiß-blau gestreiften<br />

Matrosenanzug mit breitem Kragen, halblangen<br />

Ärmeln und weiten Hosenbeinen.<br />

Gerade da, als sich Alkmene und Jupiter, vom Blitz<br />

der Liebe getroffen, erstmals gegenüberstanden,<br />

unterbrach er die Lektüre des Amphitryon, nahm<br />

die Brille ab, blickte neugierig auf und freute<br />

sich, als er des schönen Jünglings mit der blonden<br />

Tolle und den lieblichen Lippen, der elegant<br />

ziselierten Nase und dem elfenbeinernen Hals,<br />

einer griechischen Statue gleich, gewahr wurde.<br />

Er begrüßte ihn freundlich, reichte ihm die Hand<br />

mit halbfestem Druck, spürte als Erwiderung auf<br />

seiner alternden Haut eine feuchte Wärme, die<br />

von Sylts Seeluft am salzigen Strand kommen<br />

mochte, und tauschte mit ihm die üblichen<br />

Floskeln, wie das werte Befinden so sei und ob<br />

er gut geruht habe, wie es Frau Mama und Herrn<br />

Papa gehe und wann auch sie, Mira und Werner<br />

Heuser, Haus Kliffende verließen, um endlich<br />

unter ihnen zu weilen.<br />

Heimlich beobachtete er den Jüngling weiter,<br />

halb Kind noch und doch schon halb Mann, wie<br />

er sich seiner Kleidung entledigte und mit einem<br />

Male im eng anliegenden Maillot vor ihm stand,<br />

der die prächtige Form seines Gemächtes und<br />

Gesäßes auf erfreuliche Weise preisgab.<br />

Der Jüngling begab sich zum Wasser, trat erst<br />

langsamen Schrittes watend hinein, ehe er<br />

sich, einem Heros gleich, entschlossen in die<br />

wogenden Wellen stürzte, mit seinem Körper<br />

verschwand, bald darauf mit dem Haupte allein<br />

wieder auftauchte und es brüsk zur Seite drehte,<br />

um das Wasser als spritzende Gischt von sich<br />

zu schütteln. Mit kräftigen Zügen schwamm<br />

er hinaus auf die offene See, in das blitzende<br />

Schillern des tosenden Meeres, machte dann<br />

kehrt und schwamm an den sonnigen Strand<br />

zurück, um als Aphrodite Anadyomene den<br />

schäumenden Kronen des Ozeans zu entsteigen,<br />

dabei das salzige Nass von seinem schönen<br />

Körper tropfen lassend.<br />

Er konnte seinen Blick nicht von ihm lassen,<br />

von diesem Adonis, der noch die zarten Arme<br />

und Beine eines Knaben in der Adoleszenz<br />

hatte, die weiterhin unvollendeten Proportionen<br />

eines Jünglings in der Pubertät, doch dessen<br />

Brust schon die vollendete Muskulatur und die<br />

männliche Behaarung eines jungen Erwachsenen<br />

trug, begleitet von einer Stimme, die noch<br />

schwankte zwischen Mann und Kind.<br />

Erneut widmete er sich der Lektüre des Amphitryon,<br />

Alkmene und Jupiter waren sich näher gekommen,<br />

hatten Gefallen aneinander gefunden und ihre<br />

Sympathien bekundet, wohl wissend, dass von<br />

einer tiefen Sehnsucht sie getrieben waren,<br />

die eingelöst zu werden sie unendlich und<br />

unaufhaltsam reizte.<br />

Doch da kam Katia, sein Mielein, die er seit mehr<br />

als 20 Jahren seine Gattin hieß, mit der er in nicht<br />

einmal 14 Jahren sechs Kinder gezeugt hatte,<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 20


PROSA<br />

drei Jungen und drei Mädchen, von denen er drei<br />

liebte und drei nicht. Katia, deren Pielein er war,<br />

die er nicht mehr erkannte, wie es in der Bibel<br />

hieß, die ihm keine Lust mehr einflößte und neben<br />

der zu liegen ihm keine Freude mehr bereitete,<br />

vielleicht sogar nie bereitet hatte. Sie setzte sich<br />

zu ihm in den Strandkorb und wechselte mit dem<br />

Jüngling die üblichen Floskeln, so wie er selbst<br />

es wenige Minuten zuvor getan hatte, sie wollte<br />

wissen, wie er sich fühle und ob er gut geschlafen<br />

habe, wie es den werten Eltern gehe und wann sie<br />

ihnen endlich Gesellschaft leisteten.<br />

Der Narziss breitete sein blutrotes Badetuch im<br />

Sande aus, ließ sich darauf nieder und blickte mit<br />

seinen göttlichen blauen Augen zu ihm empor.<br />

Wie gerne hätte er jetzt mit ihm getauscht, wäre<br />

er es gewesen, der ihm zu Füßen saß, zu ihm<br />

aufblickte und ihn anbetete wie einen Gott.<br />

Er würde ihm das Du anbieten, würde ihm<br />

mit einem allzu frühen, unüblichen und<br />

unberechtigten Du beschenken, das alle erstaunen<br />

würde, Katia, des Jünglings Eltern und seine<br />

eigenen sechs Kinder. Er würde ihn im Herbst in<br />

die Poschi nach München einladen, wenn er, der<br />

große Schriftsteller, in den Kammerspielen einen<br />

Vortrag über Amphitryon hielt, und dann würde<br />

der Jüngling hören, was er über ihn dachte, was<br />

er für ihn empfand und was er ihm anvertrauen<br />

wollte.<br />

War er nicht einsam wie Jupiter, von allen<br />

verlassen und von niemandem geliebt? War er<br />

nicht Jupiter, der nur lieben konnte, wenn er<br />

eine andere Gestalt annahm? Der sich in seinen<br />

Romanen, Novellen und Erzählungen hinter<br />

seinen Figuren versteckte, um durch sie die<br />

schönen und jungen Männer zu lieben? So wie<br />

bei Kleist der Gott in die Rolle von Alkmenes<br />

Gatten Amphitryon schlüpfte, um sie zu lieben?<br />

War er nicht Jupiter, der sich in seinem Werk, wie<br />

dieser höchste Gott, eine eigene Welt schuf?<br />

Wieder versuchte er sich abzulenken, seine<br />

Lektüre fortzusetzen, in Alkmenes und Jupiters<br />

Welt einzutauchen und las, wie sie die Nacht<br />

verbracht, einander hingegeben und sich vereint<br />

hatten.<br />

Der Jüngling lag jetzt ausgestreckt auf dem<br />

Badetuch, den zart gemeißelten Arm in den Sand<br />

gestützt, das Kinn in der hohlen Hand und mit<br />

offenen Augen vor sich hin träumend.<br />

Er konnte seinen Blick nicht von ihm lassen, stellte<br />

sich vor, wie seine Lippen den göttlichen Körper<br />

dieses Eros vom Kopf bis zum Fuß mit Küssen<br />

bedeckten und seine Hände ihn liebkosten.<br />

Plötzlich spürte er eine Erregung, legte schützend<br />

seine Hand darauf, um seiner verräterischen<br />

Gedanken und Gefühle wegen nicht überführt zu<br />

werden, und erlebte diesen Augenblick mit einer<br />

nie gekannten, mystisch-göttlichen Intensität. Er<br />

konnte seine Erregung nicht mehr zurückhalten,<br />

verlor die Beherrschung über sich und seinen<br />

Leib, ein hoch erfreutes, hoch erregtes und hoch<br />

heiliges „Ach“ entwich ihm, und noch ein „Ach“,<br />

ein dreifaches „Ach“.<br />

„Ich liebe dich“, fügte er dann mehr gesprochen<br />

als gedacht voller Leidenschaft hinzu.<br />

„Pielein! Pielein!“, hörte er Katia mit scharfer<br />

Stimme plötzlich neben sich, ihren Ellenbogen<br />

fest in seine Rippen stoßend und ihn so jäh seiner<br />

Träumerei entreißend, ihn zurückholend an den<br />

feinen Sandstrand von Kampen, unweit von Haus<br />

Kliffende, in dem er mit ihr logierte.<br />

Der Jüngling lag noch immer ausgestreckt vor<br />

ihm auf den Arm gestützt, das Kinn in der Hand<br />

und mit offenen Augen träumend, er, Adonis und<br />

Aphrodite Anadyomene, Hermes und Narziss.<br />

Oleg Suturin, St. Petersburg<br />

Sie wusste es. Eine Filmerzählung<br />

Heute nacht träumte mir wieder dieser Alp.<br />

Dabei sah ich alles bis ins Kleinste und mühsam<br />

verstehe ich jetzt, wie so längst vergangene<br />

Ereignisse in meinem Unterbewußtsein in so<br />

entsetzlicher Gestalt auftauchen konnten. Die<br />

einzige Befreiung aus dieser Kette des Grauens<br />

finde ich in der Niederschrift, des Tagebuchs,<br />

wo ich den Kern des Geschehenes darzulegen<br />

versuche. Ich denke, dass man auf dieser Basis<br />

einen faszinierenden Film drehen kann.<br />

Das geschah vor so langer Zeit, dass ich mich<br />

sogar nicht daran erinnern kann, wann genau.<br />

Vielleicht vor zehn oder fünfzehn Jahren.<br />

In dieser Tatsache findet der Leser (falls diese<br />

Notizenihn je erreichen werden) bestimmt nichts<br />

Merkwürdiges: alles, wie bekannt ist, hat seine<br />

Grenzen, und das Menschengedächtnis ist keine<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 21


PROSA<br />

Ausnahme. Es ist erstaunlich, dass ich mich an<br />

den Monat und sogar an das Datum, wann alles<br />

geschehen war, aber nicht an das Jahr erinnern<br />

kann!<br />

Es ist schon Zeit, direkt mit der Erzählung zu<br />

beginnen, obwohl meine Finger zittern und das<br />

Herz so stark klopft, als wollte es zerspringen,<br />

doch versuche ich mich anzustrengen, und das<br />

angestrebte Ziel zu erreichen: alles so darzulegen,<br />

wie es geschehen ist. Nach jeweils fünf bis sieben<br />

Zeilen kann ich nicht anders und öffne den<br />

Kleiderschrank und vergewissere mich immer<br />

wieder, dass alles Geschehene wahr ist.<br />

Damals arbeitete ich als Fotograf in der<br />

Illustrierten “***”. Аlles begann, oder vielmehr,<br />

alles begann schon wieder zu enden am Sonntag,<br />

den 15. Oktober…<br />

Es war ein nasskalter Tag, wie sie im Herbst in<br />

diesen Breiten zahlreich sind. Hinter dem Fenster<br />

regnete es in Strömen, schwarze knochige Hände<br />

von Bäumen begieβend, an meinem Fenster wie<br />

Tropfen und Bäche zerflieβend. Ich zeichnete mit<br />

dem Finger an dem Fenster. Der riesige graue<br />

Wolkenflaum näherte sich meinem Haus. Als ob<br />

die Natur selbst zu mir sagte, dass man sich heute<br />

nicht auf die Strasse hinauslehnen sollte.<br />

Es ertönte die Klingel an der Tür. Ich wendete<br />

mich vom Fenster und schaltete den Fernseher<br />

leiser. Ohne Vermutung, wer das sein könnte,<br />

ging ich die Tür öffnen. Ich wohnte abgeschieden,<br />

man konnte aber nicht sagen, dass ich gar keine<br />

Freunde hatte. Ich hatte ziemlich viele. Die Arbeit<br />

als Fotograf lieβ mich nicht zum Einsiedler<br />

werden, deswegen fühlte ich mich allein ebenso<br />

gut wie mit Bekannten. Sie besuchten mich nicht<br />

sehr oft, worunter mein Stolz aber auch nicht litt.<br />

An der Schwelle stand der Postbote. Er bat mich<br />

die Austragungsliste zu unterschreiben und dann<br />

gab er mir ein ziemlich groβes Paket. In das<br />

Zimmer zurückkommend, war mir eingefallen,<br />

dass ich nie Briefe, Pakete und Drucksachen<br />

bekommen hatte. Das verdoppelte mein Interesse<br />

und ich zerriss die Verpackung und öffnete die<br />

Schachtel. Auf ihrem Boden war ein Sack von<br />

schwarzer Farbe. Meine Arme streckten sich zu<br />

diesem Sack aus, der Verstand aber kam zuvor,<br />

und ich war in Gedanken stehengeblieben.<br />

Das Leben des gewöhnlichen Fotografen ist<br />

nicht arm, aber leider auch nicht reich. Ich war<br />

kein Genius der Fotographie, das bedeutete<br />

aber nicht, dass ich meine Arbeit schlecht<br />

ausführte. Falls der Mensch liebt, womit er sich<br />

beschäftigt, und falls diese Beschäftigung bei<br />

ihm auch lebendiges Interesse erregt, oder falls<br />

er nun äuβerst hartnäckig ist, dann erreicht er<br />

sogar mit mittleren Fähigkeiten in dieser Arbeit,<br />

zweifellos Erfolg. In meiner Wohnung war nichts<br />

Besonderes, ich würde sogar sagen, dass man<br />

jedes Ding in einer gewöhnlichen, modernern<br />

Wohnung finden konnte.<br />

Nun beschlieβend, dass es nicht zu dem Zweck<br />

war, mich zu töten, holte ich nicht ohne Zittern den<br />

Sack heraus. Was dort war, veranlasste mich zu<br />

einem Ausruf der Verwunderung: ich holte einen<br />

wunderschönen schwarzen Herrenanzug aus dem<br />

Paket. Der gehörte zu jenen, die die großstädtische<br />

Elite zu feierlichen Empfängen anzieht: gebügelt,<br />

glänzend, mit glatten Bügelfalten, es schien, man<br />

könnte beim Anrühren die Hand schneiden. Ich<br />

wollte ihn sofort anprobieren, bemerkte aber einen<br />

Anhänger, der hinter dem Kragen festgesteckt<br />

war. Ich riss ihn los und sah ihn genauer an. Auf<br />

dem weiβen Kartonstück standen die Worte:<br />

“ZIEH DAS ZU MEINEM BEGRÄBNIS AN”.<br />

Ich war starr vor Erstaunen lieβ mich in den<br />

Sessel nieder, den Anhänger und den Anzug fest<br />

mit den Händen umklammernd.<br />

Was ist das? Ein Scherz? Ich schaute mir die<br />

Inschrift noch mal an, beschloss, dem gesunden<br />

Menschenverstand zu vertrauen, und schaute, von<br />

wem das Paket war. An dieser Stelle ist mir alles<br />

klar geworden. Das war ein Geschenk von einer<br />

alten Bekannten von mir. Ein seltsamer Mensch<br />

war sie: ihre Garderobe bestand gänzlich aus<br />

schwarzen Sachen, selten aus schwarz-grauen.<br />

Ich schlug ihr vor, etwas Helleres anzuziehen,<br />

aber alles vergeblich. Sie ärgerte sich nur und<br />

sagte, dass ich sie kaum verstehe. Sie hatte<br />

vielleicht Recht, obwohl ich sie ziemlich gut<br />

kannte. Kennen ist aber eine Sache, verstehen –<br />

eine ganz andere.<br />

Die Eigentümlichkeit meiner Freundin zeigte<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 22


PROSA<br />

sich sowohl in ihrem Benehmen, als auch<br />

in ihren Gewohnheiten: während unserer<br />

seltenen Treffen, egal wo wir uns befanden,<br />

war es eher ich, der sprach. Sie schaute sich<br />

nur mein energisches Gebärdenspiel mit einem<br />

einigermaßen krankhaften Blick an, rauchte ab<br />

und zu und brachte ihre immer wieder auf die<br />

Stirn fallende Strähne in Ordnung. Es schien so,<br />

als dächte sie nur an den Tod und auch daran,<br />

dass bald die gesamte Menschheit ihre Chance,<br />

die Existenz fortzusetzen, verpasst. Kurzum<br />

waren ihre Gedanken pessimistisch, genauso wie<br />

ihre Laune. Ewige Depressionen, Melancholie<br />

und Schwermut. Das Schlimmste war, dass ich<br />

wohl nur ein Mal ein Lächeln auf ihrem Gesicht<br />

gesehen hatte, vom Lachen war überhaupt nicht<br />

die Rede.<br />

Der Grund dafür war, so dachte ich mir, ihre<br />

absolute Handlungsfreiheit. Ihre Eltern waren<br />

keine armen Leute. Auf Wunsch ihrer Tochter<br />

bauten sie ein dreistöckiges Haus tief in der<br />

Provinz - ein Einfamilienhaus mit allem Komfort.<br />

Dorthin zu gelangen war es wegen schlechter<br />

Wege und der ziemlich weiten Entfernung gar<br />

nicht so einfach. Die Tochter konnte in diesem<br />

Haus alles machen, was sie wollte. Sie schnitt<br />

sich die Venen bei Nervenzusammenbrüchen<br />

auf, pumpte sich voll mit Drogen und ging<br />

damit ihren Eltern mächtig auf die Nerven.<br />

Auch die Eltern kannte ich. Sie verloren nach<br />

und nach ihren Einfluss, und waren ihrer Tochter<br />

gegenüber nachsichtig geworden. Ihre Schwäche<br />

war wohl das Einzige, was ich an ihnen nicht<br />

mochte. Was das Haus an sich angeht, so war ich<br />

ein paarmal da. Die ruhigen oder auch nicht so<br />

ruhigen Treffen verwandelten sich aber in etwas<br />

eher Teuflisches: “heavy metal”, Drogen und ein<br />

Mix aus allen möglichen energy drinks (wie man<br />

so sagt, “versuch nie, so was nachzuahmen”) mit<br />

Absinth, Cola, Whisky, kurzum mit allem, was<br />

die menschliche Phantasie so erfinden kann. Ab<br />

und zu lasen die Gäste okkulte Bücher vor: die<br />

Magie von Papus, Runenzaubersprüche, etwas<br />

aus den Werken von Blawatskaja und Ähnliches.<br />

Obwohl ich kaum an diesen Unsinn glaubte,<br />

versuchte ich möglichst diesen Ort zu meiden.<br />

Doch als Fotoobjekt hat diejenige, die mir so<br />

ein originelles Paket schickte, schon längst<br />

die Siegeslorbeeren verdient. Ich schaute mir<br />

ihre große Aufnahme an der Wand näher an:<br />

bei all der Nichtattraktivität ihrer inneren Welt<br />

war ihr Äußeres durchaus bewundernswert!<br />

Rabenschwarze hüftlange Haare, grüne<br />

Augen (grün wie sehr frische nasse Nadeln),<br />

Gesichtszüge so vollkommen, als ob Gott mit der<br />

Weltschöpfung auf eine Weile Pause machte und<br />

die restlichen fünf Tage nur an ihrer Schönheit<br />

arbeitete, Lippen dünn und blutrot wie die ein<br />

Sonnenuntergangs. Zu poetisch, aber doch wahr.<br />

In ihrem Äußeren war etwas, was mich als<br />

Künstler lockte. Sie war für mich wie ein<br />

fotografisches Phänomen: auf dem riesengroßen<br />

Bild war ein geheimnisvolles Lächeln zu sehen.<br />

Ihre Augen folgten dem Zuschauer aufmerksam<br />

unabhängig davon, wo man sich hin bewegte,<br />

merkten die ganze Plumpheit seiner Bewegungen.<br />

Und deswegen drückte das Lächeln eine absolute<br />

Verachtung und Haβ dem Zuschauer gegenüber<br />

aus. Oft spürte ich den Drang, das Foto von der<br />

Wand abzureißen, doch der Blick eines Künstlers<br />

erlaubte den Armen nicht, die eigene Schöpfung<br />

anzutasten. Jeden Tag schien es mir, als würde<br />

ihr Gesichtsausdruck anders, als hätte jemand in<br />

meiner Abwesenheit oder nachts – während ich<br />

schlief – ein neues Bild an die Wand gehängt…<br />

16. Oktober<br />

Am Morgen weckte mich ein Anruf. Es war<br />

gegen eins, aber ich war damals gewöhnt, lange<br />

zu schlafen, wenn ich nirgendwohin musste<br />

und kein Zeitdruck bestand. Das Ereignis von<br />

gestern nahm ich nicht wirklich ernst. Ich habe<br />

mich schon seit langem an Merkwürdigkeiten<br />

gewöhnt. Und überhaupt – wenn man es sich so<br />

sinnvoll überlegt, sind wir ohnehin alle verrückt.<br />

Wie kann es doch anders sein? Sonst wäre es ja<br />

allzu langweilig!<br />

Das Telefon klingelte und klingelte, es weckte in<br />

mir langsam die Wut allen lauten Tönen früh am<br />

Morgen gegenüber. Endlich nahm ich den Hörer<br />

ab und legte mich wieder ins Bett. Das war Sergej<br />

Anatoljewitsch, der Vater meiner Bekannten.<br />

Seine Stimme klang so, als hätte er mehrere Tage<br />

nichts gegessen und nichts getrunken. Ich dachte<br />

aber, es komme wohl daher, dass er auch erst kurz<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 23


PROSA<br />

munter war, und begrüßte ihn munter:<br />

„Sascha? Sie sind es?“<br />

„Ja, guten Morgen, Sergej Anatoljewitsch!“<br />

Der Mann schluckte auf, holte den Atem und<br />

setzte fort, indem er leicht röchelte:<br />

( Fortsetzung folgt)<br />

Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche<br />

von Nika Demtschenko, St. Petersburg<br />

Thomas Schiffer, Plittersdorf<br />

Am Flughafen<br />

April 2012<br />

Mal wieder am Flughafen. Ich setze mich auf den<br />

einzigen freien Platz in der Wartehalle zwischen<br />

zwei klappernde Laptops und nehme mir meine<br />

Zeitung vor. Über das Feuilleton komme ich<br />

nicht hinaus. Mir gegenüber entfaltet sich ein<br />

Triptychon von erlesener schwarzer Eleganz. In<br />

der Mitte die thronende Mater et Magistra, eine<br />

nicht mehr junge, dafür umso üppigere Dame,<br />

ganz umhüllt von wallenden schwarzen Tüchern<br />

und silberner Mähne. Dazu reich dekoriert mit<br />

Silberschmuck aller Art und passend pastellig<br />

geschminkt. Sie wird von einem älteren Herrn<br />

im Arm gehalten. Auch er in schwarz und silber,<br />

ohne Haar, dafür mit Rauschebart. Der Faltenwurf<br />

der Gewänder deutet auf frühe sechziger Jahre im<br />

Alter hin.<br />

Sein völlig gelöster, ja verklärter Blick verliert<br />

sich sinnend in der Weite der Wartehalle.<br />

Er lauscht. Seine Frau führt ein klassisches<br />

Lehrgespräch mit dem jungen Mann zu ihrer<br />

Rechten. Ebenfalls in Schwarz-silber scheint er<br />

etwas tiefer zu sitzen, ihr zugewandt und an den<br />

grau-schwarzen Lippen hängend, wagt er den<br />

ein- oder anderen Einwurf. Das Ganze ergäbe ein<br />

nettes Bild – wenn sie nur schwiegen.<br />

Es geht um Kunst.<br />

Ihre Kunst genauer gesagt. Neo Rauch sei<br />

überteuert, Beuys lange perdu. Sie habe das alles<br />

neulich abgehängt, nach der Neugestaltung ihrer<br />

Räumlichkeiten. Nach Durchbruch der neuen<br />

Fenster waren die Farben einfach zu kalt. An<br />

die Stelle muss etwas Warmes, Freundliches,<br />

ja Frauliches. Sie wisse noch nicht was, Turner<br />

vielleicht. So wie sie da sitzt und spricht gibt<br />

sie etwas Animalisches ab. Zu umfangreich, im<br />

noch als Fledermaus durchzugehen, zu elegant<br />

für einen Drachen. Vielleicht gibt sie heute den<br />

diabetischen Racheengel. Der junge Mann spielt<br />

mit. Dieses Unbestimmte in der Turner-Kunst,<br />

diese Weichheit in der Farbe, solch kaum gekannte<br />

Empfindung für Licht. Ich frage mich, woher die<br />

Leute das Geld und die feinsinnigen Gedanken<br />

nehmen. Der Mäzen – schwarze Erscheinung,<br />

Silberbart, kein Haar – sitzt stumm nebendran.<br />

Er kennt die Reden seiner Frau wohl auswendig.<br />

Solcherart entrückt kann man das aushalten. Der<br />

junge Mann empfindet noch ‚dieses‘ und auch<br />

‚jenes‘. Ich empfinde ein subtiles Verlangen<br />

nach dieser erlösenden Stimme des Kranichs, die<br />

uns in die entrückte Schwebe jenes Silbervogels<br />

ruft und uns dann ins höchst diesseitige Berlin<br />

schickt.<br />

Helmfried Protsch, München<br />

Begegnung<br />

oder die Flucht in den Norden<br />

Endlich war er angekommen. Am Rand der<br />

Endlosigkeit. Müde war er vom endlosen Laufen.<br />

Hierher fuhr nichts mehr. Noch nicht einmal ein<br />

Taxi wollte ihn hierher bringen. „Da verdien ich<br />

nichts dran“, hatte der Fahrer gesagt. „Ich muss<br />

ja wieder zurückfahren. Leer. Verstehen Sie?“<br />

Zwölf Stunden war er gelaufen. Hatte gerade mal<br />

zehn Minuten Pause gemacht. Etwas gegessen.<br />

Hier suchte ihn niemand. Selbst der Teufel nicht.<br />

Hier gab es zwei Höfe und ein Gasthaus. Und<br />

hoffentlich ein Zimmer. Er brauchte jetzt was<br />

zwischen die Zähne und dann Schlafen.<br />

Morgen sieht alles anders aus. Morgen. Endlich<br />

frei. Endlich er selbst. Endlich Ruhe. Endlich<br />

leben. Keine Pflichten mehr. Pflichten, die keine<br />

waren. Pflichten, die ihm abverlangt wurden.<br />

Aufgaben, die unsinnig waren. Die er erfüllen<br />

musste. Versteckspiel vor den Nachbarn. Die<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 24


PROSA<br />

auf keinen Fall wissen sollten – ja durften,<br />

wenn er – beziehungsweise seine Frau oder sie<br />

beide – weggingen. Nur weil die sich anders<br />

verhielten als es erwünscht war. Umständliche<br />

Verhaltensweisen. Briefe, die drei Stunden<br />

brauchten. Weil die Korrektur von der Korrektur<br />

von der Korrektur. Beschuldigungen, wenn er<br />

anders arbeitete. Beschimpfungen, wenn er etwas<br />

anders machte, als erwartet oder verlangt. Nicht<br />

das Ergebnis zählte, sondern der Weg. Manchmal<br />

Drohungen. Sogar Schläge. Wenn er wiederholt<br />

von der „Vorschrift“ abgewichen war. Wenn das<br />

und das, dann Tür offen. Wenn das und das, dann<br />

Tür zu. Wehe, es klappte nicht.<br />

Keine Mutter mehr im Genick. Eine Mutter, die<br />

seine Frau war. Die sich über alles aufregte. Die<br />

Nachbarn. Den Hausmeister. Die Hausverwaltung.<br />

Die Mitbewohner. Die Außenanlagen. Die Pflege,<br />

die Reinigung. Den Briefträger. Die Lampen.<br />

Genug jetzt. Er musste Listen führen. Über<br />

Defekte. Aufgetreten, repariert, wer, wann, wo.<br />

Genug jetzt. Endlich frei. Endlich leben. Endlich.<br />

Immer das Misstrauen. Hast du die Heizung<br />

abgedreht. Kontrollgang gemacht. Ist die Türe<br />

verschlossen. Sätze wie: Das ist wieder eine<br />

deiner ungeprüften Behauptungen. Bist du dir<br />

sicher. Stimmt das wirklich. Weißt du das genau.<br />

Dazwischen Beschuldigungen. Beschimpfungen.<br />

Unflätige. Misthund. Dreckstück. Fauler Hund.<br />

Endlich vorbei.<br />

Unabhängig. Frei. Das hatte er mal gezeichnet.<br />

Eine Hand, die mit einem Hammer die<br />

umgebenden Wände einschlägt. Frei sein ist<br />

mühsam. Aber er hatte es geschafft. Hier war er<br />

frei. Weg von aller Last. Am Ende der Welt. Aber<br />

frei. Endgültig. Irgendwann wird er sein Leben<br />

wieder aufnehmen. In der Mitte der Zivilisation.<br />

Irgendwann.<br />

Das Meer kochte. Die Wetterfrösche hatten Sturm<br />

gemeldet. Stärke zehn bis zwölf. Jetzt war er da.<br />

Der Sturm. Stärke zwölf. Und Flut. Das Meer<br />

kochte. Er liebte extreme Wetterlagen. Immer<br />

dann ging er hinaus. Mit der Kamera. Fotografiert<br />

hatte er schon lange nicht mehr. Heute gab es<br />

nichts zu fotografieren. Alles nur grau. Das Meer,<br />

der Himmel, das Land. Die Farben mit dem<br />

Sturm verweht. Die Wolken. So, wie er. Heute.<br />

Mann, hatte er einen Kater. Gestern Abend. Erst<br />

gegessen und dann – Er hatte sich den Frust von<br />

der Seele geredet. Hatte ein Bier nach dem anderen<br />

getrunken. Und Korn dazwischen. Zwölf hatte er<br />

gezählt. Dann war alles vorbei. Wie er auf sein<br />

Zimmer gekommen, wie er ins Bett gekommen –<br />

nein, er konnte sich nicht erinnern. Wer hatte ihn<br />

ausgezogen, den Pyjama angezogen, ihn ins Bett<br />

gelegt – Peinlich. Er wusste es nicht. Heute beim<br />

Frühstück hatte niemand ein Wort verloren. Herb<br />

und freundlich wie immer. Und das Frühstück.<br />

Wie immer hervorragend. Mit allem Drum und<br />

Dran. Kein Wort über gestern Abend.<br />

Nach dem Frühstück hinaus. Der Sturm peitschte<br />

das Meer von Nordwest. Über den Strand, über<br />

das Land. Fast bis zu den drei Häusern. Der<br />

Regen fiel waagrecht. Er pickte auf die Haut. Das<br />

war sein Wetter. Extrem. Das war das Richtige.<br />

Passte zu ihm. Passte zu seiner Stimmung.<br />

Theodor Storm. Er musste so gewesen sein wie<br />

er. Musste das Meer geliebt haben. Erlebt haben.<br />

So wie heute. Seestück. Caspar David Friedrich.<br />

Das zerschellte Schiff am Felsen. Heute könnte<br />

es auch sein. Heute sind die Schiffe nicht<br />

wetterabhängig. Keine Segel am Horizont. Kein<br />

Ausguck im Mastkorb. Radar. Für alles Radar.<br />

Die Düne hinauf. Das Reedgras war vom Sturm<br />

flach gebürstet. Fallenlassen. Wie in der Jever-<br />

Werbung. Rücklings in den Sand. Er hatte sich<br />

den Südwester geliehen. Bis jetzt war er trocken<br />

geblieben. Der Hut rollte ins Gras, blieb hängen.<br />

„Komm her, ich brauch dich noch.“<br />

Das Gespann kam näher. Zwei Pferde zogen einen<br />

Leiterwagen. Der Wagen schaukelte gefährlich<br />

hin und her. Er knirschte und quietschte in allen<br />

Verbindungen. Die Pferde liefen ungleichmäßig<br />

und zogen das Gefährt ruckartig den Feldweg<br />

voran. Der Bauer auf dem Bock fluchte, wenn ein<br />

Rad mal wieder in ein Loch gefahren war und ihn<br />

fast herunter warf.<br />

Es war inzwischen Frühling und das Gras der<br />

endlosen Weiten duftete so satt grüngelb wie<br />

noch nie - .<br />

Das Gespann war am Gasthaus angekommen.<br />

Fiete, der alte Bauer aus dem Nachbardorf stieg<br />

umständlich vom Bock. Von der Ladefläche stand<br />

eine Frau auf und stieg über die Leiter auf das<br />

Vorderrad. Fiete half ihr herunter. Er ging voraus.<br />

Der Schaft seiner Gummistiefel schlappte an der<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 25


PROSA<br />

blauen Hose. Die Frau stolperte hinter ihm her.<br />

Sie betraten die Gaststube. Die Frau deutete auf<br />

den ersten Tisch.<br />

„Ich bin so froh, dass Sie mich hergebracht<br />

haben“, sagte sie zu Fiete. „Wenn es auch eine<br />

Tortur war wegen des schlechten Wegs – aber<br />

wenn ich das hätte laufen müssen –“<br />

Sie ließ den Satz offen.<br />

„Walter, bring man zwei Jever“, sagte Fiete.<br />

„Und ein Korn.“<br />

Er schwieg bis der Wirt das Bestellte brachte.<br />

„Macht dich wieder lebendig“, sagte er zu der<br />

Frau. Trank das Bier ex und dann den Korn.<br />

„Muss mit dem Wirt snacken“, ergänzte er und<br />

ging zur Theke.<br />

„Walter, sach man, wohnt bei dir ein Gast?“<br />

„Ja, seit vier Wochen. Warum?“<br />

„Die Frau da will zu ihm.“<br />

„Warum?“<br />

„Sie ist seine Frau.“<br />

„Das ist kein Grund. Er hat gesagt, er ist allein<br />

und will allein sein. Verstehst du?“<br />

„Ist er da?“<br />

„Nein.“<br />

„Wo ist er denn?“<br />

„Fort!“<br />

„Ich schick sie dir. Sag du ihr das. Ja?“<br />

„Ja.“<br />

Fiete ging wieder zum Tisch.<br />

„Hab ihn gefragt.“<br />

„Was haben Sie den Wirt gefragt?“<br />

„Ob bei ihm jemand wohnt.“<br />

„Und?“<br />

„Nichts und. Hier wohnt keiner.“<br />

„So. Dann werde ich mir jetzt ein Zimmer<br />

nehmen.“<br />

Die Frau stand auf und ging zum Wirt.<br />

„Ich brauche ein Zimmer. Haben Sie eines frei?“<br />

„Wie lang?“<br />

„Das weiß ich noch nicht. Vielleicht zwei, drei<br />

Tage. Vielleicht eine Woche. Ich weiß es noch<br />

nicht.“<br />

„Hab nichts frei. Kein Zimmer.“<br />

„Das gibt’s doch nicht. Hier am Ende der Welt,<br />

wo niemand freiwillig hingeht Und dann kein<br />

Zimmer. Sie haben wirklich keines?“<br />

„Hab nur zwei. Sind belegt.“<br />

„Das darf doch nicht wahr sein! Wer wohnt denn<br />

hier bei Ihnen?“<br />

„Das geht Sie nichts an.“<br />

„Doch. Ich suche meinen Mann. Er muss hier<br />

sein. Alle Hinweise deuten hier her.“<br />

„Sind zwei Frauen.“<br />

„Wer hat hier denn noch Zimmer? Ich bin doch<br />

nicht her gekommen, um gleich wieder weg zu<br />

fahren, weil ich hier kein Zimmer kriege.“<br />

„Tut mir leid. Keiner. Fahren Sie halt wieder<br />

zurück. Mit dem Fiete. Dort finden Sie bestimmt<br />

ein Zimmer.“<br />

Walter seufzte tief. So einen langen Satz hatte<br />

er noch nie gebraucht. Überhaupt strengte ihn<br />

so ein schwieriges Gespräch ungeheuer an. Jetzt<br />

brauchte er erst mal ein Jever.<br />

Es war ein schöner Tag gewesen. Die Sonne hatte<br />

glühend den Horizont geküsst. Und das Meer<br />

brannte. Die Rinder waren wieder auf den Weiden.<br />

Der Löwenzahn blühte leuchtend gelb. So hatte<br />

er das Allgäu kennengelernt. Jetzt war er hier und<br />

hatte Sehnsucht nach dem Süden. Oder war es<br />

Heimweh? Eigentlich hatte er keine Heimat mehr.<br />

Er war der Bote zweier Welten. Mehr als dreißig<br />

Jahre Frankfurt. Fast dreißig Jahre München.<br />

Heimat? Dritter Lebensabschnitt. Bodensee.<br />

Geplant. Aber wann? Jetzt war er hier. Heimweh?<br />

Nein. Heimweh war das nicht. Er hatte auch in<br />

München kein Heimweh. Dies war eine Flucht.<br />

Flucht vor Einschränkung. Bevormundung.<br />

Zwang. Befehlen. Unfreiheit. Hier war es still.<br />

Das Meer war zu hören. Die Kühe. Die Seevögel.<br />

Die Menschen redeten nicht viel. Waren wortkarg.<br />

Passte zur Landschaft. Passte zu ihm. Eigentlich<br />

fühlte er sich wohl. Allein. Konnte endlich seiner<br />

Berufung nachgehen.<br />

„In cirka vier Wochen ist mein erstes Buchfertig.<br />

Dann kann ich zum Verlag nach München<br />

fahren.“ Das ist wie ein Bekenntnis. Ja, so sollte<br />

es auch bleiben.<br />

Der Fahrweg war ausgebessert worden. Er sah<br />

jetzt richtig schön glatt aus und auch das Fahren<br />

mit dem Leiterwagen konnte man ertragen. Es<br />

war jetzt das fünfte Mal, dass sich die Frau auf<br />

die Fahrt begab. Sie hoffte immer noch ihren<br />

Mann zu finden, der bei Nacht und Nebel aus<br />

der gemeinsamen Wohnung geflohen war. Sie<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 26


PROSA<br />

wollte alles anders machen – das hatte sie ihm<br />

bereits mehrmals versprochen. – Der Geist ist<br />

willig – aber würde er ihr noch einmal glauben?<br />

Sie wollte ihn nicht verlieren. Sie wollte mit<br />

ihm gemeinsam den letzten Lebensabschnitt<br />

verbringen. Wie würde er reagieren, wenn sie<br />

zusammentreffen würden?<br />

Das Gespann hielt vor dem Gasthaus. Sie war auf<br />

dem Bock neben Fiete mitgefahren. Es war eine<br />

erlebnisreiche Zeit gewesen. Sie hatte das flache<br />

Land, das sie nicht ausstehen konnte, weil es für<br />

sie so langweilig erschien, lieben gelernt. Sie<br />

hatte Zeit zum Nachdenken gehabt, konnte mit<br />

sich und ihren Vorstellungen ins Reine kommen.<br />

Franz Preitler, Graz<br />

Gewalt ist keine Lösung. Oder:<br />

„ohne Gewalt ist auch keine<br />

Lösung…“<br />

„Hatten sie zuvor schon öfters Gewaltausbrüche?“,<br />

schreit der Richter am Straflandesgericht in Graz<br />

den vor ihm sitzenden Mann, einen hageren<br />

Typen, an. Dieser weiß in seiner Angst nicht,<br />

wie ihm dabei geschieht. Er zuckt gewaltig<br />

zusammen und starrt verloren auf den Boden.<br />

„Wie jetzt?“, zischt der Richter mit gewaltiger<br />

Stimme, fast zu laut und wirft dem Mann einen<br />

bösartigen Blick zu, sodass sich dieser der<br />

ausweglosen Situation bewusst wird und mit aller<br />

Kraft aufrafft und zaghaft zu sprechen beginnt.<br />

„Ja, vielleicht als Kind. Meine Mutter hat mir<br />

hin und wieder erzählt, dass ich als Kind sehr<br />

jähzornig, sogar gewalttätig sein konnte!“<br />

„Wie hat sich das ausgewirkt?“, hakt der Richter<br />

nach. Ein gewaltiges Raunen geht durch den<br />

Raum. Die Leute warten gespannt, was der<br />

Angeklagte zu sagen hat. Dieser beginnt zu<br />

stottern:<br />

„Wenn…wenn etwas nicht nach meinem Kopf<br />

ging, habe ich getobt und geschrien und alles<br />

Mögliche, was mir unterkommen ist mit Gewalt<br />

gegen die Wand geworfen!“<br />

„Wie hat ihre Mutter darauf reagiert?“, will der<br />

Richter schonungslos in Erfahrung bringen.<br />

„Gewaltsam! Sie hat mich geschlagen und in<br />

mein Zimmer gesperrt, bis ich mich beruhigt<br />

habe!“<br />

„Es war Rache!“, hört man aus der Menge. Eine<br />

Frau ruft laut: „Der Mörder muss hinter Gitter!“,<br />

ein Anderer: „Die Todesstrafe muss wieder<br />

her!“ Unruhe tritt ein, die Leute im Gerichtssaal<br />

werden immer lauter, sodass der Richter<br />

letztendlich eingreifen muss und wild zu schreien<br />

beginnt, fast tobt. „Ruhe, oder ich lasse mit aller<br />

Gewalt den Saal räumen!“ Von einem Moment<br />

auf den anderen wird es still. Unheimlich still.<br />

Die Menge ist vom Wutausbruch des Richters<br />

eingeschüchtert und der Angeklagte sitzt nach<br />

wie vor mit gesenktem Kopf da und beteuert<br />

seine Unschuld. „Ich war es nicht, Gewalt liegt<br />

mir nicht. Ich bin kein Mörder!“<br />

Der Richter erhebt sich und seine gewaltige<br />

Statur kommt zum Vorschein, er plustert sich in<br />

aller Strenge auf. „Da bin ich anderer Meinung.<br />

Man hat gesehen, wie sie an dem besagten Tag<br />

versucht haben, gewaltsam die Haustür zu<br />

öffnen!“ Dadurch versucht er den Angeklagten<br />

gewaltig unter Druck zu setzen und hofft, dass<br />

dieser die Beherrschung verliert und seine Schuld<br />

gesteht. Er täuscht sich.<br />

„Daran, daran kann ich mich nicht mehr erinnern“,<br />

stottert der Angeklagte und schüttelt verlegen den<br />

Kopf. Er drückt die Hände zwischen seine Knie,<br />

blickt zum immer wütender werdenden Richter<br />

auf und wartet was jetzt kommt. Er braucht nicht<br />

lange zu warten, denn mit bitterer Vehemenz<br />

schreit ihn der Richter an. Der Angeklagte wird<br />

bleich, die Leute schauen neugierig. „Dann<br />

werde ich ihrer Erinnerung schonungslos auf die<br />

Sprünge helfen!“<br />

„Sie haben die verschlossene Haustür mit einer<br />

Axt, die sie zuvor aus der Scheune holten,<br />

gewaltsam aufgebrochen!“ Ein Raunen geht<br />

erneut durch den Saal und der Richter blickt streng<br />

auf, versucht die Beherrschung zu bewahren und<br />

fährt fort. „Sie wussten, dass sich ihre Mutter aus<br />

Angst vor ihnen im Haus versteckt hielt! Was<br />

wollten sie von ihrer Mutter?“<br />

„Geld, ich brauchte dringend Geld“, stottert der<br />

Angeklagte verzweifelt und beginnt zu zittern.<br />

„Richtig, sie brauchten Geld für Alkohol und<br />

Drogen. Das war ihr Motiv, denn ohne Alkohol und<br />

Drogen wurden sie aggressiv und gewalttätig!“<br />

Die Augen des Richters funkeln voller Zorn und<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 27


PROSA / ESSAY<br />

Zynismus, er fühlt sich in seiner Vermutung<br />

bestätigt. Stark und mächtig, den Angeklagten so<br />

schnell wie möglich zu überführen. Er reibt sich<br />

die Hände. Die Menge ist darüber verblüfft.<br />

„Jedoch war meine Mutter nicht da“, beginnt<br />

der Angeklagte zu wimmern. Schweiß steht ihm<br />

auf der Stirn. „Wie? Sie war nicht da, als Sie die<br />

Haustür gewaltsam zu Kleinholz gemacht haben<br />

und nach ihr suchten! Wo war sie denn, ihre<br />

Mutter? Erzählen sie es uns nur!“ Der Zynismus<br />

in der Stimmgewalt des Richters gewinnt immer<br />

mehr an Gewicht. Er lächelt aufgesetzt.<br />

„Sie war am Dachboden“, stottert der Angeklagte<br />

mit Tränen in den Augen. Er blickt zu Boden.<br />

„Und weiter!“, schreit der Richter in den Saal und<br />

bekommt einen Gewaltausbruch, der die Menge<br />

im Raum sensationsgierig werden lässt. Einige<br />

stehen auf um mehr zu sehen.<br />

„Ich sagte ja, dass ich sie nicht umgebracht habe,<br />

sie hat sich selbst…“ jammert der Angeklagte<br />

und plötzlich wird es im Saal mausestill, man<br />

hätte eine Stecknadel fallen hören können.<br />

Die Leute wirken enttäuscht. Kein Mord, kein<br />

Gewaltverbrechen, kein Geständnis.<br />

„Und dann haben sie mit der Axt…“ Der Richter<br />

wiederholt sich: „Mit der Axt haben sie mit aller<br />

Gewalt den Strick heruntergeschlagen! Stimmt<br />

das? War es so Angeklagter?“<br />

„Ja… ja das habe ich“, gesteht der Angeklagte.<br />

„Ohne Gewalt hätte ich es nicht geschafft!“<br />

„Und?“, tobt der Richter in unbeherrschter<br />

Fragestellung.<br />

Unruhe unter den Schaulustigen. Sie raunen und<br />

manche rufen fragend in den Saal: „Was und?“<br />

„Wie oft haben sie verfehlt Angeklagter?“ Stille!<br />

„Wie oft haben sie ihre Mutter dabei erwischt?“<br />

Johanna Klara Kuppe, Waiblingen<br />

Mischfarbe mit gemischten<br />

Gefühlen - VIOLETT (I)<br />

Violett erzeugt gemischte Gefühle - es wird von<br />

mehr Menschen abgelehnt als geliebt. Nur 3%<br />

der Frauen und Männer bezeichnen Violett als<br />

Lieblingsfarbe. Von kurzen Moden abgesehen,<br />

war Violett nie besonders beliebt.<br />

Kennen Sie übrigens den Unterschied zwischen<br />

Violett und Lila? - Violett ist eine Mischung<br />

aus Rot und Blau, Lila enthält zusätzlich Weiß.<br />

Es gibt 41 verschiedene Violett/Lila-Töne (z.B.<br />

Lavendel, Magenta, Mauve, Purpurviolett,<br />

Veilchenblau etc.)<br />

Der Bauhauslehrer Johannes Itten ließ seine<br />

Studenten speziell die Farben benutzen, die sie<br />

am wenigsten mochten. Oft stellten die Studenten<br />

dann fest, dass die ungeliebten Farben (öfter eben<br />

auch Violett) von ungeahnter Schönheit sind. In<br />

keiner anderen Farbe vereinigen sich so große<br />

Gegensätze wie im Violett: es ist die Verbindung<br />

von Rot und Blau, von Männlichem und<br />

Weiblichem, von Sinnlichkeit und Geist. Eine<br />

große Vergangenheit hat Violett zudem: es war<br />

im Altertum die Farbe der Herrscher, der Macht<br />

und zwar als Purpur (ursprünglich als violettes<br />

Purpur, amethytähnlich).<br />

Nach dem Veilchenblau (violette heißen Veilchen<br />

im Englischen und Französischen) wurde auch<br />

das chemische Element Jod benannt, denn im<br />

Altgriechischen heißt Veilchen „Ion“, daraus<br />

wurde Jod. Wenn Jod erhitzt wird, entstehen<br />

violette Dämpfe.<br />

Da der violette Purpur in der Antike die Farbe<br />

der Herrscher war, entstand auch die sprachliche<br />

Nähe des Violett (des Veilchens) zur Gewalt -<br />

„violentia“ ist „die Gewalt und „violare“ heißt<br />

„vergewaltigen“. „Gewalt“ in England und<br />

Frankreich heißt „violance“ bzw. „violation“<br />

(Vergewaltigung). „Flieder, Veilchen und<br />

Gewalt“.<br />

Im Farbklang der Frömmigkeit ist Weiß die<br />

göttliche Farbe; Schwarz die politische Farbe;<br />

Violett die Farbe der Theologie. So kleidete die<br />

katholische Kirche ihre Bediensteten in Violett.<br />

Es war die Rangfarbe der Kardinäle, Bischöfe und<br />

Prälaten, denn sie tragen bei offiziellen Auftritten<br />

violette Soutanen. Das kirchliche Violett hat<br />

seinen Ursprung auch im Purpur. Die Farbe der<br />

weltlichen Macht ist in kirchlicher Interpretation<br />

die Farbe der Ewigkeit und der Gerechtigkeit.<br />

So löste die Kirche das Dilemma, nach Macht zu<br />

streben und trotzdem als demütige Dienerschaft<br />

Gottes zu erscheinen.<br />

In der evangelischen Kirche ist Violett bis heute<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 28


ESSAY<br />

die Kirchenfarbe. An evangelischen Kirchentagen<br />

werden z.B. weiße Fahnen mit violettem<br />

Kreuz gehisst. Schilder, die auf evangelische<br />

Gottesdienste hinweisen, zeigen eine violette<br />

Kirche.<br />

Als liturgische Kirchenfarbe ist Violett die Farbe<br />

der Buße. Bei der Beichte trägt der Priester eine<br />

violette Stola. Beichtstühle haben oft (meistens)<br />

violette Vorhänge. In der Fastenzeit vor Ostern<br />

ist Violett die „tragende“ Farbe (tragen die<br />

katholischen Geistlichen Violett)<br />

In der christlichen Symbolik ist Violett die Farbe<br />

der Demut. Die Kirche löste den Widerspruch<br />

zum violetten Purpur als Farbe der Macht so:<br />

Könige herrschen durch Gewalt, Kardinäle und<br />

die Kirche durch Demut. Passend dazu und weil<br />

das Veilchen schon in der Antike als Blume der<br />

Mäßigung galt, wurde es zur Symbolblume der<br />

Bescheidenheit. Sie kennen das: “ Sei wie das<br />

Veilchen im Moose....“<br />

Bei Festgelagen trug man Veilchenkränze auf<br />

dem Kopf - der Veilchenduft, so hoffte man,<br />

würde vor Kater und Kopfschmerzen bewahren.<br />

Die gleiche Wirkung wurde auch dem Edelstein<br />

Amethyst zugeschrieben, wer einen Amethyst<br />

trägt, sei davor geschützt, betrunken zu werden<br />

(das griechische Wort „amethysos“ bedeutet<br />

„nicht-trunken“).<br />

Dass die Kardinäle vom Papst einen Amethystring<br />

bekommen, hat natürlich einen anderen Sinn:<br />

Nüchternheit bedeutet hier wieder Demut.<br />

Niemand denkt aber wohl beim Anblick<br />

einer violett gekleideten Person an Demut,<br />

Bescheidenheit oder gar Buße - Violett gilt in<br />

der Mode als Farbe der Extravaganz. Es ist die<br />

individuellste Farbe, da nichts, was uns umgibt,<br />

von Natur aus Violett ist. So verrät Violett die<br />

bewußte Entscheidung für eine besondere Farbe.<br />

Violett trägt man nicht unüberlegt wie Kleidung<br />

in Beige, Grau oder Schwarz. Wer Violett trägt,<br />

will sich von der Masse abgrenzen und ist<br />

selbstbewußt. Elizabeth Taylor liebte Violett.<br />

Violett ist auch die Farbe der Eitelkeit und - aller<br />

schönen Sünden und als diese Farbe selbstverständlich<br />

weiblich.. (denken sie an die vielen<br />

Mädchennamen: Viola, Violetta, Jolande, Erika,<br />

Hortense, Malvine etc.). Es gibt keine „violetten“<br />

Jungennamen.<br />

Violett ist auch die Farbe der Eitelkeit. Eitelkeit<br />

ist nach christlicher Tradition eine der sieben Todsünden<br />

- für uns heute wohl die harmloseste. Doch<br />

im Mittelalter mit den festen Kleiderordnungen<br />

war Eitelkeit ein großes Thema der Predigten: ein<br />

schlimmer Sünder, der lieber den Menschen gefallen<br />

will statt Gott.<br />

Ein Parfum von Dior im giftgrünen Flakon und<br />

violetter Verpackung heißt „Poison“, zu deutsch<br />

„Gift“. Damit soll natürlich nicht suggeriert<br />

werden, dass es giftig sei, sondern gefährlich<br />

betörend und da Violett schon immer eine beliebte<br />

Verpackungsfarbe für Schokolade war (Milka!)<br />

ist Violett auch die Farbe der süßen Sünden.<br />

Sie wissen es: Violett ist die Farbe der<br />

Frauenbewegung. Diese begann mit dem Kampf<br />

um das Wahlrecht für Frauen. „Suffrage“ heißt<br />

„Stimmrecht“ und deshalb nannten sich diese<br />

Frauen „Suffragetten“. Etwa um 1870 begann<br />

die Frauenbewegung in England, denn damals<br />

waren Strafgefangene, Geisteskranke (sofern<br />

sie in „Irrenhäusern“ lebten), Menschen, die in<br />

Arbeitshäuser eingewiesen waren und sämtliche<br />

Frauen (unabhängig von Ehrbarkeit, Intelligenz<br />

und Vermögen) von Wahlen ausgeschlossen.<br />

1918 hatten die Suffragetten in England ihr Ziel<br />

erreicht, 1919 wurde das Frauenstimmrecht<br />

in Deutschland eingeführt, in Frankreich erst<br />

1944. Die Engländerin Emmeline Pethick-<br />

Lawrence machte 1908 drei Farben für die<br />

Frauenbewegung populär: Violett, Weiß,<br />

Grün. Dabei galt Violett als Herrscherfarbe, es<br />

symbolisierte das königliche Blut, das in den<br />

Adern jeder Kämpferin für’s Frauenwahlrecht<br />

fließt, symbolisiert ihr Bewusstsein von Freiheit<br />

und Würde. Weiß symbolisiert Ehrenhaftigkeit<br />

im privaten und im politischen Leben. Grün die<br />

Hoffnung auf einen neuen Anfang.<br />

Die Suffragetten trugen auch im Alltag immer ihre<br />

Farben: Grüne Kostüme mit violetten Paspeln<br />

oder Borten; violette oder grüne Straußenfedern<br />

am weißen Hut usw. Viele Männer unterstützten<br />

die Suffragetten, trugen die Farben als Hutband<br />

und Krawatte. Suffragetten heirateten mit violetten<br />

und weißen Blumen im Brautstrauß. Heute wird<br />

manchmal belächelt, dass eine politische Frauen-<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 29


ESSAY<br />

bewegung sich durch Kleidung profilierte, aber<br />

es war richtig. Es war das beste Mittel, um der<br />

Öffentlichkeit konkret vor Augen zu führen, wie<br />

viele Frauen und Männer zur Bewegung gehörten.<br />

„Violettes Arpeggio“ heißt das nächste Literaturprojekt,<br />

das ich mit vier Frauen und zwei Musikern begonnen<br />

habe, ein Schriftstellerinnenprogramm. Es soll den<br />

Symbolen des „Violett“ nachgehen, auch der Farbe<br />

des Feminismus. Hier beschließe ich für heute den<br />

„violetten Kreis“. Im zweiten Teil wird es um Violett<br />

als Farbe der Magie, der Seelenwanderung, als Farbe<br />

der sündigen Sexualität, Farbe des Originellen und<br />

des Ausgeflippten, Farbe der Zweideutigkeit und<br />

des schwankenden Gefühls gehen und „at last“ um<br />

„Lila - der letzte Versuch“. Bis dahin also!<br />

(Quelle: Eva Heller, Wie Farben auf Gefühl und<br />

Verstand wirken)<br />

Birgit Brüster, München<br />

Max Ernsts Seelenfrieden<br />

oder Rosa Kakadufeder mit<br />

rotem Lederhandschuh<br />

Als Max Ernst mit Peggy Guggenheim im<br />

Arm durch Lissabon spazierte, an einem<br />

hellen sonnigen Morgen im Mai hatte Leonora<br />

Carrington ihn schon lange tot geglaubt. Sein<br />

Tod war ihr so gegenwärtig, so sicher, so<br />

unverrückbar gewesen, dass ihr die Vorstellung<br />

surreal erschien, er wäre noch am Leben.<br />

Sie hatte in den letzten Monaten einen Traum<br />

gehabt, in dem er ertrunken war und so konnte<br />

sie sich gar nichts anderes mehr vorstellen als<br />

das Bild seines Todes. Ein Unfall mit einem<br />

roten Lederhandschuh war schuld, sie sah ihn vor<br />

sich, immer wieder, ihr roter Lederhandschuh,<br />

sie sieht ihn noch jetzt jeden Tag vor sich, groß,<br />

unüberwindlich vor ihrem Gesicht.<br />

Auf seiner Stirn sah sie zuletzt schwarze Striche<br />

wie mit Tusche gezeichnet, Tätowierungen. Die letzte<br />

Erinnerung an sein Gesicht glich einem Portrait, das er<br />

selbst 1938 angefertigt hatte, Autoportrait, Frottage,<br />

Kreide auf Foto, schwarzweiß, eine zehn Jahre alte<br />

Fotografie, von der er einen Ausschnitt schräg<br />

vergrößern ließ. Die mit Kreide durchgeriebenen<br />

Strukturen umschlingen sein Gesicht wie Barthaar,<br />

legen sich wie ein Schleier davor und gleichen in<br />

ihrem Liniengespinst Schriftkürzeln. Es ist, als<br />

habe sich die Natur wie eine Tätowierung in die<br />

dünne Haut eingeschrieben, die Augen tauchen ab<br />

in eine Unterwelt jenseits der Fotografie. Fremde<br />

Zeichen, Hieroglyphen, nicht entschlüsselbar, ein<br />

Schmuck oder eine Verletzung, sie weiß es nicht.<br />

Wenn sie an ihn denkt, denkt sie an das Bild von<br />

ihm, es ist untrennbar mit ihm verknüpft, sein<br />

Gesicht existiert nicht mehr ohne dieses Bild.<br />

Da sie fest davon überzeugt war, die Fantasie sei<br />

schlimmer als die Realität, hatte sie sich nie davor<br />

gefürchtet, später in den Zeitungen von Max<br />

Tod zu erfahren oder über gemeinsame Freunde<br />

davon zu hören. Aber niemals wäre sie auf den<br />

Gedanken gekommen, er könne noch leben und<br />

erst recht nicht mit einer anderen Frau als ihr<br />

selbst. Als Max Ernst im Jahre 1941 mit Peggy<br />

Guggenheim an der Hand den über die Ufer<br />

getretenen Tejo betrachtete, weniger mit Sorge<br />

als vielmehr aus rein künstlerischem Interesse,<br />

war Leonora Carrington gerade aus einem langen<br />

Schlaf mit Träumen erwacht, in denen sie und Max<br />

miteinander rangen, rote Lederhandschuhe den<br />

Besitzer wechselten und Wassermassen die Ufer<br />

von Flüssen überschwemmten. So glaubte sie zu<br />

träumen, als sie dem Paar begegnete, es schien ihr,<br />

als seien die Figuren aus ihrem Unterbewusstsein<br />

noch nicht wieder verschwunden.<br />

Max hielt Peggy Guggenheim an der Hand oder<br />

vielmehr sie hielt ihn an der Hand, in der anderen<br />

baumelte ihre rosa Chaneltasche, seine Hände<br />

waren feucht und überhitzt und als er Leonora sah,<br />

glaubte er sich ebenso wie seine frühere Geliebte<br />

in einem Alptraum, den ihm die Erinnerung als<br />

Trugbild vorsetzte.<br />

Die Dame, die ihm entgegenkam, wirkte wie eine<br />

Wiedergängerin der Frau, die er geliebt hatte, sie<br />

war es, sie musste es sein, sie war kein Vexierbild.<br />

Sie trug einen rosa Hut mit einer Vogelfeder, die er<br />

nicht genau erkennen konnte, sich aber sogleich<br />

sicher war, sie stammte von seinem rosa Kakadu<br />

Homeborn, der in derselben Nacht gestorben war<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 30


ESSAY<br />

als seine kleine Schwester geboren wurde.<br />

Vogelmenschen malte er seither immer wieder,<br />

und doch, der rosa Kakadu, der damals hart<br />

und steif in seinem Käfig gelegen hatte, ihn<br />

hatte er nie vergessen. Und nun diese Feder,<br />

ganz sicher die seines Kakadus, es musste<br />

seine Feder sein, rosarot, die Feder aus seiner<br />

Erinnerungsschublade, in der er alles aufbewahrt<br />

hatte, was an Vergangenheit noch Wert besaß für<br />

ihn. Und wenn es diese Feder war, dann war es<br />

auch diese Frau, seine Geliebte, Leonora, die sie<br />

auf ihrem Hut trug, konnte es nur Leonora sein,<br />

seine Leonora, die Leonora, seine Windsbraut.<br />

Hatte der Sturm der Zeiten, der durch ihre Leben<br />

hindurch geweht war auch sie in diese Stadt<br />

getrieben? Die Trümmerstücke an Erinnerungen<br />

begannen anfangs ihn zu überschwemmen,<br />

später rückten sie weiter fort, die Flüsse der<br />

Erinnerungen trockneten aus und hinterließen ein<br />

Brachland, eine Wüste aus Staub, in der nichts<br />

mehr wuchs.<br />

Seine Windsbraut Leonora, sie war eines Tages<br />

verschwunden, tauchte nicht mehr auf, weder in<br />

seinen Träumen noch in seinen Bildern, und er<br />

hatte geglaubt, sie niemals mehr wieder zu sehen.<br />

Ihre Angst vor den Verfolgern, ihre Angst, in<br />

ein Internierungslager zu kommen, ihre Ängste<br />

überall, sie waren verschwunden mit Peggy.<br />

Peggy Guggenheim, die Lady mit der achteckigen<br />

schwarzweißen Brille und den rundherum<br />

pragmatischen Ansichten, sie rückte Max<br />

zurecht. Manchmal hatte er geradezu das Gefühl,<br />

sie nähme seinen Kopf in die Hand und drehe<br />

ihn auf die andere Seite, wenn sie wollte, dass er<br />

die Dinge von einer anderen Richtung betrachten<br />

sollte. Er fühlte sich wie ein Schuljunge in ihrer<br />

Gesellschaft und doch war er glückselig über ihre<br />

ernstgemeinte Heiterkeit, die ihn weiterleben<br />

ließ.<br />

Ihre Augen blitzten, sie schwenkte die<br />

Chaneltasche hin und her wie ein kleines<br />

Mädchen, übermütig, sorglos, als könnten ihr die<br />

Kriegswirren und das Vagabundieren durch die<br />

Kontinente nichts anhaben, als fürchte sie sich<br />

vor nichts, nicht vor den Deutschen, nicht vor<br />

jungen Liebhabern, nicht vor der Ehe und nicht<br />

vor dem Tod.<br />

Mein kleiner Pinsel! Du bist wie diese<br />

Menschen, die überall Schmerzen haben für die<br />

es keine organische Ursache gibt, du empfindest<br />

seelische Qualen, die nicht real sind, sie sind nur<br />

Erscheinungen, sie schmerzen nicht wirklich.<br />

Komm zu dir und lebe, male, schreibe. Think<br />

pink! Ein ganzes Jahr sollte er mit ihr verheiratet<br />

bleiben, ein ganzes langes Jahr mit Peggy, dann<br />

würde sie fortgehen, um für den Rest ihres Lebens<br />

in Venedig zu lustwandeln. In seinem Gedächtnis<br />

blieb später nur ihr Lachen zurück, frei und offen,<br />

so laut, dass er manchmal glaubte, er würde taub<br />

davon wenn sie ihm zu nahe war.<br />

Wie viele Liebhaber mochte sie gehabt haben<br />

vor ihm, wie viele nach ihm? Das fragt man eine<br />

Dame nicht, darüber spricht man nicht mit einer<br />

Dame, und Peggy war eine Dame, das stand<br />

außer Frage. An fast alles hatte er sich gewöhnen<br />

können, nur nicht an die Anrede „mein kleiner<br />

Pinsel“, das ging gegen seine Ehre, er wurde<br />

jedes Mal rot, wenn sie es sagte, ließ ihre Hand<br />

los, lief davon in die andere Richtung, als könne<br />

er sie so abhalten weiter zu sprechen, doch alles,<br />

was er auslöste, war ein gewaltiger Lachanfall,<br />

der Peggy so sehr schüttelte, dass sich der Inhalt<br />

ihrer rosaroten Chaneltasche über die Straße<br />

ergoss und sie längere Zeit damit beschäftigt war<br />

Lippenstifte, goldene Puderdöschen, Kämme und<br />

Geldscheine einzusammeln, die sie grundsätzlich<br />

nur lose bei sich trug.<br />

Stillos diese Leute, pflegte sie zu sagen,<br />

quetschen ihre Geldscheine in viel zu enge<br />

winzige Lederbörsen, die sie Portemonaie<br />

nennen, was für ein Unfug. Geld muss frei sein,<br />

frei zum Ausgeben, dazu ist es da, es muss atmen,<br />

sich entfalten, Zug um Zug durchatmen, flattern<br />

im Wind. Geldscheine sind wie Schmetterlinge,<br />

bunt müssten sie sein, zitronengelb, rosarot,<br />

lindgrün, azurblau und durch die Lüfte fliegen.<br />

Sieh mal, mein kleiner Pinsel. Und noch ehe er<br />

antworten konnte hatte sie schon einige Scheine<br />

hochgeworfen, ein Frühlingswindstoß wirbelte<br />

sie auf und trug sie davon. Peggy, die Frau ohne<br />

Angst, die Frau, die sich in einem einzigen Lachen<br />

erschöpfte, ein großer Mund mit rotbemalten<br />

Lippen an seinem Ohr. Er wurde taub davon, taub<br />

für die Zwischentöne des Lebens.<br />

Wie anders dagegen Leonora, die Windsbraut,<br />

die wahre Liebende und zugleich die Verräterin,<br />

die ewig Ängstliche, die ihn bedrängte mit etwas,<br />

was ohnehin unausweichlich war, für das er um<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 31


ESSAY<br />

Aufschub bat, nur Zeit, nur noch etwas Zeit für das<br />

Malen und Lieben, bitte. Ich habe Angst, es wird<br />

etwas geschehen, sie werden dich internieren, sie<br />

werden dich fangen und töten. Les Milles, weißt<br />

du, was das bedeutet? Die Flüsse werden über<br />

die Ufer treten, es wird Überschwemmungen<br />

geben, wir werden alle sterben, sie konnte nicht<br />

aufhören, davon zu sprechen. Es wird wahr, wenn<br />

du darüber redest, du redest es herbei.<br />

Und endlich kam der Morgen, an dem sie ihn<br />

abholten, fast eine Erleichterung, die Frist war<br />

rum, als hätte ihr eindringlich flüsternde Stimme<br />

sie herbeigelockt, als hätte sie es nicht nur zuvor<br />

gesehen, gefürchtet, geredet, sondern als sei es<br />

durch ihre Ahnungen erst wahr geworden. An<br />

den Abschied erinnerte er sich nicht mehr, ein<br />

Kuss, ein schwarzes Loch, ein Nichts, in dem er<br />

versunken war.<br />

Und jetzt war sie da, sie war in Lissabon. Die Dame<br />

mit dem rosa Hut kam näher, sie lief mit leichten<br />

fedrigen Schritten, fast wie eine Balletttänzerin,<br />

als schwebe sie über dem Asphalt. Wie klein<br />

ihre Füße waren, ihre Füße waren immer winzig<br />

gewesen, er konnte sie in den Mund nehmen und<br />

ablutschen, Zeh um Zeh, er spielte gern mit ihren<br />

Füßen. Mädchenfüße, Puppenfüße, so winzig, zu<br />

klein für diese Welt, sie lebte auf zu kleinem Fuß.<br />

Und doch würde sie sie alle überleben, sehr bald<br />

würde sie in Mexiko sein und dort leben, wer<br />

weiß wie lange noch.<br />

Peggys Füße waren riesig, die Füße einer<br />

Millionärin. Peggy, die Frohnatur, sie lachte, sie<br />

lachte über alles, sie lachte immer, Peggy, der<br />

rotbemalte lachende Mund, das Gegenteil von<br />

Leonora. Mach` dir keine Gedanken, Honey<br />

sagte sie, Don`t think, think pink. Smile now,<br />

cry later. Sie lebte in einer Gegenwart, die nichts<br />

anderes kannte als den immerwährenden Versuch,<br />

das Vergnügen, in dem sie sich gerade befand,<br />

zu steigern, es bis zum Äußersten zu treiben,<br />

es sich auf der Spitze eines immerwährenden<br />

Hochgenusses auf der Zunge zergehen zu lassen.<br />

Er hasste es, wenn sie ihn Honey nannte. Es war<br />

fast schlimmer als „mein kleiner Pinsel“. Hörte<br />

er das Wort Honey, sah er gleich goldgelben<br />

klebrigen Honig wie er auf ein weißes Baguette<br />

tropfte, wie er an den Fingern hängenblieb, wie<br />

übersüß er den Mund zukleckste. Gelbgoldenes<br />

Gift, dachte er. Wie schön dagegen die Erinnerung<br />

an Leonora, wie sie sich honiggelben glänzenden<br />

Senf auf die nackten Füße geschmiert hatte,<br />

eine Paste, scharf und streng, der Geruch, ein<br />

schöner Kontrast zur Farbe. Wie sie die Schuhe<br />

ausgezogen hatte, damals, in dem kleinen<br />

Restaurant, sie war erst Anfang zwanzig, eine<br />

Wahnsinnige der Kunst und des Lebens, beides<br />

war für sie eins und beides war ihr gleichermaßen<br />

ernst.<br />

Wir müssen die Ufer befestigen, sie überfluten,<br />

Wassermassen drängen nach, siehst du<br />

es nicht, hatte Leonora gesagt, und die<br />

Überschwemmungen ihrer Fantasien gemeint,<br />

die Bilderfluten, die sie tags und nachts quälten,<br />

wir müssen sie eindämmen, sonst läuft alles über,<br />

wir überschwemmen jeden Tag in der Kunst und<br />

jede Nacht an uns selbst.<br />

Er hatte verstanden, aber er wollte nicht. Sein<br />

Pinsel war die Begrenzung, seine Malerei, seine<br />

Kunst, sollte sie sich eine andere suchen. Er<br />

liebte sie als Frau, als Künstlerin musste sie sich<br />

selbst lieben. Er schwieg tagelang und malte.<br />

In den Nächten waren sie einander näher, als<br />

ob die Ufer nicht befestigt werden müssten, die<br />

überschwemmenden Gedanken, Gefühle und<br />

Pläne sie nicht ängstigten, ihre Körper versanken<br />

ineinander, die Dunkelheit brachte Frieden. Sie<br />

schwammen in einem Meer von Farben und<br />

Formen, von Worten und Tönen, der Wind heulte<br />

um das kleine Haus herum, sie fürchtete sich<br />

nicht mehr.<br />

Morgens übermalte er einen Werbeprospekt<br />

für einen Liegestuhl mit verschiebbarer<br />

Rückenlehne, er ließ ihn im Meer schwimmen,<br />

setzte einen Leuchtturm in den Hintergrund, ließ<br />

Wasser hochspritzen. Später taufte er das Bild<br />

„Seelenfrieden“. Er wünschte sich Frieden, den<br />

Frieden, der den ruhenden älteren Herrn auf der<br />

Liege umgab, der in einem stürmischen Meer<br />

seelenruhig schwamm, nicht einmal die Augen<br />

öffnete, träumte und sich nicht erschrecken ließ,<br />

auch nicht von den nackten Armen der Frau<br />

unter ihm, deren Hand sich zu einer Vogelkralle<br />

auswuchs. Das Wasser schoss von allen Seiten<br />

übers Meer, es sprühten Fontänen in den Himmel,<br />

der drohend wolkenverhangen und düster war,<br />

der Wellengang hatte zugenommen, doch nichts<br />

konnte den Schlafenden wecken: Der Schlaf der<br />

Vernunft gebiert Ungeheuer, hatte er gelacht als<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 32


ESSAY<br />

Leonora beim Anblick der Collage geschrien<br />

hatte. Du fürchtest dich wirklich vor allem. Es ist<br />

ein Bild! Es ist ein Alptraum. Warum musst du<br />

sowas malen, warum? Ich habe es nicht gemalt,<br />

es ist eine Collage. Und was willst du damit?<br />

Nichts, meine Liebe nichts.<br />

Dann Frieden, wieder Frieden, immer wieder,<br />

endlich. Die Landschaft um sie herum so weit<br />

und ruhig als wäre die Zeit stehengeblieben mit<br />

ihnen, als hielten sie sie an und wären glücklich.<br />

So friedlich, aber auch ein wenig bedrohlich,<br />

nichts lenkt ab, sie sind allein, sich selbst und<br />

ihren Träumen, ihren Bildern überlassen. Er steht<br />

vor ihr, sie muss ihn umarmen und küssen, wie<br />

langsam er sich ihr nähert, als dauere es Minuten,<br />

sie kann die winzigen Härchen auf der Haut<br />

seiner Wange spüren, seinen Atem, den weißen<br />

Hauch, den er erzeugt in der eisigen Morgenluft,<br />

seine Augen, stahlblau, was für ein Wort, Stahl<br />

ist nicht blau, Stahl ist silbrig oder grau, aber<br />

seine Augen sind stahlblau, sie leuchten kühl und<br />

blau wie Stahl leuchten müsste. Der Atem vor<br />

ihm an frühen Wintertagen, die weiße Fahne, die<br />

aufsteigt wie ein Rauchzeichen des Sieges über<br />

den Tod. Dann ist er da, spürt sie, er ist wirklich<br />

da. Seine Zunge, ein Flattern in ihr, als suche sie<br />

noch den Ort, an dem sie verweilen könnte, seine<br />

Hände sanft und warm. Vor ihr die Tasse von<br />

Meret Oppenheim, pelzverbrämt wie Max Ernst<br />

in der Eislandschaft auf einem ihrer späteren<br />

Bilder, er nimmt sie und trinkt einen Schluck Tee.<br />

Zum Aufwärmen, sagt er.<br />

Das Bauernhaus in Saint-Martin-d` Ardèche,<br />

Südfrankreich, 1938 gekauft, später würde<br />

Leonora es verkaufen und fliehen, fliehen vor<br />

ihm, vor dem Krieg, vor ihrem gemeinsamen<br />

Leben, er wird interniert, entlassen, interniert<br />

und entlassen, sie flüchtet mit Freunden nach<br />

Spanien, nach Portugal, verkauft das Haus mit<br />

der gesamten Einrichtung an den Besitzer des<br />

Hotel des Touristes von Saint Martin, nimmt<br />

seinen Pass mit, hält sich daran fest, an dem<br />

letzten Beweisstück seiner Existenz. Er weiß<br />

nicht, dass sie die Erinnerung aus ihrem Körper<br />

herausbrechen will, sich mit Orangenblütenwasser<br />

fast ertränkt, fastet, körperlich arbeitet bis weit<br />

über ihre Grenzen, weint, schreit, träumt, um<br />

die nächsten Tage und Wochen nach seinem<br />

Abschied zu überstehen.<br />

Die rosa Federn auf ihrem Hut, es war Leonora<br />

und noch immer konnte er es nicht glauben,<br />

was er sah, als wäre sie ein Trugbild, entstanden<br />

aus dem Wahn, sie müsse wiederkehren. Seine<br />

Braut, er würde in Lissabon bleiben, ihre<br />

Wiederbegegnung, ein Zufall, er glaubte an<br />

Zufälle, an nichts anderes, ein Zeichen, sie<br />

gehörten zusammen.<br />

Er hatte damals versucht, sie zu finden, zurück<br />

zu erobern, die einzige Frau, die er je geliebt<br />

hat, drei Monate hatte er an einem Pelzmantel<br />

gemalt und sich bei Bauern in der Nähe ihres<br />

ehemaligen Hauses versteckt, und sie träumte ihr<br />

Träume, weit fort von ihm an einem fremden Ort,<br />

Träume von der Pelztasse von Meret Oppenheim,<br />

die diese gerade in New York erfand. So war der<br />

Pelz zumindest etwas, das sie verband in den<br />

Kriegswirren, in denen alles überschwemmte,<br />

über die Ufer trat, unberechenbar wurde. Aber er<br />

wusste nichts von ihren gemeinsamen Träumen<br />

und ahnte nicht einmal wo sie sich aufhielt. Nur<br />

das Malen des Pelzes genoss er jeden Morgen<br />

aufs Neue, das Malen gab ihm Halt, es hielt ihn<br />

am Leben.<br />

Und auch sie malte. Sie malte ihn, Max Ernst, den<br />

großen surrealistischen Künstler, im roten Pelz<br />

und Ringelsocken geht er durch eine Eiswüste,<br />

ein Fischschwanz bildet das Ende seines<br />

Pelzumhangs, in der Hand eine Laterne mit einem<br />

Schimmel, der darin aufleuchtet. Eine Landschaft<br />

aus Eisgestalten, ein Schimmel, Eisskulpturen<br />

neben ihm, Zapfen daran, im Hintergrund<br />

Gebirge aus Eis, die in einen düsteren Himmel<br />

aufragen. Eiswüsten, Schollen unter ihm, die<br />

jederzeit wegbrechen oder schmelzen könnten,<br />

ein Narr, der nach innen schaut, der den Weg nicht<br />

beachten will, auf dem seine Füße gehen, keine<br />

Schuhe, nur Ringelsocken, die Lampe, die zur<br />

Erleuchtung dienen soll mit dem Pferd, leichten<br />

Schrittes scheint er ohne Angst voranzuschreiten,<br />

sein Haar schlohweiß, die Weisheit des Alters<br />

in seinen Augen. Kein Land zu erahnen, nur<br />

Eisberge, Kraterlandschaften, kreideweiß, die<br />

weit entfernt liegen. Eisfelder, Abgründe, eine<br />

Winterlandschaft im düsteren Gewässer, kein<br />

Halt, keine Befestigungen, kein Ufer, nirgends.<br />

Voranschreiten mit traumwandlerischer Sicherheit<br />

von Scholle zu Scholle, der Fischschwanz aus<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 33


ESSAY / IGdA<br />

Pelz, die Dekoration eines Narren im Traum.<br />

Sie stehen am Tejo, der über die Ufer getreten ist,<br />

mühsam versuchen Einheimische und Flüchtlinge<br />

Befestigungen anzubringen, Sandsäcke zu<br />

schleppen, die Wassermassen zurückzudrängen.<br />

Das Sprachgewirr hüllt sie ein, das unentwegte<br />

Reden in so vielen unterschiedlichen Klängen,<br />

portugiesisch, spanisch, englisch, französisch,<br />

italienisch vereinen sich zu einem Gemisch aus<br />

Klängen wie eine Melodie, die über dem Wasser<br />

schwebt.<br />

Max und Leonora stehen da und schauen zu,<br />

lachen, rangeln am Abhang, lange scheint es<br />

Spaß zu sein, aber dann wird es ernst, sehr ernst.<br />

Du willst mich umbringen! Nein, du mich!<br />

Leonoras Bein schwebt über dem Abgrund, es<br />

sieht aus als hätte sie keine Chance, als wolle<br />

er sie hinunterstoßen, sie sieht sich selbst schon<br />

fallen. Ihr roter Lederhandschuh, an einigen<br />

Stellen außen fleckig, innen warm und weich, sie<br />

lässt ihn los, ganz einfach geschieht es, sie nimmt<br />

es sich nicht vor, es geschieht wie von selbst. Sie<br />

macht eine kurze Drehung auf einem Bein, wie<br />

eine Balletttänzerin, das Pas de deux ist beendet,<br />

er steht am Abgrund, sein Fuß über dem Wasser,<br />

da lässt sie ihren roten Handschuh los und er fällt.<br />

Kein Schrei, kein Laut, nichts, als würde er<br />

freiwillig stürzen, sie sieht ihm nach als könne<br />

sie nicht glauben, was geschieht, als betrachte sie<br />

eine Szene in einem Film, wie in Zeitlupe scheint<br />

er zu fallen. Es ist ein Traum, denkt sie, es ist<br />

nur ein Traum. Aber sie weiß, sie besitzt rote<br />

Lederhandschuhe, sie stammelt etwas vor sich<br />

hin, ihre Lippen zittern vor Kälte und Aufregung,<br />

noch fällt er, immer noch, den roten Handschuh<br />

in seiner Hand, im allerletzten Moment scheint er<br />

sogar zu springen, beinahe elegant sieht es aus,<br />

wie die Turmspringer bei der Olympiade, eine<br />

Drehung, dann ein Aufplatschen, hoch spritzt das<br />

Wasser des Tejo von allen Seiten, Fontänen, die<br />

seinen Körper umringen. Er taucht unter in dem<br />

matten Grün, sein Kopf unter Wasser, die grauen<br />

Strähnen ganz deutlich unter der Oberfläche zu<br />

erkennen. Etwas zieht sich zusammen in Leonora,<br />

ein Zucken wie kurz vor dem Einschlafen, die<br />

Muskeln entspannen sich, sie lächelt. Peggy<br />

nimmt ihre Hand und zieht sie fort. Honey, let`s<br />

go. Das ist nichts für feine Ladies.<br />

Eingebettet in grünlich trübe Wassermassen treibt<br />

er davon, er scheint schon nicht mehr zu leben, sie<br />

sieht keine Schwimmbewegungen, nur ein ruhiges<br />

Treiben, weiter weg, fort von ihr, wohin weiß sie<br />

nicht. Nicht einen Augenblick lang der Impuls<br />

ihn zu retten, hinein zu springen, zu schreiben,<br />

nichts. Ein einsamer roter Lederhandschuh in<br />

seiner Hand, vom Ufer aus kann man ihn kaum<br />

erkennen.<br />

Mein Handschuh, er hat meinen Handschuh<br />

mitgenommen, Peggy! Leonora bewegt ihre<br />

Lippen, das Gesagte entgleitet ihr, es fließt aus<br />

ihr heraus, ein Strom, der nicht mehr endet,<br />

einmündet in die erschrockenen Schreie und<br />

Rufe der Fremden.<br />

Und dann steht er hinter ihnen, seine Augen<br />

stahlblau, ein Blau, das klarer nicht scheinen<br />

könnte. Die schwarzen dichten Wimpern nass<br />

wie von Tränen überströmt, noch nie hat sie ihn<br />

weinen sehen und auch jetzt, keine Regung, ein<br />

kleines Lächeln, ein leichtes Erstaunen, kaum<br />

sichtbar, ihr roter Lederhandschuh in seiner<br />

Faust, er hebt den Arm und lacht. Das Wasser<br />

tropft aus seiner Kleidung, aus den Haaren, es<br />

stört ihn nicht, er steht da als sei dieser kleine<br />

Zwischenfall ein Zufall und könne einen Mann<br />

seiner Größe nicht beeindrucken.<br />

Du hast etwas verloren, meine Liebe. Er<br />

zieht das triefende rote Leder behutsam über<br />

Leonoras Hand. Bitte sehr. Es ist, als verwachse<br />

der Handschuh mit ihrer Haut, als setze er ihre<br />

Hand fort, rot und kühl, dann wärmer. Sie wagt<br />

nicht, ihn wieder abzustreifen, sein Blick war<br />

ernst, feierlich, als würde er ihr einen Ehering<br />

überstreifen.<br />

Wie wäre es mit einer Shoppingtour, Ladies? Zwei<br />

lachende Münder, rotbemalt, zwei dunkelbraune<br />

Augenpaare, zwei Damen in seinem Herzen. Die<br />

Ufer sind befestigt, die Wassermassen dürfen fließen<br />

und drei Hände, einander festhaltend, laufen durch<br />

Lissabon, flanieren und lachen, die Herzen hüpfen<br />

kreuz und quer durch sie hindurch, als könnten sie<br />

sich zwischen ihnen nicht entscheiden.<br />

Nachruf<br />

Rainer Hengsbach-Parcham<br />

Am 28. Dezember 2012 verstarb Rainer<br />

Hengsbach-Parcham im Alter von 62 Jahren. Er<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 34


IGdA<br />

wurde1950 in Berlin (West) geboren und war 20<br />

Jahre in der Forschung tätig. Seine literarische<br />

Tätigkeit begann 1994 indem er in Österreich<br />

einen literarischen Verlag gründete, der heute<br />

als Beggerow Buchverlag (www.beggerowbuchverlag.de)<br />

in Berlin seinen Sitz hat und von<br />

seiner Frau Karin Manke weitergeführt Einen<br />

Schwerpunkt bildete die Lyrik und Lyriktheorie,<br />

sowie die Veröffentlichung seiner eigenen Werke.<br />

Er war von 2004 - 2010 Mitglied der IGdA, kandidierte<br />

2005 für den Vorstand und war 2008 und<br />

2009 Beisitzer des Vorstandes und kurze Zeit<br />

auch Redaktionsmitglied der IGdA-aktuell..<br />

Die Zusammenarbeit und Heirat von Rainer<br />

Hengsbach mit Karin Manke hat für den Verlag<br />

Impulse für Erinnerungsliteratur zwischen Ost- und<br />

Westdeutschland, „Brücke und Gemeinsamkeiten<br />

zwischen Ost und West“ nach der Wiedervereinigung<br />

Deutschlands. Zwei Sammelbände sind unter dem<br />

Titel „Zu Wahrheiten vereint“ (Teil I, 2009) und<br />

„Zu Wahrheiten vereint (Teil II, 2011), Vereint<br />

und geteilt?“ unter Herausgabe von Karin Manke<br />

und Philipp Sonntag erschienen.<br />

Entsprechend seiner Lebenserfahrung ahnte<br />

Hengsbach, dass Lyrik auch ein „undankbares<br />

Geschäft“ sei:<br />

Undankbar ist das Geschäft der Dichter heute!<br />

Nicht Anerkennung will man ihnen geben<br />

Und keine Apanage mehr zum Leben;<br />

Müßige Spinner für die meisten Leute.<br />

Neue Mitglieder<br />

Wir freuen uns, drei neue Mitglieder begrüßen<br />

zu dürfen, die teilweise mit Prosatexten in dieser<br />

Ausgabe bereits vogestellt wurden:<br />

Thomas Schiffer<br />

Helmfried Protsch<br />

Lothar Klouten<br />

Lothar Klouten, Krefeld<br />

Prof. Dr. Mario Andreotti beschreibt in "Die Struktur<br />

der modernen Literatur" unter dem Titel "Literatur<br />

und Markt: die Situation der Schriftsteller" auf<br />

den Seiten 128 bis 131 sehr pointiert die Situation.<br />

Mit ihm habe ich Kontakt. Er wird für die IGdA<br />

am 20./21. April <strong>2013</strong> in Puchheim das Seminar<br />

"Wie erkennt man einen guten Text? Kriterien der<br />

literarischen Wertung" durchführen. Dazu in dem<br />

genannten Buch von ihm die Seiten 406 bis 410:<br />

"Statt eines Nachworts: einige Kriterien guter<br />

literarischer Texte".<br />

Nach meinem ersten Buch 2008 und den Erfahrungen<br />

incl. zum Marketing und der Ignoranz von<br />

Verlagen zu meinem zweiten Buch heute hatte<br />

ich die Idee: Das kann ich allein. Diese Ausbeuter<br />

und Zerstörer der deutschen Literatur brauche ich<br />

nicht. Und biete es auch anderen <strong>Autoren</strong> an.<br />

Was mich von fast allen anderen <strong>Autoren</strong> unterscheidet:<br />

Ich bin auch Praktiker, was z.B. Digitalität,<br />

Management, Jura und Ökonomie betrifft.<br />

So war ich 15 Jahre Geschäftsführer bei der<br />

NRW-SPD. Bis ich mich Ende 2004 weigerte,<br />

mich bestechen zu lassen - und gegangen wurde.<br />

Aus heutiger Perspektive das Beste, was mir<br />

passieren konnte.<br />

Die sanfte Macht der Ethik siegt.<br />

Das um mich und meinen Rahmen etwas<br />

abzustecken.<br />

www.lothar-klouten.de<br />

Dort können Sie mehr finden.<br />

Wikipedia: Rudolf Bartels<br />

meine Facebook-Fanpage: Der Tod war ein<br />

Meister aus Osterath<br />

Google News "Hugo Recken"<br />

Google "Lothar Klouten"<br />

Ich gehöre zur Spezies der "Digital Immigrants".<br />

Und der der praktischen Theoretiker:<br />

"Nichts ist so praktisch, wie eine gute Theorie".<br />

Albert Einstein<br />

Nun zum - mehr oder weniger - geschäftlichen.<br />

Konkretes Beispiel: Ein Autor, der 2012 mit einem<br />

Verlag zu den üblichen Knebel-Konditionen<br />

einen Prosaband in einer Auflage von 2500<br />

herausbrachte, ist mit mir in der Konzeptionsphase<br />

zu einem neuen Prosaband: Ca. 100 Seiten,<br />

Format noch offen - ich denke, dass auf einer Seite<br />

ein Gedicht ist, und nicht DIN sondern Goldener<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 35


IGdA<br />

Schnitt - sowie eine Erstauflage von 1000. Mit<br />

der Perspektive zu weiteren Auflagen, für die<br />

dann lediglich die Druckkosten entstehen. Der<br />

Autor möchte ein Papier, das zumindest in der<br />

Anmutung Büttenstruktur nahe kommt. Das gibt<br />

es? Und wenn ja: Wie sind die Papierpreise - auch<br />

in Relation zum quasi Normal-Buchdruckpapier?<br />

Haben Sie eine Art Preistabelle?<br />

Ich muss ein Buchprojekt exakt durchkalkulieren<br />

können.<br />

Das Design bestimmt das Bewusstsein.<br />

Ihre Online-Buchandlung:<br />

Geht 100%ig in meine Richtung!<br />

Alle Synergien nutzen und Vernetzungen<br />

aufbauen, die uns die Digiatlität<br />

anbietet.<br />

Dazu muss man sie erst einmal erkennen - und<br />

praktikabel umsetzen.<br />

Was die <strong>Autoren</strong> betrifft, mit denen ich kooperiere<br />

und deren Bücher bei Ihnen gedruckt werde<br />

sollten: Die werden alle dabei sei.<br />

Um für hier abschließend noch einen<br />

draufzusetzen:<br />

Ich wünsche mir auch, dass mein Modell -<br />

richtig! - kopiert wird.<br />

Denn es gibt allein in Deutschland gut 10.000<br />

<strong>Autoren</strong>, die von den etablierten Verlagen<br />

ausgegrenzt werden. Und deswegen aus Not<br />

eBooks rausbringen. Oder "Zuschussverlagen"<br />

auf den Leim gehen.<br />

Ich bin davon überzeugt, dass Abzocker mein<br />

Modell nicht mit Erfolg umsetzen können. Dann<br />

aber leider der eine oder die andere AutorIn<br />

eine unangenehme Erfahrung machen wird. Das<br />

werde ich kaum verhindern bzw. ändern können.<br />

Ich freue mich auf Ihr Feedback,<br />

Lothar Klouten<br />

Helmfried Protsch, München<br />

Der Georg von Toyberg Verlag wurde im Jahr<br />

2010 mit dem Ziel gegründet, neuen <strong>Autoren</strong> die<br />

Möglichkeit zu geben, ihre Texte einem breiten<br />

Publikum zugänglich zu machen.<br />

Es ist bekanntlich für neue <strong>Autoren</strong> äußerst<br />

schwer, einen Fuß auf den Buchmarkt zu setzen.<br />

Der Georg von Toyberg Verlag möchte als »Verlag<br />

für neue <strong>Autoren</strong>« Nachwuchsautoren jeden<br />

Alters auf ihrem literarischen Weg begleiten und<br />

unterstützen.<br />

Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen,<br />

dass wir für eingesandte Manuskripte keine<br />

Gebühren erheben und für die Herstellung<br />

eines Buches keine Zuschüsse verlangen.<br />

Der Georg von Toyberg Verlag ist kein<br />

Druckkostenzuschuss-Verlag<br />

Da der Verlagsgründer die Künste vereint sehen<br />

möchte, hat er dem Verlag eine Galerie angegliedert.<br />

Sie ist – bis entsprechende Räumlichkeiten<br />

gefunden sind – virtuell.<br />

Aktivitäten der Mitglieder<br />

Walter Ehrismann schreibt: zum Filmprojekt<br />

über die Dreharbeiten zu meinem Dokfilm, im<br />

„Sonntag“ erschienen (az Medien, Katja Landolt)<br />

- der Film sollte dann im Frühling bereit sein,<br />

exakt zu meinem siebzigsten Geburtstag...<br />

Besten Gruss Walter Ehrismann<br />

http://www.facebook.com/n/?walter.ehris<br />

mann%2Fposts%2F285841291518269&m<br />

id=72efd88G46c1f4f2G52c93abG3a&bco<br />

de=1.1355087962.AbnKPy0R3KmTc8S2&n_<br />

m=walter%40ehrismann.com<br />

Eckhard Erxleben: Silberberg Literaturpreis<br />

Im Januar 2012 wurde unter Schirmherrschaft des<br />

Altmärkischen Heimatbundes der Lyrikwettbewerb<br />

Silberbergpreis <strong>2013</strong> ausgerufen.<br />

Das Wettbewerbsgeschehen wurde vom li- terarischen<br />

Freundeskreis Eckhard Erxleben organisiert und<br />

fachlich begleitet. Mit Einsendeschluss vom<br />

31.12.2012 liegen der Jury 1947 Gedichte von<br />

1012 Dichterinnen und Dichtern aus Deutschland<br />

und von deutschsprachigen Lyrikern aus vielen<br />

anderen Ländern vor.<br />

Die Jury hat nun die anspruchsvolle Aufgabe,<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 36


IGdA<br />

aus den beim Wettbewerbskoordinator Rainer<br />

Sander eingegangenen fast 2000 Gedichten in<br />

den nächsten Wochen die besten Texte nach den<br />

Kriterien von Inhalt und Form zu finden und die<br />

Preisträger zu benennen.<br />

Auf einer Festveranstaltung im Rahmen des 16.<br />

Altmärkischen Heimatfestes im Monat Juni <strong>2013</strong><br />

in Gardelegen werden die Sieger geehrt. Wir<br />

freuen uns besonders, dass zu diesem Anlass der<br />

Heimatbund eine Broschüre mit den 60 besten<br />

Gedichten herausgeben wird. Diese Broschüre<br />

wird auch Bilder von etwa 10 Künstlern mit Bezug<br />

zum Heimatgedanken aufnehmen. Jedenfalls<br />

sind alle den Wettbewerb aktiv unterstützenden<br />

Mitwirkenden begeistert von der Resonanz,<br />

die dieser Literaturwettbewerb gefunden hat.<br />

Mehrere zehntausend Interessierte haben die<br />

Wettbewerbshomepage angeklickt und sich dafür<br />

interessiert, was da so literarisch in der Altmark<br />

passiert. Damit haben wir so ganz nebenbei auch<br />

etwas Gutes für unsere Region getan. Und das<br />

wollten wir ja auch.<br />

Peter Dreyling<br />

Vom Di, 02.04.- So, 28.04.<strong>2013</strong>,<br />

Wanderausstellung des Bayer. Landespreises für<br />

ältere Menschen vom Bayer. Staatsmin. für<br />

Arbeit und Sozialordnung etc.<br />

auf der Galerie des Deutschordensschlosses in<br />

Wolframs-Eschenbach, ua mit Peter<br />

Dreyling, Preisträger Mittelfranken.<br />

26.09.-30.09. <strong>2013</strong> Parzival-Seminar in Prag<br />

an der Fachhochschule für künstlerische<br />

Sozialtherapie mit Prof. Ueli Seiler-Hugova, der<br />

Heilpädagogin Kamila Hugova und P. Dreyling.<br />

10.10.-13.10.<strong>2013</strong> Parzival-Seminar<br />

„Gralsmythos“ in Wolframs-Eschenbach mit<br />

Prof. Ueli Seiler-Hugova, Kamila Hugova und<br />

P.Dreyling.<br />

In meinem „PARZIVAL-LESEHum“, 260<br />

verschiedene Parzivalbücher lesen und sehen<br />

und „viel umzu“ auf Anfrage.<br />

Johanna Klara Kuppe<br />

Gratulieren wir zum 1. Preis im Rahmen<br />

des „Remstal-Literaturpreises 2012! „Vom<br />

Oberbürgermeister erhielt ich die Uurkunde<br />

und 1 Flasche „Waiblinger Ratströpfle“ Sekt<br />

und eine Flasche dito Wein und 150 euro. Es<br />

war ein schöner Abend, mit 15 Minuten Lesung<br />

meinerseits und Lesungen anderer (10 Minuten)<br />

und einer Irish Folk-Band.“<br />

Weitere Lesungen führte die äußerst vielseitige<br />

Autorin mit großem Erfolg durch.<br />

Renate Weidauer absolvierte ebenfalls mehrere<br />

Lesungen mit beachtlichem Erfolg.<br />

Cordula Scheel hatte in einer Galerie einen<br />

solch erfolgreichen Leseabend veranstaltet, dass<br />

sie eingeladen wurde, am 9. März <strong>2013</strong> nochmals<br />

aus ihren Gedichten vorzutragen.<br />

Gedichte für die Tageszeitung (noch offene <strong>Autoren</strong>)<br />

Es ist uns auch erstmals gelungen ein Gedicht in<br />

einer überregionalen Tageszeitung zu platzieren.<br />

Wir haben für die Redaktion eine Auswahl an<br />

Gedichten, meist aus Gewinnern der Lyrikwettbewerbe<br />

zusammengestellt, die passen könnten<br />

nach deren Auswahlkriterien. Problem ist, sie<br />

möchten vorab eine Abdruckgenehmigung. (Der<br />

Redaktion 150 Gedichte vorzulegen macht keinen<br />

Sinn! Insofern nur eine Auswahl. Und sicher<br />

werden nur einzelne Glück haben.) Aus unseren<br />

Mitgliedern : Hanna Fleiss: Geheimnisse und<br />

Hermann Wischnat: Der neue Fleiß<br />

Literaturpodium<br />

www.literaturpodium.de<br />

Helmfried Knoll las wieder im Rahmen eines<br />

Abends der Döblinger <strong>Autoren</strong> in Wien mit grossem<br />

Erfolg.<br />

Gaby G. Blattl liest im Rahmen des Wiener<br />

Klubs ‚Ars - pro und contra‘ aus ihren Texten<br />

und Übersetzungen irer Gedichte in die<br />

russische Sprache.<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 37


IGDA<br />

Durch das großzügige Angebot von Lothar<br />

Klouten ist es möglich, an der Leipziger<br />

Buchmesse kostenfrei präsent zu sein. ‚aktuell‘<br />

und einige Bücher von Mitgliedern werden<br />

aufliegen. Zu Beginn vertritt Herr Klouten auch<br />

die IGdA, an den Tagen 15. – 17.3.<strong>2013</strong> werde<br />

auch ich anwesend sein.<br />

Der Literaturkreis deutscher <strong>Autoren</strong> aus<br />

Russland e.V. hat in seinem Almanach 2012 der<br />

‚Literaturblätter‘ die IGdA als Kooperations- und<br />

Freundschaftspartner genannt und uns in diesem<br />

sehr interessanten Buch ganzseitig vorgestellt.<br />

Gaby G. Blattl<br />

Aus der Redaktion<br />

Zum Büchetisch sind keine Meldungen<br />

eingegangen.<br />

An Rezensionen wird noch gearbeitet.<br />

Das Jahr 2 0 1 3<br />

als Gedenkjahr:<br />

Vor 250 Jahren wurde JEAN PAUL geboren,<br />

vor 200 Jahren schrieb Johann Wolfgang von<br />

GOETHE das Gedicht ‚Gefunden‘<br />

wurden Richard WAGNER, Georg BÜCHNER,<br />

Friedrich HEBBEL, Guiseppe VERDI geboren;<br />

vor 150 Jahren wurde Henry VAN DE VELDE<br />

geboren ...<br />

Es kann auch für uns ein wichtiges, gutes Jahr<br />

werden - wenn wir das wollen !<br />

Seminar <strong>2013</strong><br />

Wie erkennt man einen guten<br />

Text? Kriterien der literarischen<br />

Wertung<br />

Referent: Prof. Dr. Mario<br />

Andreotti<br />

Puchheim, 20./21.April <strong>2013</strong><br />

Samstag, 20.April<br />

Tagungsprogramm<br />

14.00 h Eintreffen<br />

Begrüssung und Vorstellung<br />

14.30 - 16.30 h<br />

Kunst und Kommerz - Was ist heute zeitgemässe,<br />

gute Literatur? Vortrag mit Diskussion<br />

16.30 - 17.00 h<br />

Kaffeepause<br />

17.00 - 1830 h<br />

Alles Technik oder was? Wichtige<br />

Gestaltungsmittel moderner und postmoderner<br />

Texte<br />

19.00 h Abendessen<br />

Sonntag, 21.April<br />

ab 07.30 h<br />

Frühstück<br />

09.00 - 11.30 h<br />

Kriterien guter literarischer Texte, an<br />

ausgewählten Beispielen gezeigt (1.Teil)<br />

12.00 h<br />

Mittagessen<br />

13.30 - 15.00 h<br />

Kriterien guter literarischer Texte, an<br />

ausgewählten Beispielen gezeigt (2.Teil)<br />

15.00 - 15.30 h<br />

Kaffeepause<br />

15.30 - 17.00 h<br />

Kriterien guter literarischer Texte, an<br />

ausgewählten Beispielen gezeigt (3.Teil)<br />

17.00 - 17.15 h<br />

Schluss des Seminars: Kritik, Anregungen,<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 38


IGdA<br />

Hinweise<br />

Ort: Seminarhotel DOMICIL, Puchheim<br />

(Nähe München)<br />

Lochhauser Str. 61, 82178 Puchheim<br />

www.domicil-hotel.de<br />

Anmeldung:<br />

bei der Geschäftsstelle der IGdA, Wien<br />

gabyblattl@igda.net<br />

Anmeldefrist: 15. März <strong>2013</strong><br />

Kursgebühr: € 120,- einzahlbar auf der Konto<br />

der IGdA, IBAN DE502501003001020883,<br />

BIC PBNKDEFF<br />

Der Teilnehmer gilt mit der Überweisung als fix<br />

angemeldet.<br />

Max. Teilnehmerzahl: 35<br />

Wir erwarten gerne noch Anmeldungen von<br />

Mitgliedern und Interessenten, da noch Plätze<br />

frei sind.<br />

Treffen der Mitglieder in Wien<br />

Mit grosser Freude wird dieser Höhepunkt des<br />

Jahres <strong>2013</strong> in Wien ausgerichtet. Einige (wenige)<br />

Anmeldungen sind bereits ergangen.<br />

Besuchen Sie nicht nur die Stadt, nehmen<br />

Sie an unseren Angeboten teil. Neben ein<br />

wenig Lokalkolorit gibt es, wie versprochen,<br />

Literarisches, Interessantes, Neues,<br />

Meinungsaustausch, etc. Vor allem aber soll<br />

das ‚Miteinander‘ wieder gepflegt werden. Das<br />

aber kann nur klappen, wenn viele interessierte<br />

Mitglieder und Freunde zu dem Treffen<br />

kommen.<br />

Es ist die Gelegenheit, auch Wünsche,<br />

Anregungen, Beschwerden zur Sprache zu<br />

bringen. Vieles, was vielleicht das Jahr über<br />

Gedanken macht, aber nicht geschrieben wird,<br />

kann in Gesprächen gelöst werden.<br />

Sollten Sie Besichtigungswünsche haben, die<br />

sich mit dem vorgesehenen Programm nicht<br />

oder nur schwer vereinbaren lassen, bitte um<br />

Ihre Mitteilung. Ich werde trachten, Anregungen<br />

aufzunehmen und Wünschen zu entsprechen.<br />

Hotels finden Sie über Reisebüros, das Internet,<br />

etc. Sie kennen Unterkünfte von früheren<br />

Aufenthalten. Empfehlungen finden Sie am<br />

Ende des Programms.<br />

Es ist im Interesse von uns allen, dass viele<br />

Mitglieder, Freunde, Interessierte an dem und<br />

den folgenden Jahreshauptversammlungen<br />

teilnehmen. Gemeinsam lässt sich vieles an<br />

Ideen besprechen und umsetzen.<br />

Wie in den letzten Jahren ist der Tagungsbeitrag<br />

mit € 50,-/Person gleich geblieben.<br />

Hotels:<br />

(im Bereich des Westbahnhofes und der U-Bahn)<br />

IBIS WIEN MARIAHILF<br />

Wien 6., Mariahilfer Gürtel 22-24 – Tel:<br />

0043159998238<br />

Ab € 59.-<br />

Pension Stadthalle<br />

Wien 15., Hackengasse 33<br />

Email: office@pensionstadthalle.at Tel.<br />

004319827232<br />

Einzelzimmer ab € 39,- / Doppelzimmer ab €<br />

59.- zuzüglich Frühstück € 12.-<br />

Leonardo Hotel Vienna<br />

Wien 6., Matrosengasse 6-8<br />

Email: info.vienna@leonardo-hotels.com<br />

ab € 54,- zuzüglich € 13.- Frühstück<br />

bereits bekannt und bewährt:<br />

Stephanushaus<br />

Wien 3., Ungargasse 38<br />

Email: stephanushaus@edw.or.at; Tel:<br />

0043171703<br />

Preis auf Anfrage<br />

Pension Lehrerhaus<br />

Wien 8., Lange Gasse 20<br />

Email: office@lehrerhaus.at; Tel: 004314032358<br />

Preis auf Anfrage<br />

Veranstaltungsort:<br />

Galerie – Gastronomie Heinrich<br />

Wien 16., Thaliastraße 12, Tel :<br />

0043(o)6648649977, email: : gogagi@a1.net<br />

Erreichbar mit U6 bis Thaliastraße, dann<br />

stadtauswärts auf der rechten Straßenseite bis<br />

Nr. 12<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 39


IGdA<br />

JAHRESHAUPTVERSAMMLUNG <strong>2013</strong><br />

Donnerstag, 19. September <strong>2013</strong><br />

PROGRAMM<br />

18.30 h Eintreffen Galerie Heinrich<br />

Begrüßung, kennenlernen, plaudern, wohlfühlen …<br />

19.00 h Othmar Seidner stimmt auf die Tagung in Wien mit Texten von<br />

Josef Weinheber ein<br />

20.00 h gemeinsames Abendessen – Schweinsbraten, Kraut und Knödel<br />

(im Tagungspreis inbegriffen – Getränke auf eigene Rechnung)<br />

Danach<br />

bleiben und plaudern oder Wien am Abend erleben<br />

Freitag, 20. September <strong>2013</strong><br />

10.30 h Workshop mit Johanna Klara Kuppe<br />

‚Zwischen Grille und Mond‘ 3 x mit Inspiration und Handwerk<br />

12.30 h gemeinsames Mittagessen<br />

14.30 h Nachbesprechung, Diskussion, evtl. Schreiben zum Thema<br />

Danach<br />

zur freien Verfügung<br />

19.30 h gemeinsames Abendessen<br />

Danach<br />

Lesen, lesen, lesen – mit Gästen aus Wien<br />

Samstag, 21. September <strong>2013</strong><br />

Vormittag<br />

zur freien Verfügung<br />

14.00 h Vorstandsitzung<br />

16.00 h Jahreshauptversammlung<br />

18.30 gemeinsames Abendessen<br />

19.30 h literarisch-musikalischer Festabend<br />

zum Thema ‚Zeit darf nicht bemessen werden‘ (Peter Coryllis)<br />

(Änderungen vorbehalten)<br />

Ausklang – geselliges Zusammensein<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 40


1. Freiburger Krimipreis <strong>2013</strong><br />

IGdA - SERVICE<br />

Wettbewerbe<br />

Zum zweiten Mal wird im Herbst <strong>2013</strong> der Freiburger Krimipreis verliehen. Vom 12. bis 15.<br />

September <strong>2013</strong> findet ein Lesefest statt, Höhepunkt wird die feierliche Preisverleihung für die<br />

drei besten Kurzkrimis aus der Regio sein. Gesucht werden die spannendsten, originellsten<br />

und gemeinsten Kurzkrimis aus Freiburg und der Regio. Alle schreibbegeisterten Südbadener<br />

(und Sympathisanten) sind aufgefordert, sich an dem Wettbewerb zu beteiligen. Es gibt keine<br />

thematische Einschränkung - allerdings ist die lokale Verortung wichtig: Gewünscht sind<br />

ausdrücklich Krimis aus Freiburg und aus dem Umland.Ein mörderischer Kuraufenthalt in<br />

Badenweiler? Vergifteter Wein am Kaiserstuhl? Rätselhafte Todesfälle in der "Schwarzwaldklinik"?<br />

Ein Unglück am Feldberg? Oder ein Familiendrama in der Wiehre? Lassen Sie Ihrer Phantasie<br />

freien Lauf! Ein spannender Kurzkrimi benötigt nicht immer einen Kommissar, der ihn aufklärt.<br />

Ebenso interessant sind die Perspektiven der Mörder, Diebe, Betrüger, der Opfer oder der<br />

unbeteiligten Beobachter. Wer sich vorher schlau machen möchte, kann in "Die lange Tote vom<br />

Münsterplatz" nachlesen, welche Krimis es beim letzten Mal ins Buch geschafft haben. Den<br />

Gewinnern winkt eine Veröffentlichung ihrer Siegergeschichten in einer Kurzkrimi-Anthologie<br />

des Wellhöfer-Verlags und attraktive Sachpreise. Sie erklären sich bereit, ihre Kurzkrimis bei der<br />

Abschlussveranstaltung einem breiten Publikum vorzutragen. Die Formalitäten:<br />

- Die Geschichten sollten 6 bis 16 Normseiten (30 Zeilen a 60 Zeichen) lang sein. - Die Storys<br />

werden nicht zurückgeschickt, also bitte keine Unikate einreichen! - Bitte keine Namen auf dem<br />

Manuskript! Jedem Kurzkrimi sollte ein kurzes Anschreiben beiliegen, auf dem Name, Adresse und<br />

gegebenenfalls die E-Mail-Adresse notiert sind.<br />

- Die Geschichten bitte in zweifacher Ausfertigung einschicken.<br />

1. Platz: Romancoaching beim Zentrum für Schreibtraining in Freiburg im Wert von<br />

150 Euro<br />

2. Platz: Dunkel-Dinner a la crime für zwei Personen mit den Mordsdaneb im Gasthaus<br />

Zähringer Burg im Wert von 94 Euro<br />

3.-5. Platz: Buchpakete im Wert von 50 bis 70 Euro<br />

Alle <strong>Autoren</strong>, deren Geschichten in der Anthologie des Wellhöfer- Verlages veröffentlicht<br />

werden, erhalten ein Honorar von 50 Euro.<br />

Einsendungen an: Freiburger Krimipreis, Postfach 06 80, 79006 Freiburg<br />

Einsendeschluss: 15. April <strong>2013</strong><br />

2. Regensburg: Literatur im GRAZ - Stadtschreiber <strong>2013</strong><br />

Originalausschreibung: http://www.kunstvereingraz.de/ausschreibung<br />

Literatur im GRAZ - Stadtschreiber <strong>2013</strong><br />

21. Juli - 21. September <strong>2013</strong>,<br />

zweimonatiges Stipendium für Literat/in, ohne Altersbeschränkung im KunstvereinGRAZ,<br />

Regensburg, Schäffnerstraße 21/Hinterhof - www.kunstvereingraz.de<br />

Einsendeschluss: 1. April <strong>2013</strong><br />

Träger des Stipendiums ist der Kunstverein GRAZ.<br />

Die Höhe des 2-monatigen Stipendiums beträgt 1.000,-EUR/Monat. Der/die Literat/in wird vom<br />

21. Juli bis zum 21. September <strong>2013</strong> in einem Atelier des KunstvereinGRAZ, Schäffnerstraße<br />

21/Hinterhof, im Zentrum von Regensburg, arbeiten. Übernachtung im Centrum der UNESCO-<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 41


IGdA - SERVICE<br />

Welterbestadt Regensburg.<br />

Die Wahl der Textgattung ist frei.<br />

Die Ausschreibung richtet sich an Literaten und Literatinnen, die mindestens eine nicht im<br />

Eigen- oder Druckkostenzuschussverlag erschienene Buchveröffentlichung oder entsprechende<br />

Publikationen vorweisen können.<br />

Bewerbungsunterlagen:<br />

Der formlosen, in einfacher Ausfertigung an den KunstvereinGRAZ, Schäffnerstr. 21, 93047<br />

Regensburg, zu richtenden Bewerbung sind neben Angaben zur Person und zum literarischen<br />

Werdegang Arbeitsproben im Umfang von etwa 20 Seiten sowie eine Buchpublikation (aber keine<br />

Anthologien) und eine Beschreibung des Vorhabens in Regensburg beizufügen.<br />

(Die Unterlagen werden nur zurückgeschickt, wenn ein beschrifteter Umschlag mit Porto beigefügt<br />

ist) Die Bewerbung schicken Sie bitte an: Renate Christin 1. Vorsitzende KunstvereinGRAZ e.V.,<br />

Reisacherstr. 3, 93161 Sinzing/Regensburg oder email: art@renatechristin.de<br />

3. Feldkircher Lyrikpreis<br />

Lyrik (unveröffentlicht) zum Thema: „satt liegt deine hand in der wölbung meines rückens“<br />

Das Theater am Saumarkt veranstaltet den 11. Feldkircher Lyrikpreis. Der Feldkircher Lyrikpreis<br />

wird im Jahr <strong>2013</strong> zum ersten Mal zu einem Thema ausgeschrieben. Dieses wird von der<br />

letztjährigen Preisträgerin Elisabeth Steinkellner gestellt. Zur Teilnahme aufgerufen sind alle<br />

Autorinnen und <strong>Autoren</strong>, die sich in ihrer Lyrik mit diesem Thema auseinandersetzen wollen: Die<br />

von einer Jury ausgewählten Texte werden anlässlich der Langen Nacht der Lyrik am Freitag, dem<br />

8. November <strong>2013</strong> um 20.15 Uhr im Theater am Saumarkt, Feldkirch, präsentiert bzw. von den<br />

AutorInnen und <strong>Autoren</strong> selbst dem Publikum vorgestellt.<br />

Bewerbungsvoraussetzungen - Bewerbungsunterlagen<br />

• 1. Blatt (einfach): Name, Kontaktadresse, email-Adresse, Telefonnummer und Bank,<br />

Bankleitzahl und Kontonummer der Autorin/des Autors, Titel aller eingereichten Gedichte<br />

(höchstens 5!) Oben rechts ist eine 5stellige Zahl (z.b. 13 572) zu schreiben, die sich auch auf allen<br />

Textproben oben rechts wieder findet!<br />

• 2. Blatt (einfach): kurzer Lebenslauf, bisherige literarische Tätigkeit, Publikationen<br />

• Textproben (fünffach) Textproben aus bisher unveröffentlichter, <strong>deutschsprachiger</strong> Lyrik<br />

(auch keine im Internet veröffentlichte Lyrik!): Mindestens 3 bis max. 5 Gedichte bzw. 1 Gedicht<br />

mit maximal 5 Seiten á 35 Zeilen (eineinhalbfacher Zeilenabstand). Werden mehr als fünf Seiten<br />

bzw. mehr als 5 Gedichte abgegeben, kann die Einreichung nicht berücksichtigt werden.<br />

• Die Abgabe der Gedichte muss als Schreibmaschinenniederschrift oder als<br />

Computerausdruck erfolgen. Die Gedichte sind fünffach vorzulegen und sind für jedes Jurymitglied<br />

(z.B. mittels Büroklammer) zusammenzuheften. Werden die Gedichte nur 1-fach abgegeben, kann<br />

die Einreichung nicht berücksichtigt werden.<br />

• Jede Kopie muss oben rechts mit der 5stelligen Zahl versehen sein. Keine Originale! Die<br />

Einsendungen können aus arbeitstechnischen Gründen nicht zurückgesendet werden.<br />

• Textexemplare, welche die Anonymität nicht gewährleisten, finden keine Berücksichtigung.<br />

Ende der Einreichungsfrist: 15. April <strong>2013</strong> (Datum des Poststempels)<br />

Höhe des Lyrikpreises: • 1. Preis 1.000 Euro (gestiftet von der Stadt Feldkirch) sowie<br />

Publikation eines eigenen Lyrikbandes bei der Edition Art Science<br />

• 2. und 3. Preis (Höhe noch nicht bekannt)<br />

Es ist vorgesehen, die PreisträgerInnen-Gedichte und eine weitere von der Jury festgelegte Auswahl<br />

von Gedichten in einer Lyrik-Anthologie zum Feldkircher Lyrikpreis bei der Edition Art Science<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 42


IGdA - SERVICE<br />

zu publizieren. AutorInnen, deren Gedichte in der Anthologie publiziert werden, erhalten ein<br />

Belegexemplar.<br />

Die Anthologie wird bei der Verleihung des Feldkircher Lyrikpreises präsentiert.<br />

Vergabe und Information<br />

• Die Zuerkennung des Lyrikpreises erfolgt auf Vorschlag einer Jury.<br />

• Pro Person ist nur eine Einreichung zulässig. Mehrfachbewerbungen werden ausgeschieden.<br />

• Bisherige PreisträgerInnen können sich nach zehn Jahren erneut um den Feldkircher<br />

Lyrikpreis bewerben.<br />

• Auf Grund der Vielzahl der Einsendungen können nur die GewinnerInnen und jene<br />

AutorInnen über das Ergebnis schriftlich verständigt werden, die in die Anthologie aufgenommen<br />

werden.<br />

Wir freuen uns jedoch sehr, wenn Sie als TeilnehmerInnen des Lyrikpreises mit Ihren FreundInnen,<br />

Bekannten und Verwandten am Freitag, dem 8. November <strong>2013</strong> um 20.15 Uhr die Preisverleihung<br />

& Lyriklesung besuchen und laden Sie schon heute herzlich zu dieser Feier mit Buffet ein! -<br />

Beachten Sie das diesbezügliche Rahmenprogramm anläßlich des Feldkircher Lyrikpreises auf<br />

www.saumarkt.at.<br />

Rücksendung der Manuskripte<br />

• Die eingesandten Texte von unberücksichtigten Bewerbungen können aufgrund der hohen<br />

TeilnehmerInnenzahl und des damit verbundenen Arbeitsaufwandes nicht zurückgestellt werden.<br />

Wichtige Hinweise für die Lyrikpreis-BewerberInnen<br />

• Gedruckte oder sonst veröffentlichte Manuskripte sowie Manuskripte, die bereits in früheren<br />

Jahren vorgelegt wurden, finden keine Berücksichtigung.<br />

• Es ist vorgesehen, die Manuskripte von LyrikpreisträgerInnen zu Dokumentationszwecken<br />

dem Franz-Michael-Felder- und Vorarlberger Literaturarchiv zu übermitteln.<br />

• Die TeilnehmerInnen erklären sich bereit, dass die Gedichte in einer Publikation zum<br />

Feldkircher Lyrikpreis abgedruckt werden.<br />

• Die Texte sind 5-fach zu senden an:<br />

Theater am Saumarkt, Kennwort „Feldkircher Lyrikpreis“<br />

Mühletorplatz 1, 6800 Feldkirch, Österreich<br />

• Info: www.saumarkt.at<br />

4. Wolfgang A. Windecker-Lyrikpreis<br />

Bewerber um diesen Preis sollten eine aussagekräftige, phantasiereiche Lyrik schreiben.<br />

Thematisch gibt es keinerlei Vorgaben. Die Einsendungen können sich auf Alltag, Freizeit beziehen,<br />

Umweltprobleme ins Bild fassen oder auch die Schönheit der Natur preisen - ebenso ist Liebeslyrik<br />

erwünscht. Zu vermeiden sind Kitsch und Klischees. Texte extremistischer Tendenz haben zu<br />

diesem Wettbewerb keinen Zugang.<br />

Interessierte senden in Kopien mindestens fünf und maximal sechs Gedichte ein.<br />

Die Texte werden nicht zurückgesandt, sondern vernichtet.<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Außer dieser Annonce werden keine zusätzlichen Informationen verschickt.<br />

Wenn die Preisträger ausgesucht sind, werden nur diese benachrichtigt, die anderen Teilnehmer<br />

werden nicht einzeln benachrichtigt.<br />

Der erste Preis ist mit 250 Euro, der zweite mit 150 Euro und der dritte mit 100 Euro dotiert.<br />

Einsendeschluss ist der 5. Juli <strong>2013</strong> und Stichtag für die Auswahl der Preisträger ist de 25. August<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 43


IGDA - SERVICE<br />

<strong>2013</strong>.<br />

Es kann ab sofort eingesendet werden.<br />

Einsendungen mit vollständiger Namens- und Absenderangabe an<br />

Wolfgang A. Windecker, Starenweg 4, 31061 Alfeld/Leine.<br />

5. Lyrikwettbewerb Elemente<br />

Die Elemente der Natur können in Aufruhr sein. Doch viele Bedeutungen stecken hinter diesem<br />

Wort. Sie mögen nur als Anregung für das Schreiben dienen. Elemente einer neuen Gesellschaft<br />

oder zweifelhafte Elemente mag es geben. Lyrische Werke zu allen Themen und in verschiedenen<br />

Stilen können eingereicht werden. Auf literarische Qualität legen wir zentralen Wert. Klassische<br />

Poesie ist genauso möglich wie surreale Formen oder gereimte Gedichte. Satire, Ironie und Humor<br />

sind gefragt. Bitte die Beiträge in deutscher Sprache einsenden. Wir freuen uns über Einsendungen<br />

aus anderen Ländern. Die Gedichte müssen selbst verfasst sein. Dem Wettbewerb zusätzlich<br />

angeschlossen ist eine Spezialaufgabe. Das Thema heißt „Ethik und Psyche“.<br />

Viele Bücher und Sachpreise sind zu gewinnen. Dazu gehört die Veröffentlichung der<br />

Gewinnergedichte und zahlreicher weiterer. Maximal dürfen 20 eigene Gedichte eingereicht werden.<br />

Die Teilnahme am Wettbewerb ist frei. Das je einzelne Gedicht wird als preiswürdig ausgewählt.<br />

Qualität zählt vor Menge. Nach Einsendeschluss erhält jeder weitere Informationen. Bitte den<br />

Namen und die vollständige Adresse angeben und die E-Mail-Adresse aktuell halten.<br />

Unabhängig vom Wettbewerb besteht später die Möglichkeit die Gedichte in einem Buch zu<br />

publizieren. Mit sechs Euro je Gedicht ist das möglich. Der Band wird in jedem Buchladen erhältlich<br />

sein mit ISBN-Nummer. Die <strong>Autoren</strong> bekommen ihn zu einem günstigeren Preis. Wer diese Option<br />

nutzen möchte, prüfe die Gedichte sehr genau auf Fehler. Bitte über jedem Gedichttitel den eigenen<br />

Namen einfügen.<br />

Einsendeschluss ist der 31. März <strong>2013</strong>, Kennwort: Elemente<br />

hier einsenden: info@literaturpodium.de<br />

www.igdablog.wordpress.com/<br />

IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 44<br />

Gaby Hühn-Keller, Friedberg

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