Heft 1 (2013) - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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Organ der<br />
<strong>Interessengemeinschaft</strong><br />
<strong>deutschsprachiger</strong><br />
<strong>Autoren</strong> e. V.<br />
ISSN 0930-7079<br />
IGdA-aktuell<br />
37. Jahrgang <strong>2013</strong><br />
Ausgabe 1<br />
Einzelheft € 6.-<br />
Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik
INHALT<br />
IMPRESSUM<br />
EDITORIAL<br />
Gaby G. Blattl S. 3<br />
LYRIK S. 4<br />
von<br />
Th. Schmich: Zahl es heim<br />
W. Riedel: Welle;<br />
W. Klevinghaus:<br />
Unausgesprochen;<br />
G.v.Hippel-Schäfer:<br />
Verwindung;<br />
Georg Walz: sylphen;<br />
W. Volka: Crash;<br />
G. Jaeckel: Monat des Lichts;<br />
I. ter Veer: In der Nacht;<br />
Heidrun Schaller:<br />
tönende Himmelsspuren;<br />
R.Weidauer: Gethsemane;<br />
J.K. Kuppe: abhanden<br />
gekommen;<br />
H. Thomas: Pfingsmontag;<br />
Cordula Scheel: Gehen<br />
müssen;<br />
Th. Rackwitz: ein ara;<br />
H. Wischnat: Altersweisheit;<br />
Erratum<br />
PROSA S. 8<br />
von<br />
P.J. Kempf: Freunde;<br />
W. Seekamp: Postkarte;<br />
M.M. Zulla: Der Fremde;<br />
M. Hesseler: Im Spinnennetz;<br />
R. Bachmann-Voelkel: Sein<br />
letzter Tag;<br />
R. Vollath: Das Begehren; Oleg<br />
Suturin: Sie wusste es; Th.<br />
Schiffer: Am Flughafen;<br />
H. Protsch: Begegnung;<br />
F. Preitler: Gewalt ist keine<br />
Lösung<br />
ESSAY S. 28<br />
Johanna Klara Kuppe:<br />
Violett I<br />
Birgit Brüster: Max Ernst<br />
IGdA S. 34<br />
Nachruf<br />
Rainer Hengsbach-<br />
Parcham<br />
Neue Mitglieder S. 35<br />
Thomas Schiffer<br />
Helmfried Protsch<br />
Lothar Klouten<br />
Aktivitäten der Mitglieder<br />
S. 36<br />
Aus der Redaktion<br />
Das Jahr <strong>2013</strong><br />
Erinnerung:<br />
Seminar in Puchheim S. 38<br />
Jahreshauptversammlung<br />
<strong>2013</strong> S. 39<br />
Programm S. 40<br />
Wettbewerbe S. 41<br />
Redaktionsanschrift der<br />
IGdA-aktuell: (derzeit)<br />
Gaby G. Blattl (siehe Geschäftsstelle)<br />
Zuständigkeiten:<br />
Renate Weidauer (Lyrik,<br />
Leserbriefe)<br />
renateweidauer@igda.net<br />
Gaby G. Blattl (Prosa/Essay, Büchertisch,<br />
Rezensionen, Aktivitäten,<br />
Internes, Wettbewerbe, etc.))<br />
e-mail: gabyblattl@igda.net<br />
Georg Walz (Umschlag, Grafik)<br />
redaktion.igda@gmail.com<br />
Postanschrift:<br />
IGdA - Johanna Klara Kuppe<br />
71332 Waiblingen, Hausgärten 6<br />
Layout: Gaby G. Blattl, Wien<br />
Druck: Medien-Service Winter<br />
Bad Winsheim)<br />
IGdA-aktuell erscheint dreimal pro<br />
Jahr, für Mitglieder kostenlos Abonnement:<br />
€ 18 .-/Jahr<br />
Alle Rechte an den Beiträgen liegen<br />
bei den <strong>Autoren</strong>. Nachdruck nur mit<br />
ausdrücklicher Genehmigung der<br />
Urheberrechthaber. Namentlich gezeichnete<br />
Beiträge geben die Meinung<br />
der <strong>Autoren</strong>, nicht unbedingt die der<br />
Redaktion wieder.<br />
ISSN 0930-7079<br />
1. Vorsitzender: Othmar Seidner<br />
A-1020 Wien, Handelskai 224/5/9/59<br />
e-mail: othmar-seidner@chello.at<br />
Tel: 00431/9252565<br />
Geschäftsstelle: Gaby G. Blattl<br />
A-1230 Wien<br />
Anton- Baumgartnerstr. 44/C3/2503<br />
e-mail: gabyblattl@igda.net<br />
Tel: 00431/9671024<br />
Schatzmeister: Dr. Volker Wille<br />
D-30659 Hannover, Platanenhof 23<br />
e-mail: adl.wille@t-online.de<br />
Tel: 0511/652823<br />
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BIC PBNKDEFF<br />
IGdA-Aktuell wird auf chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 2
EDITORIAL<br />
Liebe Mitglieder der IGdA,<br />
Liebe Leser,<br />
Das Jahr ist noch jung, es kann ein gutes werden – wenn wir das wollen!<br />
In diesem Jahr gibt es wieder ein Seminar, das Prof. Dr. Mario Andreotti in Puchheim abhält. Zur<br />
Erinnerung – Details im Blattinneren; es sind noch Restplätze frei.<br />
- In diesem Jahr – findet die Jahreshauptversammlung in Wien statt. Anmeldungen bitte rechtzeitig<br />
bis Ende April <strong>2013</strong> an die Geschäftsstelle. Das bedeutet nicht, dass Schnellentschlossene nicht<br />
erwünscht sind, aber zur Planung sind Angaben notwendig. Das Treffen findet statt, auch wenn<br />
weniger als 15 Mitglieder außer dem Vorstand teilnehmen. Freunde, Bekannte, Interessierte sind<br />
jederzeit willkommen.<br />
Sie finden das Programm in dieser Ausgabe. Beiträge zum Thema ‚Zeit darf nicht bemessen<br />
werden‘ für den Festabend werden die Teilnehmer sicher mitbringen, damit gelesen, gelesen und<br />
gelesen werden kann. Wie versprochen, wird es wienerisch – literarisch – interessant werden.<br />
- In diesem Jahr wird – wir hoffen es – die Descher-Feder wieder vergeben, ein Festabend dazu<br />
ist in Planung.<br />
- In diesem Jahr haben wir bereits jetzt drei neue Mitglieder gewinnen können.<br />
Helmfried Protsch - Literat, Künstler, Gallerist - ein Verleger mit Herz und Sachkenntnis für<br />
Literatur und <strong>Autoren</strong>, der in seinem Münchner Georg von Toyberg Verlag äußerst interessante<br />
Bücher herausgibt, auch zweisprachig (zuletzt Übersetzungen von Sologub-Gedichten aus dem<br />
Russischen ins Deutsche), und das zu sensationellen Bedingungen. Mehr dazu finden Sie in dieser<br />
Ausgabe. Thomas Schiffer und Helmfried Protsch sind jeweils mit einem Prosatext vertreten<br />
In Lothar Klouten haben wir einen Historiker, Sozialwissenschaftler, Pädagogen, tätig als Autor,<br />
Journalist und Herausgeber, gewinnen können, der abseits der Verlagsszenerie eigene Wege geht<br />
und auch andere <strong>Autoren</strong> mit seinem Konzept unterstützt. Auch dazu lesen Sie bitte im Blattinneren.<br />
Dadurch rückt die Möglichkeit der Herausgabe eines Almanachs in greifbare Nähe. Wer Interesse<br />
an einer Beteiligung eines solchen Buches hat, möge das in der Geschäftsstelle melden.<br />
Es kann ein gutes Jahr werden – wenn wir aktiv werden. Damit komme ich zur Zeitung:<br />
es wird noch immer nach einem/einer ZeitungsmacherIn gesucht.<br />
Wer sein Gedicht, seinen Prosatext, ein Essay, eine Glosse, etc. in der IGdA-aktuell lesen möchte,<br />
muss Texte einsenden. Zur Erinnerung: Gedichte an renateweidauer@igda.net, alle anderen Texte<br />
an die Geschäftsstelle.<br />
Allerdings können wir nur einwandfreie Manuskripte annehmen, tippfehlerfrei, grammatikalisch<br />
und auch die Orthographie betreffend. Es übersteigt unsere Möglichkeiten, Beiträge zu lektorieren.<br />
Wortschöpfungen sind interessant, Schreibfehler nicht.<br />
Bitte bedenken Sie, dass jeder Text, den Sie aus der Hand geben, Ihre Visitenkarte ist. Die Sprache<br />
ist unser Instrument, mit dem wir pfleglich umgehen sollten.<br />
Mit den besten Wünschen für ein erfreuliches, kreatives, erfüllendes 2 0 1 3,<br />
Gaby G. Blattl<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 3
LYRIK<br />
Theo Schmich, Essen<br />
Zahl es heim<br />
Ich zahl es dir heim<br />
Droht der Mann<br />
Der Frau<br />
Die es schon heimgezahlt hat<br />
Die Gleichgültigkeit<br />
Mit Kälte gezahlt<br />
Mit Schlägen der Mann<br />
Die Frau dem Kind das zurück<br />
Das wächst<br />
Kälte, Gleichgültigkeit<br />
Ich zahl es dir heim<br />
Soldat<br />
Krieg<br />
Zahl es heim<br />
Tod, Vernichtung<br />
Kälte Gleichgültigkeit<br />
Ich zahl es heim.<br />
aus: „Am Ufer der Träume“ Anthologie Heyne-Verlag<br />
Wilma Klevinghaus, Erkrath<br />
Unausgesprochen<br />
Sie sprachen viel<br />
an diesem Abend<br />
lachten und scherzten<br />
wälzten Fragen<br />
und Probleme<br />
die beide bewegten<br />
Es kribbelte<br />
in ihren Leibern<br />
und Herzen<br />
Aber das Wort<br />
das eine Wort<br />
auf das beide warteten<br />
wagte keiner<br />
auszusprechen<br />
und die Welt<br />
und ihrer beider Leben<br />
änderten sich nicht …<br />
Wilhelm Riedel, Groß-Zimmern<br />
Welle<br />
Ein Vogel schwingt leicht<br />
vom Nest im Gebüsch<br />
zum Giebel hinauf,<br />
sein Lied schwebt herunter<br />
in unsere Ohren,<br />
sie öffnen sich weit,<br />
tief aus der Seele<br />
antworten Laute,<br />
werden zum Bild,<br />
mein Heim und Palast,<br />
Melodie aus Chören,<br />
die mich umklingt.<br />
Gabriele von Hippel-Schäfer,<br />
Freiburg-Opfingen<br />
Verwindung (Phönix 3)<br />
Da ich nun stürzte<br />
In Trauer und Trug<br />
Wandelte sich<br />
Mein Gefieder zu Asche<br />
Fliege Asche<br />
In schneeige Weite<br />
Durch das VerBlasen<br />
VerZweifeln VerWinden<br />
Rauschen die Gründe<br />
Noch immer LebWohl<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 4
LYRIK<br />
Georg Walz, Wolfrathshausen<br />
Sylphen<br />
trocknen tränen<br />
damit sie die glut der sehnsucht nicht<br />
löschen, als ob die wölfe<br />
nicht schon genug damit zu tun<br />
hätten, die schatten der nacht<br />
aus ihren rufen zu<br />
filtern<br />
Willi Volka, Hannover<br />
Crash<br />
Milchstraßengeometrie<br />
angekreuzt<br />
mit weiß gekreuzigtem Blau<br />
verschleiert.<br />
Flugzeiten und Reisewege<br />
kreuzen<br />
über und nacheinander sich<br />
die Zeiten sind so.<br />
In Sekunden<br />
streifen Schwingen einander<br />
Zugvögel stürzen schwingen<br />
federlos.<br />
Luftkreuz ohne Balken<br />
dann steht auf das Entsetzen<br />
rauchende Seelen<br />
zum Unbekannten.<br />
Gerda Jaeckel, Bad Doberan<br />
Monat des Lichts<br />
Komm trag mich empor<br />
Lichter drehen im Feld<br />
Golden zeigt sich deine Welt<br />
den Überfluss zu loben<br />
Irmentraut ter Veer, Den Haag<br />
In der Nacht<br />
das Meer<br />
rauscht anders –<br />
ein Möwenschrei<br />
blitzt kurz auf<br />
im Wolkengewölbe –<br />
knirschende Schritte<br />
im Sand<br />
halten an –<br />
Tropfengefunkel<br />
in Dunkelheit<br />
sprüht in die Seele<br />
aus Zitternder Himmel<br />
Heidrun Schaller, Glückstadt<br />
tönende Himmelsspuren<br />
sind mit dem<br />
warmen Westwind<br />
unter dem Gefieder<br />
vom Meer her<br />
über das frostige Land<br />
gezogen<br />
Frühlingsbotschaft<br />
am noch klirrendkalten<br />
zartblauen Firmament<br />
Renate Weidauer, Puchheim<br />
Gethsemane<br />
Wo die Stille schreit<br />
ist Gethsemane<br />
hinter der Mauer<br />
von Schlaf<br />
herrscht Einsamkeit.<br />
Gefährten entzogen sich<br />
in den Schutz<br />
ihres abwesenden Ich.<br />
Ohne Widerhall<br />
Gebete und Weinen<br />
des Einen.<br />
Anprall an geschlossene Lider.<br />
ER allein<br />
mit dem Vater.<br />
Nah kräht der Hahn.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 5
LYRIK<br />
Johanna Klara Kuppe, Waiblingen<br />
abhanden gekommen im<br />
wolfsmond sind die<br />
abgenommenen flügel<br />
wünschelrute<br />
nistet kälte im<br />
leintuch aus fahlem<br />
gelächter ameisen<br />
sägen am pappelblatt.<br />
Helga Thomas, Lörrach<br />
Pfingstmontag<br />
Gestern<br />
war der Tag der Erleuchtung,<br />
als ihr DAS WORT verstanden,<br />
gleich, mit welchen Zungen gesprochen,<br />
denn das Feuer der göttlichen Zunge<br />
hat euren Scheitel geküsst.<br />
Heute<br />
versucht ihr zu erinnern,<br />
was gestern geschah, und erzählt euch,<br />
was jeder erlebte,<br />
und schon versteht ihr<br />
das Wort des andern<br />
nicht mehr.<br />
Cordula Scheel, Hamburg<br />
Gehen müssen<br />
Zurücklassen<br />
„Wir verlieren viel<br />
manche Dinge<br />
haben“ sagst du<br />
„ein Eigenleben<br />
manche sterben<br />
manche müssen wir<br />
einfach loslassen<br />
freiwillig<br />
auch Menschen<br />
ihnen zuliebe<br />
um unsretwillen<br />
sie rufen sonst<br />
unsere Augen zurück<br />
unterwegs“<br />
die Nacht legt sich<br />
über deine Worte<br />
„Was taugt kommt<br />
im Dunkel ans Licht“<br />
sagst du und „am Bug<br />
spürst du die Bewegungen<br />
des Wassers in allem“<br />
Die alte Geschichte<br />
vom Tribunal der<br />
Schiffbrüchigen<br />
dort bestehen können<br />
offene Augenblicke<br />
schwankende Wände<br />
leere Räume<br />
Willi Volka, Hannover<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 6
LYRIK<br />
Thomas Rackwitz, Berlin<br />
ein ara hatte aranoia<br />
(er saß zu lang im aradies).<br />
ihn zwickten keine arasiten,<br />
doch gings ihm arantiert recht mies,<br />
denn flog er einen arathon,<br />
mit nem arapluie, im schlaf.<br />
vorbei ging es am ararat<br />
(arabisch schwieg ein aragraf) –<br />
der berg stand unter arantäne.<br />
er lernte dort aranteln lieben:<br />
arachneglück, dann arakiri.<br />
ach, wär er nur im aradies geblieben ...<br />
Hermann Wischnat, Bad Laer<br />
Altersweisheit<br />
Ich bin seit einiger Zeit im Ruhestand<br />
und warte<br />
mit Ungeduld<br />
auf meine Altersweisheit<br />
Also früher hätte ich nie geglaubt,<br />
dass einer auf die so lange warten muss.<br />
Ich weiß nicht.<br />
Sollte ich etwas zwischendurch<br />
immer mal wieder für die doch mal<br />
was tun?<br />
An dieser Stelle noch einmal die dringende<br />
Bitte: der Frühling kommt, bunt und prächtig -<br />
werden Sie kreativ, fröhlich oder ernst - senden<br />
Sie Gedichte! Der Fundus ist fast ausgeschöpft.<br />
Ilona Daniela Weigel, Böblingen<br />
In den Strassen dieser Stadt<br />
(für Tadeusz Bonkowski *5. 3.1960)<br />
Auf die Straße gejagt<br />
Kälte<br />
Dein Bett unter Dir<br />
Ein Eimer manchmal<br />
Deinen Nieren<br />
Eine Tüte zum Schutz<br />
Polizisten<br />
Kamen<br />
Zogen die Schuhe Dir aus<br />
Sie WOLLTEN<br />
Nur<br />
Du lebst immer noch<br />
Im Regen<br />
Geschlafen im Schnee<br />
Der so warm in Deinem Mund<br />
Und wo Obdach für Dich in dieser Stadt<br />
Ist nur der Tod Dein Freund<br />
Doch Du fürchtest ihn nicht mehr<br />
Du bleibst und sprichst zu mir<br />
Malst Leben<br />
In die Augen toter Seelen<br />
In den Straßen<br />
Dieser Stadt<br />
(26. Oktober 2011)<br />
ERRATUM: bedauerlicherweise wurde in der<br />
letzen Ausgabe das Gedicht fehlerhaft abgedruckt.<br />
Hier der Originaltext.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 7
PROSA<br />
Peter J. Kempf, Blieskastel-Biesingen<br />
Freunde<br />
Die Franzosen riefen ihn Frederic,<br />
den Saarländer, der mit seinen Mannen in<br />
Frankreich Straßenmarkierungen auftrug und<br />
Leitplanken setzte. Wir würden nach dem<br />
ersten Tag sterben, wir „Sesselfurzer“ und<br />
„Schaffschuhversteckler“, tönte er im Verlauf<br />
einer Diskussion auf der Geburtstagsfeier<br />
seines Freundes, meines Nachbarn. Ich musste<br />
lachen. Zwei Jahre zuvor hatte ich ein Haus<br />
gebaut, war als Polizist gut durchtrainiert und<br />
hatte vorm Staatsdienst unter Tage mein Geld<br />
verdient. Körperliche Anstrengungen waren<br />
mir nicht fremd. Das war im April 1978, nach<br />
mehreren St. Emilion Grand Cru. Zwei Monate<br />
später stand ich mit meinem Nachbarn im<br />
Depot der Firma „Secouroute“ in Senlis und<br />
blickte in Fritzes Gesicht. „Zwei Freunde von<br />
mir, Hans und Peter, ein Buchhalter und ein<br />
Polizist. Die werden uns in den nächsten<br />
zwei Wochen unterstützen. Ihr braucht sie<br />
nicht zu schonen. Die sind ausgeruht.“ Etwa<br />
fünfzehn Gesichter strahlten uns freudig<br />
erregt an. Kurz und bündig die Vorstellung,<br />
dann ging’s an die Arbeit. Wir trugen jetzt<br />
eine orange Kluft. Vierzig Kilo wog eine<br />
Leitplanke und der Vorschlaghammer war<br />
auch nicht ohne. Bald floss der Schweiß<br />
in Strömen. Die Dusche am Abend, eine<br />
Wohltat für die geschundenen Knochen.<br />
Ein Krampf der Armmuskulatur ließ nicht<br />
mehr zu, dass ich Hals und Haare wusch.<br />
Hans erging es nicht anders. Wir hatten uns<br />
gut vorbereitet, doch nicht gut genug. Aber<br />
wir schliefen tief wie Murmeltiere und der<br />
nächste Morgen sah uns mit strahlendem<br />
Gesicht. Keine Schwäche zeigen…<br />
Nach nur drei Tagen hatten wir uns den<br />
Respekt der Jungs erarbeitet. Fritz, der uns<br />
nach der Vorstellung im Depot verlassen hatte,<br />
kam am Donnerstag von einer Baustelle bei<br />
Montpellier zurück. Bald war er über alles<br />
informiert, auch über unsere Leistung. Dass<br />
wir so mithalten würden, daran hatte er nicht<br />
geglaubt. Wir hatten Spaß an unserer Arbeit,<br />
auch weil wir wussten, dass das Ende der<br />
Knochenarbeit abzusehen war.<br />
„Das Wochenende verbringen wir in Paris“,<br />
versprach Fritz, der mit uns äußerst zufrieden<br />
schien. Während der Woche hatte ich einen<br />
Freund gefunden. Jean-Marie war Lehrer,<br />
hatte aber keine Anstellung gefunden, da<br />
er Kommunist sei, hatte er mir erklärt. Er<br />
stammte aus dem lothringischen Sarralbe,<br />
wo die Firma ihren Sitz hatte, und er sprach<br />
besser Deutsch als ich Französisch. Vom<br />
Aussehen her hätte er Pierre Richards<br />
Cousin sein können. Auch seine Haare<br />
versuchten vom Haupt zu flüchten. Und<br />
genau wie der große Blonde mit dem<br />
schwarzen Schuh, ließ er keine Gelegenheit<br />
aus, mit Wortwitz zu glänzen. Seine ernste<br />
Seite bugsierte den Frankreichbazillus in<br />
meine Hirnwindungen, nachdem er mich<br />
bereits nach den ersten Tagen in Senlis und<br />
die Histoire der Krondomäne eingetaucht<br />
hatte. Montags war ich eingetroffen, mittwochs<br />
war mir Hugo Capet kein Fremder<br />
mehr. Jeanne d’Arc sah ich im Schlaf<br />
nach Paris reiten und Louis de Funes als<br />
Geizigen durch die Fausse Porte hecheln.<br />
Am Samstagmorgen starteten wir Richtung<br />
Paris. Jean-Marie und Robert, ein bärbeißig<br />
scheinender Auvergnate, begleiteten uns. In<br />
St. Denis stellten wir as Auto ab und stiegen<br />
in die Metro. Einmal umsteigen, dann<br />
brachte uns beim Trocadero eine Treppe<br />
hoch zum Palais de Chaillot. Die Sonne<br />
schien und der Platz erschlug mich fast. Wir<br />
liefen einige Meter am Palais vorbei, dann<br />
sah ich ihn, den Eiffelturm. Ich war zum<br />
ersten Mal in Paris, und das, was hier meine<br />
Augen erblickten, begeisterte mich. Dieses<br />
Stahlgerüst…Phänomenal !!! Bis zum Abend<br />
hatten unsere Freunde uns Pariser Fassaden<br />
gezeigt, in der Nacht machten sie uns am<br />
Place de Clichy und Pigalle mit der Seele<br />
bekannt. Eine Taxe brachte uns gegen Morgen<br />
nach St. Denis. In Senlis angekommen fiel<br />
ich bald in tiefen Schlaf. Dann begann ich zu<br />
träumen, und am Morgen wusste ich, dass<br />
Paris einen Platz in meinem Herzen erobert<br />
hatte. Auf der Rückfahrt nach Sarralbe, wo wir<br />
von unseren Frauen sehnsüchtig erwartet wurden,<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 8
PROSA<br />
bot uns unser Patron an, jederzeit könnten wir<br />
die Sache wiederholen. Ein Anruf genüge. Wir<br />
riefen nun jedes Jahr an. Doch Hans schied kurz<br />
vor Weihnachten 1982, nach einem Herzinfarkt,<br />
aus dem Leben, mit 42 Jahren. Ich konnte mich<br />
jetzt nicht auch noch von meinen französischen<br />
Freunden trennen. Ab 1983 verbrachte ich daher<br />
jährlich drei Wochen in meiner zweiten Heimat.<br />
Einmal vierzehn Tage Urlaub, dann noch acht<br />
Tage Überstundenrückvergütung.<br />
Im Juni 1984 erlebte ich das Departement Oise<br />
emotionsgeladen wie nie zuvor. Ich kannte jetzt<br />
auch Compiegne und weite Landstriche an der<br />
Somme entlang, und ich hatte während unserer<br />
Arbeit viele Soldatenfriedhöfe gesehen.<br />
Am Montag, 4. Juni, hatte ich mich nach<br />
Sarralbe begeben. Mit Fritz fuhr ich nach St.<br />
Quentin, dann auf die Baustelle nach Banteux,<br />
wo wir Jean-Marie mit seinem Arbeitstrupp<br />
trafen. Ich zog den Orange-Anzug an und fuhr<br />
mit meinen Freunden nach Vendhuile, von<br />
dort durchs freie Feld Richtung Epehy, wo wir<br />
an der Autobahnbaustelle Leitplanken abluden.<br />
Hier, wo die Departement Aisne, Nord und<br />
Somme sich treffen, sind die Soldatenfriedhöfe und<br />
Kriegerdenkmale nicht zu übersehen. Es regnete<br />
auf Teufel komm raus und überall wurden die<br />
Feiern zum vierzigsten Jahrestag der Landung<br />
der Alliierten in der Normandie angekündigt.<br />
Mir war bei dem Gedanken, dass mein Großvater<br />
hier auch im 1.Weltkrieg gekämpft hatte, ganz<br />
mulmig zumute. Der Kaiser hatte ihn als<br />
45-jährigen noch zu den Waffen gerufen und an<br />
die Westfront geschickt. Auf seiner Heimatkarte<br />
des Saargebiets, die er mit ins Feld genommen<br />
hatte, ist zu lesen, dass er am 9.1.1917 eingezogen<br />
wurde, dann über Lüttich und Hirson bis nach Laon<br />
gelangt war, eingetroffen am 22.6.1918. Allein<br />
der Gedanke, dass er irgend einen Angehörigen<br />
eines meiner Freunde getötet oder verletzt haben<br />
könnte, bescherte mir eine Depression, die sich<br />
zwei Tage später noch verstärkte, als ich in „Le<br />
Matin“ den Aufmacher las: JOUR „J“ + 40 ANS.<br />
Darunter war zu lesen, dass die Amerikaner an<br />
diesem 6. Juni 1944 sechstausend Gefallene zu<br />
beklagen hatten. Meine Freunde konnten nicht<br />
fassen, dass meine sonst gute Laune durch diese<br />
Geschehnisse derart gravierend abgesackt war.<br />
Sie witzelten und versuchten mich aufzubauen.<br />
„Peter! Am Freitag feiern wir ein Fest“, kündigte<br />
Jean-Marie an. „Ich lade auch meine Freunde<br />
ein.“ Am Abend war ich dank des Zuspruchs<br />
meiner Mitstreiter wieder obenauf, so dass ich<br />
mich auf Freitag freuen konnte. Gemeinsam mit<br />
Jean-Maries Freunden hatte ich in den Jahren<br />
zuvor manche Nacht durchgefeiert. Wir hatten<br />
Rotwein bis zum Abwinken genossen und uns<br />
dabei die Köpfe heißgeredet. Oft bot allein mein<br />
Beruf für Stunden Diskussionsstoff. Besonders<br />
liebte ich in Senlis die „Belle Epoque“, eine heute<br />
nicht mehr vorhandene Jazzkneipe. Ihre Belle<br />
Epoque Ausstattung hatte mich fasziniert, genau<br />
wie Jacques Doudells Jazzband. Hier hatten wir<br />
über Malerei und Architektur, über Literatur und<br />
Geschichte parliert. Man hatte mich mit Villon<br />
und Sartre bekannt gemacht, mir Voltaire, Diderot,<br />
Rousseau und viele andere zu lesen empfohlen:<br />
Ich fühlte mich hier, als gehörte ich zur Familie.<br />
Und am Freitagabend sah ich sie hocherfreut<br />
wieder: Simon, ein Engländer, mit seiner Freundin<br />
Géraldine, Gérard, Didier, Pascal, Philippe und<br />
Jean-Marie. Schade nur, dass Sonja fehlte, die<br />
sich Monate zuvor von Jean-Marie getrennt hatte.<br />
Die Feier zur Landung in der Normandie, das zu<br />
der Zeit den Alltag beherrschende Thema, wurde<br />
mit keinem Wort erwähnt. Wir unterhielten uns<br />
über Musik, Literatur und Geschichte, und<br />
darüber, was ich hier tun könnte, wenn ich die<br />
Uniform an den Nagel gehängt, Haus verkauft<br />
und mit Frau und Kind hierher gezogen wäre.<br />
Wir sprangen von der Kunst und Kultur zum<br />
schnöden Alltag, rechneten das eine gegen das<br />
andere auf und gossen Rotwein in uns hinein. Da<br />
keine Band spielte nahm Simon eine Gitarre von<br />
der Wand und untermalte mit geübten Griffen<br />
die Diskussion. Ich hatte in all den Jahren<br />
französische Kultur und Lebensart genossen und<br />
hatte selbst bereits ausgelotet, welche Perspektive<br />
sich mir hier bieten. Auf Dauer war die Arbeit<br />
auf der Straße, die Fritz mir anbot, keine Lösung,<br />
nur als Übergang. Aber Übergang zu was? Es<br />
war bereits Vier, als ich mutterseelenallein an der<br />
Kathedrale vorbei zum Arbeiterwohnheim hin<br />
trottete. Im Vorbeigehen bat ich Jeanne d’Arc um<br />
einen Fingerzeig, wobei ich hoffte, dass sie auch<br />
einen trunkenen Deutschen erhört. Acht Tage<br />
später nahm mich der häusliche und dienstliche<br />
Alltag wieder in Empfang. Von der Krondomaine<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 9
PROSA<br />
aufs flache Land. Genauso fühlte ich mich. Und<br />
der Dienstalltag begann wieder in mir zu fressen,<br />
besonders das innerdienstliche Hick-Hack.<br />
Mit dem Geld, das Fritz mir zugesteckt hatte,<br />
fuhr ich vier Wochen später samt Familie nach<br />
Cannes, genau gesagt in den chemin de l’Olivet,<br />
wo wir im vierten Stock eines Hochhauses<br />
die Zweitwohnung einerBekannten angemietet<br />
hatten. In mir brodelte es. Kaum zu Hause setzte<br />
ich mich an die Schreibmaschine und begann<br />
sie zu traktieren. Meine Arbeit in Frankreich<br />
stellte ich meinem Dienstalltag gegenüber, mein<br />
Ferienpatron meinem Dienststellenleiter. Geh‘<br />
und komme, was da mag! Drei Monate später<br />
war mein Werk abgeschlossen, ein dreiviertel<br />
Jahr später veröffentlicht. Es war literarisch<br />
gesehen kein großes Werk, aber plötzlich genoss<br />
ich eine besondere Art Narrenfreiheit. Finanziell<br />
hatte sich der Aufwand nicht gelohnt. Aber es<br />
hatte mir den Druck genommen und anderen<br />
seelisch-moralischen Auftrieb vermittelt. Und<br />
Jean-Marie?<br />
Sommer 1996. Zehn Jahre waren vergangen, seit<br />
wir letztmalig zusammengearbeitet hatten. Wir<br />
hatten damals in Straßburg Fußgängerüberwege<br />
markiert. Er überraschte mich zu Hause, als ich<br />
mit der Innenausstattung eines Anbaus beschäftigt<br />
war. „Ich hab‘ nur fünf Minuten Zeit.“ Dann erfuhr<br />
ich, dass er jetzt auf Martinique lebt, und dass es<br />
ihm sehr gut gehe. Er sah auch gut aus. Minuten<br />
später war er verschwunden. Den Regenschirm<br />
ließ er zurück...<br />
Ein halbes Jahr später läutete um Drei in der<br />
Nacht das Telefon. Meine Frau nahm den Hörer<br />
ab, lauschte erste Worte und reichte mir dann den<br />
Hörer: „Nimm du. Ein Besoffener.“<br />
„Hallo Peter! Geht’s dir gut?“ Es war Jean-<br />
Marie. Er lachte und schien leicht beschwipst.<br />
„Wo steckst du denn?“ „An der Bar… Willst du<br />
nicht mitsaufen?“ „Dann sag‘ mir endlich, wo du<br />
steckst!“ Er lachte. „Du kennst Fort-de-France?“<br />
„Bist du denn wahnsinnig. Weißt du überhaupt<br />
wie spät es ist?“ Er wusste es. Er wusste auch,<br />
dass ich mich freute, nochmals seine Stimme zu<br />
hören. Sogar um diese Zeit. Zwei Jahre später.<br />
Einen Roten Tropfen im Glas saß ich vor „Chez<br />
Alex“ in der rue Louis Pasteur. Der Kellner<br />
begann Sonnenschirme einzuholen und Stühle<br />
zusammenzustellen. Dunkle Wolken zogen über<br />
Sarreguemines zusammen und kündigten einen<br />
Gewitterregen an. Aufmerksam folgte ich dem<br />
Treiben. Wind blies vom Himmelsberg und fegte<br />
Staub über den Trottoirs. Plötzlich sah ich ihn.<br />
Den Rucksack auf dem Rücken, das lichte Haar<br />
leicht ergraut, von einem Jungen und einer Frau<br />
begleitet. Das konnte nicht wahr sein! Während<br />
er sprach fiel sein Blick auf mich. Ein freudiges<br />
Grinsen überzog sein Gesicht. Ich sprang von<br />
meinem Stuhl ihm entgegen. Wir umarmten uns,<br />
musterten uns von Kopf bis Fuß und lachten.<br />
Graue Hunde waren wir geworden. „Quelle<br />
surprise!?!<br />
Er fand die ersten Worte. Danach ging es schnell.<br />
Die Frau sei seine Schwester, der Junge deren<br />
Sohn. Er lebe immer noch auf Martinique. Es<br />
gehe ihm gut und morgen fliege er ab Paris<br />
zurück. Gleich seien die Geschäfte zu, und er<br />
müsse noch einkaufen. „Au revoir!“<br />
Sekunden später schluckte ihn die Fußgängerzone.<br />
„Schade!“ dachte ich. Wenig später fuhr ich<br />
nach Hause. Es regnete, blitzte und donnerte.<br />
Ich goss mir einen Chiroubles ins Glas! Und an<br />
der Garderobe hing immer noch Jean-Maries<br />
Regenschirm…<br />
Wolfgang Seekamp, Achim<br />
Postkarte aus dem Paradies -<br />
eine Frühlingsgeschichte<br />
Draußen ist der Schnee fast weggeschmolzen, es<br />
ist milder geworden und mir kommt es mit einem<br />
Mal tatsächlich schon ein wenig frühlingshaft<br />
vor. Und zumindest denke ich wohl nicht alleine<br />
so, sicherlich empfinden es andere so wohl auch,<br />
wie z.B. die putzigen und niedlichen Singvögel<br />
hinter meinem Fenster, ihr Singen und Piepen<br />
hört sich mit einem Mal wesentlich intensiver<br />
und nicht mehr so zaghaft an wie vorher. Es<br />
sind die ersten vorsichtigen Versuche unseres<br />
norddeutschen Frühlingszauderers, sich ein wenig<br />
in Erinnerung zu bringen. Manchmal habe<br />
ich aber schon oft gedacht, warum der Frühling<br />
nur bei uns am Anfang des Jahres immer so<br />
seltsam schüchtern ist, soll er sich doch mal<br />
Verstärkung holen, z.B. bei Herrn ‚Printemps’<br />
aus Frankreich oder bei dem altehrwürdigen ‚Sir<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 10
PROSA<br />
Spring’ aus dem lieblichen englischen Cornwall,<br />
diese beiden Herren sind für solch einen Spaß<br />
vielleicht ja immer zu haben. Zu Dritt wäre es<br />
auch bestimmt sehr viel leichter, den inzwischen<br />
schon sehr behäbigen kalten ‚Alt-Winter-Herren’<br />
von seinem Sitzfleisch empor zu jagen<br />
und ihm für diese Saison den wohlverdienten<br />
Laufpass zu geben. Na gut, warten wir es ab,<br />
vermutlich ist unser Herr Lenz wohl einfach nur<br />
zu stolz, sich aus anderen Nachbarländern Hilfe<br />
zu holen, dafür muss man vielleicht ja auch ein<br />
wenig Verständnis haben.<br />
Ich bin am Aufräumen und ganz plötzlich halte<br />
ich eine alte Ansichtskarte in der Hand! Ach<br />
ja, damals vor langer Zeit, im Mai 1964 hatte<br />
ich diese Karte geschrieben. Der Frühling war<br />
schon fast zu Ende und es war ein sehr warmer<br />
Frühling gewesen, aber eben nicht nur bei uns<br />
in Norddeutschland, sondern auch dort, wo ich<br />
damals als knapp Achtzehnjähriger mit meinem<br />
gleichaltrigen Freund Urlaub gemacht hatte. Ja,<br />
dieser Mai ´64 hatte es ohnehin in sich, denn<br />
die Postkarte, die ich in der Hand halte, wurde<br />
von mir irgendwo am ‚Lago di garda’ in einen<br />
Briefkasten gesteckt, in einen italienischen<br />
Briefkasten wohlgemerkt und eben keinen<br />
österreichischen. Und ich war damals so erfüllt<br />
von meinen Eindrücken, dass meine Familie an<br />
diesen Hochgefühlen unbedingt teilhaben sollte,<br />
wähnten sie uns Urlauber ja in einem anderen<br />
Land, nämlich im Nachbarland Österreich, also<br />
in dem Land, in dem wir damals ausschließlich<br />
unseren Urlaub machen wollten.<br />
Ja, der Mai ´64, mein Freund und ich waren gerade<br />
erst einem anstrengenden Prüfungsstress während<br />
unserer Ausbildung entronnen und bis zu<br />
diesem Zeitpunkt hatten wir den wunderschönen<br />
Frühling ‚draußen’ noch gar nicht zur Kenntnis<br />
genommen. Nun aber war eine Phase eingetreten,<br />
in der wir uns erholen und dabei etwas<br />
anderes sehen wollten und dazu kam ein Urlaub<br />
gera-de recht, das erforderliche Geld hatten wir<br />
schon vorher an die Seite gelegt. So kam es, dass<br />
wir uns immerhin einen 14-tägigen Wanderurlaub<br />
in den österreichischen Bergen leisten konnten.<br />
Mitte Mai würden wir mit dem Zug von Bremen<br />
losfahren und dann in dem bis dahin noch gar<br />
nicht so sehr bekannten kleinen Urlaubsort Sölden<br />
wohnen, gelegen im südlichen Teil des Ötztales.<br />
Umgeben von hohen Bergen und Gletschern,<br />
so träumten wir, würden wir die österreichische<br />
Bergwelt erkunden, grüne Almen durchqueren<br />
und in einer abgelegenen Almhütte Buttermilch<br />
und Kaiserschmarren zu uns nehmen.<br />
So ähnlich wie damals bin ich auch jetzt am<br />
Träumen, die alte Ansichtskarte habe ich<br />
inzwischen auf den Tisch gelegt und daneben liegt<br />
jetzt außerdem eine ältere auseinandergefaltete<br />
Wanderkarte aus dem Ötztal vor mir. Und um<br />
wieder bei den jugendlichen Träumen im Mai<br />
´64 anzuknüpfen, ja, unsere Vorstellungen und<br />
Wünsche wurden wirklich mehr als erfüllt, und<br />
das kam damals so:<br />
Zwar war es schon Mitte Mai, die Sommersaison<br />
in den Bergen begann aber gerade erst und es<br />
war manchmal während unserer Touren noch<br />
ein wenig frisch und einige Schneereste säumten<br />
sogar noch unsere Wege, aber das machte uns<br />
seinerzeit nichts aus, wir waren jung und nur<br />
beschäftigt mit der herrlichen Bergwelt um uns<br />
herum, denn jeder Tag war ausgefüllt mit immer<br />
neuen Wandertouren. Mit der Seilbahn ging es<br />
z.B. hinauf auf die schmalen Pfade des Gebietes<br />
am Gaislachkogl oder mit dem Linienbus zur<br />
Rettenbachalm und weiter in Richtung Rotkogl,<br />
es war alles dabei, was das Wanderherz begehrte.<br />
Vieles hatten wir staunend und ehrfürchtig<br />
zur Kenntnis genommen, bis dato kannten wir<br />
lediglich die Bergwelt um Mittenwald herum, die<br />
wir ein Jahr vorher zum allerersten Mal erkundet<br />
hatten, aber dieses hochalpine Wandergebiet im<br />
Süden Österreichs war natürlich noch eine ganze<br />
Nummer größer. Unser Blick ging nur nach oben<br />
hinauf zu den Dreitausendern am Horizont, zum<br />
Granatenkogl und zum Seelenkogl, zum Hohe<br />
Wilde und zur Marzellspitze. Manch Berghütte<br />
sahen wir kleben am Felsen, das elektrische<br />
Licht war abends im Dunkeln als klitzekleines<br />
Glitzern in der schwarzen Nacht auszumachen<br />
und später lüfteten wir das Geheimnis dieser<br />
fernen Hütte, indem wir selber völlig verschwitzt<br />
durch die niedrige Eingangstür in das<br />
Dunkle der Hütte hineintraten. Dort saßen wir<br />
häufig noch ganz alleine, die Touristen waren zu<br />
diesem Zeitpunkt sehr selten dort oben und der<br />
Hüttenwirt freute sich über jeden Gast und fragte<br />
uns meistens ganz neugierig, wie es denn im<br />
fernen Norddeutschland wohl aussehen und sich<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 11
PROSA<br />
so leben lassen würde, so ganz ohne Berge, alles<br />
wäre flach und man sehe außer dem Horizont<br />
sonst ja rein gar nichts. Doch wir klärten unseren<br />
neugierigen Gesprächspartner in der Regel<br />
zumindest dahingehend auf, dass es auch bei uns<br />
eigentlich sehr schön sei und man dort ganz gut<br />
leben könne.<br />
Wir wohnten direkt in Sölden hinterm Kirchturm<br />
in einer guten kleinen und sauberen Pension.<br />
Gleich neben dem Kirchturm gab es ein kleines<br />
Reisebüro, an seinen Schaufenstern gingen wir<br />
natürlich tagtäglich vorbei und wir sahen aus den<br />
Augenwinkeln ständig die bunten Ankündigungen<br />
von diversen ein- bis zweitägigen Busreise-<br />
Angeboten. Da waren Städtetouren nach Innsbruck<br />
und Rundfahrten durchs Pitztal dabei und dann<br />
noch einige andere durchaus attraktive Touren.<br />
Und darüberhinaus gab es auch ein Angebot<br />
über eine zweitägige Busfahrt zum Gardasee<br />
einschließlich Meran. Diese Fahrt wurde optisch<br />
deutlich auffälliger herausgehoben, denn das<br />
Ganze schien etwas Besonderes zu sein, war es<br />
doch eine ‚Saison-Eröffnungs-Busfahrt’ über die<br />
noch ziemlich neue Timmelsjoch-Hochalpentraße,<br />
beginnend am Ende des Ötztales und hochführend<br />
zum Grenzübergang in Richtung Italien.<br />
Nun war es nicht so, dass wir auf eine Busfahrt<br />
unbedingt reflektierten, im Gegenteil, denn die<br />
Ötztaler Alpen hielten uns völlig in Atem, wir<br />
waren begeistert und freuten uns abends bereits<br />
über unsere nächste geplante Bergtour. Aber<br />
irgendwie ging uns das Wort ‚Italien’ nicht mehr<br />
aus dem Sinn, wir waren völlig fasziniert über<br />
diese sich ergebende unerwartete Möglichkeit,<br />
keiner mochte es so richtig zugeben, aber dieses<br />
Wort ‚Italien’ nagte ständig in uns, es ging uns<br />
nicht mehr aus dem Sinn. Gleichzeitig hatten wir<br />
aber ein schlechtes Gewissen, die großartigen<br />
Berge lagen vor unseren Füßen und wir wollten<br />
diese Welt, wenn auch nur für zwei Tage, schnöde<br />
verlassen. Doch irgendwann beruhigten wir uns,<br />
indem wir uns klarmachten, dass wir während<br />
der Fahrt ja ein weiteres Mal in die hochalpine<br />
Gletscherwelt, diesmal eben am Timmelsjoch,<br />
eintauchen würden. Irgendwann war unsere<br />
Zauderei dann auch vorbei und wir buchten ‚sie’<br />
einfach, die Busreise nach Italien zum Gardasee!<br />
Am Tag der Fahrt ging es frühmorgens um fünf<br />
Uhr direkt am Kirchturm los, vor uns stand<br />
ein Kleinbus, in dem insgesamt neun Personen<br />
mitfahren würden und wir alle blickten sehr<br />
erwartungsvoll auf die beiden nächsten Tage.<br />
Mit dem Bus ging es schnell immer nur bergauf.<br />
Sehr bald durchfuhren wir die immerhin über<br />
2000 m hochgelegenen Bergdörfer Obergurgl<br />
und Hochgurgl mit dem über 3000 m hohen<br />
Wurmkogel im Hintergrund und dann schon<br />
wurden die Serpentinen immer enger und steiler.<br />
Immerhin befanden wir uns ja auch auf Österreichs<br />
höchstgelegenem Straßen-Grenzübergang!<br />
Irgendwann waren wir ganz oben am Timmelsjoch<br />
angekommen, wir hatten die ‚Europäische Wasserscheide’<br />
und auch die Staatsgrenze zwischen<br />
Österreich und Italien erreicht und machten<br />
eine Pause und bestaunten die umliegenden<br />
Gletscherwelten. Hier waren nun bereits in<br />
grauer Vorzeit die ersten Siedler aus Passaier<br />
kommend hoffnungsvoll in den Schutz des<br />
inneren Ötztales gezogen. Und dann ging es<br />
weiter, jetzt nur noch bergab auf gefährlich engen<br />
und steilen Serpentinen. Für die Italiener war es<br />
nun der ‚Passo des Rombo’und wir fanden, dass<br />
dies ebenfalls ein sehr schöner Name war. Die<br />
Abwärtsfahrt auf den schmalen Fahrwegen, vor<br />
allem in den wahnsinnig engen Straßenkehren,<br />
wollte schon kein Ende nehmen, aber dann hielt<br />
unser Bus ganz plötzlich auf einem kleinen<br />
Parkplatz und wir stiegen aus und schauten<br />
in Richtung der ausgestreckten Hand unseres<br />
Busfahrers, sie zeigte gen Süden. Und dann, ja<br />
wirklich weit hinten noch etwas im Dunst gelegen,<br />
entdeckten wir die ersten Spuren Italiens,<br />
einige Bäume säumten auch bereits die Pass-<br />
Straße und erste kleine Dörfer machten sich im<br />
Flimmern der Vormittagsluft bemerkbar. Und ich<br />
erinnere mich deutlich, plötzlich zog ein warmer<br />
Luftstrom an mir vorbei, er war völlig anders als<br />
ich es bisher aus Norddeutschland gewohnt war,<br />
es war ein erster Hauch von südlicher Wärme,<br />
aber das war es nicht allein. Der feine Windhauch<br />
war durchsetzt von einem angenehm sanften und<br />
zarten Duft, der ein Aroma mit sich trug, das nach<br />
südlicher Vegetation, nach Orangen- und Oleanderbäumen<br />
und anderen Gewächsen schmeckte.<br />
Es war nur ein winziger Moment, ein Vorbote<br />
quasi, aber dieser Dufthauch pflanzte sich fortan<br />
bei mir ein und ich wusste, dieses einzigartige<br />
Gefühl des Aufbrechens sämtlicher Sinne würde<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 12
PROSA<br />
für alle Zeiten unwiederbringlich in mir verhaftet<br />
bleiben! Ja, so war es damals, ich weiß es noch<br />
immer genau, dieser allererste Kontakt mit dem<br />
Süden war wirklich einmalig, er konnte später<br />
nie mehr durch noch so viele Besuche Italiens<br />
übertroffen werden!<br />
Inzwischen waren wir in Meran angekommen,<br />
dort spazierten wir durch enge Gassen und waren<br />
fasziniert vom mediterranen Trubel. Händler<br />
boten marktschreierisch südländisches Obst und<br />
Gemüse an und viele Leute saßen vor kleinen<br />
Cafés und tranken Espresso und Capuccino. Links<br />
und rechts säumten Palmen unseren Weg und<br />
herrliche Blumenrabatte schmückten die grünen<br />
Rasenflächen, auf denen mittendrin manchmal<br />
noch ein Brunnen mit einer sprudelnden<br />
Wasserfontäne den glanzvollen Höhepunkt bildete.<br />
Und dann ging es weiter und unser kleiner Bus<br />
erreichte nach einiger Zeit den Gardasee. Auch<br />
hier hielt er zunächst an einer etwas größeren<br />
Wegkehre oberhalb des Sees an und wir stiegen<br />
aus und bestaunten das große Panorama, das nun<br />
direkt unter uns lag, - vor uns erstreckte sich also<br />
der Lago di Garda!<br />
„Benvenuti al Lago di Garda, il più grande lago<br />
d’Italia è molto varia cerca“, etwa so ähnlich lauteten<br />
die Worte, die ich von irgendwoher auffing.<br />
Ja, si, das war wirklich volle ‚Granate’, smaragdgrün,<br />
türkisblau, eine Blau-Offensive, die<br />
ich noch nie in meinem Leben vorher in dieser<br />
Form erlebt hatte! Das schillernde blaue Band<br />
zog sich entlang der beidseitigen Hügelkette<br />
viele Kilometer bis zum Horizont hin, wobei<br />
das Ende des Sees gar nicht mehr zu erkennen<br />
war. Und unter uns, am Anfang des Sees, dort wo<br />
Zypressen- und andere südliche Grüngewächse<br />
auszumachen waren, lag der kleine Ort Riva!<br />
Hier sollte nach den Angaben des Busfahrers für<br />
eine Nacht unser Quartier aufgeschlagen werden.<br />
„Liebe Eltern, viele Grüße vom Gardasee, wir<br />
fühlen uns wie im Paradies, es ist wunderbar<br />
warm und die Luft ist wie Seide, wir wohnen<br />
direkt am See in einer hochherrschaftlichen<br />
Villa. Die Zimmer sind fantastisch, alle sind sehr<br />
groß und mit hohen Decken versehen, für die<br />
Übernachtung mit Abendessen und Frühstück<br />
haben wir elf DM bezahlt. Die Nacht haben wir<br />
kaum geschlafen, weil wir ganz früh baden gehen<br />
wollten, um sechs Uhr sind wir dann tatsächlich<br />
auch gleich direkt vom Bett aus in das blaue klare<br />
Wasser gelaufen…“<br />
Genauso steht es auf der Rückseite der<br />
Ansichtskarte, die ich jetzt wieder vom Tisch<br />
aufgenommen habe, so hatte ich es damals<br />
meiner Familie geschrieben. Aber es hätte<br />
nach den vielen Jahren, die seitdem vergangen<br />
sind, dieses Dokumentes in meiner Hand nicht<br />
bedurft, um dieses Erlebnis jetzt ähnlich zu<br />
schildern, wie es tatsächlich war. Zu sehr hatte<br />
sich dieses denkwürdige morgendliche Bad in<br />
den ‚Fluten des Gardasees’ seitdem in mein<br />
Gedächtnis eingebrannt. Es war das intensivste<br />
Badeerlebnis, das ich bis dato in meinem Leben<br />
und eigentlich auch später je erlebt hatte! Allein<br />
das Aufstehen war schon bemerkenswert, keine<br />
der sonst üblichen morgendlichen Handhabungen<br />
sollte uns aufhalten, schnell hinaus aus dem<br />
großen Bett, die nackten Füße auf spiegelblanke<br />
italienische Fliesen gesetzt und dann liefen<br />
wir durch das Zimmer in Richtung der großen<br />
Veranda, liefen anschließend die Stufen herunter<br />
und direkt weiter in Richtung See. Keine Straße,<br />
kein Gebäude sollte uns im Wege stehen, wir<br />
liefen nur über nasses warmes und dampfendes<br />
Gras die Wiese hinunter, die unmittelbar und<br />
direkt in den See hineinführte. Und immer liefen<br />
wir weiter und weiter und zum Schluss in das<br />
klare Wasser hinein. Wasser, das trotz der frühen<br />
Uhrzeit und des noch dauernden Frühjahres wider<br />
Erwarten schon angenehm warm war. Unter uns<br />
schillerte und leuchtete es an diesem Morgen<br />
ganz besonders, es kam uns vor, als würden wir<br />
in gefärbtem Wasser schweben; Wasser, das einen<br />
aquamarinfarbenen Grünblau-Ton hatte. Weiter<br />
unten flitzten unentwegt und hakenschlagend ein<br />
paar Fische durch unsere Beine hindurch, aber<br />
ansonsten war alles ruhig, kein Geräusch, kein<br />
Mensch, nur wir und die Berge ringsherum in<br />
andächtiger Stille. Wir genossen völlig fasziniert<br />
diesen einmaligen Augenblick in unserem Leben.<br />
Ich weiß es noch genau, das Badeerlebnis<br />
dauerte nur ein paar Minuten, aber diese Minuten,<br />
das wusste ich schon damals, würde ich, ebenso<br />
wie die Momente am Tage vorher auf der Pass-<br />
Straße, nie mehr in meinem Leben vergessen<br />
können, sie gehörten von diesem Moment an für<br />
alle Zeiten nur mir…<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 13
PROSA<br />
Ja, so sitze ich hier mit meiner Ansichtskarte<br />
und drehe und wende sie hin und her, draußen ist<br />
inzwischen schon die Dämmerung eingebrochen<br />
und von dem frühlingshaften Zwitschern der<br />
Vögel hört man im Moment auch nichts mehr,<br />
sehr still ist es geworden und die Vögel haben<br />
sich bestimmt schon ein sicheres Plätzchen zum<br />
Übernachten gesucht. Ich schalte das Licht ein, um<br />
die Potkarte nochmal sehr genau zu betrachten.<br />
Zunächst sehe ich mir die Vorderseite mit dem<br />
schönen Foto vom Gardasee an, befühle dann die<br />
Rückseite mit meinen Fingern, registriere jede<br />
einzelne Umrandungszacke der roten 40-Lire-<br />
Briefmarke, auf ihr prangt übrigens wunderschön<br />
der abgebildete Kopf irgendeiner weiblichen<br />
antiken Götterstatue - und ich betrachte meine<br />
Schrift von damals sehr genau. Ja, eigentlich<br />
hatte ich einmal eine sehr schöne und akkurate<br />
Schrift gehabt, fast hätte ich es vergessen, und<br />
mit dem Schreiben muss ich mir bestimmt sehr<br />
viel Zeit genommen haben, trotz des sicherlich<br />
engen Zeitplanes während dieser kurzen Italien-<br />
Reise. - Seltsam, da halte ich eine von mir vor<br />
fast 50 Jahren geschriebene Botschaft an diesem<br />
spätwinterlichen bzw. vorfrühlingshaften Tage<br />
wieder in meiner eigenen Hand, befühle die<br />
Vorderseite der Karte, wische vorsichtig über<br />
die weiße Rückseite und lese die alte vertraute<br />
Heimatadresse, ach ja, damals gab es ja noch die<br />
zweistelligen Postleitzahlen. - Und ich stelle mir<br />
auch die Eltern beim Lesen meiner Karte vor und<br />
überlege, was sie wohl beim Lesen meiner Zeilen<br />
gedacht haben. So richtig hatten wir hinterher,<br />
vermutlich wohl aus Zeitgründen, über meine<br />
Karte nicht mehr gesprochen; aber gefreut haben<br />
sie sich über meine Reise ganz bestimmt, das<br />
weiß ich noch.<br />
So ist also alles wieder ganz nah in diesem<br />
Moment und doch ist alles längst vorbei. Nur die<br />
Postkarte aus dem Paradies habe ich und halte sie<br />
ganz fest in meiner Hand. Weglegen sollte ich sie<br />
noch nicht so schnell, denn ich möchte versuchen<br />
mit ihr noch ein bisschen zu träumen! Denn<br />
Träume habe ich meistens sehr viele und ich bin<br />
mir fast sicher, dass ich mit dieser Ansichtskarte,<br />
angesichts des zögerlichen Frühlings bei<br />
uns, gleich von südlicher Wärme und zartem<br />
Oleanderduft träumen werde. Und irgendwann<br />
im Verlaufe meines Traumes kann ich mir auch<br />
vorstellen einzutauchen,…einzutauchen in ein<br />
wundervoll klares aquamarinfarben schillerndes<br />
Wasser. Und hierbei werde ich, das weiß ich,<br />
ganz besonders glücklich sein und anfangen zu<br />
schweben…, schweben so wie damals in dem<br />
herrlichen Wasser des Gardasees.<br />
Und später, wenn ich wieder aufwache aus<br />
meinen Träumen, bin ich die nächsten Tage ganz<br />
gespannt, wie es unserem schüchternen Herrn<br />
Lenz wohl so geht, wird er dann vielleicht schon<br />
etwas mutiger geworden sein und zumindest<br />
darüber nachdenken, wie er den trägen Winter<br />
aus seinem bequemen Lehnstuhl am Besten<br />
herausgraulen könnte?…Da gab es doch einige<br />
ganz gute Methoden, lieber Herr Lenz, lassen<br />
Sie sich doch bitte schön mal etwas einfallen,…<br />
woanders geht es doch auch!<br />
Marcella Maria Zulla, Weiden/Opf.<br />
Der Fremde<br />
auf dem hölzernenSteg<br />
Leonardo stand am Ende eines weit ins Meer<br />
hinausragenden, hölzernen Stegs und drückte seine<br />
Zigarette aus. Das Gesicht schien angespannt,<br />
der Blick konzentriert auf etwas in der weiten<br />
Leere des Raums zwischen Ozean und Himmel<br />
gerichtet. Leonardo war ein äußerst attraktiver<br />
Mann Mitte zwanzig und wäre da nicht diese<br />
fordernde Starre in seinen Augen, fielen ihm<br />
die Frauen sicherlich noch um ein Vielfaches<br />
mehr zu Füßen, als sie dies ohnehin schon taten.<br />
Doch das war ihm nicht wichtig, denn er suchte<br />
nach etwas anderem. Seine scharf geschnittenen<br />
Gesichtszüge verliehen ihm zusätzliche Strenge.<br />
Leonardo steckte sich eine weitere Zigarette an<br />
und wippte in einem Anflug von Nervosität auf<br />
seinen Fersen vor und zurück. Er wartete bereits<br />
lange. Zu lange.<br />
Señor Guillermo Rodriguez warf einen unruhigen<br />
Blick auf die schmutzige, an der Wand hängende<br />
Uhr, die einst in weiß geglänzt haben muss. Das<br />
Ziffernblatt löste sich bereits zwischen der zehn<br />
und der zwölf ab und der Minutenzeiger, der<br />
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PROSA<br />
genau an dieser Stelle stecken geblieben war,<br />
zuckte nur noch verzweifelt. Und obwohl die Uhr<br />
schon vor langer Zeit zum Stillstand gekommen<br />
war, blickte Señor Rodriguez immer zuerst an<br />
jene vertraute Stelle über der Eingangstür, bevor<br />
er seine fast ebenso alte Armbanduhr konsultierte.<br />
Noch wenige Minuten, dann würde er seine<br />
Schicht beenden. Ziellos ging er umher und fragte<br />
sich, wie viel Aufregung man in seinem Alter<br />
wohl noch ertragen konnte. Rodriguez war ein<br />
stämmiger, kleiner Mann, der viel älter aussah,<br />
als er eigentlich war. Er arbeitete in einem kleinen<br />
Supermarkt und war in Wahrheit ganz allein. Nur<br />
das Foto seiner Frau und seiner Kinder, das auf<br />
der Theke stand, spendete ihm Hoffnung und<br />
vertraute Nähe. Monatlich schickte er nahezu sein<br />
gesamtes Gehalt an seine Familie in der Ferne.<br />
Señor Rodriguez hatte vor fast zwanzig Jahren<br />
alles zurückgelassen, das ihm etwas bedeutete,<br />
um in den Vereinigten Staaten Geld zu verdienen.<br />
Leonardo warf einen Blick auf seine Armbanduhr<br />
und stellte fest, dass es so weit war. Angespannt<br />
versuchte er, seinen Körper in einem solchen Maß<br />
zu beherrschen, das ihm erlaubte, niemanden<br />
in seine Gefühlswelt hineinsehen zu lassen.<br />
Noch nicht einmal diesen einen Mann, dem es<br />
naturgemäß vielleicht sogar zustünde. Aber er<br />
konnte nicht anders, als sich zu verschließen. Wo<br />
war er all die Jahre gewesen, in denen er ihn so<br />
sehr vermisst hatte? Sein Gesicht erhärtete sich<br />
zu einer Maske, während er den Strand mit den<br />
Augen nach ihm absuchte.<br />
Señor Rodriguez ging im Schnellschritt in Richtung<br />
Strand, nachdem er den Laden abgeschlossen<br />
hatte. Schweißperlen standen an seiner Stirn,<br />
obwohl er sich nach Feierabend sogar noch<br />
dazu entschlossen hatte, zu duschen. Doch nun<br />
schwitzte er schon wieder. In seinem Körper<br />
tobten Gefühle, die man verspürt, wenn man frisch<br />
verliebt ist. Doch zum anderen machte sich auch<br />
ein sehr bedrückendes in ihm breit, das wie Gift<br />
in den Venen durch seinen Körper transportiert<br />
wurde und seine Freude trübte. Er hatte es schon<br />
öfter gespürt, doch nie zuvor so deutlich wie<br />
jetzt. Mit jedem Schritt lähmte es ihn ein wenig<br />
mehr, sodass er, fast am Ziel, sogar überlegte,<br />
umzukehren. Der Wind löschte erbarmungslos<br />
Rodriguez Schritte im Sand - geradeso, als hätte<br />
er sich nie auf dem Weg gemacht.<br />
Was sollte er sagen? Würde er ihn überhaupt<br />
noch erkennen? Unwillkürlich begann er zu<br />
laufen, als könne alles, wofür er zwanzig Jahre<br />
lang gearbeitet hatte, jeden Augenblick wie ein<br />
Kartenhaus in sich zusammenfallen. Fast war es<br />
geschafft.<br />
Während Leonardo die Bretter des langen<br />
Stegs zählte, fiel ihm plötzlich ein rundlicher<br />
Mann an dessen Ende auf. War er das? War er<br />
das wirklich? Unwillkürlich griff er nach seiner<br />
Zigarettenschachtel, doch sie war leer. Seine Hand<br />
begann zu zittern, aber seine Miene war nach<br />
wie vor eisig. Sah man ganz genau hin, konnte<br />
man sogar erahnen, dass sie sich beim Anblick<br />
jenen Mannes sogar in eine noch abweisendere<br />
Maske mit einem Hauch von Hass verwandelte,<br />
geradeso, als wäre sie in Stein gemeißelt und<br />
hätte niemals anders ausgesehen.<br />
Um die Tatsache zu kompensieren, dass er keine<br />
Zigaretten mehr hatte, knirschte er mit den<br />
Zähnen und musterte den Mann ihm gegenüber<br />
ohne den Blick abzuwenden. Sollte er etwas<br />
sagen oder besser abwarten, ob er etwas zu sagen<br />
hatte? Er war viel kleiner, als er es sich vorgestellt<br />
hatte. Stünde er neben ihm, so wäre er sicher<br />
einen ganzen Kopf kleiner als Leonardo. Der<br />
dickliche Mann stand noch immer am anderen<br />
Ende des Stegs und blickte unverwandt in seine<br />
Richtung. ‚Warum kommt er nicht?‘, fragte er<br />
sich ärgerlich. Womöglich wartete er darauf, dass<br />
Leonardo den ersten Schritt in seine Richtung tat.<br />
Doch er entschloss sich, stehen zu bleiben.<br />
Señor Rodriguez befand sich noch immer am<br />
anderen Ende des Stegs und wusste nicht, was er<br />
tun sollte. Die anfängliche und überschwängliche<br />
Freude war nun endgültig versiegt. Er war wie<br />
gelähmt, so als hätten sich seine Füße zu Blei<br />
verwandelt. Unfähig zu vollenden, was er sich<br />
schon so lange vorgenommen hatte, stand er da und<br />
blickte hinüber zu dem jungen Mann am Horizont.<br />
Er konnte dessen Gesicht kaum erkennen, dennoch<br />
sah er sehr gut aus. Sein Körper war trainiert und er<br />
trug gute Kleidung, vermutlich Markenkleidung.<br />
Ein kurzes, zufriedenes Lächeln huschte über<br />
Rodriguez Gesicht. Dieser Junge hatte wahrscheinlich<br />
schon die Universität abgeschlossen, sprach<br />
mindestens zwei Sprachen und war vielleicht sogar<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 15
PROSA<br />
verheiratet. Rodriguez fragte sich, ob er womöglich<br />
bereits Großvater geworden war. Doch plötzlich<br />
überfiel ihn ein beklemmendes Gefühl: War<br />
dieser junge Mann überhaupt der, für den er ihn<br />
hielt? Er atmete einmal tief ein, dann tat er den<br />
ersten Schritt.<br />
Jetzt kam er direkt auf ihn zu. Vor Schreck<br />
klammerte er sich mit einer Hand an dem<br />
hölzernen Gelände des Stegs fest und trieb sich<br />
einen Spieß unter den Fingernagel, doch er<br />
bemerkte es kaum. Der Gedanke, sich schnell die<br />
Schuhe von den Füßen zu treten und ins Meer<br />
zu springen, zog einmal vor seinem inneren Auge<br />
vorüber. Entsetzt bemerkte Leonardo, wie er im<br />
Begriff war, die Kontrolle über seine Gefühle zu<br />
verlieren. ‚Reiß dich zusammen‘, sagte er sich.<br />
Der rundliche kleine Mann kam etwa vier Meter<br />
vor ihm zum Stillstand und blickte ihn eine ganze<br />
Weile unverwandt an, ohne etwas zu sagen,<br />
ohne auch nur zu blinzeln. Leonardo fühlte<br />
sich bedrängt, fast so, als würde der Mann ihm<br />
gegenüber versuchen, ihm etwas wegzunehmen.<br />
Unruhig huschten seine Augen über die Skyline<br />
der Stadt und er wünschte tief in seinem Herzen,<br />
er könnte irgendein ehrliches Gefühl zulassen -<br />
doch es gelang ihm nicht. Er kannte den Mann,<br />
der da vor ihm stand, gar nicht.<br />
Rodriguez brauchte nicht mehr zu fragen, ob<br />
der junge Mann ihm gegenüber der war, auf den<br />
er gewartet hatte. Die kleine Narbe an seiner<br />
Augenbraue, die er sich beim Spielen als kleines<br />
Kind zugezogen hatte, bestätigte seine Identität.<br />
Er wünschte, er könnte etwas sagen, doch er war<br />
zu überwältigt, die richtigen Worte zu finden.<br />
Zu überwältigt, ohne zu wissen, ob aufgrund des<br />
lang ersehnten Wiedersehens oder weil er wider<br />
Erwarten einem Fremden begegnet war.<br />
Michael Hesseler, Bremen<br />
Im Spinnennetz<br />
Illusionen haben sie nach Jamaika getrieben. Die<br />
hartherzige und herzlose Mutter hat ihrem Sohn<br />
Jürgen endlich eine Frau zugesprochen. Cousin<br />
Bert nennt ihn wegen seines ausgemergelten<br />
Aussehens oft nur ‚Mahatma Gandhi’; denn<br />
eine Rachitis hat Jürgen abmagern lassen,<br />
das jahrelange Schlafen auf nacktem Dachboden<br />
in kalt durch gehangenem Bett hat zu einem<br />
Rundrücken geführt. Seit seiner ersten Ehe, die<br />
an der Liaison von Mahatmas Frau mit einem<br />
heißblütigen Italiener zerbrochen ist, steht Jürgen<br />
wieder auf Freiersfüßen. Es muss daher wohl<br />
eine Frau aus der Karibik sein, um den tristen<br />
Alltag mit seiner alten Mutter nach 20 Jahren<br />
endlich bunt schillernd durchbrechen zu können.<br />
Ohne konkrete Anhaltspunkte dafür haben<br />
sich Vater Hugo und Sohn Bert die kommende<br />
Entwicklung mit der ihnen beiden eigenen<br />
blühenden Phantasie schon voraus gesponnen<br />
und herzlich über eine mögliche Hochzeit in<br />
exotischer Ferne gelacht. Wirklichkeitsnah haben<br />
sie sich als Ehrengäste und Berichterstatter in<br />
eine großartige Phantasiereise hineinfabuliert.<br />
Als dann die Einladung zur Hochzeit wie in<br />
einer „self-fulfilling-prophecy“ wirklich kommt,<br />
schlägt eine Bombe in ihren Alltag ein. Dort, wo<br />
ohnehin außer Zank, Geldnot und Schuldenlast<br />
nicht viel los ist und ihre wenigen Freunde schon<br />
offen zu verlässlichen Feinden mutiert sind, setzt<br />
der Brief Chancen wie Lawinen frei. Sie sind<br />
also hier, fast so frei wie in der aristokratischen<br />
TSommerfrische des 19. Jahrhunderts, frei<br />
wie in den bürgerlichen Erholungsurlauben<br />
der Zwischenkriegszeit. Oder ist es nicht eher<br />
ein Noturlaub, als ob feindliche Innenseiter<br />
jüdische Städter von der echten Sommerfrische<br />
ausgeschlossen und zu Außenseitern gestempelt<br />
hätten?<br />
Sie sind also angekommen, haben sich den Bauch<br />
gefüllt mit Suppen, mariniertem Fleisch aus<br />
Huhn und Schwein, gegrillt über Pimentzweigen,<br />
würzigem Ziegenfleisch aus den typischen<br />
Töpfen, Patties mit Gemüse, viel John Cake,<br />
Mangos und Papayas, sowie anstatt Rum wie<br />
manche Einheimischen Red Stripe Bier und sogar<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 16
PROSA<br />
etwas kalifornischen Rotwein. Das weibliche<br />
Geschlecht und einige Männer haben ihren<br />
Durst mit Kokosmilch, Limonade oder einem<br />
undefinierbaren, nach Brühe schmeckenden Tee<br />
zu sich genommen. Kaffee natürlich für alle<br />
außer den Kleinkindern.<br />
Als Vater und Sohn den Flieger bestiegen<br />
haben, sind sie sich wie Auswanderer, Goldsucher,<br />
Eroberer oder der Kaiser von Kalifornien<br />
vorgekommen. Jetzt, wo sie das Ziel erreicht<br />
haben, ohne wirklich angekommen zu sein,<br />
müssen sie desillusioniert erkennen, dass ja<br />
alles schon bis zur Unkenntlichkeit entdeckt<br />
ist. Land und Leute sind entblößt bis auf nackte<br />
Sorgen, Leid und Armut. Dahinein hat also<br />
Mahatma heiraten müssen, ausgerechnet, und<br />
sie hat er hereinziehen müssen in diesen Sumpf.<br />
Jetzt muss nach anfänglichem Schock wie so<br />
oft die symbolische Suche nach dem Meer<br />
herhalten, um die Wahrnehmungsverzerrung<br />
wider wegzuwaschen und den Blick wieder frei<br />
zu bekommen für höhere Pläne. Ein spontaner<br />
Sprung ins kühle Nass reicht dafür wohl für<br />
blauäugige Menschen, wie sie es sind, aus. Für<br />
sie würden wohl Feinde immer Karikaturen<br />
bleiben, vor denen man nie fliehen muss. Sie<br />
haben es also wieder einmal geschafft, nicht am<br />
vermeintlichen Wohlstand anderer, Reichtum<br />
nennen sie es schon lange nicht mehr, aktiv<br />
teilzuhaben. Ihre „material world“ ist zerstoben<br />
zu bloßer Symbolik, meditativer Betrachtung<br />
und einer rückwärtsgewandten Phantasiereise.<br />
Hier können sich Schweine noch nicht einmal<br />
ihren eige-nen Metzger suchen. Keine Eiche ist<br />
in Sicht, die ihre Souveränität dadurch beweist,<br />
dass es sie nicht stört, wenn sich Schweine an ihr<br />
reiben.<br />
Sie befinden sich fast in der Mitte eines<br />
Spinnennetzes. Von da stoßen die Augen von Vater<br />
und Sohn auf nichts als Zuckerrohrplantagen.<br />
Dieses äußere Labyrinth begrenzt zunächst<br />
schicksalhaft ihren inneren Horizont, so dass<br />
sie das Ziel in Form eines fernen Sandstrandes<br />
an einem offen brausenden Meer nur durch<br />
erzwungene Umwege, Schleifen, Irrungen und<br />
Wirrungen hindurch erkennen können. Es bleibt<br />
nur die Erahnung des Ausgangs nach vielen<br />
Wendepunkten. Es hat lange gedauert, bis sich<br />
Vater und Sohn einig geworden sind, endlich aus<br />
dem wogenden Meer zukünftigen Rums frech<br />
zum wahren Meer zu starten und gemeinsam zu<br />
fremden Welten aufzubrechen. Kompass ist mehr<br />
der Wahn als der Plan, geboren in einer Art Hazienda<br />
vergangener Kolonialzeit, heruntergekommen<br />
zu einem losen Zusammenhalt windschiefer<br />
Verschläge. Innerlich antizipieren beide bewusst<br />
die Kreuzungen wie Richtungsentscheidungen,<br />
ignorieren dabei unbeirrt und unverzagt mögliche<br />
Rückschläge. Erfahrungsbedingt tragen dabei<br />
beide wohl ganz verschiedene mentale Modelle<br />
im Kopf mit sich herum. Der eine marschiert wie<br />
auf fremden Befehl voran gegen einen anonymen<br />
Feind, fast sinnentleert. Der andere denkt zurück<br />
an die gnadenlos-naive Begehung des Londoner<br />
Großstadtgebietes mit Freunden, wobei sie sich<br />
buchhalterisch an einem Jugendherbergsführer<br />
orientiert haben. Seltsamer Weise ist in diesen<br />
harten und dunklen Zeiten die Kommunikation<br />
zwischen dem Alten und Jungen mehr als eine nur<br />
lose paradoxe Verbindung ohne Verständigung.<br />
Diese beide stammen nicht nur von einem Baum<br />
ab, sondern können auch nach dem Zerschneiden,<br />
Transport und Verarbeitung zu unterschiedlichen<br />
Holzprodukten noch miteinander ohne Maske<br />
sprechen. Obwohl der Alte für den Jungen nicht<br />
nur eine kopierbare Blaupause ist, variieren beide<br />
Persönlichkeiten doch in ihren individuellen<br />
Eigenschaften wenig.<br />
Um unzählige Ecken müssen die beiden biegen,<br />
doch haben sie alle Zeit dieser Welt. Irgendwann<br />
treffen sie an einem Kreuzungspunkt auf einen<br />
ärmlich gekleideten Mann. Vor ihm tobt ungestüm<br />
und laut schreiend ein Kind her, einen Drachen<br />
über sich ziehend wie einen Speer im Wind. Beide,<br />
vielleicht auch Vater und Sohn, sind barfuß. Ihnen<br />
ist es gleichgültig, durch das Wassergerinsel<br />
am Rande des schlammigen Sandwegs tappen<br />
zu müssen. Dieser Vater kann sich wirklich<br />
nicht um sein Kind kümmern. Die sorgenvoll<br />
zusammengezogenen Brauen, die gerunzelte<br />
umwölkte Stirn und der gebeugte Rücken, sein<br />
inneres Kreuz hoffnungslos schleppend, sprechen<br />
Bände. Die beiden aus der anderen Kultur, mit<br />
einem anderen Kreuz, greifen weit aus mit ihren<br />
Schritten und überholen daher sprachlos die<br />
beiden Einheimischen. Beide enthalten sich tief<br />
greifender Kommentare zur Lebenslage, Small<br />
Talk oder echter zweckfreier Begegnungssuche,<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 17
PROSA<br />
die ein einmaliges, zeitloses Ereignis wäre. Hier<br />
tauschen sich keine Existenzen in verdichteter<br />
Verbindung aus. Sie denken sich nicht gemeinsam<br />
zurück, heute neu und mutig vorwärts. Es können<br />
keine gemeinsamen Themen entstehen, die als<br />
lebendige Narreteien den Sinn als Sklaven oder<br />
Herren der Welt gebären. Sie brauchen ihre Zeit<br />
nicht künstlich durch Dynamik zu verlängern und<br />
auszudehnen bis in die Unendlichkeit der Welt.<br />
Ihre individuelle Zeit endet wohl voraussehbar<br />
nach bekannten Vorgaben. Hier ist nichts<br />
Gemeinsames vorbei, so dass ein Mitspieler<br />
herzhaft darüber lachen könnte. Die einen sind<br />
mit Spiel und Leid, die anderen mit der Weite<br />
irgendwo dahinten beschäftigt, vielleicht mit der<br />
Möglichkeit, durch eine messbare Reduktion von<br />
Unglück ein wenig glücklicher zu werden. Nord<br />
und Süd sind durch unterschiedlich einengende<br />
Perspektiven so abgelenkt, dass sie sich auch<br />
nicht als Feinde begegnen.<br />
Wiederum nach unendlich vielen Ecken, endlos<br />
vielen Quadraten und Rechtecken sowie unzähligen<br />
monoton sich entlang schlängelnden Sandwegen<br />
bleiben Vater und Sohn fast erstarrt stehen; denn<br />
das Meer taucht plötzlich in Form von hohen<br />
Wellen, blendend-reflektierender Sonne und<br />
einem massiven Blau-Grün vor dem Himmelblau<br />
am Horizont auf. Erst als sich alles in den beiden<br />
löst, laufen sie wie Kinder hin, ziehen sich bis auf<br />
die Badehose aus und stürzen sich jauchzend in<br />
die Wogen. Noch Gerettete. Sie schwimmen ein<br />
paar Meter, bleiben im kühlenden Nass stehen,<br />
tauchen ein wenig, legen sich zur Entspannung<br />
auf den Rücken, sehen ins Nichts zur oder in<br />
die Mitte des Seins. Weit da oben ist wohl der<br />
Mittelpunkt von allem.<br />
Viel an nicht messbarer Zeit hat wohl vergehen<br />
müssen, bis sie sich langsam von diesem<br />
menschlichen Urzustand befreien und ihre Körper<br />
durch die Schwere des Wassers zum Ufer drücken<br />
können. Die letzte Welle hebt sie sanft und leicht<br />
aufs Ufer. Glücklich erschöpft werfen sie sich auf<br />
den weißen leeren Sand. Lange bleiben sie mit<br />
geschlossenen Augen auf dem Rücken liegen.<br />
Vater und Sohn, Freunde, einig wie selten. Dann<br />
richten sie sich stumm auf und blicken - auf ihre<br />
Ellbogen gestützt - umher. Schnecken, Muscheln,<br />
Krebse. Alles, was klein ist und herumkriechen<br />
kann, kommt aus dem Meer, hat schon zeitlich<br />
befristete Spuren hinterlassen. Warum nicht auch<br />
von Menschen, und seien es von so genannten<br />
zivilisierten mit Platt-Spreizfüßen! So haben<br />
sich die ersten Menschen irgendwann in grauer<br />
Vorzeit irgendein Eiland angeeignet. Sie haben<br />
die Hand in den Sand, ins Meer gesteckt und laut<br />
zu sich selbst gerufen: “Das ist mein, hier bleibe<br />
ich.“ Alle haben sich in der Horde laut zugerufen:<br />
„Hier wollen wir bleiben und uns wohlfühlen.“<br />
Vater und Sohn vergessen ohne Anstrengung<br />
die Hochzeitsgäste, die irgendwo in ihren<br />
Hängematten oder Bettgestellen dösen,<br />
kaputt von der feucht-tückischen Hitze und<br />
vom übermäßigen Fressen und Saufen. Jene<br />
Gewohnheitstiere stehen für die unbehagliche<br />
Aussicht, sich wieder auf den altbekannten<br />
faden Zivilisationsalltag einlassen zu müssen.<br />
Vater und Sohn wollen dagegen spüren, wie<br />
man sich aufrichtet zum aufrechten Gang und<br />
das Gefühl erleben, ein Mensch zu sein, der sich<br />
nicht mehr verbiegen lässt. Davon haben die<br />
beiden, Vater und Sohn in feindlicher Umgebung<br />
immer geträumt. Die ewige Sommerfrische-<br />
Umgebung symbolisiert diesen selbst versunkenen<br />
menschlichen Urzustand.<br />
Doch irgendwann später findet ein Bauer in dieser<br />
Einöde, weit weg von den Millionärspalästen<br />
bekannter Filme, zwei Leichen: Fast skelettiert, mit<br />
von Möwen herausgepickten Augen, angefressen<br />
von anderen Tieren. Fürwahr Vater und Sohn haben<br />
die Grenzen ohne Holzweg überschritten und im<br />
äußeren Labyrinth die normal-einfachen Gäste auf<br />
Erden mit ihrem Überleben zurückgelassen. Keine<br />
ewige Sommerfrische, die Feinde des Zufalls<br />
haben sie gefunden und zugeschlagen.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 18
PROSA<br />
Rudolf G. Bachmann-Voelkel,<br />
Hildesheim<br />
Sein letzter Tag<br />
Ich kam auf die Dienststelle. Frank war schon<br />
dort. Wir waren an diesem Freitag allein. Die<br />
anderen hatten entweder dienstfrei oder Urlaub.<br />
„Hallo! Guten Morgen Frank.“<br />
„Guten Morgen Günter.“<br />
“Heute ist ja dein letzter Tag in Ladenburg und<br />
am Montag dein erster in Käfertal.“<br />
„Ja.“<br />
Er machte nicht gerade einen glücklichen<br />
Eindruck, aber was sollte er machen? Er ging<br />
auf die Fachschule der Polizei. Sein Ziel: Die<br />
Fachhochschulreife. Dann: Studium in Villingen-<br />
Schwenningen. Man hatte ihn, kurzfristig, ohne<br />
ihn zu fragen, zur Kriminalpolizei, Außenstelle<br />
Käfertal versetzt. An seiner Stelle sollte ein<br />
anderer zu uns kommen. Wer, wusste ich noch<br />
nicht.<br />
„Soll ich dir helfen deine Sachen zu packen?“<br />
„Das wäre nett, aber zuerst trinken wir einen<br />
Kaffee.“<br />
Frank ging in den Sozialraum und stellte einen<br />
Kaffee auf. Es ist schade, dass er gehen muss,<br />
dachte ich. Er war ein Kollege, mit dem ich gerne<br />
zusammenarbeitete. Einer mit Eigenarten. Wer<br />
hat die nicht? Ich betrachtete die Fotografien<br />
an der Wand, alt Ladenburg, die sein Opa nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg aufgenommen hatte. Auf<br />
seinem Schreibtisch dieselbe Unordnung wie<br />
immer. Daran hatte ich mich schon gewöhnt. Wir<br />
waren meist zusammen unterwegs. Das verband.<br />
„So, der Kaffee ist fertig.“<br />
Wir setzten uns zusammen und unterhielten uns<br />
über die gemeinsamen Jahre. Acht Jahre wären<br />
es bald geworden, stellten wir fest. Nach dem<br />
Erzählen, Erinnern und über die Zukunft reden,<br />
machten wir uns an die Arbeit. Mein Telefon<br />
läutete.<br />
„Meyer, Wache. Wir haben einen Raubüberfall<br />
auf die Volksbank in Seckenheim. Der Täter soll<br />
noch im Objekt sein.“<br />
„Wir beeilen uns“, sagte ich.<br />
„Frank, schnell, umschnallen. Raubüberfall auf<br />
die Volksbank Seckenheim. Der Täter soll noch<br />
in der Bank sein.“<br />
Das ist ja ein toller Abschluss für Frank, waren<br />
meine Gedanken. Wir fuhren los. Nach fünf<br />
Minuten trafen wir ein. Zwei Fahrzeuge des<br />
Polizeireviers Ladenburg waren schon vor Ort.<br />
„Achtung, der Täter ist noch im Objekt,“ sagte<br />
ein Uniformierter.<br />
„Es gibt einen weiteren Zugang vom Parkplatz.<br />
Steht schon jemand dort?“<br />
„Nein, wir sind auch gerade eingetroffen.<br />
Frank, du bleibst hier. Ich gehe nach hinten, auf<br />
den Parkplatz und sichere dort ab.“<br />
„Ja.“<br />
Ich ging über die Freiburger Straße und von<br />
dort nach links, auf den Parkplatz der Bank.<br />
Ich blieb hinter einem Mauervorsprung stehen.<br />
Dort konnte ich direkt auf die rückwärtige Tür<br />
sehen ohne selbst gesehen zu werden, und ohne<br />
unmittelbar gefährdet zu sein. Es tat sich nichts.<br />
Gott sei Dank, dass sich keine Leute auf dem<br />
Parkplatz befanden. Plötzlich ging die Tür auf.<br />
Ein Mann wurde hindurch geschoben, die Hände<br />
über dem Kopf verschränkt. Sein Gesicht zeigte<br />
zum Boden. Hinter ihm der Bankräuber. Er hielt<br />
einen Revolver an den Kopf des Mannes. Ich<br />
wurde nervös. Beide liefen in meine Richtung.<br />
Als sie noch etwa zehn Schritte von mir entfernt<br />
waren, erkannte ich die Geisel. Es war Frank.<br />
Wie war das passiert? Warum war er in die Bank<br />
gegangen? Wir mussten doch draußen warten,<br />
bis der Notruf eintraf. Mechanisch trat ich aus<br />
meiner Deckung hervor. Beide sahen mich.<br />
Ich rief: „Mach keinen Scheiß! Die Bank ist<br />
umstellt! Mensch, sei vernünftig! Noch ist nichts<br />
Schlimmeres passiert!“<br />
Er hob seine Waffe. Ich bleib regungslos stehen.<br />
Versteinert. Er schoss. Ein Schlag in meinen<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 19
PROSA<br />
Oberkörper. Ich sackte in mich zusammen.<br />
Abgehakt …<br />
Das Kalenderblatt sagt mir, unnachgiebig,<br />
dass schon wieder ein Tag angebrochen ist,<br />
seinen Lauf nehmend,<br />
der zu Ende gehen wird,<br />
mit mir, oder ohne mich.<br />
Ich hake ihn,<br />
oder er hakt mich ab.<br />
Das hört sich hart an, für die Ängstlichen,<br />
für die sinnlos in den Tag lebenden.<br />
Doch ich träume, fühle, lache, weine.<br />
Lebe.<br />
Tag für Tag.<br />
Viele Bilder rasten an meinen Augen vorbei.<br />
Mir schien, als würde ich schweben, über<br />
meinem Körper, der auf dem Parkplatz lag. Um<br />
mich Sanitäter und ein Arzt, Spritzen und ein<br />
Beatmungsgerät. Frank stand fassungslos in der<br />
Nähe. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen,<br />
während er dem davonfahrenden Notarztwagen<br />
nachschaute.<br />
Rainer Vollath<br />
Das Begehren<br />
Thomas Manns Liebe zu Klaus Heuser<br />
auf Sylt im Jahre 1927<br />
Da endlich kam er daher schwebenden Fußes<br />
wie Hermes, der Götterbote, in weißen Schuhen<br />
aus Segeltuch auf dem weichen Sand von<br />
Kampens Strand in einem weiß-blau gestreiften<br />
Matrosenanzug mit breitem Kragen, halblangen<br />
Ärmeln und weiten Hosenbeinen.<br />
Gerade da, als sich Alkmene und Jupiter, vom Blitz<br />
der Liebe getroffen, erstmals gegenüberstanden,<br />
unterbrach er die Lektüre des Amphitryon, nahm<br />
die Brille ab, blickte neugierig auf und freute<br />
sich, als er des schönen Jünglings mit der blonden<br />
Tolle und den lieblichen Lippen, der elegant<br />
ziselierten Nase und dem elfenbeinernen Hals,<br />
einer griechischen Statue gleich, gewahr wurde.<br />
Er begrüßte ihn freundlich, reichte ihm die Hand<br />
mit halbfestem Druck, spürte als Erwiderung auf<br />
seiner alternden Haut eine feuchte Wärme, die<br />
von Sylts Seeluft am salzigen Strand kommen<br />
mochte, und tauschte mit ihm die üblichen<br />
Floskeln, wie das werte Befinden so sei und ob<br />
er gut geruht habe, wie es Frau Mama und Herrn<br />
Papa gehe und wann auch sie, Mira und Werner<br />
Heuser, Haus Kliffende verließen, um endlich<br />
unter ihnen zu weilen.<br />
Heimlich beobachtete er den Jüngling weiter,<br />
halb Kind noch und doch schon halb Mann, wie<br />
er sich seiner Kleidung entledigte und mit einem<br />
Male im eng anliegenden Maillot vor ihm stand,<br />
der die prächtige Form seines Gemächtes und<br />
Gesäßes auf erfreuliche Weise preisgab.<br />
Der Jüngling begab sich zum Wasser, trat erst<br />
langsamen Schrittes watend hinein, ehe er<br />
sich, einem Heros gleich, entschlossen in die<br />
wogenden Wellen stürzte, mit seinem Körper<br />
verschwand, bald darauf mit dem Haupte allein<br />
wieder auftauchte und es brüsk zur Seite drehte,<br />
um das Wasser als spritzende Gischt von sich<br />
zu schütteln. Mit kräftigen Zügen schwamm<br />
er hinaus auf die offene See, in das blitzende<br />
Schillern des tosenden Meeres, machte dann<br />
kehrt und schwamm an den sonnigen Strand<br />
zurück, um als Aphrodite Anadyomene den<br />
schäumenden Kronen des Ozeans zu entsteigen,<br />
dabei das salzige Nass von seinem schönen<br />
Körper tropfen lassend.<br />
Er konnte seinen Blick nicht von ihm lassen,<br />
von diesem Adonis, der noch die zarten Arme<br />
und Beine eines Knaben in der Adoleszenz<br />
hatte, die weiterhin unvollendeten Proportionen<br />
eines Jünglings in der Pubertät, doch dessen<br />
Brust schon die vollendete Muskulatur und die<br />
männliche Behaarung eines jungen Erwachsenen<br />
trug, begleitet von einer Stimme, die noch<br />
schwankte zwischen Mann und Kind.<br />
Erneut widmete er sich der Lektüre des Amphitryon,<br />
Alkmene und Jupiter waren sich näher gekommen,<br />
hatten Gefallen aneinander gefunden und ihre<br />
Sympathien bekundet, wohl wissend, dass von<br />
einer tiefen Sehnsucht sie getrieben waren,<br />
die eingelöst zu werden sie unendlich und<br />
unaufhaltsam reizte.<br />
Doch da kam Katia, sein Mielein, die er seit mehr<br />
als 20 Jahren seine Gattin hieß, mit der er in nicht<br />
einmal 14 Jahren sechs Kinder gezeugt hatte,<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 20
PROSA<br />
drei Jungen und drei Mädchen, von denen er drei<br />
liebte und drei nicht. Katia, deren Pielein er war,<br />
die er nicht mehr erkannte, wie es in der Bibel<br />
hieß, die ihm keine Lust mehr einflößte und neben<br />
der zu liegen ihm keine Freude mehr bereitete,<br />
vielleicht sogar nie bereitet hatte. Sie setzte sich<br />
zu ihm in den Strandkorb und wechselte mit dem<br />
Jüngling die üblichen Floskeln, so wie er selbst<br />
es wenige Minuten zuvor getan hatte, sie wollte<br />
wissen, wie er sich fühle und ob er gut geschlafen<br />
habe, wie es den werten Eltern gehe und wann sie<br />
ihnen endlich Gesellschaft leisteten.<br />
Der Narziss breitete sein blutrotes Badetuch im<br />
Sande aus, ließ sich darauf nieder und blickte mit<br />
seinen göttlichen blauen Augen zu ihm empor.<br />
Wie gerne hätte er jetzt mit ihm getauscht, wäre<br />
er es gewesen, der ihm zu Füßen saß, zu ihm<br />
aufblickte und ihn anbetete wie einen Gott.<br />
Er würde ihm das Du anbieten, würde ihm<br />
mit einem allzu frühen, unüblichen und<br />
unberechtigten Du beschenken, das alle erstaunen<br />
würde, Katia, des Jünglings Eltern und seine<br />
eigenen sechs Kinder. Er würde ihn im Herbst in<br />
die Poschi nach München einladen, wenn er, der<br />
große Schriftsteller, in den Kammerspielen einen<br />
Vortrag über Amphitryon hielt, und dann würde<br />
der Jüngling hören, was er über ihn dachte, was<br />
er für ihn empfand und was er ihm anvertrauen<br />
wollte.<br />
War er nicht einsam wie Jupiter, von allen<br />
verlassen und von niemandem geliebt? War er<br />
nicht Jupiter, der nur lieben konnte, wenn er<br />
eine andere Gestalt annahm? Der sich in seinen<br />
Romanen, Novellen und Erzählungen hinter<br />
seinen Figuren versteckte, um durch sie die<br />
schönen und jungen Männer zu lieben? So wie<br />
bei Kleist der Gott in die Rolle von Alkmenes<br />
Gatten Amphitryon schlüpfte, um sie zu lieben?<br />
War er nicht Jupiter, der sich in seinem Werk, wie<br />
dieser höchste Gott, eine eigene Welt schuf?<br />
Wieder versuchte er sich abzulenken, seine<br />
Lektüre fortzusetzen, in Alkmenes und Jupiters<br />
Welt einzutauchen und las, wie sie die Nacht<br />
verbracht, einander hingegeben und sich vereint<br />
hatten.<br />
Der Jüngling lag jetzt ausgestreckt auf dem<br />
Badetuch, den zart gemeißelten Arm in den Sand<br />
gestützt, das Kinn in der hohlen Hand und mit<br />
offenen Augen vor sich hin träumend.<br />
Er konnte seinen Blick nicht von ihm lassen, stellte<br />
sich vor, wie seine Lippen den göttlichen Körper<br />
dieses Eros vom Kopf bis zum Fuß mit Küssen<br />
bedeckten und seine Hände ihn liebkosten.<br />
Plötzlich spürte er eine Erregung, legte schützend<br />
seine Hand darauf, um seiner verräterischen<br />
Gedanken und Gefühle wegen nicht überführt zu<br />
werden, und erlebte diesen Augenblick mit einer<br />
nie gekannten, mystisch-göttlichen Intensität. Er<br />
konnte seine Erregung nicht mehr zurückhalten,<br />
verlor die Beherrschung über sich und seinen<br />
Leib, ein hoch erfreutes, hoch erregtes und hoch<br />
heiliges „Ach“ entwich ihm, und noch ein „Ach“,<br />
ein dreifaches „Ach“.<br />
„Ich liebe dich“, fügte er dann mehr gesprochen<br />
als gedacht voller Leidenschaft hinzu.<br />
„Pielein! Pielein!“, hörte er Katia mit scharfer<br />
Stimme plötzlich neben sich, ihren Ellenbogen<br />
fest in seine Rippen stoßend und ihn so jäh seiner<br />
Träumerei entreißend, ihn zurückholend an den<br />
feinen Sandstrand von Kampen, unweit von Haus<br />
Kliffende, in dem er mit ihr logierte.<br />
Der Jüngling lag noch immer ausgestreckt vor<br />
ihm auf den Arm gestützt, das Kinn in der Hand<br />
und mit offenen Augen träumend, er, Adonis und<br />
Aphrodite Anadyomene, Hermes und Narziss.<br />
Oleg Suturin, St. Petersburg<br />
Sie wusste es. Eine Filmerzählung<br />
Heute nacht träumte mir wieder dieser Alp.<br />
Dabei sah ich alles bis ins Kleinste und mühsam<br />
verstehe ich jetzt, wie so längst vergangene<br />
Ereignisse in meinem Unterbewußtsein in so<br />
entsetzlicher Gestalt auftauchen konnten. Die<br />
einzige Befreiung aus dieser Kette des Grauens<br />
finde ich in der Niederschrift, des Tagebuchs,<br />
wo ich den Kern des Geschehenes darzulegen<br />
versuche. Ich denke, dass man auf dieser Basis<br />
einen faszinierenden Film drehen kann.<br />
Das geschah vor so langer Zeit, dass ich mich<br />
sogar nicht daran erinnern kann, wann genau.<br />
Vielleicht vor zehn oder fünfzehn Jahren.<br />
In dieser Tatsache findet der Leser (falls diese<br />
Notizenihn je erreichen werden) bestimmt nichts<br />
Merkwürdiges: alles, wie bekannt ist, hat seine<br />
Grenzen, und das Menschengedächtnis ist keine<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 21
PROSA<br />
Ausnahme. Es ist erstaunlich, dass ich mich an<br />
den Monat und sogar an das Datum, wann alles<br />
geschehen war, aber nicht an das Jahr erinnern<br />
kann!<br />
Es ist schon Zeit, direkt mit der Erzählung zu<br />
beginnen, obwohl meine Finger zittern und das<br />
Herz so stark klopft, als wollte es zerspringen,<br />
doch versuche ich mich anzustrengen, und das<br />
angestrebte Ziel zu erreichen: alles so darzulegen,<br />
wie es geschehen ist. Nach jeweils fünf bis sieben<br />
Zeilen kann ich nicht anders und öffne den<br />
Kleiderschrank und vergewissere mich immer<br />
wieder, dass alles Geschehene wahr ist.<br />
Damals arbeitete ich als Fotograf in der<br />
Illustrierten “***”. Аlles begann, oder vielmehr,<br />
alles begann schon wieder zu enden am Sonntag,<br />
den 15. Oktober…<br />
Es war ein nasskalter Tag, wie sie im Herbst in<br />
diesen Breiten zahlreich sind. Hinter dem Fenster<br />
regnete es in Strömen, schwarze knochige Hände<br />
von Bäumen begieβend, an meinem Fenster wie<br />
Tropfen und Bäche zerflieβend. Ich zeichnete mit<br />
dem Finger an dem Fenster. Der riesige graue<br />
Wolkenflaum näherte sich meinem Haus. Als ob<br />
die Natur selbst zu mir sagte, dass man sich heute<br />
nicht auf die Strasse hinauslehnen sollte.<br />
Es ertönte die Klingel an der Tür. Ich wendete<br />
mich vom Fenster und schaltete den Fernseher<br />
leiser. Ohne Vermutung, wer das sein könnte,<br />
ging ich die Tür öffnen. Ich wohnte abgeschieden,<br />
man konnte aber nicht sagen, dass ich gar keine<br />
Freunde hatte. Ich hatte ziemlich viele. Die Arbeit<br />
als Fotograf lieβ mich nicht zum Einsiedler<br />
werden, deswegen fühlte ich mich allein ebenso<br />
gut wie mit Bekannten. Sie besuchten mich nicht<br />
sehr oft, worunter mein Stolz aber auch nicht litt.<br />
An der Schwelle stand der Postbote. Er bat mich<br />
die Austragungsliste zu unterschreiben und dann<br />
gab er mir ein ziemlich groβes Paket. In das<br />
Zimmer zurückkommend, war mir eingefallen,<br />
dass ich nie Briefe, Pakete und Drucksachen<br />
bekommen hatte. Das verdoppelte mein Interesse<br />
und ich zerriss die Verpackung und öffnete die<br />
Schachtel. Auf ihrem Boden war ein Sack von<br />
schwarzer Farbe. Meine Arme streckten sich zu<br />
diesem Sack aus, der Verstand aber kam zuvor,<br />
und ich war in Gedanken stehengeblieben.<br />
Das Leben des gewöhnlichen Fotografen ist<br />
nicht arm, aber leider auch nicht reich. Ich war<br />
kein Genius der Fotographie, das bedeutete<br />
aber nicht, dass ich meine Arbeit schlecht<br />
ausführte. Falls der Mensch liebt, womit er sich<br />
beschäftigt, und falls diese Beschäftigung bei<br />
ihm auch lebendiges Interesse erregt, oder falls<br />
er nun äuβerst hartnäckig ist, dann erreicht er<br />
sogar mit mittleren Fähigkeiten in dieser Arbeit,<br />
zweifellos Erfolg. In meiner Wohnung war nichts<br />
Besonderes, ich würde sogar sagen, dass man<br />
jedes Ding in einer gewöhnlichen, modernern<br />
Wohnung finden konnte.<br />
Nun beschlieβend, dass es nicht zu dem Zweck<br />
war, mich zu töten, holte ich nicht ohne Zittern den<br />
Sack heraus. Was dort war, veranlasste mich zu<br />
einem Ausruf der Verwunderung: ich holte einen<br />
wunderschönen schwarzen Herrenanzug aus dem<br />
Paket. Der gehörte zu jenen, die die großstädtische<br />
Elite zu feierlichen Empfängen anzieht: gebügelt,<br />
glänzend, mit glatten Bügelfalten, es schien, man<br />
könnte beim Anrühren die Hand schneiden. Ich<br />
wollte ihn sofort anprobieren, bemerkte aber einen<br />
Anhänger, der hinter dem Kragen festgesteckt<br />
war. Ich riss ihn los und sah ihn genauer an. Auf<br />
dem weiβen Kartonstück standen die Worte:<br />
“ZIEH DAS ZU MEINEM BEGRÄBNIS AN”.<br />
Ich war starr vor Erstaunen lieβ mich in den<br />
Sessel nieder, den Anhänger und den Anzug fest<br />
mit den Händen umklammernd.<br />
Was ist das? Ein Scherz? Ich schaute mir die<br />
Inschrift noch mal an, beschloss, dem gesunden<br />
Menschenverstand zu vertrauen, und schaute, von<br />
wem das Paket war. An dieser Stelle ist mir alles<br />
klar geworden. Das war ein Geschenk von einer<br />
alten Bekannten von mir. Ein seltsamer Mensch<br />
war sie: ihre Garderobe bestand gänzlich aus<br />
schwarzen Sachen, selten aus schwarz-grauen.<br />
Ich schlug ihr vor, etwas Helleres anzuziehen,<br />
aber alles vergeblich. Sie ärgerte sich nur und<br />
sagte, dass ich sie kaum verstehe. Sie hatte<br />
vielleicht Recht, obwohl ich sie ziemlich gut<br />
kannte. Kennen ist aber eine Sache, verstehen –<br />
eine ganz andere.<br />
Die Eigentümlichkeit meiner Freundin zeigte<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 22
PROSA<br />
sich sowohl in ihrem Benehmen, als auch<br />
in ihren Gewohnheiten: während unserer<br />
seltenen Treffen, egal wo wir uns befanden,<br />
war es eher ich, der sprach. Sie schaute sich<br />
nur mein energisches Gebärdenspiel mit einem<br />
einigermaßen krankhaften Blick an, rauchte ab<br />
und zu und brachte ihre immer wieder auf die<br />
Stirn fallende Strähne in Ordnung. Es schien so,<br />
als dächte sie nur an den Tod und auch daran,<br />
dass bald die gesamte Menschheit ihre Chance,<br />
die Existenz fortzusetzen, verpasst. Kurzum<br />
waren ihre Gedanken pessimistisch, genauso wie<br />
ihre Laune. Ewige Depressionen, Melancholie<br />
und Schwermut. Das Schlimmste war, dass ich<br />
wohl nur ein Mal ein Lächeln auf ihrem Gesicht<br />
gesehen hatte, vom Lachen war überhaupt nicht<br />
die Rede.<br />
Der Grund dafür war, so dachte ich mir, ihre<br />
absolute Handlungsfreiheit. Ihre Eltern waren<br />
keine armen Leute. Auf Wunsch ihrer Tochter<br />
bauten sie ein dreistöckiges Haus tief in der<br />
Provinz - ein Einfamilienhaus mit allem Komfort.<br />
Dorthin zu gelangen war es wegen schlechter<br />
Wege und der ziemlich weiten Entfernung gar<br />
nicht so einfach. Die Tochter konnte in diesem<br />
Haus alles machen, was sie wollte. Sie schnitt<br />
sich die Venen bei Nervenzusammenbrüchen<br />
auf, pumpte sich voll mit Drogen und ging<br />
damit ihren Eltern mächtig auf die Nerven.<br />
Auch die Eltern kannte ich. Sie verloren nach<br />
und nach ihren Einfluss, und waren ihrer Tochter<br />
gegenüber nachsichtig geworden. Ihre Schwäche<br />
war wohl das Einzige, was ich an ihnen nicht<br />
mochte. Was das Haus an sich angeht, so war ich<br />
ein paarmal da. Die ruhigen oder auch nicht so<br />
ruhigen Treffen verwandelten sich aber in etwas<br />
eher Teuflisches: “heavy metal”, Drogen und ein<br />
Mix aus allen möglichen energy drinks (wie man<br />
so sagt, “versuch nie, so was nachzuahmen”) mit<br />
Absinth, Cola, Whisky, kurzum mit allem, was<br />
die menschliche Phantasie so erfinden kann. Ab<br />
und zu lasen die Gäste okkulte Bücher vor: die<br />
Magie von Papus, Runenzaubersprüche, etwas<br />
aus den Werken von Blawatskaja und Ähnliches.<br />
Obwohl ich kaum an diesen Unsinn glaubte,<br />
versuchte ich möglichst diesen Ort zu meiden.<br />
Doch als Fotoobjekt hat diejenige, die mir so<br />
ein originelles Paket schickte, schon längst<br />
die Siegeslorbeeren verdient. Ich schaute mir<br />
ihre große Aufnahme an der Wand näher an:<br />
bei all der Nichtattraktivität ihrer inneren Welt<br />
war ihr Äußeres durchaus bewundernswert!<br />
Rabenschwarze hüftlange Haare, grüne<br />
Augen (grün wie sehr frische nasse Nadeln),<br />
Gesichtszüge so vollkommen, als ob Gott mit der<br />
Weltschöpfung auf eine Weile Pause machte und<br />
die restlichen fünf Tage nur an ihrer Schönheit<br />
arbeitete, Lippen dünn und blutrot wie die ein<br />
Sonnenuntergangs. Zu poetisch, aber doch wahr.<br />
In ihrem Äußeren war etwas, was mich als<br />
Künstler lockte. Sie war für mich wie ein<br />
fotografisches Phänomen: auf dem riesengroßen<br />
Bild war ein geheimnisvolles Lächeln zu sehen.<br />
Ihre Augen folgten dem Zuschauer aufmerksam<br />
unabhängig davon, wo man sich hin bewegte,<br />
merkten die ganze Plumpheit seiner Bewegungen.<br />
Und deswegen drückte das Lächeln eine absolute<br />
Verachtung und Haβ dem Zuschauer gegenüber<br />
aus. Oft spürte ich den Drang, das Foto von der<br />
Wand abzureißen, doch der Blick eines Künstlers<br />
erlaubte den Armen nicht, die eigene Schöpfung<br />
anzutasten. Jeden Tag schien es mir, als würde<br />
ihr Gesichtsausdruck anders, als hätte jemand in<br />
meiner Abwesenheit oder nachts – während ich<br />
schlief – ein neues Bild an die Wand gehängt…<br />
16. Oktober<br />
Am Morgen weckte mich ein Anruf. Es war<br />
gegen eins, aber ich war damals gewöhnt, lange<br />
zu schlafen, wenn ich nirgendwohin musste<br />
und kein Zeitdruck bestand. Das Ereignis von<br />
gestern nahm ich nicht wirklich ernst. Ich habe<br />
mich schon seit langem an Merkwürdigkeiten<br />
gewöhnt. Und überhaupt – wenn man es sich so<br />
sinnvoll überlegt, sind wir ohnehin alle verrückt.<br />
Wie kann es doch anders sein? Sonst wäre es ja<br />
allzu langweilig!<br />
Das Telefon klingelte und klingelte, es weckte in<br />
mir langsam die Wut allen lauten Tönen früh am<br />
Morgen gegenüber. Endlich nahm ich den Hörer<br />
ab und legte mich wieder ins Bett. Das war Sergej<br />
Anatoljewitsch, der Vater meiner Bekannten.<br />
Seine Stimme klang so, als hätte er mehrere Tage<br />
nichts gegessen und nichts getrunken. Ich dachte<br />
aber, es komme wohl daher, dass er auch erst kurz<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 23
PROSA<br />
munter war, und begrüßte ihn munter:<br />
„Sascha? Sie sind es?“<br />
„Ja, guten Morgen, Sergej Anatoljewitsch!“<br />
Der Mann schluckte auf, holte den Atem und<br />
setzte fort, indem er leicht röchelte:<br />
( Fortsetzung folgt)<br />
Übersetzung aus dem Russischen ins Deutsche<br />
von Nika Demtschenko, St. Petersburg<br />
Thomas Schiffer, Plittersdorf<br />
Am Flughafen<br />
April 2012<br />
Mal wieder am Flughafen. Ich setze mich auf den<br />
einzigen freien Platz in der Wartehalle zwischen<br />
zwei klappernde Laptops und nehme mir meine<br />
Zeitung vor. Über das Feuilleton komme ich<br />
nicht hinaus. Mir gegenüber entfaltet sich ein<br />
Triptychon von erlesener schwarzer Eleganz. In<br />
der Mitte die thronende Mater et Magistra, eine<br />
nicht mehr junge, dafür umso üppigere Dame,<br />
ganz umhüllt von wallenden schwarzen Tüchern<br />
und silberner Mähne. Dazu reich dekoriert mit<br />
Silberschmuck aller Art und passend pastellig<br />
geschminkt. Sie wird von einem älteren Herrn<br />
im Arm gehalten. Auch er in schwarz und silber,<br />
ohne Haar, dafür mit Rauschebart. Der Faltenwurf<br />
der Gewänder deutet auf frühe sechziger Jahre im<br />
Alter hin.<br />
Sein völlig gelöster, ja verklärter Blick verliert<br />
sich sinnend in der Weite der Wartehalle.<br />
Er lauscht. Seine Frau führt ein klassisches<br />
Lehrgespräch mit dem jungen Mann zu ihrer<br />
Rechten. Ebenfalls in Schwarz-silber scheint er<br />
etwas tiefer zu sitzen, ihr zugewandt und an den<br />
grau-schwarzen Lippen hängend, wagt er den<br />
ein- oder anderen Einwurf. Das Ganze ergäbe ein<br />
nettes Bild – wenn sie nur schwiegen.<br />
Es geht um Kunst.<br />
Ihre Kunst genauer gesagt. Neo Rauch sei<br />
überteuert, Beuys lange perdu. Sie habe das alles<br />
neulich abgehängt, nach der Neugestaltung ihrer<br />
Räumlichkeiten. Nach Durchbruch der neuen<br />
Fenster waren die Farben einfach zu kalt. An<br />
die Stelle muss etwas Warmes, Freundliches,<br />
ja Frauliches. Sie wisse noch nicht was, Turner<br />
vielleicht. So wie sie da sitzt und spricht gibt<br />
sie etwas Animalisches ab. Zu umfangreich, im<br />
noch als Fledermaus durchzugehen, zu elegant<br />
für einen Drachen. Vielleicht gibt sie heute den<br />
diabetischen Racheengel. Der junge Mann spielt<br />
mit. Dieses Unbestimmte in der Turner-Kunst,<br />
diese Weichheit in der Farbe, solch kaum gekannte<br />
Empfindung für Licht. Ich frage mich, woher die<br />
Leute das Geld und die feinsinnigen Gedanken<br />
nehmen. Der Mäzen – schwarze Erscheinung,<br />
Silberbart, kein Haar – sitzt stumm nebendran.<br />
Er kennt die Reden seiner Frau wohl auswendig.<br />
Solcherart entrückt kann man das aushalten. Der<br />
junge Mann empfindet noch ‚dieses‘ und auch<br />
‚jenes‘. Ich empfinde ein subtiles Verlangen<br />
nach dieser erlösenden Stimme des Kranichs, die<br />
uns in die entrückte Schwebe jenes Silbervogels<br />
ruft und uns dann ins höchst diesseitige Berlin<br />
schickt.<br />
Helmfried Protsch, München<br />
Begegnung<br />
oder die Flucht in den Norden<br />
Endlich war er angekommen. Am Rand der<br />
Endlosigkeit. Müde war er vom endlosen Laufen.<br />
Hierher fuhr nichts mehr. Noch nicht einmal ein<br />
Taxi wollte ihn hierher bringen. „Da verdien ich<br />
nichts dran“, hatte der Fahrer gesagt. „Ich muss<br />
ja wieder zurückfahren. Leer. Verstehen Sie?“<br />
Zwölf Stunden war er gelaufen. Hatte gerade mal<br />
zehn Minuten Pause gemacht. Etwas gegessen.<br />
Hier suchte ihn niemand. Selbst der Teufel nicht.<br />
Hier gab es zwei Höfe und ein Gasthaus. Und<br />
hoffentlich ein Zimmer. Er brauchte jetzt was<br />
zwischen die Zähne und dann Schlafen.<br />
Morgen sieht alles anders aus. Morgen. Endlich<br />
frei. Endlich er selbst. Endlich Ruhe. Endlich<br />
leben. Keine Pflichten mehr. Pflichten, die keine<br />
waren. Pflichten, die ihm abverlangt wurden.<br />
Aufgaben, die unsinnig waren. Die er erfüllen<br />
musste. Versteckspiel vor den Nachbarn. Die<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 24
PROSA<br />
auf keinen Fall wissen sollten – ja durften,<br />
wenn er – beziehungsweise seine Frau oder sie<br />
beide – weggingen. Nur weil die sich anders<br />
verhielten als es erwünscht war. Umständliche<br />
Verhaltensweisen. Briefe, die drei Stunden<br />
brauchten. Weil die Korrektur von der Korrektur<br />
von der Korrektur. Beschuldigungen, wenn er<br />
anders arbeitete. Beschimpfungen, wenn er etwas<br />
anders machte, als erwartet oder verlangt. Nicht<br />
das Ergebnis zählte, sondern der Weg. Manchmal<br />
Drohungen. Sogar Schläge. Wenn er wiederholt<br />
von der „Vorschrift“ abgewichen war. Wenn das<br />
und das, dann Tür offen. Wenn das und das, dann<br />
Tür zu. Wehe, es klappte nicht.<br />
Keine Mutter mehr im Genick. Eine Mutter, die<br />
seine Frau war. Die sich über alles aufregte. Die<br />
Nachbarn. Den Hausmeister. Die Hausverwaltung.<br />
Die Mitbewohner. Die Außenanlagen. Die Pflege,<br />
die Reinigung. Den Briefträger. Die Lampen.<br />
Genug jetzt. Er musste Listen führen. Über<br />
Defekte. Aufgetreten, repariert, wer, wann, wo.<br />
Genug jetzt. Endlich frei. Endlich leben. Endlich.<br />
Immer das Misstrauen. Hast du die Heizung<br />
abgedreht. Kontrollgang gemacht. Ist die Türe<br />
verschlossen. Sätze wie: Das ist wieder eine<br />
deiner ungeprüften Behauptungen. Bist du dir<br />
sicher. Stimmt das wirklich. Weißt du das genau.<br />
Dazwischen Beschuldigungen. Beschimpfungen.<br />
Unflätige. Misthund. Dreckstück. Fauler Hund.<br />
Endlich vorbei.<br />
Unabhängig. Frei. Das hatte er mal gezeichnet.<br />
Eine Hand, die mit einem Hammer die<br />
umgebenden Wände einschlägt. Frei sein ist<br />
mühsam. Aber er hatte es geschafft. Hier war er<br />
frei. Weg von aller Last. Am Ende der Welt. Aber<br />
frei. Endgültig. Irgendwann wird er sein Leben<br />
wieder aufnehmen. In der Mitte der Zivilisation.<br />
Irgendwann.<br />
Das Meer kochte. Die Wetterfrösche hatten Sturm<br />
gemeldet. Stärke zehn bis zwölf. Jetzt war er da.<br />
Der Sturm. Stärke zwölf. Und Flut. Das Meer<br />
kochte. Er liebte extreme Wetterlagen. Immer<br />
dann ging er hinaus. Mit der Kamera. Fotografiert<br />
hatte er schon lange nicht mehr. Heute gab es<br />
nichts zu fotografieren. Alles nur grau. Das Meer,<br />
der Himmel, das Land. Die Farben mit dem<br />
Sturm verweht. Die Wolken. So, wie er. Heute.<br />
Mann, hatte er einen Kater. Gestern Abend. Erst<br />
gegessen und dann – Er hatte sich den Frust von<br />
der Seele geredet. Hatte ein Bier nach dem anderen<br />
getrunken. Und Korn dazwischen. Zwölf hatte er<br />
gezählt. Dann war alles vorbei. Wie er auf sein<br />
Zimmer gekommen, wie er ins Bett gekommen –<br />
nein, er konnte sich nicht erinnern. Wer hatte ihn<br />
ausgezogen, den Pyjama angezogen, ihn ins Bett<br />
gelegt – Peinlich. Er wusste es nicht. Heute beim<br />
Frühstück hatte niemand ein Wort verloren. Herb<br />
und freundlich wie immer. Und das Frühstück.<br />
Wie immer hervorragend. Mit allem Drum und<br />
Dran. Kein Wort über gestern Abend.<br />
Nach dem Frühstück hinaus. Der Sturm peitschte<br />
das Meer von Nordwest. Über den Strand, über<br />
das Land. Fast bis zu den drei Häusern. Der<br />
Regen fiel waagrecht. Er pickte auf die Haut. Das<br />
war sein Wetter. Extrem. Das war das Richtige.<br />
Passte zu ihm. Passte zu seiner Stimmung.<br />
Theodor Storm. Er musste so gewesen sein wie<br />
er. Musste das Meer geliebt haben. Erlebt haben.<br />
So wie heute. Seestück. Caspar David Friedrich.<br />
Das zerschellte Schiff am Felsen. Heute könnte<br />
es auch sein. Heute sind die Schiffe nicht<br />
wetterabhängig. Keine Segel am Horizont. Kein<br />
Ausguck im Mastkorb. Radar. Für alles Radar.<br />
Die Düne hinauf. Das Reedgras war vom Sturm<br />
flach gebürstet. Fallenlassen. Wie in der Jever-<br />
Werbung. Rücklings in den Sand. Er hatte sich<br />
den Südwester geliehen. Bis jetzt war er trocken<br />
geblieben. Der Hut rollte ins Gras, blieb hängen.<br />
„Komm her, ich brauch dich noch.“<br />
Das Gespann kam näher. Zwei Pferde zogen einen<br />
Leiterwagen. Der Wagen schaukelte gefährlich<br />
hin und her. Er knirschte und quietschte in allen<br />
Verbindungen. Die Pferde liefen ungleichmäßig<br />
und zogen das Gefährt ruckartig den Feldweg<br />
voran. Der Bauer auf dem Bock fluchte, wenn ein<br />
Rad mal wieder in ein Loch gefahren war und ihn<br />
fast herunter warf.<br />
Es war inzwischen Frühling und das Gras der<br />
endlosen Weiten duftete so satt grüngelb wie<br />
noch nie - .<br />
Das Gespann war am Gasthaus angekommen.<br />
Fiete, der alte Bauer aus dem Nachbardorf stieg<br />
umständlich vom Bock. Von der Ladefläche stand<br />
eine Frau auf und stieg über die Leiter auf das<br />
Vorderrad. Fiete half ihr herunter. Er ging voraus.<br />
Der Schaft seiner Gummistiefel schlappte an der<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 25
PROSA<br />
blauen Hose. Die Frau stolperte hinter ihm her.<br />
Sie betraten die Gaststube. Die Frau deutete auf<br />
den ersten Tisch.<br />
„Ich bin so froh, dass Sie mich hergebracht<br />
haben“, sagte sie zu Fiete. „Wenn es auch eine<br />
Tortur war wegen des schlechten Wegs – aber<br />
wenn ich das hätte laufen müssen –“<br />
Sie ließ den Satz offen.<br />
„Walter, bring man zwei Jever“, sagte Fiete.<br />
„Und ein Korn.“<br />
Er schwieg bis der Wirt das Bestellte brachte.<br />
„Macht dich wieder lebendig“, sagte er zu der<br />
Frau. Trank das Bier ex und dann den Korn.<br />
„Muss mit dem Wirt snacken“, ergänzte er und<br />
ging zur Theke.<br />
„Walter, sach man, wohnt bei dir ein Gast?“<br />
„Ja, seit vier Wochen. Warum?“<br />
„Die Frau da will zu ihm.“<br />
„Warum?“<br />
„Sie ist seine Frau.“<br />
„Das ist kein Grund. Er hat gesagt, er ist allein<br />
und will allein sein. Verstehst du?“<br />
„Ist er da?“<br />
„Nein.“<br />
„Wo ist er denn?“<br />
„Fort!“<br />
„Ich schick sie dir. Sag du ihr das. Ja?“<br />
„Ja.“<br />
Fiete ging wieder zum Tisch.<br />
„Hab ihn gefragt.“<br />
„Was haben Sie den Wirt gefragt?“<br />
„Ob bei ihm jemand wohnt.“<br />
„Und?“<br />
„Nichts und. Hier wohnt keiner.“<br />
„So. Dann werde ich mir jetzt ein Zimmer<br />
nehmen.“<br />
Die Frau stand auf und ging zum Wirt.<br />
„Ich brauche ein Zimmer. Haben Sie eines frei?“<br />
„Wie lang?“<br />
„Das weiß ich noch nicht. Vielleicht zwei, drei<br />
Tage. Vielleicht eine Woche. Ich weiß es noch<br />
nicht.“<br />
„Hab nichts frei. Kein Zimmer.“<br />
„Das gibt’s doch nicht. Hier am Ende der Welt,<br />
wo niemand freiwillig hingeht Und dann kein<br />
Zimmer. Sie haben wirklich keines?“<br />
„Hab nur zwei. Sind belegt.“<br />
„Das darf doch nicht wahr sein! Wer wohnt denn<br />
hier bei Ihnen?“<br />
„Das geht Sie nichts an.“<br />
„Doch. Ich suche meinen Mann. Er muss hier<br />
sein. Alle Hinweise deuten hier her.“<br />
„Sind zwei Frauen.“<br />
„Wer hat hier denn noch Zimmer? Ich bin doch<br />
nicht her gekommen, um gleich wieder weg zu<br />
fahren, weil ich hier kein Zimmer kriege.“<br />
„Tut mir leid. Keiner. Fahren Sie halt wieder<br />
zurück. Mit dem Fiete. Dort finden Sie bestimmt<br />
ein Zimmer.“<br />
Walter seufzte tief. So einen langen Satz hatte<br />
er noch nie gebraucht. Überhaupt strengte ihn<br />
so ein schwieriges Gespräch ungeheuer an. Jetzt<br />
brauchte er erst mal ein Jever.<br />
Es war ein schöner Tag gewesen. Die Sonne hatte<br />
glühend den Horizont geküsst. Und das Meer<br />
brannte. Die Rinder waren wieder auf den Weiden.<br />
Der Löwenzahn blühte leuchtend gelb. So hatte<br />
er das Allgäu kennengelernt. Jetzt war er hier und<br />
hatte Sehnsucht nach dem Süden. Oder war es<br />
Heimweh? Eigentlich hatte er keine Heimat mehr.<br />
Er war der Bote zweier Welten. Mehr als dreißig<br />
Jahre Frankfurt. Fast dreißig Jahre München.<br />
Heimat? Dritter Lebensabschnitt. Bodensee.<br />
Geplant. Aber wann? Jetzt war er hier. Heimweh?<br />
Nein. Heimweh war das nicht. Er hatte auch in<br />
München kein Heimweh. Dies war eine Flucht.<br />
Flucht vor Einschränkung. Bevormundung.<br />
Zwang. Befehlen. Unfreiheit. Hier war es still.<br />
Das Meer war zu hören. Die Kühe. Die Seevögel.<br />
Die Menschen redeten nicht viel. Waren wortkarg.<br />
Passte zur Landschaft. Passte zu ihm. Eigentlich<br />
fühlte er sich wohl. Allein. Konnte endlich seiner<br />
Berufung nachgehen.<br />
„In cirka vier Wochen ist mein erstes Buchfertig.<br />
Dann kann ich zum Verlag nach München<br />
fahren.“ Das ist wie ein Bekenntnis. Ja, so sollte<br />
es auch bleiben.<br />
Der Fahrweg war ausgebessert worden. Er sah<br />
jetzt richtig schön glatt aus und auch das Fahren<br />
mit dem Leiterwagen konnte man ertragen. Es<br />
war jetzt das fünfte Mal, dass sich die Frau auf<br />
die Fahrt begab. Sie hoffte immer noch ihren<br />
Mann zu finden, der bei Nacht und Nebel aus<br />
der gemeinsamen Wohnung geflohen war. Sie<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 26
PROSA<br />
wollte alles anders machen – das hatte sie ihm<br />
bereits mehrmals versprochen. – Der Geist ist<br />
willig – aber würde er ihr noch einmal glauben?<br />
Sie wollte ihn nicht verlieren. Sie wollte mit<br />
ihm gemeinsam den letzten Lebensabschnitt<br />
verbringen. Wie würde er reagieren, wenn sie<br />
zusammentreffen würden?<br />
Das Gespann hielt vor dem Gasthaus. Sie war auf<br />
dem Bock neben Fiete mitgefahren. Es war eine<br />
erlebnisreiche Zeit gewesen. Sie hatte das flache<br />
Land, das sie nicht ausstehen konnte, weil es für<br />
sie so langweilig erschien, lieben gelernt. Sie<br />
hatte Zeit zum Nachdenken gehabt, konnte mit<br />
sich und ihren Vorstellungen ins Reine kommen.<br />
Franz Preitler, Graz<br />
Gewalt ist keine Lösung. Oder:<br />
„ohne Gewalt ist auch keine<br />
Lösung…“<br />
„Hatten sie zuvor schon öfters Gewaltausbrüche?“,<br />
schreit der Richter am Straflandesgericht in Graz<br />
den vor ihm sitzenden Mann, einen hageren<br />
Typen, an. Dieser weiß in seiner Angst nicht,<br />
wie ihm dabei geschieht. Er zuckt gewaltig<br />
zusammen und starrt verloren auf den Boden.<br />
„Wie jetzt?“, zischt der Richter mit gewaltiger<br />
Stimme, fast zu laut und wirft dem Mann einen<br />
bösartigen Blick zu, sodass sich dieser der<br />
ausweglosen Situation bewusst wird und mit aller<br />
Kraft aufrafft und zaghaft zu sprechen beginnt.<br />
„Ja, vielleicht als Kind. Meine Mutter hat mir<br />
hin und wieder erzählt, dass ich als Kind sehr<br />
jähzornig, sogar gewalttätig sein konnte!“<br />
„Wie hat sich das ausgewirkt?“, hakt der Richter<br />
nach. Ein gewaltiges Raunen geht durch den<br />
Raum. Die Leute warten gespannt, was der<br />
Angeklagte zu sagen hat. Dieser beginnt zu<br />
stottern:<br />
„Wenn…wenn etwas nicht nach meinem Kopf<br />
ging, habe ich getobt und geschrien und alles<br />
Mögliche, was mir unterkommen ist mit Gewalt<br />
gegen die Wand geworfen!“<br />
„Wie hat ihre Mutter darauf reagiert?“, will der<br />
Richter schonungslos in Erfahrung bringen.<br />
„Gewaltsam! Sie hat mich geschlagen und in<br />
mein Zimmer gesperrt, bis ich mich beruhigt<br />
habe!“<br />
„Es war Rache!“, hört man aus der Menge. Eine<br />
Frau ruft laut: „Der Mörder muss hinter Gitter!“,<br />
ein Anderer: „Die Todesstrafe muss wieder<br />
her!“ Unruhe tritt ein, die Leute im Gerichtssaal<br />
werden immer lauter, sodass der Richter<br />
letztendlich eingreifen muss und wild zu schreien<br />
beginnt, fast tobt. „Ruhe, oder ich lasse mit aller<br />
Gewalt den Saal räumen!“ Von einem Moment<br />
auf den anderen wird es still. Unheimlich still.<br />
Die Menge ist vom Wutausbruch des Richters<br />
eingeschüchtert und der Angeklagte sitzt nach<br />
wie vor mit gesenktem Kopf da und beteuert<br />
seine Unschuld. „Ich war es nicht, Gewalt liegt<br />
mir nicht. Ich bin kein Mörder!“<br />
Der Richter erhebt sich und seine gewaltige<br />
Statur kommt zum Vorschein, er plustert sich in<br />
aller Strenge auf. „Da bin ich anderer Meinung.<br />
Man hat gesehen, wie sie an dem besagten Tag<br />
versucht haben, gewaltsam die Haustür zu<br />
öffnen!“ Dadurch versucht er den Angeklagten<br />
gewaltig unter Druck zu setzen und hofft, dass<br />
dieser die Beherrschung verliert und seine Schuld<br />
gesteht. Er täuscht sich.<br />
„Daran, daran kann ich mich nicht mehr erinnern“,<br />
stottert der Angeklagte und schüttelt verlegen den<br />
Kopf. Er drückt die Hände zwischen seine Knie,<br />
blickt zum immer wütender werdenden Richter<br />
auf und wartet was jetzt kommt. Er braucht nicht<br />
lange zu warten, denn mit bitterer Vehemenz<br />
schreit ihn der Richter an. Der Angeklagte wird<br />
bleich, die Leute schauen neugierig. „Dann<br />
werde ich ihrer Erinnerung schonungslos auf die<br />
Sprünge helfen!“<br />
„Sie haben die verschlossene Haustür mit einer<br />
Axt, die sie zuvor aus der Scheune holten,<br />
gewaltsam aufgebrochen!“ Ein Raunen geht<br />
erneut durch den Saal und der Richter blickt streng<br />
auf, versucht die Beherrschung zu bewahren und<br />
fährt fort. „Sie wussten, dass sich ihre Mutter aus<br />
Angst vor ihnen im Haus versteckt hielt! Was<br />
wollten sie von ihrer Mutter?“<br />
„Geld, ich brauchte dringend Geld“, stottert der<br />
Angeklagte verzweifelt und beginnt zu zittern.<br />
„Richtig, sie brauchten Geld für Alkohol und<br />
Drogen. Das war ihr Motiv, denn ohne Alkohol und<br />
Drogen wurden sie aggressiv und gewalttätig!“<br />
Die Augen des Richters funkeln voller Zorn und<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 27
PROSA / ESSAY<br />
Zynismus, er fühlt sich in seiner Vermutung<br />
bestätigt. Stark und mächtig, den Angeklagten so<br />
schnell wie möglich zu überführen. Er reibt sich<br />
die Hände. Die Menge ist darüber verblüfft.<br />
„Jedoch war meine Mutter nicht da“, beginnt<br />
der Angeklagte zu wimmern. Schweiß steht ihm<br />
auf der Stirn. „Wie? Sie war nicht da, als Sie die<br />
Haustür gewaltsam zu Kleinholz gemacht haben<br />
und nach ihr suchten! Wo war sie denn, ihre<br />
Mutter? Erzählen sie es uns nur!“ Der Zynismus<br />
in der Stimmgewalt des Richters gewinnt immer<br />
mehr an Gewicht. Er lächelt aufgesetzt.<br />
„Sie war am Dachboden“, stottert der Angeklagte<br />
mit Tränen in den Augen. Er blickt zu Boden.<br />
„Und weiter!“, schreit der Richter in den Saal und<br />
bekommt einen Gewaltausbruch, der die Menge<br />
im Raum sensationsgierig werden lässt. Einige<br />
stehen auf um mehr zu sehen.<br />
„Ich sagte ja, dass ich sie nicht umgebracht habe,<br />
sie hat sich selbst…“ jammert der Angeklagte<br />
und plötzlich wird es im Saal mausestill, man<br />
hätte eine Stecknadel fallen hören können.<br />
Die Leute wirken enttäuscht. Kein Mord, kein<br />
Gewaltverbrechen, kein Geständnis.<br />
„Und dann haben sie mit der Axt…“ Der Richter<br />
wiederholt sich: „Mit der Axt haben sie mit aller<br />
Gewalt den Strick heruntergeschlagen! Stimmt<br />
das? War es so Angeklagter?“<br />
„Ja… ja das habe ich“, gesteht der Angeklagte.<br />
„Ohne Gewalt hätte ich es nicht geschafft!“<br />
„Und?“, tobt der Richter in unbeherrschter<br />
Fragestellung.<br />
Unruhe unter den Schaulustigen. Sie raunen und<br />
manche rufen fragend in den Saal: „Was und?“<br />
„Wie oft haben sie verfehlt Angeklagter?“ Stille!<br />
„Wie oft haben sie ihre Mutter dabei erwischt?“<br />
Johanna Klara Kuppe, Waiblingen<br />
Mischfarbe mit gemischten<br />
Gefühlen - VIOLETT (I)<br />
Violett erzeugt gemischte Gefühle - es wird von<br />
mehr Menschen abgelehnt als geliebt. Nur 3%<br />
der Frauen und Männer bezeichnen Violett als<br />
Lieblingsfarbe. Von kurzen Moden abgesehen,<br />
war Violett nie besonders beliebt.<br />
Kennen Sie übrigens den Unterschied zwischen<br />
Violett und Lila? - Violett ist eine Mischung<br />
aus Rot und Blau, Lila enthält zusätzlich Weiß.<br />
Es gibt 41 verschiedene Violett/Lila-Töne (z.B.<br />
Lavendel, Magenta, Mauve, Purpurviolett,<br />
Veilchenblau etc.)<br />
Der Bauhauslehrer Johannes Itten ließ seine<br />
Studenten speziell die Farben benutzen, die sie<br />
am wenigsten mochten. Oft stellten die Studenten<br />
dann fest, dass die ungeliebten Farben (öfter eben<br />
auch Violett) von ungeahnter Schönheit sind. In<br />
keiner anderen Farbe vereinigen sich so große<br />
Gegensätze wie im Violett: es ist die Verbindung<br />
von Rot und Blau, von Männlichem und<br />
Weiblichem, von Sinnlichkeit und Geist. Eine<br />
große Vergangenheit hat Violett zudem: es war<br />
im Altertum die Farbe der Herrscher, der Macht<br />
und zwar als Purpur (ursprünglich als violettes<br />
Purpur, amethytähnlich).<br />
Nach dem Veilchenblau (violette heißen Veilchen<br />
im Englischen und Französischen) wurde auch<br />
das chemische Element Jod benannt, denn im<br />
Altgriechischen heißt Veilchen „Ion“, daraus<br />
wurde Jod. Wenn Jod erhitzt wird, entstehen<br />
violette Dämpfe.<br />
Da der violette Purpur in der Antike die Farbe<br />
der Herrscher war, entstand auch die sprachliche<br />
Nähe des Violett (des Veilchens) zur Gewalt -<br />
„violentia“ ist „die Gewalt und „violare“ heißt<br />
„vergewaltigen“. „Gewalt“ in England und<br />
Frankreich heißt „violance“ bzw. „violation“<br />
(Vergewaltigung). „Flieder, Veilchen und<br />
Gewalt“.<br />
Im Farbklang der Frömmigkeit ist Weiß die<br />
göttliche Farbe; Schwarz die politische Farbe;<br />
Violett die Farbe der Theologie. So kleidete die<br />
katholische Kirche ihre Bediensteten in Violett.<br />
Es war die Rangfarbe der Kardinäle, Bischöfe und<br />
Prälaten, denn sie tragen bei offiziellen Auftritten<br />
violette Soutanen. Das kirchliche Violett hat<br />
seinen Ursprung auch im Purpur. Die Farbe der<br />
weltlichen Macht ist in kirchlicher Interpretation<br />
die Farbe der Ewigkeit und der Gerechtigkeit.<br />
So löste die Kirche das Dilemma, nach Macht zu<br />
streben und trotzdem als demütige Dienerschaft<br />
Gottes zu erscheinen.<br />
In der evangelischen Kirche ist Violett bis heute<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 28
ESSAY<br />
die Kirchenfarbe. An evangelischen Kirchentagen<br />
werden z.B. weiße Fahnen mit violettem<br />
Kreuz gehisst. Schilder, die auf evangelische<br />
Gottesdienste hinweisen, zeigen eine violette<br />
Kirche.<br />
Als liturgische Kirchenfarbe ist Violett die Farbe<br />
der Buße. Bei der Beichte trägt der Priester eine<br />
violette Stola. Beichtstühle haben oft (meistens)<br />
violette Vorhänge. In der Fastenzeit vor Ostern<br />
ist Violett die „tragende“ Farbe (tragen die<br />
katholischen Geistlichen Violett)<br />
In der christlichen Symbolik ist Violett die Farbe<br />
der Demut. Die Kirche löste den Widerspruch<br />
zum violetten Purpur als Farbe der Macht so:<br />
Könige herrschen durch Gewalt, Kardinäle und<br />
die Kirche durch Demut. Passend dazu und weil<br />
das Veilchen schon in der Antike als Blume der<br />
Mäßigung galt, wurde es zur Symbolblume der<br />
Bescheidenheit. Sie kennen das: “ Sei wie das<br />
Veilchen im Moose....“<br />
Bei Festgelagen trug man Veilchenkränze auf<br />
dem Kopf - der Veilchenduft, so hoffte man,<br />
würde vor Kater und Kopfschmerzen bewahren.<br />
Die gleiche Wirkung wurde auch dem Edelstein<br />
Amethyst zugeschrieben, wer einen Amethyst<br />
trägt, sei davor geschützt, betrunken zu werden<br />
(das griechische Wort „amethysos“ bedeutet<br />
„nicht-trunken“).<br />
Dass die Kardinäle vom Papst einen Amethystring<br />
bekommen, hat natürlich einen anderen Sinn:<br />
Nüchternheit bedeutet hier wieder Demut.<br />
Niemand denkt aber wohl beim Anblick<br />
einer violett gekleideten Person an Demut,<br />
Bescheidenheit oder gar Buße - Violett gilt in<br />
der Mode als Farbe der Extravaganz. Es ist die<br />
individuellste Farbe, da nichts, was uns umgibt,<br />
von Natur aus Violett ist. So verrät Violett die<br />
bewußte Entscheidung für eine besondere Farbe.<br />
Violett trägt man nicht unüberlegt wie Kleidung<br />
in Beige, Grau oder Schwarz. Wer Violett trägt,<br />
will sich von der Masse abgrenzen und ist<br />
selbstbewußt. Elizabeth Taylor liebte Violett.<br />
Violett ist auch die Farbe der Eitelkeit und - aller<br />
schönen Sünden und als diese Farbe selbstverständlich<br />
weiblich.. (denken sie an die vielen<br />
Mädchennamen: Viola, Violetta, Jolande, Erika,<br />
Hortense, Malvine etc.). Es gibt keine „violetten“<br />
Jungennamen.<br />
Violett ist auch die Farbe der Eitelkeit. Eitelkeit<br />
ist nach christlicher Tradition eine der sieben Todsünden<br />
- für uns heute wohl die harmloseste. Doch<br />
im Mittelalter mit den festen Kleiderordnungen<br />
war Eitelkeit ein großes Thema der Predigten: ein<br />
schlimmer Sünder, der lieber den Menschen gefallen<br />
will statt Gott.<br />
Ein Parfum von Dior im giftgrünen Flakon und<br />
violetter Verpackung heißt „Poison“, zu deutsch<br />
„Gift“. Damit soll natürlich nicht suggeriert<br />
werden, dass es giftig sei, sondern gefährlich<br />
betörend und da Violett schon immer eine beliebte<br />
Verpackungsfarbe für Schokolade war (Milka!)<br />
ist Violett auch die Farbe der süßen Sünden.<br />
Sie wissen es: Violett ist die Farbe der<br />
Frauenbewegung. Diese begann mit dem Kampf<br />
um das Wahlrecht für Frauen. „Suffrage“ heißt<br />
„Stimmrecht“ und deshalb nannten sich diese<br />
Frauen „Suffragetten“. Etwa um 1870 begann<br />
die Frauenbewegung in England, denn damals<br />
waren Strafgefangene, Geisteskranke (sofern<br />
sie in „Irrenhäusern“ lebten), Menschen, die in<br />
Arbeitshäuser eingewiesen waren und sämtliche<br />
Frauen (unabhängig von Ehrbarkeit, Intelligenz<br />
und Vermögen) von Wahlen ausgeschlossen.<br />
1918 hatten die Suffragetten in England ihr Ziel<br />
erreicht, 1919 wurde das Frauenstimmrecht<br />
in Deutschland eingeführt, in Frankreich erst<br />
1944. Die Engländerin Emmeline Pethick-<br />
Lawrence machte 1908 drei Farben für die<br />
Frauenbewegung populär: Violett, Weiß,<br />
Grün. Dabei galt Violett als Herrscherfarbe, es<br />
symbolisierte das königliche Blut, das in den<br />
Adern jeder Kämpferin für’s Frauenwahlrecht<br />
fließt, symbolisiert ihr Bewusstsein von Freiheit<br />
und Würde. Weiß symbolisiert Ehrenhaftigkeit<br />
im privaten und im politischen Leben. Grün die<br />
Hoffnung auf einen neuen Anfang.<br />
Die Suffragetten trugen auch im Alltag immer ihre<br />
Farben: Grüne Kostüme mit violetten Paspeln<br />
oder Borten; violette oder grüne Straußenfedern<br />
am weißen Hut usw. Viele Männer unterstützten<br />
die Suffragetten, trugen die Farben als Hutband<br />
und Krawatte. Suffragetten heirateten mit violetten<br />
und weißen Blumen im Brautstrauß. Heute wird<br />
manchmal belächelt, dass eine politische Frauen-<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 29
ESSAY<br />
bewegung sich durch Kleidung profilierte, aber<br />
es war richtig. Es war das beste Mittel, um der<br />
Öffentlichkeit konkret vor Augen zu führen, wie<br />
viele Frauen und Männer zur Bewegung gehörten.<br />
„Violettes Arpeggio“ heißt das nächste Literaturprojekt,<br />
das ich mit vier Frauen und zwei Musikern begonnen<br />
habe, ein Schriftstellerinnenprogramm. Es soll den<br />
Symbolen des „Violett“ nachgehen, auch der Farbe<br />
des Feminismus. Hier beschließe ich für heute den<br />
„violetten Kreis“. Im zweiten Teil wird es um Violett<br />
als Farbe der Magie, der Seelenwanderung, als Farbe<br />
der sündigen Sexualität, Farbe des Originellen und<br />
des Ausgeflippten, Farbe der Zweideutigkeit und<br />
des schwankenden Gefühls gehen und „at last“ um<br />
„Lila - der letzte Versuch“. Bis dahin also!<br />
(Quelle: Eva Heller, Wie Farben auf Gefühl und<br />
Verstand wirken)<br />
Birgit Brüster, München<br />
Max Ernsts Seelenfrieden<br />
oder Rosa Kakadufeder mit<br />
rotem Lederhandschuh<br />
Als Max Ernst mit Peggy Guggenheim im<br />
Arm durch Lissabon spazierte, an einem<br />
hellen sonnigen Morgen im Mai hatte Leonora<br />
Carrington ihn schon lange tot geglaubt. Sein<br />
Tod war ihr so gegenwärtig, so sicher, so<br />
unverrückbar gewesen, dass ihr die Vorstellung<br />
surreal erschien, er wäre noch am Leben.<br />
Sie hatte in den letzten Monaten einen Traum<br />
gehabt, in dem er ertrunken war und so konnte<br />
sie sich gar nichts anderes mehr vorstellen als<br />
das Bild seines Todes. Ein Unfall mit einem<br />
roten Lederhandschuh war schuld, sie sah ihn vor<br />
sich, immer wieder, ihr roter Lederhandschuh,<br />
sie sieht ihn noch jetzt jeden Tag vor sich, groß,<br />
unüberwindlich vor ihrem Gesicht.<br />
Auf seiner Stirn sah sie zuletzt schwarze Striche<br />
wie mit Tusche gezeichnet, Tätowierungen. Die letzte<br />
Erinnerung an sein Gesicht glich einem Portrait, das er<br />
selbst 1938 angefertigt hatte, Autoportrait, Frottage,<br />
Kreide auf Foto, schwarzweiß, eine zehn Jahre alte<br />
Fotografie, von der er einen Ausschnitt schräg<br />
vergrößern ließ. Die mit Kreide durchgeriebenen<br />
Strukturen umschlingen sein Gesicht wie Barthaar,<br />
legen sich wie ein Schleier davor und gleichen in<br />
ihrem Liniengespinst Schriftkürzeln. Es ist, als<br />
habe sich die Natur wie eine Tätowierung in die<br />
dünne Haut eingeschrieben, die Augen tauchen ab<br />
in eine Unterwelt jenseits der Fotografie. Fremde<br />
Zeichen, Hieroglyphen, nicht entschlüsselbar, ein<br />
Schmuck oder eine Verletzung, sie weiß es nicht.<br />
Wenn sie an ihn denkt, denkt sie an das Bild von<br />
ihm, es ist untrennbar mit ihm verknüpft, sein<br />
Gesicht existiert nicht mehr ohne dieses Bild.<br />
Da sie fest davon überzeugt war, die Fantasie sei<br />
schlimmer als die Realität, hatte sie sich nie davor<br />
gefürchtet, später in den Zeitungen von Max<br />
Tod zu erfahren oder über gemeinsame Freunde<br />
davon zu hören. Aber niemals wäre sie auf den<br />
Gedanken gekommen, er könne noch leben und<br />
erst recht nicht mit einer anderen Frau als ihr<br />
selbst. Als Max Ernst im Jahre 1941 mit Peggy<br />
Guggenheim an der Hand den über die Ufer<br />
getretenen Tejo betrachtete, weniger mit Sorge<br />
als vielmehr aus rein künstlerischem Interesse,<br />
war Leonora Carrington gerade aus einem langen<br />
Schlaf mit Träumen erwacht, in denen sie und Max<br />
miteinander rangen, rote Lederhandschuhe den<br />
Besitzer wechselten und Wassermassen die Ufer<br />
von Flüssen überschwemmten. So glaubte sie zu<br />
träumen, als sie dem Paar begegnete, es schien ihr,<br />
als seien die Figuren aus ihrem Unterbewusstsein<br />
noch nicht wieder verschwunden.<br />
Max hielt Peggy Guggenheim an der Hand oder<br />
vielmehr sie hielt ihn an der Hand, in der anderen<br />
baumelte ihre rosa Chaneltasche, seine Hände<br />
waren feucht und überhitzt und als er Leonora sah,<br />
glaubte er sich ebenso wie seine frühere Geliebte<br />
in einem Alptraum, den ihm die Erinnerung als<br />
Trugbild vorsetzte.<br />
Die Dame, die ihm entgegenkam, wirkte wie eine<br />
Wiedergängerin der Frau, die er geliebt hatte, sie<br />
war es, sie musste es sein, sie war kein Vexierbild.<br />
Sie trug einen rosa Hut mit einer Vogelfeder, die er<br />
nicht genau erkennen konnte, sich aber sogleich<br />
sicher war, sie stammte von seinem rosa Kakadu<br />
Homeborn, der in derselben Nacht gestorben war<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 30
ESSAY<br />
als seine kleine Schwester geboren wurde.<br />
Vogelmenschen malte er seither immer wieder,<br />
und doch, der rosa Kakadu, der damals hart<br />
und steif in seinem Käfig gelegen hatte, ihn<br />
hatte er nie vergessen. Und nun diese Feder,<br />
ganz sicher die seines Kakadus, es musste<br />
seine Feder sein, rosarot, die Feder aus seiner<br />
Erinnerungsschublade, in der er alles aufbewahrt<br />
hatte, was an Vergangenheit noch Wert besaß für<br />
ihn. Und wenn es diese Feder war, dann war es<br />
auch diese Frau, seine Geliebte, Leonora, die sie<br />
auf ihrem Hut trug, konnte es nur Leonora sein,<br />
seine Leonora, die Leonora, seine Windsbraut.<br />
Hatte der Sturm der Zeiten, der durch ihre Leben<br />
hindurch geweht war auch sie in diese Stadt<br />
getrieben? Die Trümmerstücke an Erinnerungen<br />
begannen anfangs ihn zu überschwemmen,<br />
später rückten sie weiter fort, die Flüsse der<br />
Erinnerungen trockneten aus und hinterließen ein<br />
Brachland, eine Wüste aus Staub, in der nichts<br />
mehr wuchs.<br />
Seine Windsbraut Leonora, sie war eines Tages<br />
verschwunden, tauchte nicht mehr auf, weder in<br />
seinen Träumen noch in seinen Bildern, und er<br />
hatte geglaubt, sie niemals mehr wieder zu sehen.<br />
Ihre Angst vor den Verfolgern, ihre Angst, in<br />
ein Internierungslager zu kommen, ihre Ängste<br />
überall, sie waren verschwunden mit Peggy.<br />
Peggy Guggenheim, die Lady mit der achteckigen<br />
schwarzweißen Brille und den rundherum<br />
pragmatischen Ansichten, sie rückte Max<br />
zurecht. Manchmal hatte er geradezu das Gefühl,<br />
sie nähme seinen Kopf in die Hand und drehe<br />
ihn auf die andere Seite, wenn sie wollte, dass er<br />
die Dinge von einer anderen Richtung betrachten<br />
sollte. Er fühlte sich wie ein Schuljunge in ihrer<br />
Gesellschaft und doch war er glückselig über ihre<br />
ernstgemeinte Heiterkeit, die ihn weiterleben<br />
ließ.<br />
Ihre Augen blitzten, sie schwenkte die<br />
Chaneltasche hin und her wie ein kleines<br />
Mädchen, übermütig, sorglos, als könnten ihr die<br />
Kriegswirren und das Vagabundieren durch die<br />
Kontinente nichts anhaben, als fürchte sie sich<br />
vor nichts, nicht vor den Deutschen, nicht vor<br />
jungen Liebhabern, nicht vor der Ehe und nicht<br />
vor dem Tod.<br />
Mein kleiner Pinsel! Du bist wie diese<br />
Menschen, die überall Schmerzen haben für die<br />
es keine organische Ursache gibt, du empfindest<br />
seelische Qualen, die nicht real sind, sie sind nur<br />
Erscheinungen, sie schmerzen nicht wirklich.<br />
Komm zu dir und lebe, male, schreibe. Think<br />
pink! Ein ganzes Jahr sollte er mit ihr verheiratet<br />
bleiben, ein ganzes langes Jahr mit Peggy, dann<br />
würde sie fortgehen, um für den Rest ihres Lebens<br />
in Venedig zu lustwandeln. In seinem Gedächtnis<br />
blieb später nur ihr Lachen zurück, frei und offen,<br />
so laut, dass er manchmal glaubte, er würde taub<br />
davon wenn sie ihm zu nahe war.<br />
Wie viele Liebhaber mochte sie gehabt haben<br />
vor ihm, wie viele nach ihm? Das fragt man eine<br />
Dame nicht, darüber spricht man nicht mit einer<br />
Dame, und Peggy war eine Dame, das stand<br />
außer Frage. An fast alles hatte er sich gewöhnen<br />
können, nur nicht an die Anrede „mein kleiner<br />
Pinsel“, das ging gegen seine Ehre, er wurde<br />
jedes Mal rot, wenn sie es sagte, ließ ihre Hand<br />
los, lief davon in die andere Richtung, als könne<br />
er sie so abhalten weiter zu sprechen, doch alles,<br />
was er auslöste, war ein gewaltiger Lachanfall,<br />
der Peggy so sehr schüttelte, dass sich der Inhalt<br />
ihrer rosaroten Chaneltasche über die Straße<br />
ergoss und sie längere Zeit damit beschäftigt war<br />
Lippenstifte, goldene Puderdöschen, Kämme und<br />
Geldscheine einzusammeln, die sie grundsätzlich<br />
nur lose bei sich trug.<br />
Stillos diese Leute, pflegte sie zu sagen,<br />
quetschen ihre Geldscheine in viel zu enge<br />
winzige Lederbörsen, die sie Portemonaie<br />
nennen, was für ein Unfug. Geld muss frei sein,<br />
frei zum Ausgeben, dazu ist es da, es muss atmen,<br />
sich entfalten, Zug um Zug durchatmen, flattern<br />
im Wind. Geldscheine sind wie Schmetterlinge,<br />
bunt müssten sie sein, zitronengelb, rosarot,<br />
lindgrün, azurblau und durch die Lüfte fliegen.<br />
Sieh mal, mein kleiner Pinsel. Und noch ehe er<br />
antworten konnte hatte sie schon einige Scheine<br />
hochgeworfen, ein Frühlingswindstoß wirbelte<br />
sie auf und trug sie davon. Peggy, die Frau ohne<br />
Angst, die Frau, die sich in einem einzigen Lachen<br />
erschöpfte, ein großer Mund mit rotbemalten<br />
Lippen an seinem Ohr. Er wurde taub davon, taub<br />
für die Zwischentöne des Lebens.<br />
Wie anders dagegen Leonora, die Windsbraut,<br />
die wahre Liebende und zugleich die Verräterin,<br />
die ewig Ängstliche, die ihn bedrängte mit etwas,<br />
was ohnehin unausweichlich war, für das er um<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 31
ESSAY<br />
Aufschub bat, nur Zeit, nur noch etwas Zeit für das<br />
Malen und Lieben, bitte. Ich habe Angst, es wird<br />
etwas geschehen, sie werden dich internieren, sie<br />
werden dich fangen und töten. Les Milles, weißt<br />
du, was das bedeutet? Die Flüsse werden über<br />
die Ufer treten, es wird Überschwemmungen<br />
geben, wir werden alle sterben, sie konnte nicht<br />
aufhören, davon zu sprechen. Es wird wahr, wenn<br />
du darüber redest, du redest es herbei.<br />
Und endlich kam der Morgen, an dem sie ihn<br />
abholten, fast eine Erleichterung, die Frist war<br />
rum, als hätte ihr eindringlich flüsternde Stimme<br />
sie herbeigelockt, als hätte sie es nicht nur zuvor<br />
gesehen, gefürchtet, geredet, sondern als sei es<br />
durch ihre Ahnungen erst wahr geworden. An<br />
den Abschied erinnerte er sich nicht mehr, ein<br />
Kuss, ein schwarzes Loch, ein Nichts, in dem er<br />
versunken war.<br />
Und jetzt war sie da, sie war in Lissabon. Die Dame<br />
mit dem rosa Hut kam näher, sie lief mit leichten<br />
fedrigen Schritten, fast wie eine Balletttänzerin,<br />
als schwebe sie über dem Asphalt. Wie klein<br />
ihre Füße waren, ihre Füße waren immer winzig<br />
gewesen, er konnte sie in den Mund nehmen und<br />
ablutschen, Zeh um Zeh, er spielte gern mit ihren<br />
Füßen. Mädchenfüße, Puppenfüße, so winzig, zu<br />
klein für diese Welt, sie lebte auf zu kleinem Fuß.<br />
Und doch würde sie sie alle überleben, sehr bald<br />
würde sie in Mexiko sein und dort leben, wer<br />
weiß wie lange noch.<br />
Peggys Füße waren riesig, die Füße einer<br />
Millionärin. Peggy, die Frohnatur, sie lachte, sie<br />
lachte über alles, sie lachte immer, Peggy, der<br />
rotbemalte lachende Mund, das Gegenteil von<br />
Leonora. Mach` dir keine Gedanken, Honey<br />
sagte sie, Don`t think, think pink. Smile now,<br />
cry later. Sie lebte in einer Gegenwart, die nichts<br />
anderes kannte als den immerwährenden Versuch,<br />
das Vergnügen, in dem sie sich gerade befand,<br />
zu steigern, es bis zum Äußersten zu treiben,<br />
es sich auf der Spitze eines immerwährenden<br />
Hochgenusses auf der Zunge zergehen zu lassen.<br />
Er hasste es, wenn sie ihn Honey nannte. Es war<br />
fast schlimmer als „mein kleiner Pinsel“. Hörte<br />
er das Wort Honey, sah er gleich goldgelben<br />
klebrigen Honig wie er auf ein weißes Baguette<br />
tropfte, wie er an den Fingern hängenblieb, wie<br />
übersüß er den Mund zukleckste. Gelbgoldenes<br />
Gift, dachte er. Wie schön dagegen die Erinnerung<br />
an Leonora, wie sie sich honiggelben glänzenden<br />
Senf auf die nackten Füße geschmiert hatte,<br />
eine Paste, scharf und streng, der Geruch, ein<br />
schöner Kontrast zur Farbe. Wie sie die Schuhe<br />
ausgezogen hatte, damals, in dem kleinen<br />
Restaurant, sie war erst Anfang zwanzig, eine<br />
Wahnsinnige der Kunst und des Lebens, beides<br />
war für sie eins und beides war ihr gleichermaßen<br />
ernst.<br />
Wir müssen die Ufer befestigen, sie überfluten,<br />
Wassermassen drängen nach, siehst du<br />
es nicht, hatte Leonora gesagt, und die<br />
Überschwemmungen ihrer Fantasien gemeint,<br />
die Bilderfluten, die sie tags und nachts quälten,<br />
wir müssen sie eindämmen, sonst läuft alles über,<br />
wir überschwemmen jeden Tag in der Kunst und<br />
jede Nacht an uns selbst.<br />
Er hatte verstanden, aber er wollte nicht. Sein<br />
Pinsel war die Begrenzung, seine Malerei, seine<br />
Kunst, sollte sie sich eine andere suchen. Er<br />
liebte sie als Frau, als Künstlerin musste sie sich<br />
selbst lieben. Er schwieg tagelang und malte.<br />
In den Nächten waren sie einander näher, als<br />
ob die Ufer nicht befestigt werden müssten, die<br />
überschwemmenden Gedanken, Gefühle und<br />
Pläne sie nicht ängstigten, ihre Körper versanken<br />
ineinander, die Dunkelheit brachte Frieden. Sie<br />
schwammen in einem Meer von Farben und<br />
Formen, von Worten und Tönen, der Wind heulte<br />
um das kleine Haus herum, sie fürchtete sich<br />
nicht mehr.<br />
Morgens übermalte er einen Werbeprospekt<br />
für einen Liegestuhl mit verschiebbarer<br />
Rückenlehne, er ließ ihn im Meer schwimmen,<br />
setzte einen Leuchtturm in den Hintergrund, ließ<br />
Wasser hochspritzen. Später taufte er das Bild<br />
„Seelenfrieden“. Er wünschte sich Frieden, den<br />
Frieden, der den ruhenden älteren Herrn auf der<br />
Liege umgab, der in einem stürmischen Meer<br />
seelenruhig schwamm, nicht einmal die Augen<br />
öffnete, träumte und sich nicht erschrecken ließ,<br />
auch nicht von den nackten Armen der Frau<br />
unter ihm, deren Hand sich zu einer Vogelkralle<br />
auswuchs. Das Wasser schoss von allen Seiten<br />
übers Meer, es sprühten Fontänen in den Himmel,<br />
der drohend wolkenverhangen und düster war,<br />
der Wellengang hatte zugenommen, doch nichts<br />
konnte den Schlafenden wecken: Der Schlaf der<br />
Vernunft gebiert Ungeheuer, hatte er gelacht als<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 32
ESSAY<br />
Leonora beim Anblick der Collage geschrien<br />
hatte. Du fürchtest dich wirklich vor allem. Es ist<br />
ein Bild! Es ist ein Alptraum. Warum musst du<br />
sowas malen, warum? Ich habe es nicht gemalt,<br />
es ist eine Collage. Und was willst du damit?<br />
Nichts, meine Liebe nichts.<br />
Dann Frieden, wieder Frieden, immer wieder,<br />
endlich. Die Landschaft um sie herum so weit<br />
und ruhig als wäre die Zeit stehengeblieben mit<br />
ihnen, als hielten sie sie an und wären glücklich.<br />
So friedlich, aber auch ein wenig bedrohlich,<br />
nichts lenkt ab, sie sind allein, sich selbst und<br />
ihren Träumen, ihren Bildern überlassen. Er steht<br />
vor ihr, sie muss ihn umarmen und küssen, wie<br />
langsam er sich ihr nähert, als dauere es Minuten,<br />
sie kann die winzigen Härchen auf der Haut<br />
seiner Wange spüren, seinen Atem, den weißen<br />
Hauch, den er erzeugt in der eisigen Morgenluft,<br />
seine Augen, stahlblau, was für ein Wort, Stahl<br />
ist nicht blau, Stahl ist silbrig oder grau, aber<br />
seine Augen sind stahlblau, sie leuchten kühl und<br />
blau wie Stahl leuchten müsste. Der Atem vor<br />
ihm an frühen Wintertagen, die weiße Fahne, die<br />
aufsteigt wie ein Rauchzeichen des Sieges über<br />
den Tod. Dann ist er da, spürt sie, er ist wirklich<br />
da. Seine Zunge, ein Flattern in ihr, als suche sie<br />
noch den Ort, an dem sie verweilen könnte, seine<br />
Hände sanft und warm. Vor ihr die Tasse von<br />
Meret Oppenheim, pelzverbrämt wie Max Ernst<br />
in der Eislandschaft auf einem ihrer späteren<br />
Bilder, er nimmt sie und trinkt einen Schluck Tee.<br />
Zum Aufwärmen, sagt er.<br />
Das Bauernhaus in Saint-Martin-d` Ardèche,<br />
Südfrankreich, 1938 gekauft, später würde<br />
Leonora es verkaufen und fliehen, fliehen vor<br />
ihm, vor dem Krieg, vor ihrem gemeinsamen<br />
Leben, er wird interniert, entlassen, interniert<br />
und entlassen, sie flüchtet mit Freunden nach<br />
Spanien, nach Portugal, verkauft das Haus mit<br />
der gesamten Einrichtung an den Besitzer des<br />
Hotel des Touristes von Saint Martin, nimmt<br />
seinen Pass mit, hält sich daran fest, an dem<br />
letzten Beweisstück seiner Existenz. Er weiß<br />
nicht, dass sie die Erinnerung aus ihrem Körper<br />
herausbrechen will, sich mit Orangenblütenwasser<br />
fast ertränkt, fastet, körperlich arbeitet bis weit<br />
über ihre Grenzen, weint, schreit, träumt, um<br />
die nächsten Tage und Wochen nach seinem<br />
Abschied zu überstehen.<br />
Die rosa Federn auf ihrem Hut, es war Leonora<br />
und noch immer konnte er es nicht glauben,<br />
was er sah, als wäre sie ein Trugbild, entstanden<br />
aus dem Wahn, sie müsse wiederkehren. Seine<br />
Braut, er würde in Lissabon bleiben, ihre<br />
Wiederbegegnung, ein Zufall, er glaubte an<br />
Zufälle, an nichts anderes, ein Zeichen, sie<br />
gehörten zusammen.<br />
Er hatte damals versucht, sie zu finden, zurück<br />
zu erobern, die einzige Frau, die er je geliebt<br />
hat, drei Monate hatte er an einem Pelzmantel<br />
gemalt und sich bei Bauern in der Nähe ihres<br />
ehemaligen Hauses versteckt, und sie träumte ihr<br />
Träume, weit fort von ihm an einem fremden Ort,<br />
Träume von der Pelztasse von Meret Oppenheim,<br />
die diese gerade in New York erfand. So war der<br />
Pelz zumindest etwas, das sie verband in den<br />
Kriegswirren, in denen alles überschwemmte,<br />
über die Ufer trat, unberechenbar wurde. Aber er<br />
wusste nichts von ihren gemeinsamen Träumen<br />
und ahnte nicht einmal wo sie sich aufhielt. Nur<br />
das Malen des Pelzes genoss er jeden Morgen<br />
aufs Neue, das Malen gab ihm Halt, es hielt ihn<br />
am Leben.<br />
Und auch sie malte. Sie malte ihn, Max Ernst, den<br />
großen surrealistischen Künstler, im roten Pelz<br />
und Ringelsocken geht er durch eine Eiswüste,<br />
ein Fischschwanz bildet das Ende seines<br />
Pelzumhangs, in der Hand eine Laterne mit einem<br />
Schimmel, der darin aufleuchtet. Eine Landschaft<br />
aus Eisgestalten, ein Schimmel, Eisskulpturen<br />
neben ihm, Zapfen daran, im Hintergrund<br />
Gebirge aus Eis, die in einen düsteren Himmel<br />
aufragen. Eiswüsten, Schollen unter ihm, die<br />
jederzeit wegbrechen oder schmelzen könnten,<br />
ein Narr, der nach innen schaut, der den Weg nicht<br />
beachten will, auf dem seine Füße gehen, keine<br />
Schuhe, nur Ringelsocken, die Lampe, die zur<br />
Erleuchtung dienen soll mit dem Pferd, leichten<br />
Schrittes scheint er ohne Angst voranzuschreiten,<br />
sein Haar schlohweiß, die Weisheit des Alters<br />
in seinen Augen. Kein Land zu erahnen, nur<br />
Eisberge, Kraterlandschaften, kreideweiß, die<br />
weit entfernt liegen. Eisfelder, Abgründe, eine<br />
Winterlandschaft im düsteren Gewässer, kein<br />
Halt, keine Befestigungen, kein Ufer, nirgends.<br />
Voranschreiten mit traumwandlerischer Sicherheit<br />
von Scholle zu Scholle, der Fischschwanz aus<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 33
ESSAY / IGdA<br />
Pelz, die Dekoration eines Narren im Traum.<br />
Sie stehen am Tejo, der über die Ufer getreten ist,<br />
mühsam versuchen Einheimische und Flüchtlinge<br />
Befestigungen anzubringen, Sandsäcke zu<br />
schleppen, die Wassermassen zurückzudrängen.<br />
Das Sprachgewirr hüllt sie ein, das unentwegte<br />
Reden in so vielen unterschiedlichen Klängen,<br />
portugiesisch, spanisch, englisch, französisch,<br />
italienisch vereinen sich zu einem Gemisch aus<br />
Klängen wie eine Melodie, die über dem Wasser<br />
schwebt.<br />
Max und Leonora stehen da und schauen zu,<br />
lachen, rangeln am Abhang, lange scheint es<br />
Spaß zu sein, aber dann wird es ernst, sehr ernst.<br />
Du willst mich umbringen! Nein, du mich!<br />
Leonoras Bein schwebt über dem Abgrund, es<br />
sieht aus als hätte sie keine Chance, als wolle<br />
er sie hinunterstoßen, sie sieht sich selbst schon<br />
fallen. Ihr roter Lederhandschuh, an einigen<br />
Stellen außen fleckig, innen warm und weich, sie<br />
lässt ihn los, ganz einfach geschieht es, sie nimmt<br />
es sich nicht vor, es geschieht wie von selbst. Sie<br />
macht eine kurze Drehung auf einem Bein, wie<br />
eine Balletttänzerin, das Pas de deux ist beendet,<br />
er steht am Abgrund, sein Fuß über dem Wasser,<br />
da lässt sie ihren roten Handschuh los und er fällt.<br />
Kein Schrei, kein Laut, nichts, als würde er<br />
freiwillig stürzen, sie sieht ihm nach als könne<br />
sie nicht glauben, was geschieht, als betrachte sie<br />
eine Szene in einem Film, wie in Zeitlupe scheint<br />
er zu fallen. Es ist ein Traum, denkt sie, es ist<br />
nur ein Traum. Aber sie weiß, sie besitzt rote<br />
Lederhandschuhe, sie stammelt etwas vor sich<br />
hin, ihre Lippen zittern vor Kälte und Aufregung,<br />
noch fällt er, immer noch, den roten Handschuh<br />
in seiner Hand, im allerletzten Moment scheint er<br />
sogar zu springen, beinahe elegant sieht es aus,<br />
wie die Turmspringer bei der Olympiade, eine<br />
Drehung, dann ein Aufplatschen, hoch spritzt das<br />
Wasser des Tejo von allen Seiten, Fontänen, die<br />
seinen Körper umringen. Er taucht unter in dem<br />
matten Grün, sein Kopf unter Wasser, die grauen<br />
Strähnen ganz deutlich unter der Oberfläche zu<br />
erkennen. Etwas zieht sich zusammen in Leonora,<br />
ein Zucken wie kurz vor dem Einschlafen, die<br />
Muskeln entspannen sich, sie lächelt. Peggy<br />
nimmt ihre Hand und zieht sie fort. Honey, let`s<br />
go. Das ist nichts für feine Ladies.<br />
Eingebettet in grünlich trübe Wassermassen treibt<br />
er davon, er scheint schon nicht mehr zu leben, sie<br />
sieht keine Schwimmbewegungen, nur ein ruhiges<br />
Treiben, weiter weg, fort von ihr, wohin weiß sie<br />
nicht. Nicht einen Augenblick lang der Impuls<br />
ihn zu retten, hinein zu springen, zu schreiben,<br />
nichts. Ein einsamer roter Lederhandschuh in<br />
seiner Hand, vom Ufer aus kann man ihn kaum<br />
erkennen.<br />
Mein Handschuh, er hat meinen Handschuh<br />
mitgenommen, Peggy! Leonora bewegt ihre<br />
Lippen, das Gesagte entgleitet ihr, es fließt aus<br />
ihr heraus, ein Strom, der nicht mehr endet,<br />
einmündet in die erschrockenen Schreie und<br />
Rufe der Fremden.<br />
Und dann steht er hinter ihnen, seine Augen<br />
stahlblau, ein Blau, das klarer nicht scheinen<br />
könnte. Die schwarzen dichten Wimpern nass<br />
wie von Tränen überströmt, noch nie hat sie ihn<br />
weinen sehen und auch jetzt, keine Regung, ein<br />
kleines Lächeln, ein leichtes Erstaunen, kaum<br />
sichtbar, ihr roter Lederhandschuh in seiner<br />
Faust, er hebt den Arm und lacht. Das Wasser<br />
tropft aus seiner Kleidung, aus den Haaren, es<br />
stört ihn nicht, er steht da als sei dieser kleine<br />
Zwischenfall ein Zufall und könne einen Mann<br />
seiner Größe nicht beeindrucken.<br />
Du hast etwas verloren, meine Liebe. Er<br />
zieht das triefende rote Leder behutsam über<br />
Leonoras Hand. Bitte sehr. Es ist, als verwachse<br />
der Handschuh mit ihrer Haut, als setze er ihre<br />
Hand fort, rot und kühl, dann wärmer. Sie wagt<br />
nicht, ihn wieder abzustreifen, sein Blick war<br />
ernst, feierlich, als würde er ihr einen Ehering<br />
überstreifen.<br />
Wie wäre es mit einer Shoppingtour, Ladies? Zwei<br />
lachende Münder, rotbemalt, zwei dunkelbraune<br />
Augenpaare, zwei Damen in seinem Herzen. Die<br />
Ufer sind befestigt, die Wassermassen dürfen fließen<br />
und drei Hände, einander festhaltend, laufen durch<br />
Lissabon, flanieren und lachen, die Herzen hüpfen<br />
kreuz und quer durch sie hindurch, als könnten sie<br />
sich zwischen ihnen nicht entscheiden.<br />
Nachruf<br />
Rainer Hengsbach-Parcham<br />
Am 28. Dezember 2012 verstarb Rainer<br />
Hengsbach-Parcham im Alter von 62 Jahren. Er<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 34
IGdA<br />
wurde1950 in Berlin (West) geboren und war 20<br />
Jahre in der Forschung tätig. Seine literarische<br />
Tätigkeit begann 1994 indem er in Österreich<br />
einen literarischen Verlag gründete, der heute<br />
als Beggerow Buchverlag (www.beggerowbuchverlag.de)<br />
in Berlin seinen Sitz hat und von<br />
seiner Frau Karin Manke weitergeführt Einen<br />
Schwerpunkt bildete die Lyrik und Lyriktheorie,<br />
sowie die Veröffentlichung seiner eigenen Werke.<br />
Er war von 2004 - 2010 Mitglied der IGdA, kandidierte<br />
2005 für den Vorstand und war 2008 und<br />
2009 Beisitzer des Vorstandes und kurze Zeit<br />
auch Redaktionsmitglied der IGdA-aktuell..<br />
Die Zusammenarbeit und Heirat von Rainer<br />
Hengsbach mit Karin Manke hat für den Verlag<br />
Impulse für Erinnerungsliteratur zwischen Ost- und<br />
Westdeutschland, „Brücke und Gemeinsamkeiten<br />
zwischen Ost und West“ nach der Wiedervereinigung<br />
Deutschlands. Zwei Sammelbände sind unter dem<br />
Titel „Zu Wahrheiten vereint“ (Teil I, 2009) und<br />
„Zu Wahrheiten vereint (Teil II, 2011), Vereint<br />
und geteilt?“ unter Herausgabe von Karin Manke<br />
und Philipp Sonntag erschienen.<br />
Entsprechend seiner Lebenserfahrung ahnte<br />
Hengsbach, dass Lyrik auch ein „undankbares<br />
Geschäft“ sei:<br />
Undankbar ist das Geschäft der Dichter heute!<br />
Nicht Anerkennung will man ihnen geben<br />
Und keine Apanage mehr zum Leben;<br />
Müßige Spinner für die meisten Leute.<br />
Neue Mitglieder<br />
Wir freuen uns, drei neue Mitglieder begrüßen<br />
zu dürfen, die teilweise mit Prosatexten in dieser<br />
Ausgabe bereits vogestellt wurden:<br />
Thomas Schiffer<br />
Helmfried Protsch<br />
Lothar Klouten<br />
Lothar Klouten, Krefeld<br />
Prof. Dr. Mario Andreotti beschreibt in "Die Struktur<br />
der modernen Literatur" unter dem Titel "Literatur<br />
und Markt: die Situation der Schriftsteller" auf<br />
den Seiten 128 bis 131 sehr pointiert die Situation.<br />
Mit ihm habe ich Kontakt. Er wird für die IGdA<br />
am 20./21. April <strong>2013</strong> in Puchheim das Seminar<br />
"Wie erkennt man einen guten Text? Kriterien der<br />
literarischen Wertung" durchführen. Dazu in dem<br />
genannten Buch von ihm die Seiten 406 bis 410:<br />
"Statt eines Nachworts: einige Kriterien guter<br />
literarischer Texte".<br />
Nach meinem ersten Buch 2008 und den Erfahrungen<br />
incl. zum Marketing und der Ignoranz von<br />
Verlagen zu meinem zweiten Buch heute hatte<br />
ich die Idee: Das kann ich allein. Diese Ausbeuter<br />
und Zerstörer der deutschen Literatur brauche ich<br />
nicht. Und biete es auch anderen <strong>Autoren</strong> an.<br />
Was mich von fast allen anderen <strong>Autoren</strong> unterscheidet:<br />
Ich bin auch Praktiker, was z.B. Digitalität,<br />
Management, Jura und Ökonomie betrifft.<br />
So war ich 15 Jahre Geschäftsführer bei der<br />
NRW-SPD. Bis ich mich Ende 2004 weigerte,<br />
mich bestechen zu lassen - und gegangen wurde.<br />
Aus heutiger Perspektive das Beste, was mir<br />
passieren konnte.<br />
Die sanfte Macht der Ethik siegt.<br />
Das um mich und meinen Rahmen etwas<br />
abzustecken.<br />
www.lothar-klouten.de<br />
Dort können Sie mehr finden.<br />
Wikipedia: Rudolf Bartels<br />
meine Facebook-Fanpage: Der Tod war ein<br />
Meister aus Osterath<br />
Google News "Hugo Recken"<br />
Google "Lothar Klouten"<br />
Ich gehöre zur Spezies der "Digital Immigrants".<br />
Und der der praktischen Theoretiker:<br />
"Nichts ist so praktisch, wie eine gute Theorie".<br />
Albert Einstein<br />
Nun zum - mehr oder weniger - geschäftlichen.<br />
Konkretes Beispiel: Ein Autor, der 2012 mit einem<br />
Verlag zu den üblichen Knebel-Konditionen<br />
einen Prosaband in einer Auflage von 2500<br />
herausbrachte, ist mit mir in der Konzeptionsphase<br />
zu einem neuen Prosaband: Ca. 100 Seiten,<br />
Format noch offen - ich denke, dass auf einer Seite<br />
ein Gedicht ist, und nicht DIN sondern Goldener<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 35
IGdA<br />
Schnitt - sowie eine Erstauflage von 1000. Mit<br />
der Perspektive zu weiteren Auflagen, für die<br />
dann lediglich die Druckkosten entstehen. Der<br />
Autor möchte ein Papier, das zumindest in der<br />
Anmutung Büttenstruktur nahe kommt. Das gibt<br />
es? Und wenn ja: Wie sind die Papierpreise - auch<br />
in Relation zum quasi Normal-Buchdruckpapier?<br />
Haben Sie eine Art Preistabelle?<br />
Ich muss ein Buchprojekt exakt durchkalkulieren<br />
können.<br />
Das Design bestimmt das Bewusstsein.<br />
Ihre Online-Buchandlung:<br />
Geht 100%ig in meine Richtung!<br />
Alle Synergien nutzen und Vernetzungen<br />
aufbauen, die uns die Digiatlität<br />
anbietet.<br />
Dazu muss man sie erst einmal erkennen - und<br />
praktikabel umsetzen.<br />
Was die <strong>Autoren</strong> betrifft, mit denen ich kooperiere<br />
und deren Bücher bei Ihnen gedruckt werde<br />
sollten: Die werden alle dabei sei.<br />
Um für hier abschließend noch einen<br />
draufzusetzen:<br />
Ich wünsche mir auch, dass mein Modell -<br />
richtig! - kopiert wird.<br />
Denn es gibt allein in Deutschland gut 10.000<br />
<strong>Autoren</strong>, die von den etablierten Verlagen<br />
ausgegrenzt werden. Und deswegen aus Not<br />
eBooks rausbringen. Oder "Zuschussverlagen"<br />
auf den Leim gehen.<br />
Ich bin davon überzeugt, dass Abzocker mein<br />
Modell nicht mit Erfolg umsetzen können. Dann<br />
aber leider der eine oder die andere AutorIn<br />
eine unangenehme Erfahrung machen wird. Das<br />
werde ich kaum verhindern bzw. ändern können.<br />
Ich freue mich auf Ihr Feedback,<br />
Lothar Klouten<br />
Helmfried Protsch, München<br />
Der Georg von Toyberg Verlag wurde im Jahr<br />
2010 mit dem Ziel gegründet, neuen <strong>Autoren</strong> die<br />
Möglichkeit zu geben, ihre Texte einem breiten<br />
Publikum zugänglich zu machen.<br />
Es ist bekanntlich für neue <strong>Autoren</strong> äußerst<br />
schwer, einen Fuß auf den Buchmarkt zu setzen.<br />
Der Georg von Toyberg Verlag möchte als »Verlag<br />
für neue <strong>Autoren</strong>« Nachwuchsautoren jeden<br />
Alters auf ihrem literarischen Weg begleiten und<br />
unterstützen.<br />
Wir möchten an dieser Stelle darauf hinweisen,<br />
dass wir für eingesandte Manuskripte keine<br />
Gebühren erheben und für die Herstellung<br />
eines Buches keine Zuschüsse verlangen.<br />
Der Georg von Toyberg Verlag ist kein<br />
Druckkostenzuschuss-Verlag<br />
Da der Verlagsgründer die Künste vereint sehen<br />
möchte, hat er dem Verlag eine Galerie angegliedert.<br />
Sie ist – bis entsprechende Räumlichkeiten<br />
gefunden sind – virtuell.<br />
Aktivitäten der Mitglieder<br />
Walter Ehrismann schreibt: zum Filmprojekt<br />
über die Dreharbeiten zu meinem Dokfilm, im<br />
„Sonntag“ erschienen (az Medien, Katja Landolt)<br />
- der Film sollte dann im Frühling bereit sein,<br />
exakt zu meinem siebzigsten Geburtstag...<br />
Besten Gruss Walter Ehrismann<br />
http://www.facebook.com/n/?walter.ehris<br />
mann%2Fposts%2F285841291518269&m<br />
id=72efd88G46c1f4f2G52c93abG3a&bco<br />
de=1.1355087962.AbnKPy0R3KmTc8S2&n_<br />
m=walter%40ehrismann.com<br />
Eckhard Erxleben: Silberberg Literaturpreis<br />
Im Januar 2012 wurde unter Schirmherrschaft des<br />
Altmärkischen Heimatbundes der Lyrikwettbewerb<br />
Silberbergpreis <strong>2013</strong> ausgerufen.<br />
Das Wettbewerbsgeschehen wurde vom li- terarischen<br />
Freundeskreis Eckhard Erxleben organisiert und<br />
fachlich begleitet. Mit Einsendeschluss vom<br />
31.12.2012 liegen der Jury 1947 Gedichte von<br />
1012 Dichterinnen und Dichtern aus Deutschland<br />
und von deutschsprachigen Lyrikern aus vielen<br />
anderen Ländern vor.<br />
Die Jury hat nun die anspruchsvolle Aufgabe,<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 36
IGdA<br />
aus den beim Wettbewerbskoordinator Rainer<br />
Sander eingegangenen fast 2000 Gedichten in<br />
den nächsten Wochen die besten Texte nach den<br />
Kriterien von Inhalt und Form zu finden und die<br />
Preisträger zu benennen.<br />
Auf einer Festveranstaltung im Rahmen des 16.<br />
Altmärkischen Heimatfestes im Monat Juni <strong>2013</strong><br />
in Gardelegen werden die Sieger geehrt. Wir<br />
freuen uns besonders, dass zu diesem Anlass der<br />
Heimatbund eine Broschüre mit den 60 besten<br />
Gedichten herausgeben wird. Diese Broschüre<br />
wird auch Bilder von etwa 10 Künstlern mit Bezug<br />
zum Heimatgedanken aufnehmen. Jedenfalls<br />
sind alle den Wettbewerb aktiv unterstützenden<br />
Mitwirkenden begeistert von der Resonanz,<br />
die dieser Literaturwettbewerb gefunden hat.<br />
Mehrere zehntausend Interessierte haben die<br />
Wettbewerbshomepage angeklickt und sich dafür<br />
interessiert, was da so literarisch in der Altmark<br />
passiert. Damit haben wir so ganz nebenbei auch<br />
etwas Gutes für unsere Region getan. Und das<br />
wollten wir ja auch.<br />
Peter Dreyling<br />
Vom Di, 02.04.- So, 28.04.<strong>2013</strong>,<br />
Wanderausstellung des Bayer. Landespreises für<br />
ältere Menschen vom Bayer. Staatsmin. für<br />
Arbeit und Sozialordnung etc.<br />
auf der Galerie des Deutschordensschlosses in<br />
Wolframs-Eschenbach, ua mit Peter<br />
Dreyling, Preisträger Mittelfranken.<br />
26.09.-30.09. <strong>2013</strong> Parzival-Seminar in Prag<br />
an der Fachhochschule für künstlerische<br />
Sozialtherapie mit Prof. Ueli Seiler-Hugova, der<br />
Heilpädagogin Kamila Hugova und P. Dreyling.<br />
10.10.-13.10.<strong>2013</strong> Parzival-Seminar<br />
„Gralsmythos“ in Wolframs-Eschenbach mit<br />
Prof. Ueli Seiler-Hugova, Kamila Hugova und<br />
P.Dreyling.<br />
In meinem „PARZIVAL-LESEHum“, 260<br />
verschiedene Parzivalbücher lesen und sehen<br />
und „viel umzu“ auf Anfrage.<br />
Johanna Klara Kuppe<br />
Gratulieren wir zum 1. Preis im Rahmen<br />
des „Remstal-Literaturpreises 2012! „Vom<br />
Oberbürgermeister erhielt ich die Uurkunde<br />
und 1 Flasche „Waiblinger Ratströpfle“ Sekt<br />
und eine Flasche dito Wein und 150 euro. Es<br />
war ein schöner Abend, mit 15 Minuten Lesung<br />
meinerseits und Lesungen anderer (10 Minuten)<br />
und einer Irish Folk-Band.“<br />
Weitere Lesungen führte die äußerst vielseitige<br />
Autorin mit großem Erfolg durch.<br />
Renate Weidauer absolvierte ebenfalls mehrere<br />
Lesungen mit beachtlichem Erfolg.<br />
Cordula Scheel hatte in einer Galerie einen<br />
solch erfolgreichen Leseabend veranstaltet, dass<br />
sie eingeladen wurde, am 9. März <strong>2013</strong> nochmals<br />
aus ihren Gedichten vorzutragen.<br />
Gedichte für die Tageszeitung (noch offene <strong>Autoren</strong>)<br />
Es ist uns auch erstmals gelungen ein Gedicht in<br />
einer überregionalen Tageszeitung zu platzieren.<br />
Wir haben für die Redaktion eine Auswahl an<br />
Gedichten, meist aus Gewinnern der Lyrikwettbewerbe<br />
zusammengestellt, die passen könnten<br />
nach deren Auswahlkriterien. Problem ist, sie<br />
möchten vorab eine Abdruckgenehmigung. (Der<br />
Redaktion 150 Gedichte vorzulegen macht keinen<br />
Sinn! Insofern nur eine Auswahl. Und sicher<br />
werden nur einzelne Glück haben.) Aus unseren<br />
Mitgliedern : Hanna Fleiss: Geheimnisse und<br />
Hermann Wischnat: Der neue Fleiß<br />
Literaturpodium<br />
www.literaturpodium.de<br />
Helmfried Knoll las wieder im Rahmen eines<br />
Abends der Döblinger <strong>Autoren</strong> in Wien mit grossem<br />
Erfolg.<br />
Gaby G. Blattl liest im Rahmen des Wiener<br />
Klubs ‚Ars - pro und contra‘ aus ihren Texten<br />
und Übersetzungen irer Gedichte in die<br />
russische Sprache.<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 37
IGDA<br />
Durch das großzügige Angebot von Lothar<br />
Klouten ist es möglich, an der Leipziger<br />
Buchmesse kostenfrei präsent zu sein. ‚aktuell‘<br />
und einige Bücher von Mitgliedern werden<br />
aufliegen. Zu Beginn vertritt Herr Klouten auch<br />
die IGdA, an den Tagen 15. – 17.3.<strong>2013</strong> werde<br />
auch ich anwesend sein.<br />
Der Literaturkreis deutscher <strong>Autoren</strong> aus<br />
Russland e.V. hat in seinem Almanach 2012 der<br />
‚Literaturblätter‘ die IGdA als Kooperations- und<br />
Freundschaftspartner genannt und uns in diesem<br />
sehr interessanten Buch ganzseitig vorgestellt.<br />
Gaby G. Blattl<br />
Aus der Redaktion<br />
Zum Büchetisch sind keine Meldungen<br />
eingegangen.<br />
An Rezensionen wird noch gearbeitet.<br />
Das Jahr 2 0 1 3<br />
als Gedenkjahr:<br />
Vor 250 Jahren wurde JEAN PAUL geboren,<br />
vor 200 Jahren schrieb Johann Wolfgang von<br />
GOETHE das Gedicht ‚Gefunden‘<br />
wurden Richard WAGNER, Georg BÜCHNER,<br />
Friedrich HEBBEL, Guiseppe VERDI geboren;<br />
vor 150 Jahren wurde Henry VAN DE VELDE<br />
geboren ...<br />
Es kann auch für uns ein wichtiges, gutes Jahr<br />
werden - wenn wir das wollen !<br />
Seminar <strong>2013</strong><br />
Wie erkennt man einen guten<br />
Text? Kriterien der literarischen<br />
Wertung<br />
Referent: Prof. Dr. Mario<br />
Andreotti<br />
Puchheim, 20./21.April <strong>2013</strong><br />
Samstag, 20.April<br />
Tagungsprogramm<br />
14.00 h Eintreffen<br />
Begrüssung und Vorstellung<br />
14.30 - 16.30 h<br />
Kunst und Kommerz - Was ist heute zeitgemässe,<br />
gute Literatur? Vortrag mit Diskussion<br />
16.30 - 17.00 h<br />
Kaffeepause<br />
17.00 - 1830 h<br />
Alles Technik oder was? Wichtige<br />
Gestaltungsmittel moderner und postmoderner<br />
Texte<br />
19.00 h Abendessen<br />
Sonntag, 21.April<br />
ab 07.30 h<br />
Frühstück<br />
09.00 - 11.30 h<br />
Kriterien guter literarischer Texte, an<br />
ausgewählten Beispielen gezeigt (1.Teil)<br />
12.00 h<br />
Mittagessen<br />
13.30 - 15.00 h<br />
Kriterien guter literarischer Texte, an<br />
ausgewählten Beispielen gezeigt (2.Teil)<br />
15.00 - 15.30 h<br />
Kaffeepause<br />
15.30 - 17.00 h<br />
Kriterien guter literarischer Texte, an<br />
ausgewählten Beispielen gezeigt (3.Teil)<br />
17.00 - 17.15 h<br />
Schluss des Seminars: Kritik, Anregungen,<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 38
IGdA<br />
Hinweise<br />
Ort: Seminarhotel DOMICIL, Puchheim<br />
(Nähe München)<br />
Lochhauser Str. 61, 82178 Puchheim<br />
www.domicil-hotel.de<br />
Anmeldung:<br />
bei der Geschäftsstelle der IGdA, Wien<br />
gabyblattl@igda.net<br />
Anmeldefrist: 15. März <strong>2013</strong><br />
Kursgebühr: € 120,- einzahlbar auf der Konto<br />
der IGdA, IBAN DE502501003001020883,<br />
BIC PBNKDEFF<br />
Der Teilnehmer gilt mit der Überweisung als fix<br />
angemeldet.<br />
Max. Teilnehmerzahl: 35<br />
Wir erwarten gerne noch Anmeldungen von<br />
Mitgliedern und Interessenten, da noch Plätze<br />
frei sind.<br />
Treffen der Mitglieder in Wien<br />
Mit grosser Freude wird dieser Höhepunkt des<br />
Jahres <strong>2013</strong> in Wien ausgerichtet. Einige (wenige)<br />
Anmeldungen sind bereits ergangen.<br />
Besuchen Sie nicht nur die Stadt, nehmen<br />
Sie an unseren Angeboten teil. Neben ein<br />
wenig Lokalkolorit gibt es, wie versprochen,<br />
Literarisches, Interessantes, Neues,<br />
Meinungsaustausch, etc. Vor allem aber soll<br />
das ‚Miteinander‘ wieder gepflegt werden. Das<br />
aber kann nur klappen, wenn viele interessierte<br />
Mitglieder und Freunde zu dem Treffen<br />
kommen.<br />
Es ist die Gelegenheit, auch Wünsche,<br />
Anregungen, Beschwerden zur Sprache zu<br />
bringen. Vieles, was vielleicht das Jahr über<br />
Gedanken macht, aber nicht geschrieben wird,<br />
kann in Gesprächen gelöst werden.<br />
Sollten Sie Besichtigungswünsche haben, die<br />
sich mit dem vorgesehenen Programm nicht<br />
oder nur schwer vereinbaren lassen, bitte um<br />
Ihre Mitteilung. Ich werde trachten, Anregungen<br />
aufzunehmen und Wünschen zu entsprechen.<br />
Hotels finden Sie über Reisebüros, das Internet,<br />
etc. Sie kennen Unterkünfte von früheren<br />
Aufenthalten. Empfehlungen finden Sie am<br />
Ende des Programms.<br />
Es ist im Interesse von uns allen, dass viele<br />
Mitglieder, Freunde, Interessierte an dem und<br />
den folgenden Jahreshauptversammlungen<br />
teilnehmen. Gemeinsam lässt sich vieles an<br />
Ideen besprechen und umsetzen.<br />
Wie in den letzten Jahren ist der Tagungsbeitrag<br />
mit € 50,-/Person gleich geblieben.<br />
Hotels:<br />
(im Bereich des Westbahnhofes und der U-Bahn)<br />
IBIS WIEN MARIAHILF<br />
Wien 6., Mariahilfer Gürtel 22-24 – Tel:<br />
0043159998238<br />
Ab € 59.-<br />
Pension Stadthalle<br />
Wien 15., Hackengasse 33<br />
Email: office@pensionstadthalle.at Tel.<br />
004319827232<br />
Einzelzimmer ab € 39,- / Doppelzimmer ab €<br />
59.- zuzüglich Frühstück € 12.-<br />
Leonardo Hotel Vienna<br />
Wien 6., Matrosengasse 6-8<br />
Email: info.vienna@leonardo-hotels.com<br />
ab € 54,- zuzüglich € 13.- Frühstück<br />
bereits bekannt und bewährt:<br />
Stephanushaus<br />
Wien 3., Ungargasse 38<br />
Email: stephanushaus@edw.or.at; Tel:<br />
0043171703<br />
Preis auf Anfrage<br />
Pension Lehrerhaus<br />
Wien 8., Lange Gasse 20<br />
Email: office@lehrerhaus.at; Tel: 004314032358<br />
Preis auf Anfrage<br />
Veranstaltungsort:<br />
Galerie – Gastronomie Heinrich<br />
Wien 16., Thaliastraße 12, Tel :<br />
0043(o)6648649977, email: : gogagi@a1.net<br />
Erreichbar mit U6 bis Thaliastraße, dann<br />
stadtauswärts auf der rechten Straßenseite bis<br />
Nr. 12<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 39
IGdA<br />
JAHRESHAUPTVERSAMMLUNG <strong>2013</strong><br />
Donnerstag, 19. September <strong>2013</strong><br />
PROGRAMM<br />
18.30 h Eintreffen Galerie Heinrich<br />
Begrüßung, kennenlernen, plaudern, wohlfühlen …<br />
19.00 h Othmar Seidner stimmt auf die Tagung in Wien mit Texten von<br />
Josef Weinheber ein<br />
20.00 h gemeinsames Abendessen – Schweinsbraten, Kraut und Knödel<br />
(im Tagungspreis inbegriffen – Getränke auf eigene Rechnung)<br />
Danach<br />
bleiben und plaudern oder Wien am Abend erleben<br />
Freitag, 20. September <strong>2013</strong><br />
10.30 h Workshop mit Johanna Klara Kuppe<br />
‚Zwischen Grille und Mond‘ 3 x mit Inspiration und Handwerk<br />
12.30 h gemeinsames Mittagessen<br />
14.30 h Nachbesprechung, Diskussion, evtl. Schreiben zum Thema<br />
Danach<br />
zur freien Verfügung<br />
19.30 h gemeinsames Abendessen<br />
Danach<br />
Lesen, lesen, lesen – mit Gästen aus Wien<br />
Samstag, 21. September <strong>2013</strong><br />
Vormittag<br />
zur freien Verfügung<br />
14.00 h Vorstandsitzung<br />
16.00 h Jahreshauptversammlung<br />
18.30 gemeinsames Abendessen<br />
19.30 h literarisch-musikalischer Festabend<br />
zum Thema ‚Zeit darf nicht bemessen werden‘ (Peter Coryllis)<br />
(Änderungen vorbehalten)<br />
Ausklang – geselliges Zusammensein<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 40
1. Freiburger Krimipreis <strong>2013</strong><br />
IGdA - SERVICE<br />
Wettbewerbe<br />
Zum zweiten Mal wird im Herbst <strong>2013</strong> der Freiburger Krimipreis verliehen. Vom 12. bis 15.<br />
September <strong>2013</strong> findet ein Lesefest statt, Höhepunkt wird die feierliche Preisverleihung für die<br />
drei besten Kurzkrimis aus der Regio sein. Gesucht werden die spannendsten, originellsten<br />
und gemeinsten Kurzkrimis aus Freiburg und der Regio. Alle schreibbegeisterten Südbadener<br />
(und Sympathisanten) sind aufgefordert, sich an dem Wettbewerb zu beteiligen. Es gibt keine<br />
thematische Einschränkung - allerdings ist die lokale Verortung wichtig: Gewünscht sind<br />
ausdrücklich Krimis aus Freiburg und aus dem Umland.Ein mörderischer Kuraufenthalt in<br />
Badenweiler? Vergifteter Wein am Kaiserstuhl? Rätselhafte Todesfälle in der "Schwarzwaldklinik"?<br />
Ein Unglück am Feldberg? Oder ein Familiendrama in der Wiehre? Lassen Sie Ihrer Phantasie<br />
freien Lauf! Ein spannender Kurzkrimi benötigt nicht immer einen Kommissar, der ihn aufklärt.<br />
Ebenso interessant sind die Perspektiven der Mörder, Diebe, Betrüger, der Opfer oder der<br />
unbeteiligten Beobachter. Wer sich vorher schlau machen möchte, kann in "Die lange Tote vom<br />
Münsterplatz" nachlesen, welche Krimis es beim letzten Mal ins Buch geschafft haben. Den<br />
Gewinnern winkt eine Veröffentlichung ihrer Siegergeschichten in einer Kurzkrimi-Anthologie<br />
des Wellhöfer-Verlags und attraktive Sachpreise. Sie erklären sich bereit, ihre Kurzkrimis bei der<br />
Abschlussveranstaltung einem breiten Publikum vorzutragen. Die Formalitäten:<br />
- Die Geschichten sollten 6 bis 16 Normseiten (30 Zeilen a 60 Zeichen) lang sein. - Die Storys<br />
werden nicht zurückgeschickt, also bitte keine Unikate einreichen! - Bitte keine Namen auf dem<br />
Manuskript! Jedem Kurzkrimi sollte ein kurzes Anschreiben beiliegen, auf dem Name, Adresse und<br />
gegebenenfalls die E-Mail-Adresse notiert sind.<br />
- Die Geschichten bitte in zweifacher Ausfertigung einschicken.<br />
1. Platz: Romancoaching beim Zentrum für Schreibtraining in Freiburg im Wert von<br />
150 Euro<br />
2. Platz: Dunkel-Dinner a la crime für zwei Personen mit den Mordsdaneb im Gasthaus<br />
Zähringer Burg im Wert von 94 Euro<br />
3.-5. Platz: Buchpakete im Wert von 50 bis 70 Euro<br />
Alle <strong>Autoren</strong>, deren Geschichten in der Anthologie des Wellhöfer- Verlages veröffentlicht<br />
werden, erhalten ein Honorar von 50 Euro.<br />
Einsendungen an: Freiburger Krimipreis, Postfach 06 80, 79006 Freiburg<br />
Einsendeschluss: 15. April <strong>2013</strong><br />
2. Regensburg: Literatur im GRAZ - Stadtschreiber <strong>2013</strong><br />
Originalausschreibung: http://www.kunstvereingraz.de/ausschreibung<br />
Literatur im GRAZ - Stadtschreiber <strong>2013</strong><br />
21. Juli - 21. September <strong>2013</strong>,<br />
zweimonatiges Stipendium für Literat/in, ohne Altersbeschränkung im KunstvereinGRAZ,<br />
Regensburg, Schäffnerstraße 21/Hinterhof - www.kunstvereingraz.de<br />
Einsendeschluss: 1. April <strong>2013</strong><br />
Träger des Stipendiums ist der Kunstverein GRAZ.<br />
Die Höhe des 2-monatigen Stipendiums beträgt 1.000,-EUR/Monat. Der/die Literat/in wird vom<br />
21. Juli bis zum 21. September <strong>2013</strong> in einem Atelier des KunstvereinGRAZ, Schäffnerstraße<br />
21/Hinterhof, im Zentrum von Regensburg, arbeiten. Übernachtung im Centrum der UNESCO-<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 41
IGdA - SERVICE<br />
Welterbestadt Regensburg.<br />
Die Wahl der Textgattung ist frei.<br />
Die Ausschreibung richtet sich an Literaten und Literatinnen, die mindestens eine nicht im<br />
Eigen- oder Druckkostenzuschussverlag erschienene Buchveröffentlichung oder entsprechende<br />
Publikationen vorweisen können.<br />
Bewerbungsunterlagen:<br />
Der formlosen, in einfacher Ausfertigung an den KunstvereinGRAZ, Schäffnerstr. 21, 93047<br />
Regensburg, zu richtenden Bewerbung sind neben Angaben zur Person und zum literarischen<br />
Werdegang Arbeitsproben im Umfang von etwa 20 Seiten sowie eine Buchpublikation (aber keine<br />
Anthologien) und eine Beschreibung des Vorhabens in Regensburg beizufügen.<br />
(Die Unterlagen werden nur zurückgeschickt, wenn ein beschrifteter Umschlag mit Porto beigefügt<br />
ist) Die Bewerbung schicken Sie bitte an: Renate Christin 1. Vorsitzende KunstvereinGRAZ e.V.,<br />
Reisacherstr. 3, 93161 Sinzing/Regensburg oder email: art@renatechristin.de<br />
3. Feldkircher Lyrikpreis<br />
Lyrik (unveröffentlicht) zum Thema: „satt liegt deine hand in der wölbung meines rückens“<br />
Das Theater am Saumarkt veranstaltet den 11. Feldkircher Lyrikpreis. Der Feldkircher Lyrikpreis<br />
wird im Jahr <strong>2013</strong> zum ersten Mal zu einem Thema ausgeschrieben. Dieses wird von der<br />
letztjährigen Preisträgerin Elisabeth Steinkellner gestellt. Zur Teilnahme aufgerufen sind alle<br />
Autorinnen und <strong>Autoren</strong>, die sich in ihrer Lyrik mit diesem Thema auseinandersetzen wollen: Die<br />
von einer Jury ausgewählten Texte werden anlässlich der Langen Nacht der Lyrik am Freitag, dem<br />
8. November <strong>2013</strong> um 20.15 Uhr im Theater am Saumarkt, Feldkirch, präsentiert bzw. von den<br />
AutorInnen und <strong>Autoren</strong> selbst dem Publikum vorgestellt.<br />
Bewerbungsvoraussetzungen - Bewerbungsunterlagen<br />
• 1. Blatt (einfach): Name, Kontaktadresse, email-Adresse, Telefonnummer und Bank,<br />
Bankleitzahl und Kontonummer der Autorin/des Autors, Titel aller eingereichten Gedichte<br />
(höchstens 5!) Oben rechts ist eine 5stellige Zahl (z.b. 13 572) zu schreiben, die sich auch auf allen<br />
Textproben oben rechts wieder findet!<br />
• 2. Blatt (einfach): kurzer Lebenslauf, bisherige literarische Tätigkeit, Publikationen<br />
• Textproben (fünffach) Textproben aus bisher unveröffentlichter, <strong>deutschsprachiger</strong> Lyrik<br />
(auch keine im Internet veröffentlichte Lyrik!): Mindestens 3 bis max. 5 Gedichte bzw. 1 Gedicht<br />
mit maximal 5 Seiten á 35 Zeilen (eineinhalbfacher Zeilenabstand). Werden mehr als fünf Seiten<br />
bzw. mehr als 5 Gedichte abgegeben, kann die Einreichung nicht berücksichtigt werden.<br />
• Die Abgabe der Gedichte muss als Schreibmaschinenniederschrift oder als<br />
Computerausdruck erfolgen. Die Gedichte sind fünffach vorzulegen und sind für jedes Jurymitglied<br />
(z.B. mittels Büroklammer) zusammenzuheften. Werden die Gedichte nur 1-fach abgegeben, kann<br />
die Einreichung nicht berücksichtigt werden.<br />
• Jede Kopie muss oben rechts mit der 5stelligen Zahl versehen sein. Keine Originale! Die<br />
Einsendungen können aus arbeitstechnischen Gründen nicht zurückgesendet werden.<br />
• Textexemplare, welche die Anonymität nicht gewährleisten, finden keine Berücksichtigung.<br />
Ende der Einreichungsfrist: 15. April <strong>2013</strong> (Datum des Poststempels)<br />
Höhe des Lyrikpreises: • 1. Preis 1.000 Euro (gestiftet von der Stadt Feldkirch) sowie<br />
Publikation eines eigenen Lyrikbandes bei der Edition Art Science<br />
• 2. und 3. Preis (Höhe noch nicht bekannt)<br />
Es ist vorgesehen, die PreisträgerInnen-Gedichte und eine weitere von der Jury festgelegte Auswahl<br />
von Gedichten in einer Lyrik-Anthologie zum Feldkircher Lyrikpreis bei der Edition Art Science<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 42
IGdA - SERVICE<br />
zu publizieren. AutorInnen, deren Gedichte in der Anthologie publiziert werden, erhalten ein<br />
Belegexemplar.<br />
Die Anthologie wird bei der Verleihung des Feldkircher Lyrikpreises präsentiert.<br />
Vergabe und Information<br />
• Die Zuerkennung des Lyrikpreises erfolgt auf Vorschlag einer Jury.<br />
• Pro Person ist nur eine Einreichung zulässig. Mehrfachbewerbungen werden ausgeschieden.<br />
• Bisherige PreisträgerInnen können sich nach zehn Jahren erneut um den Feldkircher<br />
Lyrikpreis bewerben.<br />
• Auf Grund der Vielzahl der Einsendungen können nur die GewinnerInnen und jene<br />
AutorInnen über das Ergebnis schriftlich verständigt werden, die in die Anthologie aufgenommen<br />
werden.<br />
Wir freuen uns jedoch sehr, wenn Sie als TeilnehmerInnen des Lyrikpreises mit Ihren FreundInnen,<br />
Bekannten und Verwandten am Freitag, dem 8. November <strong>2013</strong> um 20.15 Uhr die Preisverleihung<br />
& Lyriklesung besuchen und laden Sie schon heute herzlich zu dieser Feier mit Buffet ein! -<br />
Beachten Sie das diesbezügliche Rahmenprogramm anläßlich des Feldkircher Lyrikpreises auf<br />
www.saumarkt.at.<br />
Rücksendung der Manuskripte<br />
• Die eingesandten Texte von unberücksichtigten Bewerbungen können aufgrund der hohen<br />
TeilnehmerInnenzahl und des damit verbundenen Arbeitsaufwandes nicht zurückgestellt werden.<br />
Wichtige Hinweise für die Lyrikpreis-BewerberInnen<br />
• Gedruckte oder sonst veröffentlichte Manuskripte sowie Manuskripte, die bereits in früheren<br />
Jahren vorgelegt wurden, finden keine Berücksichtigung.<br />
• Es ist vorgesehen, die Manuskripte von LyrikpreisträgerInnen zu Dokumentationszwecken<br />
dem Franz-Michael-Felder- und Vorarlberger Literaturarchiv zu übermitteln.<br />
• Die TeilnehmerInnen erklären sich bereit, dass die Gedichte in einer Publikation zum<br />
Feldkircher Lyrikpreis abgedruckt werden.<br />
• Die Texte sind 5-fach zu senden an:<br />
Theater am Saumarkt, Kennwort „Feldkircher Lyrikpreis“<br />
Mühletorplatz 1, 6800 Feldkirch, Österreich<br />
• Info: www.saumarkt.at<br />
4. Wolfgang A. Windecker-Lyrikpreis<br />
Bewerber um diesen Preis sollten eine aussagekräftige, phantasiereiche Lyrik schreiben.<br />
Thematisch gibt es keinerlei Vorgaben. Die Einsendungen können sich auf Alltag, Freizeit beziehen,<br />
Umweltprobleme ins Bild fassen oder auch die Schönheit der Natur preisen - ebenso ist Liebeslyrik<br />
erwünscht. Zu vermeiden sind Kitsch und Klischees. Texte extremistischer Tendenz haben zu<br />
diesem Wettbewerb keinen Zugang.<br />
Interessierte senden in Kopien mindestens fünf und maximal sechs Gedichte ein.<br />
Die Texte werden nicht zurückgesandt, sondern vernichtet.<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Außer dieser Annonce werden keine zusätzlichen Informationen verschickt.<br />
Wenn die Preisträger ausgesucht sind, werden nur diese benachrichtigt, die anderen Teilnehmer<br />
werden nicht einzeln benachrichtigt.<br />
Der erste Preis ist mit 250 Euro, der zweite mit 150 Euro und der dritte mit 100 Euro dotiert.<br />
Einsendeschluss ist der 5. Juli <strong>2013</strong> und Stichtag für die Auswahl der Preisträger ist de 25. August<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 43
IGDA - SERVICE<br />
<strong>2013</strong>.<br />
Es kann ab sofort eingesendet werden.<br />
Einsendungen mit vollständiger Namens- und Absenderangabe an<br />
Wolfgang A. Windecker, Starenweg 4, 31061 Alfeld/Leine.<br />
5. Lyrikwettbewerb Elemente<br />
Die Elemente der Natur können in Aufruhr sein. Doch viele Bedeutungen stecken hinter diesem<br />
Wort. Sie mögen nur als Anregung für das Schreiben dienen. Elemente einer neuen Gesellschaft<br />
oder zweifelhafte Elemente mag es geben. Lyrische Werke zu allen Themen und in verschiedenen<br />
Stilen können eingereicht werden. Auf literarische Qualität legen wir zentralen Wert. Klassische<br />
Poesie ist genauso möglich wie surreale Formen oder gereimte Gedichte. Satire, Ironie und Humor<br />
sind gefragt. Bitte die Beiträge in deutscher Sprache einsenden. Wir freuen uns über Einsendungen<br />
aus anderen Ländern. Die Gedichte müssen selbst verfasst sein. Dem Wettbewerb zusätzlich<br />
angeschlossen ist eine Spezialaufgabe. Das Thema heißt „Ethik und Psyche“.<br />
Viele Bücher und Sachpreise sind zu gewinnen. Dazu gehört die Veröffentlichung der<br />
Gewinnergedichte und zahlreicher weiterer. Maximal dürfen 20 eigene Gedichte eingereicht werden.<br />
Die Teilnahme am Wettbewerb ist frei. Das je einzelne Gedicht wird als preiswürdig ausgewählt.<br />
Qualität zählt vor Menge. Nach Einsendeschluss erhält jeder weitere Informationen. Bitte den<br />
Namen und die vollständige Adresse angeben und die E-Mail-Adresse aktuell halten.<br />
Unabhängig vom Wettbewerb besteht später die Möglichkeit die Gedichte in einem Buch zu<br />
publizieren. Mit sechs Euro je Gedicht ist das möglich. Der Band wird in jedem Buchladen erhältlich<br />
sein mit ISBN-Nummer. Die <strong>Autoren</strong> bekommen ihn zu einem günstigeren Preis. Wer diese Option<br />
nutzen möchte, prüfe die Gedichte sehr genau auf Fehler. Bitte über jedem Gedichttitel den eigenen<br />
Namen einfügen.<br />
Einsendeschluss ist der 31. März <strong>2013</strong>, Kennwort: Elemente<br />
hier einsenden: info@literaturpodium.de<br />
www.igdablog.wordpress.com/<br />
IGDA aktuell, <strong>Heft</strong> 1 (<strong>2013</strong>) Seite 44<br />
Gaby Hühn-Keller, Friedberg