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Referat von Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs (pdf/179.64KB)

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gemeinsamen Weltaugenblick erzeugen, an dem wir alle teilnehmen können,<br />

freilich nur in virtueller Weise – diese Kommunikations<strong>med</strong>ien tragen mit bei zu<br />

der Entgrenzung und Entstrukturierung des Lebens, die an der Wurzel des Burnout-Syndroms<br />

liegt. Der lebensentgrenzte Mensch aber erkennt und anerkennt<br />

die Lebensendgrenze nicht mehr, obwohl sie sich doch immer wieder in unserem<br />

Alltag zeigt, in vielen Kleinigkeiten, die wir erleben und tun, oder die wir<br />

eben auch nicht wahrnehmen können und weglassen müssen (Meckel 2010, 45).<br />

Dieses Unterlassen fällt in unserer Gesellschaft immer schwerer.<br />

Nicht zuletzt aus psychiatrischer Sicht scheint es höchste Zeit, gegen die manische<br />

Beschleunigung der gesellschaftlichen Verhältnisse Strategien der Retardierung<br />

und Entschleunigung zu entwickeln. In der krampfhaft optimistischen<br />

Kultur der universellen Kommunikation und Konsumtion könnte es sogar darum<br />

gehen, eine Haltung der Melancholie zu kultivieren, nämlich als eine Kultur der<br />

Bedächtigkeit, der Erinnerung, ja sogar der Trauer, die ja der Depression durchaus<br />

entgegengesetzt ist. Melancholie bedeutet nicht Depressivität, sondern vielmehr<br />

ein zwar schmerzliches, aber nicht pathologisches Lebensgefühl, das freilich<br />

in der Regel nicht in den Vorstandsetagen zu Hause ist; ein Lebensgefühl,<br />

das die Erinnerung an die Vergangenheit wach hält; das der Natur als einer zu<br />

bewahrenden Gegenwelt eingedenk bleibt; und das die Bedächtigkeit gegenüber<br />

der Beschleunigung, die Skepsis gegenüber der Euphorie des Fortschritts festhält,<br />

ohne deshalb in Kulturpessimismus und Fortschrittsfeindlichkeit zu verfallen.<br />

Zu einer solchen Kultur der skeptischen Bedächtigkeit beizutragen könnte<br />

uns als Psychiatern und Psychotherapeuten wohl anstehen.

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