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Die erste Person Singular in der Wissenschaft - IGPP

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die Richtung <strong>der</strong> zeitgenössischen Hirnforschung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im H<strong>in</strong>blick auf <strong>der</strong>en<br />

Versuche, Bewusstse<strong>in</strong> zu v<strong>erste</strong>hen. <strong>Die</strong> spezielle Po<strong>in</strong>te dabei ist, dass es nun um<br />

die wissenschaftliche Untersuchung von etwas geht, mit dem diese Untersuchung selbst<br />

durchgeführt wird: das menschliche Bewusstse<strong>in</strong>.<br />

Janichs Analyse kreist um e<strong>in</strong>e Reihe von Begriffspaaren, die sämtlich <strong>in</strong> Bridgmans<br />

Thematik gehören: <strong>erste</strong> <strong>Person</strong> und dritte <strong>Person</strong> (Bridgman spricht von “ich” und<br />

“du”, doch es ist klar, dass er mit “du” die heute so genannte dritte-<strong>Person</strong>-Perspektive<br />

me<strong>in</strong>t), Teilnehmer und Beobachter, Vollzug und Beschreibung.<br />

<strong>Die</strong> oben angesprochene Po<strong>in</strong>te bei diesen Begriffspaaren<br />

besteht dar<strong>in</strong>, dass, was das Thema Bewusstse<strong>in</strong><br />

betrifft, ihre klare Zuordnung zu wissenschaftlich<br />

Erklärendem (explanans) und wissenschaftlich zu Erklärendem<br />

(explanandum) unterlaufen wird. “Denken” als Vollzug<br />

wissenschaftlicher Tätigkeit ist mith<strong>in</strong> zugleich auch das<br />

“Denken”, das durch diese Tätigkeit zu beschreiben ist. Das<br />

Problem <strong>der</strong> Unterscheidung stellt sich hier mit e<strong>in</strong>er Schärfe,<br />

die Bridgmans Analyse nicht erreichen kann, da die explananda<br />

und explanantia <strong>der</strong> Physik von vornhere<strong>in</strong> getrennt konzipiert s<strong>in</strong>d: es gibt dort<br />

zwar (wie überall) vollziehende und beschreibende <strong>Wissenschaft</strong>er, und über <strong>der</strong>en<br />

Unterscheidung spricht Bridgman, aber im Objektbereich <strong>der</strong> Physik kommt e<strong>in</strong>e <strong>erste</strong>-<br />

<strong>Person</strong>-Perspektive nicht vor.<br />

<strong>Die</strong>se Asymmetrie hat sich ganz offensichtlich ohne viel Nachdenken als weith<strong>in</strong><br />

verb<strong>in</strong>dliches Modell etabliert. So kann man v<strong>erste</strong>hen, dass es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Philosophie des<br />

Geistes <strong>in</strong> Mode gekommen ist, diejenigen Begrifflichkeiten, mit <strong>der</strong>en Hilfe e<strong>in</strong>zelnen<br />

Menschen e<strong>in</strong> “ich denke” o<strong>der</strong> “ich tue” <strong>der</strong> <strong>erste</strong>n <strong>Person</strong> zugeschrieben wird, <strong>in</strong> Frage<br />

zu stellen. Zuschreibung ist aber, im Gegensatz zur unpersönlichen Beschreibung, erfor<strong>der</strong>lich,<br />

um Urheberschaft und damit Verantwortlichkeit und damit das Verständnis<br />

und die Praxis sozialen Zusammenlebens zu begründen. Bridgman hat diese “enormen<br />

sozialen Implikationen” am Ende se<strong>in</strong>es Aufsatzes angedeutet.<br />

2 Biographie und Korrespondenz<br />

Noch heute, o<strong>der</strong> heute mehr denn je, kommt die <strong>erste</strong> <strong>Person</strong> <strong>S<strong>in</strong>gular</strong> <strong>in</strong> wissenschaftlicher<br />

Primärliteratur selten vor. Gerd Folkers hat dazu <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Beitrag zum vorliegenden<br />

Band vieles gesagt, das hier nicht wie<strong>der</strong>holt zu werden braucht. Ich möchte<br />

im folgenden untersuchen, wie Bridgmans Aufruf trotz <strong>der</strong> weitgehend unverän<strong>der</strong>ten<br />

Situation, was den Gebrauch des “ich” <strong>in</strong> wissenschaftlichen Artikeln <strong>in</strong> Fachzeitschriften<br />

und Sammelbänden, <strong>in</strong> Monographien und Lehrbüchern betrifft, <strong>in</strong> gewissem Ausmass<br />

Wirkung entfalten kann. Zugleich wird so auch e<strong>in</strong>e Option erkennbar, wie die private<br />

Komponente von <strong>Wissenschaft</strong> als erlebter Tätigkeit nachvollziehbar werden kann.<br />

<strong>Die</strong> Folie, die ich dazu verwende, ist die <strong>der</strong> <strong>Wissenschaft</strong>sgeschichte, und die<br />

entsprechenden Formen von Literatur s<strong>in</strong>d die <strong>der</strong> wissenschaftlichen Biographie und<br />

ziehende, erlebte Tätigkeit, wie Bridgman sagen würde, gegenüber e<strong>in</strong>er unpersönlichen Beschreibung<br />

von ausschlaggeben<strong>der</strong> Bedeutung ist.<br />

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