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Den Menschen im Flüchtling sehen - CARITAS - Schweiz

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Zum nationalen Flüchtlingstag vom 15. Juni 2013

Den Menschen im Flüchtling sehen

Jede Minute verlassen acht Menschen ihre Heimat – auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung und

Terror. So die Angaben des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR). Auf das

Schicksal der aktuell weltweit 43,7 Millionen Flüchtlinge macht jedes Jahr der nationale und

internationale Flüchtlingstag aufmerksam. Mit zahlreichen Aktionen wird auf ihre Situation

hingewiesen. Der diesjährige nationale Flüchtlingstag findet am 15. Juni statt.

*Mehmet Taksin hat die Türkei verlassen, weil er wegen seinem politischen Engagement mehrere

Jahre im Gefängnis verbrachte, wo er auch gefoltert wurde. Im Falle der Rückkehr droht ihm wegen

regimefeindlicher Kritik ein erneutes Strafverfahren. Yanis Tsegay stammt aus Eritrea und ist aus dem

Wehrdienst geflohen. Bei einer Wegweisung aus der Schweiz erwartet sie wegen Desertion und

Republikflucht eine mehrjährige Haftstrafe mit Arbeitslager, unmenschliche Behandlung inklusive.

Arben Litufi ist 25-jährig und stammt aus dem Kosovo. Er kann keine asylrelevanten Fluchtgründe

vorbringen, leidet aber an einer lebensbedrohlichen Herzkrankheit, die im Heimatland nicht

behandelbar ist. Würden Sie diesen Menschen Schutz gewähren?

Mut zur Flucht ins Ungewisse

Die Schweiz ist zu Recht stolz auf ihre humanitäre Tradition, Flüchtlinge aufzunehmen. Obwohl diese

Tatsache von allen politischen Parteien immer wieder gerne betont wird, ist das Thema Asyl und

Flüchtlinge in den Medien und in der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren fast ausschliesslich

negativ besetzt. Zu viele Asylgesuche, Missbrauch der Gesetze, ansteigende Kriminalität, zu lange

Verfahren usw. sind Dauerthemen. Das Asylgesetz wird deshalb ständig überarbeitet und verschärft.

Auch wenn die Auseinandersetzung mit gewissen Inhalten zulässig sowie die Suche nach Lösungen

und Verbesserungen sogar angezeigt ist, darf nicht in Vergessenheit geraten, dass hinter diesen

Themen Menschen stehen. Menschen, die alles hinter sich gelassen haben was ihnen lieb und teuer

war, die sich in einer unsicheren Zukunft wiederfinden, in einer fremden Umgebung. „Stellen sie sich

vor, welchen Mut es erfordert, mit der Aussicht fertig zu werden, Monate, Jahre, womöglich ein

ganzes Leben im Exil verbringen zu müssen“, sagt António Guterres, Uno-Flüchtlingshochkommissar.

In den letzten zwei Jahren haben die Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen in Ägypten,

Tunesien, Libyen, sowie die nach wie vor prekäre Menschenrechtssituation in Somalia und Eritrea

eine grosse Fluchtbewegung ausgelöst: Über 800 000 Menschen mussten 2012 aus ihren

Heimatländern fliehen – so viele neue Flüchtlinge gab es seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Weitere 3,5

Millionen Menschen wurden im vergangenen Jahr innerhalb ihres Heimatlandes vertrieben. Nur ein

Bruchteil von ihnen schafft es über die EU-Aussengrenze und die benachbarten Staaten in die Schweiz

um hier einen Antrag auf Asyl zu stellen.

Caritas Schweiz, Mediendienst 8, 13. Mai 2013


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Im Asylverfahren auf sich alleine gestellt

Auf die Gesuche Vieler wird nicht eingetreten, weil sie zuvor in einem anderen europäischen Staat

registriert wurden und somit dieser für die Behandlung des Asylgesuchs zuständig ist. Die Betroffenen

werden in diese Länder weggewiesen. Diejenigen, welche es ins ordentliche Verfahren schaffen,

haben den Nachweis zu erbringen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass sie im Heimatstaat

wegen ihrer politischen, religiösen Anschauung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen

Gruppe ernsthaften Nachteilen ausgesetzt waren oder ihnen künftige Verfolgung droht.

Im Verfahren sind die Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlinge grundsätzlich auf sich alleine

gestellt. Das Schweizerische Rechtssystem kennt keine Rechtsvertretung von Amtes wegen. Die

meisten Gesuchstellenden sind mittellos und können sich keinen privaten Anwalt oder eine private

Anwältin leisten.

Die Caritas Schweiz führt seit über 20 Jahren in der Zentralschweiz und in Fribourg eine

Rechtsberatungsstelle, an welche sich Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge wenden können.

Angeboten wird eine unentgeltliche Chancen- und Verfahrensberatung. Falls notwendig wird auch

eine Rechtsvertretung übernommen. Alle Asylsuchenden haben Anspruch auf ein faires und korrektes

Asylverfahren. Die Caritas Schweiz setzt sich dafür ein, dass Verfolgte und Bedrohte in der Schweiz

dauerhaften oder zumindest vorübergehenden Schutz erhalten. Den Betroffenen soll ein realistisches

Bild über ihre rechtliche Situation und ihre Erfolgschancen vermittelt werden. Im letzten Jahr hat die

Rechtsberatungsstelle in der Zentralschweiz rund 445 persönliche Beratungen durchgeführt. Jährlich

gehen zusätzlich über 5000 telefonische Anrufe ein. In mehr als 150 Fällen führen die Caritas-

Juristinnen aktuell ein Mandat.

Mehmet Taksin, Yanis Tsegay und Arben Litufi

Mehmet Taksin, Yanis Tsegay und Arben Litufi sind drei exemplarische Fälle, in denen die Caritas

Schweiz die Rechtsvertretung übernommen hat. Ersterer ist in der Zwischenzeit als Flüchtling

anerkannt worden. Das Rechtsberatungsteam hat ihn bei der Beschaffung der Beweismittel unterstützt

und dazu beigetragen, dass er seine Verfolgung in der Türkei nachweisen konnte. Yanis Tsegay muss

weiter auf einen Entscheid warten. Aufgrund der ihr im Heimatland drohenden völkerrechtswidrigen

Behandlung wird ihr wohl ebenfalls Schutz gewährt werden. Im Falle von Arben Litufi hat die

Schweiz ihr humanitäres Gesicht gezeigt. Obwohl er im Kosovo nicht verfolgt wird und er deshalb zu

Recht kein Asyl erhielt, wurde er aus medizinischen Gründen vorläufig aufgenommen. Eine

Wegweisung in sein Heimatland wäre für ihn erwiesenermassen lebensbedrohlich.

Alle drei wären nie aus ihren Heimatländern ausgereist, hätten sie dort in Sicherheit und Würde leben

können. So geht es der überwiegenden Mehrheit aller Flüchtenden. Sie haben triftige Gründe ihr Hab

und Gut, ihre Familie und Freunde zu verlassen. Die Caritas Schweiz setzt sich dafür ein, dass die

Anliegen von Asylsuchenden und Flüchtlingen gehört und ernst genommen werden. Der nationale

Flüchtlingstag am 15. Juni soll in Erinnerung rufen, dass hinter jedem Flüchtling ein Mann, eine Frau

oder ein Kind steht – mit eigenem Schicksal.

Isabelle Müller, Juristische Mitarbeiterin Rechtsberatungsstelle Zentralschweiz, Caritas Schweiz,

E-Mail imueller@caritas.ch, Tel: 041 419 22 73

*Namen geändert

Caritas Schweiz, Mediendienst 8, 13. Mai 2013

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