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Ursprung und Verbreitung des alldeutschen Annexionismus in der ...

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<strong>Ursprung</strong> <strong>und</strong> <strong>Verbreitung</strong> <strong>des</strong> <strong>alldeutschen</strong> <strong>Annexionismus</strong> 111<br />

jedoch, noch ganz dem Vorkriegsverständnis entsprechend, lediglich als Wunsch<br />

nach weltpolitischer Gleichstellung mit England 2 *. Weltherrschaft, so lesen wir<br />

immer wie<strong>der</strong>, me<strong>in</strong>te man damit nicht, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gedanke an Gebietserwerbungen<br />

wurde zu diesem Zeitpunkt von politisch <strong>in</strong> so verschiedenen Lagern stehenden<br />

Gelehrten wie Me<strong>in</strong>ecke, Schäfer <strong>und</strong> Hoetzsch als verfrüht zurückgewiesen 26 .<br />

Freilich — nicht alle Gelehrten teilten diese Zurückhaltung. Nicht immer blieb<br />

man beim Siebenjährigen Krieg als Analogon zu dem Kriege, den man selbst erlebte<br />

: M. Lenz <strong>und</strong> M. Spahn verwiesen statt<strong>des</strong>sen auf Napoleon 26 , <strong>und</strong> J. Haller<br />

sprach sogar von e<strong>in</strong>er „Pax Germanica" 27 . In Schriften dieser Tendenz wurde <strong>der</strong><br />

Gr<strong>und</strong>satz <strong>des</strong> Gleichgewichtes <strong>der</strong> Mächte — ob <strong>in</strong> Europa o<strong>der</strong> zur See — für unzureichend<br />

<strong>und</strong> überholt erklärt 28 . Von dort bis zur Verkündung <strong>der</strong> deutschen<br />

Vorherrschaft <strong>in</strong> Europa - gelegentlich bereits unter dem Schlagwort „Mitteleuropa"<br />

- war es dann ke<strong>in</strong> weiter Weg mehr, wie es die Beispiele von E. Marcks <strong>und</strong><br />

M. v. Gruber zeigen 29 . So warf die spätere Kriegszieldiskussion <strong>in</strong> <strong>der</strong> Debatte über<br />

das Gleichgewichtspr<strong>in</strong>zip, wie sie <strong>in</strong> den ersten Kriegswochen bereits e<strong>in</strong>setzte, am<br />

müssen, 29. IX. 1914 (<strong>in</strong>: Aus <strong>der</strong> Friedens- <strong>und</strong> Kriegsarbeit, Reden u. Aufs. N.F., 3. Bd.,<br />

1916, S. 325). Nachträglich vor dem Untersuchungsausschuß <strong>des</strong> Reichstages hat Delbrück<br />

gegenüber dem Gutachter Volkmann darauf beharrt, daß die Stimmung <strong>in</strong> Deutschland, die<br />

bei Kriegsausbruch ganz von dem Verteidigungsgedanken ausgegangen sei, „sofort" „umgeschlagen"<br />

sei „<strong>in</strong> die Vorstellung, wir wollen gesichert se<strong>in</strong>, für alle Zukunft, <strong>und</strong> das geht<br />

nur, wenn wir erobern ..." (aus: E. Volkmann, Die Annexionsfragen <strong>des</strong> Weltkrieges, <strong>in</strong>:<br />

Die Ursachen <strong>des</strong> deutschen Zusammenbruches, das Werk <strong>des</strong> Untersuchungsausschusses, i. A.<br />

<strong>des</strong> Deutschen Reichstages, IV. Reihe, 2. Abt., Bd. 12, 1929, S. 33). Mit Kriegsbeg<strong>in</strong>n allgeme<strong>in</strong><br />

feststehende Eroberungsziele nennt Delbrück jedoch nicht.<br />

2* H. Delbrück, Der zukünftige Friede, 27. IX. 1914, PrJbb Bd. 158, S. 59 f. H. Oncken,<br />

Unsere Abrechnung mit England, <strong>in</strong>: EK, H. 8, 1914, S. 30. - M. Spahn, An <strong>der</strong> Pforte <strong>des</strong><br />

Weltkrieges, Okt. 1914 (<strong>in</strong>: HL, Jg. 12, S. 25).<br />

26 D. Schäfer, Deutschland <strong>und</strong> Frankreich, <strong>in</strong>: EK, H. 1, 1914, S. 29f. Haller, Warum <strong>und</strong><br />

wofür wir kämpfen, 1914, S. 27. F. Me<strong>in</strong>ecke, Wahrheit <strong>und</strong> Lüge, S. 73. — Zurückweisung<br />

verfrühter Kriegszieldiskussion bei F. Me<strong>in</strong>ecke, Der Weltkrieg, <strong>in</strong>: NR, Bd. 25 (1914), S. 1627;<br />

D. Schäfer, Deutschland <strong>und</strong> <strong>der</strong> Osten, als Handschrift gedruckt, 6. II. 1915; O. Hoetzsch,<br />

Pol. Wochenrückblick v. 3. II. 1915, <strong>in</strong>: Der Krieg <strong>und</strong> die große Politik, Bd. I, 1917, S. 80.<br />

Seeberg schrieb über die anfängliche Haltung vieler Notabe<strong>in</strong> — d. h. <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Kollegen —,<br />

niemand von ihnen wolle reden, „weil ke<strong>in</strong>er später Unrecht haben will" . . . (14. II. 1915, an<br />

F. Lezius, SK).<br />

28 Lenz an Delbrück, 31. VIII. 1914, DB . . . „Wollte denn Napoleon etwas An<strong>der</strong>es als<br />

e<strong>in</strong>en verbündeten Kont<strong>in</strong>ent? War er nicht zur Unterjochung <strong>der</strong> Festlandsmächte gezwungen<br />

?!!" Lenz konnte hier an se<strong>in</strong> schon vor dem Kriege gewonnenes Napoleonbild anknüpfen.<br />

M. Spahn, An den Pforten <strong>des</strong> Weltkrieges, S. 28. (Hervorhebungen, auch im Folgenden,<br />

stets wie im Orig<strong>in</strong>al).<br />

2 ' J. Haller, Warum <strong>und</strong> wofür wir kämpfen, S. 28.<br />

2 « J. Haller, Ebd., S. 22f., S. 25; auch: Rade an Delbrück, 24. X. 1914, <strong>der</strong> Begriff <strong>des</strong><br />

Gleichgewichtes sei so zweifelhaft wie <strong>der</strong> <strong>der</strong> kirchenpolitischen Parität, „Man muß versuchen,<br />

den neuen Frieden ohne diesen Begriff zu machen ..." DB.<br />

29 M. v. Gruber, Die Mobilisierung <strong>des</strong> Ernährungswesens, <strong>in</strong>: SMhh, Sept. 1914, S. 860;<br />

J. Haller, Warum <strong>und</strong> wofür, S. 27; W. Ostwald, Europa unter deutscher Führung, 15. IX.<br />

1914, Monist. Sonntagspredigten, Leipzig 1914, S. 188; O. v. Gierke, Krieg <strong>und</strong> Kultur, 1914,<br />

S. 18; E. Marcks, Wo stehen wir, S. 30f.

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