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Berlins Top 200 - Beilage der Berliner Morgenpost - Berlin Business ...

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<strong><strong>Berlin</strong>er</strong><br />

E XTRA<br />

<strong>Morgenpost</strong><br />

S ONNTAG, 15. SEPTEMBER 2013<br />

- ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Die <strong>200</strong> größten Arbeitgeber in <strong>Berlin</strong><br />

Beschäftigt<br />

Gesucht<br />

Gesund<br />

Vernetzt<br />

Die <strong>200</strong> größten Arbeitgeber<br />

<strong><strong>Berlin</strong>s</strong> stocken ihre Belegschaften<br />

weiter auf. Stieg ihre Mitarbeiterzahl<br />

2012 um 1,7 Prozent,<br />

stellen die Unternehmen auch in<br />

diesem Jahr kräftig ein. Seite 2<br />

Die Deutsche Bahn muss mehr<br />

als 80.000 Mitarbeiter neu rekrutieren.<br />

Die verantwortliche Managerin<br />

Kerstin Wagner erklärt im<br />

Interview, wie <strong>der</strong> Konzern das<br />

macht. Seiten 2 und 3<br />

Die Gesundheitswirtschaft in<br />

<strong>Berlin</strong> boomt. Mehr als 170.000<br />

Menschen arbeiten bereits in<br />

dem Sektor, das ist fast je<strong>der</strong><br />

fünfte Beschäftigte in <strong>der</strong> Region.<br />

Und es werden mehr. Seite 6<br />

Die schnell wachsende Digitalwirtschaft<br />

stellt massiv ein. Fast<br />

65.000 Menschen arbeiten in<br />

<strong>Berlin</strong> in <strong>der</strong> Branche. Erste Startups<br />

entdecken die duale Ausbildung.<br />

Seite 7


2 TOP <strong>200</strong><br />

SONNTAG, 15. SEPTEMBER 2013 | BERLINER MORGENPOST<br />

Die Kopfjägerin <strong>der</strong><br />

Deutschen Bahn<br />

Kerstin Wagner ist bei <strong><strong>Berlin</strong>s</strong> größtem<br />

Arbeitgeber dafür verantwortlich, Zehntausende<br />

neuer Mitarbeiter zu rekrutieren<br />

Ein Job bei <strong>der</strong> Bahn, das war für<br />

viele Jahrzehnte eine Traumperspektive<br />

für Jugendliche. Doch das<br />

seit 1994 privatwirtschaftlich geführte<br />

Deutsche Bahn AG (DB) ist<br />

inzwischen ein Arbeitgeber wie<br />

viele an<strong>der</strong>e, er muss sich im Wettbewerb<br />

mit an<strong>der</strong>en renommierten<br />

Firmen um guten und motivierten<br />

Nachwuchs mühen. Nach Jahren<br />

des Stellenabbaus hat <strong>der</strong> bundeseigene<br />

Konzern zudem ein demografisches<br />

Problem: 42 Prozent <strong>der</strong><br />

rund <strong>200</strong>.000 Mitarbeiter in<br />

Deutschland sind über 50 Jahre alt.<br />

Der bundeseigene Konzern muss<br />

in den nächsten zehn Jahren<br />

80.000 Mitarbeiter ersetzen. Um<br />

dieses Ziel zu erreichen, hat die<br />

Bahn im Juni 2012 mit Kerstin<br />

Wagner erstmals eine Managerin<br />

eingestellt, die sich mit ihrem<br />

Team speziell um die Gewinnung<br />

neuer Mitarbeiter kümmert. Mit<br />

<strong>der</strong> 43 Jahre alten Leiterin des Personalrecruiting<br />

sprach Thomas<br />

Fülling.<br />

<strong><strong>Berlin</strong>er</strong> <strong>Morgenpost</strong>: Frau Wagner,<br />

als Siebenjähriger wollte ich unbedingt<br />

Schrankenwärter werden. Hätte<br />

ich mit einem solchen Wunsch heute<br />

noch eine Chance bei Ihnen?<br />

Kerstin Wagner: Sie hätten mit sehr<br />

vielen Wünschen eine Chance bei<br />

uns, weil wir ein unheimlich großes<br />

Portfolio an Jobs bieten können.<br />

Wir haben es mal zusammengerechnet<br />

und kommen auf 500 Berufe,<br />

die es bei <strong>der</strong> Bahn gibt.<br />

Schrankenwärter beschäftigen wir<br />

auch. Das Berufsbild hat sich aber<br />

sehr verän<strong>der</strong>t: Da ist viel Technik<br />

und Elektronik dabei, die <strong>der</strong>jenige<br />

beherrschen muss. Das macht heute<br />

in <strong>der</strong> Regel <strong>der</strong> Fahrdienstleiter,<br />

<strong>der</strong> in den Stellwerken arbeitet.<br />

Die Bahn will pro Jahr rund 7000<br />

Mitarbeiter einstellen. 2012 hat das<br />

Unternehmen sogar 15.000 Stellen<br />

neu besetzt. Wie erklärt sich dieser<br />

große Bedarf?<br />

Ja, wir haben im letzten Jahr 11.000<br />

neue Mitarbeiter und etwa 4000<br />

Auszubildende eingestellt. Der Bedarf<br />

hat vor allem etwas mit dem<br />

demografischen Wandel zu tun. Altersbedingt<br />

werden uns in den<br />

nächsten Jahren Zehntausende<br />

Mitarbeiter verlassen, <strong>der</strong>en Stellen<br />

nachbesetzt werden müssen.<br />

Im ersten Halbjahr 2013 hat die DB<br />

in Deutschland <strong>200</strong>0 Stellen zusätzlich<br />

geschaffen.<br />

Für die 4000 Plätze für Schulabgänger,<br />

die die Bahn in diesem Jahr in<br />

ganz Deutschland vergab, hatten sie<br />

laut Bahnchef Rüdiger Grube 54.000<br />

Bewerbungen bekommen. Eigentlich<br />

müssen Sie sich doch um Berufsnachwuchs<br />

gar keine Sorgen machen?<br />

Das ist auch ein Beleg dafür, dass<br />

unsere Aktivitäten am Markt fruchten.<br />

Nichtsdestotrotz müssen wir<br />

uns schon anstrengen, um geeigneten<br />

Nachwuchs zu gewinnen. Wir<br />

müssen immer wie<strong>der</strong> deutlich<br />

machen: Die DB ist ein unheimlich<br />

attraktiver Arbeitgeber, auch und<br />

gerade für die Auszubildenden.<br />

Denn als einer <strong>der</strong> größten Arbeitgeber<br />

bieten wir etwas, das für viele<br />

sehr wichtig ist: eine gewisse Sicherheit<br />

und eine große Jobvielfalt.<br />

Dass alles müssen wir im Markt<br />

weiter kundtun.<br />

Die Bahn hat dazu sogar zur besten<br />

Sendezeit teure TV-Werbespots mit<br />

dem Slogan „Kein Job wie je<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e“<br />

ausstrahlen lassen.<br />

Ziel <strong>der</strong> Kampagne war, die große<br />

Berufsvielfalt <strong>der</strong> Bahn rüberzubringen.<br />

Wir haben dazu die Türen<br />

aufgemacht und einen Blick hinter<br />

die Kulissen geboten. Wir wollten<br />

damit die große Bandbreite an Einstiegsmöglichkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Bahn<br />

zeigen – für Schüler, für Facharbeiter,<br />

aber genauso auch für Hochschulabsolventen<br />

und bereits Berufserfahrene.<br />

Sie haben viele Möglichkeiten,<br />

sich in verschiedenste<br />

Richtungen weiterzuentwickeln.<br />

Neue Wege Kerstin Wagner, 43,<br />

zeigt im <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Hauptbahnhof ein<br />

Plakat <strong>der</strong> Arbeitgeberkampagne<br />

Das alles wollten wir mit <strong>der</strong> Arbeitgeberkampagne<br />

rüberbringen.<br />

Interessant war ja, dass in den Werbespots<br />

keine Schauspieler, son<strong>der</strong>n<br />

aktive Eisenbahner die Hauptdarsteller<br />

waren.<br />

Uns war es ganz wichtig, dass dieser<br />

Einblick in die Bahn sehr glaubwürdig,<br />

sehr authentisch ist. Daher<br />

haben sich Kollegen in ihrer eigenen<br />

Arbeitssituation gezeigt. Und<br />

so, als wenn <strong>der</strong> Zuschauer ganz<br />

zufällig dabei wäre.<br />

Die Bahn<br />

in <strong>Berlin</strong><br />

Arbeitgeber Die Deutsche<br />

Bahn AG beschäftigt 18.380<br />

Mitarbeiter in <strong>der</strong> Bundeshauptstadt,<br />

darunter 6.500 Frauen.<br />

Allein 3000 Mitarbeiter kümmern<br />

sich darum, dass die <strong><strong>Berlin</strong>er</strong><br />

S-Bahn durch die Stadt fährt, im<br />

Werk Rummelsburg bereiten<br />

mehr als 1000 Techniker und<br />

Servicekräfte ICE-Züge <strong>der</strong> Bahn<br />

für ihren täglichen Einsatz vor.<br />

Zudem haben rund 1000 Lokführer<br />

ihre Heimat in <strong>Berlin</strong>. fü<br />

Die Spots waren auch im Kino und<br />

auf Internetplattform YouTube zu sehen.<br />

Warum eigentlich?<br />

Dahinter steht die Frage, wo finde<br />

ich denn die Bewerber, die für uns<br />

in Frage kommen o<strong>der</strong> die Interesse<br />

an <strong>der</strong> Bahn als Arbeitgeber haben.<br />

Dann muss ich mir überlegen,<br />

wo sind die Bewerber normalerweise<br />

unterwegs, wenn sie sich informieren<br />

wollen. Fernsehen und<br />

Kino sind da ganz wichtige Kanäle.<br />

Bei den Jüngeren sind das natürlich<br />

auch die sozialen Medien. Deshalb<br />

haben wir unsere Karriereseite<br />

(www.deutschebahn.com/karriere)<br />

ganz neu gestaltet. Das ist eine<br />

komplett neue Welt. Dabei haben<br />

wir uns davon leiten lassen, was<br />

sind die Anfor<strong>der</strong>ungen eines Bewerbers,<br />

wenn er auf unsere Seite<br />

geht. Dazu gehört vor allem eine<br />

gute Navigation – ich muss die relevanten<br />

Informationen, die ich für<br />

eine Bewerbung brauche, sehr<br />

schnell finden, und ich muss sehr<br />

schnell die offenen Stellen finden.<br />

Diese kann je<strong>der</strong> jetzt gleich oben<br />

auf <strong>der</strong> Seite tagesaktuell einsehen<br />

– heute waren es mehr als 1700.<br />

Gibt es auch eine spezielle Angebote<br />

für Schüler?<br />

Gerade haben wir unter dem Motto<br />

„Azubi nah dran“ eine neue<br />

Kampagne zur Gewinnung neuer<br />

Auszubilden<strong>der</strong> gestartet. Da zoomen<br />

wir noch mal näher ran, um<br />

<strong><strong>Berlin</strong>s</strong> <strong>200</strong> größte Arbeitgeber stellen weiter ein<br />

Vor allem Bahnhersteller,<br />

die Gesundheitsbranche<br />

und die noch junge<br />

Internetwirtschaft<br />

wachsen rapide<br />

T VON KATHARINA LEHMANN<br />

UND MICHAEL GNEUSS<br />

Die <strong>200</strong> größten Arbeitgeber <strong><strong>Berlin</strong>s</strong><br />

stocken ihre Belegschaften<br />

weiter auf. 2012 stieg die Zahl <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter um durchschnittlich 1,7<br />

Prozent an. Damit setzt sich <strong>der</strong><br />

positive Trend fort: 2011 stellten<br />

die von <strong>der</strong> <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> <strong>Morgenpost</strong><br />

befragten <strong>200</strong> größten Unternehmen<br />

1,5 Prozent mehr Personal ein.<br />

2010 waren es drei Prozent.<br />

Nicht so rosig sind die Aussichten<br />

indes für dieses Jahr. Zur aktuellen<br />

Jobentwicklung äußerten sich<br />

125 <strong>Top</strong>-<strong>200</strong>-Arbeitgeber. 41 von ihnen<br />

wollen Stellen aufbauen, neun<br />

rechnen mit einem Abbau. 2012<br />

war die Stimmung positiver: Von<br />

134 Unternehmen planten 50 neue<br />

Mitarbeiter einzustellen. Nur sechs<br />

wollten kürzen. Insgesamt wurden<br />

für 2013 rund 2070 neue Stellen angekündigt<br />

(Vorjahr 2498). 460 Stellen<br />

(160) wollen die <strong>Top</strong> <strong>200</strong>-Arbeitgeber<br />

hingegen abbauen.<br />

Spitzenreiter unter den <strong>Top</strong> <strong>200</strong><br />

ist weiterhin die Deutsche Bahn.<br />

Rund 18.000 <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> arbeiten für<br />

den Verkehrsdienstleister. Auf<br />

Platz zwei folgt die Charité mit<br />

16.582 Mitarbeitern, Platz drei belegt<br />

das Vivantes (14.391).<br />

Zu den großen Gewinnern im<br />

Ranking gehören die Bahnhersteller.<br />

So erhöhte Stadler Pankow die<br />

Zahl seiner Mitarbeiter um 44,4<br />

Prozent auf 1300. Schon im Vorjahr<br />

vermeldete Stadler ein Plus von<br />

22,3 Prozent. Und auch Bombardier<br />

wächst: 2012 stieg die Mitarbeiterzahl<br />

von 4,8 Prozent auf 585.<br />

Auch an<strong>der</strong>e Industrieunternehmen<br />

bauen die Belegschaft in <strong>Berlin</strong><br />

deutlich aus: Thyssen-Krupp<br />

gab einen Mitarbeiterzuwachs von<br />

10,1 Prozent (auf 644) bekannt, Alstom<br />

bringt es mit einem Plus von<br />

11,6 Prozent auf 480. BASF hatte<br />

2012 rund 1.300 <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> (plus 8,3<br />

Prozent) fest angestellt.<br />

Die <strong>Top</strong>-<strong>200</strong>-Unternehmen <strong>der</strong><br />

Autobranche beschäftigen fast<br />

16.600 Mitarbeiter, das sind fast<br />

fünf Prozent <strong>der</strong> <strong>Top</strong>-<strong>200</strong>-Arbeitsplätze.<br />

Automobil und Bahn zusammen<br />

kommen auf 15 Prozent.<br />

Fast je<strong>der</strong> fünfte <strong>Top</strong>-<strong>200</strong>-Arbeitsplatz<br />

(18 Prozent) entfällt auf die<br />

Gesundheitswirtschaft. Mit <strong>der</strong><br />

Charité und Vivantes sind zwei<br />

große Gesundheitsdienstleister unter<br />

den <strong>Top</strong> drei. In den 14 Klinikunternehmen,<br />

zwei Medizintechnik-<br />

und fünf Pharmakonzernen arbeiten<br />

64.075 <strong><strong>Berlin</strong>er</strong>. Die Mitarbeiterzahl<br />

des Sektors wächst mit<br />

2,4 Prozent überproportional.<br />

Deutlich ist <strong>der</strong> Zuwachs in <strong>der</strong><br />

Medizintechnik (Biotronik plus 8<br />

Prozent auf 2445 und B. Braun Melsungen<br />

plus 13,4 Prozent auf 770).<br />

Immer präsenter unter den <strong>Top</strong><br />

<strong>200</strong> wird die Digitale Wirtschaft.<br />

3613 Beschäftigte zählen die fünf


BERLINER MORGENPOST | SONNTAG, 15. SEPTEMBER 2013 TOP <strong>200</strong> 3<br />

die unterschiedlichen Berufe bei<br />

<strong>der</strong> Bahn kennenzulernen. Das Medium<br />

Bewegtbild ist da für Jugendliche<br />

ganz wichtig, wir haben 14 Filme<br />

mit Berufsbil<strong>der</strong>n. Und auch da<br />

sprechen Menschen, die bei uns<br />

aktuell in <strong>der</strong> Ausbildung sind.<br />

Man hat die Möglichkeit, ihnen<br />

über die Schulter zu schauen. Diese<br />

Filme kann man über unseren<br />

YouTube-Kanal abrufen o<strong>der</strong> auf<br />

unserer Karriereseite bei Facebook<br />

finden. In den sozialen Netzwerken<br />

sind wir enorm gewachsen. Inzwischen<br />

haben wir über 62.000<br />

Fans auf unserer Karriereseite auf<br />

Facebook. Und je höher die Zahl<br />

<strong>der</strong> Fans ist, umso mehr können<br />

wir den Dialog führen.<br />

Welche Fragen werden Ihnen den von<br />

Job-Interessenten gestellt?<br />

Ganz oben steht dabei immer wie<strong>der</strong><br />

die Frage, wie muss ich mir das<br />

MASSIMO RODARI<br />

denn vorstellen, wenn ich bei <strong>der</strong><br />

Bahn anfange. Der Bewerber von<br />

heute ist in <strong>der</strong> Regel schon recht<br />

gut informiert. Dann aber will er<br />

wissen, was sind das so für Typen,<br />

die da schon arbeiten, was erwartet<br />

mich, wenn ich selber dorthin täglich<br />

zur Arbeit gehe. Diese Fragen<br />

müssen wir beantworten. Und wir<br />

müssen zeigen, für welche Werte<br />

das Unternehmen steht. Das können<br />

sie nicht mit Hochglanzbroschüren,<br />

son<strong>der</strong>n nur mit glaubwürdigen<br />

Botschaften von denjenigen,<br />

die bei uns schon arbeiten.<br />

Wie wollen Sie einen gut ausgebildeten<br />

Ingenieur, <strong>der</strong> heutzutage zwischen<br />

zehn lukrativen Job-Angeboten<br />

auswählen kann, für sich gewinnen?<br />

Für uns sprechen sehr viele Argumente:<br />

etwa die Vielfalt unserer<br />

Berufsangebote, vom Gleisbauer<br />

über den Ingenieur bis hin zur<br />

Forstwirtin. Wir können zudem eine<br />

hohe Stabilität und Sicherheit<br />

bieten, was einem Großteil <strong>der</strong> Bewerber<br />

enorm wichtig ist. Wir unterstützen<br />

eine kooperative und offene<br />

Unternehmenskultur, das<br />

kann ich nach einem Jahr eigener<br />

Erfahrung nur bestätigen. Da können<br />

wir gut punkten. Ein weiterer<br />

Punkt, <strong>der</strong> unheimlich anspricht,<br />

ist die hohe Flexibilität, die wir<br />

bieten können. Man muss das Unternehmen<br />

nicht verlassen, um<br />

neue Job-Möglichkeiten zu entdecken.<br />

Und viele überzeugt unsere<br />

spannende Branche: Mobilität und<br />

Logistik geht nicht nur jeden etwas<br />

an, son<strong>der</strong>n wir sind in Geschäften<br />

unterwegs, die für Zukunft <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

prägend sind. Denken Sie<br />

an den grünen Fernverkehr.<br />

Bei <strong>der</strong> Nachwuchssuche sind sie inzwischen<br />

auch im Ausland aktiv?<br />

Wir sind ein internationaler Konzern,<br />

haben 100.000 Mitarbeiter<br />

im Ausland. In erster Linie suchen<br />

wir unserer Nachwuchskräfte in<br />

Deutschland, aber wir schauen uns<br />

auch an, wie sehen die Möglichkeiten<br />

im Ausland aus, speziell im Ingenieursbereich.<br />

Erste kleinere<br />

Schritte machen wir in Spanien,<br />

aber auch in Griechenland und Rumänien.<br />

Wir haben da erste Einstellungen<br />

in kleinem Umfang.<br />

Sie kooperieren auch mit Hochschulen<br />

im Ausland. Reichen Ihnen die<br />

Absolventen aus Deutschland nicht?<br />

Ja, in den USA gibt es zum Beispiel<br />

zwei: das Georgia Institute of<br />

Technology in Atlanta und die University<br />

of Rhode Island. In letzterer<br />

werden auch Lehrveranstaltungen<br />

in Deutsch angeboten. Wir<br />

müssen immer als globales Unternehmen<br />

denken. Und gerade im<br />

akademischen Bereich sind Bewerber<br />

deutlich internationaler. Da<br />

müssen wir Antworten geben.<br />

Zu lesen war, dass sie jetzt sogar<br />

62-Jährige neu einstellen, nicht unbedingt<br />

ein Mittel gegen Überalterung?<br />

Unsere Zielgruppen sind nicht nur<br />

Schüler und Hochschulabsolventen,<br />

son<strong>der</strong>n auch die Berufserfahrenen.<br />

Und altersunabhängig zählt<br />

da die Expertise, die jemand mitbringt,<br />

das Engagement und die<br />

Lust, bei uns zu arbeiten. Und ältere<br />

Kollegen bringen viel wertvolles<br />

Know-How mit, das uns beispielsweise<br />

als Ausbil<strong>der</strong> helfen kann, <strong>der</strong><br />

sein Wissen an die Jugendlichen<br />

weitergibt. Denn Wissenstransfer<br />

muss man auch organisieren.<br />

Gemeinsam<br />

sind sie stärker<br />

Die neue Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung <strong><strong>Berlin</strong>s</strong> startet<br />

T VON JOACHIM FAHRUN<br />

Die Umzugskisten sind ausgepackt<br />

im dritten Stock des Ludwig-Erhard-Hauses.<br />

Nach jahrelanger<br />

Debatte und Monaten <strong>der</strong><br />

Gespräche ist <strong>der</strong> letzte Schritt<br />

<strong>der</strong> Neuorganisation <strong>der</strong> <strong><strong>Berlin</strong>er</strong><br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>landschaft nun<br />

vollzogen: Die 80 Experten <strong>der</strong><br />

Technologiestiftung GmbH<br />

(TSB) sind mit ihren Kollegen<br />

von <strong>der</strong> Wirtschaftsför<strong>der</strong>- und<br />

Stadtmarketing-Organisation<br />

<strong>Berlin</strong> Partner verschmolzen, die<br />

nun offiziell <strong>Berlin</strong> Partner für<br />

Wirtschaft und Technologie<br />

heißt. Die Stiftung selbst bleibt<br />

als kleine Einheit erhalten und<br />

soll ein Pfadfin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Technologielandschaft<br />

bleiben.<br />

In gemischten Teams gehen<br />

Technik-Experten und Investorenwerber<br />

nun an die Unternehmen<br />

heran. „Wir haben früher<br />

auch schon kooperiert“, sagte<br />

<strong>Berlin</strong>-Partner-Chefin Melanie<br />

Bähr. Aber solange man in zwei<br />

Organisationen arbeite, wisse <strong>der</strong><br />

eine eben doch nicht so genau,<br />

was <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e eigentlich tue<br />

und zu bieten habe. Und weil in<br />

<strong>Berlin</strong> ein Großteil <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

nun einmal von Technik<br />

getrieben ist, wurde unter <strong>der</strong><br />

Wirtschaftssenatorin Cornelia<br />

Yzer (CDU) die Fusion des operativen<br />

Arms <strong>der</strong> Technologiestiftung<br />

mit <strong>Berlin</strong> Partner<br />

durchgesetzt.<br />

Günter Stock, als Aufsichtsratschef<br />

von <strong>Berlin</strong> Partner und<br />

Kuratoriumsvorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

TSB treibende Kraft hinter dem<br />

Zusammenschluss, weiß um die<br />

Schwäche <strong>der</strong> bisherigen Doppelstruktur:<br />

„Bisher war ein auswärtiger<br />

Investor in <strong>Berlin</strong> gut beraten,<br />

zu mehreren Ansprechpartnern<br />

zu gehen“, sagte <strong>der</strong> ehemalige<br />

Schering-Vorstand, <strong>der</strong> auch<br />

Präsident <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong>-Brandenburgischen<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

ist. Die Wirtschaftsför<strong>der</strong>gesellschaft<br />

habe in Fragen<br />

<strong>der</strong> Technologie „nicht immer<br />

den Bezug zur aktuellsten Information<br />

gehabt“. Es sei eher Zufall<br />

gewesen, wenn sie den Rat<br />

<strong>der</strong> TSB eingeholt hätten, die<br />

ebenfalls im Haus <strong>der</strong> IHK an <strong>der</strong><br />

Fasanenstraße saßen. An<strong>der</strong>sherum<br />

hätten die Technik-Firmen,<br />

die mit TSB-Mitarbeitern in Kontakt<br />

stehen, halt ebenso wie an<strong>der</strong>e<br />

Unternehmen Interesse an<br />

Grundstücken o<strong>der</strong> För<strong>der</strong>geld,<br />

über die die Technik-Berater bislang<br />

eher weniger bescheid wussten.<br />

„Jetzt können wir uns zur internationalen<br />

Benchmark entwickeln“,<br />

sagte Stock mit Blick auf<br />

an<strong>der</strong>e Wirtschaftsför<strong>der</strong>gesellschaften.<br />

Die Mitarbeiter hätten<br />

mitgezogen, weil mit <strong>der</strong> Fusion<br />

kein Stellenabbau verbunden gewesen<br />

sei.<br />

Jetzt sind die Kompetenzen<br />

gebündelt. Die neuen Teams sollen<br />

auch besser als bisher beurteilen<br />

können, ob bestimmte Verfahren<br />

in Unternehmen eventuell<br />

för<strong>der</strong>ungswürdig sind.<br />

Die neue Gesellschaft wird neben<br />

dem Stadtmarketing nach<br />

Clustern und Branchen organisiert.<br />

Die Überschriften heißen<br />

Energie/Mobilität, Gesundheitswirtschaft,<br />

Digitale Wirtschaft/<br />

Dienstleistungswirtschaft, Industrielle<br />

Produktion/Optik. In jedem<br />

Feld arbeiten rund 25 Leute.<br />

Darunter sind die Teams thematisch<br />

enger organisiert, Themen<br />

heißen hier E-Mobility, Biotech/<br />

Pharma o<strong>der</strong> auch das neue Thema<br />

Smart Cities. „Die Kunst <strong>der</strong><br />

neuen Organisation ist es, integrierte<br />

Projekte zu entwickeln,<br />

die die bisherigen Grenzen zwischen<br />

Wissenschaft, Wirtschaft<br />

und Verwaltung überschreiten“,<br />

sagte Bähr. Sie wird weiter an <strong>der</strong><br />

Spitze von <strong>Berlin</strong> Partner stehen,<br />

ein zweiter Geschäftsführer wird<br />

gesucht.<br />

Die neue Organisation muss<br />

nun die im internen Umstrukturierungsprozess<br />

liegen gebliebenen<br />

Aufgaben anfassen. Darüber<br />

hinaus definieren Stock und Bähr<br />

zwei Zukunftsaufgaben. Mit dem<br />

Senat müsse geklärt werden, wer<br />

sich schwerpunktmäßig um die<br />

IT- und Internet-Wirtschaft<br />

kümmern soll. Und die Präsenz<br />

im Ausland solle ausgebaut werden,<br />

möglicherweise in gemeinsamen<br />

Büros mit <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Hochschulen<br />

o<strong>der</strong> den Tourismuswerbern<br />

von Visit <strong>Berlin</strong>. „Die letzten<br />

20 Jahre haben alle in <strong>Berlin</strong><br />

versucht, sich voneinan<strong>der</strong> abzugrenzen“,<br />

sagte Stock, „die<br />

nächsten 20 Jahre werden sie lernen<br />

müssen, sich zu integrieren.“<br />

Sonst seien die Potenziale <strong><strong>Berlin</strong>s</strong><br />

nicht zu heben.<br />

größten Online-Firmen, die um 13,3<br />

Prozent zulegten. Treiber sind My-<br />

Toys (plus 19,3 Prozent) und Amazon<br />

(plus 74 Prozent). Wie bedeutend<br />

die Branche inzwischen für<br />

<strong>Berlin</strong> ist, misst Hartmut Mertens,<br />

Chefvolkswirt bei <strong>der</strong> Investitionsbank<br />

<strong>Berlin</strong> auch an <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

Unternehmensneugründungen:<br />

„Alle 20 Stunden wird in <strong>Berlin</strong> ein<br />

Start-up gegründet.“ Über die Hälfte<br />

des in Deutschland vergebenen<br />

Wagniskapitals lande in <strong>Berlin</strong>.<br />

„Sowohl bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

Beschäftigten also auch beim Wirtschaftswachstum<br />

steht <strong>Berlin</strong> besser<br />

da als <strong>der</strong> Bundesdurchschnitt“,<br />

erklärt Mertens. Insgesamt<br />

stieg die Beschäftigung in<br />

<strong>Berlin</strong> um 3,4 Prozent. Demnach<br />

stocken die <strong>Top</strong> <strong>200</strong> also in geringerem<br />

Umfang als alle <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Unternehmen<br />

die Belegschaften auf.<br />

Möglicherweise wären die<br />

<strong>Top</strong>-<strong>200</strong>-Zahlen höher, wenn <strong>der</strong><br />

Fachkräftemangel nicht wäre.<br />

„Trotz allem fehlt es in <strong>Berlin</strong> vor<br />

allem an qualifizierten Facharbeitern“,<br />

mahnt Volkswirt Mertens.<br />

Das äußere sich auch in den 17.000<br />

unbesetzten Stellen. Zwar könnten<br />

Unternehmen neue Stellen insgesamt<br />

noch sehr gut besetzen. Das<br />

liege aber vor allem daran, dass<br />

<strong>Berlin</strong> als attraktive Region auch<br />

qualifiziertes Personal anzieht.<br />

„120.000 Menschen sind in den<br />

vergangenen Jahren zugewan<strong>der</strong>t<br />

und haben viele <strong>der</strong> neu geschaffenen<br />

Stellen besetzt.“<br />

Weniger positiv dagegen liest<br />

sich die Ausbildungsstatistik <strong>der</strong><br />

<strong>Top</strong> <strong>200</strong>. Die 97 Unternehmen, die<br />

bei <strong>der</strong> Umfrage dazu Angaben<br />

machten, beschäftigten 8962 Lehrlinge<br />

zum Ende des vergangenen<br />

Jahres, das ist ein Minus von 1,1<br />

Prozent. Für Mertens ist das aber<br />

kein Grund zur Sorge: „Ausgebildet<br />

wird vor allem bei den Mittelständlern.“<br />

Zukunftsweisend <strong>Berlin</strong>-Partner-Geschäftsführerin Melanie Bähr<br />

RETO KLAR


Die <strong>Top</strong> <strong>200</strong> <strong>der</strong> <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Wirtschaft<br />

In Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> <strong>Berlin</strong> Partner GmbH


6 POLITIK<br />

SONNTAG, 15. SEPTEMBER 2013 | BERLINER MORGENPOST<br />

<strong>Berlin</strong> ist Deutschlands Forschungslabor<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

<strong>der</strong> Hauptstadt wächst<br />

ungebremst. Mehr als<br />

170.000 Menschen<br />

arbeiten bereits in dem<br />

Sektor. Tendenz:<br />

weiter steigend<br />

T VON KLAUS LÜBER<br />

Wenn eine Branchengröße sich<br />

entschließt, in den Nachwuchs vor<br />

Ort zu investieren, kann das nur<br />

ein gutes Zeichen für den Standort<br />

sein. Im Mai diesen Jahres gab <strong>der</strong><br />

Pharmakonzern Bayer Healthcare<br />

bekannt, man wolle sich nun auch<br />

in <strong>Berlin</strong> intensiv um junge Startups<br />

aus dem Bereich Biowissenschaft<br />

kümmern. Ein Programm<br />

namens „CoLaborator“ soll bis zu<br />

zehn junge Firmen mit Technik<br />

und Infrastruktur versorgen. Ziel<br />

sei es, so Andreas Busch, Mitglied<br />

des Excecutive Committees bei<br />

Bayer HealthCare, das „enorme<br />

Wissen, das innerhalb und außerhalb<br />

des Unternehmens vorhanden<br />

ist, gemeinsam nutzen“.<br />

Die Entscheidung für <strong>Berlin</strong><br />

dürfte den Bayer-Managern dabei<br />

nicht allzu schwer gefallen sein.<br />

Die Gesundheitswirtschaft ist eine<br />

<strong>der</strong> Boom-Branchen in <strong>Berlin</strong>-<br />

Brandenburg. Mit rund 170.000 Erwerbstätigen<br />

und einer Bruttowertschöpfung<br />

von 6,3 Milliarden Euro<br />

ist <strong>der</strong> Gesundheitssektor zweitgrößter<br />

Wirtschaftszweig. „Der Beschäftigungsanteil<br />

in <strong>der</strong> Gesundheitswirtschaft<br />

an allen Erwerbstätigen<br />

liegt schon jetzt bei 14,2 Prozent<br />

und ist damit im Vergleich mit<br />

an<strong>der</strong>en Regionen beson<strong>der</strong>s<br />

hoch“, sagt Mario Czaja, Senator<br />

für Gesundheit und Soziales.<br />

Zahlreiche Standortvorteile<br />

Das ist auch kein Wun<strong>der</strong>, bedenkt<br />

man die Standortvorteile, die <strong>Berlin</strong><br />

gegenüber an<strong>der</strong>en Regionen<br />

besitzt. Da ist zum einen die einzigartige<br />

Dichte an universitären<br />

und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.<br />

Beispielsweise<br />

sind von den vierzehn Son<strong>der</strong>forschungsbereichen<br />

<strong>der</strong> Humboldt-Universität<br />

sechs unmittelbar<br />

für die Gesundheitswirtschaft<br />

relevant. Max-Planck-Institute sowie<br />

Institute <strong>der</strong> Leibniz- und <strong>der</strong><br />

Helmholtz-Gemeinschaft haben in<br />

<strong>Berlin</strong> ihren Sitz, allein sieben forschen<br />

zur Gesundheitswirtschaft.<br />

Hinzu kommt: In <strong>Berlin</strong>-Brandenburg<br />

findet sich die größte Konzentration<br />

von Biotech-Firmen<br />

Deutschlands. Rund 500 Unternehmen<br />

aus den Bereichen Gesundheit,<br />

Pharma, Biotech und Medizintechnik<br />

sind in <strong>der</strong> Region zu finden.<br />

Darunter bekannte Namen<br />

wie die Charité, Vivantes, Helios,<br />

Median, die Pharmaunternehmen<br />

Bayer Healthcare und <strong>Berlin</strong> Chemie<br />

sowie das Medizintechnikunternehmen<br />

Biotronik.<br />

Eine beson<strong>der</strong>e Rolle spielt die<br />

Charité. Das Krankenhaus ist<br />

Deutschlands größtes Universitätsklinikum<br />

und eines <strong>der</strong> größten in<br />

BAYER<br />

Mehr Beschäftigung<br />

<strong>Top</strong> <strong>200</strong> Die Beschäftigung<br />

bei den<br />

<strong>Top</strong>-<strong>200</strong>-Unternehmen<br />

<strong>der</strong> Gesundheitswirtschaft<br />

wächst auch<br />

in diesem Jahr weiter.<br />

Acht Unternehmen<br />

wollen aufstocken, bei<br />

elf bleibe die Zahl <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter konstant.<br />

Zusammen gezählt<br />

sollen so 525 Jobs in<br />

Europa. Mit einem Haushalt von<br />

über 1,3 Milliarden Euro in den Bereichen<br />

Klinikum, Forschung sowie<br />

Studium und Lehre beschäftigt sie<br />

<strong>der</strong>zeit mehr als 16.500 Mitarbeiter.<br />

Allein mit den Drittmitteln, die die<br />

Charité jedes Jahr einwirbt – 2011<br />

waren das 158 Millionen Euro –<br />

werden <strong>200</strong>0 zusätzliche Arbeitsplätze<br />

finanziert.<br />

Als drittes wichtiges Charakteristikum<br />

des Hauptstadt-Netzwerks<br />

gilt die Nähe zur Politik. Nirgendwo<br />

sind sich Politiker und Repräsentanten<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsindustrie<br />

näher als in <strong>Berlin</strong>. Viele gesundheitspolitische<br />

Institutionen<br />

haben ihren Hauptsitz an <strong>der</strong> Spree<br />

verlegt. Allein im traditionsreichen<br />

Langenbeck-Virchow-Haus in unmittelbarer<br />

Nähe zur Charité sitzen<br />

zwanzig medizinische Fachgesellschaften.<br />

Die <strong>Top</strong>-Unternehmen in <strong>Berlin</strong><br />

wissen diese enge Verzahnung von<br />

Industrie, Forschung und Politik zu<br />

<strong>der</strong> Gesundheitswirtschaft<br />

entstehen. Die<br />

größten Pläne hat<br />

Vivantes mit 230 zusätzlichen<br />

Stellen.<br />

<strong>Berlin</strong> Chemie will 113<br />

Mitarbeiter einstellen<br />

und Biotronik 100.<br />

Ausbildung Unternehmen<br />

aus <strong>der</strong> Gesundheitswirtschaft<br />

zählen zu den großen<br />

Ausbildungsbetrieben.<br />

Vivantes hatte<br />

Ende 2012 mehr als<br />

770 Azubis. Die Charité<br />

bildete 440 junge<br />

Menschen aus, Bayer<br />

230 und das Gertrauden-Krankenhaus<br />

125. Das Herzzentrum<br />

zählte 90 Azubis, <strong>Berlin</strong><br />

Chemie 89.<br />

schätzen. Schließlich kommen im<br />

Bereich „Life Science“ viele Ideen<br />

für Produktentwicklungen von den<br />

Ärzten. Entscheidend für den Erfolg<br />

bei <strong>der</strong> Entwicklung neuer Medikamente<br />

und Medizinprodukte,<br />

so Gerd Wacker, Senior Vice President<br />

bei B. Braun Melsungen, sei<br />

die enge Kooperation von Grundlagenforschern<br />

und Unternehmen<br />

mit Kliniken. „<strong><strong>Berlin</strong>s</strong> Stärken sind<br />

die Universitäten, Klinken und<br />

Fachkräfte. Von diesem Umfeld<br />

profitieren wir bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

unserer Produkte.“<br />

Ähnlich äußert sich Matthias<br />

Gottwald, <strong>der</strong> Leiter R&D Policy &<br />

Networking bei Bayer HealthCare:<br />

„Wir wissen die Zusammenarbeit<br />

von Unternehmen mit erstklassigen<br />

Partnern aus dem akademischen<br />

und dem Biotech-Bereich,<br />

wie sie in <strong>der</strong> Hauptstadtregion<br />

möglich ist, sehr zu schätzen.“<br />

Insbeson<strong>der</strong>e für Pharmaunternehmen<br />

ist die wissenschaftliche<br />

Betreuung durch Universitätsmedizin<br />

standortentscheidend. Neben<br />

Bayer HealthCare und <strong>Berlin</strong>-Chemie<br />

haben sich auch weitere Branchengrößen<br />

wie Sanofi-Aventis,<br />

Pfizer und Takeda in <strong>der</strong> deutschen<br />

Hauptstadtregion angesiedelt. Mit<br />

<strong>der</strong> Firma Paraxel hat eine <strong>der</strong><br />

größten so genannten Clinical Research<br />

Organisations in <strong>Berlin</strong> ihren<br />

deutschen Sitz.<br />

Klinische Studien<br />

<strong>Berlin</strong> hätte gute Voraussetzungen,<br />

sich zur „Hauptstadt für klinische<br />

Studien in Europa“ zu entwickeln,<br />

schrieb die Unternehmensberatung<br />

McKinsey schon vor drei Jahren in<br />

ihrem Report „<strong>Berlin</strong> 2020“. Durch<br />

seine hohe Dichte an Patienten<br />

und Versorgungsformen (Uniklinik,<br />

zahlreiche weitere Krankenhäuser,<br />

hohe Zahl an nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

Fach- und Allgemeinärzten)<br />

seien die Bedingungen gerade für<br />

groß angelegte Fallstudien ideal.<br />

„In <strong>Berlin</strong> konzentriert sich außerordentlich<br />

viel wissenschaftliche<br />

und klinische Kompetenz“, bestätigt<br />

auch Oliver Rong, Partner und<br />

Gesundheitsexperte bei Roland<br />

Berger Strategy Consultants.<br />

Noch viel entscheiden<strong>der</strong> aber,<br />

sagt Rong, sei die Tatsache, dass


BERLINER MORGENPOST | SONNTAG, 15. SEPTEMBER 2013 POLITIK 7<br />

Firmenmacher Rocket-Internet-Chef Alexan<strong>der</strong> Kudlich im Büro<br />

Neuland für Start-ups<br />

AMIN AKHTAR<br />

Die schnell wachsende Digitalwirtschaft stellt<br />

massiv ein – und entdeckt die Berufsausbildung<br />

man nun offensichtlich bereit sei,<br />

die gegebenen Potenziale auch<br />

konsequent zu nutzen. Erst kürzlich<br />

entschlossen sich zwei <strong>der</strong><br />

wichtigsten <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Akteure, die<br />

Charité und das Max-Delbrück-<br />

Centrum für Molekulare Medizin<br />

(MDC), in Zukunft im Rahmen eines<br />

neu gegründeten <strong>Berlin</strong> Institute<br />

of Health (BIH) noch enger<br />

miteinan<strong>der</strong> zu kooperieren. „Mit<br />

dem BIH hat man die Möglichkeit<br />

geschaffen, den Bund noch aktiver<br />

an <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> im Bundesland<br />

<strong>Berlin</strong> ansässigen Forschungseinrichtungen<br />

zu beteiligen“, sagt<br />

Rong. Das MDC wird zu 90 Prozent<br />

vom Bund finanziert.<br />

Auch Ulrich Scheller, Geschäftsführer<br />

BBB Management GmbH<br />

Campus <strong>Berlin</strong>-Buch, sieht vor allem<br />

in <strong>der</strong> Verknüpfung von<br />

Grundlagenforschung und klinischer<br />

Umsetzung eine große Chance<br />

für <strong>Berlin</strong>. „Durch die Bündelung<br />

grundlagen-, krankheits- und<br />

patientenorientierter Forschung in<br />

wichtigen Bereichen wie Krebso<strong>der</strong><br />

Herz-Kreislauferkrankungen<br />

wird <strong>Berlin</strong> zu einem <strong>der</strong> interessantesten<br />

Standorte für klinische<br />

Studien weltweit.“<br />

Buch gilt als einer <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Cluster-Standorte für Biotech-<br />

Unternehmen deutschlandweit.<br />

Die Region blickt auf eine über 100-<br />

jährige Tradition als Standort einer<br />

<strong>der</strong> größten und mo<strong>der</strong>nsten Klinikkomplexe<br />

Europas zurück. Seit<br />

<strong>200</strong>7 ist auch die <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Helios-<br />

Klinik-Gruppe am Standort vertreten.<br />

Mit <strong>der</strong> am Freitag angekündigten<br />

Übernahme von zahlreichen<br />

Rhön-Kliniken ist Helios mit 117<br />

Kliniken <strong>der</strong> größte private Krankenhausbetreiber<br />

in Europa.<br />

Neben Buch gelten auch Adlershof,<br />

Hennigsdorf, Potsdam, Luckenwalde<br />

und Mitte als weitere<br />

wichtige Biotech-Standorte in <strong>der</strong><br />

Region. Beson<strong>der</strong>s innovativ, sagt<br />

Kai U. Bindseil, Clustermanager<br />

HealthCapital und Leiter BioTOP<br />

<strong>Berlin</strong>-Brandenburg, seien die Wissenschaftler<br />

im Bereich <strong>der</strong> sogenannten<br />

„omics-Technologien“ wie<br />

Genomics, Proteomics, Metabolomics,<br />

Glycomics, Epigenomics und<br />

<strong>der</strong>en Verknüpfung durch Bioinformatik<br />

und Systembiologie. „Diese<br />

Forschung und<br />

Entwicklung Eine<br />

Laborantin sichtet<br />

bei Bayer Health-<br />

Care in <strong>Berlin</strong> Gewebepräparate<br />

mit<br />

Tumorproben. Am<br />

<strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Standort<br />

konzentriert Bayer<br />

seine Krebsforschung.<br />

4700 Mitarbeiter<br />

beschäftigt<br />

<strong>der</strong> Konzern in <strong>der</strong><br />

Hauptstadt<br />

Technologien erlauben ein molekulares<br />

Verständnis von Krankheiten<br />

und ihrer Entstehung und ebnen<br />

den Weg zur sogenannten Personalisierten<br />

Medizin.“ Ein riesiger Zukunftsmarkt.<br />

„Die Unternehmen forschen und<br />

entwickeln strukturell immer weniger,<br />

als es aus volkswirtschaftlicher<br />

Perspektive optimal wäre“, sagt<br />

Gregor Strauch, Abteilungsleiter<br />

Innovation und Gesundheitswirtschaft<br />

beim BDI. Sobald ein teuer<br />

entwickeltes neues Produkt auf<br />

den Markt komme, könne die Konkurrenz<br />

automatisch daraus lernen.<br />

Dieses Trittbrettfahrer-Problem<br />

hemme viele Unternehmen bei <strong>der</strong><br />

Investition in Forschung und Entwicklung.<br />

Betriebswirtschaftlich sei<br />

das nachvollziehbar, bringe volkswirtschaftlich<br />

gesehen aber Wachstumseinbußen<br />

mit sich. Um dies<br />

auszugleichen, könne man in<br />

Deutschland bislang nur auf die<br />

Projektför<strong>der</strong>ung zurückgreifen.<br />

„Wir sollten F&E auch steuerlich<br />

för<strong>der</strong>n. So wie es auch in den allermeisten<br />

an<strong>der</strong>en OECD-Län<strong>der</strong>n<br />

möglich ist.“<br />

T VON HANS EVERT<br />

Rocket Internet betrat das Neuland<br />

im Jahr 2011. Normalerweise<br />

rekrutiert <strong>der</strong> Inkubator, <strong>der</strong> Internet-Firmen<br />

wie Zalando auf<br />

den Weg gebracht hat, seine Mitarbeiter<br />

bevorzugt bei Elite-Unis<br />

und Unternehmensberatungen.<br />

Im Dezember 2011 fing <strong>der</strong> erste<br />

Lehrling bei Rocket an, ganz so,<br />

wie es die Richtlinien <strong>der</strong> dualen<br />

Ausbildung in Deutschland vorsehen:<br />

mit Berufsschultagen und<br />

Zeiten in <strong>der</strong> Firma. Mittlerweile<br />

gibt es drei junge Menschen, die<br />

zum „Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung“<br />

ausgebildet<br />

werden.<br />

Das Beispiel Rocket steht für<br />

die zaghafte Annäherung <strong>der</strong><br />

schnelllebigen Start-up-Branche<br />

an einen deutschen Klassiker:<br />

<strong>der</strong> dualen Berufsausbildung.<br />

Drei Jahre dauert die Lehrzeit in<br />

deutschen Betrieben gemeinhin.<br />

Das übersteigt häufig Plan- und<br />

Zeithorizont vieler Internetfirmen.<br />

Wenn Finanzierungsrunden<br />

den Bestand des Unternehmens<br />

nur für Monate garantieren,<br />

wer will dann schon eine<br />

Verpflichtung für drei Jahre eingehen?<br />

Wer als Arbeitgeber einen<br />

Ausbildungsvertrag unterschreibt,<br />

geht eine langjährige<br />

Verpflichtung ein. Da zögern<br />

junge Grün<strong>der</strong> aus nachvollziehbaren<br />

Gründen. Dennoch wirkt<br />

die Digitalisierung mit ihren<br />

neuen Geschäftsmodellen und<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen erheblich auf den<br />

Lehrstellenmarkt.<br />

Das fängt schon bei Berufsbezeichnungen<br />

an. Aus dem Traditionsberuf<br />

Drucker wurde <strong>der</strong><br />

„Medientechnologe Druck“, aus<br />

dem Buchbin<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Medientechnologe<br />

Druckvorbereitung“.<br />

Ein Blick in die Hitliste <strong>der</strong> Ausbildungsberufe<br />

verdeutlicht<br />

ebenfalls, dass <strong>der</strong> digitale Wandel<br />

längst im Ausbildungsalltag<br />

angekommen ist. Das größte<br />

Azubi-Kontingent <strong>der</strong> gewerblich-technischen<br />

Berufe stellen<br />

die Fachinformatiker. Der aktuelle<br />

Berufsbildungsbericht <strong>der</strong><br />

<strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Industrie- und Handelskammer<br />

(IHK) zählt 868 über alle<br />

Lehrjahre. Erst danach folgen<br />

die Berufe Mechatroniker (792)<br />

und Industriemechaniker (695).<br />

Auf Platz fünf und sechs stehen<br />

mit dem Mediengestalter (313)<br />

und dem IT-Systemelektroniker<br />

(297) ebenfalls zwei klassische<br />

Berufe <strong>der</strong> Start-up- beziehungsweise<br />

Informations- und Kommunikationsbranche<br />

(IKT).<br />

„Diese Rangliste bei den gewerblich-technischen<br />

Berufen ist<br />

schon seit einigen Jahren so“,<br />

sagt Rica Kolbe, die sich bei <strong>der</strong><br />

IHK um die Berufsausbildung im<br />

gewerblich-technischen Bereich<br />

kümmert. Angesichts <strong>der</strong> stetig<br />

steigenden Bedeutung <strong>der</strong> Branche<br />

Information und Kommunikation<br />

könnten sich die Betriebe<br />

beim Thema Berufsausbildung<br />

ruhig ein wenig mehr ins Zeug<br />

legen, meint Kolbe. „Viele Unternehmen<br />

fokussieren sich zu sehr<br />

auf Akademiker“, sagt sie. Genau<br />

weiß niemand, wie viele Mitarbeiter<br />

die <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Digitalwirtschaft<br />

hat. Das liegt auch an <strong>der</strong><br />

Unschärfe des Begriffs. Ein seit<br />

Jahrzehnten etablierter Konzern<br />

wie die Deutsche Telekom mit<br />

ihren 7603 <strong><strong>Berlin</strong>er</strong> Mitarbeitern<br />

zählt ebenso dazu wie <strong>der</strong> Spieleanbieter<br />

Wooga.<br />

Die Arbeitsmarktstatistik fasst<br />

all diese Firmen mit ihren Mitarbeitern<br />

unter dem Siegel „Information<br />

und Kommunikation“<br />

zusammen. Demnach arbeiten in<br />

diesem Bereich 64.979 Menschen<br />

(Stand Dezember 2012) in einem<br />

sozialversicherungspflichtigen<br />

Job. Gemeint ist damit eine Stelle,<br />

für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />

Sozialabgaben in voller<br />

Höhe abführen. Innerhalb eines<br />

Jahres stieg die sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung in<br />

<strong>der</strong> Branche um 6,9 Prozent – so<br />

schnell wie nirgendwo an<strong>der</strong>s.<br />

Schon in <strong>der</strong> Jahresbilanz 2011<br />

ließ sich ähnliches feststellen.<br />

Seinerzeit war <strong>der</strong> Stellenzuwachs<br />

in <strong>der</strong> IT-Branche mit einem<br />

Jahresplus von 8,5 Prozent<br />

ebenfalls <strong>der</strong> höchste aller Wirtschaftsbereiche<br />

<strong>der</strong> Hauptstadt.<br />

In absoluten Zahlen sind seit<br />

<strong>200</strong>8 rund 12.000 Stellen in <strong>der</strong><br />

Branche dazugekommen.<br />

Bei Rocket Internet sind sie<br />

von ihrem Schritt ins Neuland<br />

überzeugt. Und von kulturellen<br />

Differenzen – hier ein international<br />

ausgerichtetes, schnell wachsendes<br />

Unternehmen, dort eine<br />

ehrwürdige Institution – sei<br />

nichts zu spüren. „Wir sprechen<br />

die gleiche Sprache und haben<br />

das gleiche Ziel: ambitionierten<br />

Talenten den Einstieg ins Berufsleben<br />

zu ermöglichen“, sagt<br />

Rocket-Sprecher Andreas Winiarski.

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