Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel
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Diplomarbeit NDS “Financial Consultant”
Lehrgang 1999 - 2001
Steuerfreier Kapitalgewinn
vs.
gewerbsmässiger Wertschriftenhandel
vorgelegt von:
Thomas Locher
Telefon G 01 / 923 24 24
Telefon P 01 / 915 59 58
E-Mail th.locher@swissonline.ch
Referent:
Koreferent:
Dr. iur. Daniel Mühlemann, dipl. Steuerexperte,
Paulistrasse 90, 8834 Schindellegi
Hans Martin Meuli, lic. oec. HSG, dipl. Steuerexperte,
Sandstrasse 9, 7000 Chur
Abgabedatum: 20. Juli 2001
Inhaltsverzeichnis
l
1 Vorwort 1
2 Einleitung 2
2.1 Eingrenzung Thema 2
2.2 Warum ist die Thematik aktuell ? 3
3 Kapitalgewinne im Steuerrecht - ein Überblick 4
3.1 Definition Kapitalgewinne 4
3.2 Die Besteuerung von Kapitalgewinnen
im Schweizer Steuersystem 4
3.3 Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen 5
3.4 Kapitalgewinne auf Privatvermögen 6
4 Gesetzgebung und Praxis 7
4.1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) 7
4.1.1 Relevante Gesetzesartikel 7
4.1.2 Ausgangslage 8
4.1.3 Bundesgerichtsentscheid vom 8. Januar 1999 9
4.2 Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten
Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) 10
4.2.1 Relevante Gesetzesartikel 10
4.2.2 Entstehungsgeschichte 11
4.3 Stabilisierungsprogramm 1998 13
4.3.1 Gewillkürtes Geschäftsvermögen bei Beteiligungen von
mind. 20 % an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften 14
4.3.2 Beschränkung des Schuldzinsabzuges 15
4.4 Praxisanwendung in einzelnen Kantonen 16
4.4.1 Gesetzesgrundlagen 16
4.4.2 Kanton Zürich 16
4.4.3 Kanton Schwyz 18
4.4.4 Kanton St. Gallen 20
4.4.5 Kanton Thurgau 21
4.4.6 Kanton Graubünden 24
4.4.7 Kanton Bern 26
4.5 Parlamentarische Vorstösse 28
4.5.1 Initiative für eine Kapitalgewinnsteuer 28
4.5.2 Empfehlung von Nationalrat Hans Hess 29
Inhaltsverzeichnis
ll
5 Private Kapitalgewinne - Ausnahmen der Steuerfreiheit 30
5.1 Transponierung 30
5.2 Indirekte Teilliquidation 31
5.3 Mantelhandel 32
5.4 Aktienveräusserung während der Sperrfrist 32
5.5 Veräusserung einer Mehrheitsbeteiligung an einer Immobiliengesellschaft 33
5.6 Gewerbsmässiger Liegenschaften- bzw. Wertschriftenhandel 33
6 Selbständige Erwerbstätigkeit - Kriterien 34
6.1 Allgemein 34
6.2 Kriterien 35
7 Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 36
7.1 Häufigkeit der Transaktionen / Kurze Besitzesdauer 36
7.2 Planmässigkeit 37
7.3 Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit und
Einsatz von Fachkenntnissen 37
7.4 Aufnahme von Fremdkapital 38
7.5 Einsatz von erheblichen Risiken / Einsatz von Derivaten 39
7.6 Wiederanlage von Gewinnen in gleichartige Geschäfte 40
7.7 Verhältnismässigkeit 40
7.8 Bisherige Bundesgerichtsentscheide 41
8 Schlussbetrachtung 42
9 Anhang 44
9.1 Literaturverzeichnis 44
9.1.1 Literatur 44
9.1.2 Gesetze 46
9.1.3 Gerichtsentscheide 47
9.2 Abkürzungsverzeichnis 48
10 Erklärung 51
Vorwort 1
1 Vorwort
Die vorliegende Diplomarbeit bildet den Abschluss des Nachdiplomstudiums
"Financial Consultant" an der Zürcher Hochschule Winterthur.
Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit in der Vermögensverwaltung häuften sich
in letzter Zeit die Anfragen von besorgten Kunden im Zusammenhang mit der Problematik
des gewerbsmässigen Wertschriftenhandels.
Die einschneidenden Folgen einer allfälligen Einstufung als gewerbsmässiger
Wertschriftenhändler sind hinlänglich bekannt: Währenddem privat erzielte Kapitalgewinne
steuerfrei sind, unterliegen die im Rahmen einer selbständigen
Erwerbstätigkeit erzielten Gewinne der Einkommenssteuer. Zudem sind die Sozialabgaben
geschuldet.
Der Umstand, dass das Thema gesetzlich nicht klar geregelt ist und die Sorge,
dass somit jedermann einer gewissen Willkür ausgesetzt ist, haben weite Kreise
von Kapitalanlegern verunsichert. Durch die umfassende Berichterstattung der
Medien wurden die Ängste zusätzlich geschürt.
Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen, mich mit der Problemstellung
"Steuerfreier Kapitalgewinn vs. gewerbsmässiger Wertschriftenhandel" intensiv
auseinander zu setzen und meine Diplomarbeit zu diesem Thema zu verfassen.
Die Arbeit ist in fachlicher Hinsicht als Auslegeordnung und nicht als Lehrbuch
gedacht. Entsprechend werden nur ausgewählte Themen vertieft erörtert.
Ich möchte an dieser Stelle allen Personen danken, die mich bei dieser Diplomarbeit
unterstützt haben. Ein spezieller Dank gebührt Herr Dr. iur. Daniel Mühlemann,
der sich für die Beurteilung meiner Diplomarbeit zur Verfügung stellte und mir
damit die Gelegenheit gab, die Arbeit in dieser Form zu realisieren. Ein Dankeschön
gilt dem Koreferent Herr Hans Martin Meuli, der mir bei der Eingrenzung des
Themas behilflich war.
Der Einfachheit halber verzichte ich in dieser Diplomarbeit darauf, sowohl die
männliche als auch die weibliche Form aufzuführen. Wo ich die männliche Form
der Schreibweise wähle, sind selbstverständlich auch alle weiblichen Personen
gemeint. Ich nehme diesen Mangel zugunsten einer besseren Lesbarkeit der
Diplomarbeit bewusst in Kauf.
20. Juli 2001 Thomas Locher
Einleitung 2
2 Einleitung
2.1 Eingrenzung Thema
Mit der vorliegenden Diplomarbeit soll das Thema "Steuerfreier Kapitalgewinn vs.
gewerbsmässiger Wertschriftenhandel" aus steuerlicher Sicht durchleuchtet werden.
Der Aufbau der Arbeit sieht wie folgt aus:
Im dritten Kapitel soll ein kurzer Einblick in die allgemeine Kapitalgewinnbesteuerung
in der Schweiz gewährt werden.
Im viertel Kapitel wird eine Auslegeordnung der heutigen Gesetzgebung und der
in den Kantonen ZH, SZ, SG, TG, GR und BE angewandten Praxis gemacht. Hier
angefügt ist der heutige Stand der parlamentarischen Vorstösse (Stand Juli 2001).
Weil privat erzielte Kapitalgewinne auf beweglichem Vermögen grundsätzlich von
der Steuer befreit sind, wird im fünften Kapitel auf die Ausnahmen eingegangen.
Eine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines gewerbsmässigen Wertschriftenhandels
ist das Vorhandensein einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Im
sechsten Kapitel werden die Kriterien für eine solche Einstufung dargelegt.
Im siebten Kapitel werden die vom Bundesgericht entwickelten Einstufungskriterien
erläutert. Angefügt ist eine Zusammenstellung der wichtigsten Urteile, bei
denen das Gericht eine selbständige Erwerbstätigkeit und damit Einkünfte aus
gewerbsmässigem Wertschriftenhandel angenommen hat.
Im achten Kapitel erfolgt schliesslich eine Schlussbetrachtung des Autors.
Die Kapitel 3, 5 und 6 werden bewusst kurz abgehandelt. Eine umfassendere Ausleuchtung
würde den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen. Für eine allfällige Vertiefung
dieser Themen wird auf das im Anhang aufgeführte Literaturverzeichnis
hingewiesen.
Auf die Behandlung der Besteuerung von Kapitalgewinnen im Ausland wird im
Rahmen dieser Diplomarbeit nicht eingegangen.
Einleitung 3
2.2 Warum ist die Thematik aktuell ?
Die Kapitalgewinnsteuer ist in vergangener Zeit zu einem Politikum ersten Ranges
geworden. Ursprünglich als Kompensation für die Abschaffung des Börsenstempels
in die Diskussion gebracht, wurde die Steuer aber schon bald wegen der
anhaltenden Hausse an den Aktienmärkten als "ideologisches Kampfvehikel" entdeckt.
Von linker Seite hiess es, es sei skandalös, dass die an der Börse erzielten
Gewinne steuerfrei blieben 1 .
Grossfusionen, wie z.B. jene von Sandoz und Ciba-Geigy zu Novartis oder vom
Schweizerischen Bankverein und der "alten" UBS zur "neuen" UBS, hatten in den
neunziger Jahren "die allgemeine Börsenhausse zusätzlich angetrieben und einzelnen
Anlegern von einem Tag auf den anderen Milliardengewinne beschert" 2 .
Zudem fielen diese Gewinne in der Rezession an, in der viele Arbeitnehmer auf
Lohnerhöhungen verzichten mussten. Der Umstand, dass Kapitalgewinne für Privatpersonen,
im Unterschied zu Löhnen, Renten, Zinsen auf Sparguthaben und
Gewinnen aus Liegenschaftsverkäufen, steuerfrei sind, wurde vielerorts als stossend
empfunden.
Durch die immer umfassendere Berichterstattung sämtlicher Medien im
Zusammenhang mit der weltweiten Börsenhausse, wurde ein immer breiteres
Publikum mit den Gewinnmöglichkeiten an den Aktienmärkten vertraut gemacht.
Dies, zusammen mit der ungestümen Verbreiterung des Internets und den damit
verbundenen Möglichkeiten für den Kleinanleger, hat das Anlegerverhalten generell
verändert. So wird heute vielfach der schnelle Gewinn gesucht, indem die
Aktien oder Optionen nach kurzer Zeit bereits wieder verkauft werden.
Mit immer neueren und kreativeren Anlageinstrumenten (z.B. BLOC, GROI, etc.)
reagierten die Bankhäuser auf die steigende Nachfrage. Auch im Zusammenhang
mit der Altersvorsorge (obligatorisch wie freiwillig), wurden die Aktienquoten im
Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft bzw. die Nachfrage mit
dem immer grösseren Angebot an Anlagefonds befriedigt.
In der Zwischenzeit hat an der Börse nicht nur eine Normalisierung stattgefunden
- den langandauernden Höhenflügen ist eine veritable Ernüchterung gefolgt. Trotzdem
bleibt das Thema aktuell. Erst nach dem Abstimmungssonntag vom
9. Dezember 2001 wird eine - mindestens vorübergehende - Beruhigung eintreten.
1
vgl. weiterführend dazu: Kapitalgewinnsteuer schadet der Wirtschaft. In: Finanz und Wirtschaft,
Ausgabe 53, 11.07.1998, S. 19
2
vgl. weiterführend dazu: Steuergerechtigkeit ist nicht das einzige Ziel. In: NZZ, Nr. 60, 13.03.2001, S. 13
Kapitalgewinne im Steuerrecht - ein Überblick 4
3 Kapitalgewinne im Steuerrecht - ein Überblick
3.1 Definition Kapitalgewinne
Kapitalgewinne (auch Wertzuwachsgewinne) entstehen bei einer Veräusserung von
Vermögensrechten:
"Sie entsprechen der Differenz zwischen dem Veräusserungserlös und den tieferen
Anlagekosten. Unter Veräusserungserlös ist das für das umgesetzte Vermögensrecht
erhaltene Entgelt zu verstehen. Entgelt bilden all jene Wertzuflüsse, die
natürliche und zudem typische (adäquate) Folge der Realisation des Vermögensrechts
sind [...]. Die Anlagekosten (auch Gestehungskosten) setzen sich aus dem
Erwerbspreis und den wertvermehrenden Aufwendungen zusammen [...]" 3 .
Ein Kapitalgewinn ist gekennzeichnet durch die " .. Veräusserung, bei welcher ein
Vermögensrecht gegen ein anderes Vermögensrecht eingetauscht wird. Der Mehrwert
des eingetauschten Vermögensrechts wird in eine andere Wertform umgewandelt
bzw. realisiert. An die Stelle des weggegebenen Vermögensrechts tritt das
Entgelt, das seiner Form und seinem wirtschaftlichen Gehalt nach ein anderes
Vermögensrecht darstellt" 4 .
3.2 Die Besteuerung von Kapitalgewinnen im Schweizer Steuersystem
Gewinne auf
beweglichem Vermögen
Gewinne auf
unbeweglichem Vermögen
Privat- Geschäfts- Privat- Geschäftsvermögen
vermögen vermögen vermögen
Bund
steuerfrei Einkommens- steuerfrei Einkommenssteuer
steuer
Kantone
steuerfrei Einkommens- Grundstück- Einkommenssteuer
gewinnsteuer steuer oder
Grundstückgewinnsteuer
3
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, I/2a, Bundesgesetz über
die direkte Bundessteuer (DBG). 1. Auflage. Basel: Helbing & Lichtenhahn Verlag, 2000, Art. 16, S. 142
4
Höhn, Ernst: Die Abgrenzung von Vermögensertrag und Kapitalgewinn im Einkommenssteuerrecht,
ASA 50, 529 ff.
5
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Kapitalgewinne auf land- und forstwirtschaftlichen
Grundstücken immer der Grundstückgewinnsteuer (und nicht der Einkommenssteuer) unterstellt sind
(Art. 8 Abs. 1 StHG).
Kapitalgewinne im Steuerrecht - ein Überblick 5
3.3 Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen
Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen werden im Schweizer Steuersystem
grundsätzlich immer über die Einkommens- (bei natürlichen Personen) bzw. über
die Ertragssteuer (bei juristischen Personen) erfasst.
Im Zusammenhang mit unbeweglichem Vermögen (Liegenschaften) bestehen in
den Kantonen zwei Systeme für die Besteuerung 6 7 :
◆ Das "St. Galler-System" (auch dualistisches System genannt) unterscheidet,
ob die Liegenschaft Geschäftsvermögen oder Privatvermögen darstellt.
Liegenschaft im Geschäftsvermögen
Besteuerung des Grundstückgewinns über die Einkommens- bzw. Gewinnsteuer,
zusammen mit dem übrigen Einkommen.
Liegenschaft im Privatvermögen
Separate und getrennte Besteuerung des Grundstückgewinns mit der Grundstückgewinnsteuer.
◆ Das "Zürcher-System" (auch monistisches System genannt) kennt diese Unterscheidung
nicht. Es erfolgt immer eine separate und getrennte Besteuerung des
Grundstückgewinns mit der Grundstückgewinnsteuer.
6
Auf das Thema der Ersatzbeschaffung, wo bei einem Verkauf einer selbstgenutzten Wohnliegenschaft die
Besteuerung des Grundstückgewinns aufgeschoben wird, soweit der dabei erzielte Erlös innert
angemessener Frist (i.d.R. 2 Jahre) zum Erwerb oder Bau einer gleichgenutzten Ersatzliegenschaft
in der Schweiz verwendet wird, soll lediglich der Vollständigkeit halber hingewiesen werden.
7
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: Steuerrecht, Band I: Grundlagen - Grundbegriffe - Steuerarten,
Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanzrecht, 8. Auflage. Bern: Verlag Paul Haupt, 1999, S. 543 ff.
Kapitalgewinne im Steuerrecht - ein Überblick 6
3.4 Kapitalgewinne auf Privatvermögen
Die Besteuerung von Kapitalgewinnen auf dem Privatvermögen hat in der Schweiz
eine lange Tradition, "konnte sich jedoch nicht umfassend durchsetzen. Während
die Gewinne auf Grundstücken des Privatvermögens im Laufe der Zeit von allen
Kantonen einer Steuer unterworfen worden sind, besteuerte nur eine Minderheit
derselben auch Gewinne auf beweglichem Privatvermögen" 8 .
Beim Bund wurden Kapitalgewinne auf dem Privatvermögen nie besteuert, sofern
sie nicht gewerbsmässig erzielt wurden.
Im Zusammenhang mit der Steuerharmonisierung war klar, dass Kapitalgewinne
auf unbeweglichem Privatvermögen besteuert werden sollten (mit einer separaten
Grundstückgewinnsteuer).
Demgegenüber war die Besteuerung von Kapitalgewinnen auf beweglichem
Privatvermögen unklar und kontrovers, da dies für die meisten Kantone eine
Neuerung bedeutet hätte.
8
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: a.a.O., Band I, S. 542
Gesetzgebung und Praxis 7
4 Gesetzgebung und Praxis
4.1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG)
4.1.1 Relevante Gesetzesartikel
Art. 16 DBG
1
Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte.
2
Als Einkommen gelten auch Naturalbezüge jeder Art, insbesondere freie Verpflegung
und Unterkunft sowie der Wert selbstverbrauchter Erzeugnisse und
Waren des eigenen Betriebes; sie werden nach ihrem Marktwert bemessen.
3
Die Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen sind steuerfrei.
Art. 18 DBG
1
Steuerbar sind alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Landund
Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen
selbständigen Erwerbstätigkeit.
2
Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit zählen auch alle
Kapitalgewinne aus Veräusserung, Verwertung oder buchmässiger Aufwertung
von Geschäftsvermögen. Der Veräusserung gleichgestellt ist die Überführung
von Geschäftsvermögen in das Privatvermögen oder in ausländische
Betriebe oder Betriebsstätten. Als Geschäftsvermögen gelten alle Vermögenswerte,
die ganz oder vorwiegend der selbständigen Erwerbstätigkeit dienen.
3
[...]
4
[...]
Gesetzgebung und Praxis 8
4.1.2 Ausgangslage
Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) vom 14. Dezember 1990
(Inkraftsetzung am 1. Januar 1995) ersetzte den Beschluss über die direkte
Bundessteuer (BdBSt) vom 9. Dezember 1940. Mit dem Wechsel kamen in der
Lehre Zweifel und eine Unsicherheit auf, ob die bisherige Praxis zum gewerbsmässigen
Liegenschaften- und Wertschriftenhandel unverändert weitergeführt wird
oder ob sich diesbezüglich die Praxis ändert 9 .
Dies hauptsächlich aus zwei Gründen:
◆ Gemäss Art. 16 Abs. 3 DBG sind "Kapitalgewinne aus der Veräusserung von
Privatvermögen" ausdrücklich steuerfrei.
◆ Das DBG unterscheidet zwischen Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit
(Art. 17 DBG) und Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit (Art. 18
DBG). Zu den Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit zählen Kapitalgewinne
aus Geschäftsvermögen (Art. 18 Abs. 2 DBG).
"Das DBG unterscheidet demnach nur zwischen Privat- und Geschäftsvermögen.
Die Praxis zum früheren BdBSt hat - nach Auffassung der Kritiker - dagegen eine
Dreiteilung 10
gekannt, wonach Veräusserungsgewinne aus einer die blosse Vermögensverwaltung
übersteigenden Tätigkeit besteuert werden konnten, ohne
dass Geschäftsvermögen vorlag" 11 .
9
Unter dem BdBSt waren Kapitalgewinne steuerfrei, die bei der privaten Verwaltung eigenen Vermögens
oder in Ausnützung einer sich zufällig bietenden Gelegenheit erzielt wurden. Zum steuerbaren Einkommen
aus Erwerbstätigkeit zählte die Gerichtspraxis eine die schlichte Vermögensverwaltung übersteigende
Tätigkeit.
10
vgl. dazu Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: Steuerrecht, Band II: Steuern bei Vermögen, Erwerbstätigkeit,
Unternehmen, Vorsorge, Versicherung, Interkantonales und Internationales Steuerrecht, Steuerverfahrensund
Steuerstrafrecht, Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanzrecht, 8. Auflage. Bern: Verlag Paul
Haupt, 1999, S. 195:
"[...], dass drei Arten von Tätigkeiten unterschieden werden konnten, welche zu unterschiedlichen steuerlichen
Behandlungen geführt haben:
• die blosse Vermögensverwaltung, bei welcher laufende Erträge besteuert wurden, während Kapitalgewinne
unbesteuert blieben;
• die eigentliche Erwerbstätigkeit, bei der die laufenden Erträge besteuert wurden, Kapitalgewinne
jedoch nur dann steuerbar waren, wenn sie auf dem Geschäftsvermögen einer buchführungspflichtigen
Unternehmung erzielt wurden;
• die blosse Vermögensverwaltung übersteigende Tätigkeiten, bei denen neben den laufenden Erträgen
auch Kapitalgewinne auf Privatvermögen besteuert werden konnten.
Die Neufassung des Gesetzes [DBG], d.h. die Weglassung der Einkommenskategorie des Einkommens
aus einer (blossen) Tätigkeit und die Festlegung, dass nur (aber immerhin) jedes Einkommen aus einer
selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar ist, hat zwei Änderungen in der steuerlichen Behandlung der
Kapitalgewinne zur Folge. Erstens sind diese beim Vorliegen einer selbständigen Erwerbstätigkeit
unabhängig von der handelsrechtlichen Buchführungspflicht steuerbar, und zweitens sind sie
steuerfrei, wenn sie ausserhalb einer selbständigen Erwerbstätigkeit erzielt werden. Die oben erwähnte
dritte Kategorie von Kapitalgewinnen, welche aufgrund einer die blosse Vermögensverwaltung übersteigenden,
irgendwie gearteten Tätigkeit auf Privatvermögen erzielt werden, ist mit dem Inkrafttreten des
DBG weggefallen".
11
Neuhaus, Hans-Jürg / Agner, Peter / Steinmann, Gotthard: Der gewerbsmässige Liegenschaften- und Wertschriftenhandel
nach dem Stabilisierungsprogramm 1998. In: Der Schweizer Treuhänder, 6-7/99, S. 593
Gesetzgebung und Praxis 9
Damit Kapitalgewinne als Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit besteuert
werden können, muss unter dem DBG Geschäftsvermögen nachgewiesen werden.
Dadurch stellt sich die Frage nach den anwendbaren Abgrenzungskriterien. Zu
dieser Problematik vertreten verschiedene Autoren jedoch sehr unterschiedliche
Meinungen.
4.1.3 Bundesgerichtsentscheid vom 8. Januar 1999
Die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich hat in ihrem Entscheid
vom 13. März 1997 12 die Anwendbarkeit der unter dem BdBSt entwickelten Praxis
und Rechtsprechung zum gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel verneint. Die
Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich erhob gegen
diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht.
Für die Beschwerdeführerin bzw. die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV)
waren folgende Begründungen ausschlaggebend:
◆ Die Beschwerdeführerin stützte sich auf die Generalklausel in Art. 16 Abs. 1
DBG, wonach der Einkommenssteuer "alle wiederkehrenden und einmaligen
Einkünften" unterliegen.
◆ Die EStV stützte sich auf Art. 18 Abs. 1 DBG, wonach Einkünfte aus jeder selbständigen
Erwerbstätigkeit steuerbar sind.
Im Urteil vom 8. Januar 1999 hiess das Bundesgericht die Beschwerde der Abteilung
Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich gut:
"Es hielt fest, dass die bisherige Praxis und Rechtsprechung zum gewerbsmässigen
Liegenschaftenhandel unter dem DBG grundsätzlich weitergeführt werden
können. Allerdings präzisierte das Bundesgericht, dass «die für diese Tätigkeit verwendeten
Vermögenswerte Geschäftsvermögen bilden, ...» 13 . Ob eine solche selbständige
Erwerbstätigkeit vorliegt, ist im Einzelfalle stets nach der Gesamtheit der
Umstände und aufgrund der bisher herangezogenen Indizien zu beurteilen" 14 .
Hierzu hielt Dr. Martin Arnold, Bundesgerichtsschreiber, Folgendes fest:
"In Weiterführung der bisherigen Praxis gilt als selbständige Erwerbstätigkeit im
Sinne von Art. 18 DBG auch die Veräusserung von Vermögenswerten, soweit sie
nicht im Rahmen der blossen Verwaltung eigenen Vermögens erfolgt" 15 .
12
StE 1997 B 23.1 Nr. 37 (ZH)
13
ASA 67, 644
14
Neuhaus, Hans-Jürg / Agner, Peter / Steinmann, Gotthard: a.a.O., S. 594
15
Arnold, Martin: Nichts Neues unter der Steuersonne ?, Zur Besteuerung von Liegenschaftsgewinnen nach
dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer. ASA 67, Heft 10, S. 607 f.
Gesetzgebung und Praxis 10
Die Autoren Neuhaus/Agner/Steinmann vertreten die Meinung, dass aufgrund dieses
Urteils die Kantone "die bisherige Praxis und Rechtsprechung der direkten
Bundessteuer für die Staatssteuer zu übernehmen haben". Dies insbesondere
auch unter dem seit 1. Januar 1993 gültigen Bundesgesetz über die Harmonisierung
der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG).
Anderer Meinung ist Philipp Betschart: "[...], dass die Kantone bei der Abgrenzung
zwischen privatem und gewerbsmässigem Wertschriften- und Liegenschaftenhandel
weiterhin eine von der direkten Bundessteuer abweichende Praxis verfolgen
können" 16 .
4.2 Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern
der Kantone und Gemeinden (StHG)
4.2.1 Relevante Gesetzesartikel
Art. 7 StHG
1
Der Einkommenssteuer unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen
Einkünfte, insbesondere solche aus unselbständiger und selbständiger
Erwerbstätigkeit, aus Vermögensertrag, eingeschlossen die Eigennutzung von
Grundstücken, aus Vorsorgeeinrichtungen sowie aus Leibrenten.
1bis
[...]
1ter
[...]
2
[...]
3
[...]
4
Steuerfrei sind nur:
a. [...]
b. Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen; vorbehalten bleibt
Artikel 12 Absatz 2 Buchstaben a und d; 17
c. - l. [...]
16
Betschart, Philipp: Der gewerbsmässige Liegenschaften- und Wertschriftenhandel im StHG, Pflicht der
Kantone, die Praxis der direkten Bundessteuer zu übernehmen ?. In: Der Schweizer Treuhänder, 9/99,
S. 847
17
Der Vorbehalt bezieht sich auf die Erhebung einer Grundstückgewinnsteuer bei einer Veräusserung eines
Grundstückes des Privatvermögens, soweit der Erlös die Anlagekosten übersteigt.
Gesetzgebung und Praxis 11
Art. 8 StHG
1
Zu den steuerbaren Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit zählen auch
alle Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen aus Veräusserung, Verwertung,
buchmässiger Aufwertung, Privatentnahme oder aus Verlegung in ausländische
Betriebe oder Betriebsstätten; [...]
2
Als Geschäftsvermögen gelten alle Vermögenswerte, die ganz oder vorwiegend
der selbstständigen Erwerbstätigkeit dienen; Gleiches gilt für Beteiligungen
von mindestens 20 Prozent am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft
oder Genossenschaft, sofern der Eigentümer sie im Zeitpunkt
des Erwerbs zum Geschäftsvermögen erklärt 18 .
3
[...]
4
[...]
4.2.2 Entstehungsgeschichte
In der Botschaft zum Stabilisierungsprogramm 1998 ist eine Neuformulierung von
Art. 18 Abs. 1 DBG vorgeschlagen worden. Danach sollte als selbständige
Erwerbstätigkeit auch die Veräusserung von Vermögenswerten, namentlich von
Wertschriften und Liegenschaften, gelten, soweit die Veräusserung nicht im Rahmen
der blossen Verwaltung des eigenen Vermögens erfolgt. Mit dieser Formulierung
hätte der Anschluss zur bisherigen Bundesgerichtspraxis hergestellt werden
sollen.
Nach dem Willen des Nationalrates hätte die Besteuerung privater Kapitalgewinne
auf jene Fälle beschränkt werden sollen, in denen Steuerpflichtige unter Einsatz
erheblicher Fremdmittel mit Wertschriften spekulierten, zudem die Transaktionen
eine gewisse Häufigkeit erreichten und die Besitzdauer kurz ausfiel. Die weiteren,
bisher angewandten Kriterien (enger Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit, Eingehen
eines erheblichen Risikos, spezielle Fachkenntnisse, Wiederanlage von
Gewinnen) wären nach dieser Formulierung ausser Betracht gefallen 19 .
18
vgl. weiterführend dazu: Kapitel 4.3.1
19
Neuhaus, Hans-Jürg / Agner, Peter / Steinmann, Gotthard: a.a.O., S. 595
Gesetzgebung und Praxis 12
Einen ganz anderen Weg beschritt die Kommission des Ständerates "mit ihrem
Vorschlag zur Neuformulierung von Art. 18 Abs. 1 DBG, der die Vermutung
geschaffen hätte, dass bei der Verwaltung des eigenen Vermögens weder der Einsatz
spezieller Fachkenntnisse noch die Beauftragung eines professionellen Vermögensverwalters
für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit ausreichen.
Im Gegensatz zum Nationalrat, der beim Vorliegen bestimmter Indizien zwingend
auf eine gewerbsmässige Tätigkeit schliessen wollte (Fiktion), hätte nach dem
Vorschlag der ständerätlichen Kommission der Steuerpflichtige in solchen Fällen
noch das Gegenteil beweisen können (Umkehr der Beweislast)" 20 .
Die eidgenössischen Räte befanden sich im Differenzbereinigungsverfahren, als
das Urteil des Bundesgerichts vom 8. Januar 1999 (gemäss Kapitel 4.1.3) veröffentlicht
wurde.
"Für das Parlament sollte sich dieses Urteil als Geschenk des Himmels erweisen. Bevor
über die umstrittene Neuformulierung von Art. 18 Abs. 1 DBG eine Einigung erzielt
werden musste, übernahm das Bundesgericht die politische Verantwortung" 21 .
Daraufhin empfahl die ständerätliche Kommission ihrem Rat, beim geltenden
Recht zu bleiben. Der Bundesrat unterstützte diesen Antrag. Schlussendlich folgte
der Ständerat am 10. März 1999 einstimmig seiner Kommission und beschloss die
Art. 18 Abs. 1 DBG bzw. Art. 8 Abs. 1 StHG in ihrer unveränderten Fassung zu
belassen.
Eine knappe Mehrheit der nationalrätlichen Kommission beantragte in der zweiten
Runde der Differenzbereinigung eine neue Formulierung und bezeichnete diesen
Antrag als Kompromissantrag. Dieser Antrag sah vor, dass neben dem Kriterium
der erheblichen Fremdfinanzierung weitere zwei von den drei aufgeführten Voraussetzungen
erfüllt sein mussten. Es waren dies die bisherigen beiden Kriterien
der hohen Anzahl der Transaktionen und die Kurzfristigkeit der Anlagen sowie neu
das bisherige Kriterium des erheblichen Risikos.
Eine starke Minderheit der Kommission beantragte jedoch die Zustimmung zum
Beschluss des Ständerates. Nach einer heftigen Debatte setzte sich der Bundesrat
vehement für die ständerätliche Lösung ein, diesmal mit Erfolg. Der Rat folgte
dem Antrag der Minderheit 22 .
20
Hirt, Beat: Kritische Bemerkungen zur "gewerbsmässigen" privaten Vermögensverwaltung.
In: Steuer Revue, Nr. 05/1999, S. 312
21
Hirt, Beat: a.a.O., S. 313
22
Neuhaus, Hans-Jürg / Agner, Peter / Steinmann, Gotthard: a.a.O., S. 597
Gesetzgebung und Praxis 13
4.3 Stabilisierungsprogramm 1998
"Dem Stabilisierungsprogramm 1998 lag ursprünglich das finanzpolitische Ziel zu
Grunde, das Haushaltsbudget 2001 mit einem Defizit von höchstens 900 Mio. Fr.
abzuschliessen. Ausgangspunkt war die Verhandlung der Schweizer Politik am
runden Tisch unter der Führung des Finanzministers Bundesrat Kaspar Villiger. So
wurden Sparmassnahmen in den Bereichen soziale Wohlfahrt, Verkehr und Landesverteidigung
und Sparbeiträge der Kantone beschlossen. Zudem wurden konkrete
Steuerungerechtigkeiten ausgemacht und die Schliessung von Steuerlücken
beschlossen. Bekanntlich sollen sämtliche Massnahmen dem Gebot der Opfersymmetrie
entsprechen" 23 .
Das Stabilisierungsprogramm 1998 war somit ein wichtiger Schritt zur Sanierung
des Bundeshaushalts. Es wurden Massnahmen erlassen, welche das steuerliche
Verhalten der Privatanleger massgeblich beeinflussen.
Die durch das Bundesgesetz über das Stabilisierungsprogramm 1998 vom
19. März 1999 eingeführten Bestimmungen (Inkraftsetzung am 1. Januar 2001)
über
◆ das gewillkürte Geschäftsvermögen bei Beteiligungen von mind. 20 % an
Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften
sowie
◆ die Beschränkung des Schuldzinsabzuges
sind für die Qualifikation des gewerbsmässigen Wertschriftenhandels von erheblicher
Bedeutung 24 .
23
Brinkmann, Jürg P.: Missbräuchliche Einkäufe werden verhindert.
In: Finanz und Wirtschaft, Ausgabe 101, 20.12.2000, S. 31
24
Der Vollständigkeit halber seien die weiteren Punkte, welche ebenfalls Bestandteil des Stabilisierungsprogrammes
1998 waren, nachfolgend erwähnt:
• Einschränkung des Steuerprivilegs für Kapitalversicherungen mit Einmalprämien
• Begrenzung des Einkaufs in die berufliche Vorsorge
Gesetzgebung und Praxis 14
4.3.1 Gewillkürtes Geschäftsvermögen bei Beteiligungen von
mind. 20 % an Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften
Im Zeitpunkt des Erwerbs einer Beteiligung von mind. 20 % 25 am Grund- oder
Stammkapital einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft kann eine Beteiligung
zu Geschäftsvermögen deklariert werden 26 . Dadurch können die Zinsen, welche
die für den Kauf benötigte Fremdfinanzierung betreffen, vollumfänglich vom
steuerbaren Einkommen in Abzug gebracht werden.
Im Gegenzug fällt bei einem späteren Verkauf solcher Beteiligungen nicht mehr ein
steuerfreier Kapitalgewinn an, "sondern die Differenz zwischen dem massgebenden
Buchwert und dem Veräusserungserlös unterliegt sowohl der Einkommenssteuer
als auch den Sozialabgaben. Als massgebender Buchwert gilt der Erwerbspreis
oder ein allenfalls durch Abschreibungen herabgesetzter Wert" 27 .
Die entsprechende Bestimmung wurde in Art. 8 Abs. 2 StHG (siehe Kapitel 4.2.1)
sowie in Art. 10 Abs. 1 Bst. e StHG aufgenommen:
1
Als geschäfts- oder berufsmässig begründete Kosten werden namentlich abgezogen:
a. - d. [...]
e. Zinsen auf Geschäftsschulden sowie Zinsen, die auf Beteiligungen nach
Artikel 8 Absatz 2 entfallen.
1bis
[...]
25
vgl. weiterführend dazu: Meister, Thomas: Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - wie weiter ?. IFF
Forum für Steuerrecht 2001, S. 102: "Wird eine Tranche von mehr als 20 Prozent erworben, muss nicht für
die gesamte Tranche optiert werden; hingegen muss der Teil, wofür optiert wird, mindestens 20 Prozent
betragen".
26
Da die Erklärung im Zeitpunkt des Erwerbs abzugeben ist, empfiehlt es sich, die entsprechende Klausel in
den Kaufvertrag aufzunehmen.
27
Nefzger, Peter B.: Gewisse Steuerlücken werden jetzt geschlossen. In: Finanz und Wirtschaft,
Ausgabe 9, 02.02.2000, S. 45
Gesetzgebung und Praxis 15
4.3.2 Beschränkung des Schuldzinsabzuges
Private Schuldzinsen sind nur noch im Umfang des Ertrags aus beweglichem und
unbeweglichem Vermögen zuzüglich CHF 50'000.-- abziehbar. Die Erträge werden
dabei brutto gemessen.
Mit dieser Massnahme will man missbräuchlichen Praktiken einer künstlichen Verschuldung
entgegenwirken: Die Aufnahme von Fremdkapital (z.B. für Wertschriftengeschäfte)
soll eingeschränkt werden.
Die entsprechende Bestimmung wurde wie folgt in Art. 9 Abs. 2 Bst. a StHG aufgenommen:
1
[...]
2
Allgemeine Abzüge sind:
a. die privaten Schuldzinsen im Umfang des nach Artikel 7 steuerbaren
Vermögensertrages und weiterer 50'000 Franken;
b. - k. [...]
3
[...]
4
[...]
Gesetzgebung und Praxis 16
4.4 Praxisanwendung in einzelnen Kantonen
4.4.1 Gesetzesgrundlagen
Nachdem das StHG für alle Kantone verbindlich ist und damit auch die in Kapitel
4.2 geschilderten Regeln, erübrigt sich eine Auflistung der einzelnen kantonalen
Gesetzesartikel 28 .
4.4.2 Kanton Zürich
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verfolgt im Zusammenhang mit der
Abgrenzung zwischen selbständiger Erwerbstätigkeit und privater Vermögensverwaltung
eine restriktive Praxis:
"Entscheidungswesentlich ist einzig, ob A. [der Steuerpflichtige] beim Verkauf und
Kauf der Wertpapiere jenes Mindestmass nach aussen hin sichtbarer Eigenaktivitäten
entwickelt hat, ohne welches nicht von einer (Erwerbs-)Tätigkeit ... gesprochen
werden kann" 29 .
Aufgrund dieser Auslegung "werden die Anforderungen an die Annahme einer
selbständigen Erwerbstätigkeit derart hoch geschraubt, dass sie von einer Privatperson
in Bezug auf den Wertschriftenhandel praktisch gar nicht mehr erfüllt werden
können. Eine selbständige Erwerbstätigkeit würde nur mehr ausüben, wer über
eine Börsenlizenz verfügt oder seine Dienste als Wertpapierhändler öffentlich
anbietet" 30 .
Die Steuerverwaltung Zürich übernahm dieses Kriterium des "Nach-aussen-in-
Erscheinung-Tretens" und stellte sich bis 31. Dezember 2000 in der Praxis darauf
ab. Seit 1. Januar 2001 wurde diese Praxis aufgegeben.
"Ausschlaggebend ist seither die bis heute angewandte Bundesgerichtspraxis und
somit die traditionellen Merkmale der selbständigen Erwerbstätigkeit", so lic. iur.
Harry Müller, Abteilungsleiter Wertschriftenbewertung und Verrechnungssteuer,
Kanton Zürich 31 .
Jeder Fall wird unter dem Gesichtspunkt der "ganzheitlichen Betrachtungsweise"
einzeln beurteilt. Dabei kann grundsätzlich jedes der bekannten Kriterien zu einer
Einstufung als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler führen.
28
vgl. auch Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich (KR-Nr. 168/2001),
Sitzung vom 27. Juni 2001
29
StE 1994 B 23.1 Nr. 28 (ZH)
30
Hess, Toni: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen Instrumente
sowie deren Anteilsinhaber in der Schweiz, Schriften zum Steuerrecht, 1. Auflage.
Zürich: Schulthess Verlag, 2001, S. 119
31
telefonische Besprechung vom 3. Juli 2001
Gesetzgebung und Praxis 17
Die Verhältnismässigkeit spielt eine wichtige Rolle. Müller dazu: "Der Fall eines
Steuerpflichtigen, der z.B. über ein Vermögen von CHF 10'000'000.-- verfügt und
davon mit einem Betrag von CHF 1'000'000.-- spekulativ und häufig handelt, ist
anders zu beurteilen, als ein Steuerpflichtiger mit keinem Vermögen, der
CHF 1'000'000.-- Fremdkapital aufnimmt und spekulative Transaktionen tätigt".
Dies kommt auch in der Stellungnahme des Regierungsrates des Kantons Zürich
(Sitzung vom 27. Juni 2001) auf eine Anfrage von Kantonsrat Severin Huber zur
"Besteuerung von privaten Börsengewinnen" 32 zum Ausdruck:
"Ob Kauf und Verkauf von Wertschriften eine selbstständige Erwerbstätigkeit darstellen,
ist gemäss den vom Bundesgericht entwickelten Grundsätzen unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei
weisen namentlich die nachfolgend aufgeführten Indizien, die nicht kumulativ vorliegen
müssen, auf eine selbstständige Erwerbstätigkeit hin, die über die blosse
Vermögensverwaltung hinausreicht:
• systematisches oder planmässiges Vorgehen;
• Häufigkeit der Transaktionen;
• kurze Besitzesdauer;
• enger Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit;
• Einsatz spezieller Fachkenntnisse;
• Einsatz erheblicher fremder Mittel zur Finanzierung;
• Wiederanlage des erzielten Gewinns in gleichartigen Vermögensgegenständen;
• Eingehen besonderer Risiken.
Nicht entscheidend ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ob der
Steuerpflichtige die Wertschriftengeschäfte selber oder durch eine bevollmächtigte
Drittperson abwickelt. Nicht nötig ist ferner eine sichtbare Teilnahme am
wirtschaftlichen Verkehr. Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige eine Tätigkeit
entfaltet, die - auf Grund des Gewichts eines oder mehrerer der genannten oder
ähnlicher Indizien - in ihrer Gesamtheit auf Erwerb ausgerichtet erscheint" 33 .
Obwohl der Regierungsrat einsieht, dass die Umsetzung der vom Bundesgericht
entwickelten Grundsätze "nicht unproblematisch" ist, verzichtet er auf die Publikation
einer entsprechenden Praxisfestlegung 34 . Dabei wird folgende Begründung
angeführt:
32
In der Anfrage vom 28. Mai 2001 bat Severin Huber den Regierungsrat, zur Problematik des
gewerbsmässigen Wertschriftenhandels und der damit bestehenden Rechtsunsicherheit im Zusammenhang
mit der Definition bzw. der Abgrenzung, Stellung zu nehmen.
33
Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich (KR-Nr. 168/2001),
Sitzung vom 27. Juni 2001
34
Im Gegensatz dazu die Kantone Schwyz (Kapitel 4.4.3) und Bern (Kapitel 4.4.7).
Gesetzgebung und Praxis 18
"Die Anforderungen an eine solche Beurteilung des Einzelfalles sprechen aber
grundsätzlich dagegen, im Rahmen von kantonalen Weisungen bestimmte quantitative
Kriterien, wie etwa eine Zahl von Transaktionen, einen Umsatz oder einen
Verschuldungsgrad, festzulegen, bei deren Vorliegen von vornherein auf eine
selbstständige Erwerbstätigkeit zu schliessen wäre. Eine schematische Beurteilung
der in Frage stehenden Sachverhalte auf Grund eines nur wenige Kriterien
umfassenden Katalogs könnte dazu führen, dass im Ergebnis mehr Steuerpflichtige
als gewerbsmässige Wertschriftenhändler besteuert würden, als nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts und den gesetzlichen Grundlagen gerechtfertigt
ist" 35 .
Zudem verweist der Regierungsrat auf die am 5. Oktober 2000 von Nationalrat
Hans Hess an den Ständerat eingereichte Empfehlung betreffend den gewerbsmässigen
Wertschriften- und Immobilienhandel. Am 27. November 2000 wurde die
Empfehlung an den Bundesrat überwiesen. Inzwischen ist die Eidgenössische
Steuerverwaltung beauftragt worden, bis Ende 2001 einen Bericht zu erstellen.
Müller fügt an, dass bis anhin wenig Fälle zur Einstufung als gewerbsmässiger
Wertschriftenhändler geführt haben. "Man wolle wirklich nur die eindeutigen Fälle
als gewerbsmässig einstufen". Zudem könne jeder Anleger selbst am besten beurteilen,
ob er einer privaten Vermögensverwaltung nachgehe oder ob er dies
gewerbsmässig betreibe.
4.4.3 Kanton Schwyz
Die vom Kanton Schwyz im Mai 2000 publizierte Praxis 36 zum gewerbsmässigen
Wertschriftenhandel sorgte für einigen Wirbel. Die anfängliche Begeisterung, dass
ein Kanton endlich einmal klare Richtlinien veröffentlicht und ein Beitrag leistet zur
Erhöhung der Transparenz und somit zur Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen,
wich einer wachsenden Kritik, die entsprechenden Einstufungskriterien vehement
verschärft zu haben.
Dies bestätigt lic. iur. Thierry Lippmann, Abteilungsleiter Rechtsdienst, Kanton
Schwyz: "Die Anfragen von besorgten Steuerzahlern häuften sich" 37 .
Die publizierte Praxis legt das Hauptgewicht auf zwei Einstufungskriterien:
"Grundsätzlich liegt in allen Fällen, in denen mittels Kredit - sei dies ein Lombardkredit
oder die Aufnahme bzw. Aufstockung einer Hypothek - Wertschriften
gekauft werden, gewerbsmässiger Wertpapierhandel vor. Die Höhe des Kredites ist
nicht massgebend. Besteuert werden alle Wertschriftengewinne, nicht nur diejenigen,
die durch Kreditaufnahme ermöglicht werden.
35
Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich (KR-Nr. 168/2001),
Sitzung vom 27. Juni 2001
36
StPS 1/2000, S. 5ff.
37
telefonische Besprechung vom 20. Juni 2001
Gesetzgebung und Praxis 19
Ebenfalls gewerbsmässiger Wertschriftenhandel liegt vor beim Einsatz von
Derivaten, der über die Depotabsicherung hinausgeht.
Die zwei vorgenannten Kriterien genügen für sich allein, müssen also nicht kumulativ
vorliegen. Vorbehalten bleiben selbstverständlich Fälle von Steuerumgehung
(z.B. zwecks Verlustverrechnung). Die übrigen bundesgerichtlichen Kriterien treten
demgegenüber in den Hintergrund".
Die publizierte Praxis wurde nachträglich insofern leicht abgeschwächt, als dass
die Höhe des Fremdkapitals bzw. die Anzahl der eingesetzten derivativen Instrumente
auch gewichtet werden. Es bestehen jedoch auch hier keine Limiten, ab
welcher eine Gewerbsmässigkeit beginnt. Lippmann bestätigt das Problem der
Schnittstelle.
Zudem wird bei den Derivaten unterschieden zwischen rein spekulativen
Optionsgeschäften (spricht für Gewerbsmässigkeit) und Optionsgeschäften zur
Absicherung (spricht gegen Gewerbsmässigkeit). Es wird somit von Fall zu Fall
entschieden und die Gesamtumstände berücksichtigt.
Lippmann fügt an, dass bisher sehr wenige Fälle behandelt werden mussten, was
die ggü. der Bundesgerichtspraxis nach wie vor restriktive Praxis des Kantons
Schwyz unterstreicht. Im Gegenteil: Es seien mehr Fälle bekannt, in denen der
Steuerpflichtige von sich aus als gewerbsmässig eingestuft werden wollte
(Verlustverrechnung !). Auch hier wird aber entsprechend restriktiv entschieden.
Obwohl schwergewichtig die genannten zwei Kriterien für die Beurteilung beigezogen
werden, können auch die übrigen Einstufungskriterien (z.B. Häufigkeit der
Transaktionen, etc.) zur Qualifikation als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler
führen. Es wird auch hier von Fall zu Fall entschieden.
Das Einstufungskriterium "systematisches und planmässiges Vorgehen" empfindet
Lippmann als nicht geeignet: "Jedermann, der sein Vermögen verwaltet (sei es
selbst oder durch Beauftragung eines Dritten), geht planmässig vor". Das entsprechende
Kriterium wird entgegen der gängigen BGE-Praxis eher vernachlässigt.
Lediglich das entsprechende Mass beim "systematischen und planmässigen
Vorgehen" wird gegebenenfalls gewichtet 38 .
38
vgl. Entscheid Verwaltungsgericht Schwyz vom 28. August 1987 betreffend gewerbsmässigem Wertschriftenhandel
(StE 1989 B 23.1 Nr. 16 (BdBSt)): "[...], spielt bei diesem Kriterium die Frage des Masses eine
grosse Rolle".
Gesetzgebung und Praxis 20
Zum gleichen Schluss kommt ein Artikel von Philipp Betschart:
"Auch sind einige dieser Kriterien kaum geeignet, diese Abgrenzung [zwischen privater
Vermögensverwaltung und gewerbsmässigem Wertschriftenhandel] vorzunehmen.
So ist zum Beispiel nur schwer verständlich, wieso systematisches und
planmässiges Vorgehen schädlich sein soll. Jeder gewissenhafte private Anleger
macht sich Gedanken über seine Anlagestrategie und legt sein Vermögen mehr
oder weniger planmässig und systematisch an" 39 .
4.4.4 Kanton St. Gallen
Die Praxis des Kantons St. Gallen zieht für die Beurteilung des gewerbsmässigen
Wertschriftenhandels drei Kriterien heran:
◆ Die Aufnahme von Fremdkapital (hauptsächlich via Lombardkredit, aber auch
allfällige Erhöhungen einer Hypothek für Wertschriftengeschäfte). Die Laufzeit
bzw. Dauer sowie die Höhe des Kredites werden dem Gesamtvermögen gegenübergestellt
und gewichtet.
◆ Einsatz von Derivaten, wobei hauptsächlich die Risikokomponente der entsprechenden
Instrumente beurteilt wird. Es können Optionsstrategien angewendet werden,
ohne das Risiko zu erhöhen (siehe Kapitel 7.5). Der Steuerpflichtige muss gegebenenfalls
den Nachweis erbringen, dass solche Strategien eingesetzt wurden.
◆ Die Anzahl der getätigten Transaktionen wird ins Verhältnis zum gesamten
Vermögen gesetzt. Die Zusammensetzung des Vermögens (u.a. Aktien, Obligationen,
Optionen, etc.) wird dabei ebenfalls berücksichtigt. So wird zum Beispiel
die Rückzahlung einer Obligation bei Verfall nicht als Transaktion gewertet.
Nach Auskunft von lic. iur. Hubert Hofmann, Abteilungsleiter Rechtsdienst, "müssen
die Kriterien nicht kumulativ erfüllt sein - ein Kriterium kann für die Qualifizierung als
gewerbsmässiger Wertschriftenhändler reichen" 40 . Weiter fügt Hofmann an, "dass
die Verhältnismässigkeit bei jedem Kriterium eine grosse Rolle spiele und jeder Fall
einzeln, unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, beurteilt werde".
Bis heute mussten im Kanton St. Gallen praktisch keine Fälle zum gewerbsmässigen
Wertschriftenhandel beurteilt werden: "Die Thematik wird überschätzt", so
Hofmann. Man müsse auch berücksichtigen, dass ein Steuerkommissär durchschnittlich
2.5 Stunden Zeit hat, eine Steuererklärung zu prüfen. Zudem habe der
Steuerpflichtige genügend Möglichkeiten, vor dem relevanten Stichtag per
31. Dezember, Anpassungen am Vermögen vorzunehmen (vorzeitige Rückzahlung
von Fremdkapital, Nichtdeklaration von Schuldzinsen, Depotbereinigungen, etc.).
Weiter sei der Steuerpflichtige aufgrund von zahlreichen Presseberichten für die
Thematik sensibilisiert.
39
Betschart, Philipp: "Der Kanton Schwyz schafft mehr Rechtssicherheit für Anleger - zwei Hauptkriterien".
In: Finanz und Wirtschaft, Ausgabe 67, 23.08.2000, S. 29
40
telefonische Besprechung vom 3. Juli 2001
Gesetzgebung und Praxis 21
Einen interessanten Aspekt fügt Hofmann zum Schluss an: "Die Kapitalgewinnbesteuerung
via Einstufung als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler sei in der
Praxis nicht durchsetzbar, obwohl die bestehende Steuerlücke an sich eine
stossende Ungerechtigkeit darstellt. Die Problematik müsste man über eine grundlegende
Änderung der Einkommensbesteuerung lösen".
4.4.5 Kanton Thurgau
Der aktuellste Bundesgerichtsentscheid zur Thematik des gewerbsmässigen Wertschriftenhandels
stammt aus dem Kanton Thurgau 41 .
Auf den Entscheid der Veranlagungsbehörde (die eine Gewerbsmässigkeit bejahte),
folgte vom Steuerpflichtigen eine Beschwerde bei der Steuerrekurskommission,
mit der Begründung, dass die erzielten Wertschriftengewinne bei der privaten
Vermögensverwaltung entstanden seien und somit kein Erwerbseinkommen aus
selbständiger Erwerbstätigkeit darstelle.
Die Steuerrekurskommission hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 5. November
1997 gut, mit der Begründung, die Tätigkeit des Steuerpflichtigen gehe nicht
über den Bereich der blossen Verwaltung des eigenen Vermögens hinaus.
Daraufhin hat die Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer mit Eingabe
vom 12. Januar 1998 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben.
Der Entscheid des Bundesgerichtes vorneweg: Die Beschwerde des Kantons
Thurgau wurde vollumfänglich gutgeheissen und dementsprechend die Gewerbsmässigkeit
bejaht.
41
StE 2000 B 23.1 Nr. 45 (DBG)
Gesetzgebung und Praxis 22
Folgende Kriterien haben zu dieser Einstufung geführt:
◆ Die Wertschriften waren per Ende 1994 zu ca. 39 % fremdfinanziert (einem Vermögen
von CHF 7'250'000.-- standen Lombardkredite von CHF 2'806'602.--
gegenüber). Die entsprechenden Schuldzinsen (für 1993 CHF 76'079.--, für
1994 CHF 153'337.--) überstiegen nicht nur die Renteneinnahmen von je
CHF 40'644.-- erheblich, sie waren im Jahre 1994 auch höher als die deklarierten
durchschnittlichen Wertschriftenerträge von CHF 117'519.--.
"Das zeigt, dass die Beschwerdegegner [der Steuerpflichtige] die fraglichen
Wertschriften nicht primär im Hinblick auf eine Anlage privaten Kapitals, sondern
auf eine Wertsteigerung an der Börse erworben und damit gerechnet haben, die
Kreditzinsen mit den realisierten Veräusserungsgewinnen abzudecken. Der hohe
Fremdfinanzierungsgrad, der dazu geführt hat, dass die Zinsen teilweise sogar
die jährlichen Wertschriftenerträge überstiegen haben, spricht mit erheblichem
Gewicht gegen die Annahme, dass sich die Beschwerdegegner bloss im Rahmen
der gewöhnlichen Verwaltung eigenen Vermögens bewegt haben. Bei der
gewöhnlichen Anlage von privatem Vermögen wird darauf geachtet, dass die
Erträge den Aufwand übersteigen" 42 .
◆ Bei einem Vermögen von CHF 7'250'000.-- wurde ein Umsatz mit Wertschriften
von ca. CHF 5'000'000.-- erzielt und damit pro Jahr mehr als die Hälfte des
Wertschriftenbestandes umgesetzt.
Das Bundesgericht führte im Entscheid vom 2. Dezember 1999 aus:
"Insgesamt ergibt sich daraus nicht das Bild einer blossen bzw. gewöhnlichen Verwaltung
eigenen, privaten Vermögens. Insbesondere der hohe Fremdfinanzierungsgrad,
die kurze Besitzdauer und der relativ hohe jährliche Umsatz zeigt, dass
die Beschwerdegegner [der Steuerpflichtige] ihren Wertschriftenbestand nicht
bloss dynamisch bewirtschaftet haben, wie dies auch im Rahmen einer gewöhnlichen
Vermögensverwaltung möglich ist, sondern systematisch und planmässig
tätig geworden ist und gezielt, mit erheblichem Mitteleinsatz und auch mit hohem
Risiko versucht haben, die Börsenentwicklung auszunützen. Ein solches Vorgehen
kann - primär zufolge des hohen Fremdkapitalanteils - insgesamt nicht mehr als
gewöhnliche Vermögensverwaltung bezeichnet werden, sondern stellt eine selbständige
Erwerbstätigkeit dar. Die fraglichen Vermögensgegenstände sind demnach
auch zum Geschäftsvermögen zu rechnen. Die Beschwerdegegner sind
dabei zwar offenbar nicht unmittelbar selber tätig geworden; doch haben sie sich
die Tätigkeit der von ihnen beigezogenen Banken anrechnen zu lassen" 43 .
42
StE 2000 B 23.1 Nr. 45 (DBG)
43
StE 2000 B 23.1 Nr. 45 (DBG)
Gesetzgebung und Praxis 23
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau verfolgte im Zusammenhang mit
dem gewerbsmässigen Wertschriftenhandel seit jeher eine sehr restriktive Praxis:
Gemäss Entscheid des Verwaltungsgerichtes vom 16. Januar 1991 44 wurde eine
Gewerbsmässigkeit verneint, u.a. mit der Begründung, dass das für eine selbständige
Erwerbstätigkeit erforderliche Kriterium des "Nach-aussen-in-Erscheinung-
Tretens" nicht erfüllt war 45 .
Mit dieser Rechtsprechung kann eines von vornherein praktisch ausgeschlossen
werden: Die Einstufung einer Privatperson zum gewerbsmässigen Wertschriftenhändler.
Die Anforderungen an die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit
sind derart hoch geschraubt, dass sie von einer Privatperson gar nicht mehr erfüllt
werden können.
Nach Aussagen von Jakob Rütsche, dipl. Steuerexperte, Abteilungsleiter für natürliche
Personen, stützte sich die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau bis zum 31. Dezember
2000 auf diese Praxis ab. Per 1. Januar 2001 wurde diese Praxis aufgegeben 46 .
Seither hält man sich an die Bundesgerichtspraxis und die sich daraus ergebenden
Einstufungskriterien. Dabei stehen die folgenden drei Einstufungskriterien im
Vordergrund: 47
◆ Einsatz von Spezialkenntnissen
Enger Zusammenhang zwischen der hauptberuflichen Tätigkeit und dem Börsenhandel.
Steuerpflichtiger ist z.B. hauptberuflich im Wertschriften- und Devisengeschäft
oder in der Anlageberatung tätig.
◆ Inanspruchnahme bedeutender Fremdmittel
Während die Anlage von Teilen des eigenen Vermögens in Wertschriften und die
Realisierung von Wertschriftengewinnen sowie die Reinvestition heutzutage
durchaus zu einer üblichen und häufigen Verwaltung privaten Vermögens
gehört, kann von einer einfachen Verwaltung privaten Vermögens nicht mehr die
Rede sein, wenn in umfangreichem Masse Fremdmittel beansprucht werden,
die es erlauben, den Umfang der Wertpapierhandelstätigkeit zu steigern. Zudem
ist das Unternehmerrisiko bedeutend grösser, weil die Spekulation nicht bloss
zu einer Minderung oder einem Verlust des eigenen Vermögens führen kann,
sondern auch eine Verschuldung möglich ist. Der Einsatz fremder Mittel zur
Finanzierung der Geschäfte ist ein Indiz für Gewerbsmässigkeit.
44
StE 1991 B 26.3 Nr. 3 (TG)
45
Ebenso wurde die Tatsache, dass sich das Stimmvolk des Kantons Thurgau im Rahmen der Teilrevision
des Steuergesetzes vom 3. Juli 1986 für die Abschaffung der Besteuerung von Kapitalgewinnen auf
beweglichem Vermögen entschieden hat, in der Urteilsbegründung angeführt. Demzufolge unterliegen
Wertschriftengewinne grundsätzlich keiner Besteuerung, ausser solche Gewinne können als Einkünfte
aus selbständiger Erwerbstätigkeit oder Vermögensertrag qualifiziert werden.
46
telefonische Besprechung vom 6. Juli 2001
47
gem. interner Wegleitung für Steuerkommissäre im Kanton Thurgau
Gesetzgebung und Praxis 24
◆ Planmässiges, auf Erfolg gerichtetes Vorgehen
Bei der Abgrenzung, ob Börsengeschäfte im Rahmen der schlichten privaten
Vermögensverwaltung oder aber gewerbsmässig betrieben werden, spielt die
Frage des Masses eine grosse Rolle. Kann im Liegenschaftenhandel schon eine
geringe Anzahl von Geschäften, u. U. gar ein einziges Geschäft, zur Bejahung
einer Erwerbstätigkeit führen, wird dies bei Börsengeschäften selten der Fall
sein.
Bei einem Steuerpflichtigen, der nur gelegentlich und vereinzelt Börsengeschäfte
tätigt, wird man kaum von einer anhaltenden und planmässigen
Aktivität sprechen können. Liegt aber eine Häufung von Kauf- und Verkaufsgeschäften
mit einem Umsatz vor, welcher das steuerbare Vermögen um ein
Vielfaches übersteigt, so kann auch in Berücksichtigung der Besonderheiten
des Börsengeschäftes nicht von einer einfachen oder gewöhnlichen
Vermögensverwaltung gesprochen werden. Zudem dürfte die Besitzesdauer der
einzelnen Vermögenswerte relativ gering sein.
Rütsche fügt an, "dass bis heute praktisch keine Fälle bekannt sind, die zur Einstufung
als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler geführt haben".
4.4.6 Kanton Graubünden
Die Praxis des Kantons Graubünden zieht für die Beurteilung des gewerbsmässigen
Wertschriftenhandels zwei Kriterien heran:
Fremdfinanzierung und Häufigkeit der Transaktionen
Nach Aussagen von Dr. iur. Toni Hess, Abteilungsleiter Rechtsdienst, "verwaltet ein
Anleger bei der Aufnahme von Fremdkapital nicht mehr ausschliesslich sein
eigenes Vermögen" 48 . Diese Tatsache spreche für den gewerbsmässigen Wertschriftenhandel.
Die Höhe der Verschuldung ist nicht massgebend. Besteuert werden auch hier
sämtliche Wertschriftengewinne, nicht nur diejenigen, die durch Kreditaufnahme
ermöglicht wurden.
"Viel wichtiger als die effektive Höhe der Verschuldung ist in diesem Zusammenhang
die Beurteilung der Verhältnismässigkeit". Hess fügt an, dass jeder Fall
einzeln, unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, beurteilt werde.
48
telefonische Besprechung vom 2. Juli 2001
Gesetzgebung und Praxis 25
Auch beim zweiten Kriterium, der Häufigkeit von Transaktionen, steht die Verhältnismässigkeit,
unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, im Vordergrund.
Die kritische Höhe sieht Hess ab einer Anzahl von 60 bis 70 Transaktionen pro
Jahr, wobei der Kauf und der entsprechende Verkauf als jeweils eine Transaktion
gezählt werden.
Aktives und häufiges "Day-Trading", bei welchem die Anleger versuchen, innerhalb
eines Tages kleinste Kursschwankungen auszunützen und keine Wertschriftenpositionen
über Nacht halten, spreche aus dieser Optik klar für die Gewerbsmässigkeit.
Im Zusammenhang mit der Häufigkeit von Transaktionen bezeichnet Hess den
Bundesgerichtsentscheid vom 3. Juli 1998 als "leading case" 49 . In diesem Entscheid
erfüllte ein Fahrlehrer, der ohne entsprechendes Fachwissen mit relativ
geringem Fremdkapital innert vier Jahren 59 Börsentransaktionen im Gesamtbetrag
von CHF 1’200’000.-- getätigt hatte, die Voraussetzungen des gewerbsmässigen
Wertschriftenhandels nicht. Die erlittenen Kapitalverluste wurden entsprechend
nicht zum Abzug zugelassen.
Die übrigen bekannten Einstufungskriterien werden vernachlässigt. Sie können
aber, bei ausgeprägtem Vorhandensein, in die Entscheidungsfindung miteinbezogen
werden. Die Steuerverwaltung Graubünden lehnt die Praxis des Zürcherischen
Verwaltungsgerichtes ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hat die
Praxis der Steuerverwaltung in mehreren Entscheiden bestätigt bzw. geschützt 50 .
Das Einstufungskriterium "Einsatz von Derivaten" beurteilt Hess als nicht geeignet,
"könne doch der Einsatz von Optionen und Derivaten zu einer normalen Anlagestrategie
gehören und müsse demzufolge nicht für eine Gewerbsmässigkeit sprechen".
Selbstverständlich spielt auch hier das entsprechende Mass eine Rolle.
49
StE 1998 B 23.1 Nr. 39 (BdBSt)
50
vgl. dazu Hess, Toni: a.a.O., S. 120
Gesetzgebung und Praxis 26
4.4.7 Kanton Bern
Der Kanton Bern hat vor kurzem eine Praxisfestlegung zur Abgrenzung zwischen
gewerbsmässigem Wertschriftenhandel und privater Vermögensverwaltung publiziert.
Dabei wurden Kriterien festgelegt, "die zum Verzicht auf die Besteuerung von Einkommen
aus selbständiger (Neben-) Erwerbstätigkeit führen. Dabei sind lediglich
diejenigen Fälle geregelt, die nicht weiter geprüft werden. Entspricht der konkrete
Sachverhalt nicht den aufgeführten Kriterien, muss eine Beurteilung des Einzelfalles
vorgenommen werden, die sich nach verschiedentlich publizierten Entscheiden
der Steuerjustiz richtet" 51 .
Blosse Vermögensverwaltung ist demnach immer gegeben, wenn eine der
folgenden Bedingungen erfüllt ist:
◆ Der durchschnittliche Wertschriftenbestand 52
gemäss Wertschriftenverzeichnis
(ohne flüssige Mittel) beträgt weniger als CHF 200'000.--.
◆ Es finden jährlich weniger als 100 Transaktionen (Käufe oder Verkäufe) statt.
Wenn kein Fremdkapital eingesetzt wird und keine Optionen gekauft werden,
sind bis zu 200 Transaktionen zulässig.
◆ Der Umsatz (Summe der Käufe und Verkäufe) beträgt weniger als das Dreifache
des durchschnittlichen Wertschriftenbestandes. Wenn kein Fremdkapital eingesetzt
wird und keine Optionen gekauft werden, darf der Umsatz bis zum Fünffachen
des durchschnittlichen Wertschriftenbestandes betragen.
◆ Die Haltedauer ist in der Mehrzahl der Titelkategorien 53 länger als sechs Monate.
Massgebend sind die Titelkategorien, die den überwiegenden Teil 54
des
Wertschriftenbestandes darstellen.
Wenn eine dieser Bedingungen erfüllt ist, handelt es sich immer um blosse
Vermögensverwaltung. Ist keine dieser Bedingungen erfüllt, wird aufgrund einer
Prüfung der gesamten Umstände des Einzelfalles eine Beurteilung vorgenommen.
"Schliessen sich mehrere Personen zum gemeinsamen Kauf und Verkauf von Wertschriften
zusammen, erhöhen sich die massgeblichen Grenzbeträge (Wertschriftenbestand,
Transaktionen, Umsatz) nicht. Bei gemeinsam veranlagten Ehegatten
findet aus diesem Grund ebenfalls keine Verdoppelung der Grenzbeträge statt" 55 .
51
NStP, Nr. 3 + 4, März/April 2001, S. 13
52
vgl. Amonn, Toni: Praxisfestlegung zum gewerbsmässigen Wertschriftenhandel. In: Jusletter,
18. Juni 2001: "[...] ist nach der Formel «Wertschriftenbestand Anfang Jahr + Wertschriftenbestand
Ende Jahr geteilt durch zwei» zu berechnen."
53
vgl. Amonn, Toni: a.a.O., "[...] alle Beteiligungsformen (z.B. Namen- und Inhaberaktien) an einem
bestimmten Unternehmen (z.B. Nestlé) zu verstehen."
54
vgl. Amonn, Toni: a.a.O., "[...] ist wertmässig zu verstehen, d.h. es kommt nicht auf die Anzahl Titel, sondern
deren Gesamtwert an."
55
NStP, Nr. 3 + 4, März/April 2001, S. 14
Gesetzgebung und Praxis 27
Nach Aussagen von Giuseppina Jarrobino, Fürsprecherin, Mitarbeiterin Rechtsdienst,
"soll damit verhindert werden, dass ein Ehegatte automatisch die doppelten
Grenzwerte für sich allein in Anspruch nehmen kann. Falls jedoch beide Ehegatten
separat eigene Wertschriften verwalten, und der entsprechende Nachweis
erbracht werden kann, können beide Ehegatten die normalen Grenzwerte je für
sich beanspruchen" 56 .
Die publizierte Praxis werde schon seit längerer Zeit so angewendet. Sie entspricht
demzufolge keiner Praxisänderung. Ziel der Publikation sei es, für den Steuerpflichtigen
eine bessere Transparenz und damit verbunden, eine erhöhte Rechtssicherheit
zu erreichen.
Dr. Toni Amonn bezeichnet das Vorgehen der Steuerverwaltung "als wegweisend
und mutig. [...] Das grösste Verdienst der Praxisfestlegung - und das ist herauszustreichen
- besteht m.E. darin, dass wohl für die ganz überwiegende Mehrzahl der
Betroffenen endlich Klarheit und Vorhersehbarkeit geschaffen wurde. Deshalb wäre
es zu begrüssen, wenn sich auch andere Kantone an diesem Konzept orientieren
[sic]" 57 .
56
telefonische Besprechung vom 3. Juli 2001
57
vgl. Amonn, Toni: a.a.O.
Gesetzgebung und Praxis 28
4.5 Parlamentarische Vorstösse
Auf die in der Vergangenheit zahlreich eingereichten Motionen, Postulate, Anfragen,
Empfehlungen, Interpellationen, etc., soll an dieser Stelle nicht eingegangen
werden. Es soll lediglich der derzeitige Stand der heute noch pendenten
Geschäfte (Stand Juli 2001) kurz skizziert werden.
4.5.1 Initiative für eine Kapitalgewinnsteuer
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hat am 5. November 1999 die
eidgenössische Volksinitiative für eine Kapitalgewinnsteuer eingereicht. Die Initiative
sieht die Einführung einer besonderen Steuer auf realisierten Kapitalgewinnen
auf beweglichem Vermögen vor. Die Steuer soll zwischen 20 und 25 % betragen.
Der Bundesrat beantragte in der Botschaft vom 25. Oktober 2000, ohne Gegenvorschlag,
"die Initiative Volk und Ständen [National- und Ständerat] mit der
Empfehlung auf Ablehnung zur Abstimmung zu unterbreiten" 58 .
Dabei führte er im Wesentlichen aus:
"Eine solche Steuer wäre wie erwähnt unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit
grundsätzlich wohl begründbar, sie würde jedoch u.a. mit der Vermögenssteuer
kollidieren, wäre finanziell vergleichsweise unergiebig und administrativ aufwendig.
Demgegenüber will der Bundesrat an der geltenden Steuerfreiheit der privaten
Kapitalgewinne im Rahmen einer gleichzeitigen Reform des Unternehmungssteuerrechts
Korrekturen anbringen. Aus diesen Gründen hält es der Bundesrat für
angezeigt, die Einführung einer möglichst ertragsneutralen Beteiligungsgewinnsteuer
59 unter Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung zu prüfen" 60 .
Der Nationalrat schloss sich in der Sitzung vom 12. März 2001 der bundesrätlichen
Botschaft an und empfahl die Initiative ohne Gegenvorschlag zur
Ablehnung.
Auch die zweite Kammer, der Ständerat, hat in der Sommersession 2001 die
Initiative klar abgelehnt. Eine Kapitalgewinnsteuer wäre wegen der bereits bestehenden
Vermögenssteuer systemwidrig und administrativ zu aufwendig, befand
der Ständerat.
Über die Initiative wird anlässlich der Volksabstimmung vom 9. Dezember 2001
abgestimmt.
58
BBl 2000, S. 5995 ff.
59
Darunter ist eine "Sondersteuer, die den Gewinn aus dem Verkauf von wesentlichen Beteiligungen an einer
Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft" erfasst, zu verstehen. Die Prüfung einer Beteiligungsgewinnsteuer
als Alternative zur Kapitalgewinnsteuer wurde in der Presselandschaft kritisch aufgenommen
(vgl. dazu: Morf, Peter: "Bundesrat lässt «Kapitalgewinnsteuer light» prüfen". In: Finanz und Wirtschaft,
Ausgabe 87, 01.11.2000, S. 33).
60
BBl 2000, S. 6018
Gesetzgebung und Praxis 29
4.5.2 Empfehlung von Nationalrat Hans Hess
Nationalrat Hans Hess reichte am 5. Oktober 2000 eine Empfehlung an den
Bundesrat ein. Darin forderte er ihn auf, Massnahmen für eine klarere Abgrenzung
zwischen steuerfreier privater Vermögensverwaltung und gewerbsmässigem Wertschriften-
und Immobilienhandel zu treffen.
"Dabei sind insbesondere nicht nur die Abgrenzungskriterien festzulegen, sondern:
1. sie sind zu quantifizieren bzw. zu konkretisieren;
2. es ist festzulegen, in welcher Kombination diese Kriterien erfüllt sein müssen,
damit Gewerbsmässigkeit vorliegt" 61 .
Hess fügte folgende Begründungen an:
◆ Die bisherige (bundesgerichtliche sowie kantonale) Rechtsprechung zeigt alles
andere als ein einheitliches Bild. Die Abgrenzungskriterien sind wohl mehr oder
weniger bekannt, unklar ist aber bereits der konkrete Inhalt der meisten Kriterien:
• Gilt ein Kauf und Verkauf als eine einzige Transaktion oder sind es zwei
Transaktionen ?
• Wie verhält es sich, wenn ein Aktienpaket in Tranchen gekauft oder verkauft wird ?
• Welche Besitzdauer ist kurz, welches Umsatzvolumen ist hoch ?
• Ab welchem Ausmass wird Fremdfinanzierung problematisch ?
• etc.
◆ Es besteht eine grosse Rechtsunsicherheit. Weder die Steuerpflichtigen selber,
noch die Steuerberater sind in der Lage, einigermassen zuverlässig zu prognostizieren,
wo die Grenze zwischen privater Vermögensverwaltung und der
Gewerbsmässigkeit liegt.
◆ Die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer wurde auf politischer Ebene bereits
mehrfach diskutiert, aber stets klar verworfen. Die Steuerfreiheit von privaten
Kapitalgewinnen wurde sogar ausdrücklich gesetzlich verankert. Es kann nicht
sein, dass eine Kapitalgewinnsteuer auf dem Wege einer allzu restriktiven und
vor allem nicht vorhersehbaren Auslegung herbeigeführt wird ("Kapitalgewinnsteuer
durch die Hintertür").
Der Bundesrat nahm die Empfehlung am 27. November 2000 an.
Bundesrat Kaspar Villiger konnte keine zeitliche Angabe machen, bis wann die
Empfehlung umgesetzt werden soll, er sagte lediglich: "Ich habe im Rahmen dieser
Empfehlung den Direktor der Eidgenössichen Steuerverwaltung gebeten, das
Problem jetzt anzupacken und mir den Weg, wie er ihn sich vorstellt, zu zeigen" 62 .
61
"Gewerbsmässiger Wertschriften- und Immobilienhandel", Empfehlung Hans Hess, Nr. 00.3549
62
Stellungnahme Bundesrat Kaspar Villiger vom 12. Dezember 2000
Private Kapitalgewinne - Ausnahmen der Steuerfreiheit 30
5 Private Kapitalgewinne -
Ausnahmen der Steuerfreiheit
Beim Verkauf von Aktien des Privatvermögens entsteht i.d.R. kein Vermögensertrag,
sondern ein steuerfreier Kapitalgewinn.
Dadurch ist es möglich, Reserven einer Gesellschaft, die durch Nichtausschüttung
von Gewinnen entstanden sind, grundsätzlich als steuerfreien Kapitalgewinn zu
realisieren.
Es bestehen jedoch Ausnahmen dieser grundsätzlichen Steuerfreiheit.
5.1 Transponierung
Eine Transponierung liegt dann vor, "wenn eine natürliche Person Aktien zu einem
über dem Nominalwert liegenden Preis auf eine von ihr beherrschte AG überträgt,
wobei sie als Gegenleistung entweder diesen Preis gutgeschrieben oder neue
Aktien dieser AG mit einem höheren Nennwert erhält" 63 .
Bei einer Liquidation einer AG erhält der Aktionär lediglich den Nennwert steuerfrei
zurück (ohne allenfalls bestehende Reserven). Durch die erwähnten Vorgehen,
würde der Aktionär seine Situation entscheidend verbessern:
◆ Ein Übertrag von Aktien zu einem über dem Nominalwert liegenden Preis würde
einen für den Aktionär steuerfreien Kapitalgewinn ergeben.
◆ Bei einem Tausch von Aktien mit geringerem Nennwert in solche mit höherem
Nennwert, würde der Aktionär bei einer allfälligen späteren Liquidation eine
höhere steuerfreie Nennwertrückzahlung erhalten.
Der beschriebene Tatbestand wird vom Bundesgericht nicht als echte Veräusserung
klassifiziert, "da der Aktionär ja auch die erwerbende AG beherrscht und
somit gewissermassen an sich selber «verkauft»". Deshalb greift der Fiskus durch:
"Die Differenz zwischen der Gutschrift und dem Nominalwert der «verkauften»
Aktien bzw. dem höheren Nominalwert der neu ausgegebenen und dem tieferen
der als Sacheinlage eingebrachten Aktien stellt bundessteuerpflichtiges Einkommen
dar. Die meisten Kantone schliessen sich dieser Betrachtungsweise für die
kantonalen Steuern ebenfalls an" 64 .
63
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: Steuern und Kapitalanlage, Steuerhandbuch für den
privaten Kapitalanleger. 2. Auflage. Zürich: Verlag Finanz und Wirtschaft, 1999, S. 56
64
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 56
Private Kapitalgewinne - Ausnahmen der Steuerfreiheit 31
Hingegen unterliegt der Transponierungstatbestand nicht der Verrechnungssteuer,
"[...], da die Verrechnungssteuerpflicht für die Reserven der eingebrachten Gesellschaft
durch die Einbringung gegen höheren Nennwert oder Guthaben nicht
geschmälert wird" 65 .
Auf die Einbringung von Beteiligungen in eine von den Erben beherrschte
Gesellschaft (= Erbenholding) wird nicht näher eingegangen.
5.2 Indirekte Teilliquidation
"Nach geltender Bundesgerichtspraxis zur direkten Bundessteuer liegt ein
steuerbarer Vermögensertrag auch dann vor, wenn die Veräusserung der Beteiligungsrechte
so gestaltet ist, dass sie als indirekte Teilliquidation erscheint.
Dies ist dann der Fall, wenn der Verkäufer auf dem Umweg über den Käufer, d.h.
indirekt, ausschüttbare Mittel aus der verkauften Gesellschaft zieht, indem der
Käufer die Kaufpreiszahlung aus dem Vermögen der Gesellschaft finanziert" 66 .
Dabei müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
◆ Die Beteiligungsrechte müssen beim Käufer dem Geschäftsvermögen zugewiesen
werden, d.h. vom Nennwertprinzip für Privatvermögen zum "Buchwertprinzip"
wechseln.
◆ Der Käufer muss den Kauf aus Mitteln der Gesellschaft finanzieren, indem ihm
die Gesellschaft einen entsprechenden Kredit gewährt, den der Käufer nach
dem Verkauf durch Verrechnung mit Ausschüttungen zurückzahlt. Das setzt voraus,
dass die Gesellschaft im Zeitpunkt des Aktienverkaufs über nichtbetriebsnotwendige
Mittel verfügt, welche ausschüttbar sind.
◆ Eine indirekte Ausschüttung auf dem Umweg über den Käufer liegt nur vor, wenn
der Verkäufer an der Finanzierung des Kaufs aus Mitteln der Gesellschaft aktiv
mitwirkt. Das ist nur dann der Fall, wenn die Darlehensgewährung der Gesellschaft
vor dem Verkauf der Beteiligung, d.h. unter der Herrschaft des Verkäufers,
erfolgt. Die Praxis nimmt demgegenüber eine Mitwirkung der Verkäufers
schon dann an, wenn dieser sich nicht ausreichend über die Zahlungsfähigkeit
des Käufers erkundigt hat. Damit wird die indirekte Teilliquidation über den
gemäss Gesetz zulässigen Rahmen hinaus ausgedehnt.
65
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: a.a.O., Band II, S. 50
66
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: a.a.O., Band II, S. 52
Private Kapitalgewinne - Ausnahmen der Steuerfreiheit 32
Die steuerliche Handhabung (steuerfreier Kapitalgewinn oder einkommenssteuerpflichtiger
Kapitalertrag) beim Verkäufer (nach erfolgtem Verkauf) hängt weitgehend
davon ab, wie der Käufer den Kaufpreis finanziert. Aus diesem Grund sollte
sich der Verkäufer im entsprechenden Kaufvertrag dringend gegen unliebsame
steuerliche Überraschungen absichern.
In den Kantonen wird die Praxis zur indirekten Teilliquidation sehr unterschiedlich
angewendet, teilweise wird die für die Bundessteuer entwickelte Praxis sogar
abgelehnt.
Auf den Tatbestand der direkten Teilliquidation (= Rückkauf eigener Aktien durch
die Gesellschaft) wird nicht näher eingegangen.
5.3 Mantelhandel
Besitzt eine Aktiengesellschaft "als Folge der Aufgabe ihrer Geschäftstätigkeit nur
noch liquide oder leicht verwertbare Vermögenswerte wie Forderungen etc. und
wird eine solche AG veräussert, [...]" 67 , besteht der Steuertatbestand des
Mantelhandels.
Dabei wird der Mantelhandel steuerrechtlich so behandelt, "wie wenn die «alte» AG
aufgelöst und an ihrer Stelle eine neue Gesellschaft errichtet worden wäre" 68 .
Infolgedessen "unterliegt die Differenz zwischen dem Kaufpreis der Beteiligungsrechte
und deren Nennwert bei der AG der Verrechnungssteuer und bei den veräussernden
Aktionären der Einkommenssteuer. Ausserdem werden allfällige stille
Reserven bei der AG mit der Ertragssteuer erfasst. Auf dem vorhandenen Reinvermögen
fällt schliesslich die Emissionsabgabe von 1 % an" 69 .
5.4 Aktienveräusserung während der Sperrfrist
Wird eine Einzelunternehmung oder eine Personengesellschaft in eine Aktiengesellschaft
oder GmbH umgewandelt, werden die stillen Reserven unter gewissen
Bedingungen 70 nicht besteuert.
"Werden die Aktien der neuen AG jedoch während der nächsten fünf Jahre 71 veräussert,
so werden die im Zeitpunkt der Umwandlung vorhanden gewesenen stillen
Reserven wegen Steuerumgehung nachbesteuert" 72 .
Zudem sind auf den stillen Reserven die Sozialabgaben geschuldet.
67
Fischer, Thomas: Persönliche Steuer- und Vorsorgeplanung, Ein Handbuch für Unternehmer und
Führungskräfte. 3. Auflage. Muri-Bern: Cosmos Verlag AG, 1996, S. 304
68
Stockar, Conrad: Übersicht und Fallbeispiele zu den Stempelabgaben und zur Verrechnungssteuer.
3. Auflage. Therwil/Basel: Verlag für Recht und Gesellschaft AG, 2000, S. 201
69
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 57
70
vgl. Art. 19 DBG
71
Einige Kantone kennen auch längere Fristen, welche eingehalten werden müssen.
72
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 58
Private Kapitalgewinne - Ausnahmen der Steuerfreiheit 33
5.5 Veräusserung einer Mehrheitsbeteiligung an
einer Immobiliengesellschaft
Der beim Verkauf von privaten Liegenschaften erzielte Gewinn wird beim Bund
nicht besteuert. Auch die Veräusserung einer Mehrheitsbeteiligung einer Immobilien-
Aktiengesellschaft bleibt auf Bundesebene steuerfrei.
"Hingegen wird kantonal eine solche Handänderung als wirtschaftliche Handänderung
betrachtet mit der Folge, dass die Grundstückgewinnsteuer auf den
Liegenschaften der AG erhoben wird, und zwar so, wie wenn die AG selbst ihre
Liegenschaften veräussert hätte" 73 .
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die fällige Grundstückgewinnsteuer
nicht auf der Liegenschaft erhoben wird, sondern auf den Aktien (die
verkauft worden sind).
Zudem ist i.d.R. die Handänderungssteuer auf dem Verkehrswert der Liegenschaften
geschuldet. Nicht geschuldet ist sie in jenen Gemeinden, in denen die wirtschaftliche
Handänderung gesetzlich nicht vorgesehen ist.
5.6 Gewerbsmässiger Liegenschaften- bzw. Wertschriftenhandel
Veräusserungsgewinne auf privaten Liegenschaften werden durch die direkte
Bundessteuer nicht erfasst (gemäss Kapitel 3.2). Es stellt sich somit die Frage,
"wann die Grenze der gewöhnlichen privaten Vermögensverwaltung überschritten
und so durch gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel ein der direkten Bundessteuer
unterliegendes Erwerbseinkommen erzielt wird" 74 .
Aufgrund der daraus entstandenen Gerichtspraxis wird der Begriff des "gewerbsmässigen
Liegenschaftenhandels" sehr extensiv ausgelegt und dementsprechend
schnell wird ein privat erzielter Liegenschaftengewinn als Erwerbseinkommen eingestuft.
Die nach und nach in der Bundesgerichtspraxis entstandenen Einstufungskriterien
für den gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel wurden alsdann auch für den
gewerbsmässigen Wertschriftenhandel angewendet (gemäss Kapitel 7).
73
Fischer, Thomas: a.a.O., S. 305
74
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 59
Selbständige Erwerbstätigkeit - Kriterien 34
6 Selbständige Erwerbstätigkeit - Kriterien
6.1. Allgemein
Dem Begriff der "selbständigen Erwerbstätigkeit" kommt eine zentrale
Abgrenzungsfunktion zu, da die Einkünfte im Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit
auf eine andere Art ermittelt werden. Im Unterschied zur privaten Vermögenssphäre
werden im Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit sämtliche
Gewinne aus Veräusserung von beweglichen und unbeweglichen Vermögenswerten
konsequent besteuert 75 .
Der Ausdruck "selbständige Erwerbstätigkeit" war dem Recht der direkten
Bundessteuer bis 1.1.1995 fremd:
"Gemäss Art. 21 Abs. 1 BdBSt fiel unter anderem auch das Einkommen des
Steuerpflichtigen «aus Erwerbstätigkeit» in die Steuerberechnung. Als solches war
gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt «jedes Einkommen aus einer Tätigkeit (namentlich
aus Handel, Gewerbe, Industrie, Land- oder Forstwirtschaft, aus freien Berufen,
aus Beamtung, Anstellung oder Arbeitsverhältnis und aus der Erfüllung einer
Dienstpflicht)» zu verstehen. Kapital- und Aufwertungsgewinne wurden nach Art.
21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt nur besteuert, sofern sie im Betrieb eines zur Führung
kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens erzielt wurden" 76 .
Das heute gültige Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) hat die vorher
gültige BdBSt-Konzeption nicht übernommen, "sondern lehnt sich stark an die
in den Kantonen verbreiteten Formulierungen an" 77 .
In Art. 18 DBG sind die entsprechenden (allerdings sehr weit gefassten ) Aktivitäten
aufgeführt, welche unter den Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit fallen.
Die Praxis zu Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt darf "in Anbetracht der klaren Anlehnung
des DBG an das in den Kantonen gewachsene Recht sowie mit Blick auf die ausdrückliche
Statuierung der Steuerfreiheit der Kapitalgewinne aus der Veräusserung
von Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3) nicht unbesehen in das neue Recht übernommen
werden [...]. Es wird inskünftig nicht mehr genügen, plausibel darzulegen,
dass die Gewinne im Rahmen einer Tätigkeit angefallen sind, die über die schlichte
Vermögensverwaltung hinausgeht, sondern es muss überzeugend begründet werden,
weshalb im konkreten Fall eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt" 78 .
Diese Auffassung wird jedoch vom Bundesgericht nicht geteilt (vgl. Bundesgerichtsentscheid
vom 8. Januar 1999, gemäss Kapitel 4.1.3).
75
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: a.a.O., S. 156
76
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: a.a.O., S. 157, Art. 16
77
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: a.a.O., S. 158
78
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: a.a.O., S. 158
Selbständige Erwerbstätigkeit - Kriterien 35
6.2 Kriterien
Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit wird weder im DBG noch im StHG
umschrieben.
Gemäss Höhn/Waldburger ist unter der selbständigen Erwerbstätigkeit "jede
Tätigkeit zu verstehen, die auf eigenes Risiko, mit der Absicht der Gewinnerzielung
sowie unter Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ausgeübt wird" 79 .
Zweifel/Athanas umfassen den Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit weiter:
"[...] gelten jene natürlichen Personen als selbständig erwerbend, die durch Einsatz
von Arbeitsleistung und Kapital in frei gewählter Organisation, auf
eigenes Risiko, anhaltend, planmässig und nach aussen sichtbar zum Zweck
der Gewinnerzielung am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen" 80 .
Nach Art. 18 DBG braucht es zur steuerrechtlichen Qualifikation der selbständigen
Erwerbstätigkeit weder einen Eintrag im Handelsregister noch das Führen einer
kaufmännischen Buchhaltung. Eine selbständige Erwerbstätigkeit kann zudem
haupt- oder nebenberuflich, dauernd oder temporär ausgeübt werden.
Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit zeichnet sich durch eine gewisse
Unschärfe aus. Dazu Zweifel/Athanas:
"Wegen der Vielfalt der zu regelnden Sachverhalte ist es nicht möglich, die selbständige
Erwerbstätigkeit generell und präzis zu definieren. Der Begriffsinhalt kann
lediglich durch Erläuterung der ihn repräsentierenden Merkmale näher umschrieben
werden. Diese Merkmale treten in unterschiedlicher Intensität auf; einzelne Kriterien
können im konkreten Fall weit in den Hintergrund treten oder sogar gänzlich
fehlen, wenn dafür andere besonders ausgeprägt vorhanden sind [...]. Ausschlaggebend
bei der Frage, ob im konkreten Fall eine selbständige Erwerbstätigkeit vorliegt,
ist somit stets das Gesamtbild der vollzogenen Tätigkeiten. Es sind alle
Umstände des Einzelfalls in die Beurteilung einzubeziehen" 81 .
79
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: a.a.O., Band I, S. 318
80
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: a.a.O., S. 159
81
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: a.a.O., S. 159 f.
Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 36
7 Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel -
Einstufungskriterien
7.1 Häufigkeit der Transaktionen / Kurze Besitzesdauer
Aufgrund der bisherigen Bundes- bzw. Verwaltungsgerichtsentscheide ist dies das
wichtigste Kriterium, welches für gewerbsmässigen Wertschriftenhandel spricht.
"Die Anzahl der pro Jahr getätigten Transaktionen wird dabei zum vorhandenen
Wertschriftenvermögen ins Verhältnis gesetzt" 82 .
Eine kritische Häufigkeit liegt dann vor, wenn der gesamte Wertschriftenumsatz
das vorhandene Wertschriftenvermögen (zu Beginn der Steuerperiode) klar
übersteigt.
Im Gegensatz zum gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel, bei welchem u.U. ein
gelegentliches und vereinzeltes Kaufen und Verkaufen von Liegenschaften bereits
für die Einstufung genügen, gehören Portefeuille-Umschichtungen im Kapitalvermögensbereich
zum "normalen" Vorgehen eines Kapitalanlegers.
Die Anlagestrategie eines Anlegers spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle:
"Während es den einen darum geht, ihr Vermögen vor Verlusten zu schützen und
regelmässige Einkünfte zu erzielen (konservative Investoren), sind andere vor allem
an Gewinnwachstum interessiert (aggressive Anleger). Die unterschiedliche Risikotoleranz
der verschiedenen Anlegergruppen zeigt sich dabei sowohl in der Aufteilung
ihres Kapitals, als auch in der Art und Weise, wie sie ihr Portefeuille umschichten"
83 .
Zudem liegt es im Wesen einer privaten Vermögensverwaltung, dass das Portefeuille
verändert wird, schlechte Papiere abgestossen und gegen gute ausgetauscht
werden und allenfalls Kursgewinne realisiert werden.
Somit kann angefügt werden, dass für die Beurteilung nicht allein die Anzahl der
erfolgten Transaktionen im Verhältnis zum vorhandenen Vermögen massgebend
ist. Sie hängt auch "von der Strategie des Anlegers und der von ihm verwendeten
Instrumente" 84 ab. Es besteht weder eine Ober- noch eine Untergrenze.
82
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 63
83
Hirt, Beat: a.a.O., S. 313
84
Hirt, Beat: a.a.O., S. 313
Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 37
7.2 Planmässigkeit
Von planmässigem Verhalten spricht man dann, wenn bei der privaten Wertschriftenverwaltung
das Portefeuille dynamisch bewirtschaftet wird, eine Anlagepolitik
betrieben wird, die auf schnellem Kapitalgewinn aufgebaut ist sowie durch
"Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko geprägten Handeln" 85 dominiert wird.
Die Erteilung einer uneingeschränkten Vermögensverwaltungsvollmacht an eine
Bank oder einen Vermögensverwalter verneint die Planmässigkeit nicht, auch
wenn auf jegliche Instruktionen bezüglich der Anlageentscheide seitens des
Anlegers verzichtet wird 86 . Bei diesem Urteil gaben die Kriterien Häufigkeit der
Transaktionen (in den Jahren 1987 und 1988 total 128) sowie der hohe Kapitalumsatz
(in den angegebenen Jahren elfmal das investierte Eigenkapital) nebst den
eingegangenen Risiken der Geschäfte den Ausschlag für die Annahme der
Gewerbsmässigkeit 87 .
Planmässigkeit kann auch dann angenommen werden, "wenn systematisch
derivative Finanzinstrumente eingesetzt werden, sei es für die Absicherung von
Risiken (hedging), für die Renditesteigerung eines Geschäftes mit erhöhtem Risiko
(Spekulation) oder zur Vermögensanlage. Der Einsatz solcher Instrumente ist ein
weiterer Schritt im Rahmen planmässigen Handelns zwecks Gewinnmaximierung" 88 .
Siehe hierzu auch Kapitel 7.5 "Einsatz von erheblichen Risiken / Einsatz von
Derivaten".
7.3 Zusammenhang mit beruflicher Tätigkeit und
Einsatz von Fachkenntnissen
Es besteht kein allgemeiner Grundsatz, "wonach jedes Geschäft, das vom Steuerpflichtigen
unter Ausnutzung beruflicher Erfahrungen, Kenntnisse oder Verbindungen
getätigt wird, vom privaten in den geschäftlichen Bereich fällt" 89 .
Somit können die Wertpapiergeschäfte eines Bankdirektors nicht allein deshalb als
gewerbsmässig eingestuft werden, "weil er von Berufes wegen mit der Börse zu
tun hat und dadurch rein privaten Anlegern etwas voraus hat" 90 . Schliesslich
könnte auch ein nicht im Finanzbereich tätiger Anleger "die dazu erforderlichen
Kenntnisse mit Fachliteratur und regelmässiger Lektüre von Finanzzeitschriften
innert nützlicher Frist selbst erwerben" 91 .
Anders zu beurteilen wäre die Situation bei Wertschriftengeschäften von selbständigen
Effektenhändlern, Vermögensverwaltern oder Anlageberatern. In diesen
Fällen dürften wohl berufsmässige Neben- oder Gelegenheitsgeschäfte vorliegen.
85
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 63
86
vgl. StE 1993 B 23.1 Nr. 27 (BdBSt)
87
vgl. Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 63
88
Fischer, Thomas: a.a.O., S. 306
89
Hirt, Beat: a.a.O., S. 316 f.
90
Hirt, Beat: a.a.O., S. 317
91
Mühlemann, Daniel / Müller, Fritz: a.a.O., S. 64
Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 38
7.4 Aufnahme von Fremdkapital
Im Gegensatz zu Grundstücksgeschäften, welche kaum je ohne die Aufnahme von
Fremdmitteln finanziert werden, stellt die Kreditaufnahme für private Wertschriftengeschäfte
nach wie vor eine Ausnahme dar.
Der Hauptgrund hierfür besteht wohl im zusätzlichen Risiko 92 , welches der Anleger
eingeht. Bei einer schlechten Marktentwicklung kann die kreditgebende Bank
die für den Kredit verpfändeten Wertschriften bei ungenügender Deckung jederzeit
glattstellen bzw. verkaufen 93 . Zudem muss, um überhaupt einen Anlageerfolg zu
erzielen, der Ertrag der getätigten Anlagen zumindest die Schuldzinsen übersteigen.
Beat Hirt vertritt in diesem Zusammenhang eine interessante und fortschrittliche
Meinung:
"[...], ist der Anleger, der zum Kauf von Wertpapieren Fremdkapital aufgenommen
hat, stärker von Kursschwankungen betroffen. Diese Hebelwirkung (sog. Leverage-
Effekt) kann allerdings, ohne dass sich der Anleger zu verschulden braucht, auch
durch den Einsatz von Optionen erzeugt werden. Wenn das erhöhte Verlustrisiko
als Indiz für gewerbsmässiges Vorgehen gelten soll, so müsste die Risikomessung
anhand eines umfassenden Value-at-Risk-Ansatzes erfolgen und dürfte sich nicht
bloss auf die beanspruchten Fremdmittel beschränken" 94 .
Unter der Value-at-Risk-Methode wird die mögliche negative Veränderung des
Marktwertes eines Portfolios bestehend aus verschiedenen Finanzinstrumenten
(Aktien, Derivate, Obligationen, strukturierte Produkte) innerhalb eines bestimmten
Zeithorizontes verstanden. Die Risikokennzahl ist eine standardisierte Risikomasszahl,
die für eine Vergleichbarkeit von Risiken u.a. im Anlagegeschäft herangezogen
werden kann 95 .
In der bisherigen Praxis wird diesem Kriterium allerdings eine etwas geringere
Bedeutung beigemessen als der Häufigkeit und Planmässigkeit der getätigten
Transaktionen.
92
Investiert ein Anleger ausschliesslich sein Eigenkapital, ist ein allfälliger Totalverlust auf sein eigenes
Vermögen begrenzt. Wird hingegen nebst dem Eigenkapital noch Fremdkapital investiert, ginge bei einem
Totalverlust auch fremdes Vermögen verloren.
93
Es sei denn, der Anleger wäre in der Lage, zusätzliche Eigenmittel bereit zu stellen.
94
Hirt, Beat: a.a.O., S. 316
95
vgl. weiterführend dazu: Gehrig, Bruno / Zimmermann, Heinz: Fit for Finance, Theorie und Praxis der
Kapitalanlage. 5. Auflage. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1999, S. 265 ff.
Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 39
7.5 Einsatz von erheblichen Risiken / Einsatz von Derivaten
Bei diesem Kriterium stellt sich die Frage, was unter Risiko zu verstehen ist. Jeder
Anleger macht sich über seine Anlagestrategie Gedanken und ist aufgrund von
verschiedenen Faktoren (u.a. persönliches Umfeld, bisherige Erfahrungen, Vermögensverhältnisse,
Verpflichtungen, Charakter, etc.) mehr oder weniger risikofreudig.
Setzt ein Anleger seine Risikofähigkeit niedrig an, muss er sich meistens mit relativ
geringen Erträgen zufrieden geben. Entsprechend kann ein Anleger mit langfristig
höheren Erträgen rechnen, wenn er über eine höhere Risikofähigkeit verfügt. Hinzu
kommt, dass die Rendite nach Steuern, welche für den Anleger eigentlich eine
Renditezahl mit mehr Aussagekraft ist, durch die Fiskalbelastung sowie die schleichende
Geldentwertung u.U. erheblich tiefer ist. Dieser Umstand kann ein Anleger
tendenziell dazu führen, sein Vermögen in risikoreichere Anlagen (z.B. Aktien) zu
investieren, da solche Anlagen auf mittlere Frist die Kaufkraft erhalten bzw. erhöhen.
Für eine effiziente Asset-Allocation kann auch ein privates Wertschriftenportefeuille
über derivative Instrumente verfügen. Dabei kann z.B. mit Schreiben von Call-
Optionen 96 oder von Put-Optionen 97 die Rendite, ohne Erhöhung des Risikos
(sofern die zugrundeliegenden Aktien vorhanden sind bzw. die entsprechenden
liquiden Mittel bei den Put-Optionen), optimiert und verbessert werden. Eine weitere
Möglichkeit ist die Absicherung des Vermögens durch Futures-Kontrakte (auf
Devisen, Zinsen oder Indizes) 98 . Diese Methode baut eine Art Versicherung ein,
welche bei extremen Kursausschlägen ihre Wirkung entfacht.
Anders zu beurteilen ist der Fall, wenn Optionsstrategien angewendet werden, bei
denen - bei ungünstigem Verlauf der Marktentwicklung - mehr als das zur Anlage
gebrachte Vermögen verloren gehen kann (sog. Leverage-Effekt). Solche Strategien
erhöhen das Risiko wesentlich 99 , weshalb ein solcher Fall für eine Gewerbsmässigkeit
spricht.
In die gleiche Kategorie fallen derivative Produkte, wie z.B. Warrants, Optionen,
strukturierte Produkte, die nicht in erster Linie zur Absicherung eines Vermögens
erworben werden (siehe oben), sondern vielmehr der reinen Spekulation aufgrund
der höheren Gewinnmöglichkeiten dienen. Entscheidend in diesem
Zusammenhang ist die Häufigkeit solcher Geschäfte (gemäss Kapitel 7.1).
96
vgl. weiterführend dazu: Müller-Möhl, Ernst: Optionen und Futures, Grundlagen und
Strategien für das Termingeschäft in der Schweiz, Deutschland und Österreich.
3. Auflage. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1988/1995, S. 205 - 207
97
vgl. weiterführend dazu: Müller-Möhl, Ernst: a.a.O., S. 210 f.
98
vgl. weiterführend dazu: Müller-Möhl, Ernst: a.a.O., S. 34 ff.
99
Bei günstigem Verlauf wird durch den Leverage-Effekt eine Überrendite erzielt.
Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 40
7.6 Wiederanlage von Gewinnen in gleichartige Geschäfte
"Diesem Kriterium kommt selbst nach Auffassung des Bundesgerichts nur geringe
Bedeutung zu und genügt für sich allein genommen nicht zur Annahme einer
gewerbsmässigen Tätigkeit" 100 .
Obwohl dieses Urteil im Zusammenhang mit dem gewerbsmässigen Liegenschaftenhandel
steht, gilt die Auffassung sinngemäss für den gewerbsmässigen Wertschriftenhandel.
Dieses Kriterium scheint in der Tat ungeeignet zu sein, gehört es doch zu einer
umsichtigen Anlagepolitik, dass Wertschriftenpositionen, welche sich positiv entwickelt
haben (und evtl. heute aus Sicht des Anlegers als überbewertet gelten), zu
verkaufen und den Erlös (gegebenenfalls inkl. Gewinn) in andere Vermögenswerte
zu investieren (welche aus Sicht des Anlegers unterbewertet sind).
Warum "sollte der Anleger nicht ohne steuerliche Folgen wieder in die gleichen
Vermögenswerte investieren, wenn die Rahmenbedingungen es für angezeigt
erscheinen lassen"? 101
7.7 Verhältnismässigkeit
Dieses Kriterium steht nicht für sich alleine, vielmehr werden die unter den Kapiteln
7.1 bis 7.6 erwähnten Kriterien zusätzlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit
beurteilt.
So wäre zum Beispiel der Fall eines Anlegers, welcher mit einem Vermögen von
CHF 30'000.--, einen Kleinkredit über CHF 15'000.-- aufnimmt, und über den
Zeitraum eines Jahres 20 Optionsgeschäfte (= 40 Transaktionen) tätigt, anders zu
beurteilen, als ein Anleger, der über ein Vermögen von CHF 1’000'000.-- verfügt,
einen Lombardkredit über CHF 50'000.-- für kurzfristige Überschreitungen
aufnimmt, und über den Zeitraum eines Jahres 20 Optionsgeschäfte (= 40 Transaktionen)
tätigt.
100
Hirt, Beat: a.a.O., S. 314
101
Rüegg, Marcel: Tauglichkeit der Kriterien für den gewerbsmässigen Wertpapierhändler.
In: Steuer Revue, Nr. 09/2000, S. 557
Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - Einstufungskriterien 41
7.8 Bisherige Bundesgerichtsentscheide
Die nachfolgende Tabelle zeigt aufgrund welcher Kriterien das Bundesgericht auf
gewerbsmässigen Wertschriftenhandel geschlossen hat:
BGE
2.12.1999
StE 2000
B 23.1
Nr. 45
(DBG)
BGE
9.7.1999
StE 1999
B 23.1
Nr. 43
(BdBSt/DBG)
BGE
18.9.1997
StE 1998
B 23.1
Nr. 38
(BdBSt)
BGE
8.10.1996
StE 1997
B 23.1
Nr. 36
(BdBSt)
BGE
2.10.1992
StE 1993
B 23.1
Nr. 27
(BdBSt)
BGE
9.11.1990
StE 1991
B 23.1
Nr. 22
(BdBSt)
BGE
21.12.1988
StE 1989
B 23.1
Nr. 18
(BdBSt)
Häufigkeit
der Transaktionen
/
kurze
Besitzdauer
Einsatz von
Risiken /
Einsatz von
Derivaten
✔ ✔ ✔ ✔
✔
✔
✔
✔
✔
✔
✔
✔
✔
✔
Planmässigkeit
Zusammenhang
mit
beruflicher
Tätigkeit /
Fachkenntnisse
Fremdkapital
Wiederanlage
von
Gewinnen
Verhältnismässigkeit
✔ ✔ ✔
✔
✔
✔
✔
Schlussbetrachtung 42
8 Schlussbetrachtung
Nach Wochen der intensiven Auseinandersetzung mit der Problematik des
gewerbsmässigen Wertschriftenhandels möchte ich die Erkenntnisse aus dieser
Zeit sowie meine persönliche Meinung mit folgenden Kernaussagen zusammenfassen:
◆ Die grundsätzliche Steuerfreiheit des gewerbsmässigen Wertschriften- bzw.
Liegenschaftenhandels erachte ich dann als störende Lücke im Schweizer
Steuersystem, wenn die Tätigkeit klar auf Erwerb ausgerichtet ist.
Es kann aber nicht sein, allein aus diesem Grund eine allgemeine Kapitalgewinnsteuer
einzuführen. Die privaten Eigner von Beteiligungsrechten würden im
Falle von Dividendenausschüttungen, nebst der bereits heute bestehenden
wirtschaftlichen Doppelbelastung, zusätzlich belastet.
Wenn der Gesetzgeber eine Steuerlücke schliessen will, muss er andernorts entsprechende
Anpassungen vornehmen, um eine Überbesteuerung zu vermeiden.
◆ Die Einführung einer allfälligen Kapitalgewinnsteuer ist politisch ausserordentlich
populär. Das zusätzliche Ertragspotenzial wird aus meiner Sicht jedoch klar
überschätzt. Den möglichen Zusatzeinnahmen stünden ein hoher Erhebungsaufwand
gegenüber. Zudem wäre es für den Steuerpflichtigen nicht schwierig,
vor dem jeweiligen Stichtag Dispositionen im Wertschriftendepot vorzunehmen
(z.B. Verkauf von Optionen, Rückzahlung Lombardkredit, Nichtdeklaration von
Schuldzinsen, etc.).
◆ Obwohl der Anleger mit der bestehenden Bundesgerichtspraxis möglicherweise
einer gewissen Willkür ausgesetzt ist, ist aus meiner Sicht daran festzuhalten.
Auf diese Weise kann jeder Fall, unter dem Gesichtspunkt der ganzheitlichen
Betrachtungsweise, nach den traditionellen Merkmalen der selbständigen
Erwerbstätigkeit beurteilt werden.
Praxisfestlegungen wie im Kanton Schwyz oder erst kürzlich im Kanton Bern
sind problematisch. Aus meiner Sicht ist es nicht der richtige Weg, fixe
Grössenordnungen zu publizieren, ab welcher Gewerbsmässigkeit vorliegen
soll. Auf diese Art kann ein Privatanleger als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler
eingestuft werden, obwohl die bestehende Bundesgerichtspraxis
eigentlich dagegen spricht.
◆ Aufgrund der bestehenden Bundesgerichtspraxis kann ergänzt werden, dass
nicht in erster Linie das Gegensatzpaar "Kapitalgewinn vs. Vermögensertrag"
entscheidend für die Qualifikation der Einkünfte ist.
Viel wichtiger, und dies wird durch verschiedene Gerichtsentscheide untermauert,
ist die Würdigung der Gesamtverhältnisse, d.h. jeder Fall muss individuell
betrachtet und analysiert werden.
Schlussbetrachtung 43
◆ Von den bekannten Einstufungskriterien erachte ich die Aufnahme von Fremdkapital
sowie eine kurze Besitzesdauer, verbunden mit einer grossen Anzahl
von Transaktionen, als geeignet für die Beurteilung, ob Gewerbsmässigkeit
vorliegt oder nicht.
Beim Einsatz von Derivaten muss die im Einzelfall angewendete Strategie
berücksichtigt werden. Sofern die Derivate der Depotabsicherung dienen, kann
m.E. nicht von Gewerbsmässigkeit gesprochen werden.
Die Kriterien Wiederanlage von Gewinnen und der Einsatz von Fachkenntnissen
sind m.E. nicht geeignet.
◆ Die verschiedenen Gespräche mit den zuständigen Abteilungen der kantonalen
Steuerverwaltungen haben klar aufgezeigt, dass die "Suppe heisser gekocht
wird, als sie gegessen wird". Durch die ständige Medienpräsenz der Thematik
wurden vielerorts unnötige Ängste geschürt.
◆ Aus meiner Sicht bestehen verschiedene Gründe, weshalb die Bundesgerichtspraxis
in den Kantonen eher zurückhaltend angewendet wird.
Da wäre zum einen die Problematik der Verlustverrechnung. Der Steuerpflichtige
könnte allfällig entstandene Verluste vollumfänglich vom Einkommen
in Abzug bringen. Zudem würde tendenziell, im Gegensatz zu allfälligen
Gewinnen, jeder Verlust ggü. den Steuerbehörden deklariert werden.
Zum andern wäre die Ermittlung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen
äusserst komplex und mit viel Aufwand verbunden.
◆ In Kantonen, welche für die Kapitalgewinnsteuer auf unbeweglichem Vermögen
(Liegenschaften) das "Zürcher-System" anwenden, können die Folgen einer Einstufung
als gewerbsmässiger Wertschriftenhändler ggü. der Einstufung als
gewerbsmässiger Liegenschaftenhändler u.U. zu einer unterschiedlichen
Belastung führen:
Auf Bundesebene ergeben sich keine Unterschiede. Sowohl beim Wertschriftenhändler
als auch beim Liegenschaftenhändler unterliegt ein allfällig erzielter
Gewinn der direkten Bundessteuer. Zudem sind die Sozialabgaben geschuldet.
Auf Kantonsebene unterliegt beim Wertschriftenhändler ein allfällig erzielter
Gewinn der Einkommensbesteuerung (die Höhe ist abhängig von der Progression).
Beim Liegenschaftenhändler unterliegt ein allfällig erzielter Gewinn lediglich der
Grundstückgewinnsteuer (die Höhe ist abhängig von der Besitzesdauer sowie
der Progression).
Anhang 44
9 Anhang
9.1 Literaturverzeichnis
9.1.1 Literatur
Amonn, Toni: Praxisfestlegung zum gewerbsmässigen Wertschriftenhandel.
In: Jusletter, 18. Juni 2001
Arnold, Martin: Nichts Neues unter der Steuersonne ?, Zur Besteuerung von
Liegenschaftsgewinnen nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer.
ASA 67, Heft 10
Betschart, Philipp: Der gewerbsmässige Liegenschaften- und Wertschriftenhandel
im StHG, Pflicht der Kantone, die Praxis der direkten Bundessteuer zu
übernehmen ?. In: Der Schweizer Treuhänder, 9/99
Betschart, Philipp: Der Kanton Schwyz schafft mehr Rechtssicherheit für Anleger
- zwei Hauptkriterien. In: Finanz und Wirtschaft, Ausgabe 67, 23.08.2000, S. 29
Brinkmann, Jürg P.: Missbräuchliche Einkäufe werden verhindert. In: Finanz und
Wirtschaft, Ausgabe 101, 20.12.2000, S. 31
Fischer, Thomas: Persönliche Steuer- und Vorsorgeplanung, Ein Handbuch für
Unternehmer und Führungskräfte. 3. Auflage. Muri-Bern: Cosmos Verlag AG, 1996
Gehrig, Bruno / Zimmermann, Heinz: Fit for Finance, Theorie und Praxis der
Kapitalanlage. 5. Auflage. Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1999
Hess, Toni: Die Besteuerung der Anlagefonds und der anlagefondsähnlichen
Instrumente sowie deren Anteilsinhaber in der Schweiz, Schriften zum Steuerrecht,
1. Auflage. Zürich: Schulthess Verlag, 2001
Hirt, Beat: Kritische Bemerkungen zur "gewerbsmässigen" privaten Vermögensverwaltung.
In: Steuer Revue, Nr. 05/1999
Höhn, Ernst: Die Abgrenzung von Vermögensertrag und Kapitalgewinn im
Einkommenssteuerrecht, ASA 50, 529 ff.
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: Steuerrecht, Band I: Grundlagen - Grundbegriffe
- Steuerarten, Schriftenreihe Finanzwirtschaft und Finanzrecht, 8. Auflage.
Bern: Verlag Paul Haupt, 1999
Anhang 45
Höhn, Ernst / Waldburger, Robert: Steuerrecht, Band II: Steuern bei Vermögen,
Erwerbstätigkeit, Unternehmen, Vorsorge, Versicherung, Interkantonales und Internationales
Steuerrecht, Steuerverfahrens- und Steuerstrafrecht, Schriftenreihe
Finanzwirtschaft und Finanzrecht, 8. Auflage. Bern: Verlag Paul Haupt, 1999
Meister, Thomas: Gewerbsmässiger Wertschriftenhandel - wie weiter ?.
IFF Forum für Steuerrecht 2001
Morf, Peter: Bundesrat lässt «Kapitalgewinnsteuer light» prüfen. In: Finanz und
Wirtschaft, Ausgabe 87, 01.11.2000, S. 33
Mühlemann, Daniel / Müller Fritz: Steuern und Kapitalanlage, Steuerhandbuch
für den privaten Kapitalanleger. 2. Auflage. Zürich: Verlag Finanz und Wirtschaft,
1999
Müller-Möhl, Ernst: Optionen und Futures, Grundlagen und Strategien für das
Termingeschäft in der Schweiz, Deutschland und Österreich. 3. Auflage. Zürich:
Verlag Neue Zürcher Zeitung, 1988/1995
Nefzger, Peter B.: Gewisse Steuerlücken werden jetzt geschlossen. In: Finanz und
Wirtschaft, Ausgabe 9, 02.02.2000, S. 45
Neuhaus, Hans-Jürg / Agner, Peter / Steinmann, Gotthard: Der gewerbsmässige
Liegenschaften- und Wertschriftenhandel nach dem Stabilisierungsprogramm
1998. In: Der Schweizer Treuhänder, 6-7/99
Rüegg, Marcel: Tauglichkeit der Kriterien für den gewerbsmässigen Wertpapierhändler.
In: Steuer Revue, Nr. 09/2000
Stockar, Conrad: Übersicht und Fallbeispiele zu den Stempelabgaben und zur
Verrechnungssteuer. 3. Auflage. Therwil/Basel: Verlag für Recht und Gesellschaft
AG, 2000
Zweifel, Martin / Athanas, Peter: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht,
I/2a, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (DBG). 1. Auflage. Basel:
Helbing & Lichtenhahn Verlag, 2000
Anhang 46
9.1.2 Gesetze
BdBSt
DBG
StHG
Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer direkten Bundessteuer
vom 19. Dezember 1940
(Ausserkraftsetzung am 31. Dezember 1994)
Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer
vom 14. Dezember 1990
(Inkraftsetzung am 1. Januar 1995)
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern
der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990
(Inkraftsetzung am 1. Januar 1993)
Bundesgesetz über das Stabilisierungsprogramm 1998
vom 19. März 1999
(Inkraftsetzung am 1. Januar 2001)
Anhang 47
9.1.3 Gerichtsentscheide
Verwaltungsgericht Schwyz, 28. August 1987,
in StE 1989 B 23.1 Nr. 16 (BdBSt)
Bundesgericht, 21. Dezember 1988,
in StE 1989 B 23.1 Nr. 18 (BdBSt)
Bundesgericht, 9. November 1990,
in StE 1991 B 23.1 Nr. 22 (BdBSt)
Verwaltungsgericht Thurgau, 16. Januar 1991,
in StE 1991 B 26.3 Nr. 3 (TG)
Bundesgericht, 2. Oktober 1992,
in StE 1993 B 23.1 Nr. 27 (BdBSt)
Verwaltungsgericht Zürich, 14. September 1993,
in StE 1994 B 23.1 Nr. 28 (ZH)
Bundesgericht, 8. Oktober 1996,
in StE 1997 B 23.1 Nr. 36 (BdBSt)
Bundessteuer-Rekurskommission Zürich, 13. März 1997,
in StE 1997 B 23.1 Nr. 37 (ZH)
Bundesgericht, 18. September 1997,
in StE 1998 B 23.1 Nr. 38 (BdBSt)
Bundesgericht, 3. Juli 1998,
in StE 1998 B 23.1 Nr. 39 (BdBSt)
Bundesgericht, 9. Juli 1999,
in StE 1999 B 23.1 Nr. 43 (BdBSt / DBG)
Bundesgericht, 8. Januar 1999,
in ASA 67, 644
Bundesgericht, 2. Dezember 1999,
in StE 2000 B 23.1 Nr. 45 (DBG)
Anhang 48
9.2 Abkürzungsverzeichnis
a.a.O.
Abs.
AG
Anm.
a.o.
Art.
AS
ASA
am angeführten Ort
Absatz
Aktiengesellschaft
Anmerkung
ausserordentlich
Artikel (im Singular oder Plural)
Amtliche Sammlung der eidgenössischen Gesetze bzw.
des Bundesrechts, Bern
Archiv für Schweizerisches Abgaberecht, Bern (Zeitschrift)
(www.cx.unibe.ch/isr/asa/asa.html)
BBl
Bd.
BdBSt
BG
BGer
Bsp.
bzw.
Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bern
(www.admin.ch/ch/d/ff/index.html)
Band
Bundesratsbeschluss über die Erhebung einer
direkten Bundessteuer vom 9. Dezember 1940
Bundesgesetz
Bundesgericht
Beispiel
beziehungsweise
ca.
CHF
cirka
Schweizer Franken
DBG Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vom 14. Dezember 1990
d.h.
das heisst
Anhang 49
EStV
etc.
evtl.
Eidgenössische Steuerverwaltung, Bern
(www.estv.admin.ch)
et cetera = usw.
eventuell
f. und folgende (Seite)
ff.
Fr.
und folgende (Seiten)
Franken
ggü.
gegenüber
i.d.R.
in der Regel
lit.
litera (Buchstabe)
m.E.
mind.
Mio.
meines Erachtens
mindestens
Million
NStP
Die neue Steuerpraxis, Monatsschrift für bernisches
und eidgenössisches Steuerrecht, Bern (Zeitschrift)
rev.
revidiert
Anhang 50
S. Seite
S./s.
sic.
sog.
ST
StE
StHG
StPS
StR
siehe
so (lat. für "so lautet die Quelle")
sogenannt(e/en/er)
Der Schweizer Treuhänder, Zürich (Zeitschrift)
(www.treuhaender.ch)
Der Steuerentscheid, Sammlung aktueller
steuerrechtlicher Entscheidungen, Basel
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern
der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990
(Harmonisierungsgesetz)
Steuerpraxis des Kantons Schwyz
Steuer Revue, Muri bei Bern (Zeitschrift)
(www.steuerrevue.ch)
u.a.
usw.
u.U.
und andere(s); unter anderem (anderen)
und so weiter
unter Umständen
v.a.
vgl.
vs.
vor allem
vergleiche
versus (lat. für "gegen")
z.B.
Ziff.
z.T.
zum Beispiel
Ziffer(n)
zum Teil
Erklärung 51
10 Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig, ohne Mithilfe
Dritter und nur unter Benützung der angegebenen Quellen verfasst habe.
Erlenbach, 20. Juli 2001
Thomas Locher