ca. 1,3 MB - Epiphaniasgemeinde München
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Thema<br />
6<br />
Nach Hause kommen – Gedanken von Flüchtlingen<br />
So wie die einen in der Weihnachtszeit<br />
nach Hause in den Schoss der Familie<br />
flüchten, so sind andere gezwungen ihr<br />
Zuhause zu verlassen. Weil sie politisch<br />
verfolgt werden, weil ihre Existenzgrundlage<br />
zerstört wurde oder weil kein Platz<br />
mehr für sie ist. Diese Menschen wagen<br />
es, alles hinter sich zu lassen, ihr Zuhause<br />
aufzugeben, um in einer fremden Welt<br />
neu anzufangen. In unserer Nachbarschaft<br />
gibt es eine Notunterkunft, in der<br />
Menschen, die ihre Wohnung verloren<br />
haben, vorübergehend wohnen können.<br />
Dort lebt unter anderem eine 5-köpfige<br />
Familie aus Sibirien, die vor 2 Jahren ihr<br />
Dorf verlassen hat, weil das Geld nicht<br />
mehr zum Leben reichte. Der Vater verlor<br />
sein Geschäft und die Lebensumstände<br />
wurden immer schwieriger. Wenn man<br />
ihn fragt, wo er sich zuhause fühlt, dann<br />
antwortet er, dass er sich in <strong>München</strong><br />
ganz wohl fühlt, weil<br />
er viele Verwandte in der Gegend hat,<br />
die bayerische Küche liebt und im Alltag<br />
weniger Entbehrungen in Kauf nehmen<br />
muss. So musste er in seinem Dorf für<br />
den Kindergarten- oder Schulbesuch seiner<br />
Kinder hohe Besuchsgebühren zahlen.<br />
Auch die älteste Tochter hat sich gut<br />
eingelebt, allerdings<br />
fehlen<br />
ihr die Großeltern<br />
und die<br />
Freunde. Für sie<br />
ist „Zuhause“<br />
dort, wo all ihre<br />
Lieben wohnen<br />
und dazu gehört<br />
nun auch<br />
ihr Dorf in Sibirien.<br />
Daher<br />
möchte sie sich<br />
nicht zwischen<br />
den beiden Orten<br />
entscheiden.<br />
Beide betonen,<br />
dass es für die<br />
Eingliederung<br />
sehr wichtig ist, die Sprache der „neuen“<br />
Heimat zu beherrschen. Denn „Nach<br />
Hause kommen“ bedeutet auch, an einen<br />
„Ort“ zu gelangen, an dem man verstanden<br />
wird. In doppelter Hinsicht.<br />
Vermutlich gibt es nicht nur für Flüchtlinge<br />
mehr als einen „Ort“, an dem sie sich<br />
zuhause oder verstanden fühlen. Diesen<br />
Ort gilt es nun anzusteuern, um sich nach<br />
den Strapazen des nun bald endenden<br />
Jahres zu erholen und sich wiederzufinden.<br />
Andrea Augustin<br />
Menschen einer deutschen evangelischen Gemeinde in Sibirien vor dem<br />
Gottesdienst.