Geomarketing-Journal - infas GEOdaten
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TITELTHEMA<br />
Megacities<br />
Schöne neue Welt?<br />
Infrastruktur als zentraler Faktor<br />
Global betrachtet lebt bereits<br />
heute mehr als die Hälfte der Menschheit<br />
in Städten – mit steigender Tendenz.<br />
Vielerorts entwickeln sich sogenannte<br />
Megacities, in denen sich unvorstellbare<br />
Menschenmengen auf engstem<br />
Raum bewegen: Mexico-City, Manila,<br />
Rio de Janeiro, Jakarta oder Tokyo-<br />
Yokohama sind Beispiele. Die offiziell<br />
größte Stadt der Welt, Chongqing in<br />
Zentralchina, soll schon in 2010 etwa<br />
32 Millionen Einwohner gehabt haben.<br />
Die Hoffnung auf ein besseres Leben<br />
ist dabei die zentrale Triebfeder<br />
der Menschen. Und nie gab es bessere<br />
Voraussetzungen: Via Internet gelangt<br />
das Wissen über die Regionen oder<br />
Städte, in denen noch Milch und Honig<br />
fließen, in den letzten Winkel der<br />
Welt. Gleichzeitig steigt die Mobilität<br />
weltweit signifikant. Also fliehen die<br />
Menschen vor Armut, vor Dürren, vor<br />
Mangel an Nahrungsmitteln, vor politischer<br />
Unsicherheit, vor Krankheiten,<br />
vor Arbeits- und Perspektivlosigkeit<br />
Das Tempo von Landflucht und Urbanisierung stellt<br />
Städte vor erhebliche Herausforderungen. Die elementare<br />
Versorgung und die Infrastruktur stehen im Fokus.<br />
in die Regionen, die sich vermeintlich<br />
durch Sicherheit, Reichtum und Freiheit<br />
auszeichnen – und multiplizieren signifikante<br />
Probleme in den Ballungsräumen.<br />
Auf die enorme Geschwindigkeit,<br />
in der diese modernen Völkerwanderungen<br />
stattfinden, kann kaum adäquat<br />
reagiert werden.<br />
So versprühen die neuen Megacities<br />
auch nicht den Charme prosperierender<br />
Weltstädte, sondern dokumentieren<br />
das Chaos überbordender und ungelöster<br />
elementarer Probleme. Kulturelle<br />
und wirtschaftliche Gegensätze prallen<br />
auf engstem Raum aufeinander, während<br />
die ländlichen Gegenden in jeder<br />
Hinsicht ausbluten. Selbst eine Rückkehr<br />
ist also keine ernst zu nehmende<br />
Alternative mehr.<br />
Die Abbildung zeigt eine Karte von Istanbul auf Basis von GEOstreet+ für die Türkei.<br />
Istanbul ist die weltweit einzige Metropole, deren Stadtgebiet sich auf 2 Kontinenten erstreckt<br />
– Europa und Asien. Je nach Definition kann man sie mit fast 14 Mio. Einwohnern als viertgrößte<br />
Stadt der Welt bezeichnen, wenn man die administrativen Grenzen als Grundlage nimmt.<br />
Megacities – die Gravitationskraft<br />
dieser städtischen Verdichtungsräume<br />
ergibt sich durch deren zentrale Bedeutungsfunktion,<br />
administrativ, wirtschaftlich<br />
und kulturell. Die Dimensionen<br />
des ungebremsten, explosionsartigen<br />
Wachstums zeigen sich in endlosen<br />
Vorstädten mit extrem hoher Bebauungsdichte,<br />
mit oft illegalen Siedlungsstrukturen<br />
sowie erheblichen Mängeln<br />
beim Anschluss an die Infrastruktur. Es<br />
entstehen Subzentren, die allein nicht<br />
selten die Größe einer deutschen Großstadt<br />
aufweisen. Zerschnitten werden<br />
diese durch Autobahnen und Bahnstrecken,<br />
die als pulsierende Lebensadern<br />
das komplexe Geflecht zusammenhalten<br />
– oder trennen, ganz wie man<br />
es sieht. Die eigentliche Kernstadt als<br />
ursprüngliches Ziel der Zuwanderung<br />
spielt im Alltagsleben der Menschen<br />
letztendlich gar keine Rolle mehr, da<br />
die Distanzen und der Zeitaufwand<br />
schlicht zu groß sind.<br />
Die Probleme sind grundsätzlich erkannt:<br />
Ein global agierendes Weltunternehmen<br />
wie Siemens etwa arbeitet im<br />
neu gegründeten Sektor „Infrastructure<br />
& Cities“ an nachhaltigen Technologien<br />
für urbane Ballungsräume und deren<br />
Infrastrukturen. Geodaten spielen dabei<br />
eine zentrale Rolle. Die raumbezogenen<br />
Fragestellungen konzentrieren sich<br />
primär um substanzielle Themen wie<br />
die Befriedigung von grundlegenden<br />
Bedürfnissen. Die drängenden Fragen<br />
sind „Welche Infrastruktur ist in welcher<br />
Qualität vorhanden? Wie können<br />
Wasserversorgung und Abwasser organisiert<br />
werden? Wie steht es mit Strom<br />
und Telekommunikation? Was ist mit<br />
Energieversorgung oder Abfallentsorgung?<br />
Wie können Verkehrswege umgestaltet<br />
werden? Wie viele Einwohner<br />
können davon möglichst optimal profitieren?<br />
Wie kann Wohnraum organisiert<br />
werden?” Bevor diese drängenden<br />
Fragen nicht gelöst sind, wird nach wie<br />
vor für viele der Zugereisten der Traum<br />
vom besseren Leben in einem Alptraum<br />
enden. (WJ)<br />
6 <strong>Geomarketing</strong>-<strong>Journal</strong> . Das Magazin für Markt und Raum . 1/2013<br />
<strong>Geomarketing</strong>-<strong>Journal</strong> . Das Magazin für Markt und Raum . 1/2013 7