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AU F S ÄT Z E 430 SVR 11/2007 VERKEHRSSTRAFRECHT ...

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A U F S ÄT Z E | kol<br />

Klägers, neben dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr.<br />

F. auch den Sachverständigen J. zur Erläuterung seines schriftlichen<br />

Gutachtens zu laden, nicht entsprochen hat. Dem mit<br />

Schriftsatz vom 24.2.2006 gestellten Antrag des Klägers hätte<br />

das Berufungsgericht stattgeben müssen. Dem steht nicht entgegen,<br />

dass der Sachverständige J. sein Gutachten im vorausgegangenen<br />

selbständigen Beweisverfahren erstattet hat. Bei<br />

Identität der Beteiligten steht die selbständige Beweiserhebung<br />

unter der – im Streitfall gegebenen – Voraussetzung von § 493<br />

Abs. 1 ZPO einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht<br />

gleich. 1 Deshalb hätte das Berufungsgericht zur Klärung der<br />

zwischen den beiden Gutachten bestehenden Widersprüche<br />

nicht nur den in zweiter Instanz beauftragten Sachverständigen<br />

Prof. Dr. F. laden, sondern auch dem Antrag des Klägers<br />

auf Ladung des Sachverständigen J. stattgeben müssen.<br />

Die beantragte Ladung eines Sachverständigen ist grundsätzlich<br />

auch dann erforderlich, wenn das Gericht selbst das<br />

schriftliche Gutachten für überzeugend hält und keinen weiteren<br />

Erläuterungsbedarf sieht. Es ist auch nicht notwendig, dass<br />

ein solcher von einer Partei nachvollziehbar dargetan worden<br />

ist. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats<br />

hat die Partei zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach<br />

§§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dass sie dem Sachverständigen<br />

die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich<br />

hält, zur mündlichen Beantwortung vorlegen kann. 2<br />

Dieses Antragsrecht besteht unabhängig von § 4<strong>11</strong> Abs. 3<br />

ZPO. 3 Es kann von der Partei, die einen Antrag auf Ladung des<br />

Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass sie die Fragen,<br />

die sie an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt,<br />

im Voraus konkret formuliert. Es genügt, wenn sie allgemein<br />

angibt, in welcher Richtung sie durch ihre Fragen eine weitere<br />

Aufklärung herbeizuführen wünscht. 4 Dies gilt grundsätzlich<br />

auch dann, wenn der Sachverständige nicht nur ein Erstgutachten,<br />

sondern – wie im Streitfall – ein Ergänzungsgutachten<br />

erstattet hat. Beschränkungen des Antragsrechts – wie etwa aus<br />

dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs oder der Prozessverschleppung<br />

5 – sind nicht ersichtlich. Das Vorliegen eines<br />

solchen Ausnahmefalles nimmt auch das Berufungsgericht<br />

nicht an.<br />

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht<br />

bei der gebotenen Klärung zu einer anderen Beurteilung<br />

des Falles gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben und die<br />

Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.<br />

■ Bedeutung für die Praxis: Die – zutreffende – Entscheidung<br />

des BGH stärkt ein weiteres Mal das Recht der unterlegenen<br />

Partei auf hinreichende Aufklärung des Sachverhalts. Als Anwalt<br />

sollte man sich die Entscheidung merken. Sie kann insbesondere<br />

auch angeführt werden, wenn das Gericht – was bei<br />

der Übersendung von Gutachten nicht selten geschieht – ausdrücklich<br />

dazu auffordert, konkrete Fragen an den Sachverständigen<br />

zu formulieren, wenn er geladen werden soll.<br />

Allerdings fragt man sich angesichts der Entscheidung auch,<br />

wie es überhaupt dazu kommt, dass ein Oberlandesgericht<br />

meint, nur „seinen“ Gutachter um Erläuterung zu bitten,<br />

wenn ein weiteres Gutachten vorliegt, das auch in einem gerichtlichen<br />

– wenn auch vorgezogenen und „selbständigen“<br />

– Beweisverfahren erstattet wurde, das zu anderen Ergebnissen<br />

gekommen ist. So etwas darf nicht sein, weil es eine „Enthörung“<br />

der Partei bedeutet, die durch das zweite Gutachten belastet<br />

wird.<br />

RA, FA VersR und FA Bau- u. ArchR Ulrich Hardung, Marsberg<br />

(www.dr-kloke.de)<br />

1 Senatsbeschluss BGHZ 164, 94, 97.<br />

2 Vgl. u.a. Senatsurteile vom 17.12.1996 – VI ZR 50/96 – VersR 1997, 509; vom<br />

7. 10.1997 – VI ZR 252/96 – VersR 1998, 342, 343 und vom 22.5.2001 – VI ZR<br />

268/00 – VersR 2002, 120, 121 f.<br />

3 St. Rspr., vgl. BGHZ 6, 398, 400 f.; 24, 9, 14; Senatsurteile vom 24.10.1995 – VI<br />

ZR 13/95 – VersR 1996, 2<strong>11</strong>, 212; vom 17.12.1996 – VI ZR 50/96 – aaO; vom<br />

7.10.1997 – VI ZR 252/96 – aaO und vom 29.102002 – VI ZR 353/01 – VersR<br />

2003, 926, 927; Senatsbeschlüsse vom 10.5.2005 – VI ZR 245/04 – VersR 2005,<br />

1555, vom 8.<strong>11</strong>.2005 – VI ZR 121/05 – NJW-RR 2006, 1503, 1504 und vom<br />

5.9.2006 – VI ZR 176/05 – NJW-RR <strong>2007</strong>, 212.<br />

4 BGHZ 24, 9, 14 f.<br />

5 Vgl. Senatsurteil vom 29.102002 – VI ZR 353/01 – aaO.<br />

<strong>VERKEHRSSTRAFRECHT</strong><br />

Anbringen von Reflektoren<br />

StGB §§ 268 Abs. 3; 303 Abs. 1<br />

Das Anbringen von Reflektoren, mit denen die von der Kamera<br />

einer Verkehrsüberwachungsanlage gefertigte Aufnahme<br />

unbrauchbar gemacht wird, erfüllt nicht den Tatbestand der<br />

Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 3 StGB).<br />

Es kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung<br />

gemäß § 303 Abs. 1 StGB in Betracht.<br />

OLG München, Urteil vom 15.5.2006 – 4 StRR 53/06<br />

■ Bedeutung für die Praxis: Der Tatbestand des § 268 Abs. 3<br />

StGB setzt voraus, dass durch Einwirkung eine unrichtige Aufzeichnung<br />

erfolgen muss. Hier jedoch wird durch Anbringen<br />

der Reflektoren eine Aufzeichnung gänzlich unmöglich gemacht.<br />

Ein Erst-Recht-Schluss scheidet für das Gericht aus, das<br />

den Fall des Verhinderns einer Aufzeichnung als nicht tatbestandsmäßig<br />

im Sinne der Vorschrift ansieht.<br />

Allerdings kommt eine Strafbarkeit wegen § 303 Abs. 1 StGB<br />

in Betracht, da zwar keine Sachsubstanzeinwirkung erforderlich<br />

ist, sondern es bereits genügt, dass die Sache in ihrer bestimmungsgemäßen<br />

(auch technischen) Funktionstüchtigkeit<br />

negativ betroffen ist. Dies ist hier der Fall, da in der Verhinderung<br />

der Aufzeichnung eine nicht nur unerhebliche Einbuße<br />

bestimmungsgemäßen Gebrauchs gegeben ist.<br />

Rechtsanwalt Friedrich Schmidt, Fachanwalt für Verkehrs- und<br />

Strafrecht, Bad Arolsen, www.dr-kloke.de<br />

Fahren ohne Fahrerlaubnis<br />

StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1; FeV § 28 Abs. 4 Nr. 3<br />

Will ein Angehöriger eines EU-Mitgliedsstaates, der im Besitz<br />

einer Fahrerlaubnis dieses Mitgliedstaates ist, den innerstaatlichen<br />

(strafrechtlichen) Rechtswirkungen der §§ 21<br />

Abs. 1 Nr. 1 StVG, 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV entgehen, wenn ihm<br />

das Recht zum Gebrauch dieser Fahrerlaubnis im Inland<br />

durch sofort vollziehbaren Verwaltungsakt einer deutschen<br />

Verwaltungsbehörde aberkannt worden ist, muss er diesen<br />

<strong>430</strong> | S VR <strong>11</strong>/<strong>2007</strong>


kol | A U F S ÄT Z E<br />

Bescheid mit den innerstaatlichen Rechtsbehelfen anfechten,<br />

soweit jener Bescheid rechtswirksam und nicht nichtig<br />

ist. Auf die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids kommt es<br />

grundsätzlich nicht an.<br />

OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.5.<strong>2007</strong> – 2 St OLG Ss 50/07<br />

■ Sachverhalt: Dem Angeklagten war durch sofort vollziehbaren<br />

Bescheid des Landratsamts vom 21.6.2005 das Recht<br />

aberkannt worden, von seiner nach der Entziehung seiner<br />

deutschen Fahrerlaubnis ersatzweise in Polen erworbenen<br />

EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Da er am<br />

4.1.2006 dennoch im Straßenverkehr ein Fahrzeug geführt<br />

hatte, war er durch das Amtsgericht am 25.7.2006 wegen vorsätzlichen<br />

Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG)<br />

zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte<br />

Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit Urteil vom<br />

8.1.<strong>2007</strong> verworfen. Mit der Revision rügt der Angeklagte die<br />

Verletzung materiellen Rechts.<br />

■ Entscheidung des Gerichts: Das OLG Nürnberg hat die Revision<br />

des Angeklagten als unbegründet verworfen. Nach Ansicht<br />

des Gerichts weist der Schuldspruch wegen Fahrens ohne<br />

Fahrerlaubnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten<br />

auf. Der Senat habe mit Urteil vom 16.1.<strong>2007</strong> 1 unter Bezugnahme<br />

auf die Rechtsprechung des EuGH in den Fällen Kapper<br />

und Halbritter und die erforderliche richtlinienkonforme<br />

Auslegung der Vorschrift des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV entschieden,<br />

dass eine Fahrerlaubnis, die von der Fahrerlaubnisbehörde eines<br />

EU-Mitgliedsstaats während des Laufes einer gesetzlichen<br />

Sperrfrist nach § 4 Abs. 10 Satz 1 StVG ausgestellt wurde, nach<br />

Ablauf dieser Sperrfrist im Inland anerkannt werden müsse. 2<br />

Der Senat habe es allerdings in dieser Entscheidung ausdrücklich<br />

dahinstehen lassen, ob die Verwaltungsbehörden bei Bedenken<br />

bzgl. der körperlichen oder geistigen Eignung gegen<br />

den Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis – wie hier geschehen –<br />

verwaltungsrechtlich nach § 46 FeV vorgehen und ihm die Berechtigung<br />

zum Führen von Fahrzeugen im Inland entziehen<br />

dürfe. In solchen Fällen sei, wie das Berufungsgericht rechtlich<br />

zutreffend dargelegt habe, zwischen verwaltungsrechtlicher<br />

Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung<br />

strikt zu trennen. Ob der Bescheid des Landratsamts<br />

vom 21.6.2005 mit Blick auf die vom EuGH in den genannten<br />

Entscheidungen 3 geforderte richtlinienkonforme Auslegung<br />

des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV rechtmäßig sei, obwohl es den Mitgliedstaaten<br />

wegen des Grundsatzes der gegenseitigen formlosen<br />

Anerkennung von Führerscheinerteilungen versagt sei,<br />

für ihren Bereich die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis<br />

von zusätzlichen oder abweichenden Bedingungen wie beispielsweise<br />

einer medizinisch-psychologischen Untersuchung<br />

abhängig zu machen, könne hier offen bleiben; denn der gegenständliche<br />

Bescheid des Landratsamtes vom 21.6.2005 sei,<br />

wie das Berufungsgericht zu Recht ausführe, jedenfalls nicht<br />

nichtig, daher rechtswirksam, und i. S. des § 28 Abs. 4 Nr. 3<br />

Var. 2 FeV sofort vollziehbar.<br />

Soweit die Revision darauf hinweise, dass ein Einschreiten der<br />

Verwaltungsbehörde nach dem Zeitpunkt der Ausstellung des<br />

polnischen Ersatzführerscheins am 26.7.2001 mangels Vorliegens<br />

eines neuen Sachverhalts (europa-) rechtswidrig gewesen<br />

sei, möge dies zutreffen. Es wäre dann aber an dem Angeklagten<br />

gewesen, den Bescheid mit den innerstaatlichen (Verwaltungs-)<br />

Rechtsbehelfen anzufechten, um den strafrechtlichen<br />

Rechtswirkungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV zu entgehen. 4 Ob<br />

es in dieser Situation, wie das OLG Stuttgart 5 meine, stets irrelevant<br />

sei, dass die Fahrerlaubnis des EU-Mitgliedsstaates<br />

nicht durch einen gesonderten Verwaltungsakt entzogen worden<br />

sei, könne ebenfalls offen bleiben. Denn in Ziff. 1 des Bescheids<br />

des Landratsamts vom 21.6.2005 sei dem Angeklagten<br />

ausdrücklich „das Recht aberkannt“ worden, von „seiner polnischen<br />

EU-Fahrerlaubnis“ Gebrauch zu machen.<br />

Frei von Rechtsfehlern sei auch die Annahme des Berufungsgerichts,<br />

ein Verbotsirrtum des Angeklagten liege nicht vor. Für<br />

die Annahme eines Verbotsirrtums reiche es – entgegen der<br />

Auffassung der Revision – nicht aus, dass der Täter in Unkenntnis<br />

seiner Strafbarkeit und des anzuwendenden Strafgesetzes<br />

gehandelt habe. 6 Schon gar nicht komme es auf die Kenntnis<br />

der Strafbarkeit nach deutschem Recht an. 7 Der Verbotsirrtum<br />

setze nach seiner gesetzlichen Umschreibung nur voraus, dass<br />

dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht fehle, Unrecht zu<br />

tun (§ 17 Satz 1 StGB). Ob dies der Fall sei, beurteile sich nach<br />

dem Rechtsgut, das der betreffende Straftatbestand schütze.<br />

Demgemäß unterliege nur der einem Verbotsirrtum, der<br />

die vom verwirklichten Straftatbestand umfasste spezifische<br />

Rechtsgutsverletzung nicht als Unrecht erkenne. Das Erkennen<br />

des Unrechts durch den Angeklagten belegten die Urteilsfeststellungen<br />

aber ausreichend; denn ausweislich dieser Feststellungen<br />

habe der Angeklagte – wenn auch womöglich, was<br />

genüge, 8 nur in laienhafter Vorstellungsweise – gewusst, dass<br />

sein Führen des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt (am 4.1.2006)<br />

schon im Hinblick auf das Ergebnis der vorangegangenen<br />

negativen Fahreignungsgutachten die Verkehrssicherheit als<br />

Rechtsgut des § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG 9 beeinträchtigen konnte.<br />

■ Bedeutung für die Praxis: Die Entscheidung verdient uneingeschränkte<br />

Zustimmung. Ungeachtet der bis dato nicht einheitlich<br />

beantworteten Frage, ob der Erwerb einer EU-Fahrerlaubnis<br />

während einer gesetzlichen (hier: nach § 4 Abs. 10 Satz<br />

1 StVG) oder gerichtlichen (§ 69a StGB) Sperrfrist dazu führt,<br />

dass eine Strafbarkeit nach § 21 StVG für Fahrten nach Ablauf<br />

dieser Sperrfrist entfällt, 10 ist unbedingt zu beachten, dass aufgrund<br />

der in weiten Teilen bestehenden Verwaltungsakzessorietät<br />

des Verkehrsstrafrechts <strong>11</strong> jedenfalls dann (zumindest tatbestandlich<br />

12 ) ein Fahren ohne Fahrerlaubnis vorliegt, wenn<br />

dem EU-Führerscheininhaber das Recht aberkannt worden<br />

1 StV <strong>2007</strong>, 194.<br />

2 Ebenso: OLG München, NJW <strong>2007</strong>, <strong>11</strong>52; a. A. OLG Stuttgart, Urt. v. 15.1.<strong>2007</strong><br />

– 1 Ss 560/06.<br />

3 EuGH, NJW 2006, 2173 Tz. 28 – Halbritter; EuGH, NJW 2004, 1725 Tz. 77<br />

– Kapper.<br />

4 Zur diesbzgl. Rspr. der Verwaltungsgerichte vgl. Hailbronner/Thoms, NJW<br />

<strong>2007</strong>, 1089, 1091 ff.<br />

5 Beschl. v. 29.<strong>11</strong>.2006 – 2 Ss 520/06, NJW <strong>2007</strong>, 528.<br />

6 Grundlegend BGHSt 2, 194, 202.<br />

7 BGHR StGB § 17 Unrechtsbewusstsein 5.<br />

8 Vgl. BGHR StGB § 17 Unrechtsbewusstsein 5.<br />

9 Vgl. Jagow, in: Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl.<br />

(2006), § 21 StVG Rdnr. 1.<br />

10 Bejahend: OLG Nürnberg, StV <strong>2007</strong>, 194; OLG München, NJW <strong>2007</strong>, <strong>11</strong>52;<br />

ThürOLG, DAR <strong>2007</strong>, 404; a. A. OLG Stuttgart, DAR <strong>2007</strong>, 159. S. auch<br />

Hailbronner/Thoms, NJW <strong>2007</strong>, 1089.<br />

<strong>11</strong> S. dazu die Nachw. bei Ebner, <strong>SVR</strong> 2006, 201, 206 f.<br />

12 Aus Verteidigersicht bestünde im Hinblick auf die in Fußn. 10 dokumentierte<br />

Uneinigkeit in der obergerichtlichen Rspr. durchaus Raum, auf einen entschuldigend<br />

wirkenden, unvermeidbaren Verbotsirrtum i. S. von § 17 Satz 1<br />

StGB zu plädieren.<br />

S VR <strong>11</strong>/<strong>2007</strong> | 431


A U F S ÄT Z E | kol<br />

ist, von der darin verbrieften ausländischen Fahrerlaubnis im<br />

Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Ein derartiger behördlicher<br />

(vgl. §§ 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 StVG, 46 Abs. 5 Satz 2<br />

FeV) oder gerichtlicher (§ 69b StGB) Ausspruch entfaltet, auch<br />

wenn er materiell rechtswidrig ist, mit Eintritt der Bestandsbzw.<br />

Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung die Rechtswirkungen<br />

des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV.<br />

Da derartige Verwaltungsakte – wie hier – in aller Regel gem.<br />

§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt werden,<br />

ist hiergegen, um die aufschiebende Wirkung von Widerspruch<br />

und Anfechtungsklage (sog. Suspensiveffekt, vgl. § 80<br />

Abs. 1 Satz 1 VwGO) wiederherzustellen, zunächst ein Antrag<br />

nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen 13 und – am besten gleichzeitig<br />

– gegen den „Aberkennungsverwaltungsakt“ mit den<br />

jeweils statthaften 14 verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfen<br />

vorzugehen. Ist ausnahmsweise keine sofortige Vollziehung<br />

angeordnet, sind diese Rechtsbehelfe zur Erzielung der (in diesem<br />

Kontext auch strafbefreienden) Wirkung des § 80 Abs. 1<br />

Satz 1 VwGO sofort einzulegen. Etwas anderes gilt nur bei einer<br />

dem Mandanten von anwaltlicher Seite kaum jemals sicher zu<br />

bestätigenden Nichtigkeit (§ 44 VwVfG) des betreffenden Verwaltungsakts.<br />

15<br />

Strafgerichtliche Führerscheinmaßnahmen nach § 69b StGB,<br />

die sich auf zwischenzeitlich erworbene EU-Fahrerlaubnisse<br />

beziehen, sind mit den einschlägigen strafprozessualen Rechtsbehelfen<br />

(Einspruch bei Strafbefehlen bzw. Berufung und Revision<br />

bei Urteilen) anzugreifen, die den Eintritt der Rechtskraft<br />

und damit die Wirkungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV zumindest<br />

vorübergehend suspendieren (vgl. §§ 316 Abs. 1, 343 Abs. 1<br />

StPO). Freilich gilt dies nicht, wenn zugleich vorläufige strafprozessuale<br />

Maßnahmen nach §§ 94 Abs. 3 bzw. <strong>11</strong>1a Abs. 3<br />

Satz 2, Abs. 5 StPO getroffen worden sind und diese noch andauern,<br />

da dann wiederum § 28 Abs. 4 Nr. 3 oder Nr. 5 FeV eingreift<br />

– und: die hiergegen statthaften Rechtsbehelfe (Antrag<br />

nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO bei Führerscheinsicherstellungen<br />

durch die Ermittlungsbehörden und Beschwerde gem. § 304<br />

StPO bei diesbzgl. richterlichen Beschlüssen) entfalten keine<br />

aufschiebende Wirkung! 16<br />

Wiss. Mitarbeiter Markus Ebner, LL.M., Erlangen/Nürnberg<br />

13 Instruktiv Gersdorf, Verwaltungsprozessrecht, Rdnrn. 191 ff.<br />

14 Zu der von den übrigen Bundesländern abweichenden Rechtslage in Bayern<br />

(Widerspruchsverfahren zeitweise ausgesetzt; nur sofortige Klage zum Verwaltungsgericht<br />

statthaft) vgl. Art. 15 Nr. 21 BayAGVwGO.<br />

15 S. Fußn. <strong>11</strong>.<br />

16 Für die Beschwerde schreibt dies § 307 Abs. 1 StPO explizit vor; bei § 98 Abs. 2<br />

Satz 2 StPO lässt sich der Nichteintritt des Suspensiveffekts aus dem Sinn und<br />

Zweck der Sicherstellung bzw. Beschlagnahme und der auf einen solchen Antrag<br />

hin zu treffenden gerichtlichen Entscheidung (Aufrechterhaltung oder<br />

Aufhebung der Maßnahme) ableiten, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl.<br />

(<strong>2007</strong>), § 98 Rdnrn. 12 ff.<br />

eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zwei Jahre<br />

nach einer Trunkenheitsfahrt aufgehoben werden. (Leitsatz<br />

des Verfassers)<br />

AG Lüdinghausen, Beschluss vom 21.9.2006 – 16 Cs 62 Js 1349/05<br />

– 123/04<br />

■ Sachverhalt: Es besteht hinreichender Verdacht, dass der<br />

Angeschuldigte am 24.5.2004 eine vorsätzliche Trunkenheitsfahrt<br />

(BAK 1,92 ‰) auf der BAB 1 als Führer eines Sattelzuges im<br />

Straßenverkehr begangen hat. Noch an diesem Tage wurde der<br />

Führerschein des Führers sichergestellt. Der Beschluss über die<br />

vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis erging am 24.6.2004,<br />

woraufhin durch die Staatsanwaltschaft Münster der Erlass eines<br />

Strafbefehls beantragt wurde, welcher am 9.8.2004 auch<br />

erlassen wurde. Dieser konnte jedoch trotz mehrmaliger Versuche<br />

an die Wohnanschrift in Frankreich nicht zugestellt<br />

werden. Eine öffentliche Zustellung kam wegen des Umstands,<br />

dass die Anschrift des Angeschuldigten tatsächlich bekannt<br />

war, nicht in Betracht.<br />

■ Entscheidung des Gerichts: Das Gericht hob gemäß des Antrags<br />

der Staatsanwaltschaft vom 4.9.2006 die vorläufige Entziehung<br />

der Fahrerlaubnis auf, da das Erstarken des Strafbefehls<br />

in Rechtskraft zum einen nicht absehbar ist und zum anderen<br />

nicht festgestellt werden kann, ob die fehlende Zustellungsmöglichkeit<br />

in den Verantwortungsbereich des Angeschuldigten<br />

fällt. Ein Grund, warum die Zustellung nicht erfolgen<br />

konnte, kann nämlich gerade nicht festgestellt werden. Die<br />

Zeitspanne zwischen Tatzeitpunkt bis dato beträgt mittlerweile<br />

signifikant mehr als zwei Jahre. Bei normaler Verfahrensführung<br />

wäre die Sperrfrist nach § 69 a StGB bereits abgelaufen.<br />

Bei Würdigung der Gesamtumstände kann mithin nicht mehr<br />

davon ausgegangen werden, dass im Hinblick auf die noch<br />

nicht absehbare Zustellung des Strafbefehls noch eine Ungeeignetheit<br />

zum Führen von Kfz besteht. Die Regelvermutung<br />

des § 69 Abs. 2 Ziffer 2 StGB wird somit durchbrochen.<br />

■ Bedeutung für die Praxis: Dieser Entscheidung kommt<br />

im Hinblick auf die immer weiter fortschreitende Entwicklung<br />

Deutschlands als Transitland, welches von allen Seiten<br />

durchquert wird, Bedeutung zu. Es unterstreicht die Rechtsauffassung,<br />

dass ein EU-Ausländer, dem nicht nachgewiesen<br />

werden kann, dass ein Zustellungshindernis in seinen Verantwortungsbereich<br />

fällt, nur aufgrund des Umstands einer nicht<br />

möglichen Zustellung keine Überdehnung der Sperrfrist zu<br />

seinen Lasten zu befürchten hat. Insoweit ist das Abweichen<br />

von der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Ziffer 2 StGB nachvollziehbar<br />

und nur konsequent.<br />

Rechtsanwalt Friedrich Schmidt, Fachanwalt für Verkehrs- und<br />

Strafrecht, Bad Arolsen, www.dr-kloke.de<br />

Aufhebung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis;<br />

keine oder nicht absehbare Zustellung an<br />

bekannten Wohnsitz im EU-Ausland; Durchbrechung<br />

der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Ziffer 2 StGB<br />

StPO §§ <strong>11</strong>1a; StGB 69, 69a<br />

Ist der Wohnsitz des Angeklagten im EU-Ausland bekannt<br />

und kann der im Verfahren ergangene Strafbefehl trotzdem<br />

nicht oder in nicht absehbarer Zeit zugestellt werden, kann<br />

ORDNUNGSWIDRIGKEITENRECHT<br />

Kreuzungsbefahren ohne zu sehen, welches Ampelzeichen<br />

aufleuchtet ist grob fahrlässig<br />

StVG § 25; BKatV § 4<br />

Wer als Fahrzeugführer ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen<br />

in einen Kreuzungsbereich einfährt, ohne erkennen zu können,<br />

welches Lichtzeichen der Ampel aufleuchtet, handelt<br />

432 | S VR <strong>11</strong>/<strong>2007</strong>

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