Marktordnung für Lobbyisten - Otto Brenner Shop
MARKTORDNUNG FÜR LOBBYISTEN
Spezialdisziplin der
Interessenvertretung
zuüben. Das Spektrum der Methoden ist breit:
Streiks, Demonstrationen und Protestaktionen;
Kampagnen, deren argumentativer und organisatorischer
Unterbau durch Forschungsinstitute,
Thinktanks und PR-Agenturen bereitgestellt
wird; Platzierung von Politikern aus den eigenen
Reihen in Ämtern und Mandaten auf nationaler
und europäischer Ebene; die Einschleusung
von Vertrauensleuten in die Verwaltungen;
strategische Allianzen auf allen Ebenen;
Bündnisse örtlicher Amts- und Mandatsträger,
Unternehmer, Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre,
die die Arbeitnehmerschaft und
Bevölkerung für lokale Interessen mobilisieren,
etc.
Lobbyismus im engeren Sinn ist der Prozess,
in dem Akteure die Interessen der eigenen
Organisation oder gegen Geld die Interessen
Dritter mit speziellen Mitteln vertreten.
Lobbykontakte sind primär alle direkten Kontakte
– persönlich, telefonisch, schriftlich per
E-Mail, SMS, Fax oder postalisch – mit Mandatsträgern
und Mandatsträgerinnen, Ministerialbeamten
sowie Abgeordneten-, Fraktionsmitarbeitern
und -mitarbeiterinnen, die zum
Ziel haben, Einfluss auf die Politik zu nehmen
oder politische Informationen zu sammeln.
Lobbyismus zielt direkt auf die Politik und Politiker,
er agiert bilateral und meist unbehelligt,
nichtöffentlich und in kleinen informellen Kreisen.
Ein wenig hat sich mittlerweile die Tür
allerdings geöffnet. Manche Akteure drängen
an die Öffentlichkeit und sind öffentliche Personen
geworden. Große Teile des operativen
Geschäfts aber sind nichtöffentlich geblieben.
Diese analytische Trennung fasst Interessenvertretung
als den allgemeinen Oberbegriff,
der die grundlegende strategische Dimension
umgreift. Interessenvertretung funktioniert
nicht ohne Lobbyismus. Lobbyismus ist
Teil der Interessenvertretung, aber Interessenvertretung
ist mehr als Lobbyismus. Lobbyismus
ist ein apartes, spezifisches Element der
Interessenvertretung, eine Spezialdisziplin,
das taktische Vorgehen auf einem bestimmten
Operationsfeld, eben unmittelbar gegenüber
der Politik. Der ehemalige Präsident des GPRA,
des Wirtschaftsverbands führender Public-Relations-Beratungsunternehmen
Deutschlands,
Dieter Schulze van Loon, definiert Lobbying aus
der Sicht seiner Praxis so: „Lobbying wirkt auf
die Entscheidungsprozesse von Politik und öffentlicher
Verwaltung durch Information und
Dialog ein. Der Lobbyist baut ein Netzwerk an
Kontakten im Umfeld entscheidungstragender
Kreise auf und nutzt es für einen ständigen Dialog
mit Entscheidungsträgern und -vorbereitern.
Entscheidungen auf politischer Ebene sollen
beeinflusst, herbeigeführt oder verhindert,
beschleunigt oder verzögert werden“ (Schulze
van Loon 2005).
Der Unterscheidung von Interessenvertretung
und Lobbyismus entspricht auch eine Differenzierung
auf der Akteursebene. Die Vorstände
großer Unternehmen treten als Lobbyisten
der eigenen Sache auf, aber nicht ständig
und überwiegend; sie sind keine Lobbyisten.
Aber sie beschäftigen ein Heer bezahlter Lobbyisten,
d. h. Spezialisten, die ihrer Sache dienen.
Sinn ergibt es, die geballten Interessen
einer Branche und ihre Artikulation durch Bran-
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