Buch - Prof. Dr. Erika Schuchardt
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36 Brückenbau – 15 Jahre Begegnungsschulen im Südlichen Afrika<br />
Schüler in die deutschsprachige Schulgemeinschaft führen. Das würde aber sehr<br />
lange dauern, zu lange, weil es nötig war, rasch sichtbare Zeichen zu setzen.<br />
So wurde der andere Weg beschritten, für den die in den deutschen Schulen<br />
in spanischsprachigen Ländern erprobte „Neue Sekundarstufe” das Muster lieferte:<br />
an den von der Bundesregierung geförderten Schulen im Südlichen Afrika<br />
wurden, freilich erst nach jahrelanger, nicht selten erbitterter Debatte und nach<br />
zögernder Zustimmung der südafrikanischen Unterrichtsbehörden, „Fremdsprachenzweige”<br />
eingerichtet. Sie haben als Ziel, zunächst in englischer Unterrichtssprache,<br />
später zunehmend auf Deutsch die in sie aufgenommenen Schülerinnen<br />
und Schüler vom Beginn der Sekundarstufe an zu Sprache und Stoff ihrer<br />
gleichaltrigen Mitschüler hinzuführen.<br />
Klar war, dass diesen schwierigen Weg nur bis zum guten Ende würde gehen<br />
können, wer besondere Begabung und viel Zähigkeit mitbrachte. Darum wurde<br />
ein Auswahlverfahren eingerichtet, durch welches die umliegenden nichtweißen<br />
Schulen ihre Besten an die deutsche Schule weitergeben konnten.<br />
Es blieben erhebliche Risiken, vor allem die Gefahr, dass sich in den Schulen<br />
so etwas wie eine innere Apartheid zwischen dem deutschsprachigen und<br />
dem fremdsprachigen Zweig entwickeln würde. Manche der in diesem <strong>Buch</strong><br />
versammelten Zeugnisse sprechen davon, aber auch von der Art und Weise,<br />
wie die Gefahr fast stets überwunden wurde. Und es bleibt immer noch ein langer<br />
Weg zu gehen, wie die ebenso publizierte Zwischenbilanz meines Kollegen<br />
und Nachfolgers Lothar Wittmann aus dem Jahre 1990 deutlich zeigt – dem<br />
gleichen Jahr, in dem die Überwindung der Apartheid durch die Regierenden in<br />
Südafrika begann und Namibia unabhängig wurde.<br />
Doch das Entscheidende ist geschehen: Bundestag und Bundesregierung auf<br />
der einen, die Schulträger auf der anderen Seite haben einen Modellfall zur gewaltfreien<br />
Überwindung der Apartheid, hin zur Chancengleichheit für alle Bürger<br />
Südafrikas, gemeinsam geschaffen. Am Ende werden die Schulen ihren deutschen<br />
Grundcharakter zwar behalten haben, aber mehrsprachig geworden sein<br />
Das war indessen schon vorgezeichnet, lange bevor die Öffnung für nichtweiße<br />
Schülerinnen und Schüler begann, und zwar dadurch, dass die Schulen<br />
schon seit Jahrzehnten neben dem deutschen auch einen südafrikanischen Abschluss<br />
anbieten, die Matrik, und deshalb ein erheblicher Teil des Lehrplans darauf<br />
eingestellt ist. Sie werden schließlich Begegnungsschulen im vollen Wortsinn<br />
und damit fähig geworden sein, an einer auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik<br />
mitzuwirken, die nicht mehr auf einseitige Selbstdarstellung abzielt, sondern<br />
Dialog, Austausch und Zusammenarbeit zwischen den Ländern, Völkern und<br />
Menschen fördert.<br />
Es sei mir gestattet, mit einer sehr persönlichen Nachbetrachtung zu schließen.<br />
Mir war als bewusstem evangelischen Christen die – überdies theologisch<br />
begründete – Apartheid seit jeher ein Ärgernis, ja mehr, nämlich eine Sünde<br />
wider Gottes Gebot, nach dem die als sein Ebenbild von ihm geschaffenen<br />
Menschen alle die gleiche Würde und gleiche Rechte haben. Die von mir als<br />
jungem Menschen noch erlebte und erlittene Rassenpolitik Hitlers und seiner<br />
Gefolgsleute hatte meinen Sinn dafür geschärft.<br />
So galt meine Sympathie früh den afrikanischen Befreiungsbewegungen. Als<br />
Synodaler der rheinischen Landeskirche unterstützte ich ganz selbstverständlich<br />
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