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Essstörungen bei Übergewicht<br />

20.09.2012, Zentrum Paul Klee Bern<br />

Sportsucht<br />

Essstörungen und Adipositas –<br />

Geschlechterspezifische<br />

Aspekte des Essverhalten<br />

Dr. med. Bettina Isenschmid, M.M.E.<br />

Übergangs- und<br />

Mischformen<br />

Männer und Knaben<br />

Selbstverletzung<br />

bettina.isenschmid@spitalzofingen.ch<br />

Substanzabhängigkeit<br />

Orthorexie<br />

Körperbild und Geschlecht<br />

• Das Körperbild ist die Summe der Engramme einer<br />

menschlichen Psyche über den eigenen Körper,<br />

die im Laufe der intrauterinen und auch späteren<br />

Entwicklung durch Aussen- und Innenreize<br />

zustande kommt.<br />

(Winnicott, 1988; Bischoff, 1989; Brähler, 1992)<br />

• Geschlecht ist<br />

- nicht nur eine e biologische og (sex), sondern<br />

zugleich eine fundamentale soziale Kategorie<br />

(gender) – kein anderes menschliches<br />

Merkmal hat so grundsätzliche Auswirkungen<br />

auf Erleben und Verhalten, auf soziale<br />

Chancen und soziale Erwartungen.<br />

- einerseits eine zentrale kognitive Kategorie,<br />

mit deren Hilfe das Individuum Informationen<br />

organisiert, und andererseits eine zentrale<br />

soziale Kategorie, die soziale Ungleichheit<br />

zwischen Frauen und Männern produziert.<br />

(Tillmann, 1999)<br />

Schönheitsbezogene Aktivitäten<br />

„Schönheit und Attraktivität sind für Frauen und<br />

Mädchen sehr wichtig. Für das Aussehen wird<br />

viel getan.“<br />

„Frauen jeden Alters stellen sich öfter auf die<br />

Waage, um ihr Körpergewicht zu kontrollieren als<br />

Männer. [...] Frauen versuchen auch häufiger, ihr<br />

Körpergewicht zu reduzieren als Männer.“<br />

Schon sehr junge Mädchen konsumieren<br />

Medien, die sich zu einem erheblichen Teil mit<br />

Figur, Aussehen usw. beschäftigen.<br />

Hurrelmann 1991<br />

Kluge et al., 2001


Paradoxe Effekte<br />

• „Doppelter Standard“ in Medien: positives<br />

Selbstverständnis (Wohlfühlgewicht etc.) ↔<br />

untergewichtige, erfolgreiche Models und Promis.<br />

• Bekleidungshersteller für Übergrössen werben mit<br />

Models, die durchschnittliche Kleidergrössen<br />

tragen.<br />

• Bekleidungshersteller für Normalgrössen werben<br />

mit untergewichtigen Models.<br />

Frauen mit durchschnittlichem Gewicht werden als<br />

übergewichtig wahrgenommen, da die Medien ein<br />

Bild der Untergewichtigkeit vermitteln.<br />

• Obwohl Frauen wissen, dass die meisten Models zu<br />

dünn sind, wollen sie dennoch so aussehen:<br />

„They make me sick. They are too thin. But I would<br />

kill for one of their bodies.“<br />

Grogan 1999<br />

Anzeichen einer Essstörung<br />

Übermässige Beschäftigung mit Essen, Figur und Gewicht,<br />

Body Checking<br />

Panische Angst vor Gewichtszunahme<br />

Perfektionismus, selbstabwertende Vergleiche<br />

Zwangsgedanken, -handlungen<br />

Weniger Ressourcen für andere Interessen<br />

Stimmungslabilität, sozialer Rückzug<br />

Schwindel, Kollapsneigung, Schwäche, Frieren<br />

Bewegungsdrang, Laxanzien, Erbrechen<br />

ständiges Kaugummikauen, Hamsterbacken, Zahnprobleme<br />

Verdauungsprobleme, Zyklusstörungen,<br />

Missbrauch Appetitzügler, Diuretika, Laxanzien


Anorexia nervosa<br />

• Negative Bemerkungen bezüglich Gewicht<br />

oder Figur trotz Normal- oder Untergewicht<br />

(BMI < 18,5 kg/m2)<br />

• Nahrungsmittelrestriktion und -selektion<br />

• Überschätzung der Körperproportionen (v.a.<br />

Bauch, Hüfte, Oberschenkel),<br />

Gewichtsphobie<br />

• Exzessive körperliche Aktivität<br />

• Körperliche Folgen<br />

• Persönlichkeit: Ehrgeiz, Fleiß, Beharrlichkeit,<br />

Introvertiertheit, Harmoniebedürfnis, gute<br />

bis überdurchschnittliche Intelligenz,<br />

Perfektionismus<br />

Bulimia nervosa / Binge Eating<br />

Essanfälle<br />

Kontrollverlust<br />

Grosse Mengen<br />

ohne Hunger und trotz Völlegefühl<br />

Selbstekel, Selbstvorwürfe<br />

+/- Kompensationsverhalten<br />

Weitere Ess-Störungen<br />

• Polyphagie („reine“ Vielesser?)<br />

• Psychogener Appetitverlust<br />

• Essattacken bei anderen psychischen<br />

Störungen<br />

• Problem-, Sweet-, Night-Eating etc.<br />

• Erbrechen bei anderen psychischen<br />

Störungen<br />

• Rumination<br />

• Pica-Syndrom im Erwachsenenalter<br />

Orthorexie<br />

Steven Bratman, 1997<br />

• Komplexe, zeitintensive Ernährungsvorschriften<br />

• (Vermuteter) Gesundheitswert prioritär, Genuss schwindet<br />

• Zunehmender Verzicht, Auswahl von Lebensmitteln verringert<br />

sich ständig<br />

• „Überlebensration" erlaubter Lebensmittel<br />

• Bei Regel-Verletzung Versagens- und Schuldgefühle,<br />

Selbstbestrafung<br />

• Überlegenheitsgefühl denjenigen gegenüber, die sich „nicht im<br />

Griff“ haben<br />

• „Foodumentalismus“


Dichotomes Denken<br />

Selbstschädigendes<br />

Verhalten als Emotionsregulator<br />

Gut, richtig, heilsam, gesund, erlaubt<br />

Böse, falsch, sündig, ungesund, verboten<br />

• Selbstverletzendes Verhalten i.e.S.<br />

• Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenmissbrauch<br />

• Starke Essanfälle bzw. Essensverweigerung<br />

• Rücksichtsloses Autofahren (d.h. zu schnell, sehr riskant<br />

oder betrunken fahren)<br />

• Riskantes Sexualverhalten (z.B. Geschlechtsverkehr ohne<br />

Verhütungsmittel, mit kaum bekannten Personen u.ä.)<br />

• andere riskante Verhaltensweisen<br />

(Glücksspiel, Zugsurfen etc.)<br />

Sieg, Triumph, Entlastung, Klarheit<br />

Scham, Schuld, Trauer, Frustration<br />

Völlerei (Fress-Sucht,<br />

Gefräßigkeit, Maßlosigkeit oder<br />

Unmäßigkeit)<br />

Warum tun wir uns so schwer?<br />

„Die Völlerei (lat. gula) ist ein<br />

(niederträchtiges) Laster des Menschen,<br />

welches ihn zu einem ausschweifenden<br />

und maßlosen Leben führt und ihn<br />

undankbar gegenüber g dem Schöpfer und<br />

der Gabe des Lebens werden lässt.“<br />

Die Strafe für diese Todsünde ist in der<br />

katholischen Mythologie die Verbannung<br />

in die Hölle und die Erleidung ewiger<br />

Schmerzen.<br />

Das Schwein und der Dämon Beelzebub<br />

verkörpern die Völlerei.


Risiko Sport...<br />

Rigide Gewichtskontrolle bei:<br />

• Ausdauer: Langstreckenlauf, Langlauf,<br />

Triathlon<br />

• Ästhetik, Beweglichkeit: Kunstturnen, Tanz,<br />

Rhythmische Sportgymnastik, Eiskunstlauf<br />

• Gewichtsklassen: Boxen, Ringen,<br />

Gewichtheben, Rudern, Jockeys<br />

• Leichtgewichtigkeit: Hochsprung, Skispringen,<br />

Rudern, Radfahren<br />

„Sport ist für viele Frauen wohl nur zu einer<br />

weiteren Waffe in einem Arsenal geworden,<br />

das der rigiden Kontrolle des Körpergewichts<br />

gewidmet ist.“<br />

GARNER et al. 1985<br />

Female Athlete Triad<br />

• 1992 vom American College of Sports Medicine<br />

beschrieben<br />

• 15 - 78 % gestörtes Essverhalten bei Athletinnen<br />

• Komplexe Trias: Gestörtes Essverhalten -<br />

Amenorrhoe - Osteoporose<br />

• Fortgeschrittene Problematik, Gefahr bleibender<br />

Schäden gross<br />

• Häufig bei Sportarten, bei denen ein tiefes<br />

Körpergewicht von Vorteil ist<br />

• bewusste Verringerung des Körpergewichts<br />

durch Training und Diät<br />

• Hohe Anforderungen, Leistungsdruck, Fitness<br />

Byrne S, McLean N. J Sci Med Sport. 2001; 4: 145-159.<br />

(Dr. A. Burki, Baspo Magglingen)<br />

Ab wann ist Sport ein Zwang?<br />

• Ausdauersport zu betreiben ist zum zentralen Motiv mit<br />

Fixierungscharakter geworden. Der Ausdauersüchtige will sich<br />

dadurch "gut fühlen"<br />

• Vermeiden von Entzugssymptomen und Erledigungszwang<br />

• Ständig höhere Beanspruchung wird benötigt und toleriert<br />

• Entzugserscheinungen treten auf, wenn der Sport nicht betrieben<br />

werden kann<br />

• Missachtung körperlicher Signale: körperliche Schädigung,<br />

Missachtung von Verletzung, evtl. Lebensgefahr<br />

• Gefahr des sozialen Verfalls (Zerrüttung von Beziehungen,<br />

defizitäres Wahrnehmen von Verantwortung)<br />

• Das sportbezogene Verhalten kontrolliert die Person, nicht<br />

umgekehrt<br />

Essstörungen im Sport – Was tun?<br />

Verhaltensauffälligkeiten (Körperschema-<br />

Störungen, Gewichtsphobie, Hyperaktivität etc.)<br />

Gewichtskontrollen, Hormonstatus, Elektrolyte<br />

Leistungskurve, Ermüdung, Verletzungen<br />

(Frakturen!)<br />

Differenzierung Erfolg/Versagen und Gewicht<br />

Äusserungen zu Gewicht/Figur<br />

Thematisierung der Anorexia athletica<br />

Keine rigiden Ernährungsregimes, individualisierte<br />

Ernährungs- und Trainingsberatung<br />

Gegen Laxanzien, Amphetamine, Erbrechen etc.<br />

auftreten<br />

Vorbildfunktion der TrainerInnen, Ausbildung!<br />

Frauen- und Männerbild im Sport<br />

Nach J. Knobloch, H. Allmer,T. Schack: "Nicht nur Drogen machen süchtig - Entstehung und<br />

Behandlung von nichtstoffgebundenen Süchten"


Essstörungen bei Männern<br />

• Seltener und länger unentdeckt, ca. 1 : 10<br />

• Häufigkeitsgipfel zwischen 18 und 26 Jahren<br />

• Hoher Anteil homosexueller Männer<br />

• Kombinationen mit Substanzmissbrauch, Zwangs- und<br />

Persönlichkeitsstörungen<br />

• Unterschiede zu Frauen:<br />

• weniger strikte Gewichtskontrolle<br />

• weniger Abführmittel, Diuretika und Diätpillen<br />

• Mehr Proteinkonzentrate und Hormone<br />

• Geringere Körperwahrnehmungsstörung<br />

• werden eher depressiv wegen Untergewicht und/<br />

oder ungenügender Muskulatur<br />

• Auslöser: (Leistungs-)Sport, Ängste bzgl. Sexualität,<br />

Übergewicht, persönliche Stressoren<br />

Diabetes und Essstörungen<br />

• Kombination häufig (8-12%) bei jungen<br />

Frauen<br />

• Die Probleme beginnen mit<br />

Gewichtszunahme bei Aufnahme der<br />

Insulintherapie (anaboler Effekt)<br />

• Die Betroffenen erkennen, dass sie durch<br />

Verringerung der Insulindosis oder durch<br />

Insulinauslassungen Gewicht verlieren<br />

(Insulin-Purging)<br />

• Chronische Überzuckerung mit vermehrter<br />

und beschleunigter Entwicklung von<br />

Spätkomplikationen (Retino- und<br />

Nephropathie etc.).<br />

Essstörungen und Fruchtbarkeit<br />

• Fertilität allg. beeinträchtigt, SS bei aktiver Anorexie<br />

selten (Hypogonadismus, Anovulation)<br />

• Erhöhte SS-Komplikationen bis 8 Jahre nach<br />

Erkrankung (Aborte, Hypoglykämien, Infektionen,<br />

IUWR, IUFT)<br />

• Erhöhte Geburtskomplikationen, mehr kindliche<br />

Fehlbildungen (Neuralrohrdefekte!)<br />

• Kindliches Outcome: Mangel- und Frühgeburten,<br />

kleiner Kopfumfang, schlechte Apgar-Werte, Sectio-<br />

Rate erhöht, Laktations- und Fütterprobleme<br />

• Insuffizienzgefühle (Mütter glauben, Kind sei zu dick/<br />

zu dünn), Gedeihstörungen des Säuglings<br />

• Verhaltensmuster: rigide Gewichtskontrolle,<br />

restriktives Essverhalten, Erbrechen, exzessiver Sport,<br />

Substanzen (Laxanzien, Diuretika, Amphetamine) und<br />

damit Unterversorgung und teratogene Schädigung<br />

des Fötus<br />

Lacey et al 1987; Bulik CM 2007; Peterson et al 2004; James et al<br />

2001, 2005<br />

Psychiatrische Erkrankungen bei<br />

Essstörungen<br />

• 50% leiden zusätzlich unter depressiven<br />

Störungen<br />

• 10 % weisen zusätzlich eine Zwangsstörung<br />

auf<br />

• Bei Bulimia Nervosa:<br />

• Angststörungen 40%<br />

• Substanzmissbrauch 40%<br />

• Bipolare Störungen 10%<br />

• Persönlichkeitsstörungen 60% (BPS: 17%)<br />

40-62% der Patienten mit schweren und<br />

dauernden psychischen Störungen sind<br />

bereits vor Beginn der Pharmakotherapie<br />

übergewichtig!<br />

Holderness CC, Brooks-Gunn J, Warren MP. Int J Eat Disord. 1994;<br />

Allison et al. J Clin Psychiatry 1999; Stanton J, Schizophr Bull 1995


Substanzmissbrauch bei Essstörungen<br />

• Bulimia nervosa und Alkoholmissbrauch oder –abhängigkeit<br />

ca. 23 % + andere Subst.: 17,5%<br />

• Anorexia nervosa und Substanzabhängigkeit (3%-13%)<br />

• Alkohol: Wein, Bier, Spirituosen-Mix<br />

• Coffein: Cola, Kaffee, Tabletten<br />

• Cannabis<br />

• Appetitzügler, Amphetamine, Kokain<br />

• Abführmittel, harntreibende Mittel<br />

• Schilddrüsenhormone<br />

• Unverdauliches Material<br />

Holderness CC, Brooks-Gunn J, Warren MP. Int J Eat Disord. 1994<br />

Biologie/Genetik:<br />

Energiehaushalt<br />

Wahrnehmung von<br />

Hunger und Sättigung<br />

Soziales:<br />

Vorbilder/Ideale<br />

Rollenkonflikte<br />

Familienkonstellation<br />

Life Events<br />

Ursachen?<br />

Psychologie:<br />

Selbstwert fremdbestimmt<br />

Dysfunktionale Gedanken<br />

Ineffektive Stressbewältigung<br />

g<br />

STÖRUNG DES<br />

ESSVERHALTENS<br />

Liebe geht durch den Magen...<br />

Psychodynamische Ansätze:<br />

• Nichtbeachtung/Missinterpretation<br />

von kindlichen Bedürfnissen: später<br />

undifferenzierter „oraler“ Trieb<br />

• Fehlende Unterstützung von<br />

Autonomie: Probleme in Aneignung<br />

der weiblichen Geschlechtsidentität;<br />

Körperwahrnehmungsstörung<br />

Die Situation der Angehörigen<br />

• Schuld und Scham, Versagen,<br />

Inkompetenz, Wut, Angst, Trauer,<br />

Ohnmacht, Verzweiflung, Hilf- und<br />

Orientierungslosigkeit<br />

• „Wo eine Wille ist...“ <br />

Gewalt(tät)ige Spannungen, während<br />

den Mahlzeiten...<br />

Nicht allein bleiben!<br />

Krankheit braucht die Energien aller<br />

Beteiligten auf. Die Angehörigen<br />

müssen sich einen Raum reservieren...


Soziokultureller Ansatz<br />

Bulimischer Zyklus<br />

Schlankheits- und Schönheitsideale<br />

• Rebellion gegen patriarchal definiertes<br />

Frauenbild und ambivalente Frauenrolle<br />

• Etablierter Normverstoss gegen die von<br />

Frauen geforderte Affekt- und<br />

Körperkontrolle<br />

• Anorexie: Unangreifbarkeit, Kontrolle<br />

eigener Triebwünsche<br />

• Bulimie: „Wollen und nicht dürfen“<br />

• Adipositas: Schutz gegen Übergriffe, selbst<br />

Raum nehmen<br />

Selbstunzufriedenheit<br />

Diät<br />

Gewichtsverlust,<br />

Gestörte Wahrnehmung von<br />

Hunger und Sättigung<br />

• Nahrung verliert Bedeutung des Hunger-<br />

Stillens, wird zum Instrument für<br />

Körperkontrolle und Affektbefriedigung<br />

Fasten<br />

Erbrechen<br />

Abführen<br />

Angst vor<br />

dem Dickwerden<br />

Schuld, Scham, Ekel<br />

Kontrollverlust<br />

Überessen<br />

Ursachen sind auch Folgen...<br />

Therapeutische Ansätze<br />

Gula<br />

Temperantia<br />

Mangelndes Selbstbewusstsein<br />

Depressionen, soziale Ängste<br />

Ausgrenzung, Integrationsprobleme<br />

Ausbildungsprobleme<br />

Einsamkeit, unerfüllte Sexualität<br />

Substanzmissbrauch<br />

Essstörungen<br />

?<br />

Hendrick Goltzius


Ansprechen?<br />

• Sprechen Sie die Betroffene alleine an. Zeigen Sie Verständnis, ohne das<br />

problematische Essverhalten gut zu heissen. Geben Sie ihren Gefühlen<br />

Ausdruck, ohne verletzend zu sein.<br />

• Übernehmen Sie nicht die Verantwortung oder eine Kontrollfunktion für<br />

das Verhalten der Betroffene. Bieten sie aber in regelmässigen<br />

Abständen das Gespräch an.<br />

• Falls Dritte kontaktiert werden müssen, nur nach Absprache mit der<br />

Betroffenen.<br />

• Nehmen Sie selbst Kontakt zu einer unterstützenden Fachperson auf.<br />

• Machen Sie die Betroffene auf Fachstellen und Hilfsangebote<br />

aufmerksam. Bieten Sie Hilfe bei der Suche an.<br />

• Reduzieren Sie die Betroffen nicht auf Essverhalten oder Gewicht und<br />

schaffen Sie keinen künstlichen Schonraum. Versuchen Sie vielmehr, die<br />

gesunden Anteile zu stärken.<br />

Therapeutische Ziele<br />

• Langsame Normalisierung von Gewicht und EV (verhindert<br />

Fortschreiten/Tod resp. Jojo-Effekt und Entwicklung Bulimie)<br />

• Auslösende und aufrechterhaltende Faktoren des Essverhaltens<br />

Zusammenhänge zwischen Essverhalten, Emotionen und Selbstwert<br />

• Wahrnehmung von Hunger und Sättigung<br />

• Abbau des dichotomen Denkens (Schwarz-Weiss-Denken)<br />

• Identifizierung dysfunktionaler Überzeugungen betreffend<br />

Körperbild und Selbstwertregulation<br />

• Alternativer Umgang mit spannungsreichen psychischen<br />

Verfassungen<br />

• Hilfe bei Aufbau adäquater Beziehungen, Nachholen verpasster<br />

Entwicklungsschritte<br />

• Verhinderung von Risiken und Spätschäden<br />

• Chirurgie ist die Ultima Ratio in der Adipositastherapie<br />

Nach: Herpertz S, Dtsch Arztebl 2003; 100: A 1367–1373<br />

Indikationen für Psychopharmaka<br />

• Depressive Verstimmung<br />

• Zwänge und Ängste, die<br />

Verhaltensmodifikationen<br />

verhindern<br />

• Selbstverletzungen<br />

• Inappetenz<br />

• Food-Craving, Binges<br />

• Körperwahrnehmung stark verzerrt<br />

• V.a. Antidepressiva, teilw.<br />

Neuroleptika und Mood-Stabilizer<br />

Indikationen für Hospitalisation<br />

• Kritische Zustands-<br />

Verschlechterung, v.a.<br />

Elektrolyte, kardial<br />

• BMI < 13, > 50 kg/m 2 ?<br />

• Schwere Depression, Zwänge,<br />

akute Suizidalität<br />

id • Eskalierende<br />

Impulskontrollstörung<br />

• Mehrfachabhängigkeit<br />

• Zunehmende soziale Isolation<br />

• Trennung des sozialen Systems<br />

akut erforderlich


Unerwünschte Therapieeffekte<br />

Verlauf/Prognose<br />

• Jojo-Effekt durch übermäßig schnelle<br />

Gewichtsabnahme<br />

• Entwicklung von Ess-Störungen<br />

• Orthopädische oder kardiovaskuläre<br />

Komplikationen unter inadäquater<br />

körperlicher Belastung<br />

• Verringerung der<br />

Wachstumsgeschwindigkeit<br />

(bei Kindern)<br />

• Psychische Destabilisierung durch<br />

Auseinandersetzung mit erhöhtem<br />

Körpergewicht/ Gewichtsabnahme,<br />

Essverhalten etc.<br />

Monate bis<br />

ca. 1 Jahr<br />

meist gute<br />

Prognose<br />

2-4 Jahre<br />

mittlere Prognose,<br />

Suchtentwicklung,<br />

erste Folgeschäden<br />

4 und mehr Jahre<br />

ungünstige Prognose,<br />

schwerere, körperliche<br />

Folgeschäden<br />

Todesfälle (Herz- oder<br />

Nierenversagen, Infekte,<br />

Suizid)<br />

Anorexie: ca. 10% (Suizide!)<br />

Bulimie: ca. 4%<br />

(unterschätzt!)<br />

J Am Diet Assoc. 2006;106:559-568.<br />

Steinhausen HC, 2002; Jacobi, 2004; Keel& Herzog, 2004<br />

Prävention von Essstörungen<br />

bei Jugendlichen – Evidenz?<br />

Prognose mit Früherkennung und Frühbehandlung klar besser, v. a.<br />

interdisziplinäre, schul- und gemeindebasierte Programme wirksam<br />

Prinzip: „no harm“, Wirkung bei high-risk-Gruppen geringer<br />

Übergewichtige Adoleszente haben grösseres Risiko, Gewicht<br />

durch Erbrechen oder Abführmittel zu kontrollieren. Übergewicht<br />

korreliert mit erhöhten Risiko für Bulimie und Binge Eating.<br />

3/2000, U.S. Eating Disorders Prevention, Awareness and Education<br />

Act: „...to improve the identification of students with eating<br />

disorders, increase awareness of such disorders among parents and<br />

students and train educators(...) on effectice eating disorder<br />

prevention and assistance methods.“<br />

Piran N. Isr J Psychiatry Relat Sci. 2005; Santonastaso P et al. Psychother Psychosom.1999:; Austin SB.<br />

Psychol Med. 2000; Pratt BM, Woolfenden SR.Cochrane Database Syst Rev. 2002; SB Austin, AE Field,<br />

J Wiecha, KE Peterson. 2005<br />

Körperselbstbild - wichtig für Jugendliche?<br />

• Steigender Druck auf Kinder und Jugendliche, äußerlich perfekt<br />

wirken zu müssen.<br />

• 6 von 10 jungen Mädchen glauben, „…dass sie glücklicher wären,<br />

wenn sie dünner wären“.<br />

(Umfrage zu Körperbewusstsein, 2004, Britisches Magazin „Bliss“)<br />

• Jungen zwischen 10 und 11 Jahren wollen einen muskulöseren<br />

Körper, während 12- bis 13-Jährige sich einen schlankeren Körper<br />

wünschen<br />

British Medical Association 2000: models and actresses today<br />

generally have 10-15% body fat whereas the average body fat for a<br />

healthy woman is 22-26%.<br />

Levine MP, Harrison K. Effects of media on eating disorders and body image. In J Bryant and MB Oliver (Eds),<br />

Media Effects: Advances in Theory and Research (3rd ed, pp. 490-515). NY: Routledge/Taylor & Francis, 2009.<br />

Body shape perceptions of preadolescent and young adolescent children, K. N. Parkinson, M. J. Tovée, E. M.<br />

Cohen-Tovée, Eur Eat Disorder Rev,6, 126-135 1998


Empfehlungen zur Prävention von<br />

Essstörungen<br />

• An Selbsterfahrung orientierte Einheiten zur<br />

Lebenskompetenzentwicklung (Life-Skills-Modell)<br />

• Ich-Stärkung<br />

• Stärkung der Beziehungsfähigkeit<br />

• Erkennen und Äussern von Bedürfnissen und Gefühlen<br />

• Erlernen von Konfliktwahrnehmung und –lösung<br />

• Verstärkung der Gemeinschaftsfähigkeit<br />

• Stärkung der Genussfähigkeit<br />

• Entwicklung eines positiven Körperbildes<br />

• Entwicklung einer gesunden Geschlechtsidentität<br />

• Vermittlung der Freude an Bewegung und Entspannung<br />

Berger U, Ziegler P, Strauss B, 2008: Barbie goes PriMa; Psychosom Med Psychotherapy<br />

www.hsl-online.org<br />

Was ist Body Talk?<br />

• BodyTalk unterstützt im Sinne der alltagsnahen<br />

Gesundheitsförderung Ressourcen und<br />

Kompetenzen von Jugendlichen.<br />

• BodyTalk hilft jungen Menschen, ein positives<br />

Selbstwertgefühl zu entwickeln, indem sie mit<br />

ihren Gefühlen für Körper, Figur und Gewicht<br />

umzugehen lernen.<br />

• BodyTalk ist ein Gruppenworkshop, der ca. eine<br />

Doppelstunde dauert. Am besten wird er mit<br />

einer einzelnen Klasse veranstaltet.<br />

Zielpublikum sind 13- bis 16-jährige Jugendliche.<br />

• Um einen verantwortlichen Umgang mit der<br />

Problematik und eine nachhaltige<br />

Integrationsmöglichkeit in die Unterrichtsinhalte<br />

zu gewährleisten, werden diese Workshops von<br />

Fortbildungen für Lehrer begleitet.<br />

Leitfaden BodyTalk 2006<br />

www.pepinfo.ch/bodytalk; www.essstoerungen-frankfurt.de/bodytalk<br />

Take Home<br />

Störungen des Essverhaltens sind häufig und bleiben oft<br />

lange unerkannt und unbehandelt.<br />

„Neue“ Risikogruppen: Männer, Kinder und Ältere, Sportler,<br />

Psychisch Kranke, Patienten mit Stoffwechselstörungen u. a.<br />

Körperliche und psychische Begleit- und Folgeerkrankungen<br />

sind relevant und führen zu Komplikationen, Rezidiven und<br />

Chronifizierung.<br />

Je früher die Behandlung einsetzt, desto besser ist die<br />

Prognose.<br />

Über- oder Unterbehandlung sowie Alleingänge sollen<br />

vermieden werden.<br />

Prognose nach wie vor kritisch, Prävention und<br />

Früherkennung und -intervention sind daher zentral!<br />

Fachstelle PEP<br />

www.pepinfo.ch<br />

KEA Spital Zofingen AG<br />

062 746 56 56<br />

kea@spitalzofingen.ch<br />

ZAEP Inselspital Bern<br />

031 632 08 00<br />

eating@insel.ch<br />

PEP – KEA - ZAEP

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