HERE - Savvy Contemporary
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INTERVIEW MIT BONAVENTURE SOH BEJENG<br />
NDIKUNG, SAVVY CONTEMPORARY, BERLIN<br />
JENSEITS VON AFRIKA<br />
NINA WICHMANN<br />
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung<br />
vor seiner Galerie SAVVY<br />
CONTEMPORARY in Berlin<br />
Neukölln<br />
Foto: Paul Huf<br />
Vernissage „P A C K E T S O U<br />
P“ in der SAVVY <strong>Contemporary</strong>,<br />
2012<br />
Foto: © SAVVY <strong>Contemporary</strong>,<br />
Berlin<br />
Pamela Longobardi<br />
Consumption Driftweb (Selfproclaiming<br />
Material Snare), 2011<br />
Plastik aus dem Meer, Treibnetz<br />
422 x 305 cm<br />
Courtesy of Pam Longobardi;<br />
OCEANOMANIA, Nouveau Musée<br />
National de Monaco<br />
25. Mai 2012<br />
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„P A C K E T S O U P“ mit Jan Kuck, Werner Boote,<br />
Steve McPherson, Pamela Longobardi, Nathalie Fari,<br />
Susanne Richter, Yingmei Duan & Cai Qing, Hilla<br />
Steinert, kuratiert von Claudia Lamas – SAVVY<br />
CONTEMPORARY, Berlin. Vom 5. Mai bis 2. Juni 2012<br />
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ist Vieles: Doktor<br />
der medizinischen Biotechnologie und Manager für<br />
klinische Studien, freier Kurator, Chefredakteur des<br />
OnlineJournals „SAVVY |<br />
kunst.zeitgenössisch.afrikanisch“ und künstlerischer<br />
Direktor von SAVVY CONTEMPORARY – Das<br />
Laboratorium der Formgedanken. Worum es ihm<br />
geht? Ganz einfach: Kunst aus Osteuropa, Asien,<br />
Afrika, Lateinamerika oder Australien in den Westen zu<br />
holen – und kritisch zu beäugen. Der smarte<br />
Mitdreißiger mit einem Hang zu Schiebermützen,<br />
knallbunten Hosen und überdimensionierten Kopfhörern<br />
lacht viel und kennt sich in der Berliner Kunstszene<br />
bestens aus. Unterwegs mit dem Fahrrad von einem<br />
Termin zum nächsten, hat er den Puls der Stadt im<br />
Blut und Musik in den Ohren. Zu Hause ist er im<br />
angesagten Stadtteil Neukölln, der, wie er sagt, „für<br />
seine Arbeit als Kurator eine wichtige Rolle spielt."<br />
Was der gebürtige Kameruner mit seinem OffRaum<br />
dort erreichen will, verrät er im Gespräch mit artnet.<br />
Herr Ndikung, Sie sind promovierter<br />
Naturwissenschaftler. Wie sind Sie auf die Kunst<br />
gekommen?<br />
Bonaventure Soh Bejeng Ndikung: Ich bin zwar in der<br />
medizinischen Biotechnologie tätig, habe mich aber<br />
immer auch mit Kunst beschäftigt. Wie man spätestens<br />
seit Publikationen wie Bruno Latours Buch „We Have<br />
Never Been Modern“ weiß, sind ja Naturwissenschaften<br />
und Kunst nicht so weit voneinander entfernt.<br />
Wie kam es 2009 zur Gründung des Projektraumes?<br />
Ich habe immer etwas vermisst in Berlin. Klar gab es<br />
tolle Kunst, aber es hat mir eine Diskussion auf der<br />
MetaEbene gefehlt. Die Kunstwerke waren meist<br />
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westlicher Herkunft, von Künstlern aus Europa,<br />
Westeuropa und Nordamerika, also eine euroamerikanische<br />
Achse. Aber das sind nur zwei kleine<br />
Teile in der Welt. Es gibt wunderbare Kunst aus<br />
Osteuropa, Asien, Afrika, Lateinamerika oder<br />
Australien. Ich wollte mit SAVVY <strong>Contemporary</strong> eine<br />
Bühne kreieren, auf der Kunst aus allen Teilen der Welt<br />
gezeigt und auf intellektuelle und nicht auf exotisch<br />
angehauchte Weise darüber reflektiert wird. Der Fokus<br />
sollte nicht auf geographischen Zuordnungen liegen,<br />
sondern auf konzeptuellen Ähnlichkeiten und<br />
Unterschieden in den Arbeiten und Arbeitsweisen. Ich<br />
bin fest davon überzeugt, dass Künstler, auch wenn sie<br />
nicht die gleiche ‚Sprache‘ sprechen, ähnliche Themen<br />
haben.<br />
Jan Kuck<br />
PacketSoup, 2012<br />
Ausstellungsansicht „P A C K E T<br />
S O U P“ bei SAVVY<br />
<strong>Contemporary</strong>, 2012<br />
Foto: © SAVVY <strong>Contemporary</strong>,<br />
Berlin<br />
Yingmei Duan & Cai Qing<br />
Performance zur Nachhaltigkeit,<br />
2012<br />
Ausstellungsansicht „P A C K E T<br />
S O U P“ bei SAVVY<br />
<strong>Contemporary</strong>, 2012<br />
Foto: © SAVVY <strong>Contemporary</strong>,<br />
Berlin<br />
Aber es gibt schon vergleichbare Ausstellungsräume in<br />
Berlin.<br />
Natürlich gibt es Institutionen wie das Institut für<br />
Auslandsbeziehungen (ifa) oder das Haus der<br />
Kulturen der Welt, die wichtige Arbeit leisten. Aber<br />
das hat mir nicht gereicht. SAVVY <strong>Contemporary</strong> wurde<br />
wirklich aus der Not heraus gegründet. Ich hatte oft<br />
den Eindruck, dass die wenigen Ausstellungen mit<br />
NichtWestkünstler fast immer einem Hauch von<br />
EthnoKitsch unterlagen. Viele der Kuratoren kämpften<br />
mit dem Problem, das „Andere“ zu repräsentieren. Da<br />
befindet man sich schnell in Diskursen des „Othering“<br />
und in postkolonialen Theorien. Ich bin der Meinung,<br />
dass man Kunst nicht über Nationen definieren kann.<br />
Deshalb war es mein Anliegen, auf diese Reduktionen<br />
zu verzichten und eher thematisch zu arbeiten, aber<br />
vor dem Hintergrund der Perspektiven aus dem Westen<br />
und dem NichtWesten.<br />
Außerdem ging mir in der Berliner Kunstszene alles<br />
viel zu schnell. Es gab vermehrt „One Night<br />
Exhibitions“ und ähnliches. Das wollte ich nicht<br />
machen. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem sich<br />
Zeit genommen wird, um Kunst zu verstehen, um die<br />
Künstler zu begleiten, um über die Kunst und<br />
Gesellschaft zu reflektieren. Deshalb publizieren wir<br />
für jede Ausstellung auch Kataloge – es geht uns um<br />
die Kultivierung von Wissen und Wissenstransfer.<br />
Was bedeutet der Untertitel: „Laboratorium für<br />
Formgedanken“?<br />
Steve McPherson<br />
Marine plastic finds, 2010/12<br />
Farbfotografien<br />
Maße variabel<br />
Courtesy of Steve McPherson<br />
Mir war es wichtig, einen Ort aufzubauen, der sich am<br />
philosophischen Konzept der Heterotopien von Michel<br />
Foucault orientiert. Nicht mit einem Fokus auf Formen,<br />
sondern auf Ideen. Die Ideen können aber auch Formen<br />
sein, und umgekehrt. Etwas Fluides also. Ein Fluidum<br />
zwischen Formen und Ideen.<br />
Wie finanzieren Sie das Projekt?<br />
Viele Projekte müssen ohne finanzielle Mittel realisiert<br />
werden und feste Sponsoren gibt es nicht. Die<br />
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Steve McPherson<br />
Marine plastic finds (Detail),<br />
2010/12<br />
Farbfotografien<br />
Maße variabel<br />
Courtesy of Steve McPherson<br />
Beteiligung von Sponsoren betrug bisher meist leider<br />
nur 10 bis 20 Prozent. Dabei gab es finanzielle<br />
Unterstützung von verschiedenen Seiten wie zum<br />
Beispiel dem Ökostromkonzern strasserauf, oder<br />
Kooperationen mit Institutionen wie dem Goethe<br />
Institut oder der ifa. Auch einige Privatsponsoren<br />
haben das Projekt gefördert. 2012 gestaltet sich das<br />
ein bisschen schwieriger. Für die aktuelle Ausstellung<br />
„P A C K E T S O U P“ gibt es etwa Unterstützung von<br />
der Stiftung Naturschutz Berlin, da es um aktuelle<br />
Themen wie Umweltprobleme und Nachhaltigkeit geht.<br />
Das Kulturamt Neukölln, vor allem Frau Dr. Kolland,<br />
hat uns auch schon öfter unterstützt. Aber unsere<br />
größten Sponsoren sind die vielen Mitarbeiter, die an<br />
das SAVVYProjekt glauben und ehrenamtlich arbeiten.<br />
Verkaufen Sie auch Kunstwerke – das wäre doch eine<br />
gute Einnahmequelle?<br />
Steve McPherson<br />
Variables – Patterns, 2010<br />
Plastik aus dem Meer, Fundort<br />
Küste Großbritannien, 1994/2010<br />
Ca. 78 x 78cm<br />
Courtesy of Steve McPherson<br />
Nein, im Gegensatz zu einer Galerie setzen wir als<br />
Projektraum nicht auf den Verkauf von Kunstwerken,<br />
sondern auf konzeptionelle Aspekte. Verkaufen ist sehr<br />
wichtig, aber man muss auch vollständig dabei sein.<br />
Uns war es erst einmal wichtig, ein konzeptionelles<br />
Fundament für Diskurse zu schaffen. Es kamen zwar<br />
immer mal wieder Interessierte, die gefragt haben,<br />
was eine Arbeit kostet. Aber die haben wir dann zum<br />
Künstler geschickt. Trotzdem will ich diesen Aspekt<br />
nicht ausschließen. Vielleicht lenken wir unseren Fokus<br />
zukünftig in eine andere Richtung. Früher oder später<br />
müssen wir auch wirtschaftlich denken.<br />
Gibt es künstlerische Medien, die im Vordergrund<br />
stehen?<br />
Nezaket Ekici & Kurt<br />
Johannessen<br />
ODEM, 2011<br />
Performance im Rahmen der Colab<br />
Edition 6 bei SAVVY<br />
<strong>Contemporary</strong>, Berlin<br />
90 Min.<br />
Foto: Joana Silva<br />
Grundsätzlich bin ich offen für alle Medien.<br />
Performances sind mir allerdings sehr wichtig. Mit<br />
unseren zwei Performancereihen, kuratiert von Márcio<br />
Carvalho von CoLab Editions, Raisa Kröger und Cilgia<br />
Gadola haben wir mit Künstlern wie Nikhil Chopra,<br />
Nezaket Ekici, Leena Kela, Alastair MacLennan,<br />
Antoni Karwowski oder Yingmei Duan einen ziemlich<br />
hohen Maßstab in der Performanceszene in Berlin<br />
gesetzt. In letzter Zeit gab es ziemlich viele<br />
konzeptuelle Ausstellungen mit etablierten und jungen<br />
Positionen wie Clara Jo, Tiago Romagnani Silveira,<br />
Ryszard Wasko oder Cláudia Cristóvão, Nástio<br />
Mosquito, Marco MontielSoto oder Julia<br />
Prezewowsky. Darüber hinaus zeigen wir auch viel<br />
Fotografie, wie in der vom Goethe Institut Lagos und<br />
Algiers gesponserten kommenden Ausstellung mit<br />
Halida Boughriet und Mudi Yahaya. Mit Lars Bjerre<br />
oder Pierre Juillerat hatten wir gute Malerei<br />
präsentiert. Es ist schön, wenn der Raum wieder mal<br />
nach Öl riecht.<br />
2010 ist die erste Edition des bilingualen Magazins<br />
„SAVVY | kunst.zeitgenössisch.afrikanisch“ erschienen.<br />
Warum konzentrieren Sie sich hier auf den<br />
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afrikanischen Raum?<br />
Nezaket Ekici & Kurt<br />
Johannessen<br />
ODEM, 2011<br />
Performance im Rahmen der Colab<br />
Edition 6 bei SAVVY<br />
<strong>Contemporary</strong>, Berlin<br />
90 Min.<br />
Foto: Joana Silva<br />
Die afrikanische Kunstszene ist sehr spannend. Die<br />
Zeitschrift soll jedoch noch weiter wachsen. Zunächst<br />
berichten wir über die Kunst Afrikas und der<br />
afrikanischen Diaspora. Zukünftig soll es auch eine<br />
lateinamerikanische und eine asiatische Version des<br />
Journals geben. Mir geht es darum, Kunst aus anderen<br />
Teilen der Welt kennen zu lernen. Ich will, dass wir<br />
kritisch darüber reflektieren, und dabei nicht nur auf<br />
der exotischen Ebene bleiben. Für die Publikation laden<br />
wir gezielt Leute ein, sich mit zeitgenössischer Kunst<br />
Afrikas und seiner Diaspora auseinanderzusetzen und<br />
kritisch darüber zu schreiben. Etwas, was in den<br />
gängigen Medien vor allem in Deutschland nicht<br />
passiert, außer vielleicht, wenn die<br />
Fußballweltmeisterschaft in Afrika stattfindet.<br />
Hat die afrikanische Kunst in den letzten Jahren<br />
vermehrt Aufmerksamkeit erfahren?<br />
Lars Bjerre<br />
The fulfillment of its implicit<br />
promise (2teilig), 2012<br />
Öl auf Leinwand, Hasenleim<br />
Je 220 x 160 cm<br />
Courtesy of Lars Bjerre<br />
Foto: artfridge<br />
Nikhil Chopra<br />
Blackening, 2011<br />
48stündige LivePerformance im<br />
Rahmen des Festivals „48h<br />
Neukölln“, Berlin 2012<br />
Foto: © SAVVY <strong>Contemporary</strong>,<br />
Berlin<br />
Ich weiß es nicht. Natürlich gibt es mehr Interesse an<br />
afrikanischer Kunst als vor zwanzig Jahren. Aber noch<br />
lange nicht genug. In den letzten zehn bis zwanzig<br />
Jahren gab es sehr interessante Künstler wie z.B.<br />
Pascale Marthine Tayou, Adel Abdessemed,<br />
Otobong Nkanga und Kuratoren wie z.B. Abdellah<br />
Karroum, Koyo Kouoh, Elvira Dyangani Ose, Christine<br />
Eyené aus Afrika, die in der Kunstszene für Furore<br />
gesorgt haben. Aber deshalb sind sie noch lange nicht<br />
zum Mainstream geworden. Es wäre interessant, mal<br />
in den großen deutschen Häusern wie dem Hamburger<br />
Bahnhof, einem Museum für moderne und<br />
zeitgenössische Kunst, nachzufragen, wie viele<br />
Arbeiten von zeitgenössischen afrikanischen Künstlern<br />
sie besitzen. Oder Kunstvereine oder Institutionen wie<br />
die KW Berlin in Deutschland. Wie viele Künstler aus<br />
Asien, Afrika oder Lateinamerika stellen sie im Jahr<br />
aus? Dann würde man vielleicht abschätzen können, ob<br />
sich etwas verändert hat. Meine Vermutung ist, dass<br />
sich vielleicht etwas verbessert hat, aber nur minimal.<br />
Neben SAVVY kuratieren Sie auch immer wieder<br />
einzelne andere Projekte.<br />
Ja. Im Jahr versuche ich drei bis vier große<br />
kuratorische Projekte außerhalb von SAVVY zu<br />
realisieren. Im letzten Jahr habe ich u.a. mit den Co<br />
Kuratorinnen Simone Kraft und Pauline<br />
Doutreluingne ein Projekt im Kunstraum Kreuzberg/<br />
Bethanien kuratiert. Die Ausstellung hieß „Nomadic<br />
Settlers – Settled Nomads“, mit hervorragenden<br />
Künstlern wie Antje Engelmann, Cyrill Lachauer,<br />
Surya Gied, Joris Vanpoucke, Satch Hoyt oder<br />
Yingmei Duan. Und im Dezember 2011 war ich<br />
Kurator einer Ausstellung der francoalgerischen<br />
Künstlerin Dalila Dalleas Bouzar in Centre Culturel<br />
Francais in Algiers. Als nächstes steht am 27. Mai<br />
2012 ein von mir kuratiertes performatives Projekt zur<br />
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Berlin Biennale mit dem Titel „Die Pornographie des<br />
Alltags“ unter anderen mit Künstlern und Intellektuellen<br />
wie Nezaket Ekici, Bjørn Melhus oder Carson Chan<br />
an. Dann findet vom 15. bis 30. Juni 2012 die<br />
Ausstellung „Positioning Osmotic Impulses“, die die<br />
Schnittstelle und Übersetzbarkeit zwischen<br />
Naturwissenschaft und Kunst zum Thema hat, in<br />
unseren Räumen statt: Mit 20 internationalen Künstlern<br />
wie Anne Duk Hee Jordan, Abrie Fourie, Gabriel<br />
Acevedo Velarde, Marc Bijl, Brandon LaBelle,<br />
Yassine Balbzioui oder Emeka Okereke.<br />
artnet Autoren<br />
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