atp edition Virtuelle inbetriebnahme von Transportsystemen (Vorschau)
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6 / 2011<br />
53. Jahrgang B3654<br />
Oldenbourg Industrieverlag<br />
Automatisierungstechnische Praxis<br />
<strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme<br />
<strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong> | 26<br />
Inline-Check texturierter<br />
Kunststoffoberflächen | 34<br />
Holistic Workspace – Den Leitstand<br />
der Zukunft gestalten! | 44<br />
Tests <strong>von</strong> Feldgeräten mit<br />
Profibus PA-3.02 | 52
editorial<br />
Wie real ist die virtuelle<br />
Inbetriebnahme?<br />
Die „digitale Fabrik“ bietet Nutzungsmöglichkeiten über den gesamten Lebenszyklus<br />
<strong>von</strong> Produkten und Anlagen. Die Automatisierungstechnik kann<br />
dabei in vielerlei Hinsicht profitieren, etwa bei der Anforderungsermittlung,<br />
beim modellbasierten Entwurf <strong>von</strong> Regelungen und Steuerungen, beim Test<br />
oder bei der Fehlerdetektion und -diagnose. Beim Engineering automatisierter<br />
Anlagen liegt es gedanklich nahe, die Automatisierungsfunktionen anhand<br />
eines digitalen Modells der Anlage per Simulation zu testen, als „virtuelle<br />
Inbetriebnahme“ (VIBN), um Fehler im vorangegangenen Entwicklungs- beziehungsweise<br />
Engineeringprozess zu erkennen. Die methodischen Grundlagen<br />
dafür sind inzwischen gelegt. Beispielsweise wurden am 13. Mai an der<br />
TU Dresden die Ergebnisse des Verbundprojekts „OMSIS“ präsentiert: eine<br />
durchgängige Werkzeugkette für eine integrierte Test-Simulationsumgebung,<br />
welche die Teilaufgaben Simulation, Datenerfassung (Monitoring), Testfallgenerierung<br />
und -ausführung sowie Systemanalyse und -diagnose erleichtert.<br />
<strong>Virtuelle</strong> Anlagenmodelle werden auch in zwei Hauptbeiträgen dieser Ausgabe<br />
der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> behandelt.<br />
Welche Fehler bei der VIBN gefunden werden, hängt wesentlich da<strong>von</strong> ab, wie<br />
„real“ das Modell ist, das heißt, welche Aspekte des Produktionsprozesses, speziell<br />
der „Physik“, im Modell berücksichtigt werden. Bei fertigungstechnischen Prozessen<br />
liegt die Grenze in der Praxis derzeit bei der Berücksichtigung <strong>von</strong> Massenträgheit,<br />
Reibung und Schwingungen, bei verfahrenstechnischen Prozessen bei der<br />
Abbildung der chemischen und energetischen Abläufe. Grundsätzlich könnten alle<br />
diese Effekte mitmodelliert werden, dies bedeutet aber Aufwand. Dieser Aufwand<br />
hinsichtlich Zeit und Kosten für die Erstellung des Simulationsmodells der Produktionsanlage<br />
ist bislang das Haupthindernis für den systematischen Einsatz der<br />
VIBN in der Anlagenplanung und -realisierung; daher ist die VIBN in der Praxis<br />
noch nicht so „real“, wie es ihrem potenziellen Nutzen entspricht.<br />
Wie können die Kosten für die Modellerstellung reduziert werden?<br />
Prof. Dr.-Ing.<br />
Alexander Fay,<br />
Institut für Automatisierungstechnik,<br />
Helmut-Schmidt-<br />
Universität/Universität der<br />
Bundeswehr Hamburg<br />
Durch Nutzung <strong>von</strong> vorhandenen Modellen aus früheren Phasen<br />
des Engineerings, etwa aus der Verfahrenstechnik- oder Materialflusssimulation?<br />
Durch Mehrfachnutzung der Modelle in späteren Phasen, beispielsweise<br />
für die Schulung der Anlagenfahrer, für Optimierung und<br />
Diagnose?<br />
Durch zumindest teilweise automatische Generierung der Modelle,<br />
etwa aus Anlagenplanungsdaten?<br />
Diesen Fragen wird im GMA-Fachausschuss 6.11 nachgegangen. Die Entwickler<br />
<strong>von</strong> CAE-Systemen sind zur Mitarbeit eingeladen wie auch die Hersteller<br />
<strong>von</strong> Anlagenkomponenten, die künftig die dazugehörigen Simulationsmodelle<br />
zuliefern könnten, sobald es einen akzeptierten Standard gibt, mit dessen<br />
Hilfe Modellbibliotheken angelegt und verbreitet werden können. Wer daran<br />
mitarbeiten möchte, wende sich bitte an die GMA-Geschäftsstelle oder direkt<br />
an den FA-Leiter, Prof. Schumann (reimar.schumann@fh-hannover.de) – damit<br />
die VIBN bald reale Praxis wird!<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
3
SIL<br />
Sprechstunde<br />
3. SIL-Sprechstunde<br />
Funktionale Sicherheit<br />
15. + 16.9.2011, Mannheim, Pepperl+Fuchs GmbH<br />
www.sil-sprechstunde.de<br />
Veranstaltungskonzept<br />
Thema<br />
Sie fragen – Experten antworten!<br />
Die SIL-Sprechstunde ist eine offene Dialogveranstaltung,<br />
bei der Sie aufgefordert sind, Fragen und Themen<br />
einzubringen. Diese werden im Expertenkreis diskutiert<br />
oder in interaktiver Gruppenarbeit bearbeitet.<br />
Kleinere Unternehmen bearbeiten oft Aufträge <strong>von</strong> großen<br />
Anwendern, die in vollem Umfang die Erfüllung der<br />
einschlägigen Sicherheitsnormen (z.B. Functional Safety<br />
Management) einfordern.<br />
Die 3. SIL-Sprechstunde behandelt den Themenbereich<br />
Funktionale Sicherheit in kleinen und mittelständischen<br />
Unternehmen – insbesondere rund um die<br />
Umsetzung der EN 61508/61511.<br />
Zielgruppe & Referenten<br />
Diese SIL-Sprechstunde richtet sich besonders an kleine<br />
und mittelgroße Unternehmen.<br />
Die Veranstaltung wird <strong>von</strong> profilierten Experten aus<br />
der Praxis moderiert und begleitet, die in renommierten<br />
Unternehmen oder Institutionen tätig sind.<br />
Nutzen Sie Ihre Chance!<br />
Machen Sie die 3. SIL-Sprechstunde zu Ihrer<br />
Veranstaltung und reichen Sie schon jetzt unter<br />
www.sil-sprechstunde.de Ihre individuellen Fragen ein.<br />
Termin & Ort<br />
Die SIL-Sprechstunde ist eine Zweitagesveranstaltung am:<br />
• Donnerstag, 15.9.2011<br />
11:30-17:00 Uhr: Fachreferate<br />
18:30-22:00 Uhr: Abendveranstaltung<br />
• Freitag, 16.9.2011<br />
9:00-14:00 Uhr: Workshops<br />
Pepperl+Fuchs GmbH<br />
Lilienthalstr. 200<br />
68307 Mannheim<br />
Programmablauf<br />
Am ersten Tag stehen Fachvorträge der Referenten auf der<br />
Agenda, während am zweiten Tag die im Vorfeld eingereichten<br />
Diskussionsthemen und Fragestellungen in parallel<br />
laufenden Workshops erarbeitet werden.<br />
Im Rahmen der Veranstaltung finden Sie ausreichend Zeit für<br />
den Meinungs- und Erfahrungsaustausch im Kollegenkreis.<br />
Teilnahmegebühr<br />
Abonnenten der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong>: € 540,-<br />
auf Firmenempfehlung: € 590,-<br />
reguläre Gebühr: € 690,-<br />
Im Preis sind die Tagungsunterlagen sowie die Verpflegung<br />
im Rahmen der Veranstaltung (Kaffeepausen, Mittagessen,<br />
GetTogether) enthalten.<br />
Veranstalter<br />
Detaillierte Informationen zur Veranstaltung, das<br />
vollständige Programm sowie die Online-<br />
Anmeldung finden Sie im Internet unter<br />
www.sil-sprechstunde.de<br />
SOFORTANMELDUNG PER FAX: +49 (0) 201 / 8 20 02 40<br />
Ja, ich melde mich verbindlich für die 3. SIL-Sprechstunde am 15.-16.9.2011 bei Pepperl+Fuchs in Mannheim an.<br />
Ich beziehe <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> im Abonnement<br />
Ich beziehe <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> nicht im Abonnement<br />
Ich komme auf Empfehlung <strong>von</strong> der Firma: .....................................................................................................................................................................<br />
Firma/Institution<br />
Telefon<br />
Telefax<br />
Titel, Vorname, Nachname<br />
E-Mail<br />
Straße/Postfach<br />
Land, PLZ, Ort<br />
Nummer<br />
Branche/Wirtschaftszweig<br />
✘<br />
Ort, Datum, Unterschrift<br />
Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser<br />
Anmeldung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom Oldenbourg Industrieverlag oder vom Vulkan-Verlag per Post, per Telefon, per Telefax, per E-Mail, nicht<br />
über interessante, fachspezifische Medien- und Informationsangebote informiert und beworben werde. Diese Erklärung kann ich mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen.
in eigener sache<br />
Stabwechsel: Prof. Schiller übergibt<br />
Chefredaktion an Prof. Urbas<br />
Liebe Leser,<br />
die letzten Jahre waren nicht nur für Sie spannend. Auch bei uns in der Redaktion<br />
wurde viel diskutiert, um die angestoßenen Änderungen in der inhaltlichen Ausrichtung<br />
und des Layouts erfolgreich fortzuführen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen,<br />
die Reaktionen der Leser und der Autoren sind durchweg positiv. Auf der Basis dieses<br />
Zuspruchs wird unsere Zeitschrift ihr einzigartiges Profil als Informationsplattform<br />
<strong>von</strong> Forschung und Industrie weiter schärfen können.<br />
Die Artikel der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> beschreiben aktuelle Entwicklungen in Wissenschaft und<br />
Industrie. Wie ich oft erfahren konnte, leiten sie häufig, zum Teil auch kontroverse,<br />
Diskussionen in der Fachwelt ein und fördern den firmen- und verbandsübergreifenden<br />
Informations- und Erfahrungsaustausch. Um eine solche Zeitschrift, in der Entwickler,<br />
Anwender und Technische Manager auf der einen und Doktoranden, Doktoren und<br />
Professoren auf der anderen Seite gleichermaßen das Wort ergreifen, beneidet uns die<br />
internationale Fachwelt.<br />
Prof. Dr.-Ing. Frank<br />
Schiller wechselt in<br />
die Industrie und gibt<br />
die Chefredaktion ab.<br />
Ich habe eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Leiter in der Industrie angenommen.<br />
Daher war es notwendig, einen neuen Chefredakteur zu finden. Glücklicherweise konnte<br />
Prof. Urbas, Inhaber der Professur für Prozessleittechnik an der TU Dresden, für<br />
diese herausfordernde und schöne Aufgabe gewonnen werden. Ich werde der <strong>atp</strong> weiter<br />
eng verbunden bleiben und als Fachredakteur zur Verfügung stehen.<br />
Mit der Unterstützung der Herausgeber, der Beiräte, der Fachredakteure, des Verlags<br />
und natürlich auch der Unterstützung durch Sie als Leser und Autoren wird es uns<br />
gelingen, unsere Zeitschrift ständig weiterzuentwickeln.<br />
Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und wünsche Prof. Urbas viel Freude<br />
und Erfolg als Chefredakteur!<br />
Frank Schiller<br />
Prof. Dr.-Ing. Leon<br />
Urbas, neuer Chefredakteur,<br />
wird sich in<br />
einer der nächsten<br />
Ausgaben vorstellen.<br />
Liebe Leser,<br />
Herr Prof. Schiller hat zusammen mit dem <strong>atp</strong>-Team in den letzten zwei Jahren sehr<br />
erfolgreich gearbeitet. Ohne seinen unermüdlichen Einsatz für das Blatt und die Leser,<br />
seinen Mut zur Erneuerung und das hohe Qualitätsstreben wäre die <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> in der<br />
Wirtschaftskrise untergegangen. Heute steht die Zeitschrift wieder hervorragend da.<br />
Wir gewinnen kontinuierlich neue Abonnenten.<br />
Über die reine Sachebene hinaus war die Kooperation mit Prof. Schiller für uns ebenfalls<br />
ein Vergnügen. Schließlich soll das Blattmachen den Beteiligten Spaß bringen. Dann<br />
fällt das Ergebnis auch im Sinne der Leser erfreulich aus. Wir sind Herrn Prof. Schiller<br />
zu großem Dank verpflichtet.<br />
Mit Herrn Prof. Urbas haben wir nach intensiver Suche einen Nachfolger für die Chefredaktion<br />
gefunden, der fachlich und als Mensch sehr gut zum <strong>atp</strong>-Team passt. Ich bin<br />
sicher, dass er sich rasch einarbeiten und das erfolgreiche Konzept fortführen wird.<br />
Fortführen allein reicht aber nicht, weil sich die Technik und der Markt voranbewegen.<br />
Herr Prof. Urbas bringt für die kontinuierliche Weiterentwicklung die besten Voraussetzungen<br />
mit. Ich habe ihn in den Gesprächen als hervorragenden Wissenschaftler,<br />
vielseitig interessierten Ingenieur und klugen Geist kennen gelernt. Wünschen wir ihm<br />
alle gemeinsam viel Glück und Erfolg bei dieser spannenden Aufgabe.<br />
Hans-Joachim Jauch,<br />
Geschäftsführer des<br />
Oldenbourg Industrieverlags:<br />
„Mit Prof. Urbas<br />
wird <strong>atp</strong> <strong>edition</strong> die<br />
hervorragende Entwicklung<br />
fortsetzen.“<br />
Hans-Joachim Jauch<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
5
Inhalt 6 / 2011<br />
Forschung<br />
8 | Ausgezeichnet: Roboter arbeitet ohne<br />
Schutzzaun mit Menschen sicher zusammen<br />
Lauron löst auf sechs Beinen brenzlige Situationen<br />
9 | Optische 3D-Messsysteme ebnen den Weg zum<br />
Null-Fehler-Konzept im Produktionsprozess<br />
Hochstapler: Hersteller, Produzenten und Anwender<br />
forschen an Einbett-Technologien für Module<br />
Verband<br />
10 | Wenn die Amortisationsrechnung versagt –<br />
ZVEI-Tool zur Berechnung der Lebenszykluskosten<br />
Interbus-Club integriert seine Technologie in die<br />
Profibus-Nutzerorganisation und löst sich auf<br />
branche<br />
11 | VDE fordert neues Energieversorgungssystem<br />
mit automatisierten Verteilungsnetzen<br />
Deutsche Automatisierer gewinnen Marktanteile<br />
Roboter: mit optimierter Steuerung Energie sparen<br />
12 | Die Fertigungsmesstechnik der Zukunft:<br />
schneller, sicherer, genauer, flexibler<br />
14 | Distanzmessung mit PDM-Sensoren sorgt für<br />
größere Stabilität in automatischem Prozess<br />
16 | Italienisches Walzwerk formt Stahl<br />
mithilfe <strong>von</strong> schwedischen Drehgebern<br />
18 | Common Components gewährleisten eine<br />
„eingebaute“ Interoperabilität bei FDT 2.0<br />
22 | Die Fabrik auf dem Büroschreibtisch:<br />
virtuelle Lösungen für den Erfolg realer Anlagen<br />
6<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Hauptbeiträge<br />
26 | <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme <strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong><br />
J. RoSSmann, O. Stern, R. Wischnewski<br />
34 | Qualitätskontrolle texturierter Kunststoffoberflächen<br />
W. Michaeli, K. Berdel<br />
44 | Holistic Workspace – Den Leitstand<br />
der Zukunft gestalten!<br />
T. Schwarz, H. Oortmann, H. Reiterer<br />
52 | Tests <strong>von</strong> Feldgeräten mit Profibus PA-3.02<br />
M. Pelz, S. Seintsch, S. Ochsenreither<br />
Praxis<br />
60 | Universelle Kommunikationsanbindung<br />
sorgt für verbesserte Prozesse<br />
62 | Beschichtung <strong>von</strong> Verstärkungsfasern:<br />
Präzisionsprozess übersichtlicher gesteuert<br />
64 | Einfach wie ein Relais, aber genauso flexibel<br />
wie eine sichere SPS<br />
rubriken<br />
3 | Editorial<br />
5 | In eigener Sache<br />
66 | Impressum, <strong>Vorschau</strong><br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
7
forschung<br />
Ausgezeichnet: Roboter arbeitet ohne<br />
Schutzzaun mit Menschen sicher zusammen<br />
Er ist der erste Roboter, der ohne Schutzzaun mit Menschen<br />
arbeiten kann – der Leichtbauroboter <strong>von</strong> Kuka<br />
und dem DLR-Institut für Robotik und Mechatronik sicherte<br />
sich beim euRobotics Technology Transfer Award<br />
Anfang April in Västerås (Schweden) die Spitzenposition.<br />
Der Leichtbauroboter ist dem menschlichen Arm nachempfunden:<br />
Die Entwickler legten Wert auf Sensivität und<br />
Nachgiebigkeit. Er ist leicht zu programmieren und gut<br />
geeignet für eine enge Mensch-Roboter-Interaktion. Dank<br />
des geringen Gewichts lässt er sich einfach transportieren.<br />
Er arbeitet energiesparend, was ihn für mobile Einsätze<br />
prädestiniert.<br />
Die Maschine sei für Roboteranwendungen in den Bereichen<br />
Dienstleistung und Medizin einsetzbar, so Ralf Koeppe,<br />
Leiter Forschung und Entwicklung bei Kuka Laboratories,<br />
der den Preis mit Dr. Alin Albu-Schaeffer (DLR) stellvertretend<br />
für ihre Entwickler-Teams entgegennahm. Der<br />
zweite Preis ging an SIMone, einen auf Robotertechnologie<br />
basierenden und interaktiven Geburtssimulator, der <strong>von</strong><br />
der der ETH Zürich, der TU München und 3B Scientific zu<br />
Trainingszwecken für Ärzte entwickelt wurde. SIMone soll<br />
die Rate <strong>von</strong> Kaiserschnitten und zerebralen Lähmungen<br />
verringern, die infolge falschen Anlegens <strong>von</strong> Zange und<br />
Saugglocke auftreten. Herzstück <strong>von</strong> SIMone bildet eine<br />
kraftgeregelte Kinematik, die die Bewegung des Babykopfes<br />
im mütterlichen Becken und im Geburtskanal realitätsnah<br />
simuliert. Der Simulator ist mit Positions- und Kraftsensoren<br />
ausgestattet.<br />
Zu den weiteren Finalisten gehörten Fits me, ein estländisches<br />
Unternehmen, das mit den Universitäten Tallinn<br />
und Tartu eine Online-Anprobe für Kleidung entwickelt<br />
hat sowie Surgenius, ein Operationsroboter, der gemeinsam<br />
<strong>von</strong> Surgica Robotica und der Universität <strong>von</strong> Verona<br />
entwickelt wurde. Auch Workerbot trat an, ein dem Menschen<br />
nachempfundener zweiarmiger Roboter für die<br />
industrielle Handhabung und Montage, der einer Forschungskooperation<br />
<strong>von</strong> Pi4Robotics und dem Fraunhofer-Institut<br />
für Produktionssysteme (IPK) entstammt.<br />
Der Tech-Transfer-Award fand in diesem Jahr zum achten<br />
Mal statt mit dem Ziel, die Innovationskraft und wirtschaftliche<br />
Auswirkung <strong>von</strong> erfolgreichen Forschungskooperationen<br />
zwischen Industrie und Wirtschaft zu fördern.<br />
EUnited Robotics,<br />
Diamant Building,<br />
Boulevard A. Reyers 80,<br />
B-1030 Brüssel, Tel. +32 2706-8209,<br />
Internet: www.eu-nited.net<br />
Lauron löst auf sechs Beinen brenzlige Situationen<br />
Lauron:<br />
Die sechsbeinige<br />
Laufmaschine<br />
ist eine <strong>von</strong> der<br />
Natur motivierte<br />
Ent wicklung.<br />
Das Vorbild: Die indische Stabheuschrecke.<br />
Bilder: Faulhaber<br />
Die Bergung <strong>von</strong> Verschütteten in teileingestürzten<br />
Gebäuden, die Erkundung <strong>von</strong> Vulkanen oder das<br />
Räumen <strong>von</strong> Minenfeldern – das alles sind gefährliche<br />
Situationen, die für Menschen oder für rad- und kettengetriebene<br />
Systeme nur schwer passierbar sind.<br />
Die mit dem Faulhaber-Uni-Projekt-Award ausgezeichnete<br />
sechsbeinige Laufmaschine Lauron soll nun Abhilfe<br />
schaffen. Den Bewegungsmechanismus schauten sich die<br />
Konstrukteure vom FZI (Forschungszentrum Informatik<br />
aus Karlsruhe) bei der indischen Stabheuschrecke ab. Wie<br />
dieses Vorbild besitzt Lauron sechs Beine an einem länglichen<br />
Zentralkörper, in dem die notwendige Steuerungselektronik<br />
untergebracht ist. Jedes der sechs 50 cm<br />
langen Beine hat einen federgedämpften Fuß und wird<br />
mithilfe <strong>von</strong> drei Gelenken bewegt. Die Blickrichtung<br />
des Kopfes wird durch zwei unabhängige Achsen<br />
(Schwenken und Neigen) verändert, sodass die Bewegungsmaschine<br />
über 20 Freiheitsgrade verfügt.<br />
In jedem Fuß befinden sich 3D-Kraftsensoren und Federkraft-Messsysteme,<br />
die zusammen mit einer Motorstrommessung<br />
genutzt werden, um Kollisionen und den<br />
Kontakt mit dem Boden zu erkennen. Bei der Antriebslösung<br />
für die dreigelenkigen Einzelbeine war hohe Leistung<br />
bei vergleichsweise geringem Gewicht gefordert.<br />
Deshalb entschied sich das Projektteam der Gruppe Interaktive<br />
Planungstechnik des FZI für eine Motor-/Getriebekombination,<br />
bestehend aus einem DC-Kleinstmotor-Serie<br />
2657 … IE2 mit Planetengetriebe Serie 26/1 <strong>von</strong> Faulhaber.<br />
Um die bewegte Masse zu reduzieren, platzierte man<br />
die Antriebe möglichst nah am Körper. Getriebe und<br />
Seilzüge übertragen die Kraft der 20 graphitkommutierten<br />
DC-Antriebe <strong>von</strong> dort aus auf die Gelenke. Das erreichbare<br />
Nenndrehmoment liegt bei etwa 20 Nm (kurzzeitig<br />
40 Nm). Die Gelenkwinkel der Beine werden durch<br />
hochpräzise, optische Encoder erfasst. Jeder Motor verfügt<br />
über einen hochauflösenden Encoder, der zusätzliche<br />
Informationen über die Gelenkwinkel liefert.<br />
Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG,<br />
Daimlerstr. 23/25, D-71101 Schönaich,<br />
Tel. +49 (0) 7031 63 80, Internet: www.faulhaber.com<br />
8<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Optische 3D-Messsysteme ebnen den Weg zum<br />
Null-Fehler-Konzept im Produktionsprozess<br />
Zu den Forderungen der GMA-Roadmap „Fertigungsmesstechnik<br />
2020“ (siehe Seite 12-13) hielt die Fraunhofer-Allianz<br />
Vision in Stuttgart Antworten bereit: Sie<br />
präsentierte Entwicklungen auf dem Gebiet der prozessintegrierten<br />
optischen Mess- und Prüfsysteme anlässlich<br />
der internationalen Leitmesse Control.<br />
Wie die Roadmap betont, ist Qualitätssicherung zum<br />
unverzichtbaren Bestandteil des Produktionsprozesses<br />
geworden. Null-Fehler-Konzepte streben die frühzeitige<br />
und vollständige Kontrolle aller qualitätsrelevanten<br />
Schritte an. Den Anspruch erfüllt der Einsatz industrieller<br />
Bildverarbeitung und berührungsloser Mess- und<br />
Prüftechnik. Auf dem Gemeinschaftsstand der Fraunhofer-Allianz<br />
Vision zeigten die Experten des Fraunhofer-Instituts<br />
für Fabrikbetrieb und Automatisierung<br />
optische 3D-Messsysteme zur geometrischen Qualitätsprüfung<br />
in der industriellen Fertigung. Ihre Grundlage<br />
ist die Mess- und Prüftechnologie „OptoInspect 3D“.<br />
Sie erlaubt die Erkennung <strong>von</strong> Qualitätsabweichungen<br />
bei der Entstehung und ermöglicht die rechtzeitige Reaktion<br />
auf Veränderungen innerhalb der Produktion. Zusätzlich<br />
präsentierte die Vision-Allianz Entwicklungen zur<br />
Inspektion <strong>von</strong> Oberflächen. Die Verfahren ermöglichen<br />
eine schnelle Bewertung der Oberflächeneigenschaften<br />
und helfen dabei, Veränderungen der Oberfläche und<br />
Oberflächenfehler zu erkennen.<br />
Das Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik<br />
entwickelte ein Messsystem, mit dem sich im Drahtziehprozess<br />
Oberflächenfehler wie Kratzer oder Riefen<br />
erkennen und analysieren lassen. Defektgrößen <strong>von</strong><br />
unter 100 μm nimmt das System wahr. Voraussetzung<br />
für die Regelung in Echtzeit ist die extrem schnelle Bild-<br />
aufnahme mit Belichtungszeiten <strong>von</strong> 10 μs bei Drahtgeschwindigkeiten<br />
<strong>von</strong> bis zu 50 m/s. Die Inline-Inspektion<br />
<strong>von</strong> Draht ist ein Beispiel für den Einsatz einer<br />
Kameraarchitektur, basierend auf optischen zellularen<br />
neuronalen Netzwerken. Die eingesetzte Technologie<br />
bietet sich dort an, wo hochdynamische Prozesse per<br />
Bildverarbeitung in Echtzeit analysiert und geregelt werden<br />
müssen. Einen dritten Forschungsschwerpunkt bilden<br />
Thermographie, Ultraschall, Röntgen und Shearographie.<br />
So werden unter der Oberfläche liegende Fehler<br />
wie Mikro risse identifiziert.<br />
Fraunhofer-Allianz Vision,<br />
Am Wolfsmantel 33, D-91058 Erlangen,<br />
Tel. +49 (0) 9131 776 58 00, Internet: www.vision.fraunhofer.de<br />
Das Prüfsystem<br />
zur automatisierten<br />
3D-Geometriemessung<br />
<strong>von</strong><br />
Eisenbahnradsätzen<br />
ermöglicht<br />
die fehlerfreie<br />
Qualitäts prüfung<br />
im Produktionsprozess.<br />
Bild: Berndt Liebl/<br />
Fraunhofer IFF<br />
Hochstapler: Hersteller, Produzenten und Anwender<br />
forschen an Einbett-Technologien für Module<br />
Hochstapeln ausdrücklich erwünscht! Das Forschungsprojekt<br />
Manos befasst sich mit der Einbett-Technologie,<br />
die mittels Oberflächenbeschichtungen auf Nanopartikelbasis<br />
und Klebeverfahren optimiert werden soll.<br />
Manos steht für das vom Bundesministerium für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) geförderte Forschungsprojekt<br />
„Modularer Aufbau <strong>von</strong> Systemen mit nanomodifizierten<br />
Oberflächen für Automobil- und Industrie-Sensorik“. Acht<br />
Firmen engagieren sich innerhalb <strong>von</strong> drei Jahren in dem<br />
Projekt. Mithilfe <strong>von</strong> nanostrukturierten und nanomodifizierten<br />
Oberflächenbeschichtungen werden Verbindungstechniken<br />
auf Leiterplattenbasis geschaffen und<br />
Wege für das Stapeln modularer Systemkonzepte eröffnet.<br />
Ziel ist es, neue Techniken zu entwickeln, sie serientauglich<br />
zu machen und unter Berücksichtigung der Fertigungskosten<br />
zu optimieren.<br />
Die Firma Kerona entwickelt nanomodifizierte Oberflächenschutzschichten,<br />
die unterschiedliche Modifikationen<br />
aufweisen. Diese dienen dem Einsatz an optischen<br />
Sensoren sowie Temperatur- und Ortssensoren.<br />
Die Entwicklung unterschiedlicher Klebstoffe übernimmt<br />
Delo Industrie-Klebstoffe. Die Klebstoffe benötigt<br />
man für das Self-Assembly der Chips in die Leiterplatte<br />
und für das Stacking der Sensormodule. Die<br />
Klebstoffe sollen die elektrische oder thermische Leitfähigkeit<br />
übernehmen. Mit Embedding-Technologien<br />
bringt sich Würth Elektronik ein.<br />
Roodmicrotec ist für die Prozessbewertung über Kurzqualifikationen<br />
und die Zuverlässigkeitsuntersuchungen<br />
der Sensorsysteme zuständig. Dabei kommt es auf die<br />
Standardisierung <strong>von</strong> Qualifikationskonzepten an. Continental<br />
und Sick setzen die Systeme in unterschiedlichen<br />
Anwendungen ein. Continental baut Multisensorsysteme<br />
für automobile Getriebesteuerungen. Beide Hersteller sind<br />
auf die Standardisierung der Schnittstellen unter dem<br />
Aspekt der Wirtschaftlichkeit fokussiert. Unterstützung<br />
erhalten alle Projektpartner vom Fraunhofer IZM.<br />
Würth Elektronik GmbH & Co. KG,<br />
Salzstraße 21, D-74676 Niedernhall,<br />
Tel. +49 (0) 79 40 94 60,<br />
Internet: www.we-online.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
9
Ein einfaches<br />
Programm<br />
zur Berechnung<br />
der Lebenszykluskosten<br />
bietet der ZVEI<br />
zum kostenlosen<br />
Download<br />
an. Bild: ZVEI<br />
10<br />
verband<br />
Wenn die Amortisationsrechnung versagt –<br />
ZVEI-Tool zur Berechnung der Lebenszykluskosten<br />
Der ZVEI will Unternehmen beim Sparen helfen und<br />
hat dafür ein neues Software-Tool zur Berechnung<br />
der Lebenszykluskosten <strong>von</strong> Komponenten oder Anlagen<br />
vorgestellt. Das Potenzial: Laut ZVEI-Berechnungen können<br />
in Anlagen der deutschen Industrie und im kommunalen<br />
Bereich 10 bis 25 Prozent Energieeinsparung allein<br />
durch anforderungsgerechte Automatisierungstechnologie<br />
erreicht werden. Somit könnten in Deutschland<br />
jährlich bis zu 88 Mrd. Kilowattstunden an Energie-<br />
Äquivalenten, entsprechend sieben Mrd. Euro Energiekosten,<br />
eingespart werden.<br />
Mit dem <strong>von</strong> ZVEI und Deloitte entwickelten generischen<br />
Berechnungsmodell ‚Lifecycle Cost Evaluation‘<br />
Interbus-Club integriert seine Technologie in die<br />
Profibus-Nutzerorganisation und löst sich auf<br />
Der Interbus-Club Deutschland und die Profibus-Nutzerorganisation<br />
(PNO) werden die Interbus-Technologie<br />
in die PNO integrieren. Bei den Anwendern ist ein starker<br />
Wandel <strong>von</strong> den Feldbustechnologien in Richtung Ethernet<br />
zu erkennen. Der Interbus-Club hatte sich daher frühzeitig<br />
entschieden, auf Profinet als zukünftigen Ethernetbasierten<br />
Standard zu setzen und in den entsprechenden<br />
Arbeitskreisen der PNO ein Integrationskonzept erstellt.<br />
Da die Interbus-Technologie als ausgereift betrachtet wird,<br />
haben die Mitglieder des Interbus-Clubs beschlossen, die<br />
Technologie an die PNO zu übertragen und den Verein<br />
nach Erreichung seines Vereinszwecks aufzulösen.<br />
Stefan Körte, bislang 1. Vorsitzender des Interbus Clubs<br />
betont: „Durch die einfache und wirtschaftliche Einbindung<br />
in Profinet ist sichergestellt, dass die Investitionen<br />
der Anwender in die Interbus-Technologie geschützt<br />
werden.“ Jörg Freitag, Vorstandsvorsitzender der PNO,<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
(LCE) können Barwert und Annuität einer Investition errechnet<br />
werden. So lässt sich auf einfache Weise nachweisen,<br />
wie sich der Einsatz <strong>von</strong> energieeffizienten Geräten<br />
und Lösungen betriebswirtschaftlich rechnet. Das Tool ist<br />
downloadbar unter www.zvei.org/Lebenszykluskosten.<br />
Das Konzept ist aufgrund seines generischen Aufbaus<br />
für unterschiedlichste Anwendungsfälle und Industrien<br />
geeignet und erlaubt eine sehr detaillierte Bewertung.<br />
So sind zum Beispiel in der verfahrenstechnischen Industrie<br />
neben der unmittelbaren Kalkulation einzelner<br />
Komponenten – wie drehzahlgeregelter Pumpen, energieeffizienter<br />
Motoren oder hochwertiger Messinstrumente<br />
zur Prozessoptimierung – die Auswirkungen auf<br />
eine ganze Anlage berechenbar. Dadurch wird die Bedeutung<br />
<strong>von</strong> Einzelinvestitionen im Gesamtzusammenhang<br />
transparent gemacht.<br />
Helfen kann das Tool auch bei Aufträgen im öffentlichen<br />
Bereich. Denn weil bei Investitionsentscheidungen die reine<br />
Betrachtung <strong>von</strong> Anschaffungskosten oder die Amortisationsrechnung<br />
oft unzureichend sind, spricht unter anderem<br />
die öffentliche Vergabeverordnung da<strong>von</strong>, Lebenszykluskosten<br />
und Energieeffizienz als Auswahlkriterium<br />
zu berücksichtigen. Dies findet in der Praxis oft nicht statt,<br />
weil bislang keine praktikablen Berechnungsmöglichkeiten<br />
vorhanden waren. Das LCE-Tool löst dieses Problem.<br />
Als Berechnungsbeispiel präsentiert der ZVEI eine Investition<br />
an der Kläranlage Böblingen-Sindelfingen, bei<br />
der eine Umrüstung an den Pumpen erfolgte. Der einmaligen<br />
Investitionssumme <strong>von</strong> 25 000 Euro steht über einen<br />
Lebenszeitraum <strong>von</strong> 24 Jahren eine Energiekosteneinsparung<br />
<strong>von</strong> 200 000 Euro gegenüber.<br />
ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND<br />
ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,<br />
Lyoner Straße 9, D-60528 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 20, Internet: www.zvei.org<br />
ergänzt: „Die PNO hat in den vergangenen Jahren Profinet<br />
mit heute mehr als drei Millionen installierten Geräten<br />
als Marktführer unter den Ethernet-basierten Systemen<br />
etabliert. Durch die bereits erfolgte Migration <strong>von</strong><br />
Interbus in Profinet liegt es nahe, die Technologie in die<br />
PNO zu integrieren.“<br />
Der Interbus-Club hat seit seiner Gründung vor mehr<br />
als 20 Jahren unter aktiver Mitwirkung seiner Mitglieder<br />
die Weiterentwicklung des Interbus-Systems gefördert<br />
und dieses als ausgereifte Technologie erfolgreich am<br />
Markt etabliert. Interbus ist in der IEC 61158 und IEC<br />
61784 standardisiert und heute weltweit in zahlreichen<br />
Applikationen im Einsatz.<br />
PROFIBUS-NUTZERORGANISATION,<br />
Haid-und-Neu-Straße 7, D-76131 Karlsruhe,<br />
Tel. +49 (0) 721 965 85 90, Internet: www.profibus.com
VDE fordert neues Energieversorgungssystem<br />
mit automatisierten Verteilungsnetzen<br />
Branche<br />
Von den Smart Grids, die für Elektromobilität und erneuerbare<br />
Energien erforderlich sind, werden große<br />
Impulse für die elektrische Automatisierungstechnik<br />
erwartet. Der VDE fordert nun ein Smart System, das<br />
weit über den Smart-Grids-Ansatz hinaus geht. Das VDE-<br />
Konzept beinhaltet auch die Neudefinition <strong>von</strong> Verantwortlichkeiten,<br />
Marktregeln, Geschäftsmodellen, Tarifstrukturen<br />
und Anreizsystemen.<br />
Diese Forderung resultiert aus zwei Studien, in denen<br />
der Verband das Energiekonzept der Bundesregierung<br />
auf den Prüfstand stellte. Die Schlussfolgerung des VDE:<br />
„Um den für die nächsten Jahre geplanten deutlichen<br />
Ausbau erneuerbarer Energien zu ermöglichen, müssen<br />
bis zum Jahr 2020 alle Teile des Systems aus Erzeugung,<br />
Übertragung, Verteilung und Nutzung elektrischer Energie<br />
grundlegend weiter entwickelt werden, ansonsten<br />
wird es eng mit der Energiewende.“<br />
Nötig sei ein komplett neues, integriertes Gesamtsystem<br />
– das Smart System –, um die horizontale und vertikale<br />
Systemintegration voranzutreiben. Damit solle der<br />
künftige europäische Verbundbetrieb ausgeweitet und<br />
ein effizientes Lastmanagement über die Hierarchieebenen<br />
Erzeugung, Übertragung und Verteilung hinweg<br />
ermöglicht werden. Besonders dringlich sei der massive<br />
Ausbau der Übertragungsnetze.<br />
Hier empfiehlt der VDE, zügig ein leistungsstarkes,<br />
europaweites Overlay-Netz zur Übertragung elektrischer<br />
Energie über weite Strecken zu etablieren. Um die<br />
Energiewende realisieren zu können, müssten über den<br />
Netzausbau hinaus das integrierte Gesamtsystem optimiert,<br />
die Verteilungsnetze automatisiert und auf allen<br />
Systemebenen Speichertechnologien zur Verfügung<br />
gestellt werden.<br />
VDE VERBAND DER ELEKTROTECHNIK<br />
ELEKTRONIK INFORMATIONSTECHNIK E.V.,<br />
Stresemannallee 15, D-60596 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 80, Internet: www.vde.com<br />
Deutsche Automatisierer<br />
gewinnen Marktanteile<br />
Die deutsche Automatisierungsbranche steht nach der<br />
Krise vermutlich besser da als zuvor. Dr. Gunther Kegel,<br />
Vorsitzender des Fachverbands Automation im ZVEI<br />
zeigt sich überzeugt: „Wir haben im Aufschwung deutliche<br />
Marktanteile hinzugewonnen, vor allem gegenüber westlichen<br />
Konkurrenten.“ Allerdings sieht er auch neue Herausforderungen<br />
auf die Unternehmen zukommen. So werde<br />
die Volatilität des Geschäfts zunehmen, es werde „häufigere<br />
und kräftigere Ausschläge geben als bislang – darauf<br />
müssen wir uns einstellen“, betont er gegenüber <strong>atp</strong> <strong>edition</strong>.<br />
Wie stark die Schwankungen sein können, habe die<br />
jüngste Krise gezeigt. So sei die Produktion im Mai 2009<br />
im Vergleich zum Vorjahresmonat um 50 Prozent eingebrochen.<br />
Ein Jahr später sei sie wieder höher als vor der<br />
Krise gewesen, was im Vergleich zum Mai 2009 mehr als<br />
eine Verdopplung bedeutet habe.<br />
Aktuell wird das Wachstum der Elektroindustrie vor<br />
allem vom Export getragen. Im ersten Quartal legten die<br />
Auslandsbestellungen um 20, jene aus dem Inland um<br />
zwölf Prozent zu. Allerdings zeigen sich Hinweise auf eine<br />
Normalisierung des Wachstums. So nahmen die Auftragseingänge<br />
im März – arbeitstäglich und saisonbereinigt<br />
– um vier Prozent ab; die Inlandsorders gingen um vier<br />
Prozent zurück, jene aus dem Ausland legten noch um<br />
ein Prozent zu. Im Vergleich zum Vormonat stagnierte<br />
laut ZVEI der Umsatz im März, die Produktion sank um<br />
zwei Prozent.<br />
ZVEI – ZENTRALVERBAND ELEKTROTECHNIK- UND<br />
ELEKTRONIKINDUSTRIE E.V.,<br />
Lyoner Straße 9,<br />
D-60528 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 630 20,<br />
Internet: www.zvei.org<br />
Roboter: mit optimierter<br />
Steuerung Energie sparen<br />
Erhebliche Potenziale zur Energieeinsparung<br />
bei Robotern sieht der<br />
VDMA Robotik und Automation. Dessen<br />
Vorsitzender Dr. Michael Wenzel<br />
erläutert: „Neben besonders effizienter<br />
Antriebstechnik und Leichtbau<br />
<strong>von</strong> schnell bewegten Teilen, wie zum<br />
Beispiel Roboterarmen und Roboterwerkzeugen,<br />
bietet insbesondere die<br />
Steuerungstechnik ein großes Einsparpotenzial.<br />
Waren bei den Robotern<br />
Standby-Modi für Arbeitspausen Effiziente Antriebstechnik,<br />
bislang nicht vorgesehen, erlauben Leichtbau und optimierte<br />
neue Automatisierungskonzepte diese<br />
nun und führen zu einer beträcht-<br />
große Energieeinsparungen beim<br />
Steuerungstechnik erlauben<br />
lichen Energieeinsparung.“<br />
Robotereinsatz. Bild: Reis/VDMA<br />
Als positiver Nebeneffekt steige<br />
die durchschnittliche Lebensdauer bestimmter Komponenten,<br />
was zusätzlich Kosten senke. Hinzu kommen Strategien<br />
zur energieeffizienten Roboterprogrammierung, die<br />
Vermeidung unnötig hoher Beschleunigungen, die Rückführung<br />
<strong>von</strong> Bremsenergie und die Simulation des Energiebedarfs.<br />
Energieverbrauch wird auf diese Weise systematisch<br />
an vielen Stellen erfasst und im komplexen Zusammenspiel<br />
einer größeren Anlage ganzheitlich minimiert.<br />
Robotik und Automation trügen aber auch zum<br />
Energiesparen bei, indem sie optimierte Produktionsprozesse<br />
zur wirtschaftlichen Fertigung „grüner“ Technologien<br />
zur Verfügung stellten.<br />
VERBAND DEUTSCHER MASCHINEN-<br />
UND ANLAGENBAU E.V.<br />
Lyoner Straße 18, D-60528 Frankfurt/Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 660 30, Internet: www.vdma.org<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
11
anche<br />
Die Fertigungsmesstechnik der Zukunft:<br />
schneller, sicherer, genauer, flexibler<br />
GMA-Roadmap stellt Trends und Forderungen für die industrielle Produktion vor<br />
Als Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts intensiv<br />
über das Drei-Liter-Auto diskutiert wurde, war auch die<br />
Messtechnik beteiligt. Erst durch Fortschritte, wie die Scanningtechnolgie<br />
auf Koordinatenmessgeräten und den produktionsnahen<br />
Einsatz <strong>von</strong> Messtechnik war es möglich,<br />
Informationen zu gewinnen, um Produktionsprozesse in<br />
engen Grenzen zu regeln. Damit werden Serienbauteile produziert,<br />
die kleine Toleranzen einhalten und wesentlich<br />
zur Reduzierung <strong>von</strong> Reibung in Motoren und Antriebskomponenten<br />
beitragen.<br />
Das Thema der Ressourceneffizienz spielt heute in der<br />
Produktion eine wichtige Rolle. Neue Verfahren in der Fertigung<br />
tragen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz bei.<br />
Um sie zu beherrschen, ist der Einsatz <strong>von</strong> Messtechnik<br />
erforderlich, da nur Messtechnik Informationen zur Bewertung<br />
der Leistungsfähigkeit liefern kann. Die daraus resultierenden<br />
Trends und Forderungen hat die Roadmap Fertigungsmesstechnik<br />
2020 der GMA ermittelt.<br />
Produktionstechnik vor Herausforderungen<br />
Kundenforderungen nach individuell gestalteten Produkten<br />
und schwankender Nachfrage begegnet die Produktion<br />
durch durch größere Flexibilität. Das führt zur<br />
erheblichen Verringerung der Losgrößen, die oft nur<br />
durch verstärkten Einsatz <strong>von</strong> Messtechnik zu beherrschen<br />
ist. Man kann sich lange dauernde Produktionsanläufe<br />
und Vorserien kaum mehr leisten. Gleichzeitig<br />
verlangen mehr Branchen die lückenlose Dokumentation<br />
der Konformitätsbewertung aller gefertigten Produkte,<br />
die ebenfalls nur durch den verstärkten Einsatz <strong>von</strong><br />
Messtechnik zu realisieren ist.<br />
Die Aufgabe der Fertigungsmesstechnik ist es, valide Informationen<br />
über das Produkt zur Absicherung der Prozessund<br />
Produktqualität zu liefern. Vor dem Hintergrund der<br />
Herausforderungen wird dazu in der Produktion in Zukunft<br />
mehr gemessen. Der Einsatz <strong>von</strong> mehr Messtechnik muss<br />
sich aber wirtschaftlich rechtfertigen lassen. Die Messtechnik<br />
muss leistungsfähiger werden. Diese Steigerung der<br />
Leistungsfähigkeit lässt sich zusammenfassend mit vier<br />
Begriffen beschreiben:<br />
Schneller<br />
Sicherer<br />
Genauer<br />
Flexibler<br />
Schneller<br />
Mit Schnelligkeit ist einerseits die Entwicklung und Anwendung<br />
messtechnischer Verfahren gemeint, mit denen<br />
in kürzerer Zeit Informationen über die Produktqualität<br />
gewonnen werden. Dabei kommt es weniger darauf an,<br />
Verfahren neu zu entwickeln. Vielmehr werden bekannte<br />
Messprinzipien zur Nutzung in der Produktion adaptiert.<br />
Dabei spielen optische Verfahren eine bedeutende<br />
Rolle. Andererseits gewinnt die Integration an Bedeutung<br />
bei der Beschleunigung <strong>von</strong> Messtechnik. Transportzeiten<br />
zu den Messeinrichtungen können verringert werden<br />
oder ganz entfallen. Weiterhin stehen die Informationen<br />
Trends in der Produktionstechnik<br />
Ressourcen-<br />
Flexibilität<br />
effizienz<br />
Erhöhung der<br />
Integration<br />
Zunehmende Vielfalt<br />
an Messverfahren<br />
Verringerung der<br />
Messzeit<br />
Transparenz<br />
Herausforderungen und Trends der Fertigungsmesstechnik<br />
Automatisierte<br />
Datenverarbeitung<br />
Verringerung <strong>von</strong> Messabweichungen/Messunsicherheit<br />
Steigende Nachweispflicht der Messunsicherheit<br />
Steigerung der<br />
Informationsdichte<br />
Neue Prozesse<br />
Schneller<br />
Genauer<br />
Sicherer<br />
Flexibler<br />
Trends und Herausforderungen der Fertigungsmesstechnik<br />
aus der Messtechnik unmittelbar in der Produktion, beispielsweise<br />
zur Realisierung <strong>von</strong> Regelkreisen, zur Verfügung.<br />
Durch die automatisierte Übertragung <strong>von</strong> Daten<br />
wird die Regelung besonders effizient realisiert:<br />
Beschleunigte Produktionstakte erfordern schnellere<br />
Messverfahren mit deutlich erhöhtem Dynamikumfang.<br />
Es erfolgt eine erhöhte Absicherung <strong>von</strong> einzelnen Prozessschritten<br />
durch dezentrale Messtechnik, die fertigungsnah<br />
oder -integriert eingesetzt wird. Dies führt zu<br />
einer Steigerung des wirtschaftlichen Nutzens der Fertigungsmesstechnik.<br />
Messdaten werden vermehrt in den Produktionsprozess<br />
zur Steuerung und Regelung zurückfließen. Damit wird<br />
die Fertigungsmesstechnik integraler Bestandteil des<br />
Produktionsprozesses.<br />
Die vermehrte Integration <strong>von</strong> Messsystemen in die Fertigung<br />
ermöglicht die 100%-Prüfung der Produkte.<br />
Die automatisierte Messdatenverarbeitung gewinnt vor<br />
dem Hintergrund der zunehmenden Informationsdichte<br />
an Bedeutung.<br />
Sicherer<br />
Der Nachweis der Messunsicherheit und ihre Berücksichtigung<br />
bei der Konformitätsbewertung werden zunehmend<br />
wichtiger. Die standardisierten Vorgehensweisen<br />
zur Bestimmung der Messunsicherheit etablieren sich<br />
weiter. Diese werden je nach Anwendung in unterschiedlicher<br />
Detaillierung angewendet. Bei der Kalibrierung <strong>von</strong><br />
Normalen wird mehr Aufwand bei der Unsicherheitsbestimmung<br />
zu rechtfertigen sein als bei der Prüfung einfacher<br />
Produktmerkmale. Für die Produktion etablieren<br />
sich vereinfachte Vorgehensweisen. Gerade bei sicherheitsrelevanten<br />
Produkten, beispielsweise in der Luft-<br />
12<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
fahrtindustrie und der Medizintechnik, wird ein Nachweis<br />
über die Messunsicherheitsbestimmung und ihre<br />
Berücksichtigung bei der Prüfentscheidung zum Standard<br />
und die Produktsicherheit verbessern:<br />
Verbesserte Rechnerunterstützung und Methoden der<br />
Simulation (virtuelles Messgerät) vereinfachen die Ermittlung<br />
der Messunsicherheit.<br />
Stabile Prozesse und damit der Eignungsnachweis sowohl<br />
für den Fertigungs- als auch für den Messprozess<br />
gewinnen an Bedeutung.<br />
Überwachung der Produktion mittels sicherer Fertigungsmesstechnik<br />
minimiert das Risiko <strong>von</strong> Stillstandzeiten<br />
und trägt zur Ressourceneffizienz sowie zur<br />
Wettbewerbsfähigkeit bei.<br />
Genauer<br />
Durch höhere Qualitätsanforderungen steigen die Anforderungen<br />
an die Genauigkeit der Messtechnik. Eine besondere<br />
Rolle spielt die Steigerung der Ressourceneffizienz:<br />
Bauteile entwickeln sich dimensionell in zwei Richtungen:<br />
sehr kleine Bauteile und Strukturen einerseits,<br />
sowie sehr große Bauteile andererseits. Diese Spannbreite<br />
erfordert hochflexible sowie dynamische Messsysteme,<br />
um deren Merkmale genau zu erfassen.<br />
Optische Scanningverfahren und tomographische<br />
Messverfahren erhöhen deutlich die Messpunktdichte.<br />
Somit eröffnen sich neue ganzheitliche Auswertemöglichkeiten<br />
wie ein direkter Abgleich mit 3D-CAD-Daten,<br />
womit auch die Genauigkeit gesteigert wird.<br />
Der vermehrte Einsatz <strong>von</strong> Fertigungsmesstechnik verbessert<br />
das Verständnis <strong>von</strong> Fertigungsprozessen und<br />
damit erfolgt eine Steigerung der Produktqualität.<br />
Flexibler<br />
Die Vielfalt der zur Messung in der Produktion eingesetzten<br />
Verfahren nimmt rasant zu. Vermehrt werden verschiedene<br />
Verfahren in Messsystemen kombiniert und<br />
damit ihre Flexibilität gesteigert:<br />
Der konsequente Einsatz <strong>von</strong> Fertigungsmesstechnik<br />
hat die transparente Produktion zur Folge. Diese begünstigt<br />
die Anpassungsfähigkeit <strong>von</strong> Unternehmen<br />
und ermöglicht damit die Reaktion auf eine flexible,<br />
vernetzte Gesellschaft.<br />
Standardisierte Schnittstellen verbessern die Kommunikation<br />
der Messsysteme untereinander sowie<br />
die Kommunikation zur Prozesssteuerung und zu<br />
anderen Bereichen der Produktion. Die Produktion<br />
wird flexibler.<br />
Intelligente Sensoren und Multisensorik gepaart mit<br />
Lernvermögen der Messsysteme ermöglichen flexiblere<br />
Einsatzszenarien sowie wirtschaftliche Fertigungsmesstechnik.<br />
Die Bedienung der Messsysteme wird leichter.<br />
Verbesserte Ausbildungsangebote im industriellen und<br />
universitären Bereich einschließlich neuer Lerntechnik<br />
wie E-Learning führen zu besser ausgebildeten Fachkräften.<br />
Dadurch sind Messsysteme flexibler mit verbesserter<br />
Sicherheit einsetzbar.<br />
Neue Konzepte wie mobile, integrierbare Messsysteme<br />
oder globale Koordinatensysteme wie Indoor-GPS<br />
(iGPS) machen die Messtechnik flexibel.<br />
Die Forderung der Wandlungsfähigkeit produzierender<br />
Unternehmen nimmt zu. Werden flexible Mechanismen<br />
etabliert um den Produktionsfluss sowie die Prozessqualität<br />
sicherzustellen, kann die Produktion schneller<br />
auf Veränderungen reagieren. Grundlage für die Sicherstellung<br />
der Prozessqualität ist dabei eine angepasst<br />
flexible Fertigungsmesstechnik.<br />
Die Fertigungsmesstechnik ist eine Schlüsseltechnologie<br />
für die prozesssichere und wirtschaftliche Produktion<br />
und liefert damit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung<br />
des Standorts Deutschland.<br />
Autoren<br />
Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt ist Leiter des<br />
Fachbereiches 3 der VDI/VDE-Gesellschaft<br />
Mess- und Automatisierungstechnik (GMA)<br />
„Sensoren und Messsysteme für die Fertigungstechnik“.<br />
Seit September 2004 ist er<br />
Inhaber des Lehrstuhls für Fertigungsmesstechnik<br />
und Qualitätsmanagement am<br />
Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH.<br />
Außerdem ist er als Direktoriumsmitglied des<br />
Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT tätig und<br />
leitet die Abteilung Produktionsqualität und Messtechnik. Seit<br />
2010 fungiert Schmitt als geschäftsführender Direktor des WZL.<br />
RWTH Aachen,<br />
Werkzeugmaschinenlabor, Steinbachstraße 53 B,<br />
D-52074 Aachen, Tel. +49 (0) 241 802 02 83,<br />
E-Mail: r.schmitt@wzl.rwth-aachen.de<br />
Dr.-Ing. Dietrich Imkamp arbeitet seit 2010<br />
als stellvertretender Leiter des Fachbereiches<br />
3 der VDI/VDE Gesellschaft Mess- und<br />
Automatisierungstechnik (GMA) „Sensoren<br />
und Messsysteme für die Fertigungstechnik“<br />
und und ist Mitglied des wissenschaftlichen<br />
Beirats der GMA. Als Direktor Visual Systems<br />
und Partnerprodukte ist Imkamp verantwortlich<br />
für optische Koordinatenmessgeräte bei<br />
der Carl Zeiss Industriellen Messtechnik in Oberkochen.<br />
Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH,<br />
D-73446 Oberkochen, Tel. +49 (0) 7364 20 20 45,<br />
E-Mail: imkamp@zeiss.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
13
anche<br />
Distanzmessung mit PMD-Sensoren sorgt für<br />
größere Stabilität in automatischem Prozess<br />
Automobilzulieferer verhindert so Fehlschaltungen bei der Bearbeitung <strong>von</strong> Getriebegehäusen<br />
Kompakt dank<br />
der Zusammenfassung<br />
<strong>von</strong><br />
Sensorelement<br />
und der Elektronik<br />
zur Signalauswertung<br />
auf<br />
einem einzigen<br />
Siliciumchip:<br />
die PMD-Abstandssensoren.<br />
Bild: ifm<br />
Mithilfe <strong>von</strong> PMD-Abstandssensoren konnte der Automobilzulieferer<br />
Grüner Systemtechnik die Bearbeitung<br />
<strong>von</strong> Getriebegehäusen zuverlässiger gestalten. Die<br />
zuvor eingesetzten optischen Standardsensoren verursachten<br />
oft Fehlschaltungen aufgrund <strong>von</strong> Verschmutzungen.<br />
Die efector-pmd-Sensoren <strong>von</strong> ifm electronic hingegen sind<br />
vor Verschmutzungen aus dem Bearbeitungsprozess weitgehend<br />
sicher. Da sie exakte Messungen über große Distanzen<br />
erlauben, konnte Grüner sie in sicherer Entfernung zu<br />
Kühlschmiermittel- und Ölspritzern positionieren.<br />
Zusätzlich zur Fertigung <strong>von</strong> Motorblöcken, Zylinderblöcken<br />
und Kupplungsglocken hat sich die Grüner Systemtechnik<br />
GmbH & Co. KG auf die Bearbeitung <strong>von</strong> Getriebegehäusen<br />
für Getriebehersteller spezialisiert. Dabei muss<br />
das Unternehmen in Bad Überkingen den Kunden aus der<br />
Automobilindustrie eine konstant hohe Produktqualität<br />
und eine Just-in-time-Lieferfähigkeit garantieren.<br />
TONNENSCHWER UND HOCHPRÄZISE<br />
Um diese Anforderungen zu erfüllen, müssen die Bearbeitungszentren<br />
für die Bearbeitung der Getriebegehäuse<br />
absolut zuverlässig und wirtschaftlich arbeiten. Zur Erzielung<br />
maximaler Produktivität sowie hoher Zuverlässigkeit,<br />
konstruiert und baut Grüner Systemtechnik Bearbeitungszentren<br />
selbst. Das Unternehmen auf der Schwäbischen<br />
Alb greift dabei mittlerweile auf Erfahrungen und<br />
Know-how <strong>von</strong> über drei Jahrzehnten zurück. Grüner<br />
Systemtechnik rüstet die technisch anspruchsvollen Maschinen<br />
mit Sensorik der ifm electronic gmbh aus. Neben<br />
der bewährten ifm-Druck- und Strömungssensorik zur<br />
Überwachung des Kühlschmiermittelkreislaufs und der<br />
Hydraulikaggregate, setzt der Gehäusehersteller auch ifm-<br />
Abstandssensoren mit innovativer PMD-Technologie ein.<br />
Bei der Betrachtung der Bearbeitungszentren wird<br />
recht schnell deutlich, welch technischer Aufwand und<br />
welches Know-how erforderlich sind: Mit Abmessungen<br />
<strong>von</strong> etwa 8 x 4 x 3 m und einem Gewicht <strong>von</strong> 22 t erzeugen<br />
die Bearbeitungszentren hochpräzise Öffnungen, Bohrungen<br />
sowie Gewinde an vorgegebenen Positionen im<br />
µm-Bereich. Dabei ist die Bearbeitungszeit eines Getriebes<br />
so gering wie möglich zu halten, da es sich um Massenprodukte<br />
handelt.<br />
Die Getriebegehäuse werden zunächst mit Hilfe <strong>von</strong><br />
Warenträgern über Förderbänder vor den Bearbeitungszentren<br />
positioniert. Eine Zuführvorrichtung nimmt die<br />
Gehäuse auf und befördert sie ins Innere der Maschine,<br />
um sie dort spanabhebend zu bearbeiten. An vorgegebenen<br />
Positionen werden Bohrungen, Öffnungen und Gewinde<br />
gesetzt beziehungsweise geschnitten. Zu diesem<br />
Zweck befinden sich in den Bearbeitungszentren Arbeitsspindeln,<br />
welche die erforderlichen Werkzeuge automatisch<br />
aufnehmen. Die Maschinen sind derart konstruiert,<br />
dass sie eine Vielzahl <strong>von</strong> Bohrungen und Gewinden<br />
zeitgleich erzeugen können. Somit lässt sich die Bearbeitungszeit<br />
eines Getriebegehäuses erheblich verkürzen<br />
und die Wirtschaftlichkeit der Maschine erhöhen.<br />
EXAKTE POSITIONSÜBERWACHUNG UNERLÄSSLICH<br />
Für einen sicheren Ablauf des Produktionsprozesses ist<br />
die Positionsüberwachung der Getriebegehäuse unerlässlich.<br />
Die ifm-Abstandssensoren detektieren, ob sich ein<br />
Warenträger an der Übergabestation befindet und ob dieser<br />
ein Getriebegehäuse trägt oder frei ist. Es würden erhebliche<br />
Schäden an der Maschine beziehungsweise der<br />
Zuführeinheit und damit auch Ausfallzeiten entstehen,<br />
wenn ein Getriebegehäuse aus dem Bearbeitungszentrum<br />
auf eine bereits belegte Übergabestation befördert würde<br />
oder gar kein Warenträger bereit stünde.<br />
Früher realisierte Grüner Systemtechnik die Überwachung<br />
mit optischen Standardsensoren. Nachteil: Die<br />
14<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Sensoren mussten relativ nah am Förderband angebracht<br />
werden. Folge: Spritzendes Kühlschmiermittel und Öl<br />
gelangten häufig auf die Optiken der Sensoren, was Fehlschaltungen<br />
verursachte. Dazu kam, dass man bedingt<br />
durch die geforderte Genauigkeit der Positionsabfrage<br />
und der großen Reichweiten, auf die Verwendung <strong>von</strong><br />
Einweglichtschranken angewiesen war. Bei den großen<br />
Reichweiten war die Justage <strong>von</strong> Sender und Empfänger<br />
zueinander besonders zeitraubend.<br />
IN SICHERER ENTFERNUNG VOM FÖRDERBAND<br />
Grüner Systemtechnik entschied sich, den efector pmd<br />
der ifm electronic einzusetzen. Dabei handelt es sich<br />
um einen optischen Abstandssensor. Seine Besonderheit:<br />
Im Bereich <strong>von</strong> 0,2 bis 10 m lassen sich Abstände<br />
millimetergenau erfassen. Mit diesem Leistungsmerkmal<br />
ist es nun möglich, die Sensoren in sicherer Entfernung<br />
vom Förderband zu betreiben. Geschützt vor<br />
spritzendem Öl und Kühlschmiermittel können sie ihre<br />
Aufgabe optimal erfüllen. Hinzu kommt, dass sich die<br />
Abstände auch dann sicher erfassen lassen, wenn der<br />
Lichtstrahl nicht senkrecht auf die Objektoberfläche<br />
auftrifft. Bei nicht glänzenden Oberflächen, wie sie die<br />
Getriebegehäuse aufweisen, darf der Einfallwinkel des<br />
Lichtstrahls bis zu 45° betragen. Der Kundennutzen ist<br />
klar: Im Vergleich zu optischen Standardsensoren ist<br />
man bei der Wahl der Montageorte der Sensoren besonders<br />
flexibel.<br />
MILLIMETERGENAU BEI HOHEN REICHWEITEN<br />
Der Abstandssensor efector pmd dient zur millimetergenauen<br />
Abstandsmessung bei hohen Reichweiten.<br />
Konventionelle Sensoren, die ebenfalls das Lichtlaufzeitverfahren<br />
verwenden, benutzen als Empfangseinheit<br />
eine Fotodiode. Eine zusätzliche Elektronik dient<br />
zur Signalerfassung und -verarbeitung. Nachteil: Dieses<br />
Sensordesign ist aufwendig, groß dimensioniert<br />
und daher oftmals nicht für industrielle Positionsabfragen<br />
einsetzbar und teuer.<br />
Im Vergleich dazu ist das Empfangselement des PMD-<br />
Sensors ein System-on-Chip-Design: Sowohl Sensorelement<br />
als auch die Elektronik zur Signalauswertung sind<br />
in einem einzigen Siliciumchip, dem sogenannten Photonenmischdetektor<br />
(PMD), integriert. Vorteil: Dieses<br />
innovative Design ermöglicht eine hohe Performance in<br />
einem kompakten, industrietauglichen Gehäuse und das<br />
zu einem Bruchteil des Preises herkömmlicher Systeme.<br />
Die gemessene Entfernung wird auf dem 4-stelligen Display<br />
angezeigt und lässt sich als skalierbares Analogsignal<br />
ausgeben. Der Anwender kann zwei Schaltausgänge parametrieren,<br />
die beim Erreichen einer bestimmten Distanz<br />
oder eines bestimmten Abstandsbereichs schalten. Bis zu<br />
50 Messungen pro Sekunde sind möglich. Der Lichtfleckdurchmesser<br />
beträgt 6 mm bei 10 m Abstand. Der Sensor<br />
eignet sich auch für Applikationen, bei denen es auf exakte<br />
Hintergrundausblendung ankommt.<br />
Dank der innovativen Abstandsensoren efector pmd<br />
der ifm electronic erfolgt die Positionsabfrage der Getrie-<br />
begehäuse bei Grüner Systemtechnik besonders einfach<br />
und robust. Zur Wirtschaftlichkeit trägt auch ein Preis<br />
bei, der in der Klasse der optischen Abstandsmessung<br />
neue Maßstäbe setzt.<br />
Autor<br />
Dipl.-Ing. Patric Kister<br />
ist Produktmanager Optische<br />
Sensoren bei der<br />
ifm electronic GmbH.<br />
ifm electronic GmbH,<br />
Friedrichstr. 1,<br />
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6 / 2011<br />
15
praxis<br />
Italienisches Walzwerk formt Stahl<br />
mithilfe <strong>von</strong> schwedischen Drehgebern<br />
Praxislösung fordert unterschiedliche Geräteeigenschaften in der Anlage<br />
Erdbebenfester Stahl ist das Geschäft <strong>von</strong> Pittini, einem<br />
italienischen Eisenhütten-Unternehmen. Bei<br />
Ferriere Nord, dem Geschäftsbereich Walzwerk, werden<br />
die Drehgeber <strong>von</strong> Leine & Linde seit Jahren erfolgreich<br />
eingesetzt. Begonnen im Wärmeofen, durchläuft der rohe<br />
Stahl verschiedene Stationen im Walzwerk. Spezielle<br />
Drehgeber kommen gemäß den abschnittsspezifischen<br />
Anforderungen dabei an fast jeder entscheidenden Stelle<br />
zum Einsatz.<br />
Genauigkeit gelingt durch Drehgeber<br />
Der Stahl wird in dem vor drei Jahren in Betrieb genommenen,<br />
mit Erdgas beheizten Wärmeofen erhitzt, bis er<br />
weiß glüht. Der Durchsatz der Heizmaschine beträgt<br />
150 t/h bei kalter Beschickung und 200 t/h bei heißer<br />
Beschickung. Multiturn-Absolutdrehgeber mit überstehender<br />
Welle vom Typ RSA 608 (Bild 1) sind an der<br />
Zuführungs- und Beschickungsanlage des Ofens angebracht,<br />
um die Genauigkeit der Zubringungen zur<br />
Maschine sicherzustellen. Bei der Wechselstrom-Motorisierung<br />
in der Ofen-Zuführung sind inkrementale<br />
Hohlwellen-Drehgeber der Serie RSI 503 (Bild 3) im<br />
Einsatz, um eine Rückführung der Motordrehzahl<br />
zu gewährleisten.<br />
Für die Beschickung des Ofens bevorzugt der Anwender<br />
den Einsatz einer Seilzug-Abwickelungseinrichtung<br />
mit Drehgeber. Diese Technik kommt insbesondere bei<br />
der Automatisierung des Beschickungstisches und des<br />
Knüppel-Wahlschalters zum Einsatz.<br />
Zur Vermeidung <strong>von</strong> Winkelpositionsmessungen werden<br />
die Mechanismen mit Seilzug bei dieser Anwendung<br />
eingesetzt. Sie ermöglichen eine höhere Genauigkeit.<br />
Die lineare Bewegung des Seilzugs folgt direkt der<br />
Achsbewegung und vermeidet somit Fehler. Zudem<br />
erlaubt sie Einsparungen <strong>von</strong> Material und mechanischem<br />
Projektierungsaufwand. Eine präzise Montage<br />
ist notwendig, da der Seilzug ohne Winkelbildung abrollen<br />
muss.<br />
Auf Anwendungen in der rauen Umgebung der Eisenmetallurgie<br />
hat Leine & Linde seine Drehgeber samt Zubehör<br />
(Kupplungen, elektronische Geräte und Seilzug-Abwickelmechanismen)<br />
bereits seit längerem spezialisiert. Der<br />
schwedische Hersteller unterstützte die Konstrukteure der<br />
Pittini-Walzanlage in langen Projektphasen mit seinem<br />
Know-how. Über die Jahre entwickelte Leine & Linde gemeinsam<br />
mit den Italienischen Anwendern eine werksorienterte<br />
Lösung. Jeder Anlagenteil hat nämlich seine eigenen<br />
Problematiken und benötigt eine gezielte Geräte-Auswahl<br />
für seine optimale Funktionalität.<br />
Motorisierte Vorwalzgerüste<br />
Nachdem der weiß glühende Knüppel den Ofen verlassen<br />
hat, beginnt sein Weg auf einem Rollenförderer zum Vorwalzen.<br />
Dazu gelangt er in einen der zwei parallelen<br />
Transportkanäle die zu den vier größeren Vorwalzgerüsten<br />
der Anlage führen. Diese Gerüste bestehen aus zwei<br />
Zylindern, durch die man den heißen Stahl passieren<br />
lässt. Er reduziert sich beim Durchlauf und nimmt die<br />
gewünschte Form an. Dabei spielt das „Zylinderlicht“ (der<br />
Raum zwischen einem Zylinder und dem anderen, durch<br />
den das Metall gezwungen wird) eine tragende Rolle. Es<br />
wird immer kleiner, damit der Stahl letztendlich seine<br />
genaue Passform erreicht. Für die Berechnung dieses<br />
„Zylinderlichts“ in den Gerüsten und zur Festlegung der<br />
Knüppel-Abmessungen, die man mit dem Walzen dieses<br />
Gerüsts erreichen möchte, werden wieder die bereits<br />
erwähnten Absolut-Drehgeber mit Hohlwelle vom<br />
Typ RSA 608 (Bild 1) verwendet.<br />
Die Gerüste selbst sind Gleichstrom-motorisiert mit<br />
Rückführung durch Drehgeber des Typs RSI 503-52CLS<br />
(Bild 3). Es handelt sich um robuste Drehgeber, die sich<br />
zum Arbeiten mit Gleichstrom-Motorisierungen mit großen<br />
Abmessungen eignen. Der technische Ausgang ist<br />
strombegrenzt, um mit bestimmten DC-DC-Umrichtern<br />
besser kommunizieren zu können.<br />
Anbindung über Profibus DP<br />
Die Anbindung erfolgt über Profibus DP, indem man herkömmliche<br />
serielle Drehgeber mit EnDat-Schnittstelle in<br />
abgesetzter Kombination mit einem Profibus-Gateway<br />
einbaut, das der Anwendung gewidmet ist. Auf diese Art<br />
kann Ferriere Nord auch bei dem Gerüste-Teil mit Profibus<br />
arbeiten. Ohne den gewidmeten Drehgeber RHA 608 hätte<br />
diese Anwendung mit einer seriellen Punkt-zu-Punkt<br />
Verbindung entwickelt werden müssen, zulasten der Vorteile<br />
der zentralisierten Steuerung und Diagnose.<br />
Schopfscheren fordern robuste Sensoren<br />
Der Stahl durchfährt nun die mittelgroßen und schließlich<br />
die Feinbearbeitungs-Gerüste. Die Linie wird entsprechend<br />
dem Produktionstyp, den man erhalten möchte,<br />
zweigeteilt. Es geht durch zwei Danieli-Monoblöcke mit<br />
synchroner Motorisierung. Dies wird durch zwangsbelüftete<br />
Asynchronmotoren <strong>von</strong> ABB und Leine & Linde-Inkremental-Drehgeber<br />
vom Typ 861 (Bild 4) realisiert.<br />
Die Drehgeber der Baureihe 861 besitzen ein robustes<br />
Aluminiumgehäuse der Schutzart IP 66. Sie verfügen<br />
über 6 oder 3 kurzschlussfeste Ausgänge und eine elektrisch<br />
isolierte Hohlwelle mit einem Durchmesser <strong>von</strong><br />
12 oder 16 mm. Die für eine Versorgungsspannung <strong>von</strong><br />
5 V beziehungsweise 9...30 V ausgelegten Drehgeber<br />
sind mit dem Advanced Diagnostic System ADS ausgestattet.<br />
Die Strichzahl ist in feinen Abstufungen <strong>von</strong><br />
500 bis 10 000 wählbar oder auch an die jeweiligen Anforderungen<br />
anpassbar. Die Anzahl der Messschritte<br />
entspricht der 4-fachen Strichzahl und erreicht maximal<br />
40 000 Messschritte pro Umdrehung. Die Betriebstemperatur<br />
darf zwischen -20 °C und +80 °C betragen.<br />
Mit 10 g ist die Schwingfestigkeit angegeben. Die Stoßfestigkeit<br />
liegt bei 100 g.<br />
Nach dem Durchlauf der Gerüste hat das Produkt die<br />
gewünschten Eigenschaften und Abmessungen erreicht.<br />
Es folgt die Stahlbearbeitung durch die zwei Schopfscheren.<br />
An Spitze und Ende des Stahlknüppels können Fehler<br />
im Walzprozess entstanden sein. Die Drehgeber in<br />
den Scheren müssen robust sein. Die Bearbeitung des<br />
16<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Bild1: Die Drehgeber werden häufig durch<br />
Metallgehäuse geschützt. Hier handelt es sich um<br />
einen Absolutdrehgeber vom Typ RSA 608.<br />
Bild 2:<br />
Funkenflug, harte<br />
Bearbeitungsstöße,<br />
schwieriges<br />
Material: In Stahlwerken<br />
sind die<br />
Umgebungsbedingungen<br />
rau.<br />
Bild 3: Ein Inkrementaldrehgeber der Serie RSI<br />
503 mit Abwickelmechanismus mit 5 m langem<br />
Seilzug in einer Spulenwickel-Anwendung.<br />
Bild 4: Inkrementaldrehgeber der Baureihe 861,<br />
der vom Motorhersteller neu lackiert wurde.<br />
Bilder: Leine & Linde<br />
Metalls versetzt der Maschine, einschließlich des Sensors,<br />
beachtliche Stöße. Den Anlagen-Entwicklern werden<br />
daher für diese Einsätze die Heavy-Duty-Produkte<br />
empfohlen. Der normalerweise am meisten verwendete<br />
Typ ist ein Drehgeber der Serie 850 mit vorstehender<br />
Welle. Es handelt sich um ein Produkt mit Wellenkeil<br />
für eine bessere Verbindung mit der Kupplung und einem<br />
Euro-Flansch mit guten Kenndaten bezüglich der möglichen<br />
axialen oder radialen Belastungen, die sich aus<br />
den Maschinenkräften ergeben.<br />
Nach dem Abschopfen trifft der geformte Stahlknüppel<br />
auf seinem Weg auf einen neuen Zug <strong>von</strong> vier als mittelgroß<br />
definierten Gerüsten, die ebenfalls Gleichstrommotorisiert<br />
sind.<br />
Abkühlung und Auslieferung<br />
Schließlich wird das Metall auf Kühlteppichen abgelegt.<br />
Die Teppiche sind ebenfalls motorisiert, jedoch mit kleinen<br />
Gleichstrom-Motoren, bei denen keine Drehgeber<br />
nötig sind. Nach dem Abkühlen gelangt das Metall in die<br />
Endphase. Es wird zu Coils geformt, verdichtet und auslieferungsfertig<br />
gebundend. Bei Pittini ist auch diese Phase<br />
in der Belieferungsanlage, einer Sund-Anlage, vollständig<br />
automatisiert. Die vorgestellten Drehgeber kommen<br />
dort ebenfalls zum Einsatz.<br />
Der Pittini-Stahl gilt wegen seiner Duktilität als erdbebenfest.<br />
Nicht nur in Italien ist er aufgrund seiner Eigenschaften<br />
daher so beliebt.<br />
Autor<br />
Klaus Korger<br />
(Techn. Betriebswirt) ist<br />
Geschäftsführer der Leine &<br />
Linde (Deutschland GmbH)<br />
in Aalen.<br />
Leine & Linde (Deutschland),<br />
Bahnhofstraße 36,<br />
73430 Aalen,<br />
Tel.: +49 (0) 7361 78 09 30,<br />
E-Mail: k.korger@leinelinde.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
17
anche<br />
Common Components gewährleisten eine<br />
„eingebaute“ Interoperabilität bei FDT 2.0<br />
Toolkit für Rahmenapplikation bereits verfügbar – Entwicklung für die DTM-Seite läuft<br />
Um die Interoperabilität <strong>von</strong> FDT-2.0-Produkten <strong>von</strong><br />
Anfang an zu gewährleisten, stellt die FDT Goup ihren<br />
Mitgliedern sogenannte Common Components (CC)<br />
als Toolkit zur Vefügung. Diese Komponenten bilden die<br />
Basis für Produkte, die die neue FDT-2.0-Spezifikation<br />
unterstützen. Neben der hohen Qualiät durch intensive<br />
Tests ermöglichen die Komponenten die Reduktion des<br />
Entwicklungsaufwands und eine schnellere Bereitstellung<br />
<strong>von</strong> Produkten. Durch die eingebaute Interoperabilität<br />
reduziert sich der Aufwand für die Zertifizierung<br />
und die Inbetriebnahme im Feld.<br />
FDT GROUP STELLT BASISKOMPONENTEN BEREIT<br />
Nach Abschluß der FDT-2.0-Spezifikation hat die FDT<br />
Group das nächste Projekt in Angriff genommen: die Bereitstellung<br />
<strong>von</strong> Komponenten für die Entwicklung <strong>von</strong><br />
FDT-2.0-Produkten. Damit soll <strong>von</strong> Anfang an die Basis<br />
gelegt werden für eine hohe Produktqualität und eine<br />
hohe Interoperabilität zwischen den Produkten. Bei FDT<br />
1.x lag der Schwerpunkt auf der Bereitstellung <strong>von</strong> Testund<br />
Zertifizierungswerkzeugen. Mit FDT 2.0 geht die FDT<br />
Group nun einen Schritt weiter und stellt Basiskomponenten<br />
für ihre Mitgliedsfirmen bereit.<br />
Das Objektmodell in FDT 2.0 wurde gegenüber FDT<br />
1.x vereinfacht und auf die wesentlichen Teile konzentriert<br />
(Bild 1). Das Objekt „Frame Application“ repräsentiert<br />
die FDT-Rahmenapplikation, oft auch FDT-<br />
Container genannt. Es stellt die Schnittstelle zur Verfügung,<br />
damit ein DTM (Device Type Manager) in der<br />
Applikationsumgebung ausführbar ist. Der DTM repräsentiert<br />
das entsprechende Feldgerät und besteht<br />
üblicherweise aus zwei Teilen, dem „DTM User Interface“<br />
und der „DTM Business Logic“. Das Objekt „Communication<br />
Channel“ kommt bei Kommunikationsund<br />
Gateway-DTMs zum Tragen. Das in FDT 1.x verwendete<br />
Objekt „Process Channel“ steht für Prozessdaten<br />
und wird jetzt durch eine Datenstruktur ersetzt<br />
(„Process Data Info“).<br />
INTERAKTION LÄUFT ÜBER RAHMENAPPLIKATION<br />
Die Interaktion zwischen den DTM-Objekten erfolgt gemäß<br />
Bild 2 immer über die Rahmenapplikation und nicht<br />
mehr direkt zwischen DTMs. Dadurch wird unter anderem<br />
die Anzahl der Interfaces reduziert und die Verteilung<br />
der DTM-Komponenten auf unterschiedliche Systeme<br />
wird möglich, ohne dass die jeweiligen DTM-Objekte<br />
Kenntnis da<strong>von</strong> haben müssen (Bild 3).<br />
Das Konzept der Bereitstellung <strong>von</strong> Basiskomponenten<br />
für die Entwicklung <strong>von</strong> FDT-2.0-Produkten nennt sich<br />
Common Components. Dieses Konzept fußt auf der oben<br />
vorgestellten Architektur. Dabei sind jeweils die beiden<br />
Gegenstücke Rahmenapplikation und DTM zu betrachten.<br />
In Bild 4 ist die prinzipielle Struktur bei der Nutzung<br />
der Common Components dargestellt. Auf jeder<br />
Seite gibt es jeweils eine CC, die die FDT-2.0-Schnittstellen<br />
abdeckt. Auf der Seite der Rahmenapplikation<br />
kommt noch die Unterstützung <strong>von</strong> FDT 1.x hinzu<br />
zwecks Gewährleistung der Rückwärtskompabilität.<br />
Aufbauend auf der jeweiligen CC werden dann die produktspezifischen<br />
Anteile implementiert. Die CC stellen<br />
eine Abstraktionsebene dar, die sicherstellt, dass sich<br />
die Komponenten gemäß der FDT-2.0-Spezifikation verhalten.<br />
Diese Vorgehensweise bringt enorme Vorteile<br />
sowohl für die Hersteller <strong>von</strong> FDT-Produkten als auch<br />
für die Endanwender:<br />
Sicherstellung der Interoperabilität durch einheitliche<br />
Nutzung der FDT-2.0-Schnittstellen und<br />
gemeinsame Tests während der Entwicklung<br />
höhere Qualität durch vorgefertigte und intensiv<br />
getestete Komponenten<br />
schnellere Entwicklung <strong>von</strong> FDT-Produkten<br />
(Time-to-Market)<br />
Reduzierter Testaufwand (sowohl Einzeltests als<br />
auch Interoperabilitätstests verschiedener Hersteller)<br />
Reduktion des Entwicklungsaufwands (Kosten)<br />
Konzentration auf die Implementierung der<br />
applikationsspezifischen Produktanteile<br />
Vereinfachung der Zertifizierung <strong>von</strong> FDT-2.0-<br />
Produkten<br />
Reduzierter Aufwand bei der Kommisionierung<br />
im Feld<br />
AUFBAU DER RAHMENAPPLIKATION<br />
Die Struktur der CC für Rahmenapplikationen zeigt<br />
Bild 5. Der blaue Kasten beinhaltet die Funktionalität<br />
der CC. Mithilfe dieser Komponenten kann eine FDT-<br />
Rahmenapplikation entwickelt werden, die DTMs der<br />
Versionen 1.x und 2.0 unterstützt. Es werden Basisfunktionen<br />
zur Verfügung gestellt, die jede Rahmenapplikation<br />
üblicherweise benötigt. Die CC ist bereits seit einigen<br />
Jahren für FDT 1.x am Markt verfügbar und wird<br />
jetzt um FDT-2.0-Funktionalitäten erweitert. Ein Prototyp<br />
ist bereits verfügbar und wird bei der Entwicklung<br />
der DTM-CC zum Testen verwendet. Da bereits heute<br />
viele FDT-Group-Mitglieder diese Komponente in ihren<br />
Produkten einsetzten, hat die FDT Group auf eine Neuentwicklung<br />
im Rahmen <strong>von</strong> FDT 2.0 verzichtet. Stattdessen<br />
wird die Komponente als Common Component<br />
für Rahmenapplikationen <strong>von</strong> der FDT Group zertifiziert<br />
und mit einer vertraglichen Vereinbarung rechtlich<br />
abgesichert.<br />
Um den Firmen, die die Komponente heute nicht in<br />
ihren Produkten einsetzen, die Migration zu FDT 2.0 zu<br />
erleichtern, werden Teile der Rahmenapplikation CC als<br />
sogenannte Low Level-Komponente zur Verfügung gestellt.<br />
Hierbei handelt es sich um die im Bild 5 mit rötlicher<br />
Farbe dargestellten Blöcke.<br />
LOW-LEVEL-KOMPONENTE ERLEICHTERT WECHSEL<br />
Interaction Manager: Dieser Block ist die Schnittstelle<br />
zwischen Rahmenapplikation und DTM, da der<br />
Datenaustausch immer hierüber erfolgt. Der Interaction<br />
Manager entkoppelt die FDT-2.0-Objekte. Dadurch<br />
wird die Interoperabilität verbessert. Die Regeln<br />
für die Synchronisation und die parallele Ab-<br />
18<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
BILD 1: Das Objektmodell in FDT 2.0 wurde gegenüber FDT 1.x<br />
vereinfacht und auf die wesentlichen Teile konzentriert.<br />
BILD 2: Die Interaktion zwischen den DTM-Objekten<br />
erfolgt immer über die Rahmenapplikation und nicht<br />
mehr direkt zwischen DTMs.<br />
Bild 4: Das Konzept der Common Components<br />
System<br />
FDT 1.x-Schnittstelle<br />
Rahmenapplikation<br />
Rahmenapplikation CC<br />
Rahmenappl. CC-Schnittstelle<br />
FDT 2.0-Schnittstelle<br />
DTM<br />
FDT 1.x<br />
DTM CC<br />
DTM<br />
FDT 2.0<br />
DTM CC-<br />
Schnittstelle<br />
BILD 3: Durch die neue Strutkur wird unter anderem<br />
die Anzahl der Interfaces reduziert.<br />
BILD 4: Das Konzept der Common Components: Auf jeder Seite<br />
befindet sich jeweils eine CC, die die FDT 2.0 Schnittstellen abdeckt.<br />
wicklung <strong>von</strong> Tasks gemäß Spezifikation können hier<br />
geprüft werden. Durch die Entkopplung wird auch die<br />
Verteilung <strong>von</strong> Komponenten auf unterschiedliche<br />
Systeme unterstützt („Remoting“, Bild 3). Weiterhin<br />
ist hier das Logging aller FDT-2.0-Aufrufe möglich,<br />
was insbesondere für den Test der Objektinteraktionen<br />
hilfreich ist.<br />
Surrogate/Proxy (CLR Extension Concept): Dieser<br />
Block ermöglicht die Verwendung <strong>von</strong> DTMs, die eine<br />
andere .NET-Laufzeitumgebung erwarten, als die der<br />
Rahmenapplikation (Common Language Runtime). Dieser<br />
Block stellt den Stellvertreter (Proxy) des DTM dar,<br />
der eine andere .NET-Laufzeitumgebung benötigt. Der<br />
DTM läuft dann in einem eigenen Betriebssystem-Prozess<br />
(Surrogate genannt), der unabhängig <strong>von</strong> dem der<br />
Rahmenapplikation ist.<br />
Data Type Converters: Dieser Teil stellt Funktionen<br />
bereit, die es DTMs der Version 1.x und 2.0 erlauben,<br />
miteinander zu kommunizieren. (Rückwärts-Kompatibilität).<br />
Hier werden die XML-Dokumente aus FDT<br />
1.x in Datentypen <strong>von</strong> FDT 2.0 transformiert und umgekehrt.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
19
anche<br />
Bild 6: DTM CC - Architektur<br />
IDtmUiFunction<br />
IDtmUiFunction<br />
DTMUI<br />
Container<br />
IFrameUi<br />
Custom<br />
DTM UI<br />
IDtm<br />
IDtm<br />
IDeviceModel<br />
DTMBO<br />
Container<br />
DTMBO<br />
Core<br />
IDtmCC<br />
Device<br />
Model<br />
ICommunicationChannel<br />
DTM<br />
Channel<br />
BILD 5: Die Struktur der CC für Rahmenapplikationen: Der blaue<br />
Kasten beinhaltet die Funktionalität der CC. Mihilfe dieser<br />
Komponenten kann eine FDT Rahmenapplikation entwickelt<br />
werden, die DTMs der Versionen 1.x und 2.0 unterstützt.<br />
Bild 7: DTM BO Core<br />
BILD 6: Die CC deckt alle FDT-2.0-Schnittstellen eines<br />
DTM ab (gestrichelter Kasten). „Customer DTM UI“<br />
und „Device Model“stellen den herstellerzifischen<br />
Implementierungsanteil dar.<br />
IDtm<br />
ISignal<br />
ISignal<br />
Incoming<br />
Call /<br />
Signal<br />
Adapter<br />
Execution<br />
Engine<br />
Incoming<br />
Signal /<br />
Call<br />
Adapter<br />
Lifetime<br />
Manager<br />
Configuration<br />
Manager<br />
BILD 7: Eine Verfeinerung<br />
der Architektur<br />
der Kernkomponente:<br />
Im Zentrum der<br />
Komponente steht die<br />
Ausführung <strong>von</strong><br />
FDT-2.0-Aufrufen<br />
(Execution Engine) im<br />
Zusammenspiel mit<br />
der Zustandsmaschine<br />
eines DTM.<br />
DTMBO<br />
Container<br />
IFrame<br />
Outgoing<br />
Signal /<br />
Call<br />
Adapter<br />
ISignal<br />
ISignal<br />
State Machine<br />
ISignal<br />
Outgoing<br />
Call /<br />
Signal<br />
Adapter<br />
Parameter<br />
Manager<br />
Function<br />
Manager<br />
Communication<br />
Manager<br />
Topology<br />
Manager<br />
Device<br />
Model<br />
COMMON COMPONENT FÜR ALLE SCHNITTSTELLEN<br />
Die Architektur für die DTM CC zeigt Bild 6. Die CC deckt<br />
alle FDT-2.0-Schnittstellen eines DTM ab (gestrichelter<br />
Kasten). Der herstellerspezifische Implementierungsanteil<br />
ist durch die beiden Elemente „Customer DTM UI“<br />
(grafische Benutzeroberfläche eines DTM) und „Device<br />
Model“ (gerätespezifische Funktionen) dargestellt. Der<br />
Block „DTM BOCore“ ist der wesentliche Teil der DTM CC<br />
und implementiert die Logik der Common Compent. Der<br />
Block „DTMBO Container“ repräsentiert das Objekt<br />
„DTM Business Logic“ nach außen und offeriert der Rahmenapplikation<br />
die FDT-2.0-Schnittstelle eines DTM<br />
(Bild 2 und 3). Eine Verfeinerung der Architektur der<br />
Kernkomponente zeigt das Bild 7. Im Zentrum der Kom-<br />
20<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
ponente steht die Ausführung <strong>von</strong> FDT-2.0-Aufrufen<br />
(Execution Engine) im Zusammenspiel mit der Zustandsmaschine<br />
eines DTM. Eingehende Aufrufe <strong>von</strong> der Rahmenapplikation<br />
beziehungsweise des Gerätemodells<br />
werden in Signale umgewandelt, die <strong>von</strong> der Verarbeitungseinheit<br />
weiterverarbeitet werden.<br />
Bei ausgehenden Aufrufen werden Signale als Ergebnis<br />
der Verarbeitung in entsprechende Funktionsaufrufe<br />
umgesetzt. Im zentralen Teil werden die Signale in Warteschlangen<br />
verwaltet und in der entsprechenden Reihenfolge<br />
in der Zustandsmaschine verarbeitet. Die Verarbeitungseinheit<br />
ermöglicht die parallele Verarbeitung<br />
<strong>von</strong> ein- und ausgehenden Aufrufen, sowie die Handhabung<br />
<strong>von</strong> Asynchronität durch eigenständige Tasks.<br />
Durch diese Struktur ist gewährleistet, dass die synchrone<br />
und asynchrone Verarbeitung gemäß der Spezifikation<br />
<strong>von</strong>statten geht.<br />
MANAGER REALISIEREN WEITERE FUNKTIONEN<br />
Weitere Funktionen eines DTMs werden durch entsprechende<br />
Verwaltungskomponenten („Manager“) realisiert:<br />
Lifetime Manager für das Starten und Beenden des<br />
DTM inklusive der Initialisierung des Gerätemodells<br />
Configuration Manager für die Konfigurierung des<br />
DTMs und die Bereitstellung dieser Daten für die<br />
Rahmenapplikation<br />
Parameter Manager für die Verwaltung der DTM-<br />
Datensätze (Transaktionen, Online/Offline)<br />
Function Manager für die Ausführung <strong>von</strong> DTM-<br />
Funktionen, das Öffnen/Schliessen <strong>von</strong> User-Interfaces<br />
Communication Manager für die Kommunikation zu<br />
über- beziehungsweise untergeordneten Objekten<br />
Topology Manager für die Durchführung <strong>von</strong> Operationen,<br />
die mit der Topologie zusammenhängen<br />
(etwa Netzwerk-Scan, Protokollinformation, Erzeugung<br />
<strong>von</strong> „Kinder“-DTMs)<br />
ENTWICKLUNGSPROJEKT FÜR DIE DTM-SEITE<br />
Während für die Rahmenapplikation bereits eine verfügbare<br />
CC existiert, muss auf der DTM-Seite eine solche<br />
Komponente noch entwickelt werden. Dafür hat die<br />
FDT Group ein Projekt ins Leben gerufen. Die DTM-CC<br />
soll dann den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden.<br />
Zur Finanzierung haben sich zwanzig FDT-Group-<br />
Mitgliedsfirmen in einem Konsortium zusammengeschlossen<br />
und die Implementierung an einen Dienstleister<br />
vergeben. Alle teilnehmenden Firmen erhalten<br />
am Ende des Projekts die Entwicklungsergebnisse<br />
(Source Code, Dokumente, Test Skripts), um daraus ihre<br />
gerätespezifischen DTMs zu erstellen (Geräte-, Kommunikations-<br />
und Gateway-DTM). Die Rechte der Entwicklung<br />
liegen bei der FDT Group, sodass sichergestellt ist,<br />
dass jedes FDT-Group-Mitglied die Komponente erwerben<br />
und einsetzen kann.<br />
Das Entwicklungsprojekt wurde Anfang des Jahres<br />
gestartet und hat eine Laufzeit <strong>von</strong> zirka einem Jahr.<br />
Der Entwicklungsprozess folgt den Prinzipien <strong>von</strong><br />
Scrum. Die Entwicklung ist also in sogenannte<br />
„Sprints“ unterteilt, die jeweils einen Monat dauern.<br />
Am Ende eines jeden Sprints stehen installierbare<br />
und lauffähige Software sowie automatisierte Tests<br />
zur Verfügung. So können sich die teilnehmenden<br />
Firmen in einem frühen Stadium mit der Software<br />
vertraut machen und entsprechendes Feedback geben.<br />
Das Projekt wird begleitet <strong>von</strong> einem Team <strong>von</strong> FDT-<br />
Experten, die nach jedem Sprint ein umfassendes<br />
Review durchführen.<br />
Die während der Entwicklung entstehenden Tests können<br />
später auch <strong>von</strong> den Entwicklern <strong>von</strong> DTMs für Regressiontests<br />
genutzt und erweitert werden. Bereits nach<br />
zwei Sprints waren zirka 200 Testfälle erstellt worden.<br />
Im Rahmen des Projekts erfolgt auch eine enge Zusammenarbeit<br />
mit dem Entwicklungsteam der Rahmenapplikation<br />
CC. Intensive Tests stellen sicher, daß die Interoperabilität<br />
zwischen Rahmenapplikation und DTM für<br />
FDT 2.0 <strong>von</strong> Anfang an gewährleistet ist.<br />
NEUS GREMIUM STEUERT WEITERENTWICKLUNG<br />
Neben Qualität und Entwicklungseffizienz, ist Interoperabilität<br />
der wichtigste Erfolgsfaktor für Technologien,<br />
die auf offenen Standards basieren. Der Einsatz der<br />
Common Components reduziert dramatisch die Komplexität,<br />
die durch die unzähligen Kombinationsmöglichkeiten<br />
<strong>von</strong> Systemen und Geräten entsteht.<br />
Nach der Entwicklung der Komponenten geht die Qualitätssicherung<br />
durch die FDT Group weiter. Es wird ein<br />
„Change Control Board“ installiert, das die Wartung und<br />
Weiterentwicklung der Common Components Toolkit<br />
steuert. Dadurch wird sichergestellt, daß die Qualität<br />
und Konsistenz der Komponenten über die gesamten<br />
Lebenszyklus erhalten bleibt.<br />
Autor<br />
Dipl.Ing. (FH) Manfred<br />
Brill (geb. 1954) ist bei<br />
Schneider Electric, Unternehmensbereich<br />
Industrie,<br />
für die Harmonisierung <strong>von</strong><br />
Softwarewerkzeugen tätig.<br />
Brill ist seit 2005 Mitglied<br />
im Executive Committee der<br />
FDT Group. Er ist auch<br />
Projektleiter der FDT Group für die Entwicklung<br />
der in diesem Beitrag beschriebenen<br />
Komponenten für FDT 2.0.<br />
Schneider Electric Automation GmbH,<br />
Steinheimer Strasse 117,<br />
D-63500 Seligenstadt,<br />
Tel. +49 (0) 6182 81 22 73,<br />
E-Mail: manfred.brill@schneider-electric.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
21
anche<br />
Die Fabrik auf dem Büroschreibtisch: virtuelle<br />
Lösungen für den Erfolg realer Anlagen<br />
Simulation vereinfacht die Inbetriebnahme und bildet das Bedienungspersonal besser aus<br />
Was vor einigen Jahren kaum denkbar war, wird immer<br />
mehr zum Standard. Die Fabrik auf dem<br />
Schreibtisch im Büro ist Wirklichkeit geworden: Die<br />
Software zur Automatisierung einer realen Anlage wird<br />
mittels einer simulierten, virtuellen Anlage im Büro erstellt<br />
und getestet. Und auch die Steuerungsumgebung<br />
kann virtuell generiert und getestet werden. Diese virtuellen<br />
Systeme lassen sich auch leicht für Schulungen<br />
der Bediener oder für weitere Zwecke einsetzen.<br />
Wesentliche Gründe für den Einsatz einer Simulation<br />
in der Automatisierung sind das Einsparen <strong>von</strong> Zeit und<br />
Geld, das Ersetzen <strong>von</strong> im Büro nicht vorhandenen Systemen<br />
und das Training <strong>von</strong> Personal für kritische Situationen.<br />
In der Vergangenheit – teilweise sogar noch<br />
heute – treffen Automatisierungssoftware und die Anlage<br />
erst bei der Inbetriebnahme aufeinander. Lange Inbetriebnahmezeiten<br />
aufgrund ungenügender oder fehlerhafter<br />
Abbildung der Anlage in der Software sind dabei<br />
oft die Realität, während der Endkunde die Anlage schon<br />
zum Produzieren nutzen möchte. Im Extremfall kann es<br />
wegen der noch fehlenden Qualität zu Fehlverhalten<br />
kommen und Geräte und Anlagenteile können dadurch<br />
beschädigt oder zerstört werden. Ein solches Fehlverhalten<br />
kann auch deswegen entstehen, weil die Simulation<br />
direkt in den Automatisierungscode geschrieben und<br />
dieser auf der Anlage nicht eliminiert oder komplett ausgeschaltet<br />
wird.<br />
Doch mit einer Simulation sollten auch Qualität ausgeliefert<br />
und Fehler minimiert werden. Denn wenn der<br />
Stecker des Simulationssystems erst mal gezogen wird,<br />
ist jeglicher Simulationsmodus auf der realen Anlage<br />
nicht mehr vorhanden.<br />
Schon beim Engineering<br />
wird die Anlage simuliert und die<br />
Auto matisierungssoftware getestet.<br />
Es entsteht eine komplette<br />
virtuelle Umgebung im Büro.<br />
Visualisierungs-<br />
Visualisierungsoder<br />
Processoder<br />
Process-<br />
Control-System<br />
Control-System<br />
Simulations-System<br />
Simulations-System<br />
Fabrik/Fertigung, Ihr Prozess<br />
Fabrik/Fertigung, Ihr Prozess<br />
Geräte (Simit)<br />
Geräte (Simit)<br />
beliebig im Netzwerk verteilbar / realtime<br />
beliebig im Netzwerk verteilbar realtime<br />
Engineering-<br />
Engineering-<br />
System<br />
System<br />
(Simatic-Manager)<br />
(Simatic-Manager)<br />
Simatic-<br />
Simatic-<br />
Steuerungen<br />
Steuerungen<br />
(Simit-Emu)<br />
(Simit-Emu)<br />
1 bis > 60<br />
bis 60<br />
Zur Absicherung<br />
der Softwarequalität,<br />
wird die Simulation<br />
beispielsweise<br />
in der Zementindustrie<br />
eingesetzt.<br />
Bilder: Siemens<br />
22<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Zwei in Einem<br />
VIRTUELLES ENGINEERING STEIGERT DIE QUALITÄT<br />
Das Engineering für die Automatisierung findet in der<br />
Regel in einer Büroumgebung statt. Dort gibt es jedoch<br />
keine automatisierenden Geräte und Anlagen. Wenn es<br />
sich um eine Neuanlage handelt, ist diese auch in der<br />
Realität noch nicht vorhanden. Simulation macht hier<br />
ein qualitativ hochwertiges Engineering erst möglich<br />
und liefert sozusagen die Anlage auf den Schreibtisch<br />
– mit all ihren Motoren, Lichtschranken, Pumpen, Ventilen<br />
und so weiter.<br />
Bedeutsam ist die Simulation auch für Trainingszwecke.<br />
Denn Personal, das ungenügend trainiert<br />
wurde, wird in vielen Fällen falsch reagieren. Dies<br />
kann zu Produktions- und Qualitätsverlusten führen<br />
oder eventuell sogar zur Gefährdung <strong>von</strong> Anlagen,<br />
Personen oder der Umwelt. Mit einer Simulation gewinnt<br />
der Bediener Erfahrung in einer sicheren Umgebung<br />
und reagiert auf der realen Anlage richtig.<br />
AUTOMATISIERUNGSTEST UND TRAINING<br />
Wollte man früher seine Automatisierung in einer annähernd<br />
realen Umgebung testen, wurden je nach Größe<br />
der Applikation mehrere Schaltschränke oder Racks<br />
aufgebaut. Im Extremfall und bei Platzmangel musste<br />
man vielleicht sogar eine Halle anmieten. Und dann<br />
galt es die Technik zu verkabeln. Zur Simulation wurden<br />
Testboxen angeschlossen, über die per Knopfdruck<br />
oder Potenziometer Werte vorgegeben werden konnten.<br />
Komplexe oder schnelle Signalabläufe ließen sich so<br />
aber nicht testen. Die Testtiefe blieb extrem gering und<br />
auf der realen Anlage war noch viel zu tun.<br />
Darüber hinaus durften die Bediener erst kurz vor<br />
Ende der Inbetriebnahme an die Anlage. Oftmals benötigten<br />
sie dann viele Wochen, bis sie mit der neuen<br />
Automatisierung vertraut waren und die volle Verfügbarkeit<br />
und Produktivität der Anlage erreicht war. Da<br />
sie nicht in allen Belangen ausgebildet waren, reagierten<br />
sie bei Fehlern falsch. Dies führte zu Ausfallzeiten<br />
der Anlage sowie zu Mängeln an den Produkten.<br />
BIS ZUR VOLLEN VERHALTENSSIMULATION<br />
Mit den heute verfügbaren Lösungen wird die Anlage<br />
bereits beim Engineering simuliert und die Automatisierungssoftware<br />
getestet. Szenarien und Situationen<br />
für die Abnahme können schon im Büro definiert und<br />
gespeichert werden. Per Knopfdruck ruft man diese<br />
beim Abnahmetest mit dem Kunden wieder auf. Beide<br />
Seiten, Lieferant und Kunde, können so sehen, was die<br />
Software leistet und ob die Erwartungen erfüllt wurden.<br />
Damit kann die Software bereits mit einer hohen<br />
Qualität in die Anlage integriert werden, was zu wesentlich<br />
kürzeren Inbetriebnahmezeiten führt. Die<br />
erreichten Werte bewegen sich in der Regel zwischen<br />
30 und 80 %. In einigen Fällen kam es sogar zu einer<br />
Einschalt<strong>inbetriebnahme</strong>. Das heißt, es wurden keine<br />
Fehler mehr festgestellt. Da es wesentlich weniger Unstimmigkeiten<br />
gibt, wird das Kunde-Lieferanten-Verhältnis<br />
gestärkt.<br />
A01095DE<br />
• Industrieregler TROVIS 6495-2<br />
Viele Regelanwendungen benötigen zwei<br />
Regelkreise, die der neue Industrieregler<br />
TROVIS 6495-2 beherrscht. Er ist kinderleicht<br />
zu bedienen und führt mit seinen gut<br />
strukturierten Klartextmenüs bis in detaillierteste<br />
Funktionen.<br />
Fachkundigen sei verraten, dass der Regler<br />
u. a. die Strukturumschaltung gleitend<br />
fahren, seinen I-Anteil begrenzen und Störgrößen<br />
vielseitig aufschalten kann.<br />
Natürlich lassen sich die Einstellungen<br />
auch mit der kostenfreien Software<br />
TROVIS-VIEW vornehmen.<br />
Zum Schnuppern dient ein kostenfreier<br />
Software-Emulator mit identischer Bedienung.<br />
Am besten gleich mal ausprobieren<br />
unter:<br />
www.samson.de Produkte <br />
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SAMSON AG • MESS- UND REGELTECHNIK<br />
Weismüllerstraße 3 • 60314 Frankfurt am Main<br />
Telefon: 069 4009-0 • Telefax: 069 4009-1507<br />
E-Mail: samson@samson.de • www.samson.de
anche<br />
Zur Simulation bietet Siemens Industry Solutions zwei<br />
Systeme: Mit Simit werden sowohl die Signale als auch<br />
die Aktoren (zum Beispiel Motor) und Sensoren (beispielsweise<br />
Lichtschranke) simuliert. Das Ganze kann<br />
ausgebaut werden und ist skalierbar bis zur vollen Verhaltenssimulation.<br />
Die Projektierung der Simulation<br />
geschieht grafisch und ist leicht zu erlernen. Damit lässt<br />
sich eine simulierte Anlage über Orginalbussysteme wie<br />
Profinet und Profibus an eine echte Steuerung anschließen.<br />
Failsafe-Signale können ebenfalls simuliert werden,<br />
das heißt, die Steuerungssoftware bleibt unverändert.<br />
Simit-Emu emuliert Steuerungen des Typs Simatic-S7.<br />
Das heißt, die Anwendersoftware der Steuerungen läuft<br />
auf einer PC-Plattform. Diese Plattform emuliert zusätzlich<br />
das Verhalten und viele Eigenschaften einer Steuerung,<br />
beispielsweise bezüglich Failsafe oder der Kommunikation<br />
mit weiteren emulierten Steuerungen, aber<br />
auch in einer gemischten Konfiguration mit echten Steuerungen.<br />
Das größte bisher emulierte System umfasst 59<br />
Steuerungen.<br />
TRAININGSSZENARIEN MIT ECHTER APPLIKATION<br />
In kleineren Fällen kann ein solches System sogar auf nur<br />
einem PC installiert werden. Bei größeren Systemen lassen<br />
sich die einzelnen Applikationen frei im Netzwerk<br />
verteilen. Ein Knopfdruck genügt, um den Zustand aller<br />
Steuerungen und der Simulation gleichzeitig und zu jeder<br />
Zeit zu speichern und wieder aufzurufen. Dabei kann der<br />
Zeitpunkt der zu speichernden Situation auch in der Vergangenheit<br />
liegen. Die Vorbereitung, Speicherung und<br />
Durchführung <strong>von</strong> Test-, Debugging- und Abnahmeszenarien<br />
werden damit sehr einfach. Vor allem Szenarien,<br />
die auf der Anlage möglichst nicht durchgeführt werden<br />
sollten (Gefährdung <strong>von</strong> Mensch, Maschine oder Umwelt),<br />
lassen sich so gefahrlos abnehmen.<br />
Mit einer vollständig virtuellen Plattform und der<br />
Möglichkeit, komplexeste Zustände auf Knopfdruck zu<br />
speichern, lässt sich auch ein Trainings- und Know-how-<br />
Managementsystem einfach aufbauen. Denn für jedes zu<br />
trainierende Szenario wird der Anfangszustand gespeichert<br />
und ist sofort wieder abrufbar. Damit ist das System<br />
auch für kurze Trainingszeiten nutzbar, zum Beispiel<br />
während einer Gerätewartung. Da auf der Plattform<br />
die echten Applikationen der Steuerungsebene und der<br />
Prozessleitebene laufen, lernt der Bediener genau mit<br />
einer Replika seiner eigenen Anlage.<br />
SIMULATION IST IN DER PRAXIS BEREITS REALITÄT<br />
Somit lassen sich Szenarien testen, wie zum Beispiel das<br />
Hoch- und Herunterfahren <strong>von</strong> Anlagen und Applikationen,<br />
ein Produkt- oder Produktmixwechsel, ein Lastwechsel<br />
oder verschiedene Fehlerszenarien. Das können<br />
beispielsweise fehlende Rückmeldungen, Rohrleitungsleckagen,<br />
Blockierung <strong>von</strong> Antrieben oder der Ausfall <strong>von</strong><br />
Messaufnehmern sein.<br />
In einem weiteren Schritt kann jede Änderung am laufenden<br />
System in der virtuellen Umgebung evaluiert und<br />
die Installation gefahrlos ausprobiert werden. Da nur<br />
evaluierte Veränderungen eingebracht werden, erhöht<br />
sich dadurch auch die Verfügbarkeit der Anlage.<br />
Beispiele zeigen die Vorteile in der Praxis. Beim Test<br />
<strong>von</strong> Software in der Zementindustrie waren früher etwa<br />
zwei Wochen Aufwand zur Vorbereitung für den Factory<br />
Acceptance Test (FAT: Abnahmetest) notwendig. Für<br />
die Entfernung aller Testmodifikationen musste eine<br />
weitere Woche eingerechnet werden. Es blieb die Unsicherheit,<br />
ob alle Testmodifikationen wieder entfernt<br />
wurden, was auf der Anlage zu Fehlverhalten führen<br />
konnte. In den eigentlichen Tests ließ sich nur eine geringe<br />
Testtiefe erreichen. Zudem wurden nur Teiltests<br />
durchgeführt.<br />
Heute wird der Test mithilfe <strong>von</strong> Simulation durchgeführt.<br />
Diese wird zu einem großen Teil generiert. Die<br />
Vorbereitungszeit ist auf zirka zwei Tage geschrumpft. Da<br />
mit dem Ziehen des Steckers alle Simulationsfunktionen<br />
definitv entfernt sind, entfällt auch die Nachbereitung.<br />
Der Fall des holländischen Wasserversorger PWN (Waterleidingsbedrijf<br />
Noord-Holland) zeigt den Einsatz einer<br />
kompletten virtuellen Plattform in der Wasseraufbereitung<br />
(<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> berichtete in Ausgabe 3/2011, S. 62-63).<br />
Bei PWN wurde mit zehn virtuellen Steuerungen, dem<br />
Simulationssystem und den realen Engineeringsystemen<br />
die gesamte Software konzipiert, getestet und Trainingsszenarien<br />
entwickelt.<br />
Die virtuelle Fabrik und das virtuelle Automatisierungssystem<br />
für die Softwareentwicklung, den Softwaretest<br />
und die Bedienerschulung sind also bereits<br />
Wirklichkeit, zum Beispiel in der Kohlevergasung, in<br />
Kraftwerken, in der Chemie, Autoindustrie, Zementindustrie,<br />
Marine, Metallindustrie und vielen Branchen<br />
mehr. Und die Akzeptanz virtueller Systeme für obige<br />
Aufgaben wächst ständig, da auch der Druck steigt, effizienter<br />
zu entwickeln und zu testen.<br />
Autor<br />
Siemens Solutions Division,<br />
Werner-<strong>von</strong> Siemens-Str. 60,<br />
D-91052 Erlangen,<br />
Tel. +49 (0) 9131 72 37 25,<br />
E-Mail: ifflaender@siemens.com<br />
Dipl. Ing. (FH) Bernhard<br />
Iffländer leitet das<br />
Simulation Center der<br />
Siemens AG.<br />
24<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
<strong>atp</strong> kompakt<br />
Methoden Verfahren Konzepte<br />
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für<br />
Abonnenten<br />
der <strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
Die Automatisierungstechnik wird durch neue Forschungen und Entwicklungen bestimmt. Damit Ingenieure<br />
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Herausgeber Prof. Dr.-Ing. Frank Schiller leitet am Lehrstuhl für Informationstechnik im Maschinenwesen der<br />
TU München das Fachgebiet Automatisierungstechnik.<br />
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hauptbeitrag<br />
<strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme<br />
<strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong><br />
Werkstückträgertransfersysteme simulieren<br />
Die virtuelle Produktion kann insbesondere im Rahmen einer virtuellen Inbetriebnahme<br />
dazu beitragen, Fertigungsanlagen mit hoher Qualität in kürzerer Zeit zu errichten. Zur<br />
Realisierung wird idealerweise ein 3-D Modellierungs- und Simulationssystem eingesetzt.<br />
Dabei liegt – wie dieser Beitrag beschreibt – ein Schwerpunkt auf der Integration <strong>von</strong><br />
werkstückträgerbasierten <strong>Transportsystemen</strong>, da diese hinsichtlich der in großem Umfang<br />
genutzten Sensoren und Aktoren sehr komplex sind. Hier können Ingenieure mithilfe<br />
eines digitalen Modells Steuerungsprogramme erstellen und verifizieren, lange bevor die<br />
reale Anlage aufgebaut wird.<br />
SCHLAGWÖRTER <strong>Virtuelle</strong> Produktion / <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme / Werkstückträgertransfersysteme<br />
/ Modellierung / Simulation<br />
Virtual Production for Carrier-based Transport Systems –<br />
Modeling and Simulation for Virtual Commissioning<br />
Virtual Production methods, especially Virtual Commissioning, are powerful means to<br />
build high-quality production lines in less time. A common means to achieve this, is the<br />
application of 3-D modeling and simulation systems. Here, the integration of carrier-based<br />
transport systems is of special interest. This is because of their high complexity due to<br />
the huge number of applied sensors and actors. With the help of Virtual Commissioning,<br />
engineers can develop and verify the according control programs long before the actual<br />
production line is built.<br />
KEYWORDS Virtual Production / Virtual Commissioning / Transport Systems / Modeling /<br />
Simulation<br />
26<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Jürgen RoSSmann, RWTH Aachen<br />
Oliver Stern, Roland Wischnewski, RIF e.V., Dortmund<br />
Automatisierte Fertigungsanlagen sind in vielen<br />
Industriezweigen im Einsatz, wobei die Komplexität<br />
des mechanischen und elektrischen<br />
Aufbaus sowie der eingesetzten Steuerungsprogramme<br />
die gemeinsame Problematik bilden.<br />
Dies führt oft zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten<br />
im Engineering, wodurch sich der Produktionsstart<br />
erheblich verzögern kann. Methoden der virtuellen Produktion<br />
werden <strong>von</strong> führenden Unternehmen hier bereits<br />
angewandt, um solche Risiken zu reduzieren. Die<br />
damit verbundenen zusätzlichen Planungsprozesse und<br />
die daraus resultierenden Kosten werden akzeptiert, weil<br />
über die gesamte Projektlaufzeit – insbesondere auch bei<br />
der Inbetriebnahme der realen Anlage – eine Zeit- und<br />
Kostenersparnis erwartet wird.<br />
Ein generelles Problem dieses Ansatzes ist, dass in der<br />
Regel nur große Unternehmen die teure PLM- und CAD-<br />
Software anschaffen und das benötigte spezialisierte<br />
Personal vorhalten können, um die virtuelle Produktion<br />
im gesamten Anlagenlebenszyklus sinnvoll einsetzen<br />
zu können. Im Gegensatz dazu nutzen kleine und mittlere<br />
Unternehmen (KMU) das digitale Engineering nur<br />
in ausgewählten Projektphasen. In diesem Beitrag wird<br />
als Lösungsansatz eine Vorgehensweise präsentiert, die<br />
insbesondere die <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme (VIBN) <strong>von</strong><br />
Fertigungsanlagen mit spurgeführten Werkstückträgertransfersystemen<br />
[1] kostengünstig ermöglichen kann.<br />
1. <strong>Virtuelle</strong> Produktion<br />
Auch bei einem einfach gehaltenen Ansatz muss die virtuelle<br />
Produktion notwendigerweise alle wesentlichen<br />
Phasen im Lebenszyklus einer Fertigungsanlage unterstützen,<br />
das heißt Planung, Konstruktion, Programmierung,<br />
Inbetriebnahme und Wartung. Insbesondere KMU<br />
setzen hier unterschiedliche Werkzeuge in den einzelnen<br />
Phasen ein, was dazu führt, dass die digitalen Modelle<br />
zwischen den Abteilungen und Projektphasen nur mit<br />
sehr großem Konvertierungsaufwand und hohem Informationsverlust<br />
ausgetauscht werden können. Um dies zu<br />
vermeiden, muss ein entsprechendes Softwarewerkzeug<br />
dazu in der Lage sein, alle Hauptphasen abzudecken [2].<br />
Zusätzlich ist für eine hohe Akzeptanz ausschlaggebend,<br />
dass sich vorhandene Prozesse im betrieblichen Arbeitsablauf<br />
gut abbilden lassen. Da durch den Softwareeinsatz<br />
üblicherweise eine strengere Einhaltung dieses Workflows<br />
erzwungen wird, kann der Einsatz eines solchen<br />
Werkzeugs schon <strong>von</strong> sich aus dazu beitragen, Probleme<br />
in den einzelnen Projektphasen zu identifizieren.<br />
Bild 1 zeigt den Ablauf der Phasen im Engineering einer<br />
automatisierten Fertigungsanlage, die in einem umfassenden<br />
Werkzeug für die virtuelle Produktion Berücksichtigung<br />
finden müssen. Die Hauptaufgaben liegen dabei im<br />
mechanischen Anlagendesign unter Berücksichtigung des<br />
Fabriklayouts, der elektrischen Verdrahtung zum Verbinden<br />
<strong>von</strong> Feldgeräten und Steuerungen sowie der Auslegung<br />
der zugehörigen Steuerungsprogramme. Die dabei<br />
entstehenden Lösungen können dann im Rahmen des virtuellen<br />
Anlagenbetriebs ausführlich getestet werden.<br />
Der durchgängige Einsatz eines solchen Softwarewerkzeugs<br />
ermöglicht die einfache Rückführung kleinerer<br />
Änderungen in vorgelagerte Engineeringphasen. Insbesondere<br />
Ergebnisse des virtuellen Betriebs können sich<br />
entsprechend auswirken, zum Beispiel müssen Hubeinheiten<br />
eines Transportsystems neu auf dem Band positioniert<br />
werden, wenn einzelne Positionen <strong>von</strong> Robotern<br />
nicht erreicht werden können. Wenn die Änderungen<br />
mittels eines neuen Simulationslaufs dann validiert sind,<br />
können sie an das Inbetriebnahmeteam weitergegeben<br />
werden. Während der VIBN können aber auch Probleme<br />
aufgedeckt werden, die zu größeren Rückflüssen führen,<br />
welche sich nicht mittels kleiner Anpassungen im digitalen<br />
Modell lösen lassen. Für solche Varianten muss<br />
dann unter Umständen ein neues Modell erstellt werden,<br />
das erneut in allen Phasen überprüft wird.<br />
Generell geht es bei der Modellierung immer darum, einen<br />
Kompromiss zwischen einfacher und benutzerfreundlicher<br />
Vorgehensweise einerseits und einem detaillierten<br />
und exakten digitalen Modell andererseits zu finden. Um<br />
beide Ziele gleichzeitig erreichen zu können, wurde ein<br />
zweistufiges Modellierungskonzept entwickelt. Die sys-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
27
Hauptbeitrag<br />
temnahe Modellierung wird dabei <strong>von</strong> Simulationsexperten<br />
durchgeführt, die genaue Kenntnisse über die abzubildenden<br />
Geräte besitzen. Die eingesetzten Softwaresysteme<br />
bieten zwar viele Möglichkeiten zum Aufbau realitätsnaher<br />
Modelle, die Ingenieure benötigen aber dennoch ein gewisses<br />
Maß an Training und – insbesondere bei komplexen<br />
Komponenten – einige Erfahrung. Auf einer abstrakteren<br />
Modellierungsebene können dann auch Anlageningenieure<br />
ohne tiefes Simulationswissen solche systemnah vorgefertigten<br />
Modelle einfach miteinander kombinieren.<br />
1.1 Mechanisches und elektrisches Modell<br />
Üblicherweise werden während der mechanischen Konstruktion<br />
bekannte Bauteile aus Katalogen mittels 2-Doder<br />
3-D-CAD-Werkzeugen positioniert und zu einer Gesamtanlage<br />
zusammengesetzt. Im hier beschriebenen<br />
Ansatz erfolgt dieser Schritt bereits innerhalb der Simulationssoftware.<br />
Dazu stellen Bibliotheken optisch und<br />
funktional korrekte Modelle wie zum Beispiel Transportbänder,<br />
Werkstückträger zur Verfügung. Nicht vorhandene<br />
Komponenten können aus einem CAD-System importiert<br />
und dann mit funktionalem Verhalten ergänzt werden.<br />
Viele mechanische Bewegungen können dabei auf<br />
Linear- oder Drehachsen, kinematische Ketten, Greifmechanismen<br />
oder beschränkte Freiheitsgrade abgebildet<br />
werden. Verschiedene Modellzustände werden durch manuellen<br />
Eingriff herbeigeführt oder durch simulierte Sensorsignale<br />
erkannt, sodass bereits in einer frühen Projektphase<br />
ein funktionsfähiges Simulationsmodell vorliegt.<br />
Mithilfe eines solchen Modells kann schon eine erste<br />
Taktzeitermittlung durchgeführt werden. Bild 2 zeigt<br />
wie Aktoren und Aktionsinstanzen in Taktzeitdiagram-<br />
BILD 1: <strong>Virtuelle</strong>s Engineering<br />
für eine Fertigungsanlage<br />
BILD 2: Ermittlung <strong>von</strong> Taktzeiten<br />
BILD 3: Verbindung einer externen<br />
Steuerung mit dem Simulationssystem<br />
via OPC: E/As <strong>von</strong> Steuerungen sind<br />
direkt sichtbar und können mit E/As<br />
<strong>von</strong> Komponenten verbunden werden.<br />
28<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
men miteinander verbunden werden, um die gewünschte<br />
Ausführungsreihenfolge festzulegen. Die Gesamttaktzeit<br />
kann dann entlang des kritischen Pfades eines solchen<br />
Netzes abgelesen werden. Diese Taktzeitdiagramme<br />
können auch verwendet werden, um direkt das Simulationsmodell<br />
zu steuern und um SPS-Programme zu erzeugen.<br />
Versuche mit Modellvarianten helfen so, die<br />
Produktionsprozesse bereits in einer frühen Engineeringphase<br />
zu optimieren.<br />
Auf Basis des funktionalen mechanischen Modells wird<br />
in einem weiteren Schritt ein Stromlaufplan für die Fertigungsanlage<br />
erstellt. Dazu werden im Rahmen der elektrischen<br />
Modellierung E/A-Module sowie Ventilinseln definiert<br />
und verschaltet. Manchmal besitzt das Modell eines<br />
Feldgerätes hierbei nicht die originale E/A-Anschaltung.<br />
In einem solchen Fall kann dem Simulationsmodell ein<br />
Logikkonverter vorgeschaltet werden, der die Originalbelegung<br />
herstellt, um so die realen Steuerungsprogramme<br />
unverändert testen zu können. In diesem Engineeringschritt<br />
ist es außerdem besonders wichtig, die einzelnen<br />
E/As manuell schalten und das logische Verhalten detailliert<br />
in der Simulation beobachten zu können.<br />
1.2 Steuerungsprogramme<br />
Ein wesentlicher Vorteil der virtuellen Produktion ist<br />
die Möglichkeit, Steuerungsprogramme gegen ein realitätskonformes<br />
Simulationsmodell testen zu können,<br />
ohne den realen Anlagenaufbau zu benötigen. Die Programmierung<br />
kann dann viel früher beginnen, was aufgrund<br />
des Zeitvorteils beim Testen zu besseren Steuerungsprogrammen<br />
zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme<br />
führt. Dabei ist insbesondere entscheidend, dass die<br />
Steuerungsprogramme im Simulationssystem in den<br />
Originalsprachen verwendet werden können, um die<br />
direkte Verwendbarkeit auf der realen Fertigungsanlage<br />
ohne Konvertierung sicherzustellen.<br />
SPS-Programme können hierbei in der originalen Entwicklungsumgebung<br />
des jeweiligen Herstellers (zum Beispiel<br />
Siemens STEP 7) erstellt und innerhalb des Simulationssystems<br />
interpretiert werden [3]. Auch der Ablauf auf<br />
der Originalhardware mit einer Simulationskopplung mittels<br />
OPC [4] und Hardware-in-the-Loop (HiL) oder die Verbindung<br />
mit einem SPS-Emulator wie beispielsweise Siemens<br />
PLCsim sind möglich. Bild 3 zeigt, wie E/As einer<br />
externen SPS mithilfe eines Steuerungsobjekts in die Simulationsumgebung<br />
integriert werden. Für die Modelle<br />
der einzelnen Feldgeräte ist die elektrische Anbindung<br />
damit vollkommen transparent, das heißt eine Unterscheidung<br />
je nach Art der elektrischen Ansteuerung ist nicht<br />
nötig. Hierdurch wird es sehr einfach, die unterschiedlichen<br />
Kopplungsarten zu verwenden und auszutauschen.<br />
Eine weitere Möglichkeit zur Erstellung <strong>von</strong> SPS-Programmen<br />
ist die Verwendung der beschriebenen Taktzeitdiagramme.<br />
Diese Sequenzen definieren Aktionen <strong>von</strong><br />
Aktoren innerhalb des Modells und können die Simulation<br />
direkt steuern. Dies funktioniert allerdings nur in eine<br />
Richtung, da Systemantworten aus dem Modell in Form<br />
<strong>von</strong> elektrischen Signalen (zum Beispiel digitale Ausgangswerte<br />
eines Sensors) nicht ausgewertet werden. Um solche<br />
Signale in die Taktzeitdiagramme zu integrieren, werden<br />
die Aktionen der Aktoren mit Anfangs- und Endbedingungen<br />
ergänzt, die erfüllt sein müssen, bevor eine Aktion<br />
ausgeführt werden kann. Diese erweiterten Taktzeitdiagramme<br />
enthalten dann alle notwendigen Informationen,<br />
um bidirektional mit dem Simulationsmodell interagieren<br />
zu können. Diese Darstellungsform kann automatisch in<br />
die Ablaufsprache (AS) nach IEC 61131-3 überführt werden,<br />
um damit die Simulation zu steuern. Außerdem ermöglicht<br />
das eingesetzte Simulationssystem einen Export dieser<br />
Ablaufdiagramme, um sie anschließend in eine SPS-Entwicklungsumgebung<br />
zu importieren.<br />
1.3 <strong>Virtuelle</strong> Inbetriebnahme<br />
Nachdem die Phasen der mechanischen und elektrischen<br />
Modellierung sowie der Steuerungsprogrammierung<br />
durchlaufen wurden, kann das digitale Gesamtmodell<br />
einer Fertigungsanlage im Rahmen einer VIBN eingehend<br />
untersucht werden. Dazu wird die digitale Anlage in 3-D<br />
realzeitsynchron simuliert, wobei die originalen Steuerungsprogramme<br />
zum Einsatz kommen. Hiermit können<br />
die einzelnen Planungsstände validiert und Fehler oder<br />
Probleme aufgedeckt werden. Dabei umfasst die Simulation<br />
die folgenden Möglichkeiten:<br />
Mehrrobotersimulation mit den originalen Roboterprogrammen<br />
SPS-Simulation mit Taktzeitdiagrammen, Ablaufdiagrammen<br />
oder originalen Steuerungsprogrammen<br />
Simulation <strong>von</strong> Aktoren und Sensoren<br />
Transportsimulation für spurgeführte Werkstückträgertransfersysteme<br />
Anbindung <strong>von</strong> originalen Mensch-Maschine-<br />
Schnittstellen (HMI) an das Simulationsmodell<br />
Die Simulation <strong>von</strong> Robotern und <strong>Transportsystemen</strong> erlaubt<br />
die realitätsnahe Abbildung unterschiedlichster<br />
Gerätetypen verschiedener Hersteller, wobei die Programmierung<br />
der Roboter und SPSen in den Originalsprachen<br />
erfolgt. Externe Steuerungen, zum Beispiel der Stäubli<br />
CS8-Emulator oder Siemens PLCsim können ebenfalls an<br />
die Simulation gekoppelt werden und Achswerte senden<br />
oder E/A-Werte austauschen. Durch die Verwendung dieser<br />
externen Steuerungen werden die erzielbaren Taktzeitaussagen<br />
noch präziser. Insgesamt kann die VIBN so<br />
Probleme bereits in frühen Projektphasen aufdecken, teure<br />
Inbetriebnahmezeit vor Ort einsparen und einen früheren<br />
Produktionsstart ermöglichen.<br />
2. Integration <strong>von</strong> <strong>Transportsystemen</strong><br />
Da automatisierte Fertigungsanlagen oft spurgeführte<br />
Transportsysteme beinhalten, muss das Simulationssystem<br />
dazu in der Lage sein, diese zu modellieren, zu simulieren<br />
und zu steuern. Ein Konzept, um dies zu erreichen,<br />
wird in [5] und [6] detailliert dargestellt; das zugrunde<br />
liegende Simulationssystem wird in [7] diskutiert.<br />
Die folgenden Abschnitte konzentrieren sich<br />
deshalb auf die Anwendung dieser Technologie für die<br />
VIBN, hier insbesondere bei der Simulation <strong>von</strong> Werkstückträgertransfersystemen.<br />
2.1 Modellierung<br />
Das erwähnte Konzept der zweistufigen Modellierung<br />
lässt sich auch auf Transportsysteme anwenden. In der<br />
systemnahen Modellierung werden dabei Transportkom-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
29
Hauptbeitrag<br />
ponenten technisch detailliert abgebildet. Bild 4 zeigt<br />
die Kombination einer „toten“ CAD-Geometrie mit einem<br />
„unsichtbaren“ funktionalen Bibliotheksmodell. Dieses<br />
definiert ein Transportsegment zwischen zwei Knoten<br />
und kann einfach skaliert werden, um die Länge dem<br />
CAD-Modell anzupassen.<br />
Wenn eine Komponente ohne Verzerrungen intuitiv<br />
skalierbar sein soll, müssen die Einzelteile der Baugruppe<br />
mit Regeln ausgestattet werden, die unscharfe Kommandos<br />
wie zum Beispiel „Gesamtlänge 1200 mm“ interpretieren<br />
können. Diese werden dann in exakte Angaben<br />
für die einzelnen geometrischen und funktionalen<br />
Teilelemente überführt. Bild 5 zeigt zwei Beispiele für<br />
diese „intelligente“ Skalierung. Wenn das komplette<br />
Transportband links in der Länge gestreckt wird, darf<br />
der Motor nicht mitskaliert sondern er muss an eine neue<br />
Position versetzt werden. Zusätzlich wird auch das funktionale<br />
Transportsegment angepasst. Bei einer Längenanpassung<br />
der Transportstrecke auf der rechten Seite<br />
werden im richtigen Abstand neue Tragrollen auf dem<br />
gestreckten Element repliziert.<br />
Sobald das Modell einer Transportbaugruppe systemnah<br />
modelliert und erfolgreich getestet wurde, kann es<br />
in eine Bibliothek für die abstrakte Modellierung übernommen<br />
werden. Bild 6 zeigt ein typisches Beispiel für<br />
die Nutzung solcher vormodellierten Komponenten auf<br />
einer höheren Modellierungsebene. Eine Transportband,<br />
ein Kurvenelement, eine Hubeinheit und zwei Stopper<br />
werden aus der Modellbibliothek instanziiert und dem<br />
Gesamtmodell hinzugefügt. Anschließend werden diese<br />
Baugruppen mit Hilfe der Maus an die gewünschte Stelle<br />
im 3-D-Raum gezogen, wo sie automatisch mit den<br />
weiteren Komponenten funktional und geometrisch verbunden<br />
werden, wodurch ein voll funktionsfähiger<br />
Transportabschnitt entsteht. Hierbei müssen keine zusätzlichen<br />
Daten eingegeben werden, da die Gesamtfunktion<br />
durch die Aggregation der Daten in den Baugruppenmodellen<br />
bestimmt wird.<br />
2.2 Simulation<br />
Wenn das Transportsystem und die Werkstückträger<br />
auf die beschriebene Art modelliert und zusammengesetzt<br />
wurden, ist das Gesamtmodell komplett für die<br />
Simulation vorbereitet, wobei das Simulationskonzept<br />
dabei einen hybriden Ansatz verfolgt. Die Transportsimulation<br />
wurde in ein Simulationssystem eingebettet,<br />
dem ein zeitdiskreter Ansatz mit festen Zeitschritten<br />
zugrunde liegt. Diese zeitbasierte Simulation wird<br />
für alle Roboter, SPSen, Aktoren und Sensoren des Modells<br />
eingesetzt. Da Transportprozesse sehr zeitkritisch<br />
sind, nutzt die Transportsimulation eine ereignisbasierte<br />
Simulation innerhalb jedes einzelnen Zeitschritts<br />
des „umgebenden“ Simulationssystems. Dabei wird der<br />
Zeitpunkt jedes einzelnen Transportereignisses exakt<br />
berechnet. Ein solches Ereignis ist zum Beispiel das<br />
Auffahren eines Werkstückträgers auf einen Stopper<br />
oder einen weiteren Werkstückträger.<br />
Da der Zustand des Gesamtmodells für jeden Zeitschritt<br />
bestimmt und die 3-D-Szene dann neu gezeichnet<br />
wird, kann die Simulation in Echtzeit direkt verfolgt<br />
werden [8]. Während der laufenden Simulation werden<br />
ständig Benutzereingaben abgefragt, sodass jederzeit die<br />
Ansicht verändert oder mit der virtuellen Anlage interagiert<br />
werden kann. Hierdurch kann beispielsweise ein<br />
Träger vom Band entfernt und an einer anderen Stelle<br />
wieder eingesetzt werden, um die Reaktion der Steuerung<br />
zu überprüfen.<br />
Bei der Simulation der Transportprozesse werden die<br />
Bewegungen der Werkstückträger entlang <strong>von</strong> geometrischen<br />
Pfaden berechnet. Dabei können den Transportbändern<br />
und/oder den Werkstückträgern Antriebe mit<br />
einer Maximalgeschwindigkeit v und einer Beschleunigung<br />
a zugeordnet werden. Die Simulation berücksichtigt<br />
dann auch physikalische Effekte wie Gravitation<br />
und Gleitreibung. Letzteres erfordert die Vorgabe <strong>von</strong><br />
globalen oder lokalen Gleitreibungskoeffizienten µK. Die<br />
hierfür entwickelte Berechnungsmethode benötigt keinerlei<br />
Massen der Werkstückträger oder der transportierten<br />
Objekte, sodass der Aufwand zur Erhebung der<br />
Modellparameter gering ist. Das Kontaktverhalten der<br />
Werkstückträger wird auf Basis der geometrischen Hülle<br />
simuliert. Bild 7 zeigt hierzu den Ausschnitt eines<br />
Transportmodells mit Werkstückträgern, die sich in einer<br />
Kurve aufstauen.<br />
3. Nutzung <strong>von</strong> virtueller Realität (VR)<br />
Eine entscheidende Eigenschaft der virtuellen Produktion<br />
ist die Möglichkeit, Ideen, Designs und Prozesse<br />
mit Hilfe <strong>von</strong> hochwertigen digitalen 3-D-Modellen und<br />
Simulationsergebnissen zu kommunizieren. Diese<br />
Kommunikation kann noch weiter verbessert werden,<br />
wenn die Präsentation der Modelle auf großen Bildschirmen<br />
mit Hilfe <strong>von</strong> 3-D-Stereoprojektion erfolgt.<br />
Derartige Systeme werden zum Beispiel im Rahmen des<br />
Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) bereits<br />
exemplarisch eingesetzt [9]. Die höchste Ausbaustufe<br />
ist dann die Nutzung einer 360° Stereo-Projektionsumgebung,<br />
in der sich der Betrachter frei bewegen und<br />
dabei die gesamte Anlage beobachten und im Idealfall<br />
auch mit ihr interagieren kann.<br />
Allgemein werden die im Rahmen des virtuellen Engineering<br />
erstellten Anlagenmodelle jedoch kaum in<br />
VR-Anwendungen weiter genutzt. Stattdessen werden<br />
einfache Teilmodelle für die VR parallel erstellt, was<br />
eine VR-gestützte VIBN unmöglich macht. Eine Verwendung<br />
funktionaler Modelle der virtuellen Produktion<br />
in der VR kann jedoch deren gewinnbringenden<br />
Einsatz weiter steigern.<br />
Die Nebenläufigkeit der beiden Vorgehensweisen<br />
kann beseitigt werden, indem beim virtual engineering<br />
ein Simulationssystem verwendet wird, welches<br />
auch die Methoden der VR unterstützt. Die durchgängige<br />
Integration <strong>von</strong> Methoden der VR in das betriebliche<br />
virtual engineering eröffnet Unternehmen so die<br />
Möglichkeit, die VR in jeder Projektphase unkompliziert<br />
zu nutzen. Sie begleiten durch die Unterstützung<br />
etwa <strong>von</strong> Marketing, Schulung und Weiterentwicklung<br />
das Fertigungssystem in seinem Lebenszyklus<br />
deutlich über den Produktionsstart hinaus. Durch die<br />
Minimierung <strong>von</strong> Schnittstellen gewährleistet diese<br />
vereinheitlichende Betrachtung den nahtlosen Übergang<br />
zwischen den einzelnen Phasen im Anlagenlebenszyklus<br />
[10].<br />
Eine wesentliche Anforderung an die virtuelle Realität<br />
im Umfeld des Engineering <strong>von</strong> Fertigungsanlagen ist,<br />
dass die Nutzer in intuitiver Weise mit dem digitalen<br />
Modell interagieren müssen. Ein Simulationssystem das<br />
hier zum Einsatz kommt, muss also über die Fähigkeit<br />
30<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
BILD 4: Systemnahe Modellierung eines Transportbandes<br />
durch Kombination einer „toten“ Geometrie mit einem<br />
„unsichtbaren“ funktionalen Modell<br />
BILD 5: Intelligente Skalierung <strong>von</strong> Transportkomponenten<br />
BILD 6: Abstrakte Modellierung: automatisches<br />
Verbinden <strong>von</strong> Bibliothekskomponenten in 3-D<br />
BILD 7:<br />
Abschnitt eines<br />
Transportsystems:<br />
Werkstückträger stauen<br />
sich in einer Kurve.<br />
verfügen, jederzeit während der laufenden Simulation<br />
auf Änderungen des Modells <strong>von</strong> außen zu reagieren,<br />
wobei unterschiedliche Methoden für die Benutzerinteraktion<br />
verwendet werden können [11].<br />
Möglichkeiten zur Manipulation des Simulationsmodells<br />
beinhalten zum Beispiel das Drücken <strong>von</strong> virtuellen<br />
Schaltern, den Umgang mit Fertigungseinrichtungen<br />
oder das Bewegen <strong>von</strong> Werkstücken. Bild 8 zeigt im oberen<br />
Bereich eine Aufnahme, die in einer siebenseitigen<br />
Stereo-Rückprojektionsumgebung aufgenommen wurde.<br />
Bei dem Modell handelt es sich um eine komplette Fabrik<br />
mit einem Werkstückträgertransfersystem. Im Bild<br />
nimmt der Anwender einen Werkstückträger <strong>von</strong> einem<br />
Transportband, um ihn zu inspizieren und die Reaktion<br />
des Steuerungsprogramms auf diese Aktion zu untersuchen.<br />
Hier wird erkennbar, dass es für den Arbeitsfluss<br />
<strong>von</strong> entscheidender Bedeutung ist, dass die Modelle und<br />
Interaktionsmöglichkeiten in der VIBN und der VR übereinstimmen.<br />
Dies wird durch die in Bild 8 dargestellte<br />
Systemstruktur gewährleistet.<br />
4. Anwendungsbeispiele<br />
Bild 9 zeigt ein Transportsystem mit Bandstrecken, Kurven,<br />
einem geneigten Band, einem Aufzug, Hubquereinheiten,<br />
Hubpositioniereinheiten und einigen Werkstückträgern.<br />
Die Steuerungsprogramme für alle Komponenten<br />
wurden in der Entwicklungsumgebung für Siemens<br />
Step7 erstellt und zur internen Interpretation in einer<br />
virtuellen SPS in das Simulationssystem importiert.<br />
Bild 10 stellt das Modell einer umlaufenden Produktionslinie<br />
dar, die bei der Anlagenplanung aufgebaut wurde,<br />
um eine VIBN durchzuführen. Die Methoden der<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
31
Hauptbeitrag<br />
BILD 8: Systemstruktur mit VR für die VIBN<br />
BILD 10: <strong>Virtuelle</strong> Fabrik: Werkstückträger transportieren<br />
Material zu Roboterarbeitsstationen.<br />
BILD 9: Modell eines<br />
komplexen Transportsystems<br />
Bild 11: Übergabe eines Werkstückträgers<br />
an einen virtuellen Werker<br />
Transportsimulation dienen dem Transport <strong>von</strong> Werkstückträgern<br />
über ein Bandsystem zwischen den einzelnen<br />
Roboterarbeitsstationen. Die Orientierung der Werkstückträger<br />
kann anhand einer farblichen Markierung,<br />
die in den Stationen <strong>von</strong> einem Farbsensor ausgelesen<br />
wird, ermittelt werden. Es ist also möglich, einen Werkstückträger<br />
an einer beliebigen Stelle zu entnehmen und<br />
an einer anderen Stelle in beliebiger Orientierung wieder<br />
einzulasten.<br />
Bild 11 zeigt eine Möglichkeit zur Interaktion während<br />
einer VIBN. Ein entnommener Werkstückträger kann zu<br />
einem Werker in der virtuellen Welt hin bewegt werden.<br />
Bei ausreichender Nähe erscheint vor dem Werker die<br />
Metapher einer Ablageposition. Der Träger kann nun losgelassen<br />
werden und wird automatisch dem Werker<br />
übergeben. Dieser führt dann eine <strong>von</strong> verschiedenen<br />
vordefinierten Aufgaben aus. Im Bild rechts wird der<br />
entnommene Werkstückträger wieder in das Transportsystem<br />
eingelastet.<br />
Während die Interaktion mit dem Simulationsmodell<br />
stattfindet, werden alle anderen Komponenten des Modells<br />
normal weiter simuliert: Die Werkstückträger kreisen<br />
im System und die Roboter bearbeiten Werkstücke<br />
mit originalen Roboterprogrammen. So kann im Rahmen<br />
einer VIBN auf die gleiche Art und Weise mit einem Simulationsmodell<br />
interagiert werden wie mit der realen<br />
Fertigungsanlage.<br />
Zusammenfassung<br />
Zur virtuellen Inbetriebnahme <strong>von</strong> Transportprozessen mit<br />
einem 3-D-Simulationssystem wurden Verfahren zur Modellierung,<br />
Simulation und Steuerung <strong>von</strong> spurgebundenen<br />
32<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
<strong>Transportsystemen</strong> vorgestellt. Ein zweistufiges Modellierungskonzept<br />
ermöglicht dabei die detaillierte systemnahe<br />
Modellierung und eine einfache abstrakte Modellierung<br />
<strong>von</strong> Gesamtsystemen. Physikalische Effekte wie Gravitation,<br />
Gleitreibung und Kontaktverhalten werden ohne zusätzlichen<br />
Modellierungsaufwand in der Simulation berücksichtigt.<br />
Durch ein hierarchisches Simulationsverfahren<br />
erfolgt neben einer exakten Simulation der Transportprozesse<br />
auch eine Berücksichtigung der Peripherie, insbeson-<br />
dere auch <strong>von</strong> SPSen und Sensoren. Realitätskonforme E/A-<br />
Schnittstellen ermöglichen die Verwendung originaler<br />
Programme zur Steuerung der Simulationsmodelle. Während<br />
der Simulation kann ein Anwender jederzeit mit dem<br />
Modell interagieren und direkt die Reaktion der simulierten<br />
Komponenten beobachten.<br />
Manuskripteingang<br />
31.01.2011<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Referenzen<br />
Autoren<br />
[1] Roßmann, J.; Stern, O.; Wischnewski, R.: Virtual Production<br />
for Industrial Manufacturing Plants with Transport<br />
Systems. 6th EUROSIM Congress on Modelling and<br />
Simulation, Ljubljana, Slowenien, 9.-13. September 2007<br />
[2] Roßmann, J.; Stern, O.; Wischnewski, R.: Eine<br />
Systematik mit einem darauf abgestimmten Softwarewerkzeug<br />
zur durchgängigen <strong>Virtuelle</strong>n Inbetriebnahme<br />
<strong>von</strong> Fertigungsanlagen – Von der Planung über die<br />
Simulation zum Betrieb. <strong>atp</strong> Automatisierungstechnische<br />
Praxis, Jahrgang 49, Heft 7, S. 52-56, Oldenbourg<br />
Verlag, München, 2007<br />
[3] Freund, E.; Hypki, A.; Heinze, F.; Bauer, R.: COSIMIR<br />
PLC – 3D Simulation of PLC Programs. 6th IFAC<br />
Symposium on Cost Oriented Automation, Berlin,<br />
Oktober 2001<br />
[4] Iwanitz, F.; Lange, J.: OPC – Grundlagen, Implementierung<br />
und Anwendung. Hüthig Verlag, 2005<br />
[5] Wischnewski, R.; Freund, E.: Modeling, Simulation and<br />
Emulation of Modular Carrier Based Transport<br />
Systems. Proceedings of the 2004 IEEE International<br />
Conference on Robotics and Automation (ICRA); New<br />
Orleans, USA, April 2004<br />
[6] Wischnewski, R.; Roßmann, J.: A New Hybrid Time-<br />
Based / Event-Based Simulation Method for Transport<br />
Systems Considering Physical Effects, Proceedings of<br />
the 2010 IEEE Conference on Robotics, Automation and<br />
Mechatronics (RAM), Singapur, 28.-30. Juni 2010<br />
[7] Roßmann, J.; Wischnewski, R.; Stern, O.: A Comprehensive<br />
3-D Simulation System for the Virtual<br />
Production, Proceedings of the 8th International<br />
Industrial Simulation Conference (ISC), Budapest,<br />
Ungarn, 7.-9. Juni 2010, S. 109-116<br />
[8] Freund, E.; Feist, R.; Pensky, D.; Wischnewski, R.: 3-D<br />
Graphical Simulation of Complete Manufacturing<br />
Systems in Real-Time. Proceedings of the 6th IASTED<br />
Conference on Control and Applications (CA 2004);<br />
Marina del Rey, USA, März 2004<br />
[9] Aurich, J. C.; Hagen, H.; Ostermayer, D.; Bertram, M.:<br />
VR-unterstützter KVP-Workshop - Neues Anwendungsfeld<br />
des virtual engineering. wt Werkstatttechnik<br />
online, Jahrgang 96, Heft 1/2, 2006<br />
[10] Roßmann, J.; Stern, O.; Wischnewski, R.: Ein Konzept<br />
und ein Werkzeug für den durchgängigen Einsatz der<br />
VR im virtual engineering. 11. IFF-Wissenschaftstage<br />
2008; Magdeburg, 25.-26. Juni 2008<br />
[11] Roßmann, J.; Wischnewski, R.: Realitätsnahe<br />
Simulation und Visualisierung industrieller Transportprozesse<br />
in VR-Anwendungen. 6. Workshop Augmented<br />
& Virtual Reality in der Produktentstehung,<br />
Paderborn, 14.-15. Juni 2007<br />
Prof. Dr.-Ing. Jürgen<br />
RoSSmann (geb. 1964) leitet<br />
den Lehrstuhl und das<br />
Institut für Mensch-Maschine-Interaktion<br />
der RWTH<br />
Aachen. Der Schwerpunkt<br />
seiner Arbeit liegt in der<br />
Verknüpfung <strong>von</strong> Forschungsergebnissen<br />
aus den<br />
Bereichen Robotik, Simulationstechnik und<br />
virtuelle Realität zur Entwicklung neuer Konzepte<br />
der Mensch-Maschine-Kommunikation.<br />
Institut für Mensch-Maschine-Interaktion,<br />
RWTH Aachen, Ahornstr. 55, D-52074 Aachen,<br />
Tel. +49 (0) 241 802 61 01,<br />
E-Mail: rossmann@mmi.rwth-aachen.de<br />
Dipl.-Inform. Oliver Stern<br />
(geb. 1969) leitet die Abteilung<br />
Robotertechnik der Dortmunder<br />
Initiative zur rechnerintegrierten<br />
Fertigung. Er beschäftigt<br />
sich hauptsächlich mit<br />
der Integration <strong>von</strong> Steuerungs-<br />
und Robotersimulationssystemen.<br />
RIF e.V. Robotertechnik,<br />
Joseph-<strong>von</strong>-Fraunhofer-Str. 20, D-44227 Dortmund,<br />
Tel. +49 (0) 231 970 07 82, E-Mail: stern@rif-ev.de<br />
Dr.-Ing. Dipl.-Inform.<br />
Roland Wischnewski<br />
(geb. 1971) leitet die Gruppe<br />
Industrielle Simulationsverfahren<br />
der Dortmunder<br />
Initiative zur rechnerintegrierten<br />
Fertigung. Sein<br />
Arbeitsgebiet ist insbesondere<br />
die 3-D-Echtzeitsimulation<br />
komplexer Transportsysteme.<br />
RIF e.V. Robotertechnik,<br />
Joseph-<strong>von</strong>-Fraunhofer-Str. 20, D-44227 Dortmund,<br />
Tel. +49 (0) 231 970 07 79,<br />
E-Mail: wischnewski@rif-ev.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
33
hauptbeitrag<br />
Qualitätskontrolle texturierter<br />
Kunststoffoberflächen<br />
Inspektion <strong>von</strong> Bahnwaren nach dem Prägen oder Bedrucken<br />
Bedruckte oder geprägte Kunststoffoberflächen sind insbesondere in der Möbel- und Autoindustrie<br />
beliebte Dekorelemente. Mit den verfügbaren Bildverarbeitungssystemen ist<br />
nur die Inspektion unstrukturierter Folien möglich. Bei unregelmäßigen Texturen, wie<br />
zum Beispiel Kunstleder oder Holzimitat, können diese Systeme die Fehlstellen nicht <strong>von</strong><br />
der gewünschten Textur unterscheiden. Durch die Verwendung <strong>von</strong> Texturanalysealgorithmen<br />
wird auch für diese Produkte eine durchgängige Qualitätskontrolle möglich. Die<br />
Fehlstellen können in Echtzeit detektiert und klassifiziert werden.<br />
SCHLAGWÖRTER Bahninspektion / Texturanalyse / Extrusion<br />
Inline-inspection of textured plastics surfaces –<br />
Subheadline Essay englisch<br />
Embossed or printed plastic surfaces are widely used as decoration elements especially<br />
in the automotive or furniture industry. However, no inspection systems exist that can<br />
inspect products with irregular textures such as artificial leather or imitation wood.This<br />
paper describes a system for the inline inspection of extruded surfaces with irregular<br />
textures. By incorporating algorithms for texture analysis into an inspection system,<br />
defects can be reliably detected and classified at real-time.<br />
KEYWORDS web inspection / texture analysis / extrusion<br />
34<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Walter Michaeli, Klaus Berdel, Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), RWTH Aachen<br />
Eine automatische, lückenlose Qualitätskontrolle<br />
<strong>von</strong> Kunststoffhalbzeugen wie Folien oder<br />
Profilen ist unter mehreren Gesichtspunkten<br />
wichtig:<br />
Die durchgängige Qualitätssicherung während der<br />
gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts ermöglicht<br />
es, Fehler frühzeitig zu erkennen, Ausschuss<br />
zu vermeiden sowie Kosten, Material und<br />
Energie zu sparen.<br />
Erst die genaue Kenntnis der Produktqualität erlaubt<br />
es, den Herstellungsprozess zu optimieren. Dies ist<br />
insbesondere bei Einfahrprozessen, häufigen Produktwechseln<br />
oder Versuchsanlagen <strong>von</strong> Bedeutung [1].<br />
In Märkten, in denen sich die Funktionalität konkurrierender<br />
Produkte kaum unterscheidet, kann die<br />
Qualität das kaufentscheidende Kriterium sein. Optische<br />
Inspektionssysteme helfen, diese sicherzustellen<br />
und vermeiden Reklamationen [2].<br />
Die nach ISO 9000 ff. geforderte Qualitätsdokumentation<br />
wird für Kunststoffverarbeiter, insbesondere<br />
in der Automobilbranche, immer wichtiger [3].<br />
Es ist für den Menschen ab einer Laufgeschwindigkeit<br />
<strong>von</strong> zirka 30 m/min unmöglich, eine Oberfläche<br />
<strong>von</strong> Bahnenware komplett zu überprüfen. Des Weiteren<br />
lässt die Aufmerksamkeit bei langwieriger,<br />
monotoner Arbeit stark nach. Daher ist eine automatische<br />
Qualitätskontrolle in vielen Fällen sinnvoll<br />
und notwendig.<br />
Folieninspektionssysteme für transparente oder glatte,<br />
unbedruckte Folien stellen den Stand der Technik dar und<br />
sind aus Bereichen wie der Medizintechnik oder der Verpackungsbranche<br />
nicht mehr wegzudenken [3]. Auch für<br />
Oberflächen mit sehr regelmäßigen Texturmustern oder<br />
textile Gewebe gibt es inzwischen zuverlässige Inspektionssysteme<br />
[4,5]. Diese Systeme versagen jedoch, wenn<br />
die Oberflächen eine unregelmäßige Textur aufweisen.<br />
Bei der Produktion dekorativer Produkte soll der Eindruck<br />
einer strengen Periodizität jedoch vermieden werden,<br />
da er nicht „natürlich“ wirkt. Typische Beispiele<br />
sind Holzimitat oder Kunstleder für die Möbel- beziehungsweise<br />
Autoindustrie (Bild 1). Die entsprechenden<br />
Texturen werden durch Prägen oder Bedrucken aufgebracht.<br />
Dabei werden die Druck- oder Prägewalzen entweder<br />
mit sehr langen Periodenlängen versehen, die<br />
nicht mehr als periodisch wahrgenommen werden, oder<br />
es werden mehrere Texturen mit unterschiedlichen Periodenlängen<br />
überlagert.<br />
Bei der Herstellung solcher Produkte können allerdings<br />
Fehler auftreten. Einerseits sind das typische Extrusionsfehler<br />
wie zum Beispiel Stippen, schwarze<br />
Punkte, Löcher, Streifen oder sonstige Verschmutzungen<br />
[6]. Andererseits treten auch beim Präge- oder Druckprozess<br />
Fehler auf. Mögliche Ursachen können Ablagerungen<br />
am Werkzeug sein, die sich lösen und dann an einer<br />
Walze haften bleiben, Schmutz, der sich <strong>von</strong> den Absauganlagen<br />
über den Walzen löst, Abnutzungserscheinungen<br />
oder Farbspritzer. Die Fehler zeichnen sich dadurch<br />
aus, dass sie nur sporadisch auftreten und so bei stichprobenartiger<br />
Sichtprüfung durch den Maschinenbediener<br />
nicht entdeckt werden.<br />
Daher hat das Institut für Kunststoffverarbeitung<br />
(IKV) an der RWTH Aachen im Rahmen eines durch<br />
das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie<br />
(BMWi) über die Arbeitsgemeinschaft industrieller<br />
Forschungsvereinigungen e.V. (AiF) geförderten Forschungsvorhabens<br />
(Nr. 15256 N) ein Verfahren zur Inline-Inspektion<br />
unregelmäßig texturierter Kunststoffbahnwaren<br />
entwickelt.<br />
1. Stand der Technik<br />
1.1 Aufbau <strong>von</strong> Inspektionssystemen<br />
Die Prüfaufgaben eines Folien- und Profilinspektionssystems<br />
sind die Erkennung der Position <strong>von</strong> Fehlstellen<br />
sowie ihre Klassifikation und Dokumentation. Inspektionssysteme<br />
bestehen aus einer oder mehreren Kameras,<br />
einer Lichtquelle und der Bedien- beziehungsweise Re-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
35
Hauptbeitrag<br />
cheneinheit (Bild 2). Diese Komponenten werden in die<br />
Anlage integriert. Für die Folien- und Profilinspektion<br />
werden CCD-Zeilenkameras als Bildsensoren eingesetzt.<br />
Um die Fehlstellen optimal abzubilden, wird eine Zeilenbeleuchtung<br />
so angebracht, dass der Kontrast zwischen<br />
Fehlstelle und Gutbereich im Bild maximal wird.<br />
Die Bilddaten der Kamera werden durch einen Framegrabber<br />
in ein digitales Format gewandelt und in den<br />
Rechner übertragen. Häufig finden auch schon erste<br />
Schritte der Bildauswertung auf dem Framegrabber statt.<br />
Der Rechner stellt mit seiner Software die zentrale Analyseeinheit<br />
eines Bildverarbeitungssystems dar. Er übernimmt<br />
die Auswertung der Bilddaten und dient zur<br />
Kommunikation mit Bediener und Qualitätsmanagementsystem.<br />
1.2 Inspektion einfarbiger, glatter und<br />
transparenter Folien<br />
Bei Inspektionssystemen für glatte, einfarbige oder transparente<br />
Folien erfolgt die Segmentierung, das heißt die<br />
Detektion der Position der Fehlstellen, über einen Schwellwert.<br />
Die Entscheidung, ob an einem Bildpunkt eine Fehlstelle<br />
vorliegt, hängt direkt vom gemessenen Helligkeitswert<br />
ab. Die Systeme speichern eine fehlerfreie Referenzzeile<br />
und ziehen diese <strong>von</strong> der aktuell gemessenen Zeile<br />
ab. Liegt die Differenz an einer Position über dem vom<br />
Einrichter oder Anwender vorgegebenen Empfindlichkeitswert,<br />
wird diese Position als fehlerhaft markiert.<br />
Um die unterschiedlichen Fehlertypen, wie Stippen,<br />
Brenner oder Fremdpartikel klassifizieren zu können,<br />
berechnet das System Merkmale, zum Beispiel basierend<br />
auf der Form der Fehlstelle. Anhand derer wird eine<br />
Klassifikation vorgenommen [6]. Moderne Systeme können<br />
selbst kleine Fehlstellen bei Abzugsgeschwindigkeiten<br />
<strong>von</strong> über 200 m/min zuverlässig erkennen. Diese<br />
Systeme versagen jedoch, wenn die Oberflächen mit einer<br />
Textur versehen sind. Die Textur verhindert, dass die<br />
Systeme eine geeignete Referenzzeile finden können.<br />
1.3 Grundlagen der Texturanalyse<br />
Es gibt keine einheitliche Definition für den Begriff der<br />
Textur [7,8]. In einer verbreiteten Definition werden die<br />
lokalen Feinstrukturen <strong>von</strong> Objekten, die sich durch<br />
Oberflächen-Eigenschaften und Lichtreflexionen ergeben,<br />
als Textur bezeichnet [7]. Texturen sind nur durch<br />
die Betrachtung <strong>von</strong> Nachbarschaften um jeden Pixel zu<br />
verstehen, da sie eine Beziehung zwischen benachbarten<br />
Pixeln herstellen.<br />
Es gibt mehrere Möglichkeiten, Texturen zu kategorisieren<br />
[7,8]. Eine verbreitete Einteilung besteht darin,<br />
BILD 1:<br />
Arten texturierter<br />
Kunststoffoberflächen<br />
BILD 2:<br />
Aufbau und<br />
Komponenten <strong>von</strong><br />
Folieninspektionssystemen<br />
36<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
zwei Kategorien zu unterscheiden: Periodische (auch<br />
reguläre oder regelmäßige) Texturen und komplexe (oder<br />
auch irreguläre, statistische oder unregelmäßige) Texturen<br />
[7]. Bei Ersteren kann ein Basiselement identifiziert<br />
werden, durch dessen Wiederholung in horizontaler und<br />
vertikaler Richtung die Textur beschrieben werden<br />
kann. Bei komplexen Texturen ist es nicht möglich, ein<br />
solches Basiselement zu extrahieren. Sie wirken scheinbar<br />
zufällig (Bild 1).<br />
Um Texturen beschreiben und unterscheiden zu können,<br />
müssen aus den Bilddaten quantitativ erfassbare<br />
Merkmale extrahiert werden. Sie werden zu einem Merkmalsvektor<br />
zusammengefasst, der einen Bildpunkt oder<br />
eine Nachbarschaft <strong>von</strong> Bildpunkten charakterisiert.<br />
Nach Xie werden dazu vier grundsätzliche Ansätze unterschieden<br />
[9]:<br />
Strukturelle Ansätze können zur Beschreibung sehr<br />
regelmäßiger Texturen verwendet werden. Sie basieren<br />
darauf, dass es möglich ist, ein sich wiederholendes<br />
Basiselement und die dazugehörende Wiederholungsregel<br />
zu beschreiben.<br />
Statistische Ansätze nutzen statistische Maße, die<br />
die räumliche Verteilung der Bildpunkte charakterisieren.<br />
Die einfachsten Vertreter dieser Klasse sind<br />
die Berechnung des lokalen Mittelwerts oder der lokalen<br />
Varianz sowie Statistiken höherer Ordnung.<br />
Filterbasierte Ansätze gehen <strong>von</strong> der Annahme aus,<br />
dass ähnliche Texturen ein ähnliches Fourierspektrum<br />
aufweisen. Durch Verwendung <strong>von</strong> Filterbänken<br />
werden charakteristische Merkmale berechnet.<br />
Modellbasierte Ansätze versuchen, die Textur als<br />
statistischen Prozess, wie zum Beispiel als Markov-<br />
Kette, zu modellieren. Anhand der Parameter dieser<br />
Modelle können verschiedene Texturen erkannt<br />
werden.<br />
Es gibt jedoch keinen Ansatz, der für alle möglichen Texturen<br />
die besten Klassifikationsergebnisse liefert. Daher<br />
ist der benötigte Rechenaufwand das wichtigste Kriterium<br />
für die Auswahl eines Merkmalsextraktionsverfahrens<br />
für Echtzeitanwendungen.<br />
1.4 Klassifikation <strong>von</strong> Texturmerkmalen<br />
Ein Inspektionssystem muss anhand der Texturmerkmale<br />
zwischen Fehlstelle und Gut-Textur unterscheiden.<br />
Der Klassifikator unterteilt den Merkmalsraum in<br />
Bereiche, die einer Klasse zugeordnet werden. Merkmalsvektoren,<br />
die in einen bestimmten Bereich fallen,<br />
werden der entsprechenden Klasse zugeordnet. Es bieten<br />
sich drei grundlegende Ansätze für die Klassifikation<br />
an [9, 10]:<br />
BILD 3:<br />
Prüfstand zur Simulation<br />
der Inspektion endloser<br />
Halbzeuge<br />
online<br />
Merkmalsextraktion<br />
Klassifikation<br />
Kamerabild<br />
Auswertung<br />
Trainingsbild<br />
Merkmalsextraktion<br />
Training<br />
BILD 4:<br />
Aufbau der Software des<br />
Inspektionssystems<br />
Label<br />
offline<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
37
Hauptbeitrag<br />
Bei der unüberwachten Klassifikation ist die Anzahl<br />
der Klassen nicht bekannt und es gibt keine Beispielvektoren<br />
für die einzelnen Klassen. Ausgehend <strong>von</strong><br />
der Annahme, dass sich Merkmalsvektoren einer<br />
Klasse in räumlicher Nachbarschaft befinden, schätzt<br />
der Klassifikator die Anzahl der Klassen und die<br />
Klassenzugehörigkeit der Merkmalsvektoren ab.<br />
Bei der überwachten Klassifikation wird der Klassifikator<br />
sowohl mit der Gut-Textur als auch mit typischen<br />
Fehlermustern trainiert. Anhand dieser Trainingsdaten<br />
„lernt“ der Klassifikator den Unterschied<br />
zwischen der Gut-Textur und den einzelnen Fehlerklassen.<br />
Bei der semiüberwachten Klassifikation wird der<br />
Klassifikator vom Einrichter des Systems nur mit der<br />
Gut-Textur trainiert. Das Verfahren erkennt Abweichungen<br />
<strong>von</strong> der gewünschten Textur automatisch.<br />
Für die hier vorliegende Prüfaufgabe sind unüberwachte<br />
Ansätze, wie zum Beispiel Clustering, nicht geeignet,<br />
da sie zu rechenintensiv sind [10]. Semiüberwachte Ansätze<br />
ermöglichen eine einfache Einrichtung des Inspektionssystems,<br />
weil nur die Gut-Textur bekannt sein muss.<br />
Sie eignen sich gut, wenn die zu erwartenden Fehlerklassen<br />
unbekannt sind. Dabei weisen sie jedoch häufig höhere<br />
Fehlalarmraten auf als überwachte Ansätze. Semiüberwachte<br />
Ansätze können nur die zwei Klassen Gut-<br />
Bereich und Fehlstelle unterscheiden. Die Bestimmung<br />
der Art der Fehlstelle muss in einem gesonderten Schritt<br />
erfolgen. Der Vorteil der überwachten Klassifikatoren<br />
besteht neben der im Allgemeinen besseren Klassifikationsleistung<br />
darin, dass sie direkt zwischen den einzelnen<br />
Klassen unterscheiden können [9]. Um bisher unbekannte<br />
Fehler zu erkennen, kann der Klassifikator auf<br />
künstlich erzeugte Fehler trainiert werden [11].<br />
1.5 Inspektion regelmäßig texturierter Oberflächen<br />
Es gibt zahlreiche Ansätze für die automatische Inspektion<br />
regelmäßig texturierter Oberflächen, insbesondere<br />
für Textilbahnwaren, die auf den beschriebenen Ansätzen<br />
beruhen. Ein guter Überblick dieser Ansätze findet<br />
sich in [5].<br />
Am IKV wurde ein Verfahren zur Inspektion regelmäßig<br />
texturierter Kunststoffoberflächen entwickelt [4]. Es<br />
wird ein struktureller Ansatz verfolgt, bei dem <strong>von</strong> einem<br />
periodisch wiederholten Basiselement ausgegangen<br />
wird. Dieses Element wird bei der Segmentierung durch<br />
ein Template-Matching-Verfahren gesucht. Dadurch entstehen<br />
Bildsegmente, die im fehlerfreien Fall alle dem<br />
Basiselement entsprechen sollten. Anschließend wird<br />
für jedes Segment ein Differenzbild berechnet. In diesem<br />
können die Fehlstellen erkannt werden.<br />
1.6 Inspektion komplex texturierter Oberflächen<br />
In der Literatur finden sich mehrere Ansätze zur Inspektion<br />
komplex texturierter Folien. Ein ausführlicher Überblick<br />
über dieses Thema ist bei [9] zu finden. Die meisten<br />
der Ansätze wurden für die Inspektion texturierter Oberflächen<br />
aus anderen Materialien, wie zum Beispiel Holz,<br />
Textil, Stahl, Stein, Papier oder Keramikfliesen entwickelt<br />
oder sind nicht echtzeitfähig.<br />
Für die Inspektion <strong>von</strong> Marmorimitaten aus Kunststoff<br />
stellen Liu und MacGregor in [12] ein System vor. Hier liegt<br />
der Fokus allerdings weniger auf der Detektion <strong>von</strong> Fehlstellen,<br />
als auf der Bewertung des visuellen Gesamteindrucks.<br />
Massen et al. stellen in [13] ein System zur Inline-<br />
Inspektion texturierter Extrusionsartikel vor. Dort liegt<br />
der Schwerpunkt weniger auf der Analyse der Texturen<br />
als auf der Beleuchtungsstrategie. Die Fehlstellen werden<br />
durch eine multisensorielle Beleuchtungsstrategie hervorgehoben,<br />
bei der mehrere Beleuchtungs-/Kamera-Module<br />
wie Farbkameras, UV-Kameras und Graustufenkameras<br />
mit stark gerichteter Beleuchtung kombiniert werden.<br />
2. Aufbau und Struktur des<br />
InspektionS Systems<br />
Für Entwicklungs- und Testzwecke werden die Komponenten<br />
Kamera, Beleuchtung und Recheneinheit zu einem<br />
Laborsystem zusammengestellt, welches zusätzlich über<br />
eine angetriebene Probenaufnahme verfügt, die den kontinuierlich<br />
laufenden Extrusionsprozesses simuliert (Bild<br />
3). Eine LED-Linienleuchte wirft einen linienförmigen<br />
Lichtstrahl quer zur Extrusionsrichtung auf die Produktoberfläche.<br />
Ihr Winkel zur Probe und zur Kamera lässt<br />
sich frei wählen. Eine Zeilenkamera bildet die Oberfläche<br />
ab. Die Zeilenrate der Kamera wird mit der Abzugsgeschwindigkeit<br />
über einen Inkrementaldrehgeber synchronisiert,<br />
sodass die Pixelgröße in Extrusionsrichtung <strong>von</strong><br />
der Abzugsgeschwindigkeit unabhängig ist.<br />
Bild 4 stellt den Ablauf des Bildverarbeitungsalgorithmus<br />
der Auswertungssoftware schematisch dar. Das System<br />
nutzt einen überwachten Klassifikator. Dabei gibt der<br />
Einrichter dem System sowohl die Gut- als auch Fehlermuster<br />
vor, mit denen der Klassifikator in einem Training,<br />
das heißt offline, bei der Einrichtung des Systems, trainiert<br />
wird. Im Inspektionsmodus (online) werden mehrere<br />
aufeinanderfolgende Bildzeilen zu einem Bild (frame)<br />
zusammengefasst. Aus diesen Bilddaten werden mit dem<br />
gleichen Ansatz wie beim Training Merkmalsvektoren<br />
bestimmt, anhand derer der zuvor trainierte Klassifikator<br />
zwischen den einzelnen Klassen unterscheidet. Danach<br />
können die Daten protokolliert oder als Fehlerkarte auf<br />
dem Bildschirm dargestellt werden.<br />
2.1 Merkmalsextraktion mit dem<br />
Local Binary Pattern-Operator<br />
Im Merkmalsextraktionsschritt werden aus den Bilddaten<br />
Texturmerkmale extrahiert, die zu einem Merkmalsvektor<br />
zusammengefasst werden. Dazu wird in diesem Projekt<br />
ein statistischer Ansatz, das so genannte Local Binary<br />
Pattern (LBP)-Verfahren, verwendet. Das Verfahren benötigt<br />
wenige Rechenschritte und ist daher für die Echtzeitanwendung<br />
geeignet. Des Weiteren ist es invariant<br />
gegenüber langsamen Änderungen des Helligkeitsmittelwerts,<br />
wie sie beispielsweise bei Änderungen der Umgebungsbeleuchtung<br />
oder Vibrationen der Bahn auftreten.<br />
Die Local Binary Patterns wurden in [14] vorgestellt.<br />
Sie stellen ein statistisches Maß für den lokalen Bildkon-<br />
38<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
BILD 5:<br />
Merkmalsextraktion<br />
mit dem LBP-Operator<br />
Thread<br />
Programmsteuerung<br />
Thread<br />
Bildaufnahme<br />
Thread<br />
Merkmalsextraktion<br />
und Klassifikation<br />
. . .<br />
Thread<br />
Merkmalsextraktion<br />
und Klassifikation<br />
. . .<br />
Thread<br />
Ausgabe,<br />
Auswertung,<br />
Kommunikation<br />
Thread<br />
Merkmalsextraktion<br />
und Klassifikation<br />
BILD 6:<br />
Parallelisierung durch<br />
Aufteilung auf Threads<br />
trast dar. Für jedes Pixel des Bildes wird der LBP-Code<br />
berechnet. Dabei wird um jeden Pixel ein 3 x 3 Pixel großes<br />
Fenster betrachtet. Der Mittelpunkt dient als Referenzwert.<br />
Alle Nachbarpixel mit einem höheren oder<br />
gleichen Grauwert werden mit einer 1 markiert, die übrigen<br />
mit einer 0. Die gewichtete Summe der Markierungen<br />
ergibt den LBP-Code, wobei die Gewichte unterschiedliche<br />
Zweierpotenzen in Abhängigkeit <strong>von</strong> ihrer<br />
Position im Fenster sind (Bild 5, oben). Danach wird das<br />
gesamte Bild gekachelt. Für jede Kachel wird die Häufigkeitsverteilung<br />
der LBP-Codes gebildet und als Merkmalsvektor<br />
verwendet (Bild 5, unten). So wird ein 256-dimensionaler<br />
Merkmalsvektor für jede Bildkachel erzeugt.<br />
Die optimale Größe der Bildkacheln ist abhängig <strong>von</strong> der<br />
Textur und den Fehlern und wird experimentell ermittelt.<br />
Durch die Kachelung wird die Anzahl der nötigen<br />
Klassifikationen auf die Anzahl der Kacheln reduziert,<br />
was einen Geschwindigkeitsvorteil mit sich bringt.<br />
2.2 Klassifikation<br />
Für die überwachte Klassifikation werden in der Literatur<br />
zahlreiche Ansätze vorgestellt [10]. In diesem System<br />
werden künstliche neuronale Netze mit der Multilayer-<br />
Perzeptron-Topologie verwendet. Sie zeichnen sich dadurch<br />
aus, dass sie auch nicht linear trennbare Merkmalsräume<br />
trennen können und weisen unabhängig <strong>von</strong><br />
der Anzahl der Trainingsdaten eine hohe Ausführungsgeschwindigkeit<br />
auf. Sie wurden am IKV bereits in früheren<br />
Projekten erfolgreich eingesetzt [4,6].<br />
Künstliche neuronale Netze sind in Analogie zum<br />
menschlichen Gehirn aus Neuronen aufgebaut. Die<br />
Neuronen sind untereinander über gewichtete Verbindungen<br />
verknüpft. In Abhängigkeit dieser Gewichte<br />
wird ein am Eingang gegebener Merkmalsvektor einer<br />
bestimmten Klasse zugeordnet. Während der Lernphase<br />
werden die Gewichte der Verbindungen solange angepasst<br />
bis der Erkennungsfehler auf den Trainingsdaten<br />
minimal wird.<br />
2.3 Implementierung und Parallelisierungsstrategien<br />
Die Auswertung läuft auf einem leistungsfähigen, handelsüblichen<br />
Industrie-PC. In der Entwicklung neuer<br />
Prozessoren werden in Zukunft immer häufiger Mehrkernprozessoren<br />
statt höherer Taktraten für einen Prozessorkern<br />
verwendet [15]. Diese verfügen über mehr als<br />
einen Hauptprozessor auf einem einzigen Chip. Um die<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
39
Hauptbeitrag<br />
BILD 7:<br />
Typische Fehlstellen<br />
auf bedruckten oder<br />
geprägten Extrudaten<br />
BILD 8:<br />
Manuell aufgebrachte<br />
Fehlstellen auf komplex<br />
texturierten Oberflächen<br />
Möglichkeiten dieser Technologie effektiv zu nutzen,<br />
werden die Komponenten der Auswertungsalgorithmik<br />
auf Threads verteilt, das heißt Teile des Programms, die<br />
parallel ablaufen können. Bild 6 stellt diese Aufteilung<br />
dar. Dabei müssen jeweils ein Bildaufnahme-, ein Ausgabethread<br />
sowie mehrere Arbeitsthreads, die die Analyse<br />
parallel durchführen, vorhanden sein.<br />
Die Bilddaten werden vom Bildaufnahmethread <strong>von</strong> der<br />
Kamera in den Rechner übertragen und dann auf die Arbeitsthreads<br />
verteilt, in denen die eigentliche Analyse der<br />
Bilddaten parallel erfolgt. Ein weiterer Thread übernimmt<br />
die Ausgabe, Auswertung und Kommunikation. Verfügt<br />
ein Rechner über eine größere Anzahl an Prozessorkernen,<br />
können auch mehr Analysen gleichzeitig stattfinden.<br />
Dadurch können die Bilder in schnellerer Folge aufgenommen<br />
werden. So profitiert das Inspektionssystem direkt<br />
<strong>von</strong> neuen Entwicklungen im Bereich der PC Hardware.<br />
3. Test und Bewertung des Systems<br />
In Bild 7 sind typische Fehlstellen auf bedruckten oder<br />
geprägten Extrudaten abgebildet. Dabei handelt es sich<br />
um Fehler, die beim Prägen oder Bedrucken auftreten<br />
können. Die Aufnahmen wurden in Zusammenarbeit mit<br />
der Döllken-Kunststoffverarbeitung GmbH, Gladbeck,<br />
bei einem Test des Inspektionssystems unter industriellen<br />
Bedingungen erstellt.<br />
Diese Fehlstellen treten nur sehr selten und sporadisch<br />
auf, dennoch muss ein Inspektionssystem in der Lage<br />
sein, sie zuverlässig zu detektieren. Für die Entwicklung<br />
und Validierung des Inspektionssystems werden jedoch<br />
mehrere Fehlstellen gleichen Typs benötigt. Daher werden<br />
ähnliche Fehler verschiedener Größen auf Proben<br />
mit Kunstleder- und Holzimitat aufgebracht (Bild 8). Auf<br />
die 80 cm langen Proben werden jeweils 30 simulierte<br />
Fehlstellen <strong>von</strong> zwei (Holzimitat) beziehungsweise drei<br />
(Lederimitat) Fehlerklassen aufgebracht.<br />
Bei dem Versuch mit den Lederimitat-Testdaten wurde<br />
das System mit je zwei Fehlermustern pro Fehlerklasse<br />
trainiert, das heißt insgesamt sechs Fehlermuster. Für die<br />
Versuche mit dem Holzimitat wird mit insgesamt sieben<br />
Fehlermustern bei zwei verschiedenen Klassen trainiert.<br />
Für den LBP-Operator wird eine Kachelgröße <strong>von</strong> 32 x 32<br />
Pixeln verwendet. Das künstliche neuronale Netz wird<br />
mit 64 Eingangsneuronen und einer verdeckten Schicht<br />
40<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Anzahl [ - ]<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Gesamtzahl der<br />
Fehlstellen<br />
korrekt erkannt<br />
Fehlalarme<br />
BILD 9:<br />
Untersuchung der<br />
Klassifikationsleistung<br />
des Systems<br />
0<br />
Holzimitat<br />
Lederimitat<br />
BILD 10:<br />
Untersuchung der<br />
Klassifikationsgenauigkeit<br />
mit 32 Neuronen eingerichtet. Die Ergebnisse dieser Versuche<br />
sind in Bild 9 dargestellt. Bei dem Holzimitat-Datensatz<br />
werden 26 <strong>von</strong> 30 Fehlstellen korrekt erkannt. Es<br />
gibt keinen Fehlalarm, also keine Stelle, an der ein Gut-<br />
Bereich als fehlerhaft markiert wird. Bei dem Lederimitat-<br />
Datensatz werden bei zwei Fehlalarmen 27 <strong>von</strong> 30 Fehlstellen<br />
als solche erkannt. Damit kann gezeigt werden,<br />
dass eine zuverlässige, überwachte Detektion <strong>von</strong> Fehlstellen<br />
auf texturierten Kunststoffbahnwaren machbar ist.<br />
Zur Untersuchung des Auflösungsvermögens des Systems<br />
werden mit einem Grafikprogramm synthetische<br />
Fehlstellen verschiedener Größen in eine Aufnahme der<br />
Lederimit<strong>atp</strong>robe gezeichnet. Die Größe der Fehlstellen<br />
ist 5 x 5 Pixel, 8 x 8 Pixel, 10 x 10 Pixel, 20 x 20 Pixel,<br />
40 x 40 Pixel und 80 x 80 Pixel. Zum einen wird ein Gaußsches<br />
Rauschen und zum anderen eine homogene Fläche<br />
über die Textur gelegt. Der Klassifikator wird mit einem<br />
Bild trainiert, das eine 100 x 100 Pixel große Fehlstelle<br />
zeigt. Bild 10 zeigt die beiden Testbilder zusammen mit<br />
den Segmentierungsergebnissen bei einer Kachelgröße<br />
<strong>von</strong> 4 x 4 Pixeln, 8 x 8 Pixeln, und 16 x 16 Pixeln.<br />
Die kleinste detektierbare Fehlergröße hängt dabei<br />
sowohl <strong>von</strong> der gewählten Kachelgröße für den LBP-<br />
Operator als auch vom Verhältnis zwischen Fehlstelle<br />
und Struktur ab. Wird die Kachelgröße klein gewählt<br />
(4 x 4 Pixel), können auch sehr kleine Fehlstellen noch<br />
detektiert werden, der Preis dafür ist jedoch eine sehr<br />
hohe Fehlalarmrate. Ab einer Kachelgröße <strong>von</strong> 8x8 Pixeln<br />
können alle eingebauten Fehlstellen ab einer Größe<br />
<strong>von</strong> 8x8 Pixeln gefunden werden. Wird eine größere<br />
Kachelgröße gewählt, können kleinere Fehler nicht<br />
mehr detektiert werden.<br />
Um die Echtzeitfähigkeit zu testen, werden auf dem<br />
in Bild 3 dargestellten Prüfstand Versuche bei unterschiedlichen<br />
Abzugsgeschwindigkeiten durchgeführt.<br />
Bei diesen Versuchen kann bei einer eingestellten Auflösung<br />
<strong>von</strong> 137 µm/Pixel auf einem Intel-Xeon-Prozessor<br />
mit vier Prozessorkernen und Verwendung einer<br />
Kachelgröße <strong>von</strong> 32 x 32 Pixel bei einem neuronalen<br />
Netz mit 64 Eingangsneuronen und einer verdeckten<br />
Schicht mit 32 Neuronen eine Abzugsgeschwindigkeit<br />
<strong>von</strong> 30 m/min in Echtzeit untersucht werden. Da es sich<br />
bei diesem Aufbau jedoch nur um ein Funktionsmodell<br />
handelt, ist bei weiterer Optimierung <strong>von</strong> Hard- und<br />
Software die Inline-Inspektion bei weit höheren Geschwindigkeiten<br />
möglich.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
41
Hauptbeitrag<br />
Fazit und Ausblick<br />
Mit dem beschriebenen System wird gezeigt, dass die<br />
zuverlässige Detektion <strong>von</strong> Fehlstellen auf Kunststoffhalbzeugen<br />
mit komplexen Texturmustern auch bei<br />
hohen Abzugsgeschwindigkeiten machbar ist. Das System<br />
wurde mit Standard-Hardwarekomponenten realisiert,<br />
sodass eine einfache Übertragung der Ergebnisse<br />
in die Praxis durch Integration der vorgestellten Algorithmen<br />
in Folieninspektionssysteme möglich ist. Es ist<br />
im Laboreinsatz und unter industriellen Bedingungen<br />
getestet worden und hat sich als wenig anfällig gegen<br />
Störungen und Umwelteinflüsse gezeigt. Durch Laborversuche<br />
an Praxisbauteilen bei Geschwindigkeiten,<br />
wie sie bei Extrusionsprozessen mit Prägung oder Bedruckung<br />
üblich sind, wurden gute Klassifikationsergebnisse<br />
erzielt.<br />
Durch die Verteilung der Aufgaben auf mehrere Prozessorkerne<br />
kann das System direkt <strong>von</strong> Entwicklungen<br />
im Bereich der Hardware profitieren und die Inspektion<br />
in Zukunft auch bei höheren Extrusionsgeschwindigkeiten<br />
beziehungsweise Auflösungen durchführen.<br />
Manuskripteingang<br />
11.06.2010<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Autoren<br />
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.<br />
Walter Michaeli<br />
(geb. 1946) leitet seit 1988<br />
das Institut für Kunststoffverarbeitung<br />
(IKV) an der<br />
RWTH Aachen.<br />
Dipl.-Ing. Klaus Berdel<br />
(geb. 1978) ist seit 2006<br />
wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am IKV und leitet dort<br />
die Arbeitsgruppe digitale<br />
Bildverarbeitung/Qualitätssicherung.<br />
Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)<br />
an der RWTH Aachen,<br />
Pontstr. 49, D-52062 Aachen,<br />
Tel. +49 (0) 2 41 802 72 77,<br />
E-Mail: berdel@ikv.rwth-aachen.de<br />
Referenzen<br />
[1] Greiner, T., Ansorge, C., Kerstein, M.: Qualitätsprüfung <strong>von</strong><br />
Bahnwarenmaterialien. Automatisierungstechnik 45 (1997)<br />
12, S. 566-576<br />
[2] Binder, A.: Three Times and you're out! Kundenbindung<br />
durch Reklamationsmanagement. In: VDI Fachtagung<br />
Extrusionstechnik. VDI Verlag GmbH, Bonn 2008,<br />
S. 127-137<br />
[3] Hissmann, O.: Folieninspektion - eine Frage der<br />
Positionierung. Kunststoffe 94 (2004) 6, S. 76-78<br />
[4] Michaeli, W. und Tondorf, A.: Auf die Struktur geschaut.<br />
Qualität und Zuverlässigkeit (QZ) 50 (2005) 11, S. 44-46<br />
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Detection: A Survey. IEEE Transactions on Industrial<br />
Electronics 55 (2008) 1, S. 348-363<br />
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-überwachung in der Extrusion. In: Michaeli, W. (Hrsg.):<br />
20. Internationales Kunststofftechnisches Kolloquium<br />
des IKV. Aachen, 22.3. - 24.3. 2000, S. 5–15<br />
[7] Ohm, J.-R.: Multimedia communication technology:<br />
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multimedia signals. Springer Verlag, New York,<br />
Heidelberg 2004<br />
[8] Petrou, M.; Sevilla, P. G.: Image Processing: Dealing with<br />
Texture. Wiley-Interscience, New York 2006<br />
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Letters on Computer Vision and Image Analysis 7 (2008) 3,<br />
S. 1-22<br />
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Wiley-Interscience, New York 2001<br />
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mittels digitaler Bildverarbeitung, RWTH Aachen,<br />
Dissertation, 2007 - ISBN: 3-86130-856-8<br />
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product aesthetics: Application to manufacturing of<br />
"engineered stone" countertops. Machine Vision and<br />
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[13] Massen, R.; Eberhard, J.; Kohler, G.: Inline-Inspektion <strong>von</strong><br />
Extrusionsartikeln unter physikalischen und ästhetischen<br />
Gesichtspunkten. VDI Fachtagung Extrusionstechnik.<br />
VDI Verlag GmbH, Bonn 2008, S. 183-189<br />
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feature distributions. Pattern Recognition 29 (1996),<br />
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[15] Bower, F. A.; Sorin, D. J.; Cox, L. P.: The Impact of<br />
Dynamically Heterogeneous Multicore Processors on<br />
Thread Scheduling. IEEE Micro 28 (2008) 3, S. 17-25<br />
42<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
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hauptbeitrag<br />
Holistic Workspace – Den<br />
Leitstand der Zukunft gestalten!<br />
Wie neue Technologien die Operatoren unterstützen<br />
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität der Mensch-Maschine-Schnittstelle<br />
in der Arbeitsumgebung <strong>von</strong> Leitwartenoperatoren stellt der Beitrag eine domänenübergreifende<br />
Nutzungskontextanalyse vor: Was wird wann, wie und warum benutzt beziehungsweise<br />
sollte benutzbar sein? Auf Basis der erhobenen Daten werden neue Möglichkeiten<br />
entwickelt, um die Arbeitsumgebung <strong>von</strong> Operatoren zu optimieren. Die Konzepte<br />
berücksichtigen gleichermaßen die Gestaltungsebenen der Interaktion, der sozialen Kommunikation,<br />
die Unterstützung der Workflows sowie die physische Arbeitsumgebung.<br />
SCHLAGWÖRTER Mensch-Maschine-Interaktion / Nutzungskontextanalyse / Interaktionstechnologien<br />
Holistic Workspace – Designing the Future Control Room –<br />
How New Technologies Assist Operators<br />
This article presents an inter-domain context-of-use analysis that addresses the challenge<br />
posed by the constantly increasing complexity of the human-computer interface in the work<br />
environment of control room operators: what is when, how, and why used or should be<br />
usable, respectively? The data gathered are taken as a basis to develop new ways of optimizing<br />
the operators‘ work environment. These concepts consider likewise the design levels<br />
of interaction, social communication, workflow support, and physical surroundings.<br />
KEYWORDS Human-Machine-Interaction / Contextual Inquiry / Interaction Technologies<br />
44<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Tobias Schwarz, Holger Oortmann, Siemens AG<br />
Harald Reiterer, Universität Konstanz<br />
Innerhalb der letzten Jahrzehnte ist die Komplexität der<br />
Arbeitsumgebung eines Operators durch immer mehr<br />
Informationen und die Anzahl der technischen Geräte<br />
gestiegen. Die zunehmende Automatisierung erleichtert<br />
es Operatoren, die einzelnen Vorgänge zu beherrschen,<br />
doch sie erschwert es ihnen, ein ganzheitliches<br />
mentales Modell der zu überwachenden Prozesse zu bilden.<br />
Dabei ist gerade die Generierung eines mentalen Modells<br />
für die Überwachung des aktuellen Systemstatus,<br />
im Speziellen beim Feststellen <strong>von</strong> Veränderungen in der<br />
Prozessdynamik, essenziell wichtig [1]. Das Überwachen<br />
und Kontrollieren <strong>von</strong> komplexen Prozessen, wie beispielsweise<br />
in der Energieerzeugung, erfordert eine hohe<br />
kognitive Beanspruchung <strong>von</strong> Operatoren [1]. Nach Künzler<br />
(2002) lassen sich 70 % bis 90 % aller Unfälle in Produktionsprozessen<br />
auf menschliche Fehler zurückführen<br />
[2]. Diese Zahlen verdeutlichen, dass der Mensch mit<br />
seinen angeborenen kognitiven Fähigkeiten beim Entwurf<br />
der Systeme nicht ausreichend berücksichtigt wurde.<br />
Dieses Problem lässt sich lösen, indem man nutzer- und<br />
arbeitsorientierte Konzepte entwickelt. Diese zielen darauf<br />
ab, Arbeitssysteme ganzheitlich zu gestalten, das heißt der<br />
soziotechnischen Tradition folgend die Entwicklung und<br />
den Einsatz <strong>von</strong> Technik, Organisation und Qualifikation<br />
der Nutzer gemeinsam zu optimieren. Anstatt also die Anpassung<br />
des Menschen an die Technik zu fordern, muss<br />
sich die Technik an den Menschen anpassen, „human<br />
pull“ statt „technology push“, oder „human driven“ statt<br />
„technology driven“. Ausgangspunkt für eine soziotechnische<br />
Systemgestaltung ist das Verständnis vom Denken<br />
und Handeln des Benutzers. So müssen schon in frühen<br />
Phasen eines anwenderorientierten Entwicklungsprozesses<br />
(User Centred Product Innovation) Bedürfnisse und<br />
Anforderungen der Benutzer evaluiert werden. Häufig enstehen<br />
Probleme bei der Produktakzeptanz dadurch, dass<br />
die Produkte nicht ausreichend auf die Aufgaben (Workflows)<br />
der Benutzer ausgerichtet sind [3].<br />
Im Rahmen des Beitrags werden erste Ergebnisse des<br />
Forschungsprojektes „Holistic Workspace“ vorgestellt<br />
und diskutiert. Ziel ist die Gestaltung einer holistischen<br />
Arbeitsumgebung für Leitwartenmitarbeiter unter der<br />
Berücksichtigung neuer Technologien und Ansätze aus<br />
der Mensch-Maschine-Interaktion. In einer ersten Phase<br />
sind neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auch die<br />
Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer über verschiedene<br />
Domänen hinweg, wie beispielsweise Kraftwerke,<br />
Flugsicherung und Tagebau, mittels einer Nutzungskontextanalyse<br />
vor Ort erhoben worden. Der Beitrag erläutert<br />
den Ablauf der Analyse, stellt die bedeutendsten Ergebnisse<br />
vor und leitet daraus Grundsätze für die zukünftige<br />
Gestaltung <strong>von</strong> Leitwarten ab.<br />
1. Grundlagen Mensch-Computer-Interaktion<br />
Erkenntnisse aus der Kognitionswissenschaft bestätigen,<br />
dass eine enge Verbindung zwischen Denkprozessen, der<br />
Wahrnehmung und körperlichen sowie sozialen Handlungen<br />
besteht [4]. Daraus folgt für das Design <strong>von</strong> interaktiven<br />
Systemen, dass der Mensch mit seinen physischen<br />
und kognitiven Fähigkeiten, seinem Kontext und seinem<br />
sozialen Umfeld zu betrachten ist [4]. Die Erkenntnisse aus<br />
der Kognitionspsychologie, der multimodalen Interaktion<br />
sowie des Tangible [5] und Social Computing werden zu<br />
einem neuen Paradigma unter dem Begriff Reality-Based<br />
Interaction [6] zusammengefasst. Dabei orientiert sich die<br />
Interaktion zwischen Mensch und Maschine an der realen<br />
Welt. Somit können gelernte und evolutionsbedingte Charakteristiken<br />
des Menschen genutzt werden, um Interaktion<br />
begreifbarer zu gestalten. Weiser veröffentlichte 1991<br />
seine Vision vom Computer des 21. Jahrhunderts [7]. Die<br />
Vision ist in der Wissenschaft unter den Paradigmen Ubiquitous<br />
Computing bekannt. Das menschliche Handeln<br />
soll allgegenwärtig durch eine Vielzahl <strong>von</strong> vernetzten,<br />
kontextsensitiven, interaktiven Geräten mit unterschiedlichen<br />
Formfaktoren (Pads und Boards) wie beispielsweise<br />
Smartphones, Tablet PCs oder hochauflösenden Großdisplays<br />
unterstützt werden [7].<br />
Die dritte Phase in der Evolution der Mensch-Computer-Interaktion<br />
ist <strong>von</strong> dem Ziel geprägt, die Interaktion<br />
mit einer Vielzahl <strong>von</strong> unterschiedlichen Endgeräten im<br />
Sinne des Ubiquitous Computing an den Prinzipien der<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
45
Hauptbeitrag<br />
Realitiy-Based Interaction zu orientieren [8]. Benutzer<br />
interagieren dabei allein oder in Teams an gleichen oder<br />
unterschiedlichen Orten und wechseln dabei nahtlos<br />
zwischen realweltlicher Interaktion und Kommunikation<br />
sowie computergestützter Interaktion und Kommunikation.<br />
Dabei kommt es zu einer Vermischung (Blend)<br />
<strong>von</strong> realer und digitaler Welt in vielfältigen Bereichen.<br />
Die Arbeitsgruppe Mensch-Computer-Interaktion der<br />
Universität Konstanz bezeichnet dieses neue Interaktionsparadigma<br />
daher als Blended Interaction [8]. Bild 1<br />
zeigt die Gestaltungsebenen des Blended Interaction.<br />
Im Bereich der persönlichen Interaktion soll eine möglichst<br />
intuitive Bedienung erreicht werden, da die Benutzer<br />
an ihre Alltagserfahrungen bezüglich der Interaktion<br />
mit Objekten in der realen Welt anknüpfen können.<br />
Das Schreiben beispielsweise mit digitalen Stiften<br />
auf Papier bewirkt eine analoge und digitale Darstellung.<br />
Soziale Kommunikation kann zum Beispiel durch Multitouch-Systeme<br />
unterstützt werden. Der Einsatz der<br />
Systeme ermöglicht eine gleichberechtigte (demokratisierte)<br />
Form der Kommunikation, da mehrere Benutzer<br />
gleichzeitig interagieren und soziale Konventionen unmittelbare<br />
Berücksichtigung finden können.<br />
Im Rahmen der computergestützten Abläufe (Geschäftsprozesse)<br />
geht es um die Gestaltung der organisatorischen<br />
Einbettung <strong>von</strong> Abläufen in umfassende Prozesse sowie<br />
deren Unterstützung durch Informationstechnologie. Dabei<br />
sollte die Organisationsgestaltung an die Abläufe des Mitarbeiters<br />
angepasst sein. So wird beispielsweise in komplexen<br />
Prozessen meist nicht nur individuell, sondern verstärkt<br />
in Teams gearbeitet. Teammitglieder können durch den<br />
Einsatz digitaler Möglichkeiten, wie der Digital Pen & Paper-<br />
Technologie, sofort die Schichtprotokolle betrachten und<br />
per Suchfunktion in den Dokumenten suchen. Die Gestaltung<br />
der physischen Arbeitsumgebung bezeichnet McCullough<br />
(2004) als Digital Ground. Dabei werden Tische, Stühle,<br />
Wände, aber auch Ton und Licht in die Gestaltung der<br />
Interaktion miteinbezogen [9]. Ein- und Ausgabemedien<br />
werden ebenfalls an die räumlichen Gegebenheiten optimal<br />
angepasst (zum Beispiel gebogene Displays).<br />
Die alleinige Steigerung des Realitätsbezuges der Interaktion<br />
reicht hierbei nicht aus [8]. Die besondere Herausforderung<br />
und der vom Standpunkt des Operators entscheidende<br />
Vorteil besteht im sinnvollen Ineinandergreifen der<br />
erprobten Möglichkeiten der realen Welt und den digitalen<br />
Äquivalenten. In Anbetracht dessen ist es notwendig, einen<br />
aufeinander abgestimmten holistischen Ansatz für einen<br />
Operatorenarbeitsplatz zu gestalten, der sowohl die technische<br />
Infrastruktur (Benutzungsoberfläche, Eingabe-, Ausgabe-,<br />
Kommunikationsgeräte), die Arbeitsabläufe als auch<br />
die physischen Räumlichkeiten und sozialen Interaktionen<br />
sowie Kommunikation berücksichtigt. Der Ausgangspunkt<br />
für die Gestaltung einer holistischen Arbeitsumgebung ist<br />
die breit angelegte Nutzungskontextanalyse.<br />
2. Untersuchung<br />
2.1 Methodisches Vorgehen<br />
Die Nutzungskontextanalyse beschreibt ausführlich die<br />
realen Nutzungsbedingungen der Operatoren sowie die<br />
BILD 1: Die vier<br />
Gestaltungsebenen<br />
des<br />
Blended<br />
Interaction<br />
46<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
funktionellen Anforderungen an das System. Hierbei werden<br />
typische Arbeitsschritte (Workflows) aufgedeckt und<br />
kontextspezifische Schwierigkeiten berücksichtigt. Um<br />
eine hohe Ergebnisqualität zu erreichen, ist es erforderlich,<br />
die Experten in der natürlichen Arbeitsumgebung<br />
direkt vor Ort zu befragen. Der Nutzungskontext wurde<br />
aufgaben- und systemorientiert analysiert, folglich mit<br />
Hilfe eines Methodenmix aus Cognitive Work Analysis<br />
[10, 11] und Contextual Design [12]. Aufgrund der Besonderheiten<br />
bei der Analyse <strong>von</strong> komplexen Systemen,<br />
im Speziellen für Kraftwerke, wurde die Cognitive Work<br />
Analysis (CWA) entwickelt. Die CWA bildete den theoretischen<br />
Rahmen – die konkrete Anwendung der Methode<br />
erfordert jedoch eine langwierige und tiefgreifende Auseinandersetzung<br />
mit dem System. Gerade für einen Vergleich<br />
mehrerer Domänen sind daher die Instrumente des<br />
Contextual Design [12] (ethnographischer Ansatz) – teilnehmende<br />
Beobachtungen und Experteninterviews – besser<br />
geeignet. Bild 2 zeigt den Ablauf der Untersuchung<br />
vor Ort. Insgesamt wurden die jeweiligen Domänen zwischen<br />
sechs und acht Stunden vor Ort analysiert.<br />
Insgesamt konnten 12 unterschiedliche Operatorenarbeitsplätze<br />
in den 6 untersuchten Leitständen (Feuerwehrleitstand,<br />
Postautomatisierung, Tagebau, Flugsicherung und<br />
zwei Kraftwerksleitwarten) identifiziert werden. Die Arbeitsplätze<br />
unterscheiden sich durch jeweils andere Zuständigkeitsbereiche<br />
und andere Kernaufgaben innerhalb des<br />
Gesamtprozesses. Im Rahmen der Nutzungskontextanalysen<br />
wurden Interviews mit insgesamt 13 männlichen Mitarbeitern<br />
(7 Operatoren und 6 Schichtleitern) durchgeführt.<br />
Die Befragten waren durchschnittlich 47,38 (Standardabweichung,<br />
SD = 5,92) Jahre alt. Die selbst berichtete Computer-Expertise<br />
lag bei durchschnittlich 3,59 (SD = 0.92) auf<br />
einer Ratingskala <strong>von</strong> 1 = keine Kenntnisse bis 5 = ausgezeichnete<br />
Kenntnisse. Die besuchten Leitstände waren im<br />
Durchschnitt M = 3,48 (SD = 3,26) Jahre alt, der jüngste besuchte<br />
Leitstand ein halbes, der älteste 10 Jahre alt.<br />
2.2 Ergebnisse<br />
Im Rahmen der teilnehmenden Beobachtungen zeigte sich,<br />
dass für einen reibungslosen Ablauf des Prozesses eine<br />
ständige Kommunikation der beteiligten Personen erforderlich<br />
ist. Nachts und an Wochenenden arbeiten bis zu 4<br />
Personen (M = 2,55; SD = 1,04), tagsüber sogar bis zu 8 Personen<br />
gleichzeitig (M = 3,73; SD = 2,24) mit demselben System<br />
am gleichen Prozess. Derzeitige Systeme scheinen<br />
diese zwingende Kollaboration aber nur wenig zu unterstützen,<br />
da meist nur Eingabemöglichkeiten wie Maus und<br />
Tastatur zur Verfügung stehen. Kollaboration ist jedoch<br />
nicht nur zwischen den Mitarbeitern innerhalb der Leitwarte<br />
erforderlich. Zum Beispiel ist auch die Koordination<br />
<strong>von</strong> Technikern vor Ort eine wichtige Aufgabe. Gerade bei<br />
anormalen Betriebszuständen findet die Kommunikation<br />
über verschiedene Kanäle parallel statt – während der<br />
Techniker vor Ort über Funk kontaktiert werden kann, ist<br />
zur Kommunikation mit der Betriebszentrale ein Handy<br />
oder Telefon erforderlich. Dazu kommt die Kommunikation<br />
zwischen den Mitarbei tern, die meist <strong>von</strong> Angesicht<br />
zu Angesicht stattfindet, aber auch indirekt über papierbasierte<br />
Artefakte wie Notizen, Memos oder Warnschilder.<br />
Einführung in<br />
die Systeme<br />
1 bis 2 h<br />
Erste<br />
teilnehmende<br />
Beobachtung<br />
2 h<br />
Experten -<br />
interview<br />
45 min<br />
Zweite<br />
teilnehmende<br />
Beobachtung<br />
2 bis 3 h<br />
Abschluss -<br />
interview<br />
30 min<br />
BILD 2: Ablauf der Untersuchung vor Ort<br />
36<br />
32<br />
34<br />
28<br />
Anzahl der Geräte<br />
24<br />
20<br />
16<br />
12<br />
8<br />
4<br />
0<br />
22<br />
17<br />
18,67<br />
9<br />
7<br />
9<br />
6,25<br />
4<br />
3,42<br />
3<br />
1<br />
Eingabe Ausgabe Kommunikation Gesamt<br />
Mittelwert<br />
BILD 3: Eingabe-,<br />
Ausgabe- und<br />
Kommunikationsgeräte<br />
an den<br />
Arbeitsplätzen<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
47
Hauptbeitrag<br />
BILD 4: Ergebnisse der<br />
Experteninterviews bezüglich<br />
der Optimierungspotenziale<br />
4<br />
Personalisierung<br />
7%<br />
5<br />
Geräte am<br />
Arbeitsplatz<br />
9%<br />
12<br />
Sonstige<br />
21%<br />
10<br />
Bildschirme<br />
17%<br />
13<br />
Physische<br />
Arbeitsumgebung<br />
23%<br />
13<br />
Informationsvisualisierung<br />
23%<br />
Anzahl Nennungen<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Mobile-Devices<br />
Multitouch<br />
Digital Pen&Paper<br />
Laser-Pointer<br />
Gesture-Interaction<br />
Eye-Tracking<br />
Voice-Control<br />
Nein<br />
Vielleicht<br />
Ja<br />
BILD 5: Bewertung der Nützlichkeit <strong>von</strong> Technologien durch Operatoren<br />
Die vielfältigen digitalen und analogen Kommunikationsmöglichkeiten<br />
führen zu einer entsprechenden Zahl<br />
an Geräten – bis zu 7 Kommunikationsgeräte wie Telefone,<br />
Handys und Funkgeräte befinden sich an einem<br />
Arbeitsplatz. Hinzu kommen Mäuse, Tastaturen, Joysticks,<br />
Bildschirme und so weiter, sodass ein durchschnittlicher<br />
Leitwartenmitarbeiter bei seiner täglichen<br />
Arbeit durchschnittlich bis zu M = 18,67 Geräte bedienen<br />
und beobachten muss (siehe Bild 3).<br />
Gleichermaßen verhält es sich bei der Verwendung <strong>von</strong><br />
Software. Operatoren verwenden durchschnittlich<br />
M = 1,57 (SD = 2,23) Softwareprodukte. Schichtleiter hingegen<br />
sind bei ihrer täglichen Arbeit auf M = 7 (SD = 1,26)<br />
Software angewiesen. Erklärbar wird der Unterschied<br />
durch zusätzliche Verwaltungsaufgaben der Schichtleiter<br />
wie das Führen <strong>von</strong> Schichtplänen. Für diese Art <strong>von</strong><br />
Aufgaben wird Bürosoftware wie beispielsweise MS<br />
Word oder MS Excel eingesetzt.<br />
Die hohe Zahl an unterschiedlichen Geräten und Softwareprodukten<br />
ist nach Aussagen der Mitarbeiter historisch<br />
gewachsen. Tatsächlich lässt sich beobachten, dass<br />
zwei oder mehr Softwareprogramme für identische Aufgaben<br />
genutzt werden. In Bezug auf die Informationsvisualisierung<br />
der Branchensoftware – vor allem die Darstellung<br />
<strong>von</strong> Meldungen – konnte mehrfach beobachtet<br />
werden, dass eine Vielzahl <strong>von</strong> Meldungen beim Operator<br />
angezeigt werden (bis zu 12 Meldungen pro Minute).<br />
Hinzu kommt der Umgang mit nicht einheitlich gestalteten<br />
Farbcodierungen, was auf die unterschiedlichen<br />
Softwareprodukte zurückzuführen ist.<br />
Im Rahmen der halbstandardisierten Experteninterviews<br />
wurden die Mitarbeiter zu Optimierungspotenzialen<br />
an ihren eigenen Arbeitsplätzen befragt. Es ergaben<br />
sich 57 Nennungen, die inhaltsanalytisch ausgewertet<br />
und aggregiert wurden. Nach Aussagen der Mitarbeiter<br />
besteht Handlungsbedarf in den Punkten physische Arbeitsumgebung,<br />
Informationsvisualisierung, Bildschirme,<br />
Anzahl der Geräte am Arbeitsplatz und Personalisierung<br />
(siehe Bild 4).<br />
In der physischen Arbeitsumgebung steht besonders<br />
der Wunsch nach besseren akustischen, vereinzelt auch<br />
Licht- und Klimaverhältnissen, im Vordergrund. In der<br />
Kategorie Informationsvisualisierung wünschen sich die<br />
Mitarbeiter eine verbesserte Prozessdarstellung und effizientere<br />
Anzeigen im Bereich Alarmmanagement. Neben<br />
der deutlichen Reduzierung <strong>von</strong> Einzelgeräten wünschen<br />
sich Operatoren und Schichtleiter größere Bildschirme<br />
mit höherer Auflösung. Die Befragten vermissen auch<br />
Funktionen zur Personalisierung <strong>von</strong> Systemen, also zum<br />
Beispiel die Möglichkeit, Oberflächen und Einstellungen<br />
stärker nach ihren Bedürfnissen zu konfigurieren.<br />
Ferner wurden neue Interaktionstechnologien für zukünftige<br />
Entwicklungen vorgestellt und deren Vor- und<br />
Nachteile für den spezifischen Arbeitskontext (N = 12)<br />
diskutiert. Über 80 % der Befragten beurteilten die Technologien<br />
Gesture-Interaction, Voice-Control und Eye-<br />
Tracking als nicht hilfreich im Kontext der Leitstände.<br />
Mobile-Devices würden sich 75 % der Befragten als Ergänzung<br />
in ihrer derzeitigen Arbeitsumgebung wünschen,<br />
da sich die Leitwartenmitarbeiter während der<br />
Schicht nicht oder nur sehr begrenzt <strong>von</strong> ihrem Arbeitsplatz<br />
entfernen dürfen (siehe Bild 5).<br />
Nach Aussagen der Mitarbeiter würde ein mobiles Gerät<br />
eine räumliche Flexibilität unterstützen. Die teilnehmende<br />
Beobachtung zeigte, dass sich zwei Operatoren<br />
vom Arbeitsplatz entfernen müssen, um beispielsweise<br />
Systemanzeigen außerhalb der Leitwarte zu überprüfen.<br />
Der Workflow der Mitarbeiter kann hier durch den Einsatz<br />
eines mobilen Geräts unterstützt werden. Das Gerät<br />
könnte beispielsweise jeweils die wichtigsten Meldungen<br />
visualisieren. Multitouch-Systeme wurden mit erleichterter<br />
Kollaboration und intuitiver Bedienung in<br />
Zusammenhang gebracht und daher <strong>von</strong> der Hälfte der<br />
Befragten als vorteilhaft für den eigenen Arbeitskontext<br />
48<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
BILD 6:<br />
Die holistische Arbeitsumgebung<br />
für Operatoren<br />
gesehen. Auch einen Einsatz der Digital Pen & Paper-<br />
Technologie konnten sich die meisten Befragten durchaus<br />
vorstellen. Die Mitarbeiter zweifelten jedoch an der<br />
Alltagstauglichkeit der Geräte. Die großen Wandbildschirme<br />
dienen lediglich der Überwachung <strong>von</strong> Teiloder<br />
Gesamtprozessen, daher wird im Arbeitskontext<br />
nur selten mit ihnen interagiert. So wurde der Laser-<br />
Pointer als wenig nützlich beurteilt.<br />
3. Diskussion der Ergebnisse<br />
Die Ergebnisse aus der Studie liefern wertvolle Erkenntnisse<br />
für die Gestaltung einer holistischen Arbeitsumgebung.<br />
Es zeigte sich, dass bei heutigen Entwicklungen<br />
immer das einzelne Produkt im Mittelpunkt steht, aber<br />
nie die Komposition aller Geräte am Arbeitsplatz. So müssen<br />
Operatoren beispielsweise Sammelsurien <strong>von</strong> bis zu<br />
34 Geräten beherrschen. Folglich findet der Operator keinen<br />
homogenen Arbeitsplatz vor sich, sondern eine Ansammlung<br />
<strong>von</strong> vielen verschiedenen Einzelgeräten. Die<br />
Vielzahl unterschiedlicher Geräte und Softwareprodukte<br />
könnte gerade bei anormalem Betrieb zu einer kognitiven<br />
Überforderung (cognitive overload) führen [13]. Folglich<br />
wird die Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> fehlerhaften Entscheidungen<br />
erhöht [14].<br />
Eine konsistente Gestaltung der Benutzungsoberfläche<br />
und ein durchgängiges Bedienkonzept ermöglicht es dem<br />
Benutzer, Informationen schnell und effizient aufzufinden.<br />
Die Informationsvisualisierung und das Meldungsmanagement<br />
innerhalb der Softwaresysteme tragen derzeit<br />
wenig dazu bei, die Operatoren kognitiv zu entlasten<br />
– stattdessen werden häufig alle eingehenden Meldungen<br />
in Form <strong>von</strong> unübersichtlichen Listen angezeigt. Im Bereich<br />
der Informationsvisualisierung kann beispielsweise<br />
durch den gezielten Einsatz <strong>von</strong> Zoomingkonzepten<br />
eine Verbesserung erreicht werden. Des Weiteren sind<br />
Kollaboration und Kommunikation innerhalb der Leitwarte<br />
oder mit Technikern vor Ort essenzielle Bestandteile<br />
alltäglicher Arbeitsabläufe. Operatoren werden derzeit<br />
<strong>von</strong> den eingesetzten Technologien im Bereich der<br />
kollaborativen Arbeit durch die Maus oder Tastatur nicht<br />
ausreichend unterstützt. Dies wird auch <strong>von</strong> den Leitwartenmitarbeitern<br />
gesehen, die Informationsvisualisierung<br />
und Vereinheitlichung <strong>von</strong> Geräten am Arbeitsplatz als<br />
Optimierungspotenziale erkennen. Zukünftige Entwicklungen<br />
im Leitwartenkontext sollten sich daher stärker<br />
um einheitliche und nachhaltige Konzepte bemühen, die<br />
auf die kognitiven Informationsverarbeitungskapazitäten<br />
der Operatoren zugeschnitten sind.<br />
Die Experteninterviews haben gezeigt, dass der Einsatz<br />
neuer Technologien, wie beispielsweise die Multitouch-<br />
Technologie, <strong>von</strong> den Operatoren akzeptiert würde. Es<br />
gilt jedoch zu beachten, dass es sich bei der Stichprobe<br />
der befragten Operatoren um Personen mittleren Alters<br />
handelte, die aus sehr unterschiedlichen Berufen stammen.<br />
Beide Faktoren stellen, trotz der hohen Selbsteinschätzung<br />
der Probanden bezüglich ihrer Computerexpertise,<br />
besondere Anforderungen an die Gestaltung.<br />
4. Ausblick<br />
Im folgenden Abschnitt wird ein erstes Konzept für eine<br />
holistische Arbeitsumgebung vorgestellt, das als Grundlage<br />
für den Operatorenarbeitsplatz <strong>von</strong> Morgen angesehen<br />
werden kann (siehe Bild 6). Ziel ist dabei, durch Einsatz<br />
neuer technologischer Möglichkeiten der computergestützten<br />
Interaktion und Kommunikation, Menschen<br />
in ihren realen Abläufen zu entlasten. Dabei wird besonders<br />
Wert auf den nahtlosen Wechsel zwischen realweltlicher<br />
sowie computergestützter Interaktion gelegt (siehe<br />
Abschnitt 1). Die Interaktion zwischen Operator und System,<br />
die Kommunikation zwischen den Operatoren, die<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
49
Hauptbeitrag<br />
BILD 7:<br />
Digital Pen &<br />
Paper-Technologie<br />
am<br />
Beispiel<br />
Schichtbuch<br />
Arbeitsabläufe sowie die Gestaltung des physischen Arbeitsumfelds<br />
werden gleichermaßen beachtet. So schafft<br />
beispielsweise die ergonomische Gestaltung der Räumlichkeiten<br />
und des Arbeitsplatzes (physisches Arbeitsumfeld)<br />
eine Atmosphäre, in der ein produktives Arbeiten<br />
unterstützt wird [15].<br />
Innovative Lösungen erleichtern und beschleunigen<br />
die Arbeitsabläufe und reduzieren Fehlentscheidungen<br />
und Kosten. Insbesondere die Multitouch-Technologien<br />
ermöglichen die gemeinsame Eingabe mehrerer Personen<br />
und fördern damit kollaboratives Arbeiten. Gemeinsamer<br />
Zugriff erlaubt soziale Interaktionen wie Gesprächsführung,<br />
Gestik und Organisation. Durch die direkte Manipulation<br />
wird zugleich die Bedienung natürlicher.<br />
Das kollaborative Arbeiten beispielsweise bei Schichtübergaben<br />
kann durch große berührempfindliche Wandbildschirme<br />
unterstützt werden. Diese können zusätzlich<br />
mit der Ambient-Light-Technologie ausgestattet werden und<br />
je nach Status eine andere Farbgebung der Hintergrundbeleuchtung<br />
annehmen. So könnte sich im Störfall die Umrandung<br />
beispielsweise rot einfärben (siehe Bild 6).<br />
Im Bereich der Informationsdarstellung können durch<br />
den Einsatz <strong>von</strong> speziellen Visualisierungstechniken erhebliche<br />
Verbesserungen bei der Präsentation <strong>von</strong> großen<br />
Datenmengen erzielt werden. So werden beispielsweise<br />
mit der Fisheye-Technik Informationen im Fokus klar lesbar<br />
und vergrößert angezeigt, der Kontext wird zwar sichtbar<br />
aber nur auszugsweise abgebildet und dient somit der<br />
Referenzen<br />
[1] Wickens, C. D. und Holland, J. G.: Engineering psychology and<br />
human performance. Prentice Hall, New Jersey 2000<br />
[2] Künzler, C.: Kompetenzförderliche Sicherheitskultur,<br />
Ganzheitliche Gestaltung risikoreicher Arbeitssysteme<br />
Mensch, Technik, Organisation. Band 36. vdf Hochschulverlag,<br />
Zürich 2002<br />
[3] Schwichtenberg, B., Knapp, B., Oortmann, H.: Wokflow<br />
Analyse für Investitionsgüter. Usability Professionals (UPA),<br />
München 2010<br />
[4] Dourish, P.: Where The Action Is: The Foundations of<br />
Embodied Interaction. MIT Press, Cambridge 2001<br />
[5] Ishii, H., und Ullmer, B.: Tangible Bis: Towards Seamless<br />
Interfaces between People, Bits and Atoms. In Proceedings<br />
of the SIGCHI conference on Human factors in Computing<br />
Systems CHI 2007. ACM Press, New York, S. 234-241<br />
[6] Jacob, R. J., Girouard, A., Hirshfield, L. M., Horn, M. S., Shaer,<br />
O., Solovey, E. T., Zigelbaum, J.: Reality-based interaction:<br />
a framework for post-WIMP interfaces. In Twenty-Sixth<br />
Annual SIGCHI Conference on Human Factors in Computing<br />
Systems CHI 2008. ACM Press, New York, S. 201-210<br />
[7] Weiser, M.: The Computer for the Twenty-First Century. In<br />
Scientific American Vol. 265, No.3 1991, S. 94-100<br />
[8] Arbeitsgruppe Mensch-Computer Interaktion Universität<br />
Konstanz (2010). (http://hci.uni-konstanz.de/index.<br />
php?a=research&lang=en), Zugriff 04.04. 2010<br />
[9] McCullough, M.: Digital Ground: Architecture, Pervasive<br />
Computing, and Environmental Knowing. MIT Press,<br />
Cambridge 2004<br />
[10] Rasmussen, J.: Information Processing and Human-Machine<br />
Interaction. North-Holland, New York 1986<br />
50<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Orientierung. Ferner werden bei semantischen Zoomverfahren<br />
die darzustellenden Inhalte beim Zoomen berücksichtigt,<br />
das heißt der Operator kann beispielsweise unter<br />
Erhalt des Kontextes in einer Kartendarstellung zoomen.<br />
Dabei bleibt der Überblick bei der Navigation im Kontext<br />
erhalten, und die Menge der dargestellten Information<br />
orientiert sich am verfügbaren Platz.<br />
Des Weiteren können spezifische Arbeitsabläufe durch<br />
Nomadic Devices wie beispielsweise Smartphones unterstützt<br />
werden. Die Visualisierung der wichtigsten Informationen<br />
auf diesen Geräten ermöglicht es, Aufgaben durchgängig<br />
an verschiedensten Orten, auch abseits des eigenen<br />
Arbeitsplatzes, verantwortungsvoll wahrzunehmen.<br />
Das Schichtbuch kann beispielsweise mittels der Digital<br />
Pen & Paper-Technologie geführt werden, wodurch<br />
die Daten sowohl in analoger als auch in digitaler Form<br />
vorliegen (siehe Bild 7). Somit findet nahezu ein nahtloser<br />
Übergang zwischen digitaler Welt und physischem<br />
Arbeitsbereich statt.<br />
5. Fazit<br />
Die erarbeiteten Konzepte einer holistischen Arbeitsumgebung<br />
werden auf Basis der domänenübergreifenden<br />
Untersuchungen im nächsten Schritt weiter umgesetzt.<br />
Dabei soll ein nahtloser Wechsel zwischen der realen und<br />
der computergestützten Interaktion sowie Kommunikation<br />
möglich sein, um die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter<br />
zu steigern. Neue Interaktionstechnologien können<br />
einen wichtigen Beitrag zur Optimierung der Zusammenarbeit<br />
<strong>von</strong> Mensch und Technik leisten. Innovative und<br />
intuitive Lösungen erleichtern und beschleunigen die Arbeitsabläufe<br />
und reduzieren Fehlentscheidungen sowie<br />
Kosten im Unternehmen.<br />
Manuskripteingang<br />
26.05.2010<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Autoren<br />
M. Sc. Tobias Schwarz<br />
(geb. 1980) ist Doktorand<br />
der Siemens AG (Corporate<br />
Technology). Er ist verantwortlich<br />
für das Forschungsprojekt<br />
„Holistic<br />
Workspace“ mit den<br />
Schwerpunkten Usability<br />
Engineering und Interaction<br />
Design. Das Projekt wird in Kooperation mit<br />
der Universität Konstanz durchgeführt.<br />
Siemens AG,<br />
Corporate Research and Technologies<br />
(CT T DE IT 2),<br />
Otto-Hahn-Ring 6,<br />
D-81739 München,<br />
Tel. +49 (0) 89 63 64 96 53,<br />
E-Mail: schwarz.tobias.ext@siemens.com<br />
Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-<br />
Ing. Holger Oortmann<br />
(geb. 1970) ist als Program<br />
Manager verantwortlich für<br />
das Thema Usability<br />
Engineering bei der Corporate<br />
Technology der Siemens<br />
AG. Seit 1997 ist er<br />
auf dem Gebiet Usability<br />
Engineering für technische Systeme aktiv.<br />
Siemens AG,<br />
Corporate Research and Technologies<br />
(CT T DE IT 2),<br />
Otto-Hahn-Ring 6,<br />
D-81739 München,<br />
Tel. +49 (0) 89 63 64 63 42,<br />
E-Mail: holger.oortmann@siemens.com<br />
[11] Vicente, K. J.: Cognitive Work Analysis: Towards Safe,<br />
Productive, and Healthy Computer-Based Work. L.<br />
Erlbaum Associates Inc, Hillsdale 1999<br />
[12] Beyer, H. und Holtzblatt, K.: Contextual design: defining<br />
customer-centered systems. Morgan Kaufmann Publishers<br />
Inc, San Francisco 1998<br />
[13] Wittenberg, C.: <strong>Virtuelle</strong> Prozessvisualisierung am Beispiel<br />
eines verfahrenstechnischen Prozesses. Fortschritt-<br />
Bericht VDI Verlag, Düsseldorf 2001<br />
[14] Grams, T.: Bedienfehler und ihre Ursachen (Teil 1).<br />
<strong>atp</strong>-Automatisierungstechnische Praxis 40 (3). Oldenbourg<br />
Verlag, München 1998, S. 53-56<br />
[15] Hettinger, T., Kaminsky, G., Schmale, H.: Ergonomie am<br />
Arbeitsplatz. Daten zur menschengerechten Gestaltung der<br />
Arbeit (2. Aufl.). Kiehl Friedrich Verlag, Ludwigshafen 1989<br />
Prof. Dr. Harald<br />
Reiterer (geb. 1961) leitet<br />
die Arbeitsgruppe Mensch-<br />
Computer Interaktion im<br />
Fachbereich Informatik<br />
und Informationswissenschaft<br />
der Universität<br />
Konstanz.<br />
Seine Forschungsschwerpunkte<br />
liegen in den Bereichen Interaction<br />
Design, Usability Engineering und Information<br />
Visualization.<br />
Universität Konstanz,<br />
Arbeitsgruppe Mensch-Computer Interaktion,<br />
Universitätsstr. 10, D 73,<br />
D-78457 Konstanz,<br />
Tel. +49 (0) 7531 88 37 04,<br />
E-Mail: Harald.Reiterer@uni-konstanz.de<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
51
hauptbeitrag<br />
Tests <strong>von</strong> Feldgeräten<br />
mit Profibus PA-3.02<br />
Praxisrelevante Versuche bestätigen Profilfunktionalität<br />
Unter Anwendern in der Prozessautomatisierung wächst die Nachfrage nach Feldgeräten<br />
mit den neuen Funktionalitäten des Profibus PA-Profils 3.02. Die Standardisierungsarbeiten<br />
und die Umsetzung des Profils in den Zertifizierungsprozess wurden 2009 in der<br />
Profibus Nutzer Organisation (PNO) erfolgreich abgeschlossen. Nun sollten – vom Standpunkt<br />
der Anwender aus gesehen – praxisrelevante Tests die Umsetzung und die Auswirkungen<br />
der neuen Funktionalitäten in den im Markt verfügbaren Feldgeräten und Hostsystemen<br />
aufzeigen. Der Beitrag beschreibt, wie erstmals herstellerunabhängig Feldgeräte<br />
im Prüflabor <strong>von</strong> BIS Prozesstechnik in Frankfurt am Main auf die Funktionalität des<br />
PA-Profils 3.02 hin getestet wurden.<br />
SCHLAGWÖRTER Profibus / Prozessautomation / PA Profil 3.02 / Asset Management /<br />
Life Cycle Management / Geräteintegration<br />
Tests of Field Devices with Profibus PA 3.02 –<br />
Practice-oriented Examinations Confirm Profile Functionality<br />
Users in process automation are more and more asking for field devices with implemented<br />
Profibus PA Profile 3.02. After finishing the standardization works and the implementation<br />
of the PA Profile 3.02 into the certification process of PI (Profibus & Profinet International)<br />
in 2009, practice-oriented examinations should demonstrate the realization and<br />
the impact of the new functionalities. The paper describes how field devices according to<br />
PA Profile 3.02 of different manufacturers have been tested at the test lab of BIS Prozesstechnik<br />
in Frankfurt/Main, Germany.<br />
KEYWORDS Profibus / Process Automation / PA Profile 3.02 / Asset Management /<br />
Life Cycle Management / Device Integration<br />
52<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Michael Pelz, Clariant Produkte<br />
Sven Seintsch, BIS Prozesstechnik<br />
Steffen Ochsenreither, PNO<br />
Der gewohnte Umgang mit der konventionellen<br />
4-20-mA-Technologie diente als Maßstab für<br />
das Profibus PA Profil 3.02. Die Innovationen<br />
des Profils zielen vor allem auf eine vereinfachte<br />
Handhabung der Feldbustechnologie in<br />
der industriellen Praxis ab. Die wesentlichen Neuerungen<br />
im Profil 3.02 sind die grundlegenden Maßnahmen<br />
zur Vereinfachung der Geräteintegration über den Lebenszyklus<br />
einer Produktionsanlage. Es handelt sich<br />
beispielsweise um Vorschriften zur Kennzeichnung der<br />
Software-Variante am Gerät, die automatische Anpassung<br />
an Funktionalität <strong>von</strong> Vorgängerversionen im zyklischen<br />
Verkehr, herstellerübergreifende Richtlinien<br />
für Änderungen der Gerätesoftware und deren Auswirkung<br />
auf Kompatibilität. Darüber hinaus definiert das<br />
Profil 3.02 die verpflichtende Abbildung der spezifischen<br />
Diagnoseinformationen <strong>von</strong> Feldgeräten auf standardisierte<br />
Kategorien (NE107 – Selbstüberwachung<br />
und Diagnose <strong>von</strong> Feldgeräten) und den deutlich<br />
schnelleren Transfer <strong>von</strong> Feldgerätedaten, zum Beispiel<br />
bei der Übertragung <strong>von</strong> parametrierten Daten während<br />
eines Gerätetauschs.<br />
1. Praxisrelevante Testszenarien<br />
Nach Verabschiedung des Profils 3.02 galt es, die Praxistauglichkeit<br />
zu beweisen. Dafür wurden im Prüflabor<br />
der BIS Prozesstechnik verschiedene Testfälle durchgespielt,<br />
in denen die neuen Geräte ihre Einsatzfähigkeit<br />
beweisen mussten. Für die praktischen Tests wurden<br />
zwei Geräte verwendet: ein Stellungsregler der Firma<br />
Samson sowie ein Temperaturtransmitter der Firma<br />
Endress+Hauser. Bei diesem handelt es sich zwar um ein<br />
Profil-3.01-Gerät, jedoch wurde hier die Funktionalität<br />
des neuen Profils 3.02 bereits vom Hersteller implementiert.<br />
Die Feldgeräte wurden in fünf verschiedenen Aufbauten<br />
mit Leitsystemen der Hersteller Siemens, ABB<br />
und Schneider getestet. Im Fokus stand dabei der Austausch<br />
eines Altgerätes gegen ein Neugerät; ein Fall, wie<br />
er häufig in der Praxis auftritt, wenn in einer bestehenden<br />
Anlage ein Gerät ausfällt und durch ein Gerät mit<br />
einer neueren Version ersetzt werden muss.<br />
Im betrieblichen Alltag lässt sich die Gerätekonfiguration<br />
im Leitsystem ohne einen Stopp des zyklischen Datenaustauschs<br />
und somit einer Unterbrechung der Prozessführung<br />
oft nicht ändern. Hierfür ist es wichtig, dem<br />
Anwender eine Lösung zur Verfügung zu stellen, bei der<br />
der zyklische Teil des Automatisierungssystems beim<br />
Gerätewechsel nicht betroffen ist. Ein Testszenario ist<br />
im Bild 1 dargestellt.<br />
2. Aufbau und Vorgehen<br />
An allen Leitsystemen wurde ein PA-Strang mit Feldgeräten<br />
konfiguriert und in Betrieb genommen. Daraufhin<br />
erfolgte der Austausch des konfigurierten Gerätes<br />
gegen ein Gerät neuerer Version mit der entsprechenden<br />
Busadresse. Überwacht wurde sowohl die zyklische<br />
Messwertübertragung als auch der Status des<br />
Messwertes. Um möglichst viele Einsatzfälle abdecken<br />
zu können, erstreckte sich der Test über verschiedene<br />
Konfigurationen:<br />
So kann der Stellungsregler beispielsweise nur zur<br />
Übertragung des Stellsignals vorgesehen sein oder<br />
aber auch zusätzlich die aktuelle Ventilstellung und<br />
die diskreten Ventilpositionen übertragen. Weitere<br />
Konfigurationen sind möglich.<br />
Auch der Temperaturtransmitter wurde auf verschiedene<br />
Weise getestet: So wurde das Gerät mit<br />
der Konfigurationsdatei des Herstellers sowie mit<br />
der Profil-GSD eingebunden. In allen genannten<br />
Fällen muss sich der neue Transmitter, der das installierte<br />
Gerät ersetzt, automatisch auf die im Leitsystem<br />
verwendete Ident.-Nummer adaptieren und<br />
die Konfiguration, das heißt die Einstellung, welche<br />
Werte übertragen werden sollen, übernehmen (siehe<br />
Bild 2). Bei Geräteanlauf wird überprüft ob die<br />
Ident.-Nummer der GSD, welche im Leitsystem verwendet<br />
wird, und die Ident.-Nummer des Feldgerä-<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
53
Hauptbeitrag<br />
BILD 1: Aufbau eines<br />
Testszenarios im<br />
Projektierungstool<br />
Bild 2:<br />
Automatische Adaption<br />
der Ident.-Nummer<br />
des Feldgerätes<br />
Tabelle 1:<br />
Verschiedene Varianten<br />
<strong>von</strong> Gerätekombinationen<br />
decken ein breites Spektrum<br />
in der Praxis ab<br />
*Keine automatische Adaption<br />
der Ident.-Nummern möglich.<br />
Änderung der Ident.-Nummer<br />
muss am Feldgerät oder über<br />
einen Master Klasse 2 erfolgen.<br />
Gerätetyp<br />
Bestehende<br />
Konfiguration<br />
Neugerät SK1 SK2 SK3<br />
Link/<br />
Koppler<br />
Temperaturtransmitter TMT 184 TMT 84 ✓ ✗* ✓ ✓<br />
Profil 1AI TMT 84 ✓ ✗* ✓ ✓<br />
Stellungsregler 3785 Profil 2 3730-4 ✓ ✗* ✓ ✓<br />
3785 Profil 3 3730-4 ✓ ✗* ✓ ✓<br />
Bild 3:<br />
Die Versuchsanlage<br />
vor und nach<br />
dem Tausch des<br />
Stellungsreglers<br />
54<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Lernen Sie die<br />
kennen!<br />
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tes übereinstimmen. Nur wenn dies der Fall ist,<br />
funktioniert der zyklische Datenaustausch zwischen<br />
Feldgerät und Leitsystem.<br />
Dabei ist die Ident.-Nummer (Identifikationsnummer) eine<br />
eindeutige Nummer, welche einem zertifizierten Gerät<br />
einmalig zugewiesen wird. In Verbindung mit der im Leitsystem<br />
hinterlegten Konfigurationsdatei, der GSD, wird<br />
das Feldgerät eindeutig identifiziert.<br />
Ein Feldgerät kann sowohl mit einer herstellerspezifischen<br />
Konfigurationsdatei als auch mit der Profil-GSD<br />
in das Leitsystem eingebunden werden. Mit der Profil-<br />
GSD können dabei, unabhängig vom Hersteller, die wesentlichen<br />
Funktionalitäten der Geräte im Leitsystem<br />
abgebildet werden.<br />
Ein wesentlicher Teil der Profibus-PA-Infrastruktur ist<br />
der Segmentkoppler, welcher Profibus DP und Profibus<br />
PA miteinander verbindet und in jedem PA-Segement<br />
vorhanden sein muss. Er wandelt die unterschiedlichen<br />
Physical Layer und passt die Busgeschwindigkeiten an.<br />
Derzeit finden vier Geräte ihren Einsatz in der Industrie:<br />
Link/Koppler (Siemens), Segment-Koppler SK1, SK2<br />
(nicht mehr kommerziell erhältlich) und SK3 (alle<br />
Pepperl+Fuchs). Diese Segmentkoppler bieten unterschiedliche<br />
Funktionalitäten und unterscheiden sich in<br />
ihrem Verhalten am Bus. Aus diesem Grund wurden<br />
während des Tests alle genannten Typen verwendet.<br />
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3. Vereinfachter Gerätetausch im Praxistest<br />
Der Test wurde an allen Leitsystemen mit den Segmentkopplern<br />
SK1, SK2 und SK3 durchgeführt, am Leitsystem<br />
der Firma Siemens kam zusätzlich die Link/Koppler-<br />
Kombination zum Einsatz. An einem Leitsystem wurde<br />
die bestehende Konfiguration DTM-basiert durchgeführt,<br />
das heißt die in den DTM vorhandene GSD verwendet.<br />
4. Volle Funktionalität –<br />
Direkt nach dem Austausch<br />
Die Adaption der Ident.-Nummer verlief bei beiden getesteten<br />
Geräten, gleich welche Konfiguration verwendet<br />
wurde, automatisch und ohne Probleme. Einzige<br />
Ausnahme stellen die Testsysteme mit SK2 dar: Hier<br />
erfolgte die Adaption der Ident.-Nummer erst nach einem<br />
manuellen Eingriff am Gerät. Zum Zeitpunkt der<br />
Entwicklung des SK2 berücksichtigte die damals gültige<br />
Feldbusnorm IEC 61158 nicht die Möglichkeit, mehrere<br />
Ident.-Nummern einem Feldgerät zuzuordnen. Der<br />
SK2 wurde inzwischen durch den SK3 abgelöst der<br />
uneingeschränkt die automatische Adaption <strong>von</strong> Ident.-<br />
Nummern durch Feldgeräte mit Profibus PA 3.02 Profil<br />
unterstützt.<br />
Der Adaptierungsvorgang ist ebenso unabhängig <strong>von</strong><br />
der verwendeten DP-Baudrate: Getestet wurde sowohl<br />
mit 93,75 kBit/s und, bei Segmentkopplern, die höhere<br />
DP-Geschwindigkeiten erlauben, auch mit 12 MBit/s<br />
auf der DP-Seite. Auch hier erfolgte die Adaption auto-<br />
Programm-Download<br />
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im Internet unter<br />
www.<strong>atp</strong>-mediathek.de<br />
Die <strong>atp</strong>-mediathek ist ein Angebot der Oldenbourg Industrieverlag GmbH,<br />
Rosenheimer Str. 145, 81671 München, GF: Hans-Joachim Jauch
Hauptbeitrag<br />
Bild 4:<br />
Zuordnung der<br />
Statussignale<br />
(Condensed Status)<br />
nach NE 107<br />
Bild 5: NE107 Baustein<br />
matisch und dies unabhängig vom verwendeten Leitsystem<br />
und <strong>von</strong> der Art der Geräteintegration (GSD<br />
oder DTM-basiert).<br />
Beide Testgeräte wurden mit der Einstellung „Auto-<br />
Adaptieren“ ausgeliefert. Ein unterschiedliches Verhalten<br />
zeigte sich bei der Umsetzung der Adaption: Der<br />
Temperaturtransmitter speichert die automatisch adaptierte<br />
Ident.-Nummer nicht und adaptiert sich bei jedem<br />
Busanlauf/Power-Reset neu, während der Stellungsregler<br />
die automatisch adaptierte Ident.-Nummer nichtflüchtig<br />
speichert. Dadurch ist kein erneutes Adaptieren<br />
nach Busanlauf/Power-Reset nötig.<br />
Die GSD-Dateien der Altgeräte funktionieren mit den<br />
Neugeräten weiter, das heißt es sind keine Änderungen<br />
im Leitsystem nötig, und es findet kein ungeplanter Stop<br />
der Anlage statt. Eine manuell eingestellte Ident.-Nummer<br />
wird bei beiden Testgeräten nichtflüchtig gespeichert.<br />
Der Anwender hat somit die Möglichkeit, die automatische<br />
Adaptierung zu umgehen und die Ident.-<br />
Nummer des alten Gerätes per Hand einzustellen.<br />
Da die automatische Adaption in Anlagen, in denen ein<br />
SK2 verwendet wird, nicht funktioniert, kann das Gerät<br />
mit diesem zusätzlichen Schritt auch hier einfach getauscht<br />
werden. Die Option, die Ident.-Nummer direkt am<br />
Display des Gerätes einzustellen, vereinfacht den Tausch<br />
<strong>von</strong> Alt- gegen Neugerät nochmals um ein Vielfaches.<br />
Zu keinem Zeitpunkt des Tests, weder beim „Ausfall“<br />
des Alt-Gerätes noch beim Tausch oder der Anpassung<br />
an die Ident.-Nummer, gingen die Leitsysteme in den<br />
Stop. Für den Anwender bedeutet dies einen unterbrechungsfreien<br />
Betrieb der Anlage; über die Dauer des<br />
Ausfalls bis zum Austausch des defekten Gerätes hinweg.<br />
Damit ist eine der wesentlichen Anforderungen an<br />
das Profil 3.02 erfüllt.<br />
Bild 3 zeigt ein Beispiel für einen Gerätetausch.<br />
5. Die richtigen Informationen am richtigen Ort<br />
Eine weitere Neuerung des Profils 3.02 ist die Übertragung<br />
eines Sammelstatus nach Namur-Empfehlung NE<br />
107. Dabei beschränkt sich der Status auf die Informationen<br />
„Ausfall“, „Funktionskontrolle“, „Außerhalb der<br />
Spezifikation“ und „Wartungsbedarf“. Das Ziel ist, den<br />
Anlagenfahrer zu entlasten und ihm nur die Informationen<br />
zur Verfügung zu stellen, die er für eine sichere<br />
Prozessbedienung benötigt. Zur Auswertung der Statusinformationen<br />
ist im Prozessleitsystem ein Funktionsbaustein<br />
nötig, mit dem die Bitinformationen des<br />
Statusbytes mit dem richtigen Statussymbol verknüpft<br />
werden. Zum Test der Diagnosemeldungen wurden Fehlerfälle<br />
simuliert und die richtige Zuordnung zu den<br />
Statussignalen kontrolliert (Bild 4).<br />
Im Vorfeld wurde für jedes System ein Funktionsplan<br />
erstellt, um den Status entsprechend der Profil-Codierung<br />
auszuwerten. Für das System <strong>von</strong> Schneider ist ein<br />
56<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
derartiger Baustein bereits vorhanden, für die anderen<br />
Systeme wurde ein eigener Baustein programmiert, der<br />
durch die Vereinheitlichung des Statusbits für alle Profibus<br />
PA Geräte nach Profil 3.02 verwendet werden kann<br />
(siehe Bild 5).<br />
Zur Prüfung wurden verschiedene Fehler simuliert:<br />
Am Temperaturtransmitter unter Anderem die „Ausfälle“<br />
Sensorkurzschluss, Sensorbruch sowie der Zustand<br />
„Außerhalb der Spezifikation“ mittels Umgebungstemperaturüberschreitung.<br />
Das Gerät ordnet den Fehlern<br />
den jeweiligen passenden Status zu. Dieser wird dann<br />
im Leitsystem dargestellt. Die Statusinformationen der<br />
Fehler sind fest codiert, können somit vom Anwender<br />
nicht geändert werden.<br />
Im Unterschied zum Temperaturtransmitter kann<br />
beim Stellungsregler die Zuordnung der Statusinformationen<br />
zum jeweiligen Gerätefehler vom Anwender mittels<br />
DTM oder der herstellerspezifischen Software der<br />
Applikation entsprechend festgelegt werden. Bei den am<br />
Stellungsregler simulierten Zuständen handelte es sich<br />
Breite Akzeptanz – NAMUR-Arbeitskreis 2.6 „Feldbus“<br />
„Nach der guten Zusammenarbeit zwischen PNO und Namur-<br />
AK 2.6 „Feldbus“, bei der Erstellung des PA-Profils 3.02, war es<br />
wichtig, die Auswirkungen der neuen Funktionalitäten in einem<br />
praxisrelevanten Test zu prüfen.<br />
Der Test hat verdeutlicht, dass durch die Funktionalität<br />
„automatische Ident-Nummer-Adaption“ des PA-Profils 3.02<br />
der Feldgerätetausch wesentlich vereinfacht werden kann,<br />
ohne die Verfügbarkeit der restlichen Anlage zu beeinflussen.<br />
Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass es möglich ist, Funktionalitäten<br />
für Endanwender zu vereinfachen und die Handhabung<br />
praxisnäher zu gestalten. Nun sollte diese Vorgehensweise<br />
auch in anderen Bereichen etabliert werden, um die Komplexität<br />
für Endanwender weiter zu minimieren (zum Beispiel bei der<br />
Geräteintegration, FDI).<br />
Durch die nun verpflichtend gewordene Standardisierung der<br />
Status- und Diagnoseinformationen <strong>von</strong> Geräten nach den Kategorien<br />
der Namur-Empfehlung 107 „Selbstüberwachung und<br />
Diagnose <strong>von</strong> Feldgeräten“, erhält der Anwender eine<br />
herstellerübergreifende, standardisierte und einfach handhabbare<br />
Gerätediagnose. Dank dieser Harmonisierung lassen sich<br />
die Vorteile einer aktiven Gerätediagnose nun wesentlich<br />
effizienter nutzen.<br />
Noch offen sind die Untersuchung der Kennzeichnung der<br />
Software-Variante direkt am Gerät und der wesentlich<br />
schnellere Datentransfer zwischen Feldgerät und übergeordnetem<br />
System (zum Beispiel PLS). Diese beiden Funktionalitäten<br />
des PA-Profils 3.02 bieten das Potenzial, den Gerätetausch<br />
und das Gerätemanagement noch weiter zu verbessern. Umso<br />
wichtiger ist es, die Testergebnisse für diese beiden Funktionalitäten<br />
zu einem späteren Zeitpunkt nachzureichen.<br />
Das beschriebene positive Testergebnis zeigt deutlich, dass<br />
eine frühe und offene Kommunikation zwischen Herstellern<br />
und Anwendern eine lohnenswerte Investition für alle<br />
Beteiligten darstellt.<br />
Stefan Erben, Entwicklungsleiter<br />
Elektronik, Samson AG:<br />
„Wesentlich für die Akzeptanz und die<br />
Verbreitung <strong>von</strong> Feldbustechnik in der<br />
Prozessautomatisierung ist neben der<br />
problemlosen Geräteintegration die<br />
Einfachheit eines Gerätetauschs im<br />
laufenden Betrieb einer verfahrenstechnischen<br />
Anlage. Als Maßstab gilt hier die 4-20-mA-Technologie.<br />
Nur wenn ein Gerätetausch ebenso einfach zu bewerkstelligen<br />
ist wie bei 4-20 mA, wird auch der Feldbus diese<br />
Akzeptanz finden. Das Profibus PA Profil 3.02 hat diese<br />
Anwenderanforderungen aufgegriffen und eine gute<br />
Plattform für Geräte der Prozessautomatisierung geschaffen.<br />
Um dies zu unterstützen, hat Samson an der Spezifikation<br />
mitgearbeitet und diese Erweiterungen des bewährten<br />
PA-Profils in seine Geräte implementiert. Der Test bei BIS<br />
Prozesstechnik hat eindrucksvoll gezeigt, wie Anforderungen<br />
aus der Praxis der Prozessautomatisierung sinnvoll in eine<br />
Spezifikation aufgenommen und anschließend durch einen<br />
praxisnahen Test verifiziert werden können.“<br />
Dr. Jochen Müller, Head of Global Plant<br />
Asset Management Business,<br />
Endress+Hauser Process Solutions AG:<br />
„Seit Jahren erhebt der digitale Feldbus<br />
den Anspruch, die in der Prozessindustrie<br />
verbreitete 4-20-mA-Technologie<br />
abzulösen. In der industriellen Praxis<br />
impliziert dies aber auch einen Vergleich<br />
des praktischen Umgangs der Feldbustechnologie mit der<br />
einfachen Handhabung der 4-20-mA-Technologie. Gerade der<br />
Gerätetausch gestaltete sich problematisch, auch aufgrund<br />
der ständig fortschreitenden technischen Entwicklung. Mit<br />
dem PA Profil 3.02 ist es nun endlich möglich, Feldgeräte<br />
nach Jahren problemlos zu tauschen und dennoch <strong>von</strong> den<br />
Weiterentwicklungen der Hersteller zu profitieren. Durch die<br />
Mitarbeit <strong>von</strong> Endress+Hauser an der Erstellung des Profils<br />
haben beide Seiten, sowohl die Anwender als auch die<br />
Hersteller, <strong>von</strong>einander gelernt und profitiert. Das Ergebnis<br />
des Tests bei BIS Prozesstechnik beweist nun eindrucksvoll<br />
wie die Kundenanforderungen konsequent in den Geräten<br />
umgesetzt wurden.“<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
57
Hauptbeitrag<br />
zum Beispiel um Nullpunktabweichung, Blockierung<br />
des Antriebs als „Wartungsbedarf“ und die „Funktionskontrolle“<br />
durch Initialisierung. Auch diese Fehler wurden,<br />
entsprechend der Voreinstellung im Gerät, passend<br />
zugeordnet.<br />
Fazit<br />
Die Testresultate überzeugten: In den Multi-Vendor Anlagen<br />
bei BIS Prozesstechnik in Frankfurt erfüllten die<br />
Feldgeräte die Anforderungen der Anwender durchweg<br />
mit positivem Ergebnis. Somit ist ein großer Schritt in<br />
Richtung der einfachen Geräteintegration getan. Sowohl<br />
der Gerätetausch als auch die zusammengefassten Diagnosemeldungen<br />
ermöglichen dem Anwender einen<br />
noch einfacheren und intuitiveren Umgang mit der bewährten<br />
Technologie. Feldgeräte können nun getauscht<br />
werden, ohne die Anlage stoppen zu müssen. Durch die<br />
Reduzierung der Diagnosemeldungen auf die notwendigen<br />
Informationen kann der Leitstand schnell und<br />
gezielt auf Fehler reagieren.<br />
Das Profil 3.02 hat nun endgültig den Weg in die Feldgeräte<br />
gefunden: Den Anwendern stehen bereits ein<br />
Druck- sowie in Kürze ein Füllstandsmessgerät der Firma<br />
Endress+Hauser zur Verfügung. Durch die schnelle Implementierung<br />
des Profils in die Feldgeräte durch die<br />
Hersteller können die Anwender im Laufe des Jahres 2011<br />
mehr als 12 Geräte mit 3.02 Funktionalität einsetzen.<br />
Manuskripteingang<br />
29.04.2010<br />
Im Peer-Review-Verfahren begutachtet<br />
Autoren<br />
Dipl.-Ing. Sven Seintsch<br />
(geb. 1969) leitet das Prüflabor<br />
der BIS Prozesstechnik<br />
GmbH. Er ist Mitglied des<br />
Namur-Arbeitskreises 2.6<br />
„Feldbus“. In der IGR leitet<br />
er das Arbeitsfeld „EMR<br />
Prüftechnik“.<br />
BIS-Prozesstechnik GmbH,<br />
Industriepark Höchst, D710,<br />
D-65926 Frankfurt am Main, Tel. +49 (0) 69 3 05 26 63,<br />
E-Mail: sven.seintsch@BIS.bilfinger.com<br />
Dipl.-Ing. Michael Pelz<br />
(geb. 1966) ist EMR-Betriebsingenieur<br />
und Ansprechpartner<br />
für Feldbusthemen<br />
im Bereich der Business<br />
Unit Pigments der Clariant<br />
Produkte (Deutschland)<br />
GmbH. Er ist Obmann des<br />
Namur-Arbeitskreises 2.6<br />
„Feldbus“, Leiter der Prolist-Arbeitsgruppe<br />
„Feldbustechnik“ und Mitglied des IGR- (Interessengemeinschaft<br />
Regelwerke Technik)<br />
Arbeitskreises „Feldbus“.<br />
Clariant Produkte (Deutschland) GmbH,<br />
BU Pigments, Operations Rhein–Main /<br />
Department AZO, Industriepark Höchst, E632,<br />
D-65926 Frankfurt am Main,<br />
Tel. +49 (0) 69 30 52 94 94,<br />
E-Mail: michael.pelz@clariant.com<br />
Referenzen<br />
[1] NE107: Selbstüberwachung und Diagnose <strong>von</strong> Feldgeräten,<br />
Juni 2006<br />
[2] NE105: Anforderungen an die Integration <strong>von</strong> Feldbusgeräten<br />
in Engineering Tools für Feldgeräte, August<br />
2004<br />
[3] NE 53: Software <strong>von</strong> Feldgeräten und signalverarbeitenden<br />
Geräten mit Digitalelektronik<br />
[4] Pelz, Michael, Seintsch, Sven, Gerätekommunikation<br />
im Wandel, <strong>atp</strong> 4/2008, S. 52-57<br />
[5] Kiupel, Niels, Der Feldbus – eine Erfolgsgeschichte,<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> 3/2010, S. 30-37<br />
Steffen Ochsenreither<br />
(geb. 1984) ist Marketing<br />
Manager Fieldbus,<br />
Endress+Hauser Process<br />
Solutions AG. Er studierte<br />
Wirtschaftsingenieurwesen<br />
mit der Vertiefung in Elektround<br />
Informationstechnik und<br />
schloss sein Studium als<br />
Master of Engineering ab. Seitdem ist er bei<br />
Endress+Hauser im Bereich Technology Marketing<br />
verantwortlich für Profibus. Darüber hinaus leitet<br />
er den PNO Arbeitskreis „Marketing Process<br />
Automation“.<br />
Endress+Hauser Process Solutions AG,<br />
Kägenstraße 2, CH-4052 Basel,<br />
Tel. +41 (0) 61 7 15 74 98,<br />
E-Mail: steffen.ochsenreither@solutions.endress.com<br />
58<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Mehr Diagnose<br />
für intelligente<br />
Sensoren und Aktoren<br />
IO-Link<br />
Intelligente Geräte brauchen<br />
einfache Schnittstellen<br />
Diese Neuerscheinung ist didaktisch so aufgebaut, dass es je<br />
nach Qualifikation, verschiedene Einstiegs-Levels (Einsteiger,<br />
Fortgeschrittene, Experten) gibt.<br />
Das umfassende Kompendium beschreibt die neue, herstellerunabhängige<br />
IO-Link-Schnittstelle. Diese kann über Sensoren und Aktuatoren<br />
auf einfache Weise Daten mit der überlagerten Steuerung austauschen.<br />
Anstatt vieler proprietärer Systeme muss der Anwender in<br />
Zukunft also nur noch ein System kennen. Parametrierungen können<br />
automatisch in die Geräte geladen und umgekehrt Diagnose- und<br />
Wartungsinformationen an die Leitwarte gemeldet werden. Was sich<br />
zunächst komplex anhört, funktioniert mit IO-Link ganz einfach.<br />
Ergänzend zu den detaillierten, theoretischen Beschreibung und ihrer<br />
Vorteile finden Ingenieure und Praktiker aus dem Maschinen- und<br />
Anlagenbau, Betreiber, Instandhalter, Planer und Systemintegratoren<br />
auch vertiefende Übungen und praktische Beispiele.<br />
Autoren: P. Wienzek, J. R. Uffelmann<br />
1. Auflage 2010, 310 Seiten, Broschur<br />
Oldenbourg Industrieverlag München<br />
www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />
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SOFORTANFORDERUNG PER FAX: +49 (0)201 / 82002-34 oder im Fensterumschlag einsenden<br />
Ja, ich bestelle gegen Rechnung 3 Wochen zur Ansicht<br />
Ex.<br />
IO-Link<br />
1. Auflage 2010 – ISBN: 978-3-8356-3115-1<br />
für € 89,90 (zzgl. Versand)<br />
Die bequeme und sichere Bezahlung per Bankabbuchung wird<br />
mit einer Gutschrift <strong>von</strong> € 3,- auf die erste Rechnung belohnt.<br />
Firma/Institution<br />
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PLZ, Ort<br />
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Bevorzugte Zahlungsweise Bankabbuchung Rechnung<br />
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E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der<br />
Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs oder der Sache an die Vulkan-Verlag GmbH, Versandbuchhandlung,<br />
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Nutzung personenbezogener Daten: Für die Auftragsabwicklung und zur Pflege der laufenden Kommunikation werden personenbezogene Daten erfasst und gespeichert. Mit dieser Anforderung erkläre ich mich damit einverstanden, dass ich vom Oldenbourg Industrieverlag oder vom<br />
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Praxis<br />
Universelle Kommunikationsanbindung<br />
sorgt für verbesserte Prozesse<br />
Schwedischer Möbelfabrikant Swedwood vereinfacht Datenaustausch und Systemverwaltung<br />
Auch in der Möbelherstellung muss eine Reihe <strong>von</strong><br />
Prozessparametern exakt eingehalten werden. Temperatur,<br />
Luftfeuchtigkeit, Luftqualität und andere Umweltbedingungen<br />
spielen eine zentrale Rolle für eine<br />
konstante Qualität. Mit einer OPC-Lösung <strong>von</strong> Matrikon<br />
verbesserte der schwedische Ikea-Zulieferer Swedwood<br />
seine Prozesse und realisierte eine universelle Kommunikationsanbindung.<br />
Als einer der führenden für Ikea tätigen Hersteller fertigt<br />
die Firma Swedwood in ihrer Produktionsstätte im<br />
schwedischen Älmhult pro Jahr zirka 8 Millionen Küchenfronten<br />
– 150 000 versandfertige Fronten pro Woche.<br />
Der Fertigungsstandort ist eine <strong>von</strong> über 40 Produktionsstätten<br />
weltweit und beschäftigt 350 Mitarbeiter. Die<br />
größte Herausforderung für Swedwood besteht darin,<br />
hochwertige Möbel in konstanter Qualität und mit<br />
höchstem Tempo zu produzieren.<br />
UMGEBUNGSBEDINGUNGEN EXAKT GEREGELT<br />
Zahlreiche OPC-Server und über 50 speicherprogrammierbare<br />
Steuerungen (SPS) sorgen am Standort Älmhult<br />
für die exakte Überwachung und Regelung <strong>von</strong> Temperatur,<br />
Luftfeuchtigkeit, Luftqualität und anderen Umweltbedingungen.<br />
Jede Materialcharge, die das Werk durchläuft,<br />
muss in einer bestimmten, kontrollierten Umgebung<br />
verarbeitet werden. Schon ein einziger Fehler, etwa bei<br />
der Verklebung, kann Kundenreklamationen nach sich<br />
ziehen und dazu führen, dass weltweit ganze Chargen<br />
aus den Regalen der Ikea-Einrichtungshäuser genommen<br />
werden müssen.<br />
Zur Verbesserung seiner Abläufe wollte Swedwood<br />
daher eine universelle Kommunikationsanbindung an<br />
seine speicherprogrammierbaren Steuerungen schaffen,<br />
dabei jedoch vermeiden, dass diese durch Abfragen<br />
einzelner OPC-Clients überlastet würden. Gesucht<br />
wurde eine einheitliche Plattform mit einer einzigen,<br />
leicht bedienbaren Schnittstelle, die bei Erweiterungen<br />
um neue SPS weniger Unterstützungsaufwand<br />
durch externe Systemintegratoren notwendig machte.<br />
Außerdem musste das Unternehmen sicherstellen,<br />
dass geschäftskritische Daten für mehrere seiner Unternehmenseinheiten<br />
problemlos verfügbar sind, und<br />
zu diesem Zweck den Datenaustausch zwischen seiner<br />
Microsoft-SQL-Server-Datenbank und seinen OPC-<br />
Servern ermöglichen.<br />
Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftqualität<br />
und andere Umweltbedingungen<br />
müssen bei der industriellen Möbelfertigung exakt<br />
gesteuert werden. Durch eine OPC-Lösung schuf<br />
Swedwood eine universelle Kommunikations -<br />
anbindung.<br />
Bild: Matrikon<br />
PRAXISNAHE LÖSUNG GESUCHT<br />
Swedwood hatte mehrere andere Lösungen zur Umsetzung<br />
des Projekts erwogen, bevor man sich für den MatrikonOPC<br />
Universal Connectivity Server (UCS) und den<br />
OPC Client für ODBC (siehe Abbildung 1) entschied. Die<br />
Lösungen <strong>von</strong> MatrikonOPC boten die <strong>von</strong> Swedwood<br />
benötigte Funktionalität und Skalierbarkeit zusammen<br />
mit landessprachlichem Support.<br />
„Wir haben das Internet durchforstet, um die beste Lösung<br />
für unsere Anforderungen zu finden. Die Matrikon-<br />
OPC-Lösungen haben uns hier sowohl durch den Preis<br />
und die Qualität als auch durch die gut lesbaren Anwenderdokumentationen<br />
überzeugt”, erklärt Johan<br />
Sturve, IT-Techniker bei Swedwood. „Außerdem war<br />
ich nach einigen Besprechungen sicher, dass Matrikon-<br />
OPC über gute und langjährige Erfahrungen auf diesem<br />
Gebiet und über qualifiziertes Personal verfügt.“<br />
NUR NOCH EINE SCHNITTSTELLE<br />
Der MatrikonOPC UCS ist die <strong>von</strong> Swedwood gewählte<br />
Lösung. Mit einer einzigen bedienerfreundlichen Schnittstelle<br />
kann das Unternehmen nun seine Plug-ins für Siemens,<br />
Mitsubishi, Omron, Modbus und andere Systeme<br />
verwalten. Zudem kann Swedwood bei künftig wachsendem<br />
Bedarf mit wenigen einfachen Schritten weitere Protokolle<br />
hinzufügen.<br />
Die wichtigsten Funktionen des Universal Connectivity<br />
Server <strong>von</strong> MatrikonOPC sind:<br />
Vollständige Abdeckung der klassischen<br />
OPC-Spezifikationen<br />
OPC-UA-Unterstützung mit integriertem<br />
Adressraum<br />
Integrierte Sicherheit auf Einzelbenutzerund<br />
Einzelelement-Ebene<br />
Integrierte Redundanz auf Geräte-Ebene<br />
Plug-ins für OPC-Clients<br />
Swedwood nutzt ferner den MatrikonOPC-Client for<br />
ODBC für den Datenaustausch zwischen seinen Steuerungssystemen<br />
und seiner Microsoft-SQL-Server-Daten-<br />
60<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Die Swedwood-Lösung:<br />
Der Möbelhersteller verwendet<br />
den MatrikonOPC Universal<br />
Connectivity Server (UCS)<br />
und den OPC Client for ODBC.<br />
Mit einer einzigen bedienerfreundlichen<br />
Schnittstelle<br />
kann das Unternehmen nun<br />
seine Plug-ins für Siemens,<br />
Mitsubishi, Omron, Modbus<br />
und andere Systeme verwalten<br />
und bei Bedarf weitere<br />
Protokolle einfach hinzufügen.<br />
bank. Damit kann Swedwood die vom UCS zur Verfügung<br />
gestellten SPS-Daten direkt in seiner SQL-Datenbank archivieren<br />
und Daten aus der SQL-Datenbank in die SPS-<br />
Geräte zurückschreiben.<br />
Der OPC-Client for ODBC kommuniziert auf der einen<br />
Seite über OPC mit dem UCS und sendet mithilfe des<br />
ODBC-Protokolls SQL-Befehle an die Datenbank. In umgekehrter<br />
Richtung kann Swedwood nun Produktionsrezepte<br />
aus der Datenbank an die SPS-Geräte senden.<br />
Dank dieser Lösung sind auf der Steuerungsebene Produktionsdaten<br />
für den täglichen Betrieb verfügbar. Zugleich<br />
können den Verantwortlichen für Geschäfts- und<br />
Qualitätskontrollzwecke wesentliche Leistungsdaten<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
DIE OPC-LÖSUNG WÄCHST MIT DEM BEDARF<br />
„Der OPC-Client for ODBC verhilft uns zu reibungslosen<br />
Abläufen und verschafft allen unseren Unternehmenseinheiten<br />
die Informationen, die sie brauchen, um schnell<br />
und fehlerfrei zu arbeiten”, erläutert Sturve. Die Lösungen<br />
<strong>von</strong> MatrikonOPC werden dem aktuellen Bedarf des Unternehmens<br />
gerecht und sind dafür ausgelegt, auch bei<br />
künftig steigenden Anforderungen mitzuwachsen. Überzeugt<br />
wurde Swedwood auch diese Vorteile der Lösungen<br />
<strong>von</strong> MatrikonOPC:<br />
Eine einzige Schnittstelle für alle OPC-Server<br />
Reibungslose Abläufe mit verbesserter Diagnose<br />
und Qualitätskontrolle<br />
Deutlich reduzierte Belastung der Steuerungssysteme<br />
des Unternehmens<br />
Heute sind die gesamten MatrikonOPC-Lösungen am Fertigungsstandort<br />
Älmhult des Unternehmens erfolgreich<br />
implementiert und in Betrieb.<br />
Autor<br />
Jason Fletcher<br />
ist tätig als Regional Manager<br />
MatrikonOPC EMEA.<br />
Matrikon Deutschland AG,<br />
Venloer Straße 25, D-50672 Köln,<br />
Tel. +49 (0) 221 969 77 19,<br />
E-Mail: jason.fletcher@matrikonopc.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
61
Praxis<br />
Beschichtung <strong>von</strong> Verstärkungsfasern:<br />
Präzisionsprozess übersichtlicher gesteuert<br />
Optimales Gleichgewicht zwischen flexibler Automatisierung und Bedienersicherheit<br />
Präzise<br />
Steuerung<br />
erforderlich:<br />
Bei rund 1300 °C<br />
wird der extrem<br />
dünne Wolframdraht<br />
(glühend<br />
in der Mitte) in<br />
einem Vakuumrohr<br />
mit Siliciumcarbid<br />
beschichtet.<br />
Bilder: Rockwell/Tisics<br />
Die Lösung:<br />
Der Kontrollstand<br />
mit ControlLogix<br />
Controllern sorgt<br />
für die sichere<br />
Steuerung des<br />
Beschichtungsprozesses.<br />
Belastbar wie temperaturfester<br />
Stahl, aber viel leichter: Bauteile<br />
aus Titan, dass mit Fasern aus Wolfram<br />
und Siliciumcarbid verstärkt ist.<br />
Tisics, britischer Hersteller <strong>von</strong> Spezialwerkstoffen,<br />
gelang es, mit Allen-Bradley-Steuerungen ControlLogix,<br />
RSLogix 5000 und FactoryTalk View SE, einen instabilen<br />
Präzisionsprozess sicherer zu machen und zu<br />
kontrollieren.<br />
Das Unternehmen in Farnborough ist eines <strong>von</strong> nur<br />
zwei Unternehmen weltweit, die Siliziumcarbid-Monofilamente<br />
mit durchgehendem Kern herstellen – hauptsächlich<br />
für den Einsatz als Verstärkungsfasern in Verbundbauteilen<br />
aus Titan. Die Monofilamente verfügen über<br />
Kerne aus Wolframdraht und besitzen in der Regel Durchmesser<br />
<strong>von</strong> 0,1 oder 0,14 mm. Sie verleihen den Verbundbauteilen<br />
die gleichen Stärken wie sie ähnlich temperaturfeste<br />
Stahlbauteile besitzen. Allerdings wiegen sie<br />
meist nur halb so viel, sind fester und beständiger gegen<br />
Korrosion. Wichtige Anwendungsbereiche für diese Verbundmaterialien<br />
sind die Luft- und Raumfahrt sowie andere<br />
Anwendungen, in denen bei Festigkeit und Gewicht<br />
keine Abstriche gemacht werden können. Und nicht zuletzt<br />
tragen die sinkenden Titanpreise zur Attraktivität<br />
der Verbundbauteile bei. So verzeichnet das Unternehmen<br />
eine wachsende Nachfrage nach seinen Produkten – und<br />
zwar sowohl nach Fasern als auch nach Titan-Bauteilen,<br />
die Tisics ebenfalls herstellt. Zu den Kunden zählen ein<br />
bekannter Hersteller <strong>von</strong> Flugzeugtriebwerken sowie ein<br />
Unternehmen, das neuartige Solarzellen produziert.<br />
Nach der jüngst erfolgten Verlagerung der Fertigungsstätte<br />
in größere Räumlichkeiten in Farnborough wollte<br />
Tisics die neuen Fertigungshallen optimal nutzen. Dies<br />
wiederum erforderte eine Umstellung der manuellen<br />
Rezepterstellungs- und Steuerungsprozesse auf ein Konzept,<br />
das auf einer modernen Automatisierungslösung<br />
<strong>von</strong> Rockwell Automation fußt. Gleichzeitig musste Tisics<br />
den Faktor Sicherheit besonders berücksichtigen,<br />
schließlich werden im Beschichtungsprozess für den<br />
Wolframdraht Chemikalien verwendet.<br />
CVD-PROZESS MUSS EXAKT ÜBERWACHT WERDEN<br />
Den Prozess, den Tisics zur Beschichtung des Wolframdrahtes<br />
verwendet, bezeichnet man als chemische Gas-<br />
62<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
phasenabscheidung (Chemical Vapour Deposition, CVD).<br />
Das CVD-Verfahren setzt nicht nur sehr hohe Temperaturen<br />
<strong>von</strong> zirka 1300 °C sowie Hochspannung voraus, sondern<br />
es kommt auch Dichlormethylsilan zum Einsatz.<br />
Diese Chemikalie kann äußerst gefährlich sein, wenn sie<br />
unkontrolliert entweicht.<br />
Zu den augenfälligen Sicherheitsaspekten kommt hinzu,<br />
dass der Prozess extrem empfindlich auf Parameterschwankungen<br />
reagiert. Vor der Umstellung auf eine Automatisierungsinfrastruktur<br />
verwendete Tisics ein dezentrales manuelles<br />
Verfahren zur Steuerung des Beschichtungsvorgangs.<br />
Spannung und Chemikalien wurden getrennt gesteuert;<br />
die Verdampfer arbeiteten ohne elektronische<br />
Regelung mit direkten Potenziometereingaben des Heizers.<br />
FEHLER ERST AM FERTIGEN PRODUKT ERKANNT<br />
Renny Moss, Process Development Manager bei Tisics,<br />
erinnert sich: „Das war ein einfacher manueller Ablauf,<br />
der aber nicht den geringsten Fehler tolerierte. Das Hauptproblem<br />
war, dass wir eine Störung im Abscheidungsprozess<br />
erst dann feststellen konnten, wenn die Faser herauskam<br />
und geprüft werden konnte.“<br />
Noch schwieriger wird die Aufgabe dadurch, dass für<br />
viele Anwendungen ganz spezifische Fasertypen gefertigt<br />
werden müssen. Die Problematik besteht dann darin,<br />
dass mehr Variablen den Prozess immer komplexer machen.<br />
Zu Zeiten des manuellen Prozesses war außerdem<br />
das Entwickeln und Ausprobieren neuer Rezepturen<br />
extrem zeitaufwendig – nicht selten musste Tisics dafür<br />
Jahre einkalkulieren. Denn der Prozess ist sehr sensibel<br />
und die Parameter wie Temperatur, Geschwindigkeit<br />
müssen exakt gesteuert werden.<br />
Tisics entschied sich für einen Scada-Prozess auf Basis<br />
der Integrated Architecture <strong>von</strong> Rockwell Automation.<br />
Zum Einsatz kommt eine Allen-Bradley ControlLogix<br />
PAC mit RSLogix 5000-Programmiersoftware und FactoryTalk<br />
View SE zur Visualisierung. Für die Überwachung<br />
und Steuerung reicht die ControlLogix PAC sämtliche<br />
Prozessdaten an einen FactoryTalk View SE Server<br />
weiter, der dem Bedienpersonal alle Parameter, die für<br />
diesen Präzisionsprozess relevant sind, übersichtlich in<br />
grafischer Form auf dem Bildschirm präsentiert. Hierfür<br />
kommt eine HMI-Lösung zum Einsatz, die ein Systemintegrator<br />
<strong>von</strong> Rockwell Automation entwickelt hat.<br />
ALLE INFORMATIONEN AUF EINE BLICK<br />
Renny Moss erläutert: „Die Hardware <strong>von</strong> Rockwell Automation<br />
bringt alle für uns wichtigen Informationen auf<br />
einen Bildschirm. Das System kennt und meldet die Zustände,<br />
hält alle Prozessvariablen im zulässigen Bereich<br />
und bietet uns ein erheblich höheres Maß an Sicherheit.<br />
Eine zusätzliche äußerst nützliche Facette der Installation<br />
ist ihre Erweiterungsfähigkeit, schließlich wollen wir<br />
die Produktionskapazität in Zukunft weiter aufstocken.<br />
Mit dem nun installierten ControlLogix-Steuerungs-Setup<br />
haben wir die Gewissheit, dass wir einfach weitere<br />
Produktionslinien hinzufügen können, ohne dass größere<br />
Umprogrammierungen nötig sind.<br />
„Der Großteil unserer Herausforderungen im Bereich<br />
Sicherheit hat mit Gas zu tun“, erläutert der Process Development<br />
Manager. Die ControlLogix PAC übernimmt<br />
deshalb das Nachfüllen und Durchleiten der Reagenzien.<br />
Indem sie Masse und Druck misst, erfasst sie die Materialmenge,<br />
die das System durchläuft, verhindert ein<br />
Überlaufen des Rührwerks und kontrolliert die Durchführung<br />
aller Reinigungsarbeiten. Den Bedienern werden<br />
dabei klar und knapp gefasste, schlüssige Anweisungen<br />
gegeben. „War der Materialtransport bei uns einst<br />
eine wichtige tagtägliche Aufgabe, können wir die Werkstoffe<br />
nun in der Gewissheit in den Prozess geben, dass<br />
unsere Sicherheits- und Steuerungstechnik sie unter<br />
Kontrolle hat – einfach weil wir uns auf die präzise Überwachung<br />
verlassen können. Wir waren nie darauf aus,<br />
das Qualifikationsniveau unseres Personals zu senken,<br />
sondern wollten dem Bedienpersonal vielmehr jegliche<br />
Sicherheitsbedenken nehmen“, betont Moss.<br />
NEUE REZEPTUREN SCHNELLER ENTWICKELT<br />
Abgesehen <strong>von</strong> Vorteilen bei Sicherheit und Funktionalität<br />
kann Tisics neue Rezepturen jetzt mit einem Bruchteil des<br />
früheren Zeitaufwands entwickeln. Der Tisics-Manager<br />
blickt zurück: „Was früher Jahre erforderte, ist jetzt in ein<br />
paar Monaten geschafft. Dank der leistungsfähigen PAC ist<br />
außerdem die Zahl der Variablen kein Thema mehr für uns.<br />
Ich gebe ehrlich zu, dass ich nicht weiß, wie das Factory-<br />
Talk View SE Scada-System und die PAC genau funktionieren.<br />
Mir reicht die Gewissheit, dass alles unter Kontrolle<br />
ist und dass die Bediener alles leichter ablesen können.<br />
Das Fazit <strong>von</strong> Moss: „Kurzfristig haben uns die Produkte<br />
<strong>von</strong> Rockwell Automation eine deutlich bessere Kontrolle<br />
über unsere Prozesse gebracht, während wir mittelfristig<br />
<strong>von</strong> ihrer Erweiterbarkeit profitieren. Ganz abgesehen<br />
da<strong>von</strong> nimmt sich die Lösung all der sicherheitskritischen<br />
Aspekte an, die uns früher Sorgen bereitet haben.“<br />
Autor<br />
Rockwell Automation,<br />
Düsselberger Str. 15,<br />
42781 Haan-Gruiten,<br />
Tel. +49 (0) 2104 96 01 82,<br />
E-Mail: nnohr@ra.rockwell.com<br />
Norbert Nohr<br />
ist Sales Manager Process<br />
Automation bei Rockwell<br />
Automation.<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
63
praxis<br />
Einfach wie ein Relais, aber genauso<br />
flexibel wie eine sichere SPS<br />
Konfigurierbare Sicherheitsschaltgeräte sind trotz reduzierter Komplexität programmierbar<br />
Bild 1: Mit dem Sicherheitsmodul PSR-Trisafe<br />
modular und der Software Safeconf lassen sich<br />
die Anforderungen an die Sicherheitstechnik<br />
schnell und wirtschaftlich umsetzen.<br />
Bild 2: Die Überwachung der Schutzeinrichtung<br />
gestaltet sich aufgrund verschiedener Diagnosemöglichkeiten<br />
sowie der Integration <strong>von</strong> PSR-<br />
Trisafe modular in Profibus-Netzwerke einfach.<br />
Bilder: Phoenix Contact<br />
Sichere Steuerungen bieten hohe Flexibilität, sind aber<br />
in vielen Fällen zu komplex und für den Anwender<br />
unnötig schwierig. Auf der anderen Seite sind Sicherheitsrelais<br />
zwar sehr einfach zu nutzen, bieten aber oft<br />
nicht die erforderliche Flexibilität. Für diese Fälle bieten<br />
sich konfigurierbare Sicherheitsschaltgeräte an, die<br />
ebenso einfach zu handhaben sind wie ein Relais, aber<br />
genauso flexibel wie eine sichere SPS.<br />
Die Maschinen- und Anlagenbauer können die Sicherheitsschaltgeräte,<br />
die sie benötigen, um gestiegene Sicherheitsanforderungen<br />
zu erfüllen, aus einem umfangreichen<br />
Portfolio auswählen. Dabei sind sämtliche zertifizierte<br />
Schaltgeräte grundsätzlich für eine sichere Auswertung<br />
nutzbar. Sie lassen sich grob in die Klassen einfache<br />
Sicherheitsrelais, konfigurierbare Sicherheitsmodule und<br />
sichere Steuerungen einteilen. Die Wahl der geeigneten<br />
Klasse ergibt sich zum einen aus den Anforderungen der<br />
Sicherheitskreise und zum anderen aus den Wünschen<br />
des Konstrukteurs. Sicherheitsrelais stellen sich immer<br />
dann als beste Lösung dar, wenn in der Maschine oder<br />
Anlagen nur wenige Sensoren ausgewertet werden müssen<br />
und die Abhängigkeiten der verschiedenen Sicherheitskreise<br />
überschaubar sind. Der Funktionsumfang der<br />
einzelnen Sicherheitsrelais ist vom Hersteller vorgegeben<br />
und kann nicht durch den Anwender angepasst werden.<br />
Die am anderen Ende der Skala angesiedelten komplexen<br />
Anwendungen erfordern häufig eine sichere<br />
Steuerung. Aufgrund der Flexibilität der Hardware-<br />
Konfiguration und der Programmierbarkeit wird die<br />
sichere SPS auch hohen Ansprüchen in Bezug auf die<br />
I/O-Zahl und Sicherheitslogik gerecht. Diese Möglich-<br />
keiten erweisen sich jedoch für die meisten Applikationen<br />
als zu komplex und erzeugen daher unnötige<br />
Schwierigkeiten für den Anwender. Deshalb halten<br />
viele Maschinen- und Anlagenbauer an Sicherheitsrelais<br />
fest und möchten sich nicht mit Software-basierten<br />
Sicherheitsschaltgeräten beschäftigen.<br />
EINFACHE ZUSAMMENSTELLUNG AM PC<br />
Eine große Zahl der weltweit verwendeten Maschinen<br />
und Anlagen lässt sich hinsichtlich der Menge an Einund<br />
Ausgängen sowie der Anforderungen an die Sicherheitslogik<br />
zwischen dem klassischen Sicherheitsrelais<br />
und einer sicheren Steuerung einordnen. In diesem Fall<br />
bieten sich konfigurierbare Sicherheitsschaltgeräte an.<br />
Entsprechende Module wie PSR-Trisafe modular sind<br />
ebenso einfach zu handhaben wie ein Relais, aber genauso<br />
flexibel wie eine sichere SPS. Bei der Entwicklung <strong>von</strong><br />
PSR-Trisafe und der Konfigurations-Software hat sich<br />
Phoenix Contact an den Gewohnheiten der Anwender <strong>von</strong><br />
Sicherheitsrelais orientiert. So können die Sicherheitsfunktionen<br />
einfach am PC zusammengestellt werden, wie<br />
es der Nutzer vom Sicherheitsrelais kennt.<br />
Aus Kostensicht wurde auf eine schnelle Amortisation<br />
Wert gelegt. Die Erfahrung zeigt hier, dass sich der Einsatz<br />
des konfigurierbaren Sicherheitsmoduls PSR-Trisafe<br />
modular bereits ab einer Anzahl <strong>von</strong> drei bis vier<br />
klassischen Sicherheitsrelais zur Auswertung der<br />
Schutzeinrichtungen rechnet. Folgekosten fallen nicht<br />
an, denn es gibt lediglich eine Bestellnummer für die<br />
gesamte benötigte Hardware. Die Konfigurations-Software<br />
ist kostenfrei als Vollversion erhältlich.<br />
64<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Bedarfsgerechte Erweiterung<br />
des Master-Moduls<br />
PSR-Trisafe modular erlaubt die einfache und flexible<br />
Kontrolle der sicherheitsgerichteten Funktionen. Mit dem<br />
Sicherheitssystem lassen sich unterschiedliche Schutzeinrichtungen<br />
auswerten. Ein Modul überwacht beispielsweise<br />
den kompletten Sicherheitskreis <strong>von</strong> der Not-<br />
Halt- über die Schutztürauswertung bis zum Muting-<br />
Vorgang. Dazu stellt das erweiterbare Basismodul auf<br />
einer Baubreite <strong>von</strong> nur 67,5 mm 20 sichere Eingangssignale<br />
zur Analyse der sicheren Sensoren zur Verfügung.<br />
Darüber hinaus sind vier sicherheitsgerichtete Ausgänge<br />
bis Kat. 4 sowie Takt-, Melde- und Masseschaltausgänge<br />
in das Master-Modul PSR-Trisafe-M integriert, das als<br />
Einzelmodul nutzbar ist.<br />
Sollte die vom Master-Modul vorgehaltene I/O-Zahl<br />
nicht ausreichen oder im Lebenszyklus der Applikation<br />
Ergänzungen notwendig sein, lässt sich das Trisafe-<br />
System um bis zu zehn sichere Erweiterungsmodule<br />
ausbauen. Diese werden einfach über den Tragschienen-Konnektor<br />
TBus mit dem Master-Modul verbunden.<br />
Dabei erfüllt PSR-Trisafe modular die höchsten<br />
Sicherheitsanforderungen wie PL e oder SIL 3. Aufgrund<br />
der internationalen Zertifizierungen können die<br />
konfigurierbaren Sicherheitsschaltgeräte weltweit verwendet<br />
werden.<br />
INTUITIVE KONFIGURATION<br />
Das intuitive Bedienkonzept <strong>von</strong> PSR-Trisafe modular<br />
endet nicht mit der Hardware, sondern setzt sich bei der<br />
Software Safeconf fort, mit der das Sicherheitsschaltgerät<br />
konfiguriert wird. Das einfach einsetzbare Tool stellt alle<br />
erforderlichen Funktionen direkt auf seiner Oberfläche<br />
bereit. Hier kann der Anwender die gesamte Sicherheitslogik<br />
per Drag & Drop aufbauen, ohne zwischen verschiedenen<br />
Fenstern wechseln zu müssen. Safeconf gliedert<br />
sich in eine Toolbox inklusive vom TÜV zertifizierter<br />
Funktionsbausteine, den Hardware-Editor mit Ein- und<br />
Ausgängen, der auch als interaktive Statusanzeige der<br />
Hardware fungiert, sowie den Verdrahtungsbereich, in<br />
dem die Sicherheitslogik aufgebaut wird. Der Anwender<br />
wählt aus der Vielzahl sicherer Funktionen zunächst die<br />
notwendigen Bausteine in der Toolbox aus und zieht sie<br />
dann mit der Maus in den Verdrahtungsbereich. Dort<br />
müssen die Funktionen lediglich mit den gewünschten<br />
Ein- und Ausgängen verknüpft werden, die ebenfalls per<br />
Drag & Drop in den Verdrahtungsbereich gezogen und mit<br />
der Maus virtuell verdrahtet werden. Abschließend lädt<br />
der Anwender die geprüfte Sicherheitslogik über ein<br />
Standard-USB-Kabel in das Sicherheitsmodul herunter.<br />
Da die Konfigurations-Software Safeconf intuitiv bedienbar<br />
ist, benötigt der Nutzer keine Programmierkenntnisse,<br />
um PSR-Trisafe modular an die jeweiligen<br />
Anforderungen anzupassen. Sollten Fragen zu den Software-Funktionen<br />
auftreten, bietet das Tool eine umfangreiche<br />
Hilfefunktion, welche die Wünsche der Anwender<br />
gezielt umsetzt. Neben den üblichen Beschreibungen<br />
der Software-Funktionen umfasst die Hilfe zahlreiche<br />
Applikationsbeispiele, die sich auf die entsprechende<br />
Problemstellung sowohl hinsichtlich der Realisierung<br />
in der Software als auch der Beschreibung der Verdrahtung<br />
anwenden lassen.<br />
KÜRZERE DURCHLAUFZEITEN DURCH SIMULATION<br />
Das einfache Anschließen und flexible Erweitern der<br />
Hardware sowie die intuitive Konfiguration der Sicherheitslogik<br />
sind die wesentlichen Faktoren, die zur optimalen<br />
Umsetzung eines Safety-Projekts beitragen. Als<br />
Ergänzung der Grundfunktionen stellt Safeconf eine Simulation<br />
sowie einen besonderen Modus zur Verfügung,<br />
die die Inbetriebnahme der Maschinen oder Anlagen<br />
erleichtern. Die Simulation erlaubt beispielsweise einen<br />
vollständigen Funktionstest der aufgebauten Sicherheitslogik<br />
ohne Hardware. Auf diese Weise können Logikfehler<br />
bereits in der Planungsphase ausgeschlossen und Projektdurchlaufzeiten<br />
verkürzt werden. Spätere Erweiterungen<br />
lassen sich am PC nachstellen, ohne dass die Maschine<br />
hierzu erforderlich ist. Bei konfigurierbaren Systemen<br />
kommt der Security, also dem Schutz vor unbefugten<br />
Zugriffen, neben der funktionalen Sicherheit eine große<br />
Bedeutung zu. Deshalb arbeitet Safeconf mit verschiedenen<br />
Passwort-Abfragen sowie Prüfsummen, die Manipulationsversuche<br />
<strong>von</strong> vornherein verhindern.<br />
DIAGNOSE REDUZIERT STILLSTANDSZEITEN<br />
Online-Werte, zahlreiche Status-LEDs und zusätzliche<br />
Meldeausgänge in der Hardware unterstützen den Anwender<br />
bei der Diagnose. Die Meldeausgänge können<br />
beispielsweise als Ausgang für I/O-Statusmeldungen mit<br />
einer Steuerung verschaltet werden. PSR-Trisafe modular<br />
lässt sich auch direkt in das Netzwerk integrieren. Dazu<br />
wird ein Profibus-Gateway vor das Sicherheitsmodul auf<br />
die Tragschiene aufgerastet und über den Tragschienen-<br />
Konnektor TBus verbunden. So kann der Status aller<br />
I/Os an die SPS gesendet werden.<br />
Autor<br />
Tjark Höltkemeier ist<br />
Mitarbeiter im Produktmarketing<br />
Interface Safety<br />
der Phoenix Contact Electronics<br />
GmbH, Bad Pyrmont.<br />
Phoenix Contact Electronics GmbH,<br />
D-31812 Bad Pyrmont,<br />
Tel. +49 (0) 5281 94 60,<br />
E-Mail: thoeltkemeier@phoenixcontact.com<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011<br />
65
impressum / <strong>Vorschau</strong><br />
Impressum<br />
<strong>Vorschau</strong><br />
Verlag:<br />
Oldenbourg Industrieverlag GmbH<br />
Rosenheimer Straße 145<br />
D-81671 München<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-0<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />
www.oldenbourg-industrieverlag.de<br />
Geschäftsführer:<br />
Carsten Augsburger<br />
Jürgen Franke<br />
Hans-Joachim Jauch<br />
Publisher:<br />
Wolfgang Mönning<br />
Herausgeber:<br />
Dr. V. Huck<br />
Dr. G. Kegel<br />
Dipl.-Ing. H. Kumpfmüller<br />
Dr. N. Kuschnerus<br />
Beirat:<br />
Dr.-Ing. K. D. Bettenhausen<br />
Prof. Dr.-Ing. Ch. Diedrich<br />
Prof. Dr.-Ing. U. Epple<br />
Prof. Dr.-Ing. A. Fay<br />
Prof. Dr.-Ing. M. Felleisen<br />
Prof. Dr.-Ing. G. Frey<br />
Prof. Dr.-Ing. P. Göhner<br />
Dipl.-Ing. Th. Grein<br />
Prof. Dr.-Ing. H. Haehnel<br />
Dr.-Ing. J. Kiesbauer<br />
Dipl.-Ing. R. Marten<br />
Dipl.-Ing. G. Mayr<br />
Dr. J. Nothdurft<br />
Dr.-Ing. J. Papenfort<br />
Dr. A. Wernsdörfer<br />
Dipl.-Ing. D. Westerkamp<br />
Dr. Ch. Zeidler<br />
Organschaft:<br />
Organ der GMA<br />
(VDI/VDE-Gesell schaft Messund<br />
Automatisierungs technik)<br />
und der NAMUR<br />
(Interessen gemeinschaft<br />
Automatisierungs technik der<br />
Prozessindustrie).<br />
Redaktion:<br />
Gerd Scholz (verantwortlich)<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-3 44<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />
E-Mail: scholz@oiv.de<br />
Anne Hütter<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-4 18<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 23<br />
E-Mail: huetter@oiv.de<br />
Einreichung <strong>von</strong> Hauptbeiträgen:<br />
Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas<br />
(Chefredakteur, verantwortlich<br />
für die Hauptbeiträge)<br />
Technische Universität Dresden<br />
Fakultät Elektrotechnik<br />
und Informationstechnik<br />
Professur für Prozessleittechnik<br />
D-01062 Dresden<br />
Telefon +49 (0) 351 46 33 96 14<br />
E-Mail: urbas@oiv.de<br />
Fachredaktion:<br />
M. Blum<br />
Prof. Dr. J. Jasperneite<br />
Dr. B. Kausler<br />
Dr. N. Kiupel<br />
Dr. W. Morr<br />
I. Rolle<br />
F. Schiller<br />
Bezugsbedingungen:<br />
„<strong>atp</strong> <strong>edition</strong> – Automatisierungstechnische<br />
Praxis“ erscheint<br />
monatlich mit einer Doppelausgabe im<br />
Januar/Februar und Juli/August.<br />
Bezugspreise:<br />
Abonnement (Deutschland):<br />
€ 460,– + € 30,– Versand<br />
Abonnement (Ausland):<br />
€ 460,– + € 35,– Versand<br />
Einzelheft: € 55,– + Versand<br />
Die Preise enthalten bei Lieferung<br />
in EU-Staaten die Mehrwertsteuer,<br />
für alle übrigen Länder sind es<br />
Nettopreise. Mitglieder der GMA: 30%<br />
Ermäßigung auf den Heftbezugspreis.<br />
Bestellungen sind jederzeit über den<br />
Leserservice oder jede Buchhandlung<br />
möglich.<br />
Die Kündigungsfrist für Abonnementaufträge<br />
beträgt 8 Wochen zum<br />
Bezugsjahresende.<br />
Abonnement-/<br />
Einzelheftbestellung:<br />
Leserservice <strong>atp</strong><br />
Postfach 91 61, D-97091 Würzburg<br />
Telefon + 49 (0) 931 4170-1615<br />
Telefax + 49 (0) 931 4170-492<br />
E-Mail: leserservice@oiv.de<br />
Verantwortlich für<br />
den Anzeigenteil:<br />
Annemarie Scharl-Send<br />
Mediaberatung<br />
sales & communications Medienagentur<br />
Kirchfeldstraße 9, D-82284 Grafrath<br />
Tel. +49 (0) 8144 9 96 95 12<br />
Fax +49 (0) 8144 9 96 95 14<br />
E-Mail: ass@salescomm.de<br />
Anzeigenverwaltung:<br />
Brigitte Krawczyk<br />
Telefon + 49 (0) 89 4 50 51-2 26<br />
Telefax + 49 (0) 89 4 50 51-3 00<br />
E-Mail: krawczyk@oiv.de<br />
Druck:<br />
Druckerei Chmielorz GmbH<br />
Ostring 13<br />
D-65205 Wiesbaden-Nordenstadt<br />
Gedruckt auf chlor- und<br />
säurefreiem Papier.<br />
Die <strong>atp</strong> wurde 1959 als „Regelungstechnische<br />
Praxis – rtp“ gegründet.<br />
© 2011 Oldenbourg Industrieverlag<br />
GmbH München<br />
Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen<br />
Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Mit Ausnahme<br />
der gesetzlich zugelassenen Fälle ist<br />
eine Verwertung ohne Ein willigung des<br />
Verlages strafbar.<br />
ISSN 2190-4111<br />
Die Ausgabe 7–8 / 2011 der<br />
erscheint am 28.7.2011<br />
Mit folgenden Beiträgen:<br />
Synergien zwischen<br />
Automatisierungstechnik<br />
und Medizintechnik<br />
Integriertes Engineering durch<br />
standardisierte Beschreibung<br />
mechatronischer Objekte<br />
Gewährleistung <strong>von</strong> Humansicherheit<br />
durch optische<br />
Arbeitsraumüberwachung<br />
Modellunterstützung bei<br />
der Modernisierung <strong>von</strong><br />
Automatisierungssystemen<br />
...und vielen weiteren Themen.<br />
Aus aktuellem Anlass können sich die Themen<br />
kurzfristig verändern.<br />
LeserService<br />
e-Mail:<br />
leserservice@oiv.de<br />
Telefon:<br />
+ 49 (0) 931 4170-1615<br />
66<br />
<strong>atp</strong> <strong>edition</strong><br />
6 / 2011
Erreichen Sie die Top-Entscheider<br />
der Automatisierungstechnik.<br />
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und Fragen zu Ihrer Planung.<br />
Annemarie Scharl-Send: Tel. +49 (0) 8144 9 96 95 12<br />
E-Mail: ass@salescomm.de
A different perspective… www.keller-druck.com<br />
KELLER