Trödler DDR - Reklame (Vorschau)
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LESERFORUM<br />
5<br />
■ Asiate<br />
?<br />
Seit Jahren haben wir den<br />
<strong>Trödler</strong> abonniert und bitten<br />
Sie nun auch einmal um Hilfe:<br />
Diese Figur ist circa 45 cm<br />
groß. Sie stammt aus einem<br />
Nachlass. Wir haben keinerlei<br />
Ahnung, worum es sich hierbei<br />
handelt. Es wäre auch schön,<br />
wenn Sie den ungefähren Wert<br />
bestimmen könnten.<br />
Familie Löffler, Krefeld<br />
!<br />
Das Material wurde nicht mitgeteilt,<br />
aber es ist davon auszugehen,<br />
dass es sich um bemaltes<br />
bzw. gefasstes Holz<br />
handelt. Die Figur stammt aus<br />
China und müsste relativ neuzeitlich<br />
sein. Die Buchstaben<br />
und Nummern am Boden beziehen<br />
sich auf die interne Artikelbezeichnung<br />
einer Importfirma<br />
oder eines Verkaufsgeschäftes<br />
hierzulande. Eine<br />
Wertbestimmung würde dem<br />
jetzigen Verkaufspreis einer<br />
ähnlichen Figur im Fachhandel<br />
entsprechen, auszugehen ist<br />
von einem Wiederbeschaffungswert<br />
um die 100 Euro.<br />
Dr. Graham Dry, München<br />
■ Porzellanservice<br />
?<br />
Ich besitze ein komplettes<br />
Kaffee- oder Mokkaservice,<br />
bestehend aus Kanne und vier<br />
Tassen, einem Tablett, einem<br />
Zuckerschüsselchen und zwei<br />
kleinen Kännchen für Milch.<br />
Auf der Unterseite steht: „Andenken<br />
aus Philippsdorf 1914-<br />
1915“. Ich hätte nun folgende<br />
Fragen dazu: Wieso ist auf der<br />
einen Seite ein Araber mit einer<br />
roten Kappe? Welchen Wert<br />
stellt dieses Ensemble dar?<br />
Herbert Scheftner, Oberdachstetten<br />
!<br />
Sollte sich ein Museum jemals<br />
zu einer Ausstellung<br />
über Andenken in der Geschichte<br />
entschließen, würde<br />
ein solches Porzellanservice<br />
als ordentliches Beispiel des<br />
Hurra!-Kitsches aus den ersten<br />
Jahren des Ersten Weltkriegs<br />
dabei sein können.<br />
1914 und 1915 waren die Jahre,<br />
in denen ein optimistischer<br />
Patriotismus die Aussicht auf<br />
einen Erfolg der Verbündeten –<br />
das Deutsche Reich und die<br />
Länder der Österreichisch-<br />
Ungarischen Monarchie – gegen<br />
Frankreich, Großbritannien<br />
und das zaristische Reich<br />
als in rosigem Licht erscheinen<br />
ließ. Der Krieg begann zwischen<br />
Österreich-Ungarn und<br />
dem Königreich Serbien. Am<br />
2. November 1914 verbündete<br />
sich die Türkei mit Deutschland:<br />
Vom 19. Februar 1915 bis<br />
zum 9. Januar 1916 konnte die<br />
Osmanische Armee mit deutscher<br />
Militärhilfe die Landung<br />
der Alliierten in der Dardanellenschlacht<br />
abwehren. Es folgten<br />
auch weitere Erfolge. Der<br />
freundliche „Araber mit roter<br />
Kappe“, der hier auf Tablett<br />
und Tassen zwischen dem<br />
deutschen Kaiser Wilhelm II.<br />
und dem österreichischen Kaiser<br />
Franz Joseph I. verewigt<br />
ist, ist kein anderer als Mohammed<br />
V., Sultan der Türkei<br />
(Konstantinopel 1844-1918),<br />
der durch den Eintritt der<br />
Türkei in den Krieg fest daran<br />
glaubte, ein erneuertes<br />
und mächtiges Osmanisches<br />
Reich nach Jahren von kriegerischen<br />
und politischen Misserfolgen<br />
entstehen zu lassen.<br />
Auf den Tassen ist auch das<br />
Konterfei des Generalfeldmarschalls<br />
Paul von Hindenburg<br />
zu sehen, Sieger in der<br />
Schlacht zwischen deutschen<br />
und russischen Truppen bei<br />
Tannenberg an der Ostfront<br />
(26. August bis 30. August<br />
1914). Die genaue Zuordnung<br />
an eine bestimmte Porzellanfabrik<br />
ist mangels Marke nicht<br />
möglich, aber man könnte wegen<br />
der Gegenwart Hindenburgs<br />
von einer Herstellung in<br />
Deutschland ausgehen, wenn<br />
nicht das Dorf „Philippsdorf“<br />
als Ort des Andenkenkaufs auf<br />
der Unterseite einer Untertasse<br />
erscheinen würde: Philippsdorf<br />
(heute „Filipov“) liegt linksseitig<br />
der Spree im äußersten<br />
Norden Tschechiens an<br />
der Grenze zur Oberlausitz in<br />
Sachsen und war und ist ein<br />
bedeutender Wallfahrtsort. Es<br />
ist demnach durchaus möglich,<br />
dass das Service, für<br />
Besucher oder Pilger aus<br />
Deutschland in den Anden-<br />
kengeschäften gedacht, tatsächlich<br />
aus einer böhmischen<br />
Porzellanfabrik stammt.<br />
Solch patriotisch stimmendes<br />
Kunstgewerbe, das die ersten<br />
Siege feierte, wurde gerne gekauft<br />
und verschenkt und war<br />
bestimmt nicht teuer. Auch<br />
heute bewegen sich die Preise<br />
für Kriegsandenken dieser Art<br />
in niederen Bereichen, da es<br />
sich doch um Kuriositäten und<br />
nicht um Objekte mit hohem<br />
Kunstanspruch handelt. Diese<br />
hat es im Übrigen tatsächlich<br />
gegeben, denkt man etwa an<br />
die mit österreichischer Flagge<br />
in Emailfarben bemalten Gläser<br />
der Wiener Werkstätte oder<br />
an die deutsche Medaillenkunst<br />
jener Jahre. Dieses leicht<br />
irisierend glasierte Porzellanservice,<br />
dessen Goldrand hier<br />
und da berieben ist, hat einen<br />
Wert von etwa 150 Euro.<br />
Dr. Graham Dry, München<br />
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