Interview En Vogue - Frau Kruger (Vorschau)
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april 2013<br />
6 Euro<br />
04<br />
4 192449 106002<br />
<strong>En</strong> <strong>Vogue</strong><br />
<strong>Frau</strong> kruGer<br />
Spring Break mit Selena Gomez<br />
Die wundersame Welt der Isa Genzken<br />
ein Gespräch mit David BoWIe<br />
Hedi Slimanes muse Sky FerreIra<br />
… und der Abschlussball der deutschen Filmprominenz
april 2013<br />
6 Euro<br />
WHo’S<br />
Sky<br />
THaT<br />
GIrl?<br />
04<br />
4 192449 106002<br />
Ferreira<br />
Spring Break mit Selena Gomez<br />
Die wundersame Welt der Isa Genzken<br />
ein Gespräch mit David BoWIe<br />
Deutschlands französischster Hollywoodstar Diane kruGer<br />
… und der Abschlussball der deutschen Filmprominenz
WWW.CELINE.COM
- AR 1673<br />
- AR 1673<br />
AR 1667 - AR 1670<br />
AR 1667 - AR 1670
inhalt<br />
April 2013<br />
stArt<br />
sMAll tAlK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Anita EKBERG, Jane FONDA, James FRANCO, PHOENIX,<br />
Olav HEYERDAHL & Katherine BOO<br />
Seite 27<br />
Foto ralph mecKe<br />
Styling KlauS StocKhauSen<br />
Kleid john Galliano<br />
Schuhe y-3<br />
FaShion: die Kleider deS SommerS<br />
sUpErstArs<br />
Auf dem Weg nach vorn: Der Musiker RICKY HIL &<br />
die Foodbloggerin AILINE LIEFELD<br />
Seite 32<br />
NAOMi CAMpBEll<br />
trifft die russische Künstlerin AIDAN SALACHOWA<br />
Seite 34<br />
WOW!<br />
Schmuck, Taschen und Uhren – die Gebrauchs anweisung für April<br />
Seite 38<br />
HAiDEr ACKErMANN<br />
im Gespräch mit der Künstlerin Setsuko Klossowska de Rola<br />
Seite 46<br />
DEr sCHWArzE ANzUg<br />
Ein Klassiker neu in Szene gesetzt von Gregory Harris<br />
Seite 50<br />
A.p. C.<br />
Jean Touitou, der umtriebige Chef des französischen Labels<br />
Seite 52<br />
spitzENsCHUHE<br />
Die neuesten High-Heel-Modelle haben Blöcke und Spitzen<br />
Seite 54<br />
sElENA gOMEz & VANEssA HUDgENs<br />
Durchdrehen in Florida: Spring-Break mit den Teenie-Stars aus<br />
dem neuen Film von Harmony Korine<br />
Seite 64<br />
NOW!<br />
Neue Filme und Serien, gute Bücher, interessante Ausstellungen<br />
Seite 68<br />
KENDriCK lAMAr<br />
Die Welt feiert den Erneuerer des HipHops. Wir auch!<br />
Seite 70<br />
pEtEr DiNKlAgE<br />
In der HBO-Serie Game Of Thrones spielt er den König der Herzen.<br />
Verzaubert hat der Emmy-Gewinner auch SIBEL KEKILLI<br />
Seite 72<br />
Sky Ferreira<br />
Foto hedi Slimane<br />
diane <strong>Kruger</strong><br />
Foto marKuS janS<br />
Styling KlauS StocKhauSen<br />
overall chanel<br />
13<br />
BEAUtY<br />
INSPIRATION:<br />
Love is in the HAIR<br />
Seite 56<br />
KOLUMNE:<br />
Naturkosmetik<br />
Seite 61<br />
NEWS:<br />
Deutsche Düfte, Cleanser, Sonnenluxus<br />
Seite 62
STORIES<br />
SKY FERREIRA<br />
Sie ist die Muse von Hedi Slimane. Michael Jackson schickte sie<br />
in den Gospelchor. Ihr Geld verdient sie als Model. Terry<br />
Richardson dreht Videos mit ihr. Joints raucht sie mit Snoop.<br />
Und Weihnachten feiert sie mit Elton John. Who’s that girl?<br />
Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
Seite 76<br />
inhalt<br />
FAShIOn I<br />
ULTRAVOX<br />
Fotografiert von RALPH MECKE<br />
Seite 86<br />
DAVID BOWIE<br />
Where are we now?<br />
Wir bedanken uns beim großen Doyen der Popmusik für<br />
sein 24. Album mit diesem Gespräch aus dem Jahr 1978,<br />
als Berlin noch geteilt war und Bowie gerne in Schöneberg<br />
saß und ein Glas Milch trank<br />
Von LISA ROBINSON<br />
Seite 94<br />
ISA G<strong>En</strong>ZK<strong>En</strong><br />
Sie hat Minimal Art oder Bauhausarchitektur radikal umgedeutet<br />
und wird in diesem Herbst mit einer Ausstellung im MoMA<br />
geehrt. Ein Gespräch über Holz und Visionen<br />
Von DOMINIC EICHLER<br />
Seite 102<br />
FAShIOn II<br />
THE SOUND OF NEW YORK<br />
Fotografiert von DAVID ARMSTRONG<br />
Seite 108<br />
DIAnE KRUGER<br />
Unsere erfolgreichste <strong>Frau</strong> in Hollywood tanzte erst Ballett,<br />
bevor sie als Model zum französischen Film kam. Jetzt erzählt<br />
sie, wo sie schläft, wenn sie zu Gast in Deutschland ist,<br />
und wie sie sich mit Außerirdischen versteht<br />
Von HARALD PETERS<br />
Seite 118<br />
JR<br />
Der Franzose JR schreit seine Gesichter hinaus in die Welt und<br />
plakatiert sie überlebensgroß gegen die Kultur des Wegsehens.<br />
Sein Material: Menschen, Papier, Kleber. Seine Leinwand:<br />
Die Wände, Dächer, Brücken und Züge<br />
Von JÖRG HARLAN ROHLEDER<br />
Seite 126<br />
KURZGESchIchTE<br />
Magst du mich eigentlich?<br />
Von MAXIM BILLER<br />
Seite 132<br />
PORTFOLIO<br />
Nach der Berlinale ist vor der Berlinale. Der Abschlussball<br />
der deutschen Filmstars. Bitte einmal abklatschen<br />
Fotografiert von JONAS LINDSTRÖM<br />
Seite 134<br />
foto marKUs jans<br />
styling KlaUs stOcKhaUsen<br />
Kleid chanel<br />
Diane KrUGer, DeUtschlanDs<br />
französischster hOllYWOODstar<br />
PS<br />
PARTY<br />
Berlinale,<br />
ALL IS PRETTY-Lounge,<br />
1 Jahr INTERVIEW,<br />
Gucci goes <strong>Interview</strong>,<br />
Soho House<br />
Seite 152<br />
FLAShBAcK<br />
Madonna<br />
Seite 162<br />
Von links nach rechts:<br />
Volker Bruch: anzug hUGO, hemd Kris Van assche, schuhe<br />
GiOrGiO armani. miriam stein: Kleid KaViar GaUche. Yara Dib: Kleid<br />
KaViar GaUche. Wyn Davies: trainingsanzug aDiDas OriGinals,<br />
t-shirt leVi’s, sneakers niKe, Kette priVat. rolf eden: hemd jil sanDer,<br />
restliche Kleidung priVat. Karoline schuch: Kleid h&m cOnsciOUs<br />
exclUsiVe cOllectiOn, armreif tiffanY & cO. trystan pütter: anzug,<br />
hemd & schuhe GiOrGiO armani, Krawatte BUrBerrY<br />
all is prettY<br />
foto jOnas linDström, fashion Director<br />
KlaUs stOcKhaUsen, styling niKi paUls<br />
15<br />
eDitOriAl s. 19<br />
impressUm s. 20<br />
mitArBeiter s. 24<br />
ABOnnement s. 157<br />
herstellernachWeis s. 160
Das Original - Der KOffer mit Den rillen<br />
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die das Außergewöhnliche suchen - wie Alessandra Ambrosio und Johannes Huebl.<br />
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editoriAl<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
es gibt dieses Versprechen, das so oberflächlich ist wie eine Discokugel und<br />
so alt wie Popmusik selbst. Mit ihm beginnt das Märchen des Mädchens,<br />
das auszieht, die Welt zu erobern. Und diesem Versprechen widmen wir unser<br />
Gespräch mit Sky Ferreira, Musikerin, Model, Muse, fotografiert wurde<br />
Sky übrigens von Hedi SliMane. (Seite 76)<br />
auch Diane KrUGerS Weg nach oben gestaltete sich ähnlich verschlungen:<br />
Bevor sie Deutschlands französischster Hollywoodstar wurde, strebte sie eine<br />
Karriere als Ballerina an. als der Traum sich nicht realisieren ließ, wurde<br />
KrUGer kurzerhand ein überaus erfolgreiches Model, um sich anschließend<br />
aus langeweile als Schauspielerin neu zu erfinden – in Frankreich und amerika<br />
wohlgemerkt, in einer deutschen Produktion hat Diane KrUGer bis heute<br />
nicht gespielt. (Seite 118)<br />
als wir im vergangenen Jahr Harmony KorineS neuen Film Spring Breakers<br />
in Venedig anschauen durften, bebte der lido. Pünktlich zur Deutschlandpremiere<br />
sprachen wir mit Selena GoMez und Vanessa HUDGenS und<br />
stellten mal wieder erleichtert fest: Das Herz der CelebrityKultur ist keineswegs<br />
dunkel, sondern vielmehr neonpink, gelb und grün. (Seite 64)<br />
Farbenfroh mag es auch der große Doyen des Pop: zehn Jahre hat uns David<br />
BoWie warten lassen, bis wir wieder einen Blick in seine Wunderkammer<br />
werfen durften. zwar verweigerte er die Mitarbeit an der großen Bowieretrospektive,<br />
die derzeit das londoner Victoria & albert Museum zum größten<br />
HardrockCafé der Welt werden lässt, stattdessen entschied er, einfach mal so,<br />
ohne Getrommel und Trara, ein neues album zu veröffentlichen. (Seite 94)<br />
Where Are We Now? heißt die erste Single daraus, ein Titel, den auch wir als<br />
aufforderung zur Bestandsaufnahme verstehen dürfen.<br />
Wo stehen wir?<br />
Welche Versprechen lohnen?<br />
Was ist wichtig? Was egal?<br />
nehmen Sie sich die zeit.<br />
Herzlichst<br />
Ihr Jörg Harlan Rohleder<br />
19
Chefredaktion Jörg Harlan RoHledeR<br />
Executive Editor Adriano SAck<br />
Art Director Mike MeiRé<br />
Fashion Director klaus StockHAuSen<br />
Photography Director Frank Seidlitz<br />
Senior Editor Harald PeteRS<br />
Editors Heike BlüMneR, laura eweRt, Beauty Editor Bettina BRenn<br />
Assistant Photography dorothea FiedleR, Assistant Fashion caroline leMBlé<br />
Assistant Editorial Rebecca HoFFMAnn<br />
International Fashion Director Julia von BoeHM<br />
International Editor at Large naomi cAMPBell<br />
International Editor Aliona doletSkAyA<br />
Art<br />
tim GieSen<br />
Hannes AecHteR, Agnes GRüB<br />
digital<br />
Editor nina ScHolz<br />
Intern Hella ScHneideR<br />
Managing Editor und Chef vom Dienst Silke Menzel<br />
Textchefin elisabeth ScHMidt<br />
Schlussredaktion Ralph ScHünGel, kerstin SGoninA<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />
Maxim BilleR, ludger BooMS, Vanessa cHow, Gro cuRtiS,<br />
dominic eicHleR, Sarah elliSon, Adrian Fekete, katharina GRoSSe,<br />
Sönke HAllMAnn, Friederike JunG, Sibel kekilli,<br />
Setsuko kloSSowSkA de RolA, Jessica Mycock, niki PAulS,<br />
ingrid SiScHy, Stelli, isabelle tHiRy<br />
Fotografen dieser Ausgabe<br />
david ARMStRonG, Maxime BAlleSteRoS, Anna BAueR, christian FeRRetti,<br />
Robbie FiMMAno, Jesse FRoHMAn, Gregory HARRiS, Markus JAnS,<br />
karl Anton koeniGS, Jonas lindStRoeM, Sebastian MAdeR, Michael MAnn, oliver MARk,<br />
Ralph Mecke, dan Monick, Marlen MuelleR, Markus PRitzi, terry RicHARdSon,<br />
Johan SAndBeRG, Hedi SliMAne, wolfgang tillMAnS<br />
Produktion<br />
Lithografie MAx-coloR, wrangelstraße 64, 10997 Berlin<br />
Druck MoHn MediA MoHndRuck GMBH, carl-Bertelsmann-Straße 161 M, 33311 Gütersloh<br />
Manufacturing Director oleg noVikoV<br />
Verantwortlich für den redaktionellen inhalt<br />
Jörg Harlan RoHledeR<br />
Board of directors interview Publishing House Germany<br />
Vladislav doRonin, Bernd RunGe<br />
BMP Media Holdings, llc<br />
Chairman Peter M. BRAnt<br />
www.iNterview.De<br />
20
Herausgeber und Geschäftsführer Bernd runge<br />
Publishing Director Anja Schwing<br />
Anzeigen<br />
Sales Director (Nielsen I, II, IIIa, V, VI, VII) iris gräBner<br />
Tel.: 030/2000 89-120, iris.graebner@atelier-publications.de<br />
Sales Director (Nielsen II, IIIb, IV, Österreich) Tanja SchrADer<br />
Tel.: 089/35 63 77 44, tanja.schrader@atelier-publications.de<br />
Frankreich Valérie DeSchAMPS-wrighT<br />
escalier D, 2 étage gauche, 25–27 rue Danielle casanova, 75001 Paris<br />
Tel.: 00 33/6/04 65 26 51, valerie.deschamps-wright@interviewint.com<br />
Italien Fabio MonToBBio<br />
rock Media, Largo cairoli, 2, 20121 Mailand<br />
Tel.: 00 39/02/78 26 08, info@rockmedia.it<br />
Advertising Service Manager Jacqueline ZioB (Ltg.), Susann BuchroTh<br />
Tel.: 030/2000 89-121, jacqueline.ziob@atelier-publications.de<br />
Project Manager Marketing & PR charlotte wieDeMAnn<br />
Project Manager Sales & Special Projects wilkin SchrÖDer<br />
Interns eva BAureiS, Kara woLF<br />
Assistenz Kathleen MASSierer, Tel.: 030/2000 89-165<br />
IT Manager Patrick hArTwig<br />
Office Manager hilko renTeL<br />
Verantwortlich für Anzeigen<br />
Atelier Publications Deutschland gmbh & co. Kg<br />
Mommsenstraße 57, 10629 Berlin<br />
Tel.: 030/2000 89-0, Fax: 030/2000 89-112<br />
Geschäftsführer Anja Schwing<br />
Vertrieb<br />
Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg<br />
vertrieb@pressup.de<br />
einzelheftbestellungen<br />
Preise, Verfügbarkeit und Bestellungen unter www.interview.de/einzelheft,<br />
bei weiteren Fragen Tel.: 030/2000 89-164<br />
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interview-Leserservice, Pressup gmbh, Postfach 701311, 22013 hamburg<br />
abo@interview.de, Tel.: 0 40/41 448-480<br />
interview erscheint zehnmal im Jahr in der interview Ph gmbh.<br />
Zurzeit gilt die Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2013.<br />
Alle rechte vorbehalten.<br />
Für unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird<br />
keine haftung übernommen.<br />
Andy warhol’s interview (TM). All rights reserved.<br />
interview germany is published under a sublicense from LLc Publishing house interview;<br />
interview is a registered trademark of interview inc.<br />
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without prior written permission is prohibited.<br />
interview Ph gmbh, Mommsenstraße 57, 10629 Berlin, Tel.: 030/2000 89-0<br />
22
MITARBEITER<br />
www.eliesaab.com<br />
Hedi SLIMANE<br />
Er ist der erste Kreativdirektor in der Geschichte von<br />
Yves Saint Laurent, der die Geschicke des französischen<br />
Modehauses aus dem fernen Los Angeles lenkt<br />
und dem zudem gestattet wurde, den geschichtsträchtigen<br />
Namen der Kollektionen zu Saint Laurent zusammenzukürzen.<br />
Hedi Slimane, 44, zieht es oft an<br />
Orte, bei denen andere nicht im Traum auf die Idee<br />
kämen, dass sie etwas mit Mode zu tun haben. Seine<br />
Streetcastings in Berlin vor gut zehn Jahren sind inzwischen<br />
legendär, und der dazugehörige Bildband ist<br />
längst vergriffen. Dabei gilt stets die Faustregel: Wen<br />
Slimane vor die Kamera bittet, der wird gesehen. Fast<br />
schon habituell befördert er Talente, Musiker und<br />
Models, aus der Peripherie ins Zentrum der Aufmerksamkeit.<br />
Sky Ferreira, die Slimane für diese Ausgabe<br />
fotografiert hat, vereint von all dem etwas. Ihr<br />
Stern, so viel ist sicher, wird leuchten.<br />
Seite 76<br />
Markus JANS<br />
Diane <strong>Kruger</strong> und der Fotograf Markus Jans, 45, trafen<br />
sich an einem kalten Morgen im Februar für unser<br />
Shooting in einem Berliner Parkhaus. Der ehemalige<br />
Assistent von Nan Goldin, der schon Models auf<br />
Gletscher schickte, fand die Begegnung erfreulich unkompliziert.<br />
Sein eigenes unkompliziertes Motto:<br />
„Selbst Porträts, bei denen man nur fünf Minuten hat,<br />
können spannend sein.“ Bei Diane <strong>Kruger</strong> hatte er<br />
wesentlich mehr Zeit. Und ob er nun Stars wie Christoph<br />
Waltz oder eine Fashion-Strecke fotografiert:<br />
Jans benötigt Freiraum, damit niemand in festgefahrene<br />
Posen verfallen muss.<br />
Seite 118<br />
Jonas LINDSTRÖM<br />
Fünf Tage lang ging es im Fotostudio unserer All is<br />
pretty-Lounge während der Berlinale zu wie im Taubenschlag<br />
des deutschen Films: Von Iris Berben über<br />
Nora von Waldstätten bis Lars Eidinger und Florian<br />
David Fitz kamen sie alle, um sich von Jonas Lindström,<br />
24, fotografieren zu lassen. Lindström, der unter<br />
anderem auch für Wallpaper, Dazed & Confused und<br />
die Label Costume National und Kostas Mur kudis<br />
arbeitete, betrat mit dieser Herausforderung Neuland:<br />
„So schnell musste ich noch nie arbeiten. Fast<br />
stündlich kam jemand Neues, auf den ich mich einstellen<br />
musste.“ Das hat Jonas mit seiner ihm eigenen<br />
Lässigkeit hervorragend getan.<br />
Seite 134<br />
Sibel KEKILLI<br />
Sie hatte schon immer eine eigene Vorstellung von<br />
dem, was geht und was nicht. Sibel Kekilli, 32, ist aus<br />
Heilbronn geflüchtet, hat die Schauspielschule verweigert<br />
und seitdem zweimal den Deutschen Filmpreis<br />
gewonnen. 2004 für Gegen die Wand und 2010<br />
für Die Fremde. Mittlerweile gehört sie als Sarah<br />
Brandt zum festen <strong>En</strong>semble des Kieler Tatorts und<br />
ist, viel besser noch, einer der Stars der großartigen<br />
HBO-Serie Game Of Thrones. Darin gibt sie die Rolle<br />
der Shae, die geheimnisvolle Geliebte des kleinwüchsigen<br />
Edelmanns Tyrion Lannister, der von Peter<br />
Dinklage gespielt wird. Als man ihr die Rolle angeboten<br />
hat, lehnte Kekilli zunächst ab und lenkte nur<br />
nach beharrlichem Insistieren der Macher der Serie<br />
ein. Als wir sie baten, Peter Dinklage zum Start der<br />
dritten Staffel für uns zu interviewen, sagte sie hingegen<br />
ohne zu zögern zu.<br />
Seite 72<br />
Dominic EICHLER<br />
Der gebürtige Australier mit Wohnsitz in Berlin ist<br />
Kunstkritiker beim Magazin Frieze und Gründungsmitglied<br />
bei der Band Dominique, deren Schaffen vom<br />
Fachmagazin Spex als „postmodernpostkoital“ beschrieben<br />
wird. Er ist außerdem Verfasser prägnanter,<br />
melancholischer Gedichte und leitet als Galerist den<br />
Kunstraum Silberkuppe in Berlin-Kreuzberg. Derzeit<br />
ar beitet Eichler, Jahrgang 1966, an einem Dokumentarfilm<br />
über die Künstlerin Isa Genzken und führt von<br />
daher schon aus beruflichen Gründen ausführliche Gespräche<br />
mit ihr. Für <strong>Interview</strong> hat er sich am Rande der<br />
Dreharbeiten noch einmal mit ihr unterhalten.<br />
Seite 102<br />
24<br />
Setsuko KLOSSOWSKA de Rola<br />
Ganz eindeutig: Der Vorname ist japanisch. Nicht<br />
ganz so eindeutig: ob der Adelstitel „de Rola“ wirklich<br />
echt ist. Diesen hat sie, ebenso wie den Namen Klossowska,<br />
von ihrem verstorbenen Mann geerbt, dem<br />
Maler Balthus, mit dem Setsuko Klossowska de Rola,<br />
Jahrgang 1943, über 30 Jahre lang verheiratet war. An<br />
seiner Seite leitete sie unter anderem die Villa Medici<br />
in Rom. Dennoch war sie stets darauf bedacht, ihren<br />
künstlerischen Weg zu gehen: Bis heute ist die Malerin<br />
höchst erfolgreich. Seit 1977 lebt Klossowska<br />
in der Nähe von Gstaad im Grand Chalet, dem mit<br />
60 Zimmern größten Holzhaus der Schweiz. In diesem<br />
befindet sich auch ihr Atelier; die Künstlerin<br />
steht zudem als Ehrenpräsidentin der Balthus-Stiftung<br />
vor. Für uns sprach sie mit dem Designer Haider<br />
Ackermann.<br />
Seite 46<br />
Fotos: Yves Saint Laurent via Getty Images; Juri Reetz/dpa Picture-Alliance; Oliver Mark; privat (3)
©T&CO. 2013<br />
PEOPLE<br />
SmalltALK<br />
Kleine Gespräche mit großen Leuten:<br />
Anita EKBERG, Jane FONDA, James FRANCO, PhOENix,<br />
Olav hEyERDAhL & Katherine BOO<br />
„hAt sinAtrA<br />
Auch für siE<br />
gEsung<strong>En</strong>?”<br />
Die Leinwandlegende<br />
ANitA EKBERG,<br />
81, hält sich entgegen<br />
ihrem Ruf ganz und gar<br />
nicht für einen Eisberg<br />
Zelebrieren Sie<br />
die größten Liebesgeschichten der Welt<br />
seit 1837<br />
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Foto: Silver Screen Collection/Getty Images<br />
AnitA EkbErg cA. 1955, fünf JAhrE bEvor siE für fEllini<br />
in La DoLce Vita im trEvi-brunn<strong>En</strong> bAd<strong>En</strong> ging<br />
27<br />
intErviEw: <strong>Frau</strong> Ekberg, es ist eine Ehre, Sie kennenzulernen.<br />
AnitA EkbErg: Was? (schaut desinteressiert in eine andere<br />
Richtung)<br />
intErviEw: Ich freue mich sehr, dass Sie Zeit für<br />
mich haben.<br />
EkbErg: Was? Ich verstehe Sie nicht. (in den Raum<br />
hinein) Ich hätte gerne noch mehr Wein.<br />
intErviEw: Sind Männer eigentlich jemals wegen<br />
Ihnen in Ohnmacht gefallen?<br />
EkbErg: Sie müssen deutlicher sprechen.<br />
intErviEw: Sind Ihre Fans jemals kollabiert?<br />
EkbErg: Das weiß ich nicht.<br />
intErviEw: Hat Frank Sinatra Ihnen etwas vorgesungen,<br />
als Sie mit ihm liiert waren?<br />
EkbErg: Das verstehe ich nicht.<br />
intErviEw: Hat Sinatra auch für Sie gesungen?<br />
EkbErg: Oft.<br />
intErviEw: Haben sich die Männer sehr verändert<br />
im Laufe der Zeit?<br />
EkbErg: Männer heute sind keine richtigen Männer<br />
mehr, sie sind Homos.<br />
intErviEw: Alle?<br />
EkbErg: Nein, das habe ich ja gesagt, nicht alle.<br />
Gott sei Dank gibt es noch ein paar echte Männer,<br />
dieser da vorne zum Beispiel. Aber er ist zu jung für<br />
mich.<br />
intErviEw: Was haben Sie damals Kritikern entgegnet,<br />
die behaupteten, Ihr Aussehen sei interessanter<br />
als Ihr schauspielerisches Talent?<br />
PrEssEAg<strong>En</strong>tin: Stellen Sie bitte eine andere Frage.<br />
intErviEw: Was würden Sie Schauspielerinnen heute<br />
raten?<br />
EkbErg: Ich würde niemandem raten, Schauspieler<br />
zu werden. Es ist sehr harte Arbeit. Acht Stunden am<br />
Tag steht man vor der Kamera, dann der Weg vom<br />
Hotel ins Studio und zurück, da kann man schon mal<br />
eine Stunde im Auto sitzen, dann noch die Zeit in der<br />
Maske. Also arbeiten Sie mindestens 18 Stunden,<br />
später muss man sich abschminken, duschen, und
PEOPLE/SmallTALK<br />
PEOPLE/SmallTALK<br />
dann hat man noch vier Stunden Zeit, um zu schlafen.<br />
Aber man muss doch auch noch essen! (räuspert<br />
sich) Mir versagt langsam die Stimme.<br />
PRESSEAGENTIN: Ihre letzte Frage bitte!<br />
INTERVIEW: Okay, dann wäre meine letzte Frage …<br />
EKBERG: Sie sind nicht sehr spontan. Sie haben Ihre<br />
Fragen ja alle aufgeschrieben!<br />
INTERVIEW: <strong>En</strong>tschuldigen Sie, ja. Welcher Ihrer<br />
Spitznamen gefiel Ihnen am besten?<br />
EKBERG: Ich hatte überhaupt keinen Spitznamen.<br />
INTERVIEW: Der schwedische Eisberg zum Beispiel?<br />
EKBERG: „Ekberg, the iceberg“. Das fing in Amerika<br />
an und kam daher, dass ich Menschen sage, dass sie<br />
weggehen sollen, wenn sie mich stören. Man erzählte<br />
sich, ich sei kalt wie ein Eisberg. Was aber überhaupt<br />
nicht stimmt.<br />
INTERVIEW: Ja, das kann ich mir auch nicht vorstellen.<br />
EKBERG: Aber es ist besser, dass sie mich „Ekberg,<br />
the iceberg“ nannten als umgekehrt.<br />
<strong>Interview</strong><br />
LAURA EWERT<br />
„WONACH<br />
SOLLTEN<br />
MÄNNER<br />
RIECHEN?”<br />
JANE<br />
FONDA<br />
schwärmt<br />
von Haut<br />
ohne Haare<br />
DIVA BIS INS HOHE ALTER:<br />
ANITA EKBERG<br />
INTERVIEW: Ich bin fasziniert<br />
von den Mugshot-<br />
T-Shirts, die Sie auf Ihrer<br />
Website verkaufen. Sie zeigen<br />
das berühmte Foto von<br />
Ihnen, als Sie bei einer Anti-<br />
Vietnamkrieg-Demo verhaftet worden waren. Was<br />
würden Sie der jungen <strong>Frau</strong> auf dem Foto raten?<br />
JANE FONDA: Weiter so. Es ist richtig, eine Meinung<br />
zu haben. Und es ist total okay, mal verhaftet zu<br />
werden. Ein bisschen mehr Feinfühligkeit würde<br />
vielleicht nicht schaden. Aber so ist es immer, wenn<br />
eine Bewegung startet.<br />
INTERVIEW: Wie meinen Sie das?<br />
FONDA: Ich hatte davor ein recht hedonistisches<br />
Leben in Frankreich geführt. Als ich zurück in die<br />
Staaten kam, lief gerade Barbarella im Kino und ich<br />
stand auf einer Holzkiste und wetterte gegen den<br />
Krieg. Das verwirrte die Leute. Ich hätte meine Verwandlung<br />
von der glamourösen Schauspielerin zur<br />
Aktivistin erklären müssen. Das wäre viel effektiver<br />
gewesen, als die knallharte Ideologin zu spielen, die<br />
ich sowieso nicht war. Aber das Foto war gut.<br />
INTERVIEW: Ist Radikalität das Privileg der Jugend?<br />
FONDA: Ach, ich glaube, dass <strong>Frau</strong>en radikaler werden,<br />
wenn sie älter werden. Wir sind nicht mehr auf<br />
dem Heiratsmarkt unterwegs, suchen keinen Mann<br />
fürs Leben mehr. Was haben wir noch zu verlieren?<br />
Das sind die „Fuck you fifties“. Die sind bei mir<br />
allerdings auch schon ein bisschen her …<br />
INTERVIEW: Sonst nennen Sie die letzte Lebensphase<br />
gern den „dritten Akt“. Wie definieren Sie den?<br />
FONDA: Wie jeder, der ins Theater geht, weiß, ist<br />
der dritte Akt entscheidend. Davor bauen sich Fragen<br />
und Konflikte auf. Im dritten Akt kommt die<br />
Auflösung. Aufs Leben übertragen heißt das: Es ist<br />
die Zeit, in der klar wird, wer man geworden ist und<br />
warum. Ich selbst habe keine Angst zu sterben. Ich<br />
habe Angst vor Dingen, die ich nicht getan habe.<br />
INTERVIEW: Wenn Sie morgens in den Spiegel schauen,<br />
was sehen Sie dann?<br />
FONDA: Eine <strong>Frau</strong>, die für ihr Alter verdammt gut<br />
aussieht. Das verdanke ich verschiedenen Dingen:<br />
guten Genen, viel Geld – nicht nur für Schönheits-<br />
OPs, sondern auch für gute Hautpflege. Und Liebe!<br />
Einsamkeit, Unzufriedenheit, Wut lassen einen<br />
schlecht aussehen – egal was man unternimmt. Ich<br />
dagegen habe viel Liebe erfahren. Nicht nur erotische<br />
Liebe, sondern auch von Freunden, Kindern,<br />
<strong>En</strong>kelkindern. Das ist ein Segen –<br />
und den sieht man mir an.<br />
INTERVIEW: Sie tragen einen äußerst<br />
interessanten, braun schimmernden<br />
Nagellack …<br />
FONDA: Können Sie die ganzen<br />
Schattierungen der Farbe sehen?<br />
Ich benutze sie sonst<br />
nur für die Füße, aber<br />
dachte mir: In Berlin<br />
probiere ich die mal<br />
aus.<br />
INTERVIEW: Wann<br />
bekamen Sie Ihr<br />
erstes Parfüm?<br />
FONDA: Da war<br />
ich 40. Mein<br />
Ehemann davor<br />
war allergisch<br />
dagegen. Es war<br />
„Obsession“<br />
von Calvin<br />
Klein – das<br />
einzige, bei<br />
dem man mir<br />
sagt, wie gut<br />
ich rieche.<br />
28<br />
INTERVIEW: Wonach sollte ein Mann riechen?<br />
FONDA: Nach irgendwas mit Moschus. Und ich liebe<br />
es, wenn Männer einen Duft benutzen.<br />
INTERVIEW: Was sollten Männer tun, um jung und<br />
hübsch zu bleiben?<br />
FONDA: Jung müssen sie nicht sein. Und hübsch eigentlich<br />
auch nicht. Ich hatte 1,5 Ehemänner, die<br />
richtig gut aussahen …<br />
INTERVIEW: Wer ist der Halbe?<br />
FONDA: Roger Vadim, der sah toll aus, als er jung<br />
war. Aber viel wichtiger ist der Sex-Appeal, der aus<br />
den Augen blitzt. Der Charme. Das Geheimnis. Ich<br />
habe immer davon geträumt, mit einem asiatischen<br />
Mann eine Affäre zu haben. Ich wollte einfach wissen,<br />
wie sich unbehaarte Haut anfühlt. Mein jetziger<br />
Freund hat fast keine Körperbehaarung und wunderbare<br />
Haut.<br />
INTERVIEW: Wie bleibt man jung: Lachen oder Sport?<br />
JANE FONDA: Lachen. Was denken Sie denn?<br />
<strong>Interview</strong> ADRIANO SACK<br />
„WAS<br />
UNTERRICHTEN<br />
SIE?”<br />
JAMES FRANCO<br />
ist nicht nur Schauspieler,<br />
Regisseur, Künstler,<br />
Schriftsteller und Model,<br />
sondern jetzt auch Dozent<br />
JAMES FRANCO: Wir müssen noch kurz auf meine<br />
Studenten warten, die uns filmen werden.<br />
INTERVIEW: Ihre Studenten?<br />
FRANCO: Ich bin jetzt Dozent.<br />
INTERVIEW: Warum denn das?<br />
FRANCO: Da gibt es viele Gründe. Ich war lange<br />
Zeit selber Student, und ich bewege mich gerne in<br />
einem akademischen Umfeld. Selber Dozent zu werden<br />
schien ein guter Weg, um an der Uni zu bleiben.<br />
INTERVIEW: Und was unterrichten Sie?<br />
FRANCO: Kreatives Schreiben.<br />
INTERVIEW: Und warum werden wir dann gefilmt?<br />
Sollten Ihre Studenten nicht lieber schreiben?<br />
FRANCO: Ich weiß, das klingt ziemlich merkwürdig.<br />
Ich möchte der Klasse zeigen, wie die Werbemaschine<br />
rund um einen Film funktioniert. Meine<br />
Studenten filmen, wie die Journalisten in jeder Stadt<br />
die gleichen Fragen stellen und ich die immer gleichen<br />
Antworten gebe. Immer und immer wieder.<br />
INTERVIEW: Na, dann fangen wir doch mal an. Auf<br />
der Berlinale haben Sie drei Filme präsentiert, parallel<br />
gibt es eine Ausstellung, und Ihr Film Die fantastische<br />
Welt von Oz läuft gerade an. Ein bisschen viel, oder?<br />
FRANCO: Diese Projekte landen auf unterschiedliche<br />
Arten bei mir. Manchmal werden mir Rollen angeboten,<br />
die etwas in mir auslösen, und dann sage ich zu.<br />
Gleichzeitig hatte ich schon lange keine Lust mehr,<br />
auf Traumjobs zu warten. Das habe ich früher gemacht.<br />
Irgendwann habe ich aber kapiert, dass ich<br />
spannende Projekte selber auf die Beine stellen muss.<br />
INTERVIEW: Einfach so?<br />
Fotos: Dominique Charriau/WireImage/Getty Images; UPI/David Silpa Photo via Newscom/ddp images; Maxime Ballesteros; Glassnote Records/Warner Music<br />
ALLES SELBST GEMALT: JAMES FRANCO POSIERT VOR SEINER KUNST<br />
FRANCO: Ich habe natürlich das Glück, dass mir die<br />
entsprechenden Kontakte und Ressourcen zur Verfügung<br />
stehen. Aber im Grunde ist es so einfach.<br />
Wenn ich ein Buch verfilmen möchte, dann besorge<br />
ich mir die Rechte, suche nach geeigneten Produzenten<br />
und dem passenden Regisseur. Das ist aber nichts<br />
Besonderes. Das machen doch alle zeitgenössischen<br />
Künstler. Sie bearbeiten ein Thema und suchen sich<br />
die entsprechende künstlerische Form.<br />
INTERVIEW: Ist Ihr Film Interior. Leather Bar. solch<br />
ein Projekt?<br />
FRANCO: Der Film Cruising mit Al Pacino von 1980<br />
hat mich schon lange fasziniert. Viele fanden, dass<br />
die Geschichte des Films homophob sei, weil Morde<br />
in der schwulen Lederszene verübt wurden. Damit<br />
werde impliziert, die Szene sei gefährlich. Ich glaube<br />
nicht, dass der Regisseur William Friedkin es so gemeint<br />
hat. Für mich ist der Film ein Zeitdokument.<br />
Diese Lederbars und die Szene gibt es heute so nicht<br />
mehr. Wir reden hier über die Zeit vor Aids!<br />
INTERVIEW: Und dann wollten Sie gleich selber einen<br />
Film darüber drehen?<br />
FRANCO: Genau. Ich hatte aber lange Zeit keine<br />
Ahnung, was das für ein Film werden könnte. Ich<br />
wusste nur: Sex sollte darin vorkommen. Echter Sex.<br />
INTERVIEW: Okay. Und dann?<br />
FRANCO: Ich habe schnell gemerkt, dass ich mich<br />
nicht wohlfühle, Sexszenen aufzunehmen. Erst habe<br />
ich gedacht, ein Porno-Regisseur sollte das machen.<br />
Aber dann habe ich Travis Mathews getroffen, der<br />
Sex in seinen Filmen als narratives Mittel einsetzt.<br />
INTERVIEW: Als narratives Mittel?<br />
FRANCO: Ja, Sex ist bei ihm ein Weg, um zu zeigen,<br />
wie Menschen miteinander agieren. Als Travis und<br />
ich anfingen, über den Film zu sprechen, stellten wir<br />
fest, dass diese Diskussionen genauso spannend sind<br />
wie die Handlung des Films. Deswegen haben wir<br />
uns entschieden, weder einen reinen Spielfilm noch<br />
eine Dokumentation zu drehen.<br />
INTERVIEW: Was ist der Film denn stattdessen?<br />
FRANCO: Er ist ungewöhnlich, amorph, bizarr.<br />
<strong>Interview</strong> NINA SCHOLZ<br />
JETZT IM KINO:<br />
DIE FANTASTISCHE WELT VON OZ<br />
„IST COOL<br />
SEIN WICHTIG?”<br />
Die französische Band<br />
PHOENIX erklärt<br />
das Duftgeheimnis von<br />
“Drakkar Noir”<br />
INTERVIEW: Was ist <strong>En</strong>tertainment?<br />
THOMAS MARS: Das ist der Titel des ersten Songs<br />
auf unserem neuen Album Bankrupt!.<br />
INTERVIEW: Deswegen frage ich ja.<br />
LAURENT BRANCOWITZ: Ach so.<br />
MARS: Das hier ist <strong>En</strong>tertainment. (zeigt auf eine<br />
Chanel-No-5-Anzeige mit Brad Pitt) Er ist auf dem<br />
Foto übrigens ein wenig besser rasiert als im dazugehörigen<br />
Werbeclip.<br />
BRANCOWITZ: Es ist großartig, dass eine Firma, in<br />
29<br />
der es so viele Kontrollinstanzen gibt, dieses Motiv<br />
zulassen konnte. Das ist sehr tröstlich.<br />
MARS: In wenigen Jahren wird man diese Anzeige<br />
als großes Kunstwerk betrachten.<br />
BRANCOWITZ: Wir mögen Brad Pitt. Er hat bestimmt<br />
einen Großteil seiner Gage gespendet.<br />
INTERVIEW: Ein anderer Song heißt SOS in Bel Air.<br />
Was war da los?<br />
BRANCOWITZ: Nichts war da los, außer Langeweile.<br />
Wir hätten den Song auch SOS in Switzerland nennen<br />
können, nur hat Bel Air einen besseren Klang. Sind<br />
wir überhaupt jemals in Bel Air gewesen?<br />
MARS: Ja, bestimmt. Aber es war so langweilig, dass<br />
du es vergessen hast.<br />
BRANCOWITZ: Wissen Sie, wir sind keine Rapper,<br />
sondern Jungs aus Versailles. Wir haben einen bürgerlichen<br />
Hintergrund. Rapper wachsen unter abenteuerlichen<br />
Bedingungen auf und wollen ein ruhiges Leben.<br />
Wir suchen hingegen das Abenteuer.<br />
INTERVIEW: Mit Erfolg?<br />
MARS: Geht so.<br />
INTERVIEW: Warum versuchen eigentlich alle, cool<br />
zu sein?<br />
MARS: Trying To Be Cool, das ist ja schon wieder ein<br />
Songtitel. Ich erkläre nur ungern unsere Texte.<br />
INTERVIEW: Es geht mir nicht um die Texte, es geht<br />
mir um den Titel.<br />
MARS: Ach so.<br />
INTERVIEW: Ist cool sein wichtig?<br />
MARS: Nein, uns jedenfalls nicht.<br />
BRANCOWITZ: Allerdings ist der Versuch, cool zu<br />
sein, cool. Oder anders: Wenn jemand, der nicht cool<br />
ist, versucht, cool zu sein, ist das süß, weil es so herzerweichend<br />
uncool ist. Und das ist wiederum ganz<br />
cool. Kennen Sie Proust?<br />
INTERVIEW: Klar.<br />
BRANCOWITZ: Bevor er Auf der Suche nach der verlo-<br />
renen Zeit<br />
geschrieben hat, hat er an einem Roman<br />
gearbeitet, der unveröffentlicht geblieben ist. Die<br />
Hauptfigur war im Grunde mit der aus seinem<br />
Hauptwerk identisch. Nur war sie cool. In dem unaufhörlichen<br />
Streben des uncoolen Protagonisten<br />
nach Coolness, in der Spannung, die darin liegt, liegt<br />
auch die Meisterschaft der Verlorenen Zeit<br />
begründet.<br />
Wobei man sagen muss, dass es den Begriff „cool“<br />
zur Zeit von Proust gar nicht gab. Was aber nichts<br />
daran ändert, dass wir auf unserem neuen Album die<br />
Spannung auf ein Proust’sches Niveau<br />
gehoben haben.<br />
INTERVIEW: Und wie hängt das mit<br />
„Drakkar Noir“ zusammen, einem<br />
immer noch beliebten Herrenduft<br />
von Guy Laroche aus dem Jahr<br />
1982? So heißt jedenfalls ein<br />
weiterer Song.<br />
BRANCOWITZ:<br />
Stellen Sie<br />
sich zwei sehr muskulöse<br />
American-Football-Spieler<br />
vor, die brutal aufeinanderprallen<br />
und im Moment<br />
des Zusammenstoßes ihren<br />
Duft wahrnehmen – das ist<br />
für uns die Verkörperung<br />
von „Drakkar Noir“.<br />
<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />
RA<br />
LAURENT BRA<br />
UND MARS THOMAS<br />
BRANCOWITZ<br />
R<br />
AN<br />
C<br />
OW<br />
ANCO<br />
T<br />
OWITZ<br />
BANKRUPT! VON PHOENIX<br />
ERSCHEINT AM 19. APRIL
PEOPLE/SmallTALK<br />
DIESE HEYERDAHLS: OLAV (R.) MIT VATER THOR JR.<br />
VOR DEM BILD VON GROSSVATER THOR<br />
„GAB ES HAIE?”<br />
OLAV HEYERDAHL<br />
nähte sich auf dem<br />
Pazifik Ledersandalen<br />
INTERVIEW: Olav, während Sie gerade die Kon-Tiki<br />
für das Kon-Tiki-Museum restaurieren, läuft in<br />
Deutschland der Film Kon-Tiki an. Gefällt Ihnen<br />
das Werk?<br />
OLAV HEYERDAHL: Natürlich, es handelt schließlich<br />
von meinen Großeltern. Außerdem war ich mit einem<br />
vergleichbaren Floß auf einer ähnlichen Expedition.<br />
INTERVIEW: Warum überhaupt?<br />
HEYERDAHL: Ach, das war nicht meine Idee, ich bin<br />
eigentlich Tischler und Hoch- und Tiefbauingenieur.<br />
Aber eines Tages schrieb mir ein Mann namens<br />
Torgeir Higraff, der meinte, dass mein Großvater<br />
sein Held seit Kindheitstagen sei. Er hatte die Idee,<br />
die Expedition zu wiederholen, allerdings mit ein<br />
paar Verbesserungen am Floß. Wir haben versucht,<br />
aus den Fehlern, die mein Großvater 1947 gemacht<br />
hat, zu lernen, und das Floß so gebaut, wie er es heute<br />
bauen würde.<br />
INTERVIEW: Deswegen waren Sie 2006 einen Monat<br />
schneller als er.<br />
HEYERDAHL: Ja, mein Großvater hat herausgefunden,<br />
dass die antiken Flöße eine andere Steuerungstechnik<br />
hatten.<br />
INTERVIEW: Die Tour dauerte aber immer noch 70<br />
Tage. Was macht man die ganze Zeit?<br />
HEYERDAHL: Ich liebe es, mit den Händen zu arbeiten,<br />
also habe ich viel geschnitzt und mir aus Leder,<br />
das wir aus Peru mitgebracht haben, Sandalen genäht.<br />
Wenn man draußen im Pazifik auf einem Floß<br />
treibt, muss man sich mental auf die Situation einstellen.<br />
Man darf sich nicht aufregen oder wütend<br />
werden, es gibt ja keinen Fluchtraum. Die gesamten<br />
70 Tage, die wir auf dem Meer waren, haben wir vielleicht<br />
drei Schiffe gesehen.<br />
INTERVIEW: Was?<br />
HEYERDAHL: Ja, in der Gegend gibt es kaum Schiffsverkehr.<br />
Wenn etwas passiert wäre, hätten wir etwa<br />
zehn Tage auf Hilfe warten<br />
müssen. Aber wir fühlten uns<br />
sicher auf dem Floß, es war<br />
unser Zuhause.<br />
INTERVIEW: Es ist also nichts<br />
Schlimmes passiert?<br />
HEYERDAHL: Nein. Einmal<br />
hatten wir acht Meter hohe<br />
Wellen.<br />
INTERVIEW: Na dann.<br />
HEYERDAHL: Natürlich hatten<br />
wir nicht jeden Tag Superspaß,<br />
aber die einzige<br />
Sorge, die es gab, war, nicht<br />
von Bord zu fallen.<br />
INTERVIEW: Klar.<br />
HEYERDAHL: Beim Pinkeln<br />
durfte man nicht vergessen,<br />
sich festzuhalten, haha.<br />
INTERVIEW: Gab es Haie?<br />
HEYERDAHL: Kaum. Ich hatte<br />
mich so sehr darauf gefreut,<br />
mit Haien zu tauchen, aber es waren keine da.<br />
Die Kon-Tiki war 1947 von Haien quasi umzingelt.<br />
Wir haben in der gesamten Zeit nur vier Exemplare<br />
gesehen.<br />
INTERVIEW: Nicht viel.<br />
HEYERDAHL: Nein, gar nichts. Und wir haben auch nur<br />
einen Thunfisch gefangen. Die Jungs damals auf der<br />
Kon-Tiki hatten Thunfisch satt. Die Meere haben sich<br />
in den vergangenen Jahrzehnten definitiv verändert.<br />
<strong>Interview</strong> HARALD PETERS<br />
KON-TIKI STARTET AM 21. MÄRZ<br />
„WAREN SIE<br />
ÜBERRASCHT?”<br />
Die US-Journalistin<br />
KATHERINE BOO hat<br />
ein Buch über einen Slum<br />
in Mumbai geschrieben<br />
INTERVIEW: Was hat Sie dazu gebracht, Ihr Buch<br />
Annawadi zu schreiben?<br />
KATHERINE BOO: Das war ein Missgeschick zu<br />
Weihnachten 2006. Ich bin über ein Buch gestolpert,<br />
habe mir drei Rippen gebrochen, und meine Lunge<br />
war durchbohrt. Mir kam der Gedanke: Wenn ich<br />
nie wieder aufstehen kann, wenn es das jetzt war –<br />
was würde ich wirklich bereuen? Die Antwort war:<br />
Ich würde es bereuen, dass ich nie versucht habe, dieses<br />
Buch zu schreiben. Ich lebte seit 2001 in Indien<br />
und hatte das Gefühl, dass es ein Buch darüber geben<br />
müsste, wie es in Indien wirklich zugeht. Vor<br />
allem fehlte mir ein Bericht über das Leben der Kinder<br />
und <strong>Frau</strong>en. Ich hatte Zweifel, ob ich es schaffen<br />
würde, diesen Menschen nah genug zu kommen.<br />
Aber als ich da lag, dachte ich: „What the hell?“<br />
INTERVIEW: Auch als Journalistin in den USA waren<br />
Sie auf Armut und Elend spezialisiert. Warum hatten<br />
Sie so großen Respekt vor Indien?<br />
BOO: Ich habe das Land durch meinen Mann kennengelernt.<br />
Ich traf vor allem Intellektuelle, lebte<br />
30<br />
also in einer Art Isolation. Meine Haltung war: Es ist<br />
total okay, als Trottel die Recherche zu beginnen.<br />
Du solltest nur keiner mehr sein, wenn du hinterher<br />
darüber berichtest. Es war mir sehr wichtig, dass das<br />
Buch zeitgleich in den USA und Indien erscheint.<br />
Wenn ich schon was falsch mache, dann sollen die<br />
Inder gleich über mich herfallen können.<br />
INTERVIEW: Und sind sie über Sie hergefallen?<br />
BOO: Komischerweise nicht.<br />
INTERVIEW: Gab es keine Kritiker, die fragten: Was<br />
bildet die sich ein, als Amerikanerin über Indien zu<br />
urteilen?<br />
BOO: Oh ja, die gab es. Einer regte sich vor allem<br />
über die Darstellung von Fatima auf, der einbeinigen<br />
<strong>Frau</strong>, die ein selbstbestimmtes und skandalöses Sexleben<br />
führte. Der Kritiker erwartete offenbar ein<br />
moralisches Urteil von mir.<br />
INTERVIEW: Haben Sie noch Kontakt zu den Bewohnern<br />
von Annawadi?<br />
BOO: Oh ja. Ich war vergangene Woche dort und<br />
fahre morgen wieder hin.<br />
INTERVIEW: War es leichter für Sie als <strong>Frau</strong>, dieses<br />
Buch zu schreiben?<br />
BOO: Manches war vielleicht schwieriger, aber die<br />
<strong>Frau</strong>en wären sicher nicht so offen gewesen, wenn<br />
ein Mann sie befragt hätte. Was ich in Annawadi und<br />
eigentlich überall in Indien beobachtet habe: Viele<br />
Männer haben aufgegeben.<br />
INTERVIEW: Vor einigen Wochen gab es den schrecklichen<br />
Fall einer Massenvergewaltigung in Indien,<br />
bei der die <strong>Frau</strong> tödlich verletzt wurde. Hinterher<br />
gab es Proteste und Unruhen. Waren Sie überrascht?<br />
BOO: Überhaupt nicht. Es war ein Beispiel für das,<br />
was ich auch im Buch deutlich machen will. Verbrechen<br />
gegen <strong>Frau</strong>en werden nicht ernst genommen.<br />
INTERVIEW: Hat das Buch Ihren Job verändert?<br />
BOO: Es war sicher das Schwierigste, was ich in meinem<br />
Leben gemacht habe. Ich hatte viel mit der indischen<br />
Polizei zu tun, und die ist ziemlich furchteinflößend.<br />
Emotional war das sehr anstrengend. Als<br />
das Buch fertig war und ich das erste Mal wieder<br />
nach Annawadi kam, wurde mir klar, wie viele von<br />
meinen Gefühlen ich unterdrückt<br />
hatte, um professionell<br />
zu funktionieren. So<br />
war es mir auch ergangen,<br />
als ich in Louisiana nach<br />
dem Hurrikan Katrina<br />
recherchierte. Als ich<br />
fertig war, klappte ich<br />
mein Notizbuch zu und<br />
brach zusammen.<br />
INTERVIEW: Würden<br />
Sie das Buch so noch<br />
einmal schreiben?<br />
BOO: Komische Frage.<br />
Das ginge ja gar<br />
nicht. Was ich weiß:<br />
Ich habe es so gut<br />
geschrieben, wie ich<br />
konnte. Ich hätte nicht<br />
härter dran arbeiten<br />
können.<br />
<strong>Interview</strong><br />
ADRIANO SACK<br />
ANNAWADI ODER<br />
DER TRAUM VON<br />
EINEM ANDEREN<br />
LEBEN IST BEI DROEMER<br />
ERSCHIENEN<br />
Fotos: DCM Filmverleih; Murdo Macleod/Polaris/laif<br />
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SUPERSTAR<br />
RICKY HIL<br />
SUPERSTAR<br />
AILINE LIEFELD<br />
PAPA MACHT HOSEN,<br />
ER MACHT MUSIK:<br />
DER SOHN VON<br />
TOMMY HILFIGER<br />
HAT SEIN GROSSARTIGES<br />
ERSTES ALBUM<br />
VERÖFFENTLICHT<br />
IMPRESSIONEN AUS DEM MAKRONENPARADIES:<br />
DIE FOTOGRAFIN AILINE LIEFELD, 32,<br />
REIST MIT AICUISINE INS SCHLECKERLAND<br />
RICKY HIL RAUCHT – WIR WISSEN ALLERDINGS NICHT, WAS …<br />
MESSER UND PFANNEN SIND DIE LIEBSTEN UTENSILIEN DER FOODBLOGGERIN<br />
In Los Angeles ist es fast ein Uhr in der Nacht.<br />
Ricky Hil geht an das Telefon seines Managers<br />
Sickamore, seine Stimme ist tief, ein bisschen<br />
verletzlich. Vielleicht nuschelt er auch nur. Irgendwas<br />
zündet er sich gerade an und bläst beim<br />
Sprechen den Rauch aus. Sein Album, sagt er, heiße<br />
zwar Support Your Local Drug Dealer, aber Dealer sei er<br />
nicht, obwohl er vor wenigen Jahren mit einer nicht<br />
geringen Menge Marihuana im Auto erwischt wurde.<br />
Aber warum sollte Hil auch Drogen verkaufen, schließlich<br />
ist er der Sohn von Tommy Hilfiger.<br />
Es heißt, der Familien-Bodyguard habe den damals<br />
15-jährigen Ricky bereits zu dessen HipHop-<br />
Kumpels ins entfernte Philadelphia begleitet, damit<br />
der Junge sein Interesse am Rap vertiefen kann. Kein<br />
Wunder also, dass den 22-Jährigen heute nicht nur<br />
ein „I love you, Dad“-Tattoo unter dem Kinn ziert,<br />
sondern er nun von Hauptberuf Musiker ist – auch<br />
wenn Kanye West von seinen Skills eher nicht überzeugt<br />
ist, aber warum sollte er auf Kanye West hören?<br />
Schließlich hat ihn sein Kumpel von The Weeknd<br />
2011 bei Warner Music untergebracht. Wobei, so<br />
ganz blicke er gerade auch nicht durch, wie der Stand<br />
der Dinge in Sachen Plattenvertrag sei, erzählt er.<br />
Sein Album nämlich kann man auf seiner Homepage<br />
einfach so herunterladen. „Die haben mich zu Atlantic<br />
Records versetzt, ich hatte dann einfach irgendwann<br />
keinen Bock mehr, und deswegen habe ich<br />
mich entschieden, das Album ins Netz zu stellen. Für<br />
meine Fans.“<br />
Er, der sonst seinem Vater gleich mehrere neue<br />
Songs die Woche zum Hören gibt, hat sich dabei ganz<br />
32<br />
auf das <strong>En</strong>dprodukt konzentriert. Die Stücke seien ein<br />
Manifest seiner selbst. Es steckten viel Schmerz darin<br />
und Erlebnisse aus seiner Kindheit. „Das ist wie Therapie.“<br />
Und die Musikrichtung? Ist das der Alternative<br />
R’n’B, von dem alle sprechen? „Ich bin kein<br />
R’n’B-Sänger, und ich bezeichne mich nicht gern als<br />
Rapper. Das ist Alternative, aber nicht in einem Alternative-Rock-Sinne.“<br />
Und was hat es mit seinem Ruf als schwarzes Schaf<br />
der Familie auf sich? „Zumindest hat keiner sonst aus<br />
meiner Familie so viele Tattoos. Ich sehe schon echt<br />
anders aus. Aber ich komme mit allen gut aus.“ Und<br />
was zählt schon der Ruf? Die Boxershorts seines Vaters<br />
trägt er schließlich jeden Tag.<br />
Von LAURA EWERT<br />
Foto TERRY RICHARDSON<br />
An dem weißen Holztisch, der noch nach<br />
Lack riecht, sitzt Ailine Liefeld und sagt:<br />
„Eigentlich ist alles gut.“ So könnte eines<br />
dieser Generationsbücher heißen, das von<br />
32-Jährigen handelt, die zwar viel erreicht haben, aber<br />
weitersuchen, bis ihnen auffällt, dass sie doch schon<br />
einiges gefunden haben. Bei Liefeld, der Berlinerin,<br />
die bisher den erfolgreichen Blog Freunde von Freunden<br />
mit Bildern füllte und nach dem Studium beim<br />
Lette-Verein für Produktionen um die halbe Welt<br />
reiste, ist es nun ihr Foodblog Aicuisine, der ihr diese<br />
Einsicht bringt.<br />
Seit etwa einem Jahr zeigt die bloggende Fotografin<br />
– „nicht andersherum, das ist wichtig“ – auf ihrer<br />
Seite Bilder von ihren Reisen nach Amsterdam oder<br />
der eigenen Herstellung von Marzipan-Franzbrötchen.<br />
Es gibt Rezepte von sattgrünem Erbsenminzpüree<br />
oder Fotoreportagen aus der pastellfarbenen<br />
Makrönchen Manufaktur. Es sind einfache Gerichte,<br />
die sie unauffällig, aber effektvoll abwandelt. Der<br />
meistgeklickte Artikel handelt von Pancakes, und die<br />
Bilder scheinen zu duften. Nun hat Liefeld samt<br />
mehlbestaubter Kamera ein Gemeinschaftsstudio bezogen.<br />
Auf der Fensterbank steht ein gerahmtes Bild<br />
von James Franco, und in einem Durchgang wird<br />
gerade die Küche mit Wärmeschublade und Dampfgarer<br />
aufgebaut. Alles gut also.<br />
Die Hobbyköchin liebt es, zu „schnibbeln und<br />
dabei Radio Paradiso zu hören“. Sie hat es so zur Erwähnung<br />
im Feinschmecker gebracht, den zweiten Platz<br />
beim AMA Food Blog Award belegt und wird seitdem<br />
von Agenturen mit Gewürzproben überhäuft. Aber sie<br />
33<br />
möchte mehr als Rezeptposts veröffentlichen. Deswegen<br />
besucht sie in den USA etwa die Home made-<br />
Szene, die enorm wächst, lässt sich zeigen, wie man<br />
größere Mengen Pickles einlegt oder Marmelade<br />
kocht. Geplant ist eine Reise nach Japan, und auch<br />
zu Hause sucht sie nach neuen Essensmoden. Dort<br />
würde sie sich etwa wünschen, dass das gute alte Frühstück<br />
die Allgegenwärtigkeit des Pancakes wieder<br />
ablöst. Ansonsten hat sie aber nichts gegen amerikanisches<br />
Essen: Freunde erzählen, sie esse jeden Tag<br />
Steak – ihr Blog mit zahlreichen Fleisch rezepten unterstreicht<br />
das eindrücklich. Vielleicht liegt diese<br />
Vor liebe auch an ihrem liebsten Utensil, der Pfanne.<br />
Davon hat sie über 20 verschiedene.<br />
Von LAURA EWERT<br />
Foto MARLEN MUELLER
people<br />
Naomi<br />
Campbell<br />
trifft<br />
aidaN<br />
erotische Kunst in<br />
Zeiten von pussy Riot:<br />
Wer wissen will,<br />
wie Russland es mit<br />
der Kunst hält, sollte<br />
sich den Namen<br />
aidaN SalaChoWa<br />
besser notieren. denn<br />
nicht nur die orthodoxe<br />
Kirche läuft gegen<br />
Salachowas erotische<br />
Skulpturen Sturm,<br />
ihre Vaginas aus<br />
marmor sorgten auch<br />
bei der biennale in<br />
Venedig für einen mittelschweren<br />
Skandal<br />
POrTrÄT<br />
ANNA BAuEr<br />
wArHOL uND VAgINAS: AIDAN SALACHOwA, 2013<br />
bas-relief no. 1, MarMor, 2010–2011<br />
34<br />
NAOMI CAMPBELL: Wie würdest du dich selbst bezeichnen:<br />
als Künstlerin, Galeristin oder als socialite?<br />
AIDAN SALACHOwA: 23 Jahre lang habe ich mich<br />
als Galeristin und Künstlerin aufgerieben, irgendwann<br />
war ich erschöpft und habe entschieden, nur noch als<br />
Künstlerin zu arbeiten. Jetzt fühle ich mich frei.<br />
CAMPBELL: Und deine Rolle als socialite in der<br />
russischen Gesellschaft?<br />
SALACHOwA: Als Galeristin musst du auch diese<br />
Rolle spielen, aber das bin ich jetzt los.<br />
CAMPBELL: Für viele Leute in Russland bist du<br />
auch eine Art Kunsthistorikerin. Außerdem berätst du<br />
Menschen, die sich für Kunst interessieren oder selbst<br />
ins Galeriegeschäft einsteigen wollen.<br />
SALACHOwA: Anfang der 90er-Jahre kauften<br />
alle russischen Neureichen alte russische Kunst. Niemand<br />
kannte sich damals mit zeitgenössischer Kunst<br />
aus. Für mich war es eine Herausforderung, den öffentlichen<br />
Geschmack mit zu entwickeln und die<br />
Aufmerksamkeit auch auf das Hier und Jetzt zu richten.<br />
Es war eine aufregende Zeit. Ich war die Erste,<br />
“<br />
Jede ausstellung<br />
wird von den Sittenwächtern<br />
im Vorfeld<br />
inspiziert. Gerade<br />
ist eine sehr schlechte<br />
Zeit für Kunst in<br />
Russland<br />
”<br />
– Aidan Salachowa<br />
35<br />
die 1993 einen Andy Warhol an eine Moskauer<br />
Sammlerin verkaufte. Und Umar Dscha brailow kaufte<br />
auf meine Empfehlung hin den ersten Anish<br />
Kapoor in Russland. Je mehr der Markt wuchs und<br />
die Kunstszene trendy wurde, desto mehr verlor ich<br />
das Interesse.<br />
CAMPBELL: Das erste Mal habe ich dich auf der<br />
Biennale in Venedig gesehen. Für mich war das ein<br />
unvergesslicher Eindruck: dein Look, deine Frisur.<br />
Ich fand das toll. Künstler sind ja selten gesichtsprominent,<br />
aber du bist richtig berühmt. Die Leute in<br />
Moskau erkennen dich auf der Straße.<br />
SALACHOwA: Ja, so ist das.<br />
CAMPBELL: Und wie findest du das?<br />
SALACHOwA: Ich finde es gut, wenn man als<br />
Künstler sichtbar ist, aber noch wichtiger ist es, dass<br />
die Leute wissen, welche Art von Arbeit ich mache.<br />
CAMPBELL: Auf der After-Show-Party anlässlich<br />
deiner Vernissage im Russian Museum of Modern Art<br />
wurdest du auf einem Lichtstrahl von der Decke heruntergelassen.
people/Naomi Campbell<br />
SALAcHOwA: Mein Vorname ist türkisch und<br />
bedeutet „Mondlicht“, deshalb fand ich das passend.<br />
cAMPBELL: Hast du Höhenangst?<br />
SALAcHOwA: Es war schrecklich, die Decke dort<br />
ist so unglaublich hoch.<br />
cAMPBELL: Und wovor hast du sonst noch Angst?<br />
SALAcHOwA: Davor, dass jemand reinkommt,<br />
wenn ich dusche.<br />
cAMPBELL: Für mich bist du eine zarte Persönlichkeit.<br />
Aber du arbeitest mit diesen schweren Materialien.<br />
Hast du viele Helfer und Assistenten?<br />
SALAcHOwA: Ich habe ja erst vor drei Jahren angefangen,<br />
skulptural zu arbeiten. Ich habe an kleinen<br />
Modellen angefangen und mich Schritt für Schritt<br />
nach oben gearbeitet. Deshalb mache ich alles selbst.<br />
cAMPBELL: Und jetzt arbeitest du mit Stein.<br />
SALAcHOwA: Es ist meine Leidenschaft. Es ist<br />
wie eine Romanze zwischen mir und dem Material.<br />
Wenn ich in Moskau sein muss und nicht in Carrara<br />
arbeiten kann, geht es mir richtig schlecht.<br />
cAMPBELL: Was fasziniert dich an dem Material?<br />
SALAcHOwA: Man kann seine Ideen dreidimensional<br />
umsetzen – Malerei hat nur zwei Dimensionen.<br />
Ich kann meine Ideen mit meinen Fingern anfassen.<br />
Es ist wie ein Wunder! Es wird lebendig.<br />
cAMPBELL: Ich stand dir gerade Modell, das ist<br />
eine ganz andere Arbeit als das, was ich sonst mache.<br />
SALAcHOwA: Als ich dich vor vielen Jahren das<br />
erste Mal in einem Magazin gesehen habe, dachte ich,<br />
dass du wie ein lebendes Kunstwerk, wie eine lebende<br />
Skulptur aussiehst. Deshalb war es eigentlich ganz<br />
einfach für mich.<br />
cAMPBELL: Gab es denn gar keine Probleme?<br />
SALAcHOwA: Doch, das Problem ist, dass alle<br />
wissen, wie das Modell aussieht, und jeder eine Meinung<br />
dazu hat. Ich wollte auf keinen Fall eine Kopie<br />
deines Körpers herstellen, sondern deine Persönlichkeit<br />
zum Ausdruck bringen. Ein anderes Problem waren<br />
deine Augen. Sie spielen eine große Rolle auf Fotos<br />
von dir, aber wie bringt man das auf schwarzem<br />
Marmor zum Ausdruck?<br />
cAMPBELL: Ich kann es kaum erwarten. Du hast<br />
ja mit dem teuren Marmor aus Carrara gearbeitet …<br />
SALAcHOwA: Es wird noch zwei Monate dauern.<br />
cAMPBELL: Skulpturen betonen die Erotik ja<br />
mehr als andere Kunstwerke. Auf der Biennale in Venedig<br />
gab es deshalb Probleme. Warum?<br />
SALAcHOwA: Ich war in den aserbaidschanischen<br />
Pavillon eingeladen. Ich wollte dort sechs<br />
Skulpturen ausstellen, aber zwei davon durften dann<br />
nicht gezeigt werden. Gar nicht nur wegen der Erotik:<br />
Die eine Skulptur zeigte eine <strong>Frau</strong> mit einem Schleier,<br />
und es hieß, dass Aserbaidschan sich nicht als islamisches<br />
Land präsentieren wolle.<br />
cAMPBELL: Aber diese <strong>Frau</strong> stellt doch nicht notwendigerweise<br />
eine verschleierte islamische <strong>Frau</strong> aus<br />
Aserbaidschan dar?<br />
SALAcHOwA: Sehe ich auch so. Die andere<br />
Skulptur war eine Nachbildung des Steins aus Mekka,<br />
an dem ich nur eine winzige Änderung vorgenommen<br />
hatte: Eine Träne lief aus ihm heraus. Das Kulturministerium<br />
entschied, dass es sich hierbei um eine Vagina<br />
handele, und das sei für alle Moslems verstörend.<br />
cAMPBELL: Und dann?<br />
SALAcHOwA: Es war zwei Tage vor der Eröffnung,<br />
und eigentlich war es gar nicht mehr möglich,<br />
diese tonnenschweren Skulpturen zu bewegen. Deshalb<br />
haben sie Tücher drübergeworfen. Es war ein<br />
Riesenskandal. Nach zwei Wochen haben sie die<br />
Skulpturen verschickt, der Kurator des italienischen<br />
“<br />
Kunst ist meine<br />
große leidenschaft,<br />
meine erste liebe.<br />
Männer können das<br />
nicht verstehen.<br />
Denn sie wollen<br />
sich nicht mit dem<br />
zweiten platz<br />
zufriedengeben<br />
”<br />
– Aidan Salachowa<br />
Black Stone, MArMOr, 2010–2011<br />
36<br />
Pavillons hat sie aufgenommen … Ich habe die ganze<br />
Biennale durch geweint, aber ständig kamen Leute zu<br />
mir und gratulierten mir zu dem Skandal.<br />
cAMPBELL: Dann hatte es auch sein Gutes?<br />
SALAcHOwA: Ja, meine Preise explodierten, und<br />
die Sammler kamen.<br />
cAMPBELL: Wie ist es für dich, in Russland zu arbeiten?<br />
Wirst du eingeschränkt?<br />
SALAcHOwA: Die Einstellung der orthodoxen<br />
Kirche zu zeitgenössischer Kunst ist mehr als negativ.<br />
Jede Ausstellung wird von den Sittenwächtern im<br />
Vorfeld inspiziert in der Hoffnung, dass sie etwas finden,<br />
das auch nur entfernt mit Religion zu tun hat.<br />
Dann äußern sie öffentlich Missfallen, und ehe man<br />
sichs versieht, kann man verhaftet werden oder die<br />
Kunst wird zensiert. Gerade ist eine sehr schlechte<br />
Zeit für Kunst in Russland.<br />
cAMPBELL: Was bedeutet das für junge Nachwuchskünstler?<br />
SALAcHOwA: Irgendwann werden die russischen<br />
Künstler die Früchte ernten, aber jetzt ist es noch<br />
nicht so weit. Ich habe meine alte Galerie in ein Studio<br />
verwandelt, denn viele junge Künstler können sich<br />
kein eigenes Atelier leisten. Dort lasse ich sie arbeiten.<br />
cAMPBELL: Fantastisch!<br />
SALAcHOwA: Freitags und samstags sind die Räume<br />
auch der Öffentlichkeit zugänglich, und die jungen<br />
Künstler suchen Kontakt zum Publikum, sie wollen erklären,<br />
woran sie arbeiten. Sie sind sehr engagiert.<br />
cAMPBELL: Man erzählt sich, dass die Jungs auf<br />
einem deiner Videos aus dem Egoistka-Club stammen.<br />
SALAcHOwA: Ja, es sind Stripper aus dem Club,<br />
die in dem Video auftreten. Wir haben auch eine Performance<br />
zusammen gemacht.<br />
cAMPBELL: Wie kam es dazu?<br />
SALAcHOwA: Ich habe meinen Geburtstag dort<br />
gefeiert, und dann veranstaltete ich dort eine Performance,<br />
in der verschleierte <strong>Frau</strong>en mit halb nackten<br />
Männern tanzten. In diesem Club beuten <strong>Frau</strong>en die<br />
Männer aus, deshalb war es mir ganz wichtig, die Performance<br />
dort zu machen.<br />
cAMPBELL: Aidan und ihre Jungs! Wo wir gerade<br />
von Jungs reden: Welche Art von Männern magst du?<br />
SALAcHOwA: Ich mag sie jung, so um die 30, eher<br />
Dunkelhaarige. Blonde sind nicht so mein Ding (lacht).<br />
cAMPBELL: Bist du Feministin?<br />
SALAcHOwA: Postfeministin.<br />
cAMPBELL: Ist es schwieriger, sich als <strong>Frau</strong> in der<br />
Kunstwelt zu behaupten?<br />
SALAcHOwA: Ich finde ja. Auch das Privatleben<br />
ist für Künstlerinnen schwieriger, denn man liebt die<br />
Kunst mehr als die Männer. Kunst ist meine große<br />
Leidenschaft, meine erste Liebe. Männer können das<br />
nicht verstehen. Denn sie wollen sich nicht mit dem<br />
zweiten Platz zufriedengeben.<br />
cAMPBELL: Das würde ich auch nicht wollen.<br />
Deine <strong>En</strong>ergie ist wirklich unbändig – wie hältst du<br />
diesen hohen Pegel?<br />
SALAcHOwA: Wenn ich etwas tun muss, was<br />
mir nicht gefällt, werde ich sehr müde. Deshalb rate<br />
ich, nur das zu tun, was dir wirklich Freude bereitet.<br />
Dann hast du automatisch ganz viel Kraft.<br />
cAMPBELL: Wie hältst du das Level in dieser komplexen<br />
männlichen Welt? Wie geht man damit um?<br />
SALAcHOwA: Unsere Welt ist männerdominiert.<br />
cAMPBELL: Das habe ich kapiert, nachdem ich<br />
nach Russland gezogen bin.<br />
SALAcHOwA: Ja, für Russland gilt das besonders.<br />
Aber für mich gelten diese Männerregeln gar nicht.<br />
Ich kann sie nicht ernst nehmen.<br />
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Feueratem<br />
und unruhige träume<br />
Wenn man es genau nimmt, kommt diese Tasche zu spät, denn<br />
gerade erst feierten die Chinesen den Abschied vom Drachen und<br />
den Beginn des Schlangenjahres (Pedanten rätseln sogar, ob es<br />
die Wasser- oder die Feuerschlange ist). Biologisch argumentiert<br />
dürfte es allerdings wenige real existierende Tiere geben, die dem<br />
Drachen näher stehen als die Schlange. Insofern verkündet diese<br />
Clutch von Emilio Pucci eine höhere Weisheit: Ein Drache ist eine<br />
Schlange ist ein Drache. Die Frühjahrskollektion der Marke war<br />
inspiriert von vietnamesischen Motiven – der Drache findet sich<br />
auch in Keilabsätzen wieder. Wie geschnitzt wälzen sich die Untiere<br />
umeinander und scheinen die Trägerin und den Tascheninhalt<br />
zu bewachen. Wer hier unbefugt reingreift, dem blühen Feueratem<br />
und unruhige Träume. In jedem Fall scheint diese Tasche dafür<br />
geschaffen, ausschließlich Kostbarkeiten durchs Leben zu tragen.<br />
wow!<br />
Zero Dark thirty: kathryn bigelow beim Dreh ihres ersten Films<br />
mit bierernster ironie<br />
Die junge <strong>Frau</strong> auf diesem Foto könnte problemlos für einen Film der Nouvelle Vague gecastet<br />
werden: die obligatorische Zigarette, das bretonische Fischerhemd, der Distanzblick.<br />
Es handelt sich um die 30-jährige Kathryn Bigelow, die damals den Film The Loveless in Georgia<br />
drehte. Die Fotografin Jeannette Montgomery Barron hielt sich in den Achtzigern ganz<br />
offensichtlich in den richtigen Kreisen auf. In ihrem Bildband Scene (Powerhouse Books) sind<br />
Aufnahmen von Andy Warhol, Robert Mapplethorpe, Francesco Clemente – wie es sich<br />
damals noch gehörte – in Schwarz-Weiß versammelt und mit bierernster Ironie angereichert.<br />
Auch wenn sich das Mädchen auf den Fotos Mühe gibt, den<br />
Eindruck zu wecken: Ob man durch die Taschen schärfer sieht,<br />
ist nicht verbürgt. Klar aber ist: Sie fordern äußerste Disziplin,<br />
was den Inhalt betrifft, sie sind nicht unbedingt diskret, und sie<br />
gehören zum Zeitgemäßesten, was eine <strong>Frau</strong> sich in diesen Tagen<br />
unter den Arm klemmen kann.<br />
Im Uhrzeigersinn, oben links beginnend: Clutch STELLA McCARTNEY<br />
Kleid ToM FoRD Ringe PoMELLATo, Clutch CHARLoTTE oLYMPIA<br />
Kleid RoBERTo CAVALLI Ring IRADJ MoINI, Clutch und Kleid GUCCI<br />
Ring IRADJ MoINI, Clutch und Kleid VALENTINo Ring PoMELLATo<br />
Fotos (rechte Seite): Emilio Pucci; from Scene by Jeannette Montgomery Barron, published by powerHouse Books; Bottega Veneta; Acne Studios<br />
SCHWeDeN<br />
in PaNama<br />
Weimaraner sind die Prom-Queens unter<br />
den Hunden: Von ihrer eigenen Schönheit<br />
verwöhnt, hinken sie hinterher, was Intelligenz<br />
und social skills betrifft. Der schwedische<br />
Jeans- und Lifestylelieferant Acne bewirbt<br />
seine neuen Panamahüte (eine Zusammenarbeit<br />
mit der Traditionsmarke Borsalino)<br />
mit einem Paar dieser unwiderstehlich hündisch<br />
dreinblickenden Tiere. Was ist nun<br />
eigentlich Acne an diesen Hüten? Vielleicht<br />
nur die überbreiten Stoffbänder in schwedischen<br />
Nationalfarben. Wer sich dabei an<br />
die Inszenierungen des amerikanischen<br />
Künstlers William Wegman erinnert fühlt,<br />
der variantenreich und unermüdlich mit dieser<br />
Hunderasse gearbeitet hat, liegt sicher<br />
nicht falsch. Aber zu wissen, wo man klauen<br />
muss, ist eben auch eine Kunst.<br />
hunD trägt wieDer hut<br />
SILBer,<br />
PaLLaDIum etc.<br />
Die Boxen sind 28 mal 20 mal 10,5 cm groß,<br />
es gibt lediglich 25 Stück, und jede ist ein<br />
Unikat. Die New Yorker Künstlerin Nancy<br />
Lorenz hat sie für Bottega Veneta hergestellt,<br />
was auf den ersten und jeden weiteren Blick<br />
Sinn ergibt: Lorenz, deren Arbeit von ihrem<br />
fünfjährigen Aufenthalt in Asien geprägt ist,<br />
hat ein nahezu meditatives Verhältnis zu<br />
Materialien (hier sind es Silber, Weißgold,<br />
Palladium und Moon Gold Leaf). Sie trägt in<br />
Schichten auf, liebt Verunklarungen und<br />
Überlagerungen – wenn die Objekte ihr Atelier<br />
verlassen, haben sie bereits ein Leben<br />
hinter sich. Nach der Präsentation auf der<br />
Mailänder Möbelmesse werden die Boxen in<br />
den Läden von Bottega verkauft.<br />
38<br />
39
1<br />
RETROMANIA.<br />
DINGE<br />
VON GESTERN<br />
FÜR HEUTE<br />
SOLITAIRE<br />
Das Kartenspiel, das eigentlich Patience heißt<br />
und seinem Namen zufolge gewisse Geduld<br />
erfordert, taugt in seiner computerisierten<br />
Fassung hervorragend zur Bekämpfung von<br />
Ungeduld. In einer Zeit, in der die Zeit<br />
immer knapper wird – und bekanntlich wird<br />
für jeden die Zeit im Laufe der Zeit zunehmend<br />
knapper –, wirkt ein Spiel, das man<br />
zum Zeitvertreib spielt, zwar ganz und gar<br />
unzeitgemäß, andererseits soll Diane von<br />
Furstenberg, die beliebte Designerin und<br />
Erfinderin des Wickelkleides, es den ganzen<br />
Tag spielen (mehr als 10 000 Spiele, seit sie<br />
ein iPad besitzt).<br />
LANGEWEILE<br />
Überhaupt scheint es die Langeweile zutage kaum noch zu geben, was sie im<br />
heut-<br />
Rückblick ungeheuer verführerisch und<br />
kostbar erscheinen lässt. Noch in den Achtzigern<br />
war sie allgegenwärtig, in den Neun-<br />
zigern zeigte man sich glücklich, wenn man<br />
ihr aus dem Weg ging, doch seit den jahren ist diese Befindlichkeit wie eine<br />
vom Aussterben bedrohte Tierart geradezu<br />
vom Erdboden verschwunden. Ach, wie<br />
schön war’s, als einem mal so richtig langweilig<br />
war! Sag mal, wie spät ist es Nuller-<br />
eigentlich?<br />
SONNENUHREN<br />
Jetzt, wo es endlich Frühling ist, sollte man<br />
sich wieder an den einfachen Dingen des<br />
Lebens erfreuen, und was ist einfacher als<br />
eine Sonnenuhr. Zum Bau benötigt man<br />
nichts weiter als einen halbwegs sonnigen<br />
Tag, einen Stock, den man in den Boden<br />
rammt, und eine konventionelle Uhr, um<br />
die Sonnenuhr danach zu stellen. Wenn<br />
man sich an einem halbwegs sonnigen Tag<br />
in der Nähe der Sonnenuhr befindet, weiß<br />
man jederzeit, wie spät es ist. Außer nachts.<br />
Und nachts muss man das auch nicht wissen,<br />
weil man nachts schläft. Aber schlafen<br />
wir überhaupt richtig?<br />
MATRATZEN<br />
Rosshaar, Latex, Schaum, Kaltschaum,<br />
Futon, Federkern, Taschenfederkern, Memory-Foam,<br />
Wasserbett – ehrlich gesagt<br />
ist das Thema Matratzen derart komplex,<br />
dass wir leider den Überblick verloren haben.<br />
HAARSPANGEN<br />
Um den Überblick zumindest technisch<br />
einigermaßen behalten zu können, ist für<br />
Menschen mit Langhaarfrisur die Haarspange<br />
von unschätzbarem Wert. Lange<br />
Zeit war sie verpönt und galt als unverhältnismäßig<br />
kindlich. Heute erkennt man<br />
wieder ihren praktischen Nutzen und weiß<br />
die verspielte Note, die sie ihrer Trägerin<br />
verleiht, zu würdigen. Apropos Note …<br />
MUSIK<br />
Sie war wohl nie fort, aber jetzt ist sie in<br />
Gestalt neuer Alben wieder zurück, und<br />
zwar von Künstlern, die schon immer da<br />
waren oder so klingen: Depeche Mode,<br />
David Bowie, Pulp, Strokes, Hurts …<br />
ALBERN UND<br />
BRUTAL<br />
Nachdem die Kenzo-Tiger-Sweatshirts der<br />
Überraschungserfolg der letzten Saison waren,<br />
dürfte diesem prankenbewährten Armreif<br />
ein ähnliches Schicksal blühen. Ein bisschen<br />
albern, ein bisschen brutal. Perfekt.<br />
GLOBALER<br />
MASH-UP<br />
Die Berliner Schmuckdesignerin<br />
Lilo Benecke verarbeitet in<br />
ihren <strong>En</strong>twürfen Fundstücke aus<br />
der ganzen Welt zu exquisiten<br />
Mash-ups. Hier etwa einen<br />
Jade-Käfer.<br />
WOW!<br />
Schwelgerei<br />
Fernando Jorge ist ein Schmuckdesigner<br />
aus Brasilien, der am Londoner Saint<br />
Martins College studiert hat und sich<br />
Mühe gibt, all die sympathischen Vor urteile<br />
über seine Heimatkultur überzuerfüllen:<br />
Seine Ringe und Ketten leben von kühnen<br />
Schwüngen und unbekümmerter Schwelgerei.<br />
Der „Adonis Mohawk“-Ring (schon<br />
der Name überzeugt) ist ein diamantengekrönter<br />
Kristall. Das Stück<br />
erlaubt die unterschiedlichsten<br />
Assoziationen, aber, und das ist ein<br />
großes Kompliment, es sieht nicht<br />
aus wie etwas, was man kennt.<br />
40<br />
SUPERMODERN: METALL-CHOKER VON DIOR<br />
TA<br />
T LL-<br />
Klassisch MODERN<br />
Wäre die Welt eine bessere, wenn man den eigenen<br />
Kopf bei Bedarf abschrauben könnte?<br />
Mit diesem klassisch-modernen Gedanken<br />
spielen die „Dior in Me“-Choker. Sie<br />
kommen mit Strass besetzt, im Mustermix<br />
Plexiglas- Metall und in Neonfarben.<br />
KETTE<br />
MARNI<br />
Wie eine Vintage-<br />
Zeichen trickserie aus<br />
Prag wirkt der neue<br />
Holzschmuck von<br />
Marni. Pädagogisch<br />
wertvoll, für schicke<br />
Vollwertmamas.<br />
KARTE<br />
und<br />
GEWEBE<br />
L-<br />
VO<br />
L CHOKER VO<br />
An den Formen und Farben des brasilian -<br />
ischen Landschaftsarchitekten Roberto Burle<br />
Marx orientierte sich der Akris-Designer<br />
Albert Kriemler für seine Frühjahr-Sommer-<br />
Kollektion. Hier sieht man im Direktvergleich<br />
den Dachgarten der Banco Safra in São<br />
Paulo und einen Hosenanzug mit passender<br />
Tasche. Eine bessere Inspiration kann man sich<br />
kaum vorstellen: Die gemäßigt kubistischen<br />
Schwünge, die sonnendurchflutete Archaik, die<br />
Palette aus Erd- und Steinfarben sind Inhaltsstoffe,<br />
die perfekt zum zurückgelehnten Glamour des<br />
Schweizer Labels passen. Als würde man im<br />
hart bestuhlten Abteil einer Zahnradbahn leise<br />
Girl From Ipanema pfeifen.<br />
V<br />
N DIOR<br />
Fotos: Kenzo; Dior; Lilo Benecke; Marni; Leonardo Firotti/Akris; Fernando Jorge<br />
Begegnen Sie<br />
der Welt<br />
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Einige der unvergesslichsten Momente auf der Erde passieren<br />
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GRACE JONES LÄSST GRÜSSEN:<br />
STIEFEL AUS DER JUBILÄUMSKOLLEKTION VON POLLINI<br />
PLÄDOYER für<br />
sehr GUTE LAUNE<br />
Die bestgelaunten Sommermäntel hat der französische<br />
Designer Dryce (ihm reicht ein Name …) in Zusammenarbeit<br />
mit dem Label Façonnable entwickelt: in leuchtenden<br />
Farben und breit gestreift wie die Installation des<br />
Künstlers Daniel Buren im Innenhof des Palais Royal.<br />
Plötzlich ist der Trenchcoat kein Klassiker mehr, sondern<br />
ein uneingeschränktes Plädoyer für sehr gute Laune.<br />
Nicht weiter überraschend, dass Rei Kawakubo von<br />
Comme des Garçons zu den Fans von Dryce zählt. Die<br />
Mäntel wird es bei Barneys in den USA, Le Printemps in<br />
Frankreich und bei Isetan in Japan geben.<br />
DER XY POP SCHUH<br />
Seit 2010 ist der Designer Nicholas Kirkwood Creative<br />
Director der italienischen Schuhmarke Pollini.<br />
Zum 60. Geburtstag warf er einen intensiven<br />
Blick ins Archiv und interpretierte den Cavaliere-<br />
Stiefel im Hinblick auf die idealtypischen<br />
Trägerinnen: Grace Jones, Lena Dunham,<br />
David Bowie etc.<br />
FOREVER POP<br />
Das britische Label Ben Sherman feiert seinen<br />
50. Geburtstag mit einem klugen Bildband über<br />
englische Popkultur (sowie einer T-Shirt-Edition<br />
in Zusammenarbeit mit der Musikfotografin<br />
Janette Beckman). Die stilistischen<br />
Beharrungs- und Erneuerungskräfte halten<br />
dort Pop und Mode gleichermaßen jung.<br />
SKATEBOARD VON DIDI DUNPHY<br />
42<br />
WEGWEISEND: VIVIENNE WESTWOOD ALS PUNK<br />
Farbenprächtig<br />
Mit dem italienischen Steingutproduzenten<br />
U. Grazia Maioliche hat die Designerin Didi<br />
Dunphy ein garantiert nicht straßentaugliches<br />
Skate board entwickelt, das so farbenprächtig daher -<br />
kommt wie ein angegrauter Szene-Italiener.<br />
Fotos: Lahssan x Façonnable/Tommy Ton; Janette Beckman/Ben Sherman; Pollini
Die Stadt als<br />
KUNSTWERK<br />
Natürlich bleibt der Blick unwillkürlich<br />
bei diesem Bild vom West<br />
Broadway Richtung Süden hängen,<br />
in dem die Twin Towers des<br />
World Trade Centers wie reinretuschierte<br />
Geister wirken. Es stammt<br />
aus der Langzeitserie Unconscious<br />
Places des deutschen Künstlers<br />
Thomas Struth, der seit vier Jahrzehnten<br />
Straßen fotografiert: möglichst<br />
menschenleer und in der<br />
Regel die Perspektiven meidend,<br />
aus denen der urbane Raum vielleicht<br />
bereits einmal zu oft gesehen<br />
wurde. Struth hat erst Malerei bei<br />
Gerhard Richter, dann Fotografie<br />
bei Bernd und Hilla Becher studiert.<br />
Seine Arbeit verbindet den<br />
pedantischen Skeptizismus des<br />
einen mit der strengen Schwärmerei<br />
der anderen. Der Bildband<br />
Unconscious Places (Schirmer/Mosel<br />
Verlag) öffnet dem Betrachter<br />
mit sanftem Zwang die Augen:<br />
Jede Stadt ist ein Kunstwerk.<br />
POESIE aus<br />
dem Handgelenk<br />
CHLOË SEVIGNY, 1993, AUF EINER FÄHRE BEI NEW YORK<br />
WOW!<br />
DIE STADT ALS KUNSTWERK: WEST BROADWAY, NEW YORK 1978 VON THOMAS STRUTH<br />
Damals war er gerade frisch nach New York gezogen, ein Junge aus gutem, brasilianischem<br />
Haus, ausgestattet mit einer Kamera und einer unendlichen Neugier auf das Leben und die<br />
Bilder, die es bereithielt. Heute ist Marcelo Krasilcic ein international renommierter Modefotograf<br />
mit ungewöhnlichem Sinn für Komik. Sein erstes Buch (genau genommen sind<br />
es zwei Bände) zeigt Aufnahmen aus den Neunzigern: Popstars, Familien, Liebhaber, Sofas.<br />
Hinreißendes Buch eines Meisters der Poesie aus dem Handgelenk.<br />
44<br />
NEBENDARSTELLER FÜR<br />
KUNSTPORNOS<br />
Die symbiotische Beziehung zwischen Prada und dem niederländischen Architekten Rem<br />
Koolhaas ist bekannt: Aus dem Flagship-Store auf dem New Yorker Broadway machte er<br />
ein Stück gebauter Konzeptkunst und sitzt nicht selten bei den Modenschauen in der<br />
ersten Reihe. Man fragt sich, warum es bis heute gedauert hat, dass sein Büro OMA eine<br />
Möbelserie entworfen hat, deren Prototypen standesgemäß bei der Modenschau von<br />
Prada Premiere hatten. Darf man den Bildern trauen, so bastelt Koolhaas mit Plexiglas<br />
und Schaumstoff – ein Feingeist war er noch nie, eher Propagandist radikaler Hässlichkeit<br />
– Einrichtungsstücke, die Nebenrollen in Kunstpornos spielen könnten.<br />
KÜHLES KONZEPT: MÖBEL VON REM KOOLHAAS<br />
Fotos: Thomas Struth, Unconscious Places, Schirmer/Mosel; Agostino Osio/Prada; Marcelo Krasilcic, 1990s, published by Osmos; Roger Dubius, Keith Haring, The Political Line, at the Musée d’Art moderne de la Ville de Paris; Panerai, Jaeger-LeCoultre, Parmigiani, Jaeger-LeCoultre; Laurence Ellis @ Visual Artists/Topman<br />
Trügerische<br />
HEITERKEIT<br />
WOW!<br />
Dass Jean-Michel Basquiat und Keith<br />
Haring in den Achtzigern wie eine<br />
Frischzellenkur auf den etwas ermatteten<br />
Andy Warhol wirkten, ist bekannt.<br />
Ebenso die höchst unterschiedlichen<br />
Wege, die die beiden Künstler dann<br />
beschritten. Basquiat, mit 27 an einer<br />
Überdosis gestorben, blieb im Großen<br />
und Ganzen immer ein leicht<br />
überschätzter Kritikerliebling. Haring<br />
überschwemmte die Welt mit seinen<br />
Strichzeichnungen, bis ihnen alles<br />
Subversive abhandengekommen war.<br />
Jetzt zeigt eine Ausstellung im Pariser<br />
Musée d’Art Moderne fast 250<br />
seiner politisch motivierten Arbeiten<br />
– gegen Apartheit, Wettrüsten,<br />
Umweltverschmutzung, Homophobie. Die Bilder sind ziemlich klein bis monumental und immer<br />
von der trügerischen Heiterkeit geprägt, die den Künstler so universell machte. Haring, der 1990 an<br />
den Folgen seiner HIV-Infektion starb, war einer der großen Aufklärer seiner Generation.<br />
Junge MÄNNER wie SPEISEEIS<br />
Als Referenz für Modemenschen fast so verlässlich wie der Filmklassiker Letztes Jahr in Marienbad:<br />
der Möbeldesignstil Memphis. Keiner möchte mehr so wohnen, aber niemand bestreitet die grenzüberschreitende<br />
Leuchtkraft. Memphis war eine der Inspirationen für die neue Topman-Kollektion<br />
(Acid Surf und Sports Safari die anderen): alle Farben des Regenbogens, mutwilligst kombiniert, in<br />
Mustern, die nach Sonne schreien. Damit jeder junge Mann wie Speiseeis aussieht.<br />
REGENBOGENFARBEN,<br />
MUTWILLIGST KOMBINIERT: MÄNNERLOOKS VON TOPMAN<br />
45<br />
WIRKLICH GUTE<br />
Herren-UHREN<br />
Frisch von der Uhrenmesse in Genf: Modelle,<br />
die uns wegen handwerklicher, technischer oder optischer<br />
Raffinesse begeistert haben (nächsten Monat dann<br />
Hightech- und Sportuhren für <strong>Frau</strong>en)<br />
ROGER DUBUIS<br />
Um das mit Grand-Feu-Email<br />
veredelte Zifferblatt der „Excalibur<br />
Table Ronde” scharen sich zwölf<br />
Ritterfi guren aus Rotgold, mit<br />
Wonne wird hier einer der großen<br />
europäischen Mythen (König<br />
Artus) ausbuchstabiert.<br />
142500 Euro.<br />
JAEGER-LECOULTRE<br />
Nichts lieben Kenner mehr als ein<br />
bisschen Verirrung. Wo genau<br />
diese Uhr die Zeit anzeigt, und wo<br />
nur die Gangreserve, muss man<br />
am echten Objekt analysieren.<br />
Die „Bugatti Super Sport” hat ein<br />
Uhrwerk aus Schwarzgold,<br />
ein Zifferblatt aus schwarzem<br />
Opalglas und für 244000 Euro<br />
ersteht man eine Uhr mit<br />
Seltenheitswert.<br />
JAEGER-LECOULTRE<br />
Was für ein Geburtstagsgeschenk!<br />
Die „Master Grande<br />
Tradi tion Gyrotourbillon” mit Unruh<br />
aus gebläutem Gold und mit<br />
fl iegendem Gyrotourbillon wurde<br />
zum 180. Jubiläum gefertigt.<br />
Limitiert auf 75 Stück,<br />
450000 Euro.<br />
Zeit ist Geld!<br />
PANERAI<br />
Die Taschenuhr des Jahres.<br />
Von dem fl orentinischen Tauchuhrenhersteller<br />
für Männer, die<br />
nah am Wasser gebaut sind.<br />
Die „Pocket Watch Tourbillon GMT<br />
Ceramica” ist aus Zirkoniumoxid,<br />
mit skelettiertem Zifferblatt. Sie<br />
kostet 165000 Euro und gleicht<br />
einer zierlichen Handgranate.<br />
PARMIGIANI<br />
Charmant verschachteltes<br />
Spiel mit der Modefarbe Blau,<br />
ein Gesamtauft ritt, der Wucht<br />
und Witz verbindet. Der „Pershing<br />
CBF Chronograph” aus Titan<br />
mit Roségold-Lünette und<br />
dunkelblauem Alligatorleder -<br />
band von Hermès kostet<br />
21400 Euro.
Haider ackermann, Porträt joHan Sandberg<br />
“icH habe<br />
mich verliebt“<br />
Kein Modemacher wickelt die <strong>Frau</strong>en so<br />
wirkungsvoll ein wie Haider acKerMann.<br />
Mit der Witwe des Malers Balthus, einer alten<br />
Freundin, spricht er über ungebetene Hausgäste<br />
(geht gar nicht), Social Media (ebenso wenig)<br />
und die Farben der Liebe<br />
von<br />
Setsuko KLoSSoWSKa de rola<br />
FotoS<br />
cHriStiAn Ferretti<br />
Styling<br />
gro curtiS<br />
FaSHion<br />
46<br />
Haider ackermann: Ich erinnere mich noch genau,<br />
wann ich dich das erste Mal sah. Das weißt du<br />
gar nicht. Das war bei einer John-Galliano-Schau.<br />
Vor 16 Jahren oder so. Die Leute scharten sich um<br />
John, es war sehr voll, und plötzlich bist du mit deinem<br />
Mann erschienen, er trug ein schwarzes Cape<br />
und du einen wunderbaren Kimono, und die Leute<br />
bildeten eine Schneise für euch. Für mich die Definition<br />
von Eleganz, du liefst ganz langsam.<br />
SetSuko kloSSowSka de rola: Oh. Balthasar<br />
war noch nie auf einer Modenschau gewesen, aber aus<br />
Liebe zu seiner Tochter, die damals auf dem Laufsteg<br />
lief, willigte er ein, dorthin zu gehen, und er hatte ein<br />
paar glückliche Momente. Übrigens geht man in einem<br />
Kimono sehr langsam, weil das Kostüm entscheidet,<br />
wie du dich bewegst. Eine Geschichte von Visconti: Bei<br />
einem seiner letzten Filme haben wir ihn getroffen,<br />
und dort waren viele junge hübsche <strong>Frau</strong>en in wunderschönen<br />
Kleidern und unterhielten sich, und Visconti<br />
hat sie bemerkt und klatschte in die Hände und rief:<br />
„Beine, Beine, Beine!“ Er drehte sich zu uns um und<br />
sagte: „Heutzutage trägt jeder Jeans, und sie wissen<br />
nicht, wie sie in langen Kleidern sitzen sollen.“<br />
ackermann: Weil man in Jeans immer breitbeinig<br />
sitzt.<br />
kloSSowSka de rola: Genau.<br />
ackermann: Wie beeinflusst es deine Arbeit als<br />
Malerin, dass du so weit entfernt von deiner alten<br />
Heimat lebst?<br />
kloSSowSka de rola: Ich fühle mich nicht<br />
weit entfernt von Japan, es ist eine Frage, was man in<br />
sich trägt. Ich lese japanische Essays und weiß, was<br />
mein Land denkt. Tokio ist eine tolle Stadt, aber ich<br />
brauche viel mehr die Ruhe der Natur. Alles ist<br />
schnell lebig. So viele Menschen machen so viele<br />
Dinge und erreichen nichts. Aber du bist dir dessen<br />
bewusst. Als ich deine letzte Schau gesehen habe, die<br />
Farben! Sie kämpfen nicht gegeneinander, sie sind<br />
harmonisch. Viele Farben kämpfen ja gegeneinander.<br />
Aber deine Schau, die Harmonie deiner Farben! Es<br />
ist wirklich schwer, drei, vier Farben zu kombinieren.<br />
ackermann: Ich habe Farben lange Zeit gefürchtet,<br />
ich bin eher eine Person, die im Schatten<br />
steht. Wenn man Farben benutzt, werden die Leute<br />
auf dich aufmerksam, deswegen hatte ich Angst davor.<br />
Aber dann wurde mein Leben schöner und viel begehrenswerter,<br />
und ich benutzte Farben.<br />
kloSSowSka de rola: Was hat dich dazu gebracht?<br />
ackermann: Ich habe mich verliebt! Die Liebe<br />
ist die Inspiration für alles. Du warst 40 Jahre mit<br />
Balthasar zusammen. Wie romantisch!<br />
kloSSowSka de rola: Ich würde es eher dramatisch<br />
nennen. Ich habe öfter darüber nachgedacht,<br />
was Romantik bedeutet, aber ich weiß es nicht.<br />
Kommt das Wort aus dem Lateinischen?<br />
ackermann: Ich habe ja Deutsche Literatur<br />
studiert. „Die Suche nach der blauen Blume.“ Die<br />
Definition von Romantik ist die Suche nach etwas,<br />
was es nicht gibt.<br />
kloSSowSka de rola: Als ich jung war, war es<br />
in Japan üblich, Ehen zu arrangieren. Aber ich habe<br />
meiner Mutter gesagt, dass ich mich daran nicht halten<br />
werde. An einer Liebe, für die ich nicht mein<br />
Leben geben würde, bin ich nicht interessiert. Sie war<br />
schockiert. Aber das hat sich nicht geändert. Und<br />
meine Geschichte mit Balthasar war über einige Jahre<br />
sehr dramatisch. Aber ich liebe das Drama und die<br />
Schwierigkeiten. Das Unmögliche.<br />
ackermann: Hat es dich weitergebracht?<br />
streng, elegant, vage asiatisch: die sommerkollektion von haider ackermann
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KLOSSOWSKA DE ROLA: Ja. Du suchst doch auch<br />
immer die Herausforderung. Man muss sie nutzen. Es<br />
ist wie mit dem iPhone, du kannst sein Sklave sein<br />
oder es nutzen.<br />
ACKERMANN: Ich war sehr überrascht, als ich<br />
erfuhr, dass gerade du ein Smartphone hast.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Ich finde das Internet<br />
fantastisch.<br />
ACKERMANN: Ich bin ein wenig jünger als du<br />
und finde es schrecklich! Ich nutze weder Facebook<br />
noch Twitter.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Oh, ich auch nicht.<br />
Natürlich nicht.<br />
ACKERMANN: Es ist doch recht schwer, nicht<br />
zum Sklaven der Erreichbarkeit zu werden. Du willst<br />
immer in Verbindung sein, aber es gibt kein Limit. Es<br />
ist sehr gefährlich. Am Wochenende lege ich mein<br />
mobiles Telefon beiseite.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Sehr gut. Ich kenne deine<br />
Handynummer eh nicht.<br />
ACKERMANN: Ich deine auch nicht! (lacht) Aber<br />
du versuchst es besser nicht, ich könnte ja nicht abnehmen.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Dein Job in der Mode<br />
ist inmitten von Telefonen und Computern. Ich bin<br />
schnell in der Natur. Wie machst du das denn?<br />
ACKERMANN: Ich würde so gerne flüchten und<br />
habe schon gesagt, dass ich in die Schweiz komme …<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Das solltest du.<br />
ACKERMANN: Ich weiß. Aber das Abschalten<br />
kann auch furchteinflößend sein. Und die Leute brauchen<br />
mich ja auch ständig.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Wie gehst du mit diesem<br />
Stress um?<br />
ACKERMANN: Ich bin sehr verschlossen. Ich<br />
lade keine Leute zu mir nach Hause ein, es gibt nur<br />
etwa fünf Menschen, die mich besuchen kommen. Ich<br />
brauche diese Intimität. Meine besten Freunde wissen,<br />
dass sie, wenn sie mich in Begleitung besuchen,<br />
keinen Eintritt erhalten werden. Ich erlaube keine<br />
Fremden bei mir. Ich habe eine enge Beziehung zu<br />
meiner Familie und Freunden. Du hast meine Familie<br />
kennengelernt, meine wunderbare Mutter.<br />
“<br />
Ich habe lange<br />
Zeit Farben gefürchtet.<br />
Ich bin eher eine<br />
Person, die im Schatten<br />
steht. Wenn man<br />
Farben benutzt, werden<br />
die Menschen auf dich<br />
aufmerksam. Davor<br />
hatte ich Angst<br />
”<br />
– Haider Ackermann<br />
48<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Ja. Du hattest als Kind<br />
die Möglichkeit, viele Länder zu sehen, und das spiegelt<br />
sich auch in deiner Arbeit wider.<br />
ACKERMANN: Das ist alles in mir, ja. Meine nomadische<br />
Vergangenheit. Ich habe immer das Gefühl,<br />
dass ich mein Leben mit mir trage. Mein Zuhause ist<br />
sehr leer, da gibt es nur eine große Couch. Damit ich<br />
schnell umziehen kann.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Du bist wie Wind.<br />
ACKERMANN: Ja, vielleicht.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: In meinem Fall ist es<br />
etwas anders, weil dieses Haus so sehr mit meinem<br />
Mann in Verbindung steht, und es braucht viel <strong>En</strong>ergie,<br />
um es am Leben zu erhalten.<br />
ACKERMANN: Aber hast du nicht manchmal den<br />
Wunsch, in etwas ganz und gar Neues zu flüchten?<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Vielleicht bringst du<br />
mich gerade auf eine Idee … (lacht)<br />
ACKERMANN: Du magst doch Abenteuer. Wann<br />
kommst du mal wieder nach Paris?<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Ich weiß es noch nicht.<br />
Im Juni vielleicht. Ich muss an meinem neuen Buch<br />
arbeiten, darauf sollte ich mich konzentrieren. Aber<br />
wann kommst du? Du könntest allein spazieren gehen,<br />
wenn du magst.<br />
ACKERMANN: Ich könnte auch mit dir gehen.<br />
KLOSSOWSKA DE ROLA: Du kannst auch deinen<br />
Freund mitbringen. Ein kleines Abenteuer.<br />
Hair ADRIAN CLARK/THE WALL GROUP<br />
Make-up CHRIS COLBECK/ART DEPARTMENT<br />
Models ZHENYA, ANNABELLE, MILANA,<br />
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Fotos<br />
GreGory harris<br />
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sarah eLLison<br />
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Der schwarze anzug,<br />
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manicure jackie saulsbery for estée lauDer/kramer + kramer<br />
models gieDre kiaulenaite/women<br />
casting eDwarD kim/the eDit Desk<br />
special thanks fast ashleys anD nicholas Des jarDins
people<br />
A.p.c.<br />
people/Jean Touitou<br />
Monsieur<br />
Der höfliche Mann mit den traurigen<br />
Augen ist auch auf den zweiten Blick<br />
nicht als das zu erkennen, was er ist:<br />
ein umtriebiger Hansdampf, dessen<br />
Haupt beschäftigung die Leitung des<br />
französischen Labels A.P.C. ist.<br />
Im Gespräch gibt Jean TouiTou<br />
sich alle Mühe, sein Licht unter den Scheffel<br />
zu stellen. Wir holen es wieder hervor<br />
JulIa roItfelD, 1995<br />
foto marIanne CHemetov<br />
von<br />
HeIke Blümner<br />
Porträt<br />
JulIAn BroAD<br />
lou DoIllon, 2005<br />
foto PIerre BaIlly<br />
JamIe HInCe, valentIne fIllol-CorDIer, 2006<br />
foto terry rICHarDSon<br />
IntervIew: Monsieur Touitou, Sie sind als Mann<br />
der tausend Interessen, Nebenbeschäftigungen und<br />
Hobbys bekannt. Welche sind das zurzeit?<br />
Jean touItou: Ich fühle mich eher wie ein normal<br />
aufgeschlossener Mensch. In der Modewelt sind<br />
alle sehr selbstbezogen. Sie interessieren sich höchstens<br />
für ihre Show und dafür, was irgendein Redakteur<br />
über ihre Sachen sagt. Das langweilt mich. Im Prinzip<br />
bin ich einfach nur ein Mann, der weiß, dass es Bücher<br />
gibt und dass man auch ins Kino gehen kann.<br />
IntervIew: Das klingt bescheiden für jemanden,<br />
der nebenbei eine Vorschule gegründet hat.<br />
touItou: Eine Vorschule für Anderthalb- bis<br />
Fünfjährige in Paris. Sie liegt direkt neben unserer<br />
Firmenzentrale.<br />
IntervIew: Was ist an der A.P.C.-Kita anders?<br />
touItou: Es heißt ja immer, dass in Frankreich<br />
alles so gut läuft, was die Kinderbetreuung angeht,<br />
aber das ist eine Illusion. Ja, es gibt viele Einrichtungen,<br />
und die sind auch noch umsonst. Aber wenn man<br />
genauer hinschaut, ist das, was da abläuft, eine Farce.<br />
Zum Beispiel legt die Kindergartenleitung den Eltern<br />
eine Art Sollplan vor, bis wann ihr Kind trocken sein<br />
muss, um in die Kita aufgenommen zu werden. Da<br />
will ich gar nicht weiter drüber nachdenken, wie die<br />
Eltern das umsetzen. Bei uns gibt es jedenfalls einen<br />
riesigen Schrank mit sehr, sehr vielen Windeln.<br />
IntervIew: Wie schön …<br />
touItou: Aber mal im Ernst: Ich mache gerne<br />
Mode und Jeans, aber ich möchte auch einen kleinen<br />
kulturellen Abdruck hinterlassen, und deshalb habe<br />
ich eine Vorschule gegründet. Ich wünsche mir, dass<br />
Kinder bei uns lernen, dass Lernen Spaß macht. Vielleicht<br />
lässt sich ja ein Mitarbeiter der französischen<br />
Regierung von diesem Konzept inspirieren. Leider<br />
sind die Zeiten so, dass die Menschen sich nicht mehr<br />
fürs Lernen interessieren, und das ist deprimierend.<br />
IntervIew: Das klingt sehr pessimistisch.<br />
touItou: Aber so ist es doch. Wer liest denn noch<br />
Literatur?<br />
IntervIew: Der Buchmarkt ist jedenfalls noch<br />
nicht verschwunden, wie es uns seit Erfindung des<br />
Internets prophezeit wird. Eher laufen die verschiedenen<br />
Medien erfolgreich parallel nebeneinander her.<br />
touItou: Ich kenne 20jährige HipHopFans, die<br />
noch nicht mal wissen, wer Grandmaster Flash war.<br />
Mir ist die heutige Kultur zu gegenwartsbezogen. Die<br />
Leute beschäftigen sich nicht mit ihren Wurzeln.<br />
IntervIew: Haben Sie selber auch Kinder?<br />
touItou: Ja, drei. Sie sind 23, 19 und 8 Jahre alt.<br />
IntervIew: Da sind die älteren ja im besten A.P.C.<br />
Alter. Sind sie in irgendeiner Weise in das Unternehmen<br />
eingebunden?<br />
touItou: Nein, gar nicht. Meine älteste Tochter<br />
studiert Film in Brüssel und mein Sohn arbeitet in einem<br />
Restaurant in London. Ich möchte auf sie keinen<br />
Druck ausüben. Schließlich könnte A.P.C. theoretisch<br />
jeden Tag verschwinden.<br />
IntervIew: Danach sieht es allerdings gerade<br />
nicht aus.<br />
touItou: Das stimmt, aber man weiß auch nicht,<br />
ob man morgen vom Auto überfahren wird.<br />
IntervIew: Auch wenn Sie das Modegeschäft als<br />
vergleichsweise niedrigrangige Kunstform ansehen, erfordert<br />
es doch viel lebendiges Interesse, um ein Label<br />
erfolgreich am Laufen zu halten. Woher nehmen Sie<br />
nach so vielen Jahren Ihre <strong>En</strong>ergie und Inspiration?<br />
touItou: Die einfache Art zu antworten, wäre zu<br />
sagen, dass ich demütig bin. Aber das klingt auch so<br />
nach blödem Poser. Ich halte mich einfach an die Vorstellung,<br />
dass man immer wieder offen dafür sein muss<br />
zu sterben, um dann wieder neu geboren zu werden.<br />
Man darf sich nicht zu sehr an eine Idee klammern. In<br />
unserem Fall zum Beispiel an die Idee von hipper<br />
Streetwear, was wir vielleicht vor 20 Jahren mal gemacht<br />
haben. Man muss mit einem Label auch erwachsen<br />
werden. Ganz konkret ziehe ich meine <strong>En</strong>ergie aus<br />
den jungen Leuten, die mich umgeben, und meinen<br />
intellektuellen Interessen, vor allem dem Lesen.<br />
IntervIew: Ist klassisch das neue Hip?<br />
touItou: Es kommt darauf an, wie man „klassisch“<br />
definiert. Ich mochte etwa die Arbeit von Nicolas<br />
Ghesquière für Balenciaga sehr. Aber ist das klassisch?<br />
Nicht wirklich. Es ist total angesagt. Trotzdem<br />
weiß ich, dass in dieser Art von Arbeit viel Forschergeist<br />
steckt. Aber immer dieses Gerede von Hipness.<br />
Ich mag es nicht. Hipness ist mein Feind. Die Leute<br />
haben nichts im Kopf, aber denken, dass sie hip sind.<br />
IntervIew: Bei Mode geht es aber immer auch<br />
um sichtbare Zeichen. Woran erkennt man, dass jemand<br />
A.P.C. trägt?<br />
touItou: Seit ein paar Jahren sind wir femininer<br />
“<br />
Die Sexualität<br />
darf nicht zu offensiv<br />
zur Schau gestellt<br />
werden. Aber sie muss<br />
natürlich da sein.<br />
Alles andere wäre<br />
der Tod<br />
”– Jean Touitou<br />
geworden, und das macht uns erkennbarer. Es ist<br />
meine Vision von Weiblichkeit.<br />
IntervIew: Und die wäre?<br />
touItou: Ganz einfach: Die Sexualität darf nicht<br />
zu offensiv zur Schau gestellt werden. Das muss sehr,<br />
sehr subtil gemacht werden. Aber sie muss natürlich<br />
da sein. Alles andere wäre der Tod.<br />
IntervIew: Mit diesem Konzept gehen Sie auf<br />
Expansionskurs. Ihr erfolgreichster Markt ist Japan.<br />
touItou: Ja, dort haben wir 20 Geschäfte. Es ist<br />
eine große Erfolgsgeschichte. Gleichzeitig habe ich<br />
dort aber auch indirekt viele kleine Monster in die<br />
Welt gesetzt, denn wir werden in Japan viel kopiert<br />
und zwar auf eine Art und Weise, dass ich manchmal<br />
denke, dass sie in den 80erJahren hängen geblieben<br />
sind. Die Japaner haben ein Problem, Mode zu verstehen.<br />
Der modebewusste Japaner erfindet für sich eine<br />
Persönlichkeit, und dann zieht er das ohne Brüche<br />
und auf Teufel komm raus durch. Es sind uniforme<br />
Stilprototypen: die Armani<strong>Frau</strong> oder der HipHopper.<br />
Das ist es dann, und zwar von Kopf bis Fuß. Es<br />
wird auf kultureller Ebene nichts gemixt.<br />
IntervIew: Jetzt haben Sie in Berlin Ihren zweiten<br />
Laden eröffnet. Warum?<br />
touItou: Berlin ist das Los Angeles Europas.<br />
IntervIew: Ist das so?<br />
touItou: Ja, hier pumpt die <strong>En</strong>ergie. Die <strong>En</strong>ergie<br />
der Jugend. Das gibt es nicht in Paris. Das Problem in<br />
Frankreich ist nicht so sehr, dass die alten, reichen Typen<br />
abhauen, sondern dass die jungen, kreativen, armen<br />
Typen abhauen, weil es für sie nichts zu tun gibt.<br />
IntervIew: Nun sind die Deutschen aber nicht<br />
unbedingt für ihren elaborierten Stil berühmt.<br />
touItou: Ich habe großen Respekt vor Deutschland.<br />
Es ist ein echtes Land. Frankreich ist das nicht.<br />
IntervIew: Das ist mir neu.<br />
touItou: 25 Prozent aller Beschäftigten in Frankreich<br />
sind Staatsbedienstete mit lebenslangen Jobs,<br />
und das sind dann sehr konservative Menschen. Man<br />
kann deshalb in Frankreich nichts verändern. Und<br />
viele Leute, gerade auch die mit hohen Gehältern, die<br />
sich zwischendurch drei Jahre arbeitslos melden können,<br />
saugen das System einfach aus.<br />
IntervIew: Sie haben tunesische Wurzeln. Könnten<br />
Sie sich jetzt, im Zuge des Arabischen Frühlings,<br />
vorstellen, mit A.P.C. auch nach Tunesien oder Nordafrika<br />
zu expandieren?<br />
touItou: Ich wurde in Tunesien geboren. Ich bin<br />
Atheist, aber meine Familie musste aufgrund ihres<br />
jüdischen Hintergrunds das Land verlassen. Konflikte<br />
zwischen Juden und Moslems gab es lange vor der<br />
Gründung Israels. Aber zu Ihrer Frage: Nein, A.P.C.<br />
kann ich dort nicht verkaufen. Das liegt aber nicht am<br />
Islam. Je südlicher man kommt, desto weniger haben<br />
es die Leute mit Minimalismus. Ich könnte auch nie<br />
einen Laden auf Sizilien eröffnen. Die Leute dort finden<br />
meinen Look absurd, denn es glitzert ja nichts.<br />
Ich bin darüber sehr traurig, denn ich liebe Süditalien<br />
und verbringe immer meine Ferien dort.<br />
IntervIew: Wie oft variieren Sie die Kollektionen?<br />
Ich könnte mir vorstellen, dass Sie nicht so sehr<br />
unter Druck stehen wie typische PrêtàporterDesigner,<br />
schließlich wiederholen sich bei A.P.C. viele<br />
Schnitte.<br />
touItou: Ja, es gibt weniger Druck, auch weil wir<br />
nicht diese großen Shows machen mit dem ganzen<br />
FrontRowQuatsch. Dennoch, die Natur hat vier<br />
Jahreszeiten, und die Modebranche hat noch zwei<br />
dazu erfunden. Deshalb müssen wir jedes Jahr sechsmal<br />
den kreativen Prozess durchlaufen, und das reicht<br />
mir an Druck. Ich versuche dagegenzuhalten, indem<br />
ich den Profit, den das Unternehmen abwirft, vor allem<br />
in zusätzliche Arbeitskräfte stecke, um den Druck<br />
auf alle möglichst erträglich zu halten.<br />
IntervIew: Und wie behauptet man sich auf Dauer<br />
zwischen der Spanne American Apparel bis Acne<br />
Jeans, mit denen A.P.C. ja sicher eine gewisse Schnittmenge<br />
von Kunden hat?<br />
touItou: Das sehe ich ganz anders. Acne Jeans ist<br />
nur eine JeansMarke, die versucht, Fashion zu sein.<br />
Das führt aber meiner Meinung nach nirgendwohin.<br />
Viel Lärm, aber ich sehe da keine Fashion.<br />
IntervIew: Wo sehen Sie die Fashion bei A.P.C.?<br />
touItou: Ich bin kein Moderedakteur, aber ich<br />
denke, wir machen eine Art von komplexem Minimalismus,<br />
den sonst niemand hinkriegt. Deshalb muss<br />
ich auch noch mal ganz klar sagen, dass wir mit American<br />
Apparel nichts gemeinsam haben. Was American<br />
Apparel macht, könnte ich im Schlaf. Es sieht<br />
vielleicht nicht so aus, aber es erfordert sehr viel<br />
Arbeit, um nach wenig Arbeit auszusehen. Und es ist<br />
sehr einfach, die Dinge zu überfrachten.<br />
Ja, muSIk GIBt eS BeI a.P. C. manCHmal auCH<br />
53
fashion<br />
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mit EinEr t<strong>En</strong>d<strong>En</strong>z zur unruhig<strong>En</strong> krausE. Für W<strong>En</strong>igEr Frizz, daFür mEhr dEFinition<br />
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aber oHne platte anSätze!<br />
deSHalb: „full repair anSatz-fülle<br />
ScHaum” alS lifting für iHren<br />
HaaranSatz. Von joHn frieda
Beauty<br />
Mehr<br />
Glanz<br />
EinE glattE ObErflächE lässt licht bEssEr rEflEktiEr<strong>En</strong> – dEshalb gilt Es, bEi maximalEm VOlum<strong>En</strong><br />
diE schupp<strong>En</strong>schicht EinEs jEd<strong>En</strong> haarEs zu glätt<strong>En</strong>. „fOrmE fatalE” ist Ein alkOhOlfrEiEs und<br />
dEshalb bEsOndErs schOn<strong>En</strong>dEs blOw-dry-gEl,das diE ansätzE liftEd und dEm haar mit zusätzlich<strong>En</strong><br />
gOld<strong>En</strong><strong>En</strong> mikrOpartikEln Ein<strong>En</strong> ultraglanz VErlEiht. VOn kérastasE, ab mai Erhältlich<br />
60<br />
fotos markus pritzi/shOtViEw<br />
styling isabEllE thiry/bigOudi<br />
haare & make-up stElli/uschi rabE<br />
mit prOdukt<strong>En</strong> VOn tOm fOrd<br />
model nimuE smit/sEEds<br />
foto-assistenz b<strong>En</strong>Edict frank,<br />
max stürmEr<br />
styling-assistenz jOsEpha rOdriguEz<br />
retusche bird-imaging<br />
casting jacOb mOhr für<br />
artfOrmgrOup.cOm<br />
kleid célinE<br />
Natürlich<br />
schöner<br />
Foto mIchaEL mann<br />
Beauty<br />
VIEL wIrkung, w<strong>En</strong>Ig gEsInnung,<br />
typIsch dEutsch: naturkosmEtIk<br />
essence GrAnATAPFeLöL<br />
Reichhaltige Öle pflegen den Körper, der Granatapfelextrakt<br />
hat eine festigende Wirkung.<br />
Von SUSANNE KAUFMANN, um 39 Euro.<br />
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Ohne Formaldehyd, Aceton und Alkohol –<br />
85 % natürliche Inhaltsstoffe. Von KURE<br />
BAZAAR, um 17 Euro über www.allforeves.com<br />
CARROT BUTTER CLEANSER<br />
Ein Klassiker, der oft ausgezeichnet wurde.<br />
Er entfernt gründlich jegliches Make-up. Von<br />
THE ORGANIC PHARMACY, um 50 Euro.<br />
SAPHIR CONCENTRATE FACE OIL<br />
Mit ätherischen Ölen und pulverisierten Edelsteinen,<br />
die beruhigen, klären und ausgleichen.<br />
Von SJAL SKINCARE, um 170 Euro.<br />
GINGER CIAO 2.27<br />
Charismatisch, waghalsig und funkelnd –<br />
ein Duft mit Lilie, Ingwer und Basilikum.<br />
Von YOSH HAN, um 120 Euro über<br />
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MACADAMIA & ROSE DRY SKIN CREAM<br />
Eine reichhaltige Gesichtspflege mit<br />
e s s e n z iel le n Fet t s äu r e n u nd wer t vol le n Öle n .<br />
Von PAI SKINCARE, um 34 Euro.<br />
61<br />
Eine kolumne von BEttIna Br<strong>En</strong>n<br />
Dass Deutschland das Land der Naturkosmetik ist –<br />
ein alter Hut. Marken wie Dr. Hauschka und Weleda<br />
haben ihre Wurzeln nicht nur im Schwäbischen,<br />
sondern auch in der Anthroposophie, was für viele<br />
immer noch den schalen Beigeschmack von mit Henna gefärbten<br />
Haaren, Birkenstock-Sandalen und Wollsocken hat. Und nein,<br />
ich werde hier auch nicht von einem neuen, coolen Hipster-<br />
Look schreiben: Nach wie vor gibt es die nachhaltige Fangemeinde,<br />
die ihren Namen tanzen kann, und das ist ja auch okay<br />
so. Aber spätestens seit Hollywood „the organic brands from<br />
Germany“ entdeckt hat, gilt alles aus den heimischen Kräutergärten<br />
auch bei uns als très chic. Nicht nur, dass in Amerika die<br />
Produkte zu für uns unfassbaren Preisen verkauft werden, nein,<br />
dort stehen die Tiegel in kultigen Konzeptstores statt in klassischen<br />
Bioläden. Und: Auch Männer wagen sich an die Produkte,<br />
ganz egal ob Brad Pitt oder Wotan Wilke Möhring – beide sollen<br />
eingeschworene Dr.-Hauschka-Fans sein.<br />
Mein Faible für natürliche Pflege begann bereits zu Teenagerzeiten.<br />
Wahrscheinlich war es das Gesichtstonikum „Spezial“<br />
von Dr. Hauschka, das mich restlos überzeugte – ein Gesichtswasser<br />
mit Kräuteressenzen, das meine damals noch ölige Haut in<br />
Einklang bringen sollte. (Heute ist es zum Beispiel der neue<br />
Duschbalsam „Lavendel Sandelholz“.) Dabei galt stets: Ich empfand<br />
als angenehm, was für viele oft „zu gesund“ roch. Aber auch<br />
die Traditionshäuser haben sich dem Lauf der Zeit und den Kundenwünschen<br />
angepasst. Nicht nur Weleda hat eine eigene Parfümeurin,<br />
die den manchmal etwas strengen, wenn auch wirkungsvollen<br />
Duft der Natur mit einem ebenso natürlichen Odeur<br />
zu kaschieren versucht. Deshalb duftet die Granatapfelserie auch<br />
nach einem Mix aus sinnlichem Sandelholz und Davana – einem<br />
fruchtigen ätherischen Öl, das eine entspannende Wirkung hat –<br />
und nicht nur nach der roten Frucht, die auf der Verpackung zu<br />
sehen ist. Und ich muss zugeben: Die Handcreme habe ich vor<br />
allem, weil sie eben so lecker riecht.<br />
Aber nicht nur der deutsche Süden steht für Naturprodukte,<br />
auch andere Länder haben großartige Marken mit einem häufig<br />
nicht ganz so bodenständigen Äußeren. Aus Österreich kommen<br />
die cleanen Produkte von Susanne Kaufmann – ihr wurde die<br />
Liebe zu heimischen Kräutern und deren Wirkung von der<br />
Großmutter in die Wiege gelegt. The Organic Pharmacy dagegen<br />
stammt aus UK und wurde von der Apothekerin und Homöopathin<br />
Margo Marrone entwickelt, als diese in ihrer Schwangerschaft<br />
auf der Suche nach einer optimalen, natürlichen Pflege<br />
war, die auch zu ihren Designansprüchen passt. Oder kennen Sie<br />
die Düfte der Amerikanerin Yosh Han? Sie sieht jedes Dufterlebnis<br />
als eine physio- und psychologische Reise und nennt diesen<br />
Prozess Trans-Aromation. Klar, dass sie dabei nur natürliche Essenzen<br />
verwendet. Ebenso wie die kleine französische Marke<br />
Absolution mit ihren illustrierten Verpackungen. Die Serie wurde<br />
sogar 2010 mit dem Wallpaper Design Award ausgezeichnet.<br />
Das ist nur ein kleiner Auszug der wachsenden Liste von Organic<br />
Brands und der nachhaltigen Beautygemeinde. Und ja:<br />
Auch ich stöbere im Ausland und liebe seit Langem das „Antioxidant<br />
Face Firming Serum“ und den „Carrot Butter Cleanser“ von<br />
The Organic Pharmacy. Die „Nährstoffcreme“ und das „Johanniskrautbad“<br />
von Susanne Kaufmann, die Kerzen von Neom und<br />
das Nagelöl von Cowshed. Als Fan von Gesichtsölen freue ich<br />
mich gerade auf das „Desert Rose Face Oil“ von Bodhi, das zwar<br />
leider erst nach Redaktionsschluss auf meinem Tisch landen wird.<br />
Aber Sie können sicher sein: Ich werde darüber berichten.<br />
Da man kleine Marken nicht überall bekommt,<br />
folgen hier die besten Natural Beauty Stores im Netz:<br />
- www.allforeves.com – Alles vom veganen Nagellack bis<br />
zum organischen Haarstyling-Produkt<br />
- www.greenglam.de – Unzählige kleine und große Marken<br />
- www.aliqua-naturkosmetik.de<br />
- www.pureshopskincare.com – Hier findet man<br />
Sukí Skin Care, eine neue, kultige Marke aus den USA
1BEAUTY<br />
Auch dieses Jahr<br />
wird der DEUTSCHE<br />
PARFUMPREIS<br />
wieder in der<br />
Hauptstadt verliehen. Umso<br />
schöner, dass das kultige<br />
Berliner Traditionslabel<br />
J. F. Schwarzlose mit gleich<br />
zwei Düften nominiert ist.<br />
Wir gratulieren!<br />
Berliner Duftstars<br />
„TRANCE”<br />
UM 120 EURO,<br />
„TREFFPUNKT 8 UHR”<br />
UM 125 EURO<br />
DIE „SOLEIL DE LA MER”-KOLLEKTION,<br />
PRODUKTE AB 75 EURO<br />
BEAUTY<br />
3Männerdüfte<br />
Das holländische Kreativduo Viktor & Rolf zündet seine „Spicebomb“ mit Chili, Leder,<br />
Vetiver und rosa Pfeffer, ab 60 Euro. Dagegen verführt das italienische Modelabel<br />
Gucci mit „Gucci Guilty Black pour Homme“ mit Koriander, Lavendel und Patschuli, ab<br />
53 Euro. Frische und Klarheit verbindet man nicht nur mit der Männermode von Dior,<br />
sondern jetzt auch mit „Dior Homme Cologne“. Hier verbinden sich Bergamotte,<br />
Pampel musenblüten und weißer Moschus zu einem sehr eleganten Duft. Ab 67 Euro.<br />
Die Designikone Giorgio Armani schuf mit „Armani Eau de Nuit“ einen Gegenspieler<br />
zu „Armani Pour Homme“. Ein Duft mit Kardamom, Muskatnuss und einem sanften<br />
Irisakkord. Ab 59 Euro.<br />
VERY FRENCH<br />
Lanvin lanciert mit<br />
Lancôme eine<br />
Make-up-Kollektion.<br />
Ab Juni im Handel<br />
HAPPY<br />
BIRTHDAY<br />
„Patchouli & Saffron“ heißt die limitierte Edition<br />
zum 40. Geburtstag des englischen Kultlabels.<br />
Die Kerze verströmt einen exzentrischen 70ies-<br />
2<br />
Glamour. Von Molton Brown, um 50 Euro.<br />
„CLEANSING<br />
Get<br />
clean<br />
Stress, zu wenig Schlaf und Umwelteinflüsse lassen<br />
unsere Haut altern. Deshalb gilt nicht nur in Japan<br />
eine gründliche Reinigung als Nonplusultra.<br />
Kanebos Prinzip der Doppelreinigung wird jetzt<br />
konsequent weitergeführt: mit einem Balm, der zunächst Make-up und<br />
Sebumrückstände entfernt, und einem Schaum, der im Anschluss<br />
gründlich Transpiration und überschüssige Hautpartikel beseitigt.<br />
Estée Lauder setzt dagegen auf ein modernes 2-in-1-System: Der tägliche<br />
Reinigungsschaum wird zur klärenden Maske. Und bei Sisley sorgt<br />
eine vierwöchige Detox-Kur über Nacht für einen frischeren Teint.<br />
AUS DER KONDITOREI<br />
Lemon Tart“, „Elderflower & Gooseberry“, „Redcurrant & Cream“, „Ginger Biscuit“ oder „Bitter<br />
Orange & Chocolate“ – bei der limitierten Duftkollektion „Sugar & Spice“ läuft einem sofort das<br />
Wasser im Mund zusammen! Was klingt wie köstliche Desserts, sind in Wirklichkeit fein nuancierte Parfüms<br />
und dabei mit null Kalorien absolut figurfreundlich! Wie soll man sich da nur entscheiden? Jo Malone, je als<br />
Cologne-Spray, 30 ml um 45 Euro.<br />
62<br />
BALM” UND<br />
„FOAMING<br />
FACIAL WASH”<br />
JE UM 50<br />
EURO. AB MAI<br />
VON KANEBO<br />
„PERFECTLY<br />
CLEAN MULTI-<br />
ACTION FOAM<br />
CLEANSER”<br />
VON ESTÉE<br />
LAUDER, UM<br />
28 EURO, UND<br />
„BOTANICAL<br />
D-TOX”<br />
VON SISLEY,<br />
UM 165 EURO<br />
SONNE & LUXUS<br />
In der neuen Sonnenpflegeserie<br />
von La Mer vereinen<br />
sich die pflegenden<br />
Anti-Aging-<br />
Wirkstoffe der<br />
legendären Miracle<br />
Broth mit einem<br />
Goldalgen-Ferment,<br />
das den Reparaturmechanismus<br />
der<br />
Haut bereits während<br />
des Sonnenbadens<br />
stärken soll.<br />
BEAUTY-TALK<br />
KILIAN HENNESSY<br />
Der Nachfahr der französischen Cognac-Dynastie lebt in New York und kreiert luxuriöse<br />
Duftkonzepte. Wir trafen ihn zum Launch seiner „In the Garden of Good and<br />
Evil“-Kollektion und sprachen mit ihm über sein Faible für ein gepflegtes Äußeres<br />
63<br />
INTERVIEW: Wie beginnen Sie Ihren Tag?<br />
KILIAN HENNESSY: Wenn ich aufwache, fühle ich mich zunächst wie<br />
ein Zombie – dann steige ich in eine heiße Badewanne und werde<br />
wieder ein Mensch. Meine <strong>En</strong>ergie kehrt zurück.<br />
INTERVIEW: Sie baden? Das ist ungewöhnlich für einen Mann.<br />
HENNESSY: Ich nehme mein iPad mit und lese und schreibe<br />
E-Mails. Das kann manchmal dauern (lacht). Ich bade übrigens<br />
sogar zweimal am Tag!<br />
INTERVIEW: Mögen Sie auch Spa-Treatments?<br />
HENNESSY: Oh ja! Ich könnte auf einer Massagebank leben!<br />
INTERVIEW: Benutzen Sie eine spezielle<br />
Pflegeserie?<br />
HENNESSY: Ich habe eine<br />
Feuchtigkeitscreme, die<br />
speziell für meine Haut konzipiert<br />
ist. Meine Dermatologin in Paris nennt sie skin in a tube. Davon habe<br />
ich eine in jeder Tasche, und das war es.<br />
INTERVIEW: Erinnern Sie sich an Ihren ersten Duft?<br />
HENNESSY: Und ob! Es war in Cognac, als mein Cousin und ich entschieden,<br />
dass wir endlich auch ein eigenes Parfüm haben sollten. Ich war 14 Jahre alt,<br />
Mitte der Achtziger, da gab es nicht viel Auswahl. Ich entschied mich für<br />
„Vetiver“ von Guerlain. Ich benutzte es ewig …<br />
INTERVIEW: Und heute?<br />
HENNESSY: Jetzt gerade „In the City of<br />
Sin“, abends, wenn ich ausgehe, „Back to<br />
Black Aphrodisiac“ und tagsüber meinen<br />
Klassiker „A Taste of Heaven“.<br />
INTERVIEW: Welches war der erste Damenduft,<br />
den Sie mochten?<br />
HENNESSY: Mit Sicherheit „Fracas“ von<br />
Robert Piguet an meiner Mutter. Aber<br />
auch alle anderen <strong>Frau</strong>en unserer Familie<br />
trugen diesen Duft. Ich wuchs<br />
in einem Rausch von Tuberose<br />
auf! (lacht)<br />
SUCHTMITTEL<br />
TOM FORDS<br />
NEUE<br />
LIPPENSTIFT-<br />
KOLLEKTION<br />
Als der Texaner 2010 seinen ersten Lippenstift<br />
launchte, hatte er alle zwölf Nuancen an sich selbst<br />
getestet. Er wollte wissen, wie sich die Textur anfühlt<br />
und wie die Wirkung der Farbe ist. Ob er das<br />
bei der „Lip Color Shine Collection“ auch getan<br />
hat, ist nicht bekannt. Aber die zehn neuen Farben,<br />
von Zartrosé bis Fuchsia, sind mindestens genauso<br />
begehrt wie damals Vanilla Suede. Um 45 Euro.<br />
Exklusiv im KaDeWe in Berlin erhältlich.<br />
KILIAN<br />
HENNESSY<br />
UND<br />
SEINE NEUE<br />
DUFTKOL-<br />
LEKTION (L.)
spring<br />
breakers<br />
breakers<br />
Kokain, Killerbabes und Knallerfarben:<br />
Seit der Premiere in Venedig feiern wir den neuen<br />
Film von Harmony Korine. Denn Spring Breakers<br />
wird für die nächsten Jahre zum Bildungskanon<br />
eines jeden rebellionswilligen Jugendlichen gehören.<br />
Und das nicht nur, weil die Disneystars<br />
VANESSA HUDGENS und SElENA GomEz<br />
darin ihre Unschuld verspielen<br />
von<br />
lAURA EWERT<br />
Fotos<br />
micHAEl mUllER<br />
Es ist doch aufmunternd,<br />
junge <strong>Frau</strong>en zu sehen,<br />
die keinen Helden brauchen,<br />
die nicht gerettet werden wollen<br />
und die der Welt zeigen,<br />
wer der Boss ist
Während die Filmkollegin Rachel Korine sich von<br />
einem Magen-Darm-Virus erholt und Ashley Benson<br />
noch mal in der Maske verschwunden ist, weil ihr das<br />
Tages-Make-up für das <strong>Interview</strong> doch nicht passend<br />
erscheint, treffen wir die derzeit größten Teenie-Stars<br />
Selena Gomez und Vanessa Hudgens in einer Berliner<br />
Hotelsuite an einem Februarvormittag in beeindruckenden<br />
Abendkleidern.<br />
IntervIew: Fahren Sie in diesen Roben auch gleich<br />
zum Flughafen?<br />
Selena Gomez: Ja, klar!<br />
vaneSSa HudGenS: Wenn wir landen, geben<br />
wir doch sofort das nächste <strong>Interview</strong>.<br />
IntervIew: Wussten Sie beide eigentlich, worauf<br />
Sie sich bei diesem Dreh einlassen? Disney-Pro duktionen<br />
können Sie jetzt vielleicht vergessen. Statt<br />
Teenie-Stars sind Sie nun die Helden eines provokanten<br />
Indie-Films.<br />
Gomez: Hoffentlich!<br />
HudGenS: Es war eine Möglichkeit zu wachsen.<br />
Wir kannten das Drehbuch, wir ahnten, worauf wir<br />
uns einlassen, aber am <strong>En</strong>de wusste nur Harmony,<br />
was er damit vermitteln will. Und der Film war auch<br />
für mich überraschend.<br />
IntervIew: Selena, Sie haben in einem <strong>Interview</strong><br />
gesagt, Sie würden Ihren jungen Fans eher davon abraten,<br />
Spring Breakers zu sehen.<br />
Gomez: So harsch habe ich mich nicht ausgedrückt,<br />
ich habe sie nur gewarnt. Bei der Premiere in<br />
Toronto waren die ersten vier Reihen mit unseren<br />
Fans besetzt, die hatten Poster von uns dabei und waren<br />
vermutlich so zwischen 17 und 22. Sie haben an<br />
den richtigen Stellen gelacht und waren erschrocken<br />
bei den Szenen, die beängstigend sind. Dennoch denke<br />
ich, der Film ist eher für eine ältere Generation.<br />
Demnächst werde ich aber wieder in der Die Zauberer<br />
vom Waverly Place-Reunion zu sehen sein, ich versuche<br />
also, eine Balance zu finden, so gut ich kann.<br />
IntervIew: Ihre Garderobe jedenfalls ist nicht<br />
unbedingt jugendfrei, wie war es, am Set die ganze<br />
Zeit im Bikini herumzulaufen?<br />
Gomez: Man gewöhnt sich daran. Alle dort tragen<br />
doch Bikini – oder noch weniger … Und wir waren<br />
am Strand, passt doch.<br />
IntervIew: Die Bikinis tragen Sie aber auch im<br />
Gerichtssaal.<br />
HudGenS: Na ja, wir wurden festgenommen, da<br />
hatten wir eben keine Zeit, uns noch ein T-Shirt zu<br />
kaufen.<br />
IntervIew: Sie waren außerdem ziemlich high …<br />
Glauben Sie eigentlich auch, dass die pinken Sturmhauben,<br />
die die Spring-Break-Bitches bei ihren bewaffneten<br />
Überfällen tragen, in Zukunft der neue<br />
Verkaufsschlager an den Partystränden sein werden?<br />
Gomez: Ich weiß nicht.<br />
HudGenS: Hoffentlich nicht, denn darunter ist es<br />
wirklich ganz schön heiß.<br />
IntervIew: Sie sind jedenfalls das perfekte Merchandising-Produkt.<br />
Gomez: Versuchen Sie gerade, unseren Film zu<br />
vermarkten? Das gefällt mir!<br />
IntervIew: Neben Skimasken gibt es beängstigend<br />
viel nackte Haut, Brüste und wackelnde Hintern<br />
in Nahaufnahme zu sehen. Glauben Sie, der Regisseur<br />
will uns damit Angst vor dem jugendlichen Körper<br />
machen?<br />
HudGenS: Ach, Harmony will doch nur schocken.<br />
Gomez: Aber er hat den Leuten nicht gesagt,<br />
sich so darzustellen! Wir waren beim Spring-Break,<br />
und er zeigt nur, was da abgeht.<br />
“<br />
Britney Spears’<br />
Weg geht niemand<br />
anderen etwas an.<br />
Sie ist ein ganz<br />
normaler Mensch,<br />
genauso wie wir<br />
”<br />
– Selena Gomez<br />
IntervIew: Tragen die jungen Leute in den Ferien<br />
wirklich Schweinehälften auf dem Kopf?<br />
Gomez: (lacht) Sagen wir es so, man ist jung,<br />
man macht Party und hat eben eine gute Zeit.<br />
IntervIew: Miss Hudgens, ist Ihre Rolle eigentlich<br />
ein Beispiel für eine neue Generation selbstbewusster<br />
und selbstbestimmter junger <strong>Frau</strong>en?<br />
HudGenS: Ich weiß nicht, ob dieser Typ neu ist,<br />
es gab immer starke <strong>Frau</strong>en. Aber es ist selten, dass<br />
Filme von solchen Mädchen handeln.<br />
IntervIew: In Spring Breakers zwingen Sie den<br />
Dealer Alien (James Franco) zu Fellatio mit Maschinenpistolen.<br />
Sie haben in einem <strong>Interview</strong> auch noch<br />
mal sicherheitshalber darauf hingewiesen, dass Sie<br />
nicht seine Bitches sind, sondern es sich ganz und gar<br />
andersrum verhält.<br />
HudGenS: Es ist doch aufmunternd, junge <strong>Frau</strong>en<br />
zu sehen, die keinen Helden brauchen, die nicht<br />
gerettet werden wollen und die der Welt zeigen, wer<br />
der Boss ist.<br />
IntervIew: Das machen die Protagonistinnen<br />
ganz unmissverständlich klar, ja.<br />
Gomez: (kichert)<br />
IntervIew: Die Girls in Spring Breakers wollen<br />
ausbrechen, zu sich selbst finden, freidrehen. Sie beide<br />
haben dagegen in Ihrer Jugend Filme gedreht, Platten<br />
aufgenommen und sind auf Tour gegangen. Hatten<br />
Sie überhaupt Zeit, sich mit derlei zu befassen?<br />
HudGenS: Ich denke, dass ich mich mit jedem<br />
meiner Projekte ein Stückchen mehr gefunden habe.<br />
Ich habe mich in ungewöhnlichen Situationen wiedergefunden,<br />
daran wächst man. Und es ist nicht so,<br />
dass unser Leben irgendwie eingeschränkt ist.<br />
IntervIew: Aber würden Sie sagen, dass Sie sich<br />
selbst gefunden haben?<br />
HudGenS: Ich würde sagen, dass man sich immer<br />
weiter entwickelt. Man versucht doch so lange herauszufinden,<br />
wer man ist, bis man stirbt. Ich fühle<br />
mich sehr gut mit dem Leben, das ich mir geschaffen<br />
habe. Ich bin stolz darauf, wer ich bin.<br />
Gomez: Das hast du toll gesagt!<br />
HudGenS: Danke dir.<br />
IntervIew: Ist die Jugend nicht eigentlich die<br />
furchtbarste Zeit im Leben eines Menschen?<br />
Gomez: Man sollte nichts bereuen, all unsere<br />
Erfahrungen machen uns zu dem, was wir sind.<br />
IntervIew: Lassen Sie uns über Britney Spears<br />
sprechen, ihre Musik spielt eine große Rolle in dem<br />
Film. Was bedeutet Ihnen Britney?<br />
Gomez: Hm, was bedeutet Britney Spears für<br />
mich … Die erste CD, die ich gekauft habe, war von<br />
ihr – … Baby One More Time. Ich war elf Jahre alt. Und<br />
ihres war das erste Konzert, auf dem ich jemals war.<br />
Sie ist ein Stück Popkultur. Sie ist die Popprinzessin.<br />
IntervIew: War sie jemals ein Vorbild für Sie<br />
beide?<br />
HudGenS: Ich wollte so sein wie Britney.<br />
Gomez: Ja, ich glaube, alle Mädchen wollten so<br />
sein wie Britney und haben ihre Songs gesungen,<br />
wenn sie vor dem Spiegel getanzt haben. Sie ist so ein<br />
großer Teil des Lebens eines jeden Mädchens, das ist<br />
doch großartig. Wie oft gibt es so etwas?<br />
HudGenS: Jeder kennt sie.<br />
Gomez: Jeder! Dass Harmony ihre Musik ausgewählt<br />
hat, ist auch ein Beweis dafür, dass er Filme in<br />
erster Linie für sich selbst dreht. Er liebt Britney, seine<br />
Figuren lieben Britney, und dafür würde er sich<br />
nicht rechtfertigen. Er bezieht sich auf Popkultur. Ich<br />
denke, das ist auch ein Grund, warum er uns beide<br />
gecastet hat, er sieht uns als Teil einer Generation, genauso<br />
wie Britney oder Skrillex.<br />
IntervIew: Britney hat auch eine dunkle Seite:<br />
ihre Abstürze, ihr Drama. Vermutlich ein Grund, warum<br />
nicht nur kleine Mädchen, sondern auch Filmemacher<br />
wie Harmony Korine Interesse an ihrer Person<br />
haben. Ist ihr Schicksal eine Mahnung für Sie?<br />
Gomez: Nein, jeder geht seinen Weg. Und Britneys<br />
Weg geht niemand anderen etwas an. Sie ist ein<br />
ganz normaler Mensch, genauso wie wir.<br />
HudGenS: Ganz genau.<br />
Gomez: Ich werde sie immer unterstützen. Und<br />
natürlich mit ihr auf Tour gehen …<br />
HudGenS: (lacht)<br />
Gomez: Nein, ernsthaft. Ihr Leben geht uns<br />
doch wirklich nichts an. Aber natürlich wollen wir immer<br />
nur das Beste für Menschen, die wir lieben und<br />
zu denen wir aufschauen.<br />
HudGenS: Jeder hat doch seine Dämonen, gegen<br />
die er kämpfen muss. Ganz egal, wer man ist.<br />
IntervIew: Sie sagten es schon, Skrillex hat ebenfalls<br />
Musik beigesteuert, ich muss Ihnen leider sagen,<br />
er ist nicht sonderlich beliebt in Deutschland …<br />
HudGenS: Ist er nicht? Wieso?<br />
Gomez: Berlin ist doch die Partyhauptstadt!<br />
HudGenS: Ja!<br />
IntervIew: Na ja, Techno hat hier eine etwas längere<br />
Tradition.<br />
Gomez: Sie meinen dieses „Umtz-Umtz-Umtz“?<br />
IntervIew: Ja, richtig. Können Sie uns erklären,<br />
warum wir Skrillex hören müssen?<br />
HudGenS: Er ist toll, superkreativ, und seine Musik<br />
ist berauschend. Er bringt dich in eine Art Trancezustand.<br />
Es macht Spaß, zu ihm zu tanzen.<br />
Gomez: Man kann sich verlieren.<br />
HudGenS: Am besten ist er live. Da kann man die<br />
<strong>En</strong>ergie aller Leute spüren.<br />
Gomez: Ich liebe Skrill!<br />
HudGenS: Ich wollte zu einem Konzert gehen,<br />
aber er ist ausverkauft bis 2014.<br />
Gomez: Was?<br />
HudGenS: Ja, das kommende Jahr ist da nichts<br />
mehr zu machen.<br />
IntervIewS: Und können Sie mir erklären, warum<br />
Neonfarben dieser Tage bei jungen Menschen so<br />
beliebt sind?<br />
Gomez: Sie wollen Spaß haben! Na ja, vielleicht<br />
bin ich nicht unbedingt die Richtige, um diese Frage<br />
zu beantworten.<br />
HudGenS: Neon macht Spaß, es ist eine Art aufzufallen.<br />
Man wird zum laufenden Textmarker.<br />
IntervIew: Bevorzugen Sie eigentlich Crocs oder<br />
Flip-Flops?<br />
Hudgens und gomez: Flip-Flops!<br />
IntervIew: Und können Sie uns erklären, warum<br />
Jungs in Amerika vornehmlich Shorts und keine Badehosen<br />
tragen?<br />
Hudgens: (lacht) Ich bin in Kalifornien groß geworden,<br />
da gibt es viele Surfer, und für die ist es nicht<br />
gerade praktisch, enge Badehosen zu tragen.<br />
gomez: Wissen Sie, wir in Amerika sind eben<br />
nicht so liberal wie Sie in Europa. Ich habe allerdings<br />
auch schon Jungs in Badehose gesehen …<br />
selena gomez, 20, und vanessa Hudgens, 24, In IHrer arbeItsKleIdung<br />
IntervIew: Ja, lassen Sie uns über Jungs reden!<br />
Wenn wir schon die Spring-Break-Bitches vor uns haben,<br />
würde ich gerne von Ihnen wissen, wer gerade<br />
hot ist und wer nicht.<br />
gomez: Oh nein, ich möchte niemanden beurteilen<br />
müssen. Wobei, wir können ja sagen, ob sie<br />
gute Schauspieler sind oder nicht.<br />
IntervIew: Ed Westwick wird gerade für die<br />
Rolle des Christian in Shades Of Grey gehandelt. Sollte<br />
er die Rolle bekommen?<br />
gomez: Er würde passen, ich finde, er ist süß.<br />
Aber sollte nicht Shia (LaBeouf) die Rolle kriegen?<br />
Hudgens: Casten die überhaupt schon?<br />
IntervIew: Ich weiß nicht, aber es tauchen jedenfalls<br />
verschiedene Namen auf. Was ist mit Ihrem Kollegen<br />
James Franco? Werden Sie jemals wieder das<br />
Bild von ihm mit den Goldzähnen und den Cornrows<br />
aus dem Kopf bekommen?<br />
gomez: Ich fand, er sah hervorragend aus.<br />
Hudgens: Total!<br />
der FIlm Spring BreakerS von<br />
Harmony KorIne startet am 21. märz<br />
66<br />
67
Anschauen!<br />
FILME<br />
„PARADIES: GLAUBE“<br />
Der Alltag einer lebensfrohen Extrem-Katholikin<br />
(missionieren, geißeln, kuscheln mit Jesus) kommt<br />
erst richtig in Schwung, als ihr Gatte, ein im Rollstuhl<br />
sitzender Moslem, nach langer Zeit der Abwesenheit<br />
auftaucht und richtigen Sex will. Zweiter Teil<br />
der Fun-Trilogie von Ulrich Seidl (ab 21. März).<br />
„G.I. JOE: DIE ABRECHNUNG“<br />
Nach Magic Mike der neue <strong>Frau</strong>enfilm mit Channing<br />
Tatum. Erzählt wird, wie die Eliteeinheit G.I.<br />
Joe ins Visier der üblen Geheimorganisation Cobra<br />
gerät. Mit an Bord: die Herzensbrecher Dwayne<br />
„The Rock“ Johnson und Bruce Willis (ab 28. März).<br />
„GINGER & ROSA“<br />
Die Geschichte ist derart komplex und detailreich,<br />
dass man gar nicht erst versuchen sollte, sie auch<br />
nur zu skizzieren. Was man wissen muss: 60er-Jahre,<br />
zwei Mädchen wollen nicht werden wie ihre Mütter,<br />
langes, ungekämmtes Haar, Sally Potter führt Regie,<br />
Elle Fanning spielt mit (ab 11. April).<br />
„BAIT 3D: HAIE IM SUPERMARKT“<br />
Kluger Konzeptkunstfilm, in dem der interessanten<br />
Frage nachgegangen wird, was passiert, wenn im<br />
Supermarkt plötzlich die Haie die Kundschaft<br />
stellen, während die eigentliche Kundschaft als<br />
Ware auf den Regalen kauert (ab 11. April).<br />
IN SHOPPINGLAUNE: HAI IM SUPERMARKT<br />
„OBLIVION“<br />
Weltraumsoldat (Tom Cruise) hinterfragt beim<br />
Kampfeinsatz auf einem fernen Planeten Sinn und<br />
Zweck seines Tuns (Aliens ausrotten) und schlittert<br />
in eine Identitätskrise (dramatischer Stirnfaltenwurf),<br />
aus der er nur herausfindet, als er erkennt (Siegerlächeln),<br />
dass das Schicksal der Menschheit (was sonst)<br />
in seinen Händen liegt (wo sonst) (ab 11. April).<br />
KULTUR<br />
DIE FORMEL JENNIFER LAWRENCE Die Komponenten, aus denen die Schauspielerin zusammengesetzt ist<br />
CAMERON DIAZ<br />
(PFERDESTEHLERIN)<br />
+ :<br />
x<br />
+ =<br />
RAMBO<br />
(PFEIL UND BOGEN)<br />
1<br />
Ron Mueck<br />
Die von Jean Nouvel gebaute Fondation Cartier in Paris zählt zu den besten Privatmuseen Europas.<br />
Schon 2005 zeigte sie eine Retrospektive des australischen Künstlers Ron Mueck. In diesem Jahr werden<br />
dort seine neuen Skulpturen zu sehen sein sowie ein Film, der Muecks Arbeit dokumentiert. Seine Figuren<br />
sind hyperrealistische Abbildungen von meist nackten Menschen, die jedoch deutlich kleiner oder<br />
größer sind, als von der Natur vorgesehen. Die Arbeiten faszinieren zum einen wegen ihrer fast<br />
obsessiven Präzision (jedes einzelne Haar ist wohlgesetzt),<br />
zum anderen wegen des ganz simplen Verfremdungseffekts<br />
durch die Verschiebung der Dimensionen. Die Bilder aus<br />
seinem Atelier öffnen dabei noch einmal die Augen für<br />
Muecks Werk: Sie zeigen einen von der Anatomie besessenen<br />
Forschergeist und lassen einen etwas perversen Humor<br />
erahnen, der bei der Monumentalität seiner Arbeit verloren<br />
zu gehen schien (vom 16. April bis 29. September).<br />
2<br />
Art Cologne<br />
Auf der wiedererstarkten Messe für zeitgenössische<br />
Kunst (19. bis 22. April) stellen rund 200<br />
deutsche und internationale Galerien aus. Zum Beispiel<br />
ist der Künstler Manfred Pernice mit seinen<br />
lakonischen Skulpturen vertreten, die an dreidimensionale<br />
Architekturstudien, Prototypen<br />
eines osteuropäischen Möbelmarkts und die<br />
Improvisationsmentalität seiner Heimatstadt Berlin erinnern.<br />
Wie üblich auf Kunstmessen: Auch die Art Cologne ist nur mit<br />
Tunnelblick erträglich, dann aber absolut lohnend.<br />
STANDARDTANZ<br />
(SILVER LININGS)<br />
BLAUE HAUT<br />
(X-WOMAN MYSTIQUE)<br />
68<br />
OSCAR<br />
(HALB FRECH, HALB SÜSS)<br />
JENNIFER<br />
LAWRENCE<br />
Fotos: PR; Gaultier Deblonde; Manfred Pernice, Courtesy Galerie Neu; Getty Images (4), Cinetext (2) (linke Seite); Phil Collins, Courtesy Museum Ludwig, Köln; Netflix; Joseph Marr, Erik Schmidt, Courtesy Leopold-Hoesch-Museum<br />
ZITAT<br />
KULTUR<br />
Seine Kinder fallen vom HIMMEL. Er sieht vom Pferd aus<br />
zu, hinter ihm dehnen sich die Weiten <strong>En</strong>glands. Sie fallen,<br />
goldflügelig, mit blutunterlaufenem Blick. Grace Cromwell<br />
schwebt in dünner LUFT. Lautlos fängt sie ihre Beute, lautlos<br />
landet sie auf seiner Hand. Die Geräusche, die sie dann macht,<br />
das RASCHELN des Gefieders, das Seufzen und das Ordnen der<br />
Schwingen, das leise Glucken aus der Kehle, sind Geräusche des<br />
Wiedererkennens, vertraut, töchterlich, fast missbilligend. Ihre<br />
Brust ist blutbefleckt, und an ihren Klauen hängt FLEISCH.<br />
Aus Falken von Hilary Mantel. In ihrem neuen Roman<br />
erzählt die Booker-Preisträgerin, wie Henry VIII sich<br />
3<br />
seiner <strong>Frau</strong> Anne Boleyn entledigt (Dumont)<br />
Phil Collins<br />
Neben Steve McQueen der andere zeitgenössische<br />
Künstler mit problematischem<br />
Namen. Collins’ Film- und Fotoarbeiten<br />
sind ungeniert witzig und<br />
reflektieren Erfahrungen und Traumata<br />
der Massenmedien. In The World<br />
Won’t Listen ließ er Smiths-Fans Karaoke<br />
singen, in Baghdad Screen Test für einen fiktiven<br />
Hollywoodfilm casten, in The Return Of The Real<br />
Opfer von Reality-TV-Sendungen zu Wort kommen.<br />
Für seine Ausstellung im Kölner Museum Ludwig<br />
(18. April bis 21. Juli) will er mit Musikern aus ganz<br />
Deutschland zusammenarbeiten.<br />
Aufschlagen!<br />
BÜCHER<br />
WILLIAM E. BOWMAN<br />
„DIE BESTEIGUNG DES RUM DOODLE“<br />
Rogner & Bernhard, März<br />
Der Titel klingt zwar etwas albern, es ist aber eines<br />
der beliebtesten Bücher zum Themengebiet Bergsteigen.<br />
Sogar ein Berg (875 m) in der Arktis wurde<br />
nach ihm benannt. Zuerst erschienen ist die Satire<br />
über eine Gipfelwanderung voller Missgeschicke<br />
1956. Nun ist der Roman das erste Mal in<br />
deutscher Übersetzung erhältlich.<br />
DELPHIN DE VIGAN<br />
„DAS LÄCHELN MEINER MUTTER“<br />
Droemer, März<br />
Mutter und Tochter, ein unerschöpfliches Thema.<br />
Außerdem der perfekte Weg in die Abgründe der<br />
Zwischenmenschlichkeiten. Den Freitod der eigenen<br />
Mutter nimmt die Autorin zum Anlass, das Leben<br />
dieser <strong>Frau</strong> auf bedrückende Art zu sezieren und sich<br />
so selbst eine befreiende Luftigkeit zu schaffen.<br />
SHALOM AUSLANDER<br />
„HOFFNUNG: EINE TRAGÖDIE“<br />
Berlin Verlag, Februar<br />
Wenn die Protagonisten Kugel und Bree heißen,<br />
verspricht es ein unterhaltsamer Roman zu werden.<br />
In diesem Fall geht es um eine jüdische Familie (samt<br />
Oma), die in ein altes Landhaus in ein vollkommen<br />
langweiliges Örtchen gezogen ist, auf dessen Dachboden<br />
es knarzt. Und das kann ja bekanntlich alles<br />
Mögliche bedeuten!<br />
4<br />
IT’S BRITNEY, BITCH<br />
Britney #5 von Phil Collins, 2001<br />
Erik Schmidt<br />
Downtown ist eine Retrospektive des<br />
Malers und Filmemachers im Leopold-Hoesch-Museum<br />
Düren (bis<br />
19. Mai) mit seinen neuen Arbeiten<br />
über die Occupy-Proteste in<br />
New York.<br />
69<br />
Runterladen!<br />
SERIEN<br />
„THE AMERICANS“<br />
Die Amerikaner sind in diesem Fall waschechte Russen.<br />
KGB-Agenten, um genau zu sein, die auf dem<br />
Höhepunkt des Kalten Krieges nach außen hin ein<br />
normales Familienleben in Suburbia praktizieren,<br />
heimlich aber auch mal den Dritten Weltkrieg verhindern<br />
müssen.<br />
„THE FOLLOWING“<br />
Kevin Williamson war bisher eher für seine Teen-<br />
Filme (Scream) und Serien (Dawson’s Creek, The Vampire<br />
Diaries) bekannt. Jetzt versucht er es mal mit<br />
Erwachsenen (James Purefoy, Kevin Bacon). Weniger<br />
blutig, spannend und mysteriös geht es deswegen<br />
aber noch lange nicht zu.<br />
„HOUSE OF CARDS“<br />
Die Geschichte um den Kongressabgeordneten<br />
Francis Underwood (Kevin Spacey) arbeitet mit vertrauten<br />
Elementen: Korruption, Erpressung, Sex,<br />
Drogen, Mord. Das postmoderne In-die-Kamera-<br />
Dozieren mag ein bisschen bemüht sein, aber man<br />
hatte fast vergessen, was für ein Genuss Spacey sein<br />
kann – und seine Ehe mit Robin Wright lässt jeden<br />
Gefrierschrank kuschelig erscheinen.<br />
BLUTIGE HÄNDE: KEVIN SPACEY ALS AMORALI-<br />
SCHER POLITIKER IN HOUSE OF CARDS<br />
„NASHVILLE“<br />
Rayna James, die Königin der Countrymusic, bekommt<br />
Konkurrenz von dem aufstrebenden Popsternchen<br />
Juliette Barnes, während ihr Mann Bürgermeister<br />
werden will, ihr Vater die Weltherrschaft<br />
anstrebt und eigentlich alle mit ihr schlafen wollen.<br />
ZUCKERPUPPE VON<br />
JOSEPH MARR<br />
LECK MICH!<br />
Dies ist der vielleicht teuerste Lutscher<br />
der Welt. Geschmacksrichtung:<br />
Apfel. Gefertigt hat ihn<br />
der australische, in Berlin<br />
lebende Künstler Joseph<br />
Marr. Aus Zucker und Polyurethan<br />
macht er Skulpturen.<br />
Eine Serie mit sexuell<br />
aktiven Männern in<br />
Cola-Geschmack hat es<br />
jetzt als permanente Installation<br />
ins Berghain geschafft.<br />
Und wer da hängt, ist bald<br />
mindestens so berühmt wie<br />
Wolfgang Tillmans.
KuLtur<br />
Kultur/Kendrick Lamar<br />
The Fresh<br />
Prince<br />
er ist jung. er ist schwarz.<br />
er braucht das Geld. KenDricK LAMAr<br />
hat sich mit seinem Debütalbum von den<br />
finstersten Straßen Comptons bis auf die<br />
Champs-Élysées gerappt. Amerika feiert ihn<br />
als den Erneuerer des HipHops. Wir auch!<br />
von<br />
Jörg Harlan rohleder<br />
IntervIew: Kendrick, frierst du?<br />
KendrIcK Lamar: Es ist so entsetzlich kalt in<br />
Deutschland. Ich friere nonstop, seit ich hier gelandet<br />
bin, seit über 70 Stunden. Nichts hilft. (legt sich in<br />
Embryohaltung auf das Sofa) So fühlt sich das Leben als<br />
vermeintlicher Popstar an: Es ist kalt.<br />
IntervIew: Die Vorschusslorbeeren waren in<br />
deinem Fall eher ein Lorbeerbaum: Es vergeht kein<br />
Tag, an dem nicht irgendein Magazin, ein Blog, ein<br />
Aufmacher behauptet, Kendrick Lamar sei der Retter<br />
des HipHops. Zuletzt berichtete das sogar der New<br />
Yorker, nicht gerade das Zentralorgan des rhythmischen<br />
Sprechgesangs.<br />
Lamar: Wenn ich jedes Mal einen Dollar bekommen<br />
würde, wenn das ein Journalist sagt oder schreibt,<br />
wäre ich reich! Letztendlich verdanke ich meinen Erfolg<br />
wahrscheinlich der Tatsache, dass die Leute mich<br />
als Mensch und nicht als Action-Figur wahrnehmen.<br />
IntervIew: Jennifer Lawrence erzählte Drew<br />
Barrymore in <strong>Interview</strong>, sie wolle sich von ihrem ersten<br />
Scheck einen Pool voller Pasta bauen lassen.<br />
Lamar: Das hat sie gesagt? Wow! Jennifer<br />
Lawrence ist einfach mal die coolste <strong>Frau</strong>. Scheiße,<br />
jetzt fragst du mich sicher gleich, was ich kaufen würde.<br />
Und ich werde voll gegen Jennifer Lawrence abstinken,<br />
weil ich nichts vorweisen kann. Ich komme<br />
nicht dazu, Geld auszugeben. Ich habe kein Auto, keine<br />
fette Uhr – Scheiße, nicht einmal eine Wohnung.<br />
Ich wohne im Hotel, im Bus, am Flughafen. Meinen<br />
ersten Dollar, den ich als Rapper verdient habe, trage<br />
ich jedoch immer mit mir rum … (zeigt auf seinen Schuh,<br />
einen Turnschuh von Margiela)<br />
IntervIew: Wie bitte?<br />
Lamar: Hier, schau, der Dollar steckt gefaltet in<br />
meinem linken Schuh (lacht).<br />
IntervIew: Als Obolus für Charon, den Fährmann,<br />
der dich über den Acheron ins Reich des Totengottes<br />
Hades fahren wird?<br />
Lamar: Eigentlich war es als Glücksbringer gedacht.<br />
Hm, aber ich mag die Doppelfunktion: Wenn<br />
es so weit ist, muss mich der alte Knabe ohnehin<br />
nur über den East L. A. River schippern. Ich komm<br />
schließlich aus Compton, aber das weißt du ja sicher.<br />
IntervIew: Bei einem deutschen Vorstadtjungen<br />
rattern da im Kopf nur die Klischees runter, die man<br />
aus Filmen wie Menace II Society kennt.<br />
Lamar: All die Klischees stimmen. Wenn es ein<br />
anderes Leben dort gäbe, hätte längst jemand einen<br />
Film darüber gedreht. Compton bedeutet Ghetto, ist<br />
Ghetto, hat Ghetto erfunden. Selbst wenn ich Leute<br />
in L. A. treffe und sie hören, dass ich aus Compton<br />
komme, verstecken sie ihr Hab und Gut. Ich kenne<br />
kein Viertel, das so eine Wirkung auf Menschen hat.<br />
IntervIew: Bei einem Rap-Start-up kommt die<br />
Marke Compton einem Triple-A-Rating gleich – mit<br />
Paten wie Eazy-E, Dre, The Game, N.W.A …<br />
Lamar: Es ist aber auch eine große Bürde. Heute<br />
als Rapper ist diese eher positiv besetzt, früher als<br />
Jugendlicher empfand ich sie belastend. Du kannst<br />
dir nicht vorstellen, wie ich aufgewachsen bin. Meine<br />
Eltern sind 1984 nach Compton gezogen, mitten<br />
rein in die Hölle, rein in die Crack-Epidemie, verstehst<br />
du? Sie wollten weg aus dem Sumpf in Chicago,<br />
raus aus dem Gang-Leben meines Vaters, einen<br />
Neuanfang unter der Sonne Kaliforniens wagen.<br />
Irgendwo, ganz egal wo. Von allen gottverdammten<br />
Orten landen sie ausgerechnet in Compton! Die<br />
beiden hatten einfach keinen Plan. Sie kamen da im<br />
Sommer 1984 an – alles, was sie hatten, waren 500<br />
Dollar in der Tasche.<br />
IntervIew: Du wurdest 1987 geboren.<br />
Lamar: Ja, und bis dahin lebten meine Eltern in<br />
70<br />
irgendeiner wirklich schäbigen Absteige, die die beiden<br />
immer noch romantisch verklärt Hotel nennen.<br />
IntervIew: Wie muss man sich deine Kindheit<br />
vorstellen?<br />
Lamar: Meine Mum war eines von 13 Geschwistern,<br />
und irgendwann landete der ganze Clan bei uns<br />
in Compton. Als Sechsjähriger war es für mich normal,<br />
zu sehen, wie ein Onkel eine Schrotflinte putzt,<br />
irgendwer Kokain streckt oder es zu Crack aufkocht.<br />
Vor der Tür wurden Drogen verkauft, im Wohnzimmer<br />
wurde gefeiert, alle paar Tage wurde jemand verhaftet<br />
oder man musste das weiße Hemd anziehen,<br />
weil wieder ein Bekannter abgestochen oder sonst wie<br />
ermordet wurde. Das soll nicht verrückt oder so klingen,<br />
aber so war es nun mal.<br />
IntervIew: Deswegen heißt dein Album Good<br />
Kid, M.a.a.d City.<br />
Lamar: Ganz genau. Ich war ein guter Schüler,<br />
ein netter Junge. Mein Glück war es, dass ich ziemlich<br />
früh gelernt habe, in meine Bücher abzutauchen<br />
und so dem Schlamassel, der Gewalt, den Gangs, dem<br />
ganzen Wahnsinn um mich herum zu entfliehen. Ich<br />
habe mehr zugehört als geredet.<br />
IntervIew: Du musstest dich also nicht entscheiden,<br />
auf welcher Seite du stehst, ob du Blau oder Rot,<br />
die Farben der Crips und Bloods, tragen willst?<br />
Lamar: Man muss letztendlich nur aufpassen, mit<br />
wem man abhängt. Wenn man mit Bloods-Leuten befreundet<br />
sein will, wird man zwangsläufig den Bloods<br />
zugerechnet. Und dann geht die ganze Scheiße erst<br />
richtig los: Welcher Block, welche Straßenseite, welche<br />
Straßenecke, es ist wie im Krieg.<br />
IntervIew: Ein Krieg vor der eigenen Haustür.<br />
Lamar: Ich habe etliche gute Freunde wegen dieser<br />
Scheiße verloren, irgendwann merkte ich: Das bin<br />
ich nicht. Das will ich nicht sein. Ich will lesen, ich<br />
will Filme sehen, ich will Geschichten erzählen.<br />
IntervIew: Books against Bloods and Crips?<br />
Lamar: Darf ich die Zeile klauen?<br />
IntervIew: Gerne.<br />
Lamar: Okay, dann setze ich mich jetzt auch anständig<br />
hin. Mir ist einfach sehr kalt.<br />
IntervIew: Auf dem Albumcover sieht man dich<br />
als Baby, es sieht aus, als sei es auf einer Party bei euch<br />
zu Hause entstanden.<br />
Lamar: Ja, das Foto ist echt. Und friedlich. Ich<br />
wollte zeigen, dass in Compton auch normales, positives<br />
Leben stattfindet.<br />
IntervIew: Ein anderes Bild zeigt deinen Vater,<br />
dich als kleinen Jungen und eine ziemlich große<br />
Schrotflinte. Ich hoffe, die habt ihr euch für das Bild<br />
von den Nachbarn geliehen?<br />
Lamar: Nein! Sie war der ganze Stolz meines Vaters!<br />
(lacht) Das Gewehr lag immer im Wohnzimmer<br />
auf dem Schrank.<br />
IntervIew: Die Legende besagt, dein Vater<br />
habe dich als Kind zum Videodreh von Tupacs und<br />
Dr. Dres California Love mitgenommen.<br />
Lamar: Mitgenommen ist übertrieben. Er sah,<br />
was los war, und holte mich. Das Video wurde keinen<br />
Block von unserer Haustür entfernt gedreht. Die<br />
ganze Nachbarschaft war auf der Straße, alle waren<br />
mächtig stolz, alle haben gelacht und eine gute Zeit<br />
gehabt, es war wie ein Volksfest.<br />
IntervIew: War das der Tag, an dem der Junge<br />
Kendrick beschlossen hat, Rapper zu werden?<br />
Lamar: Unterbewusst vielleicht.<br />
IntervIew: Du nennst Tupac als eines deiner Idole.<br />
In deinem Alter war dieser bereits mehrfach angeschossen,<br />
saß im Knast und hatte die Drogenproble-<br />
me der Mutter in eine Ballade verwandelt. Dagegen<br />
wirkt deine Jugend geradezu mustergültig.<br />
LAMAR: Überhaupt beide Eltern zu kennen, beziehungsweise<br />
dass sie immer noch glücklich verheiratet<br />
sind, ist in der Tat eine große Ausnahme bei<br />
uns im Viertel. Das war bei mir nicht der Fall. Meine<br />
Mum arbeitete bei McDonald’s, und mein Dad machte<br />
alles, um ein paar Dollar heimzubringen. Bei meinen<br />
Freunden war der Dad oft im Knast oder tot und<br />
die Mutter bis zu den Haarspitzen high auf Crack.<br />
INTERvIEw: Umso bemerkenswerter ist es, dass du<br />
nicht die Perspektive des typischen AK-47-gestählten<br />
Gangsta-Rappers einnimmst, sondern die des Jungen,<br />
der vor dem Mündungsfeuer in Deckung geht.<br />
LAMAR: Ich bin wahrscheinlich der erste Rapper<br />
aus Compton, der sich verletzlich zeigt, der vor Kugeln<br />
davonläuft, der ausgeraubt wird und freiwillig<br />
eingesteht, wenn er ein Opfer ist.<br />
INTERvIEw: Wann hast du kapiert, dass es auch<br />
noch andere Realitäten abseits von Compton gibt?<br />
LAMAR: Zunächst nur in Büchern, mit eigenen<br />
Augen habe ich das erst viel später gesehen. Mein<br />
großes Glück war wirklich, dass ich tolle Lehrer hatte,<br />
die mich angeleitet haben, die mich inspirierten zu<br />
schreiben. Erst heute weiß ich, wie krass es eigentlich<br />
war, in Compton aufzuwachsen. Ich treffe überall<br />
Menschen, die mich inspirieren, reise um die Welt,<br />
schaue mir neue Dinge an, entdecke Zusammenhänge,<br />
lerne unglaublich viel. Tag für Tag. Und dennoch<br />
schlägt das Herz in meiner Brust denselben alten<br />
Takt: Comp / ton / Comp / ton / Comp / ton.<br />
INTERvIEw: Dein Rap-Kollektiv trägt den Namen<br />
Black Hippy. Was ist denn der Unterschied zu einem<br />
weißen Hippie?<br />
LAMAR: Weiße Hippies stehen für Frieden und<br />
Liebe. Schwarze Hippies für Frieden, Liebe und die<br />
Farbe Schwarz.<br />
INTERvIEw: Ach so.<br />
LAMAR: Ja, denn Schwarz steht für das Leben, für<br />
Wut, für Trauer, für Schmerz.<br />
INTERvIEw: Kiffen tun beide.<br />
LAMAR: Ja, aber unsere Joints sind stärker! (lacht)<br />
INTERvIEw: HipHop feiert seit geraumer Zeit ein<br />
ziemlich eindrucksvolles Comeback – angeführt von<br />
Künstlern wie A$AP Rocky, Angel Haze, Odd Future<br />
und natürlich Kendrick Lamar. Warum hat es so lange<br />
gedauert, bis HipHop sich erneuern konnte?<br />
LAMAR: Das habe ich mich auch schon gefragt.<br />
Irgendwie war Anfang der Nullerjahre die Luft raus<br />
– komisch, oder?<br />
INTERvIEw: Vielleicht lag es daran, dass die<br />
Pop-Charts plötzlich von den HipHop-Beats der<br />
Neptunes geprägt waren …<br />
LAMAR: Vielleicht! Heute klingt im Pop dafür<br />
alles so Dance-mäßig elektronisch – was uns Rappern<br />
das Leben wieder einfacher macht.<br />
INTERvIEw: Interessanterweise klingen die neuen<br />
Rapper in ihren Texten und Weltbildern oft abgeklärter<br />
und erwachsener als die alte Garde.<br />
LAMAR: Wir haben weniger Scheuklappen. Unsere<br />
Einflüsse und Inspirationen sind dank Internet viel<br />
globaler, als das in den Neunzigern der Fall war.<br />
INTERvIEw: Als Frank Ocean im Herbst sein<br />
Coming-out hatte, war das Medienecho gewaltig. Unzählige<br />
Künstler gratulierten ihm zu seinem mutigen<br />
Schritt. Glaubst du, dass seine Offenheit die HipHop-<br />
Basis erreicht? Auf den Straßen von Compton etwa?<br />
LAMAR: Definitiv. Allerdings wird es Jahre, vielleicht<br />
sogar Generationen dauern, bis man das großflächig<br />
spürt. Wichtig ist, dass Frank den Mut hatte.<br />
“<br />
Foto DAN MONICK<br />
Ich habe kein<br />
Auto, keine fette uhr –<br />
Scheiße, nicht einmal<br />
eine Wohnung.<br />
Ich wohne im Hotel,<br />
im Bus,<br />
am Flughafen<br />
”<br />
– Kendrick Lamar<br />
71<br />
STRAIGHT OUTTA COMPTON: DER RAPPER KENDRICK LAMAR<br />
Denn jetzt können 16-jährige Kids, die nicht wissen,<br />
wie sie sich zu ihrer Sexualität bekennen sollen, zu<br />
ihm aufschauen. Und spüren, dass sie nicht allein sind.<br />
INTERvIEw: Wäre so etwas in den Neunzigern<br />
möglich gewesen?<br />
LAMAR: Undenkbar! Die Homophobie im Hip-<br />
Hop war damals viel ausgeprägter als heute. Jeder<br />
wollte hart und stark sein. Dabei waren auch damals<br />
nicht weniger Rapper und Sänger schwul. Denk nur<br />
mal an die R’n’B-Typen … Davon sind bestimmt 90<br />
Prozent schwul. Und keiner traute sich, den Schritt zu<br />
gehen, den Frank gemacht hat. Die leben heute noch<br />
ihre Macho-Lüge. Das ist einfach nur traurig. Mann,<br />
es ist so verdammt kalt in deiner Stadt!<br />
INTERvIEw: Was vermisst du am meisten, wenn du<br />
nicht zu Hause bist?<br />
LAMAR: Die Sonne. Ich habe schon als Kind Tage<br />
gehasst, an denen es regnet. Zumindest dachte ich<br />
das. Jetzt weiß ich, wie ekelhaft Schnee ist.
KULTUR/Peter Dinklage<br />
Peter Dinklage<br />
Für die Rolle von Austin Powers’ Mini-Me<br />
war Peter Dinklage mit seinen 1,34 Metern<br />
zu groß, doch für die Rolle des wichtigsten<br />
Kleinwüch sigen in der Geschichte des<br />
Fernsehens gab es keinen Besseren:<br />
Mit Game Of Thrones spielte sich Dinklage<br />
in unser (und Sibel Kekillis) Herz<br />
Von<br />
Sibel KeKilli<br />
foto<br />
jeSSe frohmAn<br />
72<br />
Sibel KeKilli: Hallo Peter, wie geht es dir?<br />
Peter DinKlage: Gut geht es. Die Familie ist<br />
wohlauf, meine kleine Tochter kann inzwischen laufen,<br />
und wir haben jetzt eine Wohnung in New York.<br />
Wir werden also endlich bald umziehen.<br />
KeKilli: Und was ist mit eurem Haus im Wald, von<br />
dem du mir Bilder gezeigt hast? Gebt ihr das auf?<br />
DinKlage: Nein, das behalten wir natürlich. Das<br />
wird von unserem Hauptwohnsitz in unseren Rückzugsort<br />
verwandelt. Heute bin ich hier ganz allein, die<br />
Familie ist weg. Nur der Hund ist da.<br />
KeKilli: Toll, ein Hund!<br />
DinKlage: Warte, ich zeige ihn dir mal … Nein,<br />
das wird nichts, er schläft.<br />
KeKilli: Meinen Hund kann ich dir leider auch<br />
nicht zeigen. Er ist im Hotel.<br />
DinKlage: Im Hotel?<br />
KeKilli: Ja, im Hundehotel.<br />
DinKlage: Wieso denn das?<br />
Foto (rechte Seite): 2013 Home Box Office Inc./Sky Atlantic HD<br />
KeKilli: Weil ich gerade keine Zeit für ihn habe,<br />
weil ich so viel arbeite.<br />
DinKlage: Woran arbeitest du?<br />
KeKilli: Jetzt gerade bereite ich mich auf die neue<br />
Tatort-Folge vor. Davor habe ich versucht, die paar<br />
freien Tage zu genießen. Gestern war ich auf dem<br />
Gossip-Konzert.<br />
DinKlage: Wo?<br />
KeKilli: Bei The Gossip, die kennst du doch, die<br />
Band von Beth Ditto, dieser kugelrunden Sängerin.<br />
DinKlage: Kenn ich nicht. Von Jugendkultur<br />
habe ich keine Ahnung. Ich wohne doch im Wald.<br />
KeKilli: Bei den Grizzlys … Woran arbeitest du?<br />
DinKlage: Gleich nach Game Of Thrones bin ich<br />
ja zurück nach New York und habe The Angriest Man<br />
In Brooklyn gedreht. Jetzt kommt eine Art Familienfilm,<br />
der im Zweiten Weltkrieg spielt, den drehen wir<br />
in Virginia. Far From Home wird der heißen. Und danach<br />
dann ein Dreh in Belgien.<br />
KeKilli: In Belgien? Aber das ist nicht dieser deutsche<br />
Film, über den wir mal gesprochen hatten?<br />
DinKlage: Nein. Der deutsche Film ist noch im<br />
Gespräch. Aber ich habe noch nicht zugesagt.<br />
KeKilli: Gut, du solltest sowieso nicht ohne mich<br />
arbeiten (lacht).<br />
DinKlage: Ich weiß. Was hast du da überhaupt<br />
an? Sieht ein wenig nach Flashdance aus.<br />
KeKilli: Haha, solche Sachen trage ich zu Hause.<br />
DinKlage: Arbeitest du eigentlich gerne mit mir?<br />
KeKilli: Das brauchst du doch gar nicht zu fragen!<br />
Ich liebe es. Game Of Thrones ist eine der besten Sachen,<br />
die mir je passiert sind.<br />
DinKlage: Warst du anfangs nervös?<br />
KeKilli: Als wir uns getroffen haben?<br />
DinKlage: Nein, ob du nervös warst, bei der<br />
Serie dabei zu sein.<br />
KeKilli: Na klar war ich nervös. Deswegen habe<br />
ich sie mir die ersten beiden Jahre auch nicht anschauen<br />
können. Ich wusste, dass es eine große Nummer ist<br />
mit vielen Fans. Das klingt vielleicht etwas dumm.<br />
DinKlage: Überhaupt nicht. Weißt du, wie lange<br />
du dabei sein wirst?<br />
KeKilli: Man hat mir nur erzählt, dass meine Figur<br />
in der Serie eine wichtigere Rolle spielt als in den Büchern.<br />
Und ja, ich weiß es ungefähr …<br />
DinKlage: Ja, wegen dir haben sie die Rolle der<br />
Shae größer geschrieben. Weil du so gut bist.<br />
KeKilli: Danke, aber nur wegen dir. Wie bist du<br />
eigentlich zu der Rolle gekommen?<br />
DinKlage: Ich wurde angerufen und habe mich<br />
mit David Benioff und Dan Weiss, den beiden Erfindern<br />
der Serie, in Los Angeles getroffen. David kannte<br />
ich bereits. Bei dem Meeting haben sie mir erzählt,<br />
um was es bei Game Of Thrones geht, denn die Bücher<br />
kannte ich nicht. Ich hatte noch nicht einmal von<br />
ihnen gehört. Aber ich wusste, dass David ein guter<br />
Autor ist. Also habe ich nur kurz darüber nachgedacht<br />
und bin auf das Angebot eingegangen. Ich war, glaube<br />
ich, der Erste, der mit an Bord war.<br />
KeKilli: Verstehe.<br />
DinKlage: Natürlich war ich zunächst unsicher.<br />
KeKilli: Warum?<br />
DinKlage: Weil eine Fernsehserie immer ein<br />
großes <strong>En</strong>gagement bedeutet, allein zeitlich. Und<br />
dann wird die Serie fern von Zuhause gedreht, zu<br />
weit, um an den Wochenenden heimzufliegen. Aber<br />
wir haben Glück. Der Drehplan ist sehr angenehm.<br />
KeKilli: Stimmt.<br />
DinKlage: Viele meiner Freunde spielen in Serien<br />
mit. Was bedeutet, dass sie nichts anderes machen<br />
“<br />
DinKlage unD KeKilli in Game of thrones<br />
Von Jugendkultur<br />
habe ich keine<br />
Ahnung. Ich wohne<br />
doch im Wald<br />
”<br />
können. Keine Spielfilme, kein Theater, dazu fehlt<br />
ihnen die Zeit. Das hat mir beim Fernsehen immer<br />
Angst gemacht. Game Of Thrones ist die erste internationale<br />
Produktion, an der du mitwirkst, oder?<br />
KeKilli: Ja, ich meine, ich hatte mal einen wirklich<br />
winzigen Auftritt in einem Film von Hal Hartley.<br />
DinKlage: Echt, in welchem?<br />
KeKilli: Ja, wenn ich das noch wüsste. Dummerweise<br />
fällt mir der Titel nicht ein.<br />
DinKlage: Ich mag Hal Hartleys Filme.<br />
KeKilli: Der Hauptdarsteller aus Die Fliege hat<br />
mitgespielt …<br />
DinKlage: Jeff Goldblum.<br />
KeKilli: Genau. Fay Grim hieß der Film! Mein erster<br />
Auftritt in einer englischsprachigen Produktion.<br />
DinKlage: Darf ich dir eine Frage zu Gegen die<br />
Wand stellen?<br />
KeKilli: Klar.<br />
DinKlage: Du musst wissen, das ist einer meiner<br />
Lieblingsfilme. Ich hasse es, wenn Leute sagen, dass<br />
du gar nicht geschauspielert hast. Du warst unglaublich.<br />
Leider werden solche Filme in den USA kaum<br />
gedreht, stattdessen haben wir romantische Komödien,<br />
an denen alles soft ist. Aber Liebe ist selten soft,<br />
sie ist im Gegenteil ziemlich hart, und zwar auf eine<br />
gute Weise. Meine Frage ist: Wie habt ihr gearbeitet?<br />
Es war dein erster Spielfilm, oder?<br />
KeKilli: Ja.<br />
DinKlage: Habt ihr ganz viel Material gedreht<br />
und dabei vor der Kamera improvisiert?<br />
KeKilli: Nein. Bevor wir überhaupt mit dem Dreh<br />
angefangen haben, gab es ein dreimonatiges Casting,<br />
dann haben wir noch vier Wochen geprobt. Als es<br />
dann wirklich losging, hatte ich die Rolle sozusagen in<br />
mir. Außerdem kam es mir entgegen, dass wir chronologisch<br />
gedreht haben. Zu Beginn des Films ist meine<br />
Figur ja noch ein naives Mädchen, das erst im Verlauf<br />
erwachsen wird. Die Figur hatte übrigens erst einen<br />
anderen Namen. Sie hieß Leyla oder so. Fatih Akin,<br />
der Regisseur, hat sie dann in Sibel umbenannt.<br />
DinKlage: Ich finde es immer interessant, wenn<br />
Filmfiguren die Namen der Schauspieler tragen, auch<br />
für die Schauspieler selbst. Das nimmt den Schutzwall<br />
und zielt auf das emotionale Zentrum.<br />
73<br />
KeKilli: Würdest du gerne mal Regie führen?<br />
DinKlage: Nun ja, ich schreibe viel.<br />
KeKilli: Echt?<br />
DinKlage: Ja. Aber das ist schwer, weil viele meiner<br />
Freunde Autoren sind, und sie sind ziemlich gute<br />
Autoren. Das macht es etwas kompliziert, weil das,<br />
was ich schreibe, nicht einmal ansatzweise so gut ist.<br />
KeKilli: Oh.<br />
DinKlage: Aber mittlerweile bin ich 43, ich weiß,<br />
man sieht es mir nicht an …<br />
KeKilli: Was? 43? Ich dachte, du seist 18.<br />
DinKlage: Danke, aber ich denke, ich sehe eher<br />
wie 35 aus … Was ich sagen wollte: Je älter man wird,<br />
desto mehr Kontrolle möchte man über sein Leben<br />
haben. Man möchte sein Schicksal in die Hand nehmen<br />
und nicht warten, bis jemand anruft.<br />
KeKilli: Absolut. Aber du hast meine Frage nicht<br />
beantwortet: Möchtest du gern mal Regie führen? Du<br />
hast doch noch nie Regie geführt, oder?<br />
DinKlage: Doch, im Theater. Damals war ich so<br />
um die 20 und habe Theaterstücke geschrieben und sie<br />
selbst inszeniert. Das waren furchtbare, irgendwie experimentell<br />
gemeinte Machwerke, die alle Tiernamen<br />
hatten. Sie hießen Frog oder Pig. Meine Freunde waren<br />
so nett, darin mitzuspielen oder sie sich anzusehen.<br />
Damals habe ich noch viel geraucht und nur mit der<br />
Schreibmaschine geschrieben. Ich dachte, ich sei Samuel<br />
Beckett oder Sam Shepard.<br />
KeKilli: Lustig.<br />
DinKlage: Heute fände ich Film natürlich viel<br />
interessanter als Theater. Ich müsste allerdings erst<br />
Unterricht nehmen, um den ganzen technischen<br />
Kram zu lernen. Aber ich finde, dass man schon beim<br />
Dreh der Serie eine Menge lernt, weil die Leute am<br />
Set so ungeheuer effizient arbeiten. Das ist eine gute<br />
Schule. Wie ist es dir eigentlich noch in Kroatien ergangen?<br />
Ich war mit dem Dreh ja viel früher fertig.<br />
KeKilli: Gut. Ich hatte viel Spaß mit Conleth<br />
(Conleth Hill spielt Lord Varys). Am <strong>En</strong>de des Drehs sah<br />
er aus wie ein russischer Milliardär, der zu lange in der<br />
Sonne lag, ohne sich einzucremen. Wir müssen wie<br />
ein altes Ehepaar gewirkt haben. Er war ja auch so was<br />
wie mein <strong>En</strong>glischlehrer und hat mir immer Witze<br />
erzählt, die ich nicht immer verstanden habe. Aber er<br />
war es irgendwann leid, sie ständig zu wiederholen.<br />
DinKlage: Conleth mag es gar nicht, wenn man<br />
seine Witze nicht versteht.<br />
KeKilli: Wir saßen oft schon mittags beschwipst<br />
am Pool.<br />
DinKlage: Es ist so schön in Kroatien.<br />
KeKilli: Alles ist so sauber, und das Wasser ist so<br />
klar. Und man sieht so viele schöne Menschen.<br />
DinKlage: Stimmt.<br />
KeKilli: Ach Peter, es ist so toll, dass wir uns so gut<br />
verstehen. Es könnte auch anders sein. Stell dir vor,<br />
ich wäre eine Bitch.<br />
DinKlage: Haha.<br />
KeKilli: Und ich war so aufgeregt, als ich dir das<br />
erste Mal begegnet bin. Ich habe richtig gezittert.<br />
DinKlage: Warum? Weil ich so klein bin?<br />
KeKilli: Was?<br />
DinKlage: Warum warst du aufgeregt?<br />
KeKilli: Das weißt du doch. Gleich unsere erste<br />
Szene war eine Liebesszene. So was ist immer schwer,<br />
wenn man den Kollegen nicht kennt. Wir hatten ja<br />
vorher nicht einmal miteinander gesprochen.<br />
DinKlage: Stimmt.<br />
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eigentlich will<br />
Sky Ferreira Musikerin<br />
sein, denn sie wuchs<br />
bei Michael Jackson<br />
in neverland auf.<br />
Who’s that girl?<br />
79<br />
IntervIew: Jedes Jahr ziehen Hunderte Mädchen<br />
nach New York, um berühmt zu werden. Alle haben<br />
denselben Traum. Sie sind jung, hübsch, mehr oder<br />
weniger talentiert – und alle wollen Model, Schauspielerin<br />
oder Popstar werden. Bei dir scheinen alle<br />
drei Karrieren gleichzeitig loszugehen. Die Leute<br />
fragen sich: Who’s that girl?<br />
sky ferreIra: Mit dem Modeln habe ich eigentlich<br />
nur angefangen, um Geld zu verdienen. Es war<br />
ein totaler Glücksfall – und viel angenehmer, als irgendwo<br />
zu kellnern. Von der Musik könnte ich meine<br />
Miete nicht zahlen, auch wenn ich eigentlich nur<br />
wegen der Musik nach New York gekommen bin. Es<br />
ist also gar nicht so kompliziert, dennoch muss ich<br />
mich dafür ständig rechtfertigen. Dann heißt es gerne:<br />
Ach, nettes Lied – aber Sky nimmt es mit der Musik<br />
eh nicht ernst; sie modelt.<br />
IntervIew: Ist Sky Ferreira eigentlich …<br />
ferreIra: … mein echter Name? Ja, ist er, falls<br />
du das fragen wolltest: Sky Tonia Ferreira, um genau<br />
zu sein. Bitte erspar mir die Witze, ich kenne sie alle.<br />
Meine Eltern waren jung und verliebt, verträumt<br />
und verstrahlt. Hippies aus Venice Beach. Da nennt<br />
man die Tochter schon mal Sky. Und da andere Hippie-Kinder<br />
Hope, Rainbow oder River heißen, habe<br />
ich eigentlich noch Glück gehabt.<br />
IntervIew: Ich mag den Namen. Er klingt nach<br />
Sternenstaub.<br />
ferreIra: Danke schön!<br />
IntervIew: Ich habe dich auch als Fashion It-<br />
Girl kennengelernt – als eingeflogenen Celebrity-<br />
Import bei der Fashion Week in Berlin.<br />
ferreIra: Ja, wir waren im Berghain.<br />
IntervIew: Das stimmt.<br />
ferreIra: Leider konnte ich es gar nicht richtig<br />
genießen, weil ich die ganze Zeit Angst hatte, erwischt<br />
zu werden.<br />
IntervIew: Weil du zu jung bist? In Deutschland<br />
darf man ab 18 bis zum übernächsten Morgen in<br />
Clubs bleiben.<br />
ferreIra: Nein, es gab so eine Auflage meiner<br />
Gastgeber, die besagte, dass ich mich nur im Umfeld<br />
der Fashion Week bewegen darf. <strong>En</strong>tweder im Zelt,<br />
auf Empfängen oder in meinem Hotelzimmer.<br />
IntervIew: Dir scheint ein Ruf vorauszueilen.<br />
ferreIra: Der durch nichts begründet ist. Ich<br />
arbeite viel zu viel, als dass ich durchdrehen könnte.<br />
Außerdem bin ich total schüchtern. Ich weiß nicht,<br />
ob dir aufgefallen ist, dass ich die ersten Stunden<br />
kein Wort mit dir oder deiner <strong>Frau</strong> gesprochen habe.<br />
IntervIew: Wir dachten, du seist eben so ein<br />
eingebildetes Modelmädchen.<br />
ferreIra: Das denken die Leute immer, es ist<br />
wirklich furchtbar. Meine Mutter schickt mir heute<br />
noch Selbsthilfebücher, damit ich lerne, sozial kompatibler<br />
zu sein.<br />
IntervIew: Als Model musst du ja nicht viel reden,<br />
als Musikerin schon eher.<br />
ferreIra: Ich versuche, mich zusammenzureißen.<br />
Ehrlich gesagt, habe ich jetzt schon Schiss vor<br />
den ganzen Promo-Tagen in irgendwelchen Hotel-<br />
Suiten, an denen Horden von Journalisten durchgeschleust<br />
werden, die mich nur fragen wollen, ob ich<br />
überhaupt eine ernst zu nehmende Künstlerin oder<br />
ein dämliches It-Girl bin.<br />
IntervIew: Dabei ist deine aktuelle Single<br />
Everything Is Embarrassing von Pitchfork, dem Rolling<br />
Stone und etlichen anderen Musikfachorganen in die<br />
Jahresbestenlisten 2012 gewählt worden.<br />
ferreIra: Was eine riesige Erleichterung für<br />
mich war. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel
Last von mir abfiel. Da wusste ich endlich: Vielleicht<br />
klappt es doch noch mit der Musik. Und: Ich bin kein<br />
YouTube-Hype! Yeah!<br />
IntervIew: War es nicht so, dass die Leute dank<br />
MySpace auf dich aufmerksam wurden?<br />
ferreIra: Mit 13 war das die einzige Chance, gehört<br />
zu werden. Meine Mutter war allerdings nicht<br />
so begeistert, da sie dachte, ich würde dort ständig<br />
von irgendwelchen Perversen belästigt werden.<br />
IntervIew: Dein Song hieß God Bless. Eigentlich<br />
hätte nichts passieren dürfen, da du ja Beistand von<br />
oben hattest.<br />
ferreIra: Richtig. Und außerdem bin ich in Venice<br />
Beach aufgewachsen. Ich kann also ziemlich gut<br />
auf mich selbst aufpassen. Dennoch waren etliche<br />
der Zuschriften, die ich bekam, ziemlich zweifelhaft.<br />
IntervIew: In letzter Zeit stellst du kaum noch<br />
Songs von dir ins Netz.<br />
ferreIra: Irgendwann soll sich das digitale Rauschen<br />
in Plattenverkäufen niederschlagen. Ich habe<br />
nichts davon, wenn ich 50 Songs innerhalb von 18<br />
Monaten raushaue. Ich nehme mir die Zeit, die ich<br />
brauche. Karrieren sind heute kürzer denn je. Nachdem<br />
meine erste Plattenfirma mich als Flop abgeschrieben<br />
hatte, bin ich viel vorsichtiger geworden.<br />
IntervIew: Deine Single Obsession war ja auch<br />
echt nicht so doll.<br />
ferreIra: Mit Obsession hat mich die Plattenfirma<br />
reingelegt. Ich habe den Track gehasst, wusste<br />
aber nicht, wie ich mich dagegen wehren kann. Mein<br />
damaliger Mentor beim Label meinte: „Komm, Sky,<br />
geh ins Studio, sing das mal ein, es wird schon nicht<br />
die Single.“ Leider wurde es genau das: meine Single.<br />
Das Furchtbare ist, dass mich dieser Scheiß-Song<br />
immer begleiten wird, das Netz vergisst nie. Und die<br />
Typen vom Label, deren Schuld es war, fahren in den<br />
Urlaub und schreiben danach die Single als Flop ab.<br />
IntervIew: Hättest du das Stück nicht einfach<br />
ablehnen können?<br />
ferreIra: Ich war 16, ein Teenie. Und welcher<br />
Teenager weiß schon, was er will? Mein Problem bis<br />
heute ist, dass ich fast alle Genres liebe: Eigentlich<br />
müsste mein Album zwölf verschiedene Genres bedienen.<br />
Aber dann heißt es wieder: Sky Ferreira hat<br />
keine Vision, Sky Ferreira versucht, es allen recht zu<br />
machen, sie ist nicht echt, sie ist wie Lana Del Rey.<br />
Das ging so weit, dass vor einem Jahr niemand mit<br />
mir arbeiten wollte, weil sie dachten, ich sei verbrannt.<br />
Ein Agent aus Los Angeles schrieb mir den<br />
Einzeiler: „Impossible.“ Ich wollte ihn nur anschreien:<br />
„I’m possible!“ Aber jetzt ist ja alles gut.<br />
IntervIew: Frustriert es dich, wenn du mit anderen<br />
Popsternchen verglichen wirst?<br />
ferreIra: Interessant ist vor allem, mit wem ich<br />
verglichen werde: Mal heißt es, ich sei wie Lana Del<br />
Rey oder Miley Cyrus, dann wieder wie die Indie-<br />
Variante von Taylor Swift, eine junge Debbie Harry,<br />
gerne auch Lady Gaga … Allein diese Bandbreite<br />
zeigt, wie lächerlich all das ist.<br />
IntervIew: Welcher Vergleich ärgert dich am<br />
meisten?<br />
ferreIra: Früher Marina and the Diamonds,<br />
heute Lana Del Rey. Es sind vor allem Blogger, die<br />
solchen Quatsch schreiben. Manchmal frage ich<br />
mich: Hören sich diese Typen die Musik überhaupt<br />
an? Aber Blogger sind eben Blogger und keine Journalisten.<br />
Merkwürdigerweise müssen sich männliche<br />
Musiker so etwas nicht reinziehen, jedenfalls nicht<br />
ständig. Da zählt anscheinend die Musik mehr.<br />
IntervIew: Vielleicht gibt es einfach weniger<br />
Jungs in den Top 40.<br />
ferreIra: Zum Glück gibt es ja Justin Bieber!<br />
Nein, das Nervige ist, dass wir Mädels gegeneinander<br />
ausgespielt werden. Rihanna gegen Beyoncé,<br />
Perry gegen Gaga, A gegen B, die Medien wollen es<br />
so, und in besonders krassen Fällen befeuert sogar<br />
das eigene Label diese künstliche Konkurrenz. Dies<br />
geschieht auf eine sehr passiv-aggressive Art. Gleichzeitig<br />
müssen alle jung und sexy sein. Lolitas und<br />
Püppchen, egal in welchem Alter. Selbst Madonna<br />
spielt dieses Spiel mit und macht auf ewiges Cheerleader-Girl,<br />
es ist wirklich widerlich.<br />
IntervIew: Ganz so unschuldig schaust auch du<br />
nicht in die Kameras.<br />
ferreIra: Aber mir geht es nicht um dieses Lolita-Ding,<br />
und es ist mir egal, was die Leute denken.<br />
Die Regeln sind ganz einfach: Man soll sexy aussehen,<br />
damit die anderen etwas davon haben – aber<br />
nicht sexy sein, denn davon könnte man selbst profitieren.<br />
An den Regeln kann ich nichts ändern. Was<br />
ich jedoch ändern kann, ist meine Musik.<br />
IntervIew: Wie meinst du das?<br />
ferreIra: Sie darf einfach nicht klingen wie ein<br />
Klingelton, zu dem sich gut wichsen lässt.<br />
IntervIew: Hast du deine Musik schon mal im<br />
Radio gehört?<br />
ferreIra: Nein. Es ist ein verdammter Fluch:<br />
Alle meine Freunde rufen ständig an. Selbst meine<br />
Mutter hat die Single schon zweimal gehört. Und ich<br />
fürchte, ich werde sie nie hören. Nicht morgen, nicht<br />
in den nächsten 40 Jahren. Stattdessen werde ich<br />
sterben, ohne jemals ein Lied von mir im Radio gehört<br />
zu haben. Das wäre so typisch.<br />
IntervIew: Dabei hast du extra so früh angefangen.<br />
Du warst 15, als du deinen ersten Plattenvertrag<br />
unterschrieben hast.<br />
ferreIra: Ja, und deswegen muss ich mir heute<br />
ständig anhören, wie sehr ich mich verändert habe.<br />
Es heißt immer: Sky sieht heute ganz anders aus. Sky<br />
macht ganz andere Musik als früher. Selbst als eine<br />
Cousine ein Bild von mir bei Facebook hochlud, auf<br />
dem ich acht oder neun bin, schrieben sofort irgendwelche<br />
Trolle darunter: „Sky Ferreira sieht heute ganz<br />
anders aus.“<br />
IntervIew: Heute trägt Sky knallroten Lippenstift<br />
und posiert mit einer Vogelspinne in einem Video<br />
von Terry Richardson.<br />
ferreIra: Dabei hatte ich als Kind furchtbare<br />
Angst vor Ameisen und kreische, sobald eine kleine<br />
Spinne irgendwo im Studio rumkrabbelt.<br />
IntervIew: Wie kam es denn zu diesem Video?<br />
Terry Richardson dreht ja nicht ständig für irgendwelche<br />
hoffnungsvollen Popsternchen einfach so<br />
Musikvideos.<br />
ferreIra: Terry rief an und meinte nur: „Komm<br />
in mein Studio, ich habe eine Vogelspinne hier. Wir<br />
drehen ein Video für dich.“ Also nahm ich meine Jacke,<br />
meinen Schlüssel und stieg ins Taxi. Es ging so<br />
schnell, dass ich gar keine Angst haben konnte. Da<br />
wir nichts vorbereitet hatten, war der rote Lippenstift<br />
mein einziges Extra. Neben der Spinne natürlich.<br />
Wir überlegten, was wir machen könnten, und<br />
da eine Spinne auf Jeans und Bluse nicht so gut wirkt<br />
wie auf nackter Haut, stand ich im BH vor der Kamera.<br />
Irgendwelche Trolle schrieben danach, ich hätte<br />
dies getan, um sexy zu sein. Was mich wirklich verletzt<br />
hat, waren die Kommentare, die bei YouTube<br />
unter dem Video auftauchten.<br />
IntervIew: Was stand denn da?<br />
ferreIra: „Sky hat mit Terry gevögelt, um das<br />
Video zu bekommen.“ Oder: „Terry hat sie nach dem<br />
Dreh vergewaltigt.“ So etwas schreiben irgendwelche<br />
80<br />
“
kranken Typen unter das Musikvideo einer 19-Jährigen.<br />
Das muss man sich mal vorstellen! Das ist<br />
ekelhaft und keineswegs lustig. Nicht einmal nach<br />
irgendeiner verdrehten Ich-sitze-alleine-vor-dem-<br />
Rechner-und-bin-frustriert-Logik. Terry ist ein<br />
Freund von mir. Wenn er mit Lady Gaga arbeitet,<br />
behauptet doch auch niemand, er habe sie nach dem<br />
Shoot vergewaltigt. Solche Kommentare machen<br />
mich echt fertig. Zumal ich selbst schon Erfahrung<br />
in diese Richtung machen musste.<br />
IntervIew: Wie bitte?<br />
ferreIra: Als Schülerin. Und wie man sich vorstellen<br />
kann, hinterlässt das Narben. Aber ich lasse<br />
nicht zu, dass es mich prägt. Können wir bitte über<br />
etwas anderes sprechen? Über etwas Lustiges?<br />
IntervIew: Wollen wir über Bubbles reden?<br />
ferreIra: Wieso denn jetzt Bubbles?<br />
IntervIew: Weil er Jackos Affe war! Ich habe gelesen,<br />
du seist quasi auf Neverland aufgewachsen.<br />
ferreIra: Das bin ich. Es war toll!<br />
IntervIew: Klar.<br />
ferreIra: Nein, wirklich.<br />
IntervIew: Sicher.<br />
ferreIra: Meine Oma arbeitete 30 Jahre für Michael,<br />
sie war seine Friseuse. Und da ich die meiste<br />
Zeit bei meiner Oma gelebt habe, besuchten mein<br />
Bruder und ich sie oft bei der Arbeit. Wir haben dort<br />
auch Weihnachten und Silvester gefeiert.<br />
IntervIew: Mit Michael Jackson?<br />
ferreIra: Ja. Und anfangs auch mit Bubbles.<br />
Aber der war da schon alt und er war auch total hinterhältig<br />
und fies, wenn ich mich recht erinnere. Es<br />
war übrigens Michael, der meiner Oma vorschlug,<br />
mich bei einem Gospelchor anzumelden. Er hatte<br />
mich mit meinem Kassettenrekorder im Garten gesehen:<br />
Ich saß dort immer in irgendeiner Ecke tief<br />
über meinen Rekorder gebeugt und nahm meine<br />
selbst geschriebenen Lieder auf. Meine Oma fand das<br />
zwar alles ziemlich merkwürdig, aber immerhin meldete<br />
sie mich daraufhin zum Singen in zwei Chören<br />
an. Die eine Kirche war in einer ziemlich harten Gegend<br />
von South Central L. A., aber der Chor war fantastisch.<br />
Dort hat alles angefangen. Letztendlich verdanke<br />
ich meine Karriere also Michael Jackson.<br />
IntervIew: Hast du ihm vorgesungen?<br />
ferreIra: Jedes Mal wenn wir uns gesehen haben.<br />
Anfangs Gospel, irgendwann Britney Spears.<br />
IntervIew: Für Britney hast du später auch<br />
Songs geschrieben.<br />
ferreIra: Ja. Leider hat es noch keiner auf ein<br />
Album von ihr geschafft. Ich liebe Britney. Vor allem<br />
ihre düstere Seite.<br />
IntervIew: Wenn sie sich die Haare abrasiert?<br />
ferreIra: Nein! Denk nur mal an das krasse Video<br />
zu Everytime: Sie stirbt in dieser Badewanne. Das<br />
Wasser färbt sich rot von ihrem Blut. Ich dachte nur:<br />
Leute, das ist Britney fucking Spears!<br />
IntervIew: Und wie fand Michael Jackson es,<br />
dass du ihre Songs für ihn singst?<br />
ferreIra: Er hat gelacht.<br />
IntervIew: Wie war Michael denn so?<br />
ferreIra: Total nett. Sehr schüchtern. Vielleicht<br />
haben wir uns deshalb so gut verstanden. Er<br />
war nämlich nicht dieser Freak, der ständig in seiner<br />
eigenen Achterbahn saß und einem zuwinkte.<br />
Eigentlich lebte er sehr zurückgezogen. Man darf<br />
nicht vergessen: Michael war einer der engsten<br />
Freunde meiner Oma. Ich wusste zwar, dass er irgendwie<br />
berühmt ist, verstand aber nicht die ganze<br />
Tragweite. Den Popstar Michael habe ich eigentlich<br />
erst erlebt, als er gestorben ist. Ich war in London,<br />
“<br />
Wer kann schon von sich behaupten,<br />
mit Snoop gekifft zu haben?<br />
”<br />
– Sky Ferreira
um mal wieder einen Plattenvertrag zu unterschreiben,<br />
und plötzlich lief die Schlagzeile, Michael hätte<br />
einen Herzinfarkt gehabt, über den Fernseher in der<br />
Lobby. Meine Oma, die mich auf der Reise begleitete,<br />
rannte sofort in ihr Zimmer und kam gar nicht<br />
mehr raus. Für mich war das Ganze total surreal:<br />
Michael war der erste Mensch, der mir nahestand,<br />
der gestorben ist. Ich wusste natürlich, was Tod bedeutet,<br />
aber nicht, wie es sich anfühlt, jemanden tatsächlich<br />
zu verlieren. Während ich noch in London<br />
war, ging der Wahnsinn los: Plötzlich liefen seine<br />
Songs in jeder Bar, seine Alben besetzten die Top<br />
Ten, alle trugen diese Michael-Memorial-T-Shirts.<br />
Irgendwann verkaufte die sogar mein Dad.<br />
IntervIew: Dein Vater?<br />
ferreIra: Ja, er hat zwei T-Shirt-Stände am<br />
Boardwalk in Venice Beach.<br />
IntervIew: Wenn du nicht in Neverland Achterbahn<br />
gefahren bist, hingst du also in Venice Beach<br />
bei den Surfern und Bodybuildern rum.<br />
ferreIra: Klar. Als Achtjährige kannte ich dort<br />
jeden. Die Surfer, die Skater, die Freaks, sogar die<br />
ganzen Junkies und Crack-Süchtigen. Das fand mein<br />
Vater allerdings nicht so toll. Ich hingegen mochte<br />
sie, weil sie immer Zeit hatten und an derselben Stelle<br />
rumhingen. Auf eine Art waren die ziemlich verlässlich.<br />
Als ich älter wurde, flitzte ich nur noch auf<br />
meinen Rollerskates vorbei und winkte ihnen zu, das<br />
fanden die super. Irgendwann konnte ich den ganzen<br />
Zirkus dort jedoch nicht mehr ertragen …<br />
IntervIew: … und bist nach New York gezogen.<br />
ferreIra: Andere Mädchen in dem Alter gehen<br />
ans College, ich entschied mich für New York. Anfangs<br />
war es wirklich hart: Ich kannte niemanden,<br />
sprach wochenlang mit keinem Menschen, lief stundenlang<br />
ziellos durch die Stadt, schrieb Songs und<br />
wurde von Tag zu Tag einsamer.<br />
IntervIew: Lady Gaga saß auch immer in ihrer<br />
Wohnung, hörte Bowie, kokste alleine vor ihrem<br />
Spiegel und träumte davon, ein Popstar zu werden.<br />
ferreIra: Ich kokse aber nicht allein! Aber hast<br />
du meine Christiane-F.-Sammlung bemerkt? Als ich<br />
zur Highschool ging, nähte ich mir die Bowie-Jacke<br />
nach, die Christiane im Film trug. Sie ist meine Ikone.<br />
Ich war total besessen von ihr in der Highschool.<br />
IntervIew: Wie muss man sich denn Sky Ferreira<br />
in der Highschool vorstellen?<br />
ferreIra: Unfassbar schüchtern. So schüchtern,<br />
dass es wehtat. Ich habe die Schule gehasst und wurde<br />
von allen fertiggemacht. Meine einzigen Freunde<br />
waren die Immigrantenkinder aus Afrika und China,<br />
die kaum <strong>En</strong>glisch konnten. Mit denen musste ich ja<br />
nicht reden. Ich war wirklich der Freak, der nie<br />
spricht. Ich war eigentlich stumm. Das habe ich, abgesehen<br />
vom Singen im Musikunterricht, drei Jahre<br />
durchgezogen. Ich brachte es nicht einmal fertig, zu<br />
fragen, ob ich auf die Toilette gehen darf. Das musste<br />
ich dann immer auf meinen Block kritzeln. Dementsprechend<br />
konnte ich mich auch nicht wehren, wenn<br />
die anderen Kids auf mir rumhackten, und wurde<br />
noch schüchterner. Es war wirklich die Hölle – und<br />
zwar von Anfang an: Als ich eingeschult wurde,<br />
weinte ich den ganzen Tag. Das habe ich dann zwei<br />
Jahre so gehalten: jeden Morgen weinen. Meine<br />
Mum hat irgendwann nicht einmal mehr reagiert,<br />
wenn ich losgeplärrt habe, weil ich das ständig tat.<br />
Sogar auf den Kinderfotos. Es gibt kaum eins, auf<br />
dem ich nicht heule oder verheult aussehe.<br />
IntervIew: Trägt deshalb dein Debütalbum den<br />
Titel I’m Not Alright?<br />
ferreIra: Er passt jedenfalls gut.<br />
“<br />
Man soll sexy<br />
aussehen, damit die<br />
anderen etwas davon<br />
haben – aber nicht<br />
sexy sein, denn davon<br />
könnte man ja selbst<br />
profitieren<br />
”<br />
– Sky Ferreira<br />
IntervIew: Aber heute wirkst du so, als ginge es<br />
dir ganz passabel.<br />
ferreIra: Heute heißt das Album I’m Alright<br />
(lacht). Nein, es geht mir heute besser als früher. Ich<br />
sollte immer irgendwelche Medikamente gegen die<br />
Depressionen nehmen, wollte dies jedoch nie tun.<br />
Ich hatte Angst vor den Nebenwirkungen.<br />
IntervIew: Es gibt Musiker, die aus ihrem Weltschmerz<br />
die künstlerische Kraft destillieren.<br />
ferreIra: Ja, ein wenig Blues hilft beim Schreiben.<br />
Aber auf Dauer ist es die Hölle. Gott sei Dank<br />
sieht man es mir auf Fotos heute kaum mehr an.<br />
IntervIew: Die Fotos zu dieser Geschichte hat<br />
Hedi Slimane gemacht.<br />
ferreIra: Ja, wir sind ziemlich eng befreundet.<br />
Er ist ein toller Mensch. Wir haben sogar Weihnachten<br />
miteinander verbracht.<br />
IntervIew: Wie feiert Hedi Slimane denn Weihnachten?<br />
ferreIra: Mit Elton John. Ich weiß auch nicht<br />
genau, wie das kam. Jedenfalls saß ich plötzlich am<br />
Mittagstisch von Elton und seinem Mann und musste<br />
so tun, als würde ich das Essen mögen.<br />
IntervIew: Was gab es denn?<br />
ferreIra: Irgendetwas <strong>En</strong>glisches mit viel<br />
Fleisch. Ich konnte das echt nicht essen, zumal ja<br />
auch meine Familie auf mich am gedeckten Tisch<br />
wartete. Oh Mann, die waren ziemlich sauer.<br />
IntervIew: Du feierst mit Elton John und Hedi<br />
Slimane Weihnachten, Steven Meisel ist ein Fan von<br />
dir, Terry schenkt dir ein Video – wie kamst du eigentlich<br />
zum Modeln?<br />
ferreIra: Ich weiß nicht genau, wie und warum<br />
all das passierte. Zumal ich viel zu klein für den Job<br />
bin. Als ich anfing, war ich gerade mal 1,55 Meter<br />
groß, jetzt bin ich 1,68 Meter, also immer noch viel<br />
zu klein für den Laufsteg. Außerdem dachte ich immer,<br />
ich sei hässlich.<br />
IntervIew: Jetzt kokettierst du.<br />
ferreIra: Nein! Die Leute sagen mir das ins Gesicht.<br />
Sie sagen: „Sky, du bist zwar nicht schön, aber<br />
du siehst auf eine andere Weise gut aus. Wie ein hübscher<br />
Zombie.“ Vielleicht wollte mich deshalb Dazed<br />
& Confused damals für meine erste Strecke – die<br />
dachten sicher auch: „Hm, interessante Augenringe<br />
für ein junges Mädchen.“<br />
IntervIew: Vielleicht solltest du mehr schlafen.<br />
ferreIra: Das tue ich. Ich gehe nicht einmal<br />
mehr groß aus. Dafür bin ich, wie gesagt, viel zu<br />
schüchtern. Und wenn ich es versuche, lassen sie<br />
mich nicht rein: Als ich gestern mit meiner Band in<br />
eine Karaokebar wollte, wurden wir ständig abgewiesen.<br />
Wir zogen wie Maria und Jesus von Tür zu<br />
Tür und wurden immer weggeschickt. Ich darf ins<br />
Berghain in Berlin, aber nicht in eine Karaokebar in<br />
New York. Vielleicht sollte ich mir doch noch mal<br />
eine Fake-ID besorgen.<br />
IntervIew: Hat die nicht jeder in Amerika?<br />
ferreIra: Doch, schon. Aber die, die ich mir mit<br />
15 besorgte, hat an keiner einzigen Tür funktioniert.<br />
Also habe ich sie weggeschmissen und versucht, mich<br />
mit den Türstehern gut zu stellen. Ich hatte irgendwo<br />
gelesen, dass Madonna so angefangen hat, also<br />
dachte ich, dies sei eine gute Idee.<br />
IntervIew: Immerhin schickte einst Katy Perry<br />
ein Bild von dir mit einer Wodkaflasche zwischen<br />
den Beinen via Twitter um die Welt. Da warst du 17<br />
und auf Krawall gebürstet. Zumindest sah es so aus.<br />
ferreIra: Danke, Katy! Meine Mutter ist völlig<br />
ausgerastet, als sie das Bild gesehen hat. Meine Mum<br />
ist nämlich ziemlich streng. Ich durfte früher nicht<br />
einmal MTV vor der Schule sehen. Und dann taucht<br />
dieses Bild auf – dabei trinke ich fast nie. Ich habe<br />
schon gekifft, klar, aber das ist nicht gut für meine<br />
Stimme. Die Leute denken, ich würde ständig high<br />
sein und Drogen nehmen. Das war schon in der<br />
Highschool so. Aber es stimmt nicht.<br />
IntervIew: Es gibt lustige Bilder von dir im<br />
Netz, auf denen du mit Snoop kiffst.<br />
ferreIra: Dabei habe ich mich anfangs gar nicht<br />
getraut. Als dann jedoch mein Regisseur daran zog,<br />
dachte ich mir: „So eine Gelegenheit kommt nie wieder!<br />
Wer kann schon von sich behaupten, mit Snoop<br />
gekifft zu haben?“<br />
IntervIew: Und?<br />
ferreIra: Der Joint war viel zu stark für mich.<br />
Ich musste sofort auf mein Hotelzimmer. Der Abend<br />
war gelaufen.<br />
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Fotos: Brian Duffy/Duffy Archive (linke Seite); Masayoshi Sukita/The David Bowie (rechte Seite)<br />
david<br />
Zehn Jahre wartete die Welt darauf, dass david Bowie sie wieder in seine<br />
Wunderkammer blicken lässt. diese öffnete sich schlagartig an seinem<br />
66. Geburtstag, als Bowie ohne vorankündigung und Trara das Lied<br />
1973<br />
bowie<br />
Where Are We Now? veröffentlichte. Dabei ist “wo stehen wir heute?” eigentlich<br />
nicht die Frage – sie müsste vielmehr lauten: wo steht der Künstler heute?<br />
Das Londoner Victoria & Albert Museum hat die bowie-Festspiele ausgerufen<br />
1973
und verwandelt sich im März vorübergehend in das<br />
größte Hard-Rock-Café der Welt (Gitarren an der Wand,<br />
Schuhe in der Vitrine, Kostüme auf dem Bügel – Bowie selbst<br />
1976<br />
Fotos: Mauritius Images (linke Seite); Capital Pictures/ddp images (rechte Seite)<br />
will damit nichts zu tun haben). Viel wichtiger ist ohnehin, dass gerade<br />
sein neues, nunmehr 24. Album erschienen ist. Es trägt passenderweise den<br />
Titel The Next Day – denn als Mann, der vom Himmel fiel, kennt er heute<br />
1976
schon morgen. Wir hingegen blicken in den Rückspiegel mit diesem<br />
<strong>Interview</strong> aus dem Jahr 1978, als Berlin noch geteilt war und Bowie gerne<br />
in Schöneberg saß und ein Glas Milch trank. Also im Grunde wie heute –<br />
1976<br />
Fotos: Michael Ochs Archives/Getty Images (linke Seite); Kate Garner/CORBIS OUTLINE (rechte Seite)<br />
nur dass er damals freimütig über Dinge plauderte, über die er heute kein<br />
Wort mehr verliert (zumal er gar keine <strong>Interview</strong>s mehr gibt (aber eigentlich<br />
veröffentlicht er ja auch keine Platten mehr)) … to be continued!<br />
1996
IntervIew: Du hast viel Aufmerksamkeit erregt mit<br />
Dingen, die du gesagt und getan hast. Wie viel davon<br />
war Berechnung oder Publicity?<br />
DavID BowIe: Ich kann ganz gut mit Worten umgehen.<br />
Manches bot sich einfach an, und dann habe<br />
ich zugegriffen. Wenn jemand behauptete, ich hätte<br />
irgendetwas gesagt – und wenn mir die Idee gefiel –,<br />
dann habe ich das übernommen. Nur um mal zu<br />
schauen, wie die Leute reagieren würden. Ich habe<br />
mich schlichtweg bei den Vorstellungen anderer über<br />
mich bedient: „Das ist eine gute Idee. So bin ich jetzt<br />
mal eine Weile.“ Das hat mich in interessante Situationen<br />
gebracht.<br />
IntervIew: Gibt es einen Teil deiner Karriere,<br />
den du hinter dir lassen willst?<br />
BowIe: Nein.<br />
IntervIew: Wie sehen dich die Menschen heute?<br />
Was wirst du am häufigsten gefragt?<br />
BowIe: Ob ich bisexuell bin (lacht).<br />
IntervIew: Und was antwortest du?<br />
BowIe: Dass die sich um ihren eigenen Kram<br />
kümmern sollen. Das ist so eine langweilige Frage.<br />
Ich antworte dann: „Wie geht es Ihrer <strong>Frau</strong>? Sind Sie<br />
verheiratet? Schlafen Sie mit Ihrer <strong>Frau</strong>?“ Das ist so<br />
eine Unverschämtheit!<br />
IntervIew: Na ja, wenn du mal ehrlich bist: Du<br />
hast das doch damals selbst hochgespielt …<br />
BowIe: Das war nie mein Ding. Ich habe genau<br />
zweimal darüber gesprochen, und die Zitate werden<br />
mir immer wieder unter die Nase gehalten.<br />
IntervIew: Du hast mit dem Playboy darüber gesprochen,<br />
dass du in Japan mit kleinen Jungen schläfst.<br />
BowIe: Genau, und das war das zweite Mal, dass<br />
ich überhaupt darüber geredet habe. Viel mehr wirst<br />
du nicht finden, denn ich bin eigentlich ein diskreter<br />
Mensch. Ich gebe den Journalisten nur so viel, dass sie<br />
was zu schreiben haben. Ich schätze es sehr, wenn ich<br />
in der Öffentlichkeit unerkannt bleibe und mitkriegen<br />
kann, was in der Welt so los ist. Das ist die wichtigste<br />
Inspiration für meine Arbeit.<br />
IntervIew: Leidest du wirklich an dem Verlust<br />
deiner Privatsphäre?<br />
BowIe: Es wird ja immer behauptet, dass ein Star<br />
kein Recht auf Privatleben hat, aber das ist Quatsch.<br />
90 Prozent des Jahres lebe ich komplett anonym. Das<br />
ist ganz leicht, denn es gibt zwei Arten, die Straße entlangzugehen:<br />
Man will erkannt werden, oder man will<br />
es eben nicht. Und dann wird man auch nicht erkannt.<br />
Ich habe das irgendwann begriffen und anderen Leuten<br />
beigebracht.<br />
IntervIew: Ist es nicht toll fürs Ego?<br />
BowIe: Erkannt werden? Davon hat mein Ego<br />
mehr als genug bekommen. Damit bin ich fertig. Natürlich<br />
hat es geholfen, meine Haare nicht mehr rot<br />
zu färben.<br />
IntervIew: Hast du einen dauerhaften Wohnsitz?<br />
BowIe: Nö. Brauche ich nicht.<br />
IntervIew: Vermisst du <strong>En</strong>gland?<br />
BowIe: <strong>En</strong>gland? Meine Güte. Nein.<br />
IntervIew: Du hast zuletzt viel Zeit in Berlin verbracht.<br />
Wirst du da in Ruhe gelassen?<br />
BowIe: Oh ja. Die sind da total desinteressiert.<br />
Rock ’n’ Roll spielt überhaupt keine Rolle, und die<br />
Leute sind wie auf Schlafmittel. Berlin ist nicht die<br />
dekadente Stadt, für die es jeder hält. Auch Isherwood<br />
hat das in seinem letzten Buch zugegeben. Er sagt, er<br />
habe sich das alles ausgedacht. Es war eine der langweiligsten<br />
Städte, in der er jemals gewesen war, aber<br />
er musste ja Geschichten schreiben, also erfand er<br />
dieses Berlin. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu<br />
tun.<br />
“<br />
90 Prozent des<br />
Jahres lebe ich<br />
komplett anonym.<br />
Das ist ganz leicht,<br />
denn es gibt zwei<br />
Arten, die Straße entlangzugehen:<br />
Man will erkannt<br />
werden, oder man will<br />
es eben nicht<br />
”<br />
– David Bowie<br />
IntervIew: Hat es dich dorthin gezogen, weil du<br />
geglaubt hast, die Stadt wäre so?<br />
BowIe: Ja. Aber dann fand ich stattdessen etwas<br />
anderes, das mich genauso fasziniert hat. Die <strong>En</strong>tschlossenheit,<br />
mit der man West-Berlin am Leben<br />
erhält und nicht den Russen überlässt. Berlin ist eine<br />
sehr ernste und schwere Stadt. Ich fahre dorthin, um<br />
zu arbeiten. Es gibt ein verdammt gutes Aufnahmestudio,<br />
und ich finde die Stadt inspirierend. Ich habe<br />
in dem türkischen Viertel gewohnt, und das war meine<br />
Art, zurück auf die Straße zu kommen. Das geht in<br />
London oder Amerika nicht. Da fühle ich mich total<br />
fehl am Platz mit einer Sicherheitsnadel im Ohr …<br />
IntervIew: Ja, worum geht es da eigentlich?<br />
BowIe: Ich empfinde die Kategorie Punk als total<br />
beengend. Sie schränkt ein paar potenziell sehr<br />
originelle Menschen total ein. Für mich ist das eine<br />
Bewegung, die noch auf der Suche nach einem Thema<br />
ist, so ähnlich wie die Konzeptkunst in den Sechzigern.<br />
Man kann darüber theoretisieren, aber man<br />
kann es nicht erleben. Und es gibt vieles, was man<br />
einfach nicht in eine Schublade stecken sollte. Elvis<br />
Costello Punk zu nennen ist zum Beispiel idiotisch.<br />
Tatsächlich ist er der Bruce Springsteen von London.<br />
Die gleichen Effekte, die gleichen Akkordwechsel.<br />
IntervIew: Hat sich deine Musik vom<br />
Rock ’n’ Roll in Richtung Avantgarde verändert?<br />
BowIe: Ich finde nicht, dass ich Avantgardist bin.<br />
Meine Art von Musik ist eher selten, das nennt man<br />
dann eben Avantgarde. Brian <strong>En</strong>os Musik ist auch<br />
nicht Avantgarde – man kann sie wunderbar hören,<br />
solange man keinen Rock ’n’ Roll erwartet. Sehr gut<br />
für die Badewanne zum Beispiel. Rock ’n’ Roll interessiert<br />
mich überhaupt nicht.<br />
IntervIew: Wenn du auf der Bühne stehst, bist du<br />
Rock ’n’ Roll.<br />
BowIe: Nein. Ich bin einfach David Bowie. Mick<br />
Jagger ist Rock ’n’ Roll.<br />
IntervIew: Warum dann noch Konzerte? Du<br />
hast mal gesagt, du trittst nicht gern auf. Warum gibst<br />
du nicht einfach hier und da ein kleines Konzert?<br />
BowIe: Das würde nicht genug Geld bringen.<br />
Nicht für die Art, wie ich leben will. Die Orte, an<br />
denen ich in letzter Zeit war, kosten wahnsinnig viel<br />
Geld. Und warum sollte ich zurück in die kleinen<br />
Clubs? Ich habe jahrelang versucht, da rauszukommen.<br />
IntervIew: Fühlst du dich als Dilettant?<br />
BowIe: Was Rock ’n’ Roll betrifft auf jeden Fall.<br />
Ich habe mich nie darum bemüht und hatte nicht das<br />
Gefühl, dass ich den brauche. Wenn du meine Arbeit<br />
im Allgemeinen meinst: Ich nehme alles, was ich mache,<br />
ziemlich ernst. Und ich genieße jede Sekunde<br />
davon, was ich lange Zeit nicht hätte sagen können.<br />
IntervIew: Warum hat sich das geändert?<br />
BowIe: Indem ich den Rock ’n’ Roll hinter mir<br />
ließ. Diese ganze furchtbare Welt. Schreckliches Leben.<br />
Mein Gott.<br />
IntervIew: Na, immerhin bist du letztes Jahr mit<br />
Iggy Pop auf Tour gegangen.<br />
BowIe: So hatte ich was zu tun. Ich hatte Spaß.<br />
Und habe mich oft betrunken.<br />
IntervIew: Du wirktest wie eine Art Vater für<br />
ihn …<br />
BowIe: Darauf lasse ich mich nicht ein. Aber ja:<br />
Ich habe starke Vaterinstinkte. Ich bin der geborene<br />
Vater.<br />
IntervIew: Möchtest du noch mehr Kinder?<br />
BowIe: Ja, auf jeden Fall. Aber nicht als Selbstbestätigung.<br />
Ich brauche keine weiteren eigenen Kinder.<br />
Ich würde sie adoptieren. Ich habe ein Wunschkind,<br />
und das reicht als Beweis. Jeder Mann will zeigen, dass<br />
er einen Sohn zeugen kann.<br />
IntervIew: Meine Güte, David …<br />
BowIe: Ist doch wahr. Aber alle weiteren leiblichen<br />
Kinder sind einfach purer Luxus, und ich würde<br />
wirklich gern welche adoptieren. Ich bin wahnsinnig<br />
gern mit Kindern zusammen. Ich mag ihren<br />
Humor. Drei Kinder sind mir lieber als alle Punkbands<br />
zusammen.<br />
IntervIew: Was will Zowie aus seinem Leben<br />
machen?<br />
BowIe: Derzeit will er Mathematiker werden.<br />
Der wird sich später um meine Kohle kümmern und<br />
darauf achten, dass niemand mich abzieht. Wenn bis<br />
dahin noch etwas übrig ist …<br />
IntervIew: Was wirst du auf der kommenden<br />
Tournee machen?<br />
BowIe: Das könnte schwierig werden, weil ich<br />
keine Rolle habe, in die ich schlüpfen kann. Schon<br />
beim letzten Mal ging es weniger um eine Kunstfigur,<br />
sondern darum, eine Atmosphäre zu schaffen. Vielleicht<br />
lächle ich diesmal. Ich lasse meine Zähne in<br />
Ordnung bringen und lächele viel.<br />
IntervIew: Sind die nicht schon repariert worden?<br />
Bist du eine Diva? Die Menschen, die für dich<br />
arbeiten, scheinen dir sehr ergeben zu sein …<br />
BowIe: Was willst du andeuten? Dass ich wie<br />
Machiavelli bin? Ich bin nicht das Mastermind, für<br />
das die Leute mich halten.<br />
IntervIew: Warum glauben das die Leute?<br />
BowIe: Weil alles, was ich tue, sehr erfolgreich<br />
ist. Vielleicht bin ich kein großer Manipulator, sondern<br />
einfach gut. Aber darauf kommen die Leute<br />
meistens nicht. Ich dagegen glaube an meine künstlerischen<br />
Fähigkeiten. Auch wenn mir nicht alles gefällt,<br />
was ich mache.<br />
IntervIew: Was magst du im Nachhinein nicht<br />
mehr?<br />
BowIe: Also, Aladdin Sane ist nicht besonders gelungen.<br />
Diamond Dogs ist fantastisch, noch immer eines<br />
meiner Lieblingsalben. Manches von Station To<br />
Station ist okay. Bei Young Americans weiß ich auch<br />
nicht so recht. Oder doch. Spiele ich das Album auf<br />
Foto: Brian Aris/Camera Press/Picture Press<br />
Konzerten? Nein. Also mag ich es wahrscheinlich<br />
nicht. Ich mag fast alles auf Ziggy Stardust, ich mag<br />
alles auf Low und alles auf Heroes außer The Secret Life<br />
Of Arabia, das ich ans <strong>En</strong>de gestellt habe, weil mir<br />
nichts mehr einfiel. Pin Ups war eine dumme Atempause<br />
…<br />
IntervIew: War das die Zeit, als du so viele Drogen<br />
genommen hast?<br />
BowIe: Wahrscheinlich. Das war keine angenehme<br />
Phase in meinem Leben. Es gab ein paar richtig<br />
schreckliche Momente. Immer kurz davor, den Arzt<br />
zu rufen. Kurzschluss-Aktionen, ständig unter Strom.<br />
Deswegen musste ich weg aus Los Angeles.<br />
IntervIew: Wie bist du davon losgekommen?<br />
BowIe: Ich würde sagen: Glück. Ich bin ziemlich<br />
diszipliniert, das bewahrt mich vor dem Schlimmsten.<br />
IntervIew: Wie ist deine finanzielle Situation<br />
jetzt?<br />
BowIe: Besser denn je. Ich habe alles unter Kontrolle,<br />
von A bis Z. Es gibt nur drei Leute, die für<br />
mich arbeiten, und die kriegen ein reguläres Gehalt.<br />
IntervIew: Vertraust du denen?<br />
„Ich BIn Der GeBorene vater”:<br />
DavID BowIe unD tochter aLexanDrIa zahra Jones, new York cItY, 2000<br />
BowIe: Ich muss denen nicht vertrauen, denn es<br />
läuft alles über mich. Und über meinen Namen.<br />
IntervIew: Wie steht es um deine Filmkarriere?<br />
Hattest du das Gefühl zu spielen, als du Der Mann, der<br />
vom Himmel fiel gedreht hast?<br />
BowIe: Der Film interessiert mich nicht besonders.<br />
Ich habe ihn nur einmal gesehen, und das hat<br />
gereicht. Die Arbeit daran habe ich genossen. Und<br />
mehr wollte ich auch gar nicht.<br />
IntervIew: Das letzte Mal hast du mir gesagt,<br />
dass du immer schon Filme machen wolltest …<br />
BowIe: Als Regisseur, nicht als Schauspieler. Ich<br />
würde gern noch fünf möglichst verschiedene Rollen<br />
in weiteren Filmen spielen, einfach nur um zu wissen,<br />
wie das geht. Wenn ich als Regisseur dann die Schauspieler<br />
anschreie, weiß ich, warum.<br />
IntervIew: Hast du launische oder depressive<br />
Phasen?<br />
BowIe: Sehr selten. Ich bin unglaublich glücklich.<br />
IntervIew: Warum?<br />
BowIe: Ich bin nicht mehr so ehrgeizig und strenge<br />
mich nicht an wie verrückt, um ein toller Künstler<br />
zu sein. Ich male Bilder, aber traue mich nicht, eine<br />
Ausstellung damit zu machen … Das macht mir Angst.<br />
Als Musiker habe ich meine Verdienste. Ich weiß, dass<br />
ich gut bin. Ein Maler weiß das auch. Ich dagegen<br />
weiß nicht, ob ich ein guter Maler bin. Aber ich bin<br />
gut mit dem Teil meiner Arbeit, den die Öffentlichkeit<br />
kennt. Ich bin Steinbock, weißt du, deswegen zeige<br />
ich meine Arbeit nur, wenn ich sie gut genug finde.<br />
Ich verstecke mich und übe, bis ich es kann, und dann<br />
zeige ich mich und verkünde: „Ich kann es.“<br />
IntervIew: Du hast schon so oft an Ausstellungen<br />
gearbeitet.<br />
BowIe: Ja, ich weiß. Aber mich hat jedes Mal der<br />
Mut verlassen. Ich weiß einfach nicht, ob meine Bilder<br />
gut genug sind. Ich bin kein David Hockney.<br />
DIeses Gespräch zwIschen DavID BowIe<br />
unD LIsa roBInson erschIen 1978<br />
In Der JunI-ausGaBe von IntervIew.<br />
Im Jahr zuvor hatte BowIe seIn aLBum<br />
Heroes veröffentLIcht<br />
100<br />
101
“<br />
ich hatte eine Vision.<br />
Klingt komisch, aber es war so<br />
Isa<br />
Genzken<br />
ihre allererste Arbeit war ein<br />
Fotoband über die Tristesse in Berlin<br />
in den Siebzigern, diesen herbst<br />
wird sie mit einer Ausstellung im MoMA<br />
geehrt. in den Jahren dazwischen<br />
hat die Künstlerin Minimal Art,<br />
Bauhausarchitektur und Pop-Art<br />
radikal umgedeutet – und unzählige<br />
Kollegen beeindruckt sowie<br />
beeinflusst. Ein Gespräch über Gerhard<br />
richter, Joseph Beuys und die<br />
Qualitäten des Abachi-holzes<br />
von<br />
Dominic eichler<br />
”<br />
porträt<br />
wolfgAng tillmAns<br />
102<br />
isa genzken mit einer der<br />
astro nautenfiguren,<br />
die sie 2007 im deutschen<br />
pavillon der Biennale<br />
in venedig in die luft hängte
Mit ihrem Freund Dan Graham<br />
zog Genzken Anfang der Achtziger<br />
durch Manhattan und fotografierte<br />
auf Punkkonzerten<br />
Fotos (linke Seite): Isa Genzken<br />
Wie um das Jahr der Isa Genzken<br />
einzuleiten, schmückt eine<br />
riesige, hyperrealistische Rose<br />
die Fassade des New Museum<br />
in New York. Es ist eine ihrer<br />
bekanntesten Skulpturen: die perfekte Symbiose aus<br />
süßlicher Geste und Genfehler – ursprünglich entworfen<br />
für den Garten des Sammlers Frieder Burda<br />
im blumigen Baden-Baden. Im Herbst zeigt das<br />
MoMA eine große Retrospektive der Berlinerin. Man<br />
kann das eine Ehre nennen – oder es lange überfällig<br />
finden. In jedem Fall wird ein umfassender Blick auf<br />
das differenzierte und vielseitige Werk Isa Genzkens<br />
ihren Ruf als eine der wichtigsten Künstlerinnen der<br />
Gegenwart bestätigen und verstärken. Und noch einmal<br />
darauf hinweisen, wie lange sie schon dabei ist –<br />
und wie früh sie oft dran war.<br />
In ihrer ersten Einzelausstellung 1976 zeigte sie<br />
sogenannte Ellipsoide – vier bis acht Meter lange,<br />
ganz leicht geschwungene Skulpturen, deren Krümmung<br />
am Computer errechnet worden war. Das<br />
menschliche Maß, das Sockelproblem, die Künstlerhandschrift<br />
– viele der klassischen Probleme des Bildhauers<br />
hatte sie damit wie aus dem Handgelenk abgeschüttelt.<br />
Und mit den parallel entstandenen Aquarellen<br />
ihren damaligen Lehrer und späteren Ehemann<br />
Gerhard Richter beeindruckt.<br />
Der Galerist Daniel Buchholz arbeitet seit 25<br />
Jahren mit der Künstlerin und zeigt jetzt, zur Feier<br />
des Vierteljahrhunderts, eine Ausstellung mit frühen<br />
Arbeiten von Isa Genzken. Die <strong>En</strong>twurfszeichnungen<br />
für die Ellipsoide, die Aquarelle sowie Fotografien<br />
von Punkkonzerten und Musikinstrumenten, die in<br />
New York entstanden, als die Künstlerin Anfang der<br />
Achtziger mit ihrem Freund Dan Graham durch die<br />
Stadt zog.<br />
Mit dem Autor und Galeristen Dominic Eichler,<br />
der einen <strong>Interview</strong>film mit ihr dreht, sprach Isa<br />
Genzken über die ganz frühen und die frühen Tage<br />
ihrer Karriere.<br />
Dominic EichlEr: Wer waren die Genzkens eigentlich?<br />
Gab es Künstler in deiner Familie?<br />
isa G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Mehr oder weniger ja (lacht).<br />
EichlEr: In dem Film Meine Großeltern im Bayerischen<br />
Wald (1992) scheint es, als seien deine Großeltern<br />
wichtig für dich gewesen.<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Das war auch so. Meine Eltern haben<br />
mich im Prinzip irgendwie im Stich gelassen. Ich war<br />
immer allein als Kind. Mein Vater war Arzt, meine<br />
Mutter war gelernte Schauspielerin. Sie war ein paar<br />
Mal auf der Bühne. Meine Eltern sind am selben Tag<br />
geboren. Das ist schon interessant, denn man kann<br />
sich nichts Unterschiedlicheres vorstellen als diese<br />
beiden. Und sie hatten einen Tag nach Joseph Beuys<br />
Geburtstag. Zu dem hatte ich eine intensive Beziehung.<br />
Er mochte mich sehr.<br />
EichlEr: Was war mit deinen Großeltern?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Das waren besondere Menschen, die<br />
mich besonders gut behandelt haben. Meine Großmutter<br />
hatte ein Kunstheft abonniert. Das hat sie immer<br />
ganz genau studiert. In meinem Film sieht sie aus<br />
wie von Vermeer gemalt: mit weißer Schürze in der<br />
Küche. Sie war immer sehr gut gekleidet. Mein Großvater<br />
hatte mit Kunst nichts zu tun, aber er hatte Witz.<br />
EichlEr: Kannst du dich erinnern, wann du das<br />
erste Mal dachtest, dass du Künstlerin werden willst?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Ein Künstler ist schon im Bauch ein<br />
Künstler, also bevor er geboren wird. Denn er schaut<br />
sich schon im Bauch um. Auch wenn die Augen noch<br />
geschlossen sind.<br />
“<br />
Die Ellipsoide<br />
sehen heute noch aus<br />
wie damals.<br />
Und es sind die ersten<br />
Arbeiten, die am<br />
Computer errechnet<br />
wurden<br />
isa G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong> mit EllipsoiD<strong>En</strong>, aufG<strong>En</strong>omm<strong>En</strong> von GErharD richtEr<br />
”– Isa Genzken<br />
EichlEr: Wann kamst du das erste Mal mit Kunst<br />
in Berührung?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Als ich vielleicht fünf Jahre alt war,<br />
trat ich aus meinem Haus und ein Mann kam auf<br />
mich zu und fragte: „Hättest du Lust, in einem Film<br />
mitzuspielen?“ „Das müssen Sie meine Mutter fragen“,<br />
habe ich geantwortet. Meine Mutter hat dann<br />
Verhandlungen finanzieller Art geführt und das Geld<br />
einkassiert. Ich durfte in dem Film ein sehr freches<br />
Mädchen spielen. Das hat mir sehr gut gefallen. Mit<br />
19 war ich dann bildschön. Alle Studenten von der<br />
Filmakademie in Berlin wollten, dass ich in ihren Filmen<br />
mitspiele.<br />
EichlEr: Wollte deine Mutter, dass du Schauspielerin<br />
wirst?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Nein. Aber mein Vater wollte, dass ich<br />
Augenärztin werde. Da würde ich viel Geld verdienen.<br />
Ich dachte, der spinnt. „Wenn du Künstlerin werden<br />
willst, dann musst du besser sein als Maria Callas.“<br />
EichlEr: Was meinte er damit?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Der Onassis hat sie irgendwann verlassen<br />
und die <strong>Frau</strong> Kennedy geheiratet. Sie blieb allein<br />
in Paris und brachte sich dann um. Ich habe mir<br />
diese Geschichte gemerkt. Ich bin ja auch reingefallen,<br />
schließlich habe ich Gerhard Richter geheiratet.<br />
Der war nicht so schlimm wie Onassis. Aber fast.<br />
EichlEr: Zu Richter kommen wir, glaube ich, später<br />
noch. Wie kamst du dann an die Kunsthochschule?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Eigentlich wollte ich Film studieren.<br />
Das Thema taucht in meiner Arbeit immer wieder<br />
auf. Aber die Filmhochschule hat mich nicht angenommen.<br />
Ich hatte Buntstiftzeichnungen eingereicht,<br />
und die Bewerbungskommission meinte, mit Zeichnungen<br />
könne ich mich nicht bewerben. Na, dann<br />
halt an die Kunstakademie, dachte ich.<br />
EichlEr: Welche Lehrer waren dir wichtig?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Gerhard Richter.<br />
EichlEr: Der kam doch später. Du warst doch<br />
erst in Hamburg, dann in Berlin.<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Ja. Aber das war nicht, was ich wollte.<br />
Benjamin Buchloh (renommierter Kritiker, lehrt<br />
heute in Harvard) war damals mein Freund. Ich lebte<br />
in Schöneberg und ging fast jeden Tag in diese Riesendisco<br />
am Nollendorfplatz. Da habe ich Benjamin<br />
Buchloh kennengelernt. Später hat er im Artforum<br />
einen Text über mich geschrieben und behauptet, ich<br />
sei besser als alle amerikanischen Minimal-Künstler.<br />
Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht. Damals<br />
sagte er: „Es gibt nur einen guten Lehrer für dich:<br />
Gerhard Richter.“ Ich kannte den damals gar nicht.<br />
Buchloh sorgte dafür, dass wir von Gerhard Richters<br />
<strong>Frau</strong> zum Abendessen eingeladen wurden. Ich hatte<br />
so einen Respekt und es war so spießig, da in der Küche<br />
zu sitzen, dass ich den ganzen Abend kein Wort<br />
sagte. Auf einmal lud uns Richter in sein Atelier ein.<br />
Dort hingen die Bilder mit den Köpfen für die Biennale.<br />
Ich war 22 und dachte: „Das ist ein Künstler.“<br />
Als wir gingen, sagte ich: „Ich würde übrigens sehr<br />
gern in Ihre Klasse kommen.“ Das war eine wichtige<br />
Szene in meinem Leben. Ich hatte den ganzen Abend<br />
nichts gesagt und hatte Angst, er würde mich ablehnen.<br />
Er antwortete: „Aber selbstverständlich.“ Ich bin<br />
105
dann mit meinen Arbeiten zu ihm gegangen und er<br />
meinte: „Was?!? Sie habe ich genommen?“<br />
EICHLER: Was fand der Richter so schlimm? Oder<br />
war das witzig gemeint?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Ich fand das gar nicht witzig.<br />
EICHLER: Was hat er dir beigebracht?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Er hat mich zu Tode kritisiert. Ich<br />
kam weinend nach Hause und der Buchloh meinte:<br />
„Der hat das nicht so gemeint.“ Dann habe ich<br />
folgenden Trick angewandt. Normalerweise kamen<br />
die Korrekturen vor der ganzen Klasse. Ich meinte:<br />
„Herr Richter, ich würde gern mal mit Ihnen alleine<br />
sprechen.“ Das hat mich ein bisschen Mut gekostet,<br />
aber ich hatte keine Lust, mir immer diese Gemeinheiten<br />
anzuhören. Der sollte mal was anderes sagen.<br />
Ich zeigte ihm die Aquarelle, die ich jetzt auch in der<br />
Galerie Buchholz in Berlin ausstelle. Und auf einmal<br />
wurde der ganz freundlich. „Das erinnert mich ein<br />
bisschen an Palermo“, sagte er.<br />
EICHLER: Du hast vorhin Beuys erwähnt und wie<br />
wichtig er für dich war …<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Er war aus der Akademie rausgeschmissen<br />
worden, weil er einfach jeden, der in seine<br />
Klasse wollte, aufgenommen hat. Zum Trost wurde<br />
ihm ein Raum zur Verfügung gestellt, den er wiederum<br />
den Grünen zur Verfügung stellte. Eine fantastische<br />
Idee, fand ich damals. „Was kann ich denn für<br />
dich tun?“, fragte mich Beuys, als ich ihn zu Hause<br />
besuchte. „Ich finde die Architektur in Deutschland<br />
so grauenhaft. Können wir nicht gemeinsam etwas<br />
Neues bauen?“, antwortete ich. „Wer soll das bezahlen?“,<br />
sagte er.<br />
EInE ROSE ALS STÜTzE<br />
FÜRS nEW MUSEUM In nEW YORk<br />
106<br />
EICHLER: Beuys war damals sehr berühmt. Hatte<br />
er kein Geld?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Er hat sein Geld in das Projekt in Kassel<br />
gesteckt. Ein bisschen was hatte er schon. Einmal<br />
klingelte ich bei ihm und bat ihn um Geld. Er sagte:<br />
„Ich habe die Presse da. Ich kann jetzt nicht reden.<br />
Hier hast du 300 Mark. Geh gut davon essen.“ Davon<br />
habe ich dann zwei Wochen gelebt. Es gibt ja viele<br />
Menschen, die würden dir nie Geld geben.<br />
EICHLER: Wie kam es 1976 zu deiner ersten Einzelausstellung<br />
bei Konrad Fischer?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Ich bin zu jeder Ausstellung in dieser<br />
Galerie gegangen und sah dort Nauman, Richter,<br />
Gilbert & George, Lawrence Weiner. Irgendwann<br />
fragte der Konrad Fischer, was ich eigentlich mache.<br />
Er kam in mein Atelier, sah die Ellipsoide und war<br />
vollkommen von den Socken: „Wann sollen wir ausstellen?“<br />
EICHLER: Du hast diese aufwendigen Arbeiten<br />
produziert, bevor du wusstest, ob du die zeigen würdest.<br />
Wie kam es dazu?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Ich hatte eine Vision. Klingt komisch,<br />
aber es war so. Am Flughafen Tegel. Ich sah, wie eine<br />
Ellipse leuchtete. Ganz kurz. „Dann musst du eine Ellipse<br />
bauen“, dachte ich. Das war wahnsinnig schwierig.<br />
Ich habe mich mit einem Stock und einem Faden<br />
abgemüht, bis mir jemand riet, die Form am Computer<br />
errechnen zu lassen. Das ging dann schneller.<br />
Mit einem Schreiner habe ich die gebaut, aus Abachi-<br />
Holz. Das ist wahnsinnig trocken und verzieht sich<br />
darum nicht. Die Skulpturen sehen heute noch aus<br />
wie damals. Und es waren die ersten Arbeiten, die am<br />
Computer errechnet waren.<br />
EICHLER: Ungewöhnlich für eine junge Künstlerin.<br />
Wurde darüber damals gesprochen?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Weiß ich nicht mehr genau.<br />
EICHLER: Anfangs ging es in deiner Arbeit um Minimalismus,<br />
in den vergangenen zehn Jahren ist die<br />
Popästhetik für dich sehr wichtig geworden. Welche<br />
Rolle spielte Warhol für dich?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Erst mal kaum eine. In Köln musste<br />
ich mal eine Versuchsanordnung von Bruce Nauman<br />
ausführen. Auf dem Boden eines Raumes liegen und<br />
die Linie fixieren, wo sich Wand und Boden treffen.<br />
Ich versank in dem Boden. Verrückt, war aber so.<br />
Die Arbeit hat mich stark beeinflusst. 1987 hatte ich<br />
meine erste Ausstellung bei Daniel Buchholz. Er stellte<br />
Betonarbeiten von mir aus. Dadurch wurde etwas<br />
abgelöst. Vorher waren es die Minimal Artists, durch<br />
ihn lernte ich Wolfgang Tillmans, Kai Althoff kennen.<br />
Das war eine Erlösung. Weniger streng als mit Richter<br />
oder Lawrence Weiner. Manchmal übernachtete ich<br />
bei Daniel, wenn wir lange gefeiert hatten, und er rief<br />
am nächsten Morgen bei Richter an: „Es wurde etwas<br />
später …“ Daniel hat mit dem Bocuse Kochen gelernt,<br />
damit er mich zum Abendessen einladen kann. Als ich<br />
dort Kai Althoff traf, ging ich vor ihm in die Knie und<br />
sagte: „Ich liebe dich.“ Danach ging es mit dem Richter<br />
auch bergab. Der ist nie mit mir ausgegangen. Ich habe<br />
Tag für Tag für ihn gekocht. Das mochte er. Ich fand<br />
es besser, mit Daniel und seinen Leuten zusammen zu<br />
sein als mit jemandem, für den ich kochen sollte.<br />
EICHLER: Du hast damals die abstrakten Basic Research-Bilder<br />
gemacht. Wie fand er die?<br />
G<strong>En</strong>zk<strong>En</strong>: Er hat sich eins in sein Atelier gehängt.<br />
Am nächsten Tag musste es wieder ab. Er fand<br />
es unerträglich. Es gab immer eine starke Konkurrenz<br />
zwischen uns.<br />
dIE AUSSTELLUnG early works<br />
IST bIS zUM 20.4. In dER GALERIE bUCHHOLz<br />
In bERLIn zU SEH<strong>En</strong><br />
Fotos: Dean Kaufman (linke Seite); Isa Genzken (rechte Seite)<br />
AufnAhmen von punkkonzerten in new York, AnfAng der 80er-jAhre
overall<br />
louis vuitton<br />
sarah ruba von der band new look duo<br />
I<br />
NY<br />
fotos<br />
dAvid Armstrong<br />
styling<br />
juliA von boehm<br />
Praktisch jeder kreative Überflieger<br />
landet früher oder später und für kürzer<br />
oder länger in New York. Der Stadt,<br />
in der glühender Ehrgeiz und ein<br />
erstklassiger Look obligatorisch sind.<br />
Einige der aufregendsten neuen Popstars<br />
zeigen die Mode der Stunde<br />
108
die Band the droWners<br />
oBen links, erik snyder:<br />
sWeatshirt<br />
AlexAnder<br />
WAng<br />
restliche kleidung<br />
PriVat<br />
oBen rechts, jack ridley:<br />
toP<br />
Acne<br />
restliche kleidung<br />
PriVat<br />
unten, mattheW hitt:<br />
shirt<br />
BAlenciAgA<br />
lederjacke<br />
lAnVin<br />
linke seite:<br />
aris schWaBe Von der<br />
Band Psychic Warden<br />
mantel<br />
comme des<br />
gArÇons<br />
jeans & ringe<br />
(customized &<br />
hand gemacht)<br />
Aris schWABe<br />
restliche kleidung<br />
PriVat<br />
111
kleid<br />
mArc jAcobs<br />
mia moretti, dj<br />
LINKS:<br />
bH & fELLSTOLa<br />
mIu mIu<br />
KETTE<br />
pRIVaT<br />
DEE DEE VON DER baND Dum Dum gIRLS<br />
RECHTS:<br />
KLEID<br />
LANVIN<br />
HaaRSpaNgE<br />
jENNIfER bEHR<br />
STRümpfE & SCHmuCK<br />
pRIVaT<br />
112
oben links:<br />
kleid<br />
proenzA schouler<br />
kette<br />
hAyden dunhAm<br />
sängerin lissy trullie<br />
oben rechts:<br />
kleid, hose & choker<br />
givenchy by<br />
riccArdo tisci<br />
linke seite:<br />
sänger le1F<br />
114<br />
shirt<br />
givenchy by<br />
riccArdo tisci<br />
ohrring<br />
rodArte<br />
115
diese seite,<br />
PatriCk WiMberLy:<br />
ManteL<br />
MugLer<br />
Hose<br />
givenCHy by<br />
riCCArdo tisCi<br />
kette & ringe<br />
LAdy grey<br />
reCHte seite,<br />
CaroLine PoLaCHek:<br />
toP, roCk & ringe<br />
baLenCiAgA<br />
116<br />
die band CHairLift<br />
Hair saraH siba, Make-up frankie boyd,<br />
Photo assistant etHan greene, digital technician ben grieMe,<br />
styling assistants CLare byrne, aLLison bornstein,<br />
Casting oLiver & van skye for artforMgrouP.CoM,<br />
Production MegHan fitZgeraLd/Jed root
Diane<br />
<strong>Kruger</strong><br />
von<br />
Harald Peters<br />
Fotos<br />
mArkus jAns<br />
styling<br />
klAus stockhAusen<br />
“<br />
Wenn ich in Deutschland bin, dann<br />
schlafe ich zu Hause bei meiner Mutter –<br />
in meinem alten Kinderzimmer<br />
auf der Ausziehcouch<br />
TrenchcoaT<br />
BurBerry prorsum<br />
schuhe<br />
cAlvin klein collecTion
Wie man als Deutsche<br />
in Hollywood zu<br />
Ruhm kommt? Man<br />
beginnt die Karriere<br />
einfach in Frankreich<br />
und achtet darauf,<br />
das deutsche Kino<br />
weiträumig zu meiden.<br />
In ihrem neuen Film<br />
Der Nächste, bitte! ist<br />
DIane KRugeR<br />
an der Seite von Dany<br />
Boon erstmals in einer<br />
(natürlich französischen)<br />
Komödie zu<br />
erleben, bevor sie im<br />
Sommer in The Host<br />
als zweifelhaftes alien<br />
mit Freude Jagd auf<br />
menschliche Seelen<br />
macht (selbstverständlich<br />
amerikanische).<br />
Denn was man<br />
bislang noch nicht<br />
über sie wusste:<br />
Sie mag außerirdische<br />
IntervIew: Diane, sag mal, wie lange wohnst du eigentlich<br />
schon nicht mehr in Deutschland?<br />
DIane <strong>Kruger</strong>: Oh, ich bin mit 15 weg, das sind<br />
jetzt also über 20 Jahre.<br />
IntervIew: Also deutlich mehr als die Hälfte deines<br />
Lebens.<br />
<strong>Kruger</strong>: Mehr als die Hälfte, ja. Aber was heißt<br />
weg, ich komme schon oft nach Hause.<br />
IntervIew: Besuchst du Deutschland so, wie andere<br />
Leute zu Weihnachten bei ihrer Großmutter<br />
vorbeischauen?<br />
<strong>Kruger</strong>: Es ist kompliziert. Immer wenn ich in<br />
Frankreich oder in Amerika bin, fühle ich mich sehr<br />
deutsch, weil ich merke, dass ich einen anderen kulturellen<br />
Hintergrund habe. Aber wenn ich dann in<br />
Deutschland bin, spüre ich, dass mir das Land mittlerweile<br />
ziemlich fremd geworden ist. Es ist natürlich<br />
super, die Sprache zu sprechen und nicht darüber<br />
nachdenken zu müssen, und auch die Kultur ist mir<br />
nah, aber ich weiß nicht, ob ich hier noch einmal leben<br />
könnte. Dafür bin ich schon zu lange weg. Es ist<br />
zwar immer wieder schön zurückzukommen, aber …<br />
Na, ich meine, wenn ich hier bin, dann schlafe ich zu<br />
Hause bei meiner Mutter – in meinem alten Kinderzimmer<br />
auf der Ausziehcouch.<br />
IntervIew: Du hattest in Deutschland nie eine<br />
eigene Wohnung?<br />
<strong>Kruger</strong>: Nein, noch nie. Die längste Zeit, die ich<br />
allein in einer Wohnung in Deutschland gewohnt<br />
habe, war während des Drehs zu Unknown Identity in<br />
Berlin. Aber das war eine Arbeitswohnung, die zählt<br />
wahrscheinlich nicht.<br />
IntervIew: Von außen betrachtet könnte man sagen,<br />
dass du derzeit in deiner dritten Karriere steckst.<br />
<strong>Kruger</strong>: So ungefähr.<br />
IntervIew: Zunächst wolltest du Ballerina werden,<br />
deswegen bist du mit 15 aus Deutschland weg<br />
und hast an der Royal Ballet School in London studiert<br />
– und das ist nicht irgendeine Ballettschule.<br />
<strong>Kruger</strong>: Nein, die ist schon ziemlich gut. Dummerweise<br />
hat sich bereits in der Pubertät abgezeichnet,<br />
dass mein Körper wohl nicht dafür gemacht ist,<br />
auf hohem Niveau zu tanzen. Das müssen sich leider<br />
viele Mädchen eingestehen, die Balletttänzerinnen<br />
werden wollen. Ich musste also immer mehr trainieren<br />
als die anderen, aber mitzuhalten wurde trotzdem<br />
schwieriger und schwieriger. Zumal ich mich auch<br />
nicht im Hintergrund einer Balletttruppe gesehen<br />
habe. Ich wollte schon vorne mittanzen, aber das war<br />
wirklich sehr mühsam.<br />
IntervIew: Aber es war nicht alles umsonst.<br />
<strong>Kruger</strong>: Überhaupt nicht. Beim Ballett habe ich<br />
viel gelernt. Zum Beispiel, wie man mit dem Körper<br />
Emotionen ausdrückt. Ich weiß nicht, ob ich sagen<br />
kann, dass ich ein wütendes Kind war, aber ich hatte<br />
so einen Aufruhr in mir. Und dass ich als Kind gelernt<br />
habe, all die Sachen, die in mir vergraben waren, mit<br />
Kunst und Musik und Bewegung rauszulassen, hat<br />
mich letztendlich auch zur Schauspielerei gebracht.<br />
In der Hinsicht hat mir das Modeln einfach nicht gereicht,<br />
da konnte meine Seele nicht schreien.<br />
IntervIew: Dabei warst du als Model ziemlich<br />
erfolgreich.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, eigentlich schon.<br />
IntervIew: Du warst auf vielen Covern: <strong>Vogue</strong>,<br />
Harper’s, Elle …<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, viele Cover, überhaupt viele Fotos.<br />
Auf dem Laufsteg habe ich kaum gemodelt, dafür bin<br />
ich zu klein.<br />
IntervIew: Du warst das Kampagnengesicht von<br />
„Acqua di Giò“ und „Allure“ von Chanel.<br />
120<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, ich habe viele Parfüms gemacht.<br />
IntervIew: Man kann da also schon von einer<br />
Karriere sprechen.<br />
<strong>Kruger</strong>: Auf jeden Fall.<br />
IntervIew: Und dann hast du plötzlich aufgehört.<br />
Wie alt warst du da? Anfang 20?<br />
<strong>Kruger</strong>: 21, 22 war ich da.<br />
IntervIew: Um dann Schauspielerin zu werden?<br />
<strong>Kruger</strong>: Um erst einmal zur Schauspielschule zu<br />
gehen. Aber ich wusste natürlich nicht, ob die mich<br />
nehmen.<br />
IntervIew: Aber es gab da einen klaren Schnitt<br />
zwischen dem Modeln und der Schauspielerei und<br />
keinen fließenden Übergang?<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, das Modeln war für mich vorbei. Das<br />
war mir zu langweilig, das ging einfach nicht mehr.<br />
Zuerst war es natürlich super, aber mit der Zeit …<br />
IntervIew: Wie fing es an?<br />
<strong>Kruger</strong>: Mit viel Glück. Gleich mein erster Job<br />
war die Kampagne für ein Parfüm von Cacharel,<br />
„Loulou“. Das mag sich vielleicht klischeehaft anhören,<br />
aber damit wurde ich praktisch über Nacht erwachsen.<br />
Mit einem Mal war ich finanziell unabhängig,<br />
konnte reisen und die Welt sehen, lernte andere Sprachen.<br />
Also, ich habe dem Modeln viel zu verdanken.<br />
IntervIew: Wie alt warst du damals?<br />
<strong>Kruger</strong>: 16.<br />
IntervIew: Dabei hast du als ehemalige Ballettschülerin,<br />
die von einer Karriere als Ballerina träumte,<br />
wahrscheinlich nie damit gerechnet, überhaupt<br />
Geld zu verdienen.<br />
<strong>Kruger</strong>: Nein, nie.<br />
IntervIew: War es da nicht finanziell ein großes<br />
Risiko, einfach so mit dem Modeln aufzuhören?<br />
<strong>Kruger</strong>: Na ja, ich hatte mein Geld ja nicht ausgegeben,<br />
ich war da schon sehr deutsch.<br />
IntervIew: Verstehe.<br />
<strong>Kruger</strong>: Und was hatte ich schon zu verlieren?<br />
Ich war viel zu unglücklich, um mit diesem Modelleben<br />
weiterzumachen. Ich habe dann zu mir selbst<br />
gesagt: „Hey, spinnst du? Wie kannst du denn mit 22<br />
so unglücklich sein?“<br />
IntervIew: Zumal es augenscheinlich gut lief.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, es lief total gut. Aber mir hat der Job<br />
einfach keinen Spaß mehr gemacht. Es gab da einfach<br />
eine Seite in mir, die ich nicht ausleben konnte.<br />
IntervIew: War die Schauspielerei für dich die<br />
logische <strong>En</strong>twicklung?<br />
<strong>Kruger</strong>: Kann man so sagen. Ich lebte damals in<br />
Paris und New York und hatte viele Freunde, die<br />
Schauspieler waren. Bei meiner Modelagentur riefen<br />
immer häufiger Regisseure an, weil sie ein Foto von<br />
mir gesehen hatten, Luc Besson zum Beispiel, aber<br />
das war noch ein paar Jahre vorher. Jedenfalls entwickelte<br />
sich langsam der Wunsch zu spielen. Ich bediente<br />
damit natürlich das Klischee, dass alle Models<br />
von einer Schauspielkarriere träumen, aber das war<br />
mir scheißegal: „Sollen die Leute doch denken, was<br />
sie wollen, ich muss das für mich selber rausfinden.“<br />
Ich habe es auch niemandem erzählt, dass ich auf die<br />
Schauspielschule gehen will, ich habe einfach nur<br />
meinen Booker angerufen und gesagt: „Es ist vorbei,<br />
ich höre auf.“ Der war nur … na, du kannst dir das ja<br />
vorstellen, wie er war.<br />
IntervIew: Fassungslos.<br />
<strong>Kruger</strong>: Meine Mutter auch. Die meinte nur:<br />
„Sag mal, spinnst du jetzt?“ Aber weil ich Ersparnisse<br />
hatte, musste ich neben der Schauspielschule nicht<br />
arbeiten und konnte mich auf die Ausbildung konzentrieren.<br />
Ich habe mir ein Jahr Zeit gegeben und dachte<br />
mir: „Was kann mir schon passieren?“<br />
Kleid, netzübersatz & gürtel<br />
CAlvin Klein ColleCtion
overall<br />
chAnel<br />
IntervIew: Erzähl doch mal die Geschichte mit<br />
Besson. Der hatte sich bei deiner Agentur gemeldet?<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, der hatte ein Bild von mir in der Zeitung<br />
gesehen und war gerade dabei, das Casting für<br />
Das fünfte Element zu machen. Dann hat er bei meiner<br />
Agentur angerufen und gesagt, dass er mich gern kennenlernen<br />
würde.<br />
IntervIew: Wie alt warst du damals?<br />
<strong>Kruger</strong>: 17 oder 18, also noch sehr jung, und ich<br />
sprach kaum Französisch. Ich wusste auch nicht so<br />
richtig, wer er eigentlich war. Und dann saß ich in<br />
seinem Büro und war natürlich sehr beeindruckt. Er<br />
hat mir irgendwelche Fragen gestellt, über mich und<br />
mein Leben. Also, das war echt ein bisschen komisch.<br />
IntervIew: Wieso?<br />
<strong>Kruger</strong>: Die ganze Situation hat mir irgendwie<br />
Angst gemacht, oder vielleicht ist Angst nicht das<br />
richtige Wort, aber ich war verunsichert. Ich dachte<br />
nur: „Wer ist dieser Mensch? Was will der von mir?“<br />
Irgendwann hat er dann angefangen, mir eine Geschichte<br />
zu erzählen, die so was von furchtbar war.<br />
IntervIew: Wovon handelte die?<br />
<strong>Kruger</strong>: Das weiß ich nicht mehr so genau, ich<br />
kann mich nur noch daran erinnern, dass irgendwelche<br />
Leute darin ums Leben gekommen sind. Ich habe<br />
jedenfalls angefangen zu weinen, was mir verständlicherweise<br />
schrecklich peinlich war, weil ich ja bei diesem<br />
fremden Mann im Büro saß. Und dann fing er an,<br />
mich zu filmen, und ich fand das total seltsam und<br />
wollte nur noch weg. Er hat natürlich gemerkt, dass<br />
ich noch ganz jung war, und sagte dann: „Hör mal,<br />
nimm dir Zeit, aber ich glaube, du solltest darüber<br />
nachdenken, Schauspielerin zu werden.“ Und ich<br />
meinte nur: „Ja, klar.“ Aber seine Firma hat dann auch<br />
meinen zweiten Film produziert, das heißt, sie haben<br />
mir eine Rolle in dem Film gegeben.<br />
IntervIew: Welcher war das?<br />
<strong>Kruger</strong>: Michel Vaillant. Leider einer meiner<br />
schlechtesten Filme.<br />
IntervIew: Welcher ist der beste Film?<br />
<strong>Kruger</strong>: Das musst du entscheiden.<br />
IntervIew: Warum kannst du das nicht?<br />
<strong>Kruger</strong>: Weil für mich die Arbeit an einem Film<br />
oft wichtiger ist als das <strong>En</strong>dergebnis. Ich beurteile sie<br />
nach anderen Maßstäben. Mir ist ein Film wichtig,<br />
wenn ich bei den Dreharbeiten merke, dass ich als<br />
Schauspielerin etwas dazugelernt habe.<br />
IntervIew: Und welche Filme sind das?<br />
<strong>Kruger</strong>: Zum Beispiel bei dem Beethoven-Film<br />
Klang der Stille. Bei Inglourious Basterds natürlich und<br />
bei Leb wohl, meine Königin!, das war ein Arthouse-<br />
Film, in dem ich Marie Antoinette spiele.<br />
IntervIew: Wie viele Filme hast du eigentlich<br />
schon gedreht?<br />
<strong>Kruger</strong>: Fast 30 sind es inzwischen.<br />
IntervIew: Der Nächste, bitte! ist jetzt die erste<br />
Komödie.<br />
<strong>Kruger</strong>: Es ist jedenfalls der erste Film, der von<br />
Anfang bis <strong>En</strong>de eine Komödie ist. Inglourious Basterds<br />
hatte natürlich auch komödiantische Momente.<br />
IntervIew: Aber warum hat es mit der ersten<br />
richtigen Komödie so lange gedauert? Hält man dich<br />
nicht für lustig?<br />
<strong>Kruger</strong>: Ich weiß nicht. Ich wollte schon seit<br />
Langem eine drehen, habe aber nichts Passendes gefunden.<br />
Bei denen, die mir angeboten wurden, haben<br />
sich immer die kulturellen Unterschiede bemerkbar<br />
gemacht. Was Franzosen lustig finden, finde ich nicht<br />
zwangsläufig lustig. Und viele der amerikanischen<br />
Komödien sind mir zu offensichtlich.<br />
IntervIew: Verstehe.<br />
“<br />
Als die Anfrage<br />
kam, Boy George zu<br />
spielen, dachte ich nur:<br />
Wieso ausgerechnet<br />
ich? Andererseits sah<br />
er damals, als er ganz<br />
jung war, wirklich<br />
ziemlich weiblich aus<br />
”– Diane <strong>Kruger</strong><br />
123<br />
<strong>Kruger</strong>: Außerdem bin ich keine Komödiantin.<br />
Ich kann keine Nummern spielen wie zum Beispiel<br />
mein Filmpartner Dany Boon, der ja in Frankreich<br />
ein großer Stand-up-Comedian ist. Also das, was<br />
Dany macht, das könnte ich gar nicht. Deswegen habe<br />
ich mir eine Figur gesucht, die im Grunde ganz normal<br />
ist, nur dass ihr ständig unglaubliche Dinge passieren.<br />
Und dadurch wird es lustig.<br />
IntervIew: Komödien sind ohnehin lustiger,<br />
wenn die Schauspieler nicht versuchen, lustig zu sein.<br />
<strong>Kruger</strong>: Genau.<br />
IntervIew: Dafür ist der Grundkonflikt in Der<br />
Nächste, bitte! wirklich herausragend bekloppt.<br />
<strong>Kruger</strong>: Aber das ist bei romantischen Komödien<br />
doch immer so. Das macht sie so charmant.<br />
IntervIew: Wenn die Geschichte von der Hauptfigur<br />
verlangt, dass sie einen Unbekannten dazu bringt,<br />
sie aus Liebe zu heiraten, um sich dann sofort wieder<br />
von ihm zu trennen, weil die Grundvoraussetzung für<br />
die wahre Liebe eben eine Scheidung ist – dann muss<br />
man die Rollen so spielen, als sei das alles naheliegend<br />
und nachvollziehbar.<br />
<strong>Kruger</strong>: Absolut.<br />
IntervIew: Ähnlich rar wie Komödien sind deutsche<br />
Filme bei dir. Du hast noch nie in einem mitgespielt.<br />
<strong>Kruger</strong>: Nein. Aber mir ist auch nie einer angeboten<br />
worden.<br />
IntervIew: Dir ist nie einer angeboten worden?<br />
<strong>Kruger</strong>: Genau, es liegt also nicht an mir.<br />
IntervIew: Oder nur an dir: Vielleicht bist du zu<br />
teuer?<br />
<strong>Kruger</strong>: Weiß ich nicht. Es ist ja noch nie zu Verhandlungen<br />
gekommen. Vielleicht liegt es auch daran,<br />
dass ich in Deutschland gar keinen Agenten habe.<br />
IntervIew: Dafür ist dir irgendwie das Kunststück<br />
gelungen, sowohl in Frankreich als auch in<br />
Hollywood eine Karriere zu haben und dabei nicht<br />
zwangsläufig als Deutsche besetzt zu werden.<br />
<strong>Kruger</strong>: Doch, schon, in Inglourious Basterds zum<br />
Beispiel.<br />
IntervIew: Ja, aber in The Host wird man dich<br />
demnächst als Alien sehen. Oder spielst du da etwa ein<br />
deutsches Alien?<br />
<strong>Kruger</strong>: Nein, natürlich nicht.<br />
IntervIew: Wie ist dir diese Anpassungsleistung<br />
gelungen?<br />
<strong>Kruger</strong>: In Frankreich liegt es vor allem daran,<br />
dass ich dort auf die Schauspielschule gegangen bin<br />
und klassisches Theater studiert habe. Das war ganz<br />
schön schwierig für mich. Ich spreche zwar flüssig<br />
Französisch, aber ich hab es nie richtig gelernt, in der<br />
Schule hatte ich Latein und <strong>En</strong>glisch. Und die Werke<br />
von Molière und Victor Hugo sind ja in Altfranzösisch<br />
geschrieben. Man kann das in etwa mit dem<br />
Shakespeare-<strong>En</strong>glisch vergleichen. Also, leicht war<br />
das nicht. Aber die französische Filmwelt hat mich<br />
von Anfang an mit offenen Armen aufgenommen – ob<br />
ich nun gute oder weniger gute Filme gedreht habe.<br />
Mittlerweile spiele ich auch Französinnen wie etwa in<br />
Der Nächste, bitte!, obwohl ich natürlich immer noch<br />
einen kleinen Akzent habe.<br />
IntervIew: Hört man den?<br />
<strong>Kruger</strong>: Du vielleicht nicht. Aber Franzosen<br />
merken das nach zehn Minuten. Vor allem mache ich<br />
grammatikalische Fehler, weil ich Französisch ja wie<br />
gesagt nie richtig gelernt habe. Manche Sachen, die<br />
ich auf Französisch sage, hören sich also ein bisschen<br />
komisch an. Die Leute fragen dann, wo ich herkomme.<br />
Mein Französisch klingt zwar nicht deutsch, aber<br />
eben auch nicht vollkommen französisch.
IntervIew: In Leb wohl, meine Königin! hat deine<br />
Marie Antoinette einen deutlichen Akzent.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, klar, Marie Antoinette ist ja auch keine<br />
Französin, sondern kommt aus Österreich.<br />
IntervIew: Du hast eine Sprachbegabung.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ich glaube, ich habe einfach ein gutes<br />
Ohr. Und weil ich, egal wo ich arbeite, immer Ausländerin<br />
bin, habe ich stets an meinem Akzent arbeiten<br />
müssen. Irgendwann entwickelt man ein Gespür dafür.<br />
Und eigentlich sind Akzente und Sprache ja sowieso<br />
nur ein Muskel, den man trainieren muss. Also,<br />
mir macht das Spaß.<br />
IntervIew: Im Moment hast du übrigens einen<br />
französischen Akzent.<br />
<strong>Kruger</strong>: Hm … super!<br />
IntervIew: Gleich nach Der Nächste, bitte! kommt<br />
The Host. Das ist eine Stephenie-Meyer-Verfilmung.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, hast du das Buch gelesen?<br />
IntervIew: Nein, von Meyer kenne ich nur<br />
Twilight, und zwar in der Filmversion.<br />
<strong>Kruger</strong>: The Host ist jedenfalls ein Science-Fiction-Film.<br />
Gedreht hat ihn Andrew Niccol, das ist der<br />
Regisseur von Gattaca, einem meiner Lieblingsfilme.<br />
Ich bin sowieso ein totaler Sci-Fi-Geek.<br />
IntervIew: Ach so …<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, Star Trek, Star Wars, alles Filme, die<br />
größer sind als das Leben. Da kann man Sachen spielen,<br />
wie sie im normalen Drama nicht möglich wären.<br />
IntervIew: Und wovon handelt The Host?<br />
<strong>Kruger</strong>: Von einer außerirdischen Bakterie, die<br />
in die Körper der Menschen schlüpft und so etwas wie<br />
die Weltherrschaft übernimmt. Hinterher gibt es keine<br />
Kriege und keine Umweltverschmutzung mehr,<br />
aber leider ist das Leben auch nicht mehr besonders<br />
aufregend. Alles ist ein bisschen Stepford Wives-mäßig.<br />
IntervIew: Gehörst du zu den Guten?<br />
<strong>Kruger</strong>: Das kann man nicht sagen.<br />
IntervIew: Im Trailer siehst du aus, als könne<br />
man dir nicht über den Weg trauen.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ha ha, da muss man aufpassen.<br />
IntervIew: Ist der Film so stylish, wie man es<br />
nach Gattaca erwartet?<br />
<strong>Kruger</strong>: Sehr stylish. Ich fahre einen chromfarbenen<br />
Lotus und ein chromfarbenes Motorrad.<br />
IntervIew: Als ich neulich das Video zu Mark<br />
Ronsons Somebody To Love gesehen habe, dachte ich<br />
mir: „Im Grunde hat Diane alles erreicht: Sie war<br />
Helena von Troja, und sie war Boy George.“<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, was soll da noch passieren?<br />
IntervIew: Wie bist du zu der großen Ehre, Boy<br />
George zu spielen, gekommen?<br />
<strong>Kruger</strong>: Keine Ahnung. Als die Anfrage kam,<br />
dachte ich nur: „Wieso ausgerechnet ich?“ Andererseits<br />
sah er damals, als er ganz jung war, wirklich ziemlich<br />
weiblich aus. Und natürlich saß ich für das Video<br />
ewig lang in der Maske, fünf Stunden ungefähr. Davon<br />
abgesehen haben wir schon die gleiche Nase und diese<br />
blauen Augen. Dennoch war ich überrascht, wie ähnlich<br />
ich ihm sehe (lacht). Ich habe auch seine Perücke<br />
und seine Klamotten von damals getragen.<br />
IntervIew: Aber der ist doch viel größer als du.<br />
Und auch viel dicker.<br />
<strong>Kruger</strong>: Ja, ja, aber ich hatte ein Fatsuit an, und<br />
dann ging das schon.<br />
“<br />
Ich war viel zu unglücklich,<br />
um mit diesem Model leben<br />
weiterzumachen. Ich habe dann<br />
zu mir selbst gesagt:<br />
,Wie kannst du denn mit 22<br />
so unglücklich sein?‘<br />
”<br />
– Diane <strong>Kruger</strong><br />
Der Nächste, bitte! Kommt<br />
am 21. märz Ins KIno,<br />
the host startet am 6. junI<br />
Haare PerrIne rougemont/Caren<br />
mIt ProduKten von joHn frIeda<br />
digital operator julIa von der HeIde<br />
foto-assistenz jonas HoltHaus<br />
styling-assistenz CarolIne lemblé, adrIan feKete<br />
retusche jana gerberdIng<br />
dank an Hotel de rome<br />
trenCHCoat<br />
burberry brIt<br />
KleId<br />
CHAnel<br />
sCHuHe<br />
jIl sAnder<br />
124
FotoalbuM<br />
fotoalbum<br />
JR<br />
the Wrinkles of the City, los angeles, 2012<br />
Der Franzose Jr schreit seine Gesichter<br />
hinaus, plakatiert sie überlebensGross<br />
GeGen Die kultur Des WeGsehens.<br />
sein Material sinD Menschen, papier<br />
unD kleister, seine leinWanD Die brücken,<br />
züGe, WänDe unD Dächer Dieser Welt.<br />
bevor er iM april Die Deutsche hauptstaDt<br />
überFällt, traFen Wir Den künstler unD<br />
sprachen Mit ihM über<br />
einiGe seiner WichtiGsten Werke<br />
von<br />
JörG hArlAn rohleDer<br />
Fotos<br />
Jr<br />
pJönGJanG, 2012 Das porträt entstanD bei MeineM besuch in norDkorea iM verGanGenen Jahr.<br />
Das lanD Feierte Den 100. GeburtstaG Des Grossen Führers kiM il-sunG, unD ich Musste Mir Das<br />
spektakel einFach ansehen. ich reiste unter MeineM bürGerlichen naMen ins lanD, tarnte Mich<br />
als tourist unD War Geschockt, Wie sehr Man kunst als propaGanDa Missbrauchen kann. ich<br />
habe tolle WänDe in pJönGJanG Gesehen, aber Dort zu plakatieren War unMöGlich. schon Für<br />
Dieses bilD hätte ich ins GeFänGnis koMMen können.<br />
126<br />
Zwei Liebende auf einem Hausdach in Los Angeles. Sie sind Teil meines Projektes The Wrinkles Of The City, das<br />
seit 2008 läuft. Ich arbeite gerne mit alten Menschen, weil sie gute Geschichten erzählen können und interessantere<br />
Gesichter haben als irgendwelche 20-Jährigen. Insgesamt wird das Projekt in fünf Städten stattfinden.<br />
In Cartagena, Schanghai, Los Angeles und Havanna war ich schon, als Nächstes ist Berlin dran. Im April.<br />
2011 wurdest du für deine Arbeiten mit dem TED-Preis ausgezeichnet, was für einen Fotokünstler ziemlich krass ist:<br />
In den Jahren zuvor bekamen den Preis die Präsident/Popstar-Philanthropen Bill Clinton und Bono.<br />
Ich habe mich schon gefragt, woher die TED-Leute mich überhaupt kennen. Aber es war natürlich eine große Ehre. Und<br />
100 000 Dollar sind ja auch nicht wenig Preisgeld – damit konnte ich Inside Out starten, mein neuestes Projekt: Es geht darum,<br />
jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, seine eigenen Bilder in meinem Stil zu plakatieren und so gesehen zu werden.<br />
Baudrillard forderte den „Aufstand der Zeichen“, du gibst den Menschen das nötige Handwerkszeug dazu …<br />
Wie gesagt: Es geht darum, gesehen zu werden. Die Straße zurückzuerobern, sie nicht der Werbewirtschaft und der Politik<br />
kampflos zu überlassen. Ich bekomme täglich mehr als ein Dutzend Zuschriften, innerhalb des ersten Jahres haben wir mehr<br />
als 130 000 Poster gedruckt und in 108 Länder verschickt. An Mönche aus Kambodscha, Schulklassen in Spanien, Menschen<br />
in Port-au-Prince/Haiti. Es ist großartig, zu sehen, was andere aus meiner Idee machen, wie sie sie weiterentwickeln und zu<br />
ihrer eigenen machen. An der mexikanischen Grenze haben sie die Betonbänke mit Fotos von Hunderten von illegalen Einwanderern<br />
plakatiert. Oder in Tunesien: Dort kleben ständig Jugendliche ihr Foto über das des Präsidenten. Riesengroß.<br />
Du trittst nur mit Sonnenbrille und Schlapphut in der Öffentlichkeit auf.<br />
Wer ist der Mann hinter der Verkleidung? Wie und wo bist du aufgewachsen?<br />
In einem der Banlieues von Paris. Allerdings war unser Viertel eher ruhig, eine Schlafstätte. Meine Eltern arbeiteten in Callcentern.<br />
Ich habe tunesisch-jüdische Wurzeln, schwänzte gerne die Schule, trieb mich rum, hatte eigentlich eine ziemlich<br />
normale Kindheit. Als ich das erste Mal wegen eines Graffiti verhaftet wurde und die Polizei bei meinen Eltern anrief, meinten<br />
die nur: „Was? Wir sollen auf die Wache kommen und ihn abholen? Wegen ein paar Schmierereien mit einem Edding?<br />
Das ist lächerlich.“ Sie legten auf und kamen einfach nicht. Ich saß in der Zelle bis zum nächsten Morgen.<br />
Heute bist du ein gefeierter Künstler. Deinen bürgerlichen Namen nennst du dennoch nicht.<br />
Das gehört zum Spiel. Auch wenn ich heute immer versuche, Genehmigungen einzuholen für die Wände, die ich plakatiere:<br />
JR bleibt mein Nom de Guerre, meine Marke.<br />
127
fotoalbum<br />
fotoalbum<br />
portrait of a generation, Paris, 2004<br />
Women are Heroes, Kibera/Kenia, 2009<br />
Das ist das Motiv, für das ich über die Stadtgrenzen von Paris hinaus bekannt wurde. Auf dem Bild sieht man<br />
Ladj Ly, einen sehr guten Freund von mir, umringt von Kids aus der Nachbarschaft. Ladj rief mich an und<br />
meinte zu mir: „Warum plakatierst du eigentlich nie bei uns?“ Er wohnte in Les Bosquets, einer ziemlich<br />
krassen Gegend. Also fuhr ich hin. Als Ladj mit seiner Kamera und den Kids für mich posierte, ahnte ich nicht,<br />
wie wichtig dieses Bild werden würde – angefangen von der Kamera, die wie ein Gewehr aussieht –, bis die Realität uns einholte:<br />
Ich druckte das Bild aus, um es zu plakatieren, und bekam Schützenhilfe von den Jungs im Viertel. Die Polizei wollte meine<br />
Aktion unterbinden, aber konnte nicht eingreifen: Um mich herum standen 150 Kids aus der Nachbarschaft, ein Zugriff war<br />
unmöglich. Die Stadt verklagte mich daraufhin, aber das war mir egal.<br />
Ein Jahr später brachen die Unruhen in den Banlieues von Paris aus. Die Vorstadt brannte.<br />
Das war krass. Die Unruhen begannen keine 20 Meter neben diesem Bild. Die Bullen verfolgten ein paar Jugendliche und trieben<br />
sie in den Tod. Die Jungs hatten versucht, sich in einem Hochspannungskasten zu verstecken. Die Nachricht von ihrem Tod<br />
verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Paris, und wenige Stunden später brannte die Vorstadt. Die französischen Medien trauten<br />
sich natürlich nicht ins Banlieue rein, und plötzlich riefen sie bei mir an und fragten, ob ich für sie fotografieren wolle – das war<br />
der Moment, in dem ich entschied, Künstler und nicht Pressefotograf zu werden. In der Nacht danach fing ich an, Ladj und die<br />
Jungs überall in Paris zu plakatieren: Les Bosquets, Montfermeil, Clichy-sous-Bois, auf den Wänden des 16. Arrondissements,<br />
unmittelbar neben den Louis-Vuitton-Anzeigen … Da habe ich kapiert, welche Macht Bilder eigentlich haben. Sie sind die Waffen<br />
unserer Zeit. Der Bürgermeister soll getobt haben, aber mir war das egal. Fünf Jahre später klebte Ladj an der Wand der Tate<br />
Modern in London …<br />
Wieso hast du überhaupt angefangen, Fotos an die Wand zu kleben?<br />
Weil ich als Sprüher einfach nicht gut genug war (lacht). Nein, alles hat damit angefangen, dass ich eine Kamera in der Metro<br />
gefunden habe. Anfangs fotografierte ich meine Freunde, wenn sie nachts unterwegs waren, um Züge und Tunnels zu malen –<br />
irgendwann kam ich dann auf die Idee, diese Bilder auszudrucken und einen Rahmen darum zu sprühen. Beim ersten Mal sprühte<br />
ich sogar noch in der Nacht vor der eigentlichen Aktion „Hier findet bald eine Straßenausstellung statt“ an die Hauswand im<br />
Marais. Ich war 17 und wollte, dass die Leute darauf aufmerksam werden, auch wenn das heute komisch klingen mag. Eine Galerie<br />
kam für mich nicht infrage. Wer braucht eine Galerie, wenn er die Champs-Élysées als Ausstellungsraum nutzen kann? Alle<br />
sollten es sehen! Auch die Polizei, die meine Ankündigung als dreisten Affront verstand. Lustigerweise plakatierte ich das erste<br />
Motiv an der Wand gegenüber des Museums für Fotografie in Paris. Ein schöner Zufall.<br />
Kibera in Kenia, angeblich der größte Slum Afrikas. Die Nummer war ziemlich heikel: Nach meinem ersten<br />
Besuch, bei dem ich die <strong>Frau</strong>en fotografierte und überlegte, wo ich was plakatieren kann, brachen Unruhen<br />
aus. Schlimme, schlimme Unruhen. Niemand hatte damit gerechnet, dass dies in Kenia passieren<br />
würde. Niemand kam mehr rein, niemand raus. Die Lage eskalierte. Die Menschen von Kibera waren so<br />
sauer, dass sie die Bahngleise der Uganda Railway Line, die durch den Slum führt, aus dem Boden rissen. Sie hatten die<br />
Schnauze voll, dass der Präsident seine Luxusgüter durch den Slum fahren lässt. Boom. Dabei war der Zug ihre einzige Möglichkeit,<br />
in die Stadt zu kommen. Als wir nach sechs Monaten den zweiten Anlauf wagten, hatte sich die Lage beruhigt. Alles<br />
lief glatt. Dabei hatten wir gerade mal zehn Tage. Bei Projekten wie diesem weiß man natürlich nie, was passiert. Ich wollte<br />
unbedingt den Zug plakatieren, der Kibera mit Nairobi verbindet, wusste aber nicht, wie das gehen soll. Von Paris aus lässt<br />
sich so etwas ja kaum organisieren. Durch einen Zufall traf ich die Kommunikationschefin der Bahngesellschaft – und die fand<br />
das Projekt spannend. Einfach nur weil ich den <strong>Frau</strong>en Kiberas ein Denkmal setzen wollte. Am <strong>En</strong>de unseres Gesprächs stellte<br />
sie mir einen Wisch aus, auf dem nur ein Satz stand: „Der Franzose JR und sein Freund Emile dürfen die Waggons plakatieren.“<br />
Das war’s. Ich hielt das natürlich für einen Witz. Aber es funktionierte: Als wir an dem Schuppen klopften, in dem die<br />
Waggons parken, machte uns ein recht mürrischer Mann auf, er las das Schreiben, winkte uns rein und ließ uns gewähren.<br />
Außer dem Zug hast du auch etliche Dächer des Slums plakatiert. Wie schafft man das in zehn Tagen?<br />
Ganz Kibera hat geholfen. Zeitweise hatte ich über 100 Helfer. Plus die Menschen, die vorbeikamen, die das Projekt gut<br />
fanden und einfach so mitarbeiteten. Ohne Bezahlung, einfach so. Nach den Unruhen waren die Bewohner einfach nur froh,<br />
dass etwas Positives in ihrer Nachbarschaft geschieht, dass jemand sie ernst nimmt, ihnen zuhört, sie sichtbar macht.<br />
Du machst sie ja nicht nur sichtbar, sondern exportierst sie auch in die Erste Welt. Im selben Jahr, in dem du in Kibera warst,<br />
hattest du eine ziemlich eindrucksvolle Ausstellung in Paris: Du warst der erste Künstler seit Christo und Jeanne-Claude,<br />
der eine Brücke in Paris als Leinwand nutzen durfte.<br />
Ich will nicht angeben, aber es war nicht nur die Brücke, sondern die ganze Île Saint-Louis (lacht). Das war natürlich ein<br />
Wahnsinnsgefühl. Aber auch da hatte ich Glück: In diesem Fall war es die Bürgermeisterin des 4. Arrondissements, die mich<br />
von früher kannte. Sie schlug das Ganze vor. Ich äußerte mein Bedenken, schließlich ist die Brücke Teil des Weltkulturerbes.<br />
Als ich fragte, ob der Bürgermeister von Paris das Projekt tatsächlich absegnen würde, winkte sie nur ab und meinte: „Lass das<br />
mal meine Sorge sein.“ Doch das Rathaus meldete sich nie auf ihr Gesuch – und als ich die Druckaufträge abschicken musste,<br />
meinte sie nur: „Wenn es Ärger gibt, nehme ich das auf meine Kappe.“ Natürlich gab es Ärger. Aber sie blieb cool. <strong>Frau</strong>en wie<br />
ihr widme ich deshalb Women Are Heroes. Sie sind die wirklichen Helden auf diesem Planeten.<br />
128<br />
129
fotoalbum<br />
fotoalbum<br />
Women are Heroes, morro da ProviDÊncia, rio de Janeiro, 2008<br />
Face 2 Face, Israel und PalästIna, 2007<br />
Die Providência, eine Favela in Rio, was übersetzt Hügel der Vorsehung heißt. Ziel dieses Projekts war es, der<br />
Favela, die gemeinhin als Hort des Bösen gilt, ein Gesicht zu verleihen. Eines, das anders aussieht als die<br />
düsteren Bilder von Drogen, Gewalt und Tod, die immer in den Nachrichten laufen.<br />
Auf den Bildern sind nur <strong>Frau</strong>en zu sehen.<br />
Sie sind das Rückgrat der Gesellschaft. Vor allem an Orten wie dieser Favela. Sie kümmern sich um die Familie, gehen arbeiten,<br />
halten alles zusammen, während die Männer dort oftmals betrunken oder kriminell sind. Das hat sogar der Staat erkannt:<br />
Mittlerweile wird das Land, auf dem die Hütten illegal errichtet werden, den <strong>Frau</strong>en überschrieben.<br />
Hast du die Drogenkommandos, die die Favela kontrollieren, eigentlich um Erlaubnis gefragt,<br />
ob du in ihrem Revier plakatieren darfst?<br />
Ohne Erlaubnis wäre es nicht gegangen. Das Absurde war, dass das Kommando in dieser Favela sogar von einer <strong>Frau</strong> geleitet<br />
wird. Sie heißt Andrea, hat streng zurückgekämmte Haare und trägt eine Brille. Ich musste erklären, was und warum ich das<br />
machen will, sie schaute erst skeptisch, gab dann aber ihr Okay. Erst viel später wurde mir klar, wie<br />
mächtig sie eigentlich ist: Diese <strong>Frau</strong> entscheidet, wer von den 150 000 Bewohnern Strom und<br />
Wasser bekommt, was ein Gramm Koks kostet, wann der Baile Funk stattfindet. Ihr Kommando<br />
übernimmt die Funktionen, die eigentlich der Rechtsstaat übernehmen müsste.<br />
Trotz der Erlaubnis wurdest du in der Favela beschossen. Was ist passiert?<br />
Andrea hatte mich gewarnt, sie meinte, sie könne nicht für meine Sicherheit garantieren. Es passierte<br />
Folgendes: Wir standen gerade auf einer Treppe, die wir plakatieren wollten (Foto links), und<br />
strichen die Papierbahnen glatt. Auf einmal knallte es. Von unten kam die Polizei, von oben schoss<br />
das Kommando zurück. 14-jährige Soldados in Surfershorts und Flip-Flops. Ich kapierte zuerst gar<br />
nicht, was los ist. Ich dachte, es seien Knallfrösche.<br />
Ist es eigentlich schwer, Menschen zu überreden, sich fotografieren zu lassen,<br />
um dann riesengroß irgendwohin geklebt zu werden?<br />
Die meisten Menschen reagieren erst einmal skeptisch, finden es dann aber doch insgeheim verlockend<br />
… Man konnte die <strong>Frau</strong>en von überall in der Stadt sehen. Ganz normale <strong>Frau</strong>en. Arm, aber<br />
stolz. Größer als jede Werbetafel, was auf eine Art auch eine Provokation für die oberen Schichten<br />
ist. Vor allem für die Medien, deren Welt nur zwei Farben kennt: Schwarz und Weiß. Die Grautöne<br />
der Realität kennen sie nicht. Aber das gilt für Brasilien genauso wie für Frankreich oder Amerika.<br />
130<br />
Das ist wahrscheinlich das meistbeachtete Bild meiner Karriere: die Mauer zwischen Israel und Palästina.<br />
Nachdem ich durch die Erfahrungen während der Unruhen in Paris kapiert hatte, welche Macht und welches<br />
Potenzial meine Bilder im medialen Diskurs haben können, entschied ich mich, nach Israel und Palästina<br />
zu reisen. Auch in diesem Konflikt berichten die Medien oft einseitig, immer jedoch sehr abstrakt. Die<br />
Menschen, die auf beiden Seiten der Mauer leben, werden ausgeblendet. Also ging ich sie besuchen. Ich wollte den beiden<br />
Lagern zeigen, wie ähnlich sie eigentlich sind: der Grimassen schneidende Rabbi mit seinen schiefen Zähnen, der schielende<br />
Imam und der Pfarrer mit den aufgeblähten Backen. Aber auch irgendwelche unbekannten Leute, die ich auf der Straße angesprochen<br />
habe … Meine Idee war simpel: Wenn die Porträts an der Wand kleben, gibt es kein <strong>En</strong>tkommen mehr vor dem<br />
Nachbarn auf der anderen Seite, der einem doch so ähnlich ist.<br />
Die Menschen erkannten sich in einem Spiegelbild aus Papier. Gab es denn gar keinen Ärger vor Ort?<br />
Nicht von den normalen Bürgern, die fanden das Projekt eigentlich fast ausnahmslos super. Ich wurde ständig angesprochen,<br />
ob ich nicht noch mehr kleben könne, ob ich Hilfe bräuchte, eine <strong>Frau</strong> meinte, ihr sei es am liebsten, wenn der ganze Zaun<br />
hinter meinen Fotos verschwinden würde. Als ich einen Ladenbesitzer in Ramallah fragte, ob ich die Wand neben seiner<br />
Fassade plakatieren darf, zögerte der Mann einen Moment. Dann willigte er ein, aber nur unter der Bedingung, dass ich die<br />
Bilder von Selbstmordattentätern, die an der Fassade klebten, ebenfalls überplakatieren würde. Das war mir natürlich viel zu<br />
heikel. Aber der Mann insistierte. Er hielt mich am Arm fest, bis ich Ja sagte. Wirkliche Probleme gab es nur in Hebron: Dort<br />
wurde ich verhaftet. Allerdings ließen sie mich am nächsten Morgen wieder raus. Mit der Auflage, nicht mehr in Hebron zu<br />
plakatieren. Das habe ich natürlich ignoriert.<br />
Ahnen die Menschen, die die Grimassen für dich schneiden, eigentlich, wie viel Geld du in der Ersten Welt<br />
mit deinen Bildern mittlerweile verdienst?<br />
Ich versuche immer, etwas zurückzugeben. In der Providência habe ich beispielsweise ein Kulturzentrum gebaut und unterstütze<br />
es mit allem, was ich habe. In Kenia druckten wir die Bilder extra auf Vinyl, so konnten die Menschen sie später über<br />
die Dächer ihrer Hütten spannen, um den Regen abzuwehren. Wir fahren jedes Jahr hin, um noch mehr zu drucken. Mittlerweile<br />
kann man die Porträtsammlung sogar auf Google Earth sehen.<br />
Kränkt es dich, wenn Kritiker dir vorwerfen, du würdest Sozialvoyeurismus betreiben? Einer schrieb, dein Kinofilm,<br />
der 2009 im Centre Pompidou lief, sei ein eindrucksvoller Sozialporno mit schicken Schnitten.<br />
Da ich viel in Armutsgegenden arbeite, kann man es so sehen. Aber es ist ein ziemlich billiger Vorwurf. Die Alternative hieße<br />
wegzusehen. Und das will ich nicht.<br />
131
kurzgeschichte<br />
kurzgeschichte<br />
Seit Kimmels Vater<br />
Tassen und Müllbeutel<br />
fallen ließ und manchmal<br />
sogar die elektrische<br />
Zahnbürste, machte sich<br />
Kimmel Sorgen um ihn. Er<br />
machte sich sonst keine Sorgen<br />
um ihn, denn sie hatten es nie<br />
leicht miteinander gehabt, er<br />
dachte nur manchmal, wenn<br />
schlechte Nachrichten aus<br />
Frankfurt kamen, es könnte<br />
sein, dass er nach langer Zeit<br />
mal wieder hinfahren und in<br />
seinem alten Zimmer in der<br />
Friedrichstraße auf seinem alten<br />
Bett schlafen müsste, und<br />
dann machte er sich Sorgen um<br />
sich selbst. Zwei- oder dreimal<br />
hatte sein Vater inzwischen<br />
auch die Kontrolle über seine<br />
Beine verloren, und das, sagte<br />
Kimmels Mutter am Telefon,<br />
sei wirklich nicht schön gewesen,<br />
aber sie sagte trotzdem nie,<br />
dass er kommen soll.<br />
Sein Vater war ein kleiner,<br />
strenger Mann mit einer Hautfarbe,<br />
wie sie sonst nur Perser<br />
hatten, ein bisschen grau, ein<br />
bisschen grün, und Kimmels<br />
Haut war ähnlich. Kimmel war<br />
aber viel größer als sein Vater,<br />
er hatte eine hellere Stimme,<br />
und er lief jeden Tag im Jahn-<br />
Sportpark zwanzig Runden auf<br />
der schönen neuen Tartanbahn.<br />
Sein Vater hatte zuletzt wahrscheinlich<br />
als Kind in Leningrad<br />
Sport gemacht, und vielleicht<br />
nicht einmal das. Früher<br />
hatte er sehr viel geraucht, er<br />
saß immer nur im Auto oder an<br />
seinem großen, dunkelbraunen<br />
Magst du mich<br />
eigentlich?<br />
Tisch im Arbeitszimmer, und<br />
wenn er aus dem Arbeitszimmer<br />
rauskam, steckte er sich<br />
eine neue Zigarette an. Manchmal<br />
sah er dabei sehr zufrieden<br />
aus, aber meistens nicht, und<br />
dann sagte er etwas zu seinem<br />
Sohn oder zu seiner <strong>Frau</strong>,<br />
das ihnen wehtat. Oft hatte er<br />
mit seiner Kritik recht, aber<br />
dass er seine Sätze mit einer<br />
Ohrfeige bekräftigen<br />
musste, sah Kimmel bis heute<br />
nicht ein.<br />
Trotzdem machte sich<br />
Kimmel seit ein paar<br />
Monaten Sorgen um<br />
seinen Vater. Wenn<br />
sie miteinander telefonierten,<br />
wollte sein Vater jedes Mal von<br />
ihm wissen, ob er sein Buch<br />
endlich fertig geschrieben habe,<br />
und jedes Mal sagte Kimmel,<br />
dass er darüber nicht reden<br />
könne. Er solle ihn, sagte er,<br />
lieber fragen, wann er endlich<br />
heiraten will. „Wann heiratest<br />
du?“, sagte sein Vater, dessen<br />
Stimme in den letzten Monaten<br />
immer heller und femininer<br />
klang, aber dennoch ganz<br />
anders als die von Kimmel.<br />
„Irgendwann kann man sich<br />
allein nicht einmal einen Tee<br />
machen, sieh mich an. Wie<br />
viele <strong>Frau</strong>en gibt es in Berlin –<br />
eine Million?“ Ich will nicht<br />
heiraten, dachte Kimmel, aber<br />
er sagte: „Sie muss sehr auffällig<br />
sein, aber sie darf mich nicht<br />
stören. Und lieb könnte sie<br />
sein.“ Worauf sein Vater<br />
manchmal sogar lachte.<br />
von<br />
MaxiM Biller<br />
Jetzt saß Kimmel in<br />
seinem alten Kinderzimmer<br />
in der Friedrichstraße<br />
auf dem<br />
Klavierhocker, und eine junge<br />
<strong>Frau</strong>, die er kaum kannte, lag in<br />
einem langen schwarzen<br />
Nachthemd auf dem Bett, und<br />
sie schwiegen beide, ohne dass<br />
es unangenehm gewesen wäre.<br />
Die junge <strong>Frau</strong> war klein und<br />
zierlich – vielleicht sogar ein<br />
wenig zu zierlich –, und sie hatte<br />
im Zug von Berlin nach<br />
Frankfurt Kimmel erzählt, dass<br />
sie es nicht ausstehen könne,<br />
wenn Männer am Anfang<br />
immer so tun, als sei ihnen<br />
alles recht, und dann sagte sie,<br />
dass sie im letzten Jahr fast<br />
nichts gegessen habe, weil ihre<br />
Großmutter gestorben war. Die<br />
Großmutter liebte Hitler, und<br />
sie hatte die Juden gehasst, aber<br />
zu der jungen <strong>Frau</strong> – ihrer<br />
<strong>En</strong>kelin – war sie immer sehr<br />
nett gewesen. Die junge <strong>Frau</strong><br />
mochte sie auch sehr, und als<br />
die Großmutter tot war, konnte<br />
sie nicht verstehen, dass sie eine<br />
echte Nationalsozialistin geliebt<br />
hatte. Die junge <strong>Frau</strong> hatte<br />
kurzes braunes Haar, große<br />
Augen, einen großen Mund,<br />
und weil sie auch im Gesicht so<br />
dünn war, sahen die Augen und<br />
der Mund fast zu groß aus, aber<br />
gleichzeitig sehr interessant.<br />
Kimmel hatte die junge <strong>Frau</strong><br />
– sie hieß ganz normal Anne,<br />
sprach aber ihren Namen französisch<br />
hinten ohne e aus – bei<br />
einer Eröffnung von CFA vor<br />
ein paar Wochen kennengelernt.<br />
Er saß später in der Paris<br />
Bar neben ihr, aber sie redeten<br />
kaum miteinander, weil immer<br />
jemand mit ihm oder mit ihr<br />
reden wollte, und der kleine,<br />
traurige Chef von CFA goss<br />
ihnen ständig Wein nach und<br />
machte die Musik, die aus der<br />
Jukebox direkt neben ihrem<br />
Tisch kam, so laut, dass man<br />
sowieso fast nichts hören konnte.<br />
Ein paar Tage später hatte<br />
Kimmel Anne angerufen, und<br />
sie tranken zusammen einen<br />
Kaffee in der Cafeteria in der<br />
Neuen Nationalgalerie, weil sie<br />
dort als Assistentin von jemandem<br />
arbeitete, und danach fuhr<br />
Kimmel mit der S-Bahn vom<br />
Potsdamer Platz nach Hause,<br />
und er dachte gern und gleichzeitig<br />
nicht so gern an sie. In<br />
den Tagen darauf dachte er gar<br />
nicht mehr an sie, aber dann<br />
machte er sich immer mehr<br />
Sorgen um seinen Vater, und<br />
schließlich rief er sie an und<br />
fragte sie, ob sie Lust hätte, mit<br />
ihm für einen Tag nach Frankfurt<br />
zu fahren und so zu tun, als<br />
sei sie seine neue Freundin, die<br />
er bald heiraten werde.<br />
„Glaubst du, sie haben uns<br />
geglaubt?“, sagte Anne zu<br />
Kimmel. Sie schob die Decke<br />
über ihre kleinen weißen Füße<br />
und auch ein bisschen über ihre<br />
Beine.<br />
„Er ja“, sagte Kimmel, „sie<br />
nicht.“<br />
„Aber sie wird es ihm nicht<br />
sagen, oder?“<br />
„Nein“, sagte Kimmel, „ich<br />
glaube nicht. Aber sicher bin<br />
ich mir nicht. Früher hätte sie<br />
es ihm bestimmt nicht gesagt.<br />
Heute ist sie anders als früher,<br />
obwohl sie immer nur über ihn<br />
erzählt, er sei nicht mehr der<br />
Alte. Sie redet viel mehr als<br />
früher, und es sind nicht nur<br />
nette Sätze dabei.“<br />
„Was machen wir, wenn es<br />
rauskommt?“, sagte Anne und<br />
zog die Decke über die Knie.<br />
„Wir leugnen alles“, sagte<br />
Kimmel. Und weil sie das jetzt<br />
wahrscheinlich von ihm erwartete,<br />
lächelte er.<br />
Das lange schwarze<br />
Nachthemd, das<br />
sie anhatte, war an<br />
den Brüsten durchsichtig.<br />
Sonst war es nicht<br />
durchsichtig, aber dort schon,<br />
und Kimmel versuchte, nicht<br />
hinzuschauen, aber natürlich<br />
schaute er hin, und er dachte,<br />
ich werde heute Nacht neben<br />
ihr liegen und schlafen und mir<br />
höchstens nur vorstellen, wie<br />
ich mit meiner Wange über die<br />
schwarze Spitze über ihren<br />
Brüsten streiche. Dann werde<br />
ich an mein Buch denken, und<br />
ich werde mich fragen, ob fünf<br />
Jahre schreiben und Leute<br />
ignorieren nicht genug sind<br />
und ob es nicht besser wäre,<br />
jeden Abend, so wie jetzt gleich,<br />
neben einer <strong>Frau</strong> einzuschlafen<br />
statt allein. Morgen früh werde<br />
ich dann die Gardinen zur Seite<br />
ziehen, und egal, ob draußen<br />
die weiße Wintersonne scheint<br />
oder ob der Tag so dunkel beginnt<br />
wie die letzten vierzehn<br />
Tage, ich werde mich auf<br />
keinen Fall so fühlen, als wenn<br />
ich mich gleich übergeben<br />
müsste, weil ich nicht allein<br />
sein werde in den ersten Minuten<br />
des Tages.<br />
„Sind sie richtige Juden?“,<br />
sagte Anne, und sie erwiderte<br />
jetzt erst sein Lächeln. Dabei<br />
sah sie ihn sehr lieb an, aber<br />
auch nicht zu lieb.<br />
„Wer?“<br />
„Deine Eltern.“<br />
„Ja“, sagte Kimmel.<br />
„Wie meinst du das?“<br />
„Essen sie wie richtige<br />
Juden? Beten sie?“<br />
„Nein.“<br />
„Dann sind sie ja keine<br />
richtigen Juden.“<br />
„Doch“, sagte er.<br />
„Ach so“, sagte sie. „Und<br />
du bist also auch ein richtiger<br />
Jude?“<br />
„Ja.“<br />
„Warum wolltest du,<br />
dass ich mitkomme?“<br />
Weil mein Vater vielleicht<br />
bald nicht mehr da sein wird,<br />
dachte Kimmel, aber er sagte:<br />
„Ich spiele gern Theater. Du<br />
nicht? Dann passiert wenigstens<br />
ab und zu etwas.“<br />
Sie sagte nichts, und dann<br />
sagte sie: „Magst du mich<br />
eigentlich?“<br />
Er nickte und drehte<br />
sich auf dem Klavierhocker<br />
einmal<br />
im Kreis, und dabei<br />
strich er mit den Händen über<br />
den hellbraunen, kühlen Deckel<br />
seines alten Klaviers, das er<br />
schon seit Jahren nach Berlin<br />
holen wollte.<br />
„Und das mit meiner Großmutter<br />
stört dich nicht?“, sagte<br />
sie. „Mich würde es stören,<br />
glaube ich, wenn ich du wäre.“<br />
Er schüttelte den<br />
Kopf und schloss<br />
kurz die Augen wie<br />
ein Deutscher, wenn<br />
er verlegen ist, und er dachte:<br />
Sie haben das Klavier für mich<br />
damals von ihrem ersten Geld<br />
gekauft, das sie in Deutschland<br />
verdient hatten, und wenn ich<br />
es mitnehmen würde, wäre das<br />
so, als würde ich ein zweites<br />
Mal von zu Hause weggehen.<br />
Später – dachte er weiter –<br />
könnte ich es natürlich schon<br />
nach Berlin holen, aber daran<br />
will ich jetzt lieber nicht denken,<br />
und er begann wieder, obwohl<br />
er gerade in Frankfurt war<br />
und sein Vater heute Abend<br />
beim Essen kein einziges Mal<br />
etwas fallen gelassen hatte, sich<br />
Sorgen um ihn zu machen und<br />
das erste Mal auch um seine<br />
Mutter. Dabei drehte sich<br />
Kimmel auf dem Klavierhocker<br />
wieder im Kreis, er betrachtete<br />
seine alten Eintracht- und<br />
Captain-Beefheart-Plakate an<br />
den Wänden, das Regal mit seinen<br />
Schulbüchern, den Rattan-<br />
Korb mit dem Eishockeyschläger<br />
und den Tennisschlägern,<br />
und dann klopfte seine Mutter<br />
an der Tür. Er erkannte die<br />
Umrisse ihrer Frisur im geriffelten<br />
Milchglas der Tür, es war<br />
eine aufwendige Frisur mit sehr<br />
viel Haarspray und hochtoupierten<br />
Haaren, ein bisschen<br />
wie die, die sie auf den alten<br />
Fotos aus Leningrad aus den<br />
Sechzigern hatte. Wahrscheinlich<br />
war seine Mutter heute<br />
Morgen seinetwegen beim<br />
Friseur gewesen, aber sicher<br />
war er sich nicht, denn sie achtete<br />
auch sonst immer sehr<br />
genau auf sich, auf ihren Lippenstift,<br />
ihre Fingernägel, ihre<br />
Kleidung.<br />
„Gute Nacht, Igor“, sagte<br />
seine Mutter durch die Tür.<br />
„Dein Vater hat sich gefreut,<br />
dass du gekommen bist. Aber er<br />
meint, du sollst häufiger kommen<br />
– und länger bleiben.“<br />
„Ja, Mama“, sagte Kimmel.<br />
Er sah Anne so nett es ging an<br />
und hob entschuldigend die<br />
Hände. Es war ihm unangenehm,<br />
dass seine Mutter nicht<br />
auch ihr Gute Nacht gewünscht<br />
hatte.Dann steckte sein<br />
Vater, ohne zu<br />
klopfen, den großen<br />
Kopf mit den<br />
dichten weißen Haaren ins<br />
Zimmer, und als er Anne in<br />
ihrem schwarzen Nachthemd<br />
auf dem Bett liegen sah, schaute<br />
er sofort weg. „Hast du deiner<br />
Mutter Danke fürs Essen gesagt?“,<br />
sagte er mit seiner neuen,<br />
schwachen <strong>Frau</strong>enstimme.<br />
Und ohne eine Antwort abzuwarten,<br />
fügte er hinzu: „Du<br />
kommst zu selten – und bleibst<br />
zu kurz. Aber vielleicht kommt<br />
ihr zwei uns ja öfter besuchen.<br />
Wir sind jetzt die letzten Kimmels<br />
in Frankfurt, beeilt euch.“<br />
Nachdem sein Vater<br />
wieder die Tür zugemacht<br />
hatte, sahen<br />
Kimmel und<br />
Anne einander lange stumm an.<br />
Sie ist wahrscheinlich keine so<br />
schlechte <strong>Frau</strong>, dachte er, und<br />
bestimmt meint sie es ernst mit<br />
mir, sonst wäre sie nicht mit<br />
mir hierhergekommen, damit<br />
wir für meinen Vater Braut und<br />
Bräutigam spielen. Dann begann<br />
er langsam sein Hemd<br />
aufzuknöpfen, und nachdem er<br />
sich ganz ausgezogen hatte, legte<br />
er sich neben sie unter eine<br />
zweite Decke ins Bett. Bevor sie<br />
das Licht ausmachten, zog<br />
Anne den Arm unter ihrer Decke<br />
hervor, sie streichelte kurz<br />
und vorsichtig Kimmels Wange<br />
und sagte: „Ich habe mir schon<br />
immer einen richtigen Juden<br />
gewünscht. Meinst du, ich habe<br />
ihn gefunden?“<br />
MaxiM Biller wurde 1960<br />
in Prag geboren. heute lebt der<br />
schriftsteller und kolumnist in Berlin.<br />
seine romane und kurzgeschichten<br />
sind vielfach übersetzt und<br />
preisgekrönt. Oft sind seine texte<br />
autobiografisch gefärbt und setzen<br />
sich mit seiner identität als Jude<br />
auseinander. Besonderes aufsehen<br />
erregte Biller 2003 mit seinem<br />
roman Esra, gegen dessen Verbreitung<br />
unter anderem seine expartnerin<br />
gerichtlich vorging, weil<br />
sie allzu viele Parallelen zwischen<br />
sich und der hauptfigur entdeckte.<br />
Maxim Billers kurzgeschichten wurden<br />
zum teil im New Yorker abgedruckt.<br />
Magst du mich eigentlich?<br />
erscheint exklusiv in <strong>Interview</strong>.<br />
132<br />
133
Abschlussball<br />
Nach der Berlinale ist vor der Berlinale.<br />
Nach der Berlinale ist vor der Berlinale.<br />
Doch auch während des größten Publikumsfilmfestivals<br />
der Welt gab es einen Grund, gut auszusehen:<br />
die All-is-pretty-Lounge von INTERVIEW<br />
im Soho House. Den ersten Tanz reservierten wir<br />
den deutschen Ehren gästen aus Film und Fernsehen.<br />
Bitte einmal abklatschen<br />
FASHION DIRECTOR<br />
KLAUS STOCKHAUSEN<br />
STYLING<br />
NIKI PAULS<br />
Fotos<br />
JONAS LINDSTRÖM<br />
TOP<br />
CALVIN KLEIN<br />
COLLECTION<br />
JEANS<br />
PRIVAT<br />
KETTE<br />
TIFFANY & CO.<br />
OSCAR NILSSON
PORTFOLIO<br />
sakko<br />
hugo<br />
hemd<br />
jil sAnder<br />
“<br />
“Können <strong>Frau</strong>en denn Landkarten lesen …?”<br />
florian stetter als friedrich schiller in Die geliebten SchweStern<br />
Wenn du<br />
heute nicht<br />
extrem bist,<br />
hast du keinen<br />
Erfolg<br />
”<br />
ludwig trepte als<br />
oliver in<br />
ihr könnt euch niemalS<br />
Sicher Sein<br />
bluse<br />
wunderkind<br />
rock<br />
prAdA<br />
ring<br />
dior fine jewellery<br />
“Wenn man in diesem Moment die Zeit<br />
anhalten könnte, genau jetzt.<br />
Ist doch alles gut jetzt, ist doch alles da”<br />
anna maria mühe als hilde in waS nützt Die liebe in geDanken<br />
“<br />
I’m not feeling it!<br />
”<br />
chris hanley, produzent<br />
(Spring breakerS, american pSycho)<br />
sakko<br />
boss blAck<br />
hemd<br />
hugo<br />
ring<br />
privat<br />
hemd<br />
cAlvin klein<br />
collection<br />
sonnenbrille<br />
mykitA<br />
ringe<br />
privat
“<br />
Was mich wirklich<br />
glücklich macht im Leben,<br />
ist, wenn ich beim<br />
Scrabbeln das Q und das U<br />
gleichzeitig ziehe<br />
”<br />
fritzi haberlandt<br />
als ada in Die LibeLLe unD Das nashorn<br />
(allerdings fehlt der satz in der<br />
letzten schnittfassung des films)<br />
“<br />
In meinem<br />
Kopf sitzt ein Clown,<br />
der mir zwischen die<br />
Synapsen scheißt,<br />
der mich ständig<br />
zwingt, genau das zu<br />
tun, was ich gerade<br />
am wenigsten<br />
gebrauchen kann<br />
Florian DaviD Fitz<br />
als vincent in Vincent will Meer<br />
diese seite:<br />
kleid<br />
louis vuitton<br />
ring<br />
dior fine<br />
jewellery<br />
linke seite:<br />
sakko<br />
boss blAck<br />
hemd<br />
bottegA venetA
PORTFOLIO<br />
PORTFOLIO<br />
“<br />
Ich will jetzt nicht darauf insistieren,<br />
aber manchmal kann Nachdenken echt helfen<br />
Vinzenz Kiefer als strecKer in HöHere Gewalt<br />
140<br />
”<br />
“<br />
linKe seite:<br />
anzug, HemD & fliege<br />
boss blAcK<br />
bombeRjacKe<br />
pRivat<br />
manscHettenKnöpfe & Ring<br />
tiffAny & co.<br />
Kaum sehen wir uns mal paar Tage nicht, bist du schwul<br />
und ich schwanger. Passt ja. Fängt beides mit ,schw‘ an<br />
Katja Riemann als DoRo in der bewegte mann<br />
141<br />
Diese seite:<br />
KleiD<br />
& otHeR stoRies<br />
aRmReif<br />
tiffAny & co.<br />
scHuHe<br />
micHAlsKy
“<br />
I just arrived here.<br />
I don’t know …<br />
AlexAnder Fehling<br />
”<br />
in der Fluss war einst ein Mensch<br />
diese seite:<br />
Anzug<br />
cAlvin klein<br />
collection<br />
hemd<br />
kris vAn Assche<br />
rechte seite:<br />
blAzer<br />
hAider AckermAnn<br />
ring & ohrringe<br />
tiFFAny & co.<br />
“<br />
Wenn man<br />
einen Mann zehn<br />
Mal Schwein nennt,<br />
dann grunzt er<br />
beim elften Mal<br />
Palina Rojinski<br />
als svetlana in Jesus liebt mich
PORTFOLIO<br />
kleid<br />
h&m ConsCious<br />
exClusive ColleCtion<br />
ohrringe & armreife<br />
tiffAny & Co.<br />
“Schon nervös? Ich nicht!”<br />
eva padberg als blonde frau in RuBBeldiekatz<br />
kleid<br />
vAlentino<br />
ohrringe<br />
tiffAny & Co.<br />
“Dabei willste doch nur, dass dich endlich<br />
mal einer in den Arm nimmt”<br />
“<br />
friederike kempter als Julika in Oh BOy<br />
Ich weiß,<br />
dass Sie Sachen<br />
mit mir<br />
machen wollen.<br />
Also, hier bin ich.<br />
Sie können<br />
mich haben<br />
”<br />
kostJa ullmann<br />
als Jan in VeRfOlgt<br />
sakko<br />
boss blACk<br />
hemd<br />
giorgio ArmAni<br />
“<br />
sakko<br />
kris vAn Assche<br />
hemd<br />
gucci<br />
krawatte<br />
hugo<br />
Only one thing can make a soul complete<br />
and that thing is love<br />
david kross<br />
als michael in Der Vorleser<br />
145
“<br />
In meinem Preußen<br />
soll jeder nach seiner Fasson<br />
selig werden<br />
”<br />
AnnA ThAlbAch Als Friedrich in<br />
Friedrich – ein deutscher König<br />
PORTFOLIO<br />
“<br />
And I have<br />
also learned<br />
to use weapons …<br />
correctly<br />
”<br />
Nora voN WaldstätteN als<br />
MagdaleNa Kopp iN<br />
Carlos – Der sChakal<br />
146<br />
diese seite:<br />
aNzug & schuhe<br />
dior<br />
ohrriNge & riNge<br />
tiffANy & co.<br />
liNKe seite:<br />
treNchcoat<br />
burberry prorsuM<br />
Kleid<br />
stellA MccArtNey<br />
geseheN bei Mytheresa.coM<br />
ohrriNge<br />
tiffANy & co.
“<br />
Sex ist ein Wettkampf zwischen<br />
zwei Menschen, bei dem beide versuchen,<br />
den anderen gewinnen zu lassen<br />
”<br />
JESSICA SCHWARZ ALS TANYA IN<br />
AM ENDE EINES VIEL ZU KURZEN TAGES<br />
KLEID & SCHUHE<br />
DIOR<br />
OHRRINGE<br />
TIFFANY & CO.<br />
ARMBAND<br />
PRIVAT
“<br />
Ich habe<br />
den Mann erschossen<br />
”<br />
IrIs BerBen als Jutta/JudIth In<br />
Es kommt dEr tag<br />
“<br />
For there is<br />
nothing<br />
either good<br />
or bad,<br />
but thinking<br />
makes it so<br />
”<br />
Lars eidinger aLs hamLet<br />
dIese seIte:<br />
Mantel<br />
hugo<br />
kette<br />
tIffAny & co.<br />
rechte seIte:<br />
sakko & hose<br />
toM ford gesehen BeI<br />
departMentstore quartIer 206<br />
heMd<br />
prIvat<br />
flIege & kuMMerBund<br />
epIlo gesehen BeI kadewe<br />
haare By WeLLa ProfessionaLs<br />
make-up & grooming By maC CosmetiCs<br />
foto-assistenz timothy sChaumBurg<br />
styling-assistenz CaroLine LemBLé<br />
Produktion frank seidLitz<br />
dank an soho house BerLin
pArty<br />
pArty<br />
12<br />
1 2<br />
4<br />
12 Geschmeide von Tiffany 13 Florian David Fitz im<br />
M.A.C-Studio und mit (14) Mykita-Brille 15 Kostja<br />
Ullmann bei den Hairstylisten von Wella Professionals<br />
13<br />
all<br />
is<br />
pretty<br />
1 Vor der Mykita-Sonnenbrillenwand: Jessica Schwarz<br />
2 Im Studio von M.A.C Cosmetics: Vinzenz Kiefer<br />
3 Bei Tiffany: Palina Rojinski bestaunt ihren Schmuck<br />
3<br />
16<br />
15<br />
14<br />
5<br />
17<br />
16 Welcher Ring passt zu mir? Katja Riemann und der<br />
Fingerschmuck 17 Noch mehr Schmuck von Tiffany:<br />
Gitta Gräfin von Lambsdorff (l.) und Palina Rojinski<br />
18<br />
11<br />
18 Ein Blick auf die umfangreiche Ausrüstung der Make-up-Artists von M.A.C Cosmetics<br />
Fünf tage hielt iNterVieW<br />
im soho House Berlin Hof und<br />
bat die prominenz in die all is<br />
pretty-lounge. Bevor es auf<br />
den roten teppich der Berlinale ging,<br />
gab es dort Make-up, schmuck,<br />
roben, Häppchen und Champagner.<br />
ein aperitif ist schließlich<br />
die beste Verteidigung<br />
6<br />
7<br />
19<br />
19 Rolf Eden bei der Lektüre von INTERVIEW 20 Jessica<br />
Schwarz (2. v. r.) Arm in Arm mit den Hairstylisten von Wella<br />
Professionals 21 Noch menschenleer: Die ALL IS PRETTy-<br />
Lounge kurz vor ihrer Eröffnung<br />
8<br />
10<br />
4 Eva Padberg legt Ohrringe an 5 Karoline Schuch und Miriam Stein (r.) auf dem Weg in die Anprobe 6 Palina<br />
Rojinski hat die Hände voller Ringe von Tiffany 7 Vinzenz Kiefer steckt sich auch einen Ring an, anschließend (8)<br />
gibt es ein Glas Moët & Chandon 9 Miriam Stein (l.) und Yara Dib probieren derweil Sonnenbrillen von Mykita an<br />
10 Ein Blick in die Tiffany-Lounge 11 Auf der Couch: Pheline Roggan und Stefanie Wirnshofer<br />
9<br />
21 20
PARTY<br />
PARTY<br />
Niki Pauls und Begleitung<br />
Michael Braade und Petra Fladenhofer<br />
Gitta Gräfin von Lambsdorff (l.) und Jörg Bernicken<br />
(2. v. l.), Alexa Agnelli (r.) und Partygäste<br />
Bernd Runge und Iris Berben<br />
Dominic Hofer, Melanie Pannenbecker und Marco Stein<br />
Alexandra Neldel und Karl Anton Koenigs<br />
DJ Schowi und Pheline Roggan<br />
Björn Wallbaum und Michael Michalsky<br />
FOTOS<br />
KARL AANTON KOENIGS<br />
UND MAXIME BALLESTEROS<br />
INTERVIEW<br />
ALL NIGHT<br />
LONG<br />
Soho House Berlin<br />
Johannes Bonke<br />
Noch lange nicht volljährig, aber<br />
schon alt genug für Alkohol:<br />
Am Vorabend der Berlinale feierte<br />
<strong>Interview</strong> im Soho House sein<br />
Einjähriges. Denn für eine anständige<br />
Party kann man gar nicht<br />
jung genug sein<br />
LouLou und Peter Berg<br />
Palina Rojinski<br />
Hannah Herzsprung und Partygäste<br />
Nadine Warmuth und Kai Wiesinger<br />
154<br />
Angelika Taschen und Dominic Raacke<br />
Markus Jans und Nina Pohl<br />
Cecile Pastel,<br />
Lisa Thamm und<br />
Rafael Gaviria<br />
155<br />
Martin Eder
PARTY<br />
NUR<br />
GUCCI GOES<br />
INTERVIEW<br />
Anna Philippa Wolf, Maxime Ballesteros und Paola Oller Tovar<br />
PROBE-<br />
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Marcello Pisu und Begleitung<br />
Kate Sansom, Julia H. Burlingham und Britta Thie<br />
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Niki Pauls<br />
Jennifer Ulrich und Begleitung
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bOSS blAck www.hugoboss.com<br />
bOttegA venetA www.bottegaveneta.com<br />
burberry brit www.burberry.com<br />
burberry PrOrSum www.burberry.com<br />
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SiSley www.sisley-cosmetics.com<br />
SJAl SkincAre www.sjalskincare.com<br />
StellA mccArtney www.stellamccartney.com<br />
StuArt WeitzmAn www.stuartweitzman.com<br />
SuSAnne kAuFmAnn www.susannekaufmann.com<br />
the OrgAnic PhArmAcy<br />
www.theorganicpharmacy.com<br />
theySkenS’ theOry www.theyskenstheory.com<br />
tiFFAny & cO. www.tiffany.com<br />
tOm FOrd www.tomford.com<br />
tOmmy hilFiger cOllectiOn www.tommy.com<br />
tOPmAn www.topman.com<br />
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viktOr & rOlF www.viktor-rolf.com<br />
WeledA www.weleda.de<br />
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FLASHBACK, APRIL 2008<br />
MADONNA<br />
INGRID<br />
Sie hat Sex erfunden, mit Jesus geknutscht, die Kinder<br />
Afrikas befreit, das Alter besiegt, sich als Landadelige<br />
neu entdeckt … und ist dabei vom Pferd gefallen.<br />
Kurzum: She’s MADONNA – und war vor fünf Jahren<br />
das Covergirl von INTERVIEW<br />
MDMAZING: MADONNA AUF DEM COVER VON INTERVIEW, APRIL 2008<br />
DIE NÄCHSTE AUSGABE<br />
VON INTERVIEW<br />
ERSCHEINT AM<br />
17. APRIL 2013<br />
SISCHY: Auf dem neuen Album gibt es ein<br />
Stück, in dem du singst: „We’ve only got four minutes<br />
to save the world“ – weiter heißt es: „Sometimes I<br />
think what I need is a you intervention.“<br />
MADONNA: Damit will ich eigentlich sagen, dass<br />
ich manchmal gerettet werden muss. Dieses Gefühl<br />
überkam mich, als wir in Afrika an meinem Filmprojekt<br />
arbeiteten, erstmals gespürt habe ich es aber<br />
in New York in den Achtzigern, als meine Freunde<br />
plötzlich wie Eintagsfliegen an Aids starben. Da<br />
merkte ich erst, wie kostbar unser Leben eigentlich<br />
ist. Wie schnell es vorbeigehen kann, wie nichtig so<br />
viele Kleinigkeiten und Probleme, von denen wir uns<br />
den Alltag versauen lassen, eigentlich sind. Die Hauptsache<br />
ist, dass man lebt.<br />
SISCHY: Wie hast du den Regisseur für den<br />
Film gefunden?<br />
MADONNA:<br />
Er war mein Gärtner (lacht).<br />
SISCHY:<br />
Wirklich?<br />
MADONNA:<br />
Ja. Er heißt Nathan Rissman,<br />
ein brillanter Kerl. Er kann einfach alles.<br />
SISCHY:<br />
Du hast für den Film auch große<br />
Geschütze aufgefahren: Präsident Clinton, Desmond<br />
Tutu …<br />
MADONNA:<br />
… Jeffrey Sachs, Paul Farmer.<br />
Ich hatte Glück.<br />
SISCHY:<br />
Wie hast du die Herren denn über-<br />
redet?<br />
MADONNA:<br />
Ich habe sie angerufen. Und<br />
viele sehr schmeichelhafte Briefe geschrieben.<br />
SISCHY:<br />
Stimmt, du bist ja eine Briefe-<br />
schreiberin.<br />
MADONNA: Ja. Leider sagen manche Men-<br />
schen schneller Ja, andere nicht. Bei manchen<br />
musste ich mich sehr anstrengen, sie umgarnen,<br />
zu Essen einladen …<br />
SISCHY: Musstest du auch irgendwelche<br />
Vorteile versprechen?<br />
MADONNA: (lacht) Nein. Auch keine<br />
sexu ellen Gefälligkeiten<br />
(beide lachen). Man-<br />
che Leute sind einfach unfassbar beschäftigt<br />
und haben sehr wenig Zeit. Aber ich kann<br />
hart näckig sein.<br />
SISCHY: Ein anderes Lied auf dem Album<br />
heißt<br />
Give It 2 Me. Es klingt, als müsste man<br />
dazu auf Ibiza tanzen.<br />
MADONNA: Danke! Darauf hoffe ich<br />
auch.<br />
SISCHY: Es ist ein echter, ein typischer<br />
Madonna-Song. Selbst der Text klingt wie<br />
eine Autobiografie: „Got no boundaries, got<br />
no limits.“<br />
MADONNA: „If there’s excitement, put<br />
me in it.“<br />
SISCHY: „Don’t stop me now.“<br />
MADONNA: Yeah!<br />
SISCHY: „If it’s against the law, arrest me!“<br />
MADONNA: (lacht) Yap, das bin ich, das<br />
provozierende Ich. Eigentlich auch fast schon<br />
langweilig und vorhersehbar.<br />
SISCHY: Hast du schon mal den Punkt<br />
erreicht, an dem du dir denkst: „Fuck it. Das<br />
war’s. Ich nehme kein Album mehr auf.“?<br />
MADONNA: Das behaupte ich nach je-<br />
dem Album!<br />
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Foto: Steven Klein für <strong>Interview</strong> Magazine, April 2008<br />
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