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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Koordinierter Bruch<br />

ENERGIE | Ein Koalitionsstreit in NRW offenbart die größte Hürde<br />

einer EEG-Reform: die Zustimmung der rot-grün regierten Länder.<br />

Von Reiner Priggen waren bis<br />

zur vergangenen Woche keine<br />

Gefühlsausbrüche überliefert.<br />

Der NRW-Fraktionsvorsitzende<br />

der Grünen ist meist auf<br />

Ausgleich bedacht, in der an Alphatieren<br />

nicht armen Düsseldorfer<br />

Landtagskoalition mit der SPD gilt er als<br />

Vermittler. Doch am Dienstag vergangener<br />

Woche platzte ihm der Kragen. Morgens<br />

früh trommelte er zu einer eiligen Pressekonferenz,<br />

trotz sitzungsfreier Woche und<br />

obwohl viele der SPD-Minister bei Koalitionsgesprächen<br />

in Berlin weilten.<br />

Einziges Thema: Kabinettskollege Garrelt<br />

Duin. „Der Koalitionsvertrag gilt für alle“,<br />

polterte Priggen, „auch für die, die erst<br />

später dazugekommen sind.“ Wirtschaftsminister<br />

Duin wurde nach der Landtagswahl<br />

2012 von Ministerpräsidentin Hannelore<br />

Kraft (SPD) geholt, zuvor war er wirtschaftspolitischer<br />

Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.<br />

Wenige Tage zuvor hatte<br />

Duin in einem Interview mit der WirtschaftsWoche<br />

(Heft 43/<strong>2013</strong>) recht konkrete<br />

Vorstellungen zur Energiewende geäußert.<br />

Das Ausbautempo der Erneuerbaren<br />

müsse gedrosselt werden, so Duin. Die Anzahl<br />

der von der Abgabe befreiten Unternehmen<br />

soll seiner Ansicht nach eher steigen.<br />

Zudem will er fossile Reservekraftwerke<br />

mit bis zu sechs Milliarden Euro im Jahr<br />

fördern. Damit erntet er nun heftige Kritik.<br />

Sein Kontrahent im Kabinett, Umweltmi-<br />

Energiewende<br />

Baggern gegen Erneuerbare<br />

Braunkohletagebau Garzweiler<br />

(vorn), Windkraft (hinten)<br />

6 Milliarden Euro pro<br />

Jahr will Duin an Kraftwerke<br />

verteilen, damit sie<br />

am Netz bleiben<br />

nister Johannes Remmel (Grüne)<br />

holt zum umfassenden Gegenschlag<br />

aus (siehe Seite 32).<br />

Auch über die Grenzen des<br />

Bundeslandes hinaus schlägt der<br />

Streit nun große Wellen. Denn die<br />

rot-grünen Landesregierungen<br />

nehmen bei der Energiewende eine<br />

Schlüsselrolle ein. Für eine EEG-Reform ist<br />

eine Zustimmung des Bundesrats erforderlich,<br />

ohne die sechs von Grünen und SPD<br />

regierten Bundesländer mit ihren 29 (von<br />

69) Stimmen geht da wenig. Angesichts der<br />

Preisexplosion beim EEG lässt sich die Reform<br />

zudem kaum aufschieben, auch aus<br />

Brüssel kommt massiver Druck.<br />

Und so erkennen die im neuen Bundestag<br />

ziemlich zahnlosen Grünen offenbar<br />

ihre Gestaltungschancen über die Landespolitik.<br />

Schleswig-Holsteins Vizeregierungschef<br />

und „Minister für Energiewende“<br />

Robert Habeck (Grüne) setzt auf den<br />

Bundesrat als Korrektiv gegen eine übergroße<br />

Bundeskoalition. „Unter den demokratischen<br />

Organen des Landes wird der<br />

Bundesrat neue Bedeutung erfahren. Dort<br />

sind die Grünen über die Landesregierungen<br />

direkt an vielen Entscheidungen beteiligt.“<br />

Wie seine Parteifreunde in NRW stellt<br />

er sich zudem unmissverständlich gegen<br />

die von Duin ins Spiel gebrachte Vergütung<br />

für fossile Reservekraftwerke: „Sechs Milliarden<br />

für Kraftwerke, die wir nicht mehr<br />

wollen sollen. Dafür eine Art Kohle-EEG<br />

einzuführen ist völlig falsch.“<br />

In Niedersachsen sieht sich zugleich Ministerpräsident<br />

Stephan Weil (SPD) genötigt,<br />

für seinen nordrhein-westfälischen<br />

Parteifreund in die Bresche zu springen,<br />

was das Ausbautempo der Erneuerbaren<br />

angeht. Der Ausbau müsse „besser gesteuert<br />

und kosteneffizienter gestaltet werden“.<br />

Auch wenn er damit nicht automatisch ein<br />

langsameres Tempo verbinden will, sagt<br />

Weil: „Wir werden uns die Fördersätze ansehen<br />

und stärker nach Wirtschaftlichkeit<br />

gehen müssen.“<br />

HOFFEN AUF STREIT<br />

In Baden-Württemberg will man sich zwar<br />

noch nicht auf einen offenen Streit mit<br />

dem Koalitionspartner einlassen, die Absetzbewegung<br />

bei den Sozialdemokraten<br />

<strong>vom</strong> grün angehauchten Wahlprogramm<br />

wird aber genau beobachtet. Dabei hält<br />

Landesregierungschef Winfried Kretschmann<br />

(Grüne) den Umbau der Energieversorgung<br />

für zentral in den nächsten vier<br />

Jahren: „Das Thema Energiewende ist in<br />

der nächsten Legislaturperiode entscheidend.“<br />

Sozialdemokraten und Unionisten<br />

könnten den Umbau eher schleifen lassen.<br />

Deshalb müsse seine Partei im Bundesrat<br />

Einfluss nehmen: „So wie sich die Lage<br />

momentan abzeichnet, werden wir Grüne<br />

wohl sehr hart kämpfen müssen, um die<br />

Energiewende zum Erfolg zu führen.“<br />

Die Düsseldorfer Opposition hofft derweil<br />

auf den großen Streit in der Koalition<br />

über das Thema Energie, das Rot-Grün am<br />

Rhein in den Neunzigerjahren schon einmal<br />

an den Rande des Bruchs getrieben<br />

hatte. In der Koalition gehe es „drunter und<br />

drüber“, frohlockt der wirtschaftspolitische<br />

Sprecher Hendrik Wüst (CDU). Für kommenden<br />

Donnerstag hat seine Partei eine<br />

Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses<br />

einberufen. Dadurch soll sich die Spaltung,<br />

wenn möglich in aller Öffentlichkeit, noch<br />

ein bisschen vertiefen.<br />

n<br />

konrad.fischer@wiwo.de, max haerder, cordula tutt | Berlin<br />

Lesen Sie weiter auf Seite 32 »<br />

FOTO: IMAGO<br />

30 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />

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