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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-10-28 (Vorschau)

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Unternehmen&Märkte<br />

»Größe zählt«<br />

DEUTSCHE TELEKOM | Der künftige Vorstandschef Timotheus<br />

Höttges kämpft für ein neues Wettbewerbsmodell ohne<br />

Regulierung, das starke europaweite Spieler hervorbringen soll.<br />

Timotheus Höttges kennt alle Spielarten<br />

einer modernen Lobbyarbeit:<br />

Meist ist es eleganter, mit dem Florett<br />

gezielte Stiche zu setzen, um sich bei Politikern<br />

gleich welcher Partei Gehör zu verschaffen.<br />

Doch dieses Mal wischt der künftige<br />

Telekom-Chef diese Grundregel beiseite.<br />

Wer als kleiner Europäer von einer<br />

Armada kraftstrotzender Web-Giganten<br />

aus den USA in die Enge getrieben wird,<br />

greift in seiner Not schon mal zum schweren<br />

Säbel.<br />

Der Notruf ist ein dreiseitiges Positionspapier,<br />

das der WirtschaftsWoche vorliegt<br />

und das Höttges in diesen Tagen an<br />

Kanzlerin Angela Merkel und andere wichtige<br />

Entscheidungsträger in Berlin und<br />

Brüssel verschickt hat. Unter der Überschrift<br />

„Strategie zur Stärkung der europäischen<br />

Telekommunikationsindustrie“<br />

entstand eine Wunschliste mit Reformvorschlägen,<br />

die erforderlich sind, damit die<br />

Deutsche Telekom und andere europäische<br />

Marktführer in die Weltspitze zurückkehren<br />

können.<br />

Höttges fordert nicht nur einen völligen<br />

Verzicht auf Regulierungsmaßnahmen,<br />

sondern auch eine aktive Industriepolitik<br />

und weniger strenge Fusionskontrollen,<br />

damit die Deutsche Telekom genauso groß<br />

und wertvoll werden kann wie die Giganten<br />

in den USA. Nur durch „mutige Deregulierungsschritte<br />

sei der Rückstand aufzuholen.<br />

Intensiv hat der Finanzvorstand, der spätestens<br />

am 1. Januar René Obermann ablöst,<br />

die Kräfteverschiebungen im Internet<br />

analysiert. Die mit vielen Vergleichszahlen<br />

gespickte Bestandsaufnahme zeichnet ein<br />

dramatisches Bild: Die Profiteure der rasant<br />

wachsenden Geschäfte rund ums Internet<br />

Notruf aus Bonn Der künftige Telekom-<br />

Chef Höttges fordert staatliche Hilfe<br />

haben fast ausnahmslos ihren Firmensitz<br />

in den USA oder in Asien. Die Verlierer<br />

kommen dagegen aus Europa. „Die einst so<br />

bedeutende Stellung der Europäer auf dem<br />

Weltmarkt ist verloren gegangen“, warnt die<br />

Telekom in ihrem Positionspapier. „Die Telekommunikation<br />

als kritische und systemrelevante<br />

Netzindustrie ist im Vergleich mit<br />

den USA und Asien nur noch eingeschränkt<br />

konkurrenzfähig.“<br />

DROHENDER AUSVERKAUF<br />

Höttges’ Botschaft ist unmissverständlich:<br />

In zentralen Bereichen des Internets –<br />

Hardware, Software und Services – haben<br />

Unternehmen aus den USA (Apple, Google,<br />

Microsoft, Amazon) und Asien (Samsung)<br />

mit stetig steigenden Marktanteilen<br />

die Kontrolle übernommen. Europa hat<br />

den Anschluss verloren. Jetzt gehe es darum,<br />

die verbliebenen Bastionen der Europäer<br />

beim Bauen (Ericsson, Alcatel-<br />

Lucent, Nokia Solutions Networks) und<br />

Betreiben der Netze (Vodafone, Deutsche<br />

Telekom, Telefónica, Orange) zu verteidigen.<br />

Ansonsten droht auch dort der Ausverkauf.<br />

Denn auch die Netzbetreiber schlittern<br />

auf eine gefährliche Schieflage zu.<br />

Die EU-Kommission hat inzwischen erkannt,<br />

dass es akuten Handlungsbedarf<br />

gibt. Doch die bisherigen Reformvorschläge<br />

reichen dem Telekom-Chef nicht<br />

aus, um den Rückstand aufzuholen. „Die<br />

neuen Regulierungsvorschläge aus Brüssel<br />

könnten mehr Ehrgeiz vertragen“, kritisiert<br />

Höttges.<br />

Am 24. Oktober trafen sich die EU-<br />

Staats- und Regierungschefs in Brüssel, um<br />

über Vorschläge der EU-Kommission für<br />

einen einheitlichen europäischen Telekommarkt<br />

und den Abbau von Investitionshürden<br />

beim Bau von superschnellen<br />

Glasfaser- und Mobilfunknetzen zu entscheiden.<br />

Doch allein schon der Vorschlag<br />

der EU-Kommission, bis 2016 auf alle Roaming-Aufschläge<br />

bei Mobiltelefonaten im<br />

Ausland zu verzichten, werde in den Bilanzen<br />

eine Milliardenlücke hinterlassen und<br />

die Investitionsbereitschaft weiter dämpfen,<br />

heißt es bei der Telekom.<br />

Europas Telekomriesen stehen auf einem<br />

wackligen Fundament. Heftige Preiskämpfe<br />

mit vielen Hundert Konkurrenten,<br />

aber auch die von den Regulierungsbehörden<br />

verordneten Tarifsenkungen lassen die<br />

Einnahmen seit Jahren zurückgehen. Die<br />

Finanzkraft der zum Teil hoch verschuldeten<br />

Ex-Monopolisten reicht daher<br />

nicht aus, um die dringend benötigten,<br />

aber riskanten Milliardeninvestitionen<br />

»<br />

FOTO: FRANK DARCHINGER<br />

56 Nr. 44 <strong>28</strong>.<strong>10</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />

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