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<strong>kult</strong>!<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
60er · 70er · 80er<br />
D: € 6,50<br />
Österreich € 7,50<br />
Luxemburg € 7,50<br />
Schweiz CHF 12,70<br />
Ausgabe 1/2014 (Nr. 9)<br />
mit<br />
Poster<br />
mit<br />
DVD!<br />
Catherine Deneuve<br />
DT-Control<br />
geprüft:<br />
Nicht jugendbeeinträchtigend<br />
Bilitis<br />
Catweazle · Captain Future · James Bond<br />
· Das Jahr 1973 · Michael Landon · Abi Ofarim · Olsenbande
AUS DER TV-WERBUNG!<br />
3 CD-BOX<br />
AUCH DIGITAL ERHÄLTLICH<br />
DAS ORIGINAL<br />
ZUR RTL NITRO SHOW!<br />
JETZT ÜBERALL ERHÄLTLICH!<br />
TV TIPP<br />
3 DVDs<br />
Formel Eins - 30 Jahre<br />
mit Peter Illmann<br />
ab 19.10. immer Samstag<br />
auf RTL NITRO
IMPRESSUM<br />
Anschrift:<br />
NikMa Verlag<br />
Fabian Leibfried<br />
Eberdinger Straße 37<br />
71665 Vaihingen/Enz<br />
Tel: 0 70 42/37660-160<br />
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Herausgeber und Chefredakteur:<br />
Fabian Leibfried<br />
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Borchardt, Lothar Brandt, Michael Fuchs-<br />
Gamböck, Hans-Jürgen Günther, Peter<br />
Henning, Christian Hentschel, Teddy Hoersch,<br />
Hugo Kastner, Andreas Kötter, Frank Küster,<br />
Bernd Matheja, Helmut Ölschlegel, Thorsten<br />
Pöttger, Alexander Querengässer, Philipp Roser,<br />
Roland Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz,<br />
Eckhard Schwettmann, Christian Simon,<br />
Alan Tepper, Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit,<br />
Uli Twelker, Peter Verhoff, Thomas Wachter,<br />
Jürgen Wolff<br />
Abonnements, Shop:<br />
Andrea Leibfried<br />
Grafische Gestaltung:<br />
Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />
Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />
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siehe Seite 71<br />
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Titelfoto:<br />
Terence Hill: © Interfoto/Friedrich<br />
Poster Elvis Presley:<br />
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<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />
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nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />
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Willkommen bei <strong>kult</strong>!<br />
Von den beiden griechischen Worten nostos" (Rück- oder Heimkehr)<br />
und algos" (Schmerz) leitet sich der Begriff Nostalgie ab.<br />
"<br />
"<br />
Der ist heute leider oft mit einem allzu negativen Beigeschmack<br />
belegt, den er gar nicht verdient – denn warum ist eine Rückkehr,<br />
eine Besinnung auf Vergangenes unbedingt etwas Schlechtes? ?Gerade in derart<br />
schnelllebigen Zeiten wie heute tut es manchmal gut, ein wenig innezuhalten, zurückzublicken,<br />
sich zu erinnern. Zumal der Mensch meist mehr und intensiver an<br />
schöne Erlebnisse zurückdenkt. Einfach um den Augenblick der Erinnerung zu genießen<br />
– oder aber auch, um daraus Kraft und Motivation für die Gegenwart und vor<br />
einem Liegendes zu schöpfen.<br />
Positive Nostalgie wollen wir Ihnen mit unseren <strong>kult</strong>!-Heften liefern: Ältere wollen wir<br />
an längst vergangene Zeiten und die Dinge erinnern, die diese zurückliegenden Ären ausgemacht<br />
haben. Jüngere können so erfahren, was ihre Eltern und Großeltern mit geprägt<br />
hat, womit diese ihre Jugend verbrachten, als es nur drei Fernsehkanäle, aber noch keine<br />
Computer, Handys und sonstige moderne Kommunikationsmittel gab. Unterstützung leistet<br />
hier auch die jüngste Tochter unserer Zeitschriften-Familie: Zu GoodTimes und <strong>kult</strong>!<br />
ist nun auch unsere neue Fernsehzeitschrift TV<strong>kult</strong>! getreten. Noch<br />
ein TV-Magazin auf einem ohnehin überfluteten Markt? Ja, denn<br />
wir meinen, dass die spezielle Ausrichtung der Neugründung dies<br />
rechtfertigt und angebracht erscheinen lässt. Denn TV<strong>kult</strong>! legt den<br />
Schwerpunkt auf Kultfilme und Kultsendungen der 30er bis 80er<br />
Jahre. Allzu oft gehen diese Klassiker in der Unübersichtlichkeit t<br />
der gängigen Programmzeitschriften unter. Wir wollen Sie damit<br />
auf besondere Filme, Serien und Sendungen wie Bonanza", High<br />
" "<br />
Chaparral", die Hitparade", Disco", Winnetou", Dick & Doof"<br />
" " " "<br />
gezielt hinweisen – also Werke und ihre Protagonisten, die wir in <strong>kult</strong>! l! vorstellen, weil sie<br />
längst Kultstatus genießen.<br />
Und auf noch etwas wollen wir Ihr Augenmerk richten: auf die DVD-Beilage. Auf ihr finden<br />
Sie satte 13.500 Titelbild-Abbildungen alter Science-Fiction- und Fantasy-Romane!<br />
Viel Spaß beim nostalgischen wie schmerzfreien Schmökern wünscht Ihnen<br />
Fabian Leibfried<br />
-Herausgeber/Chefredakteur-<br />
mit<br />
Poster<br />
<strong>kult</strong>! Nr. 10<br />
erscheint am 17.4.2014<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 3
Ausgabe Oktober 2013<br />
1/2014 (Nr. 9)<br />
INHALT<br />
RUBRIKEN<br />
3 Editorial/Impressum<br />
4 Inhaltsverzeichnis<br />
5 Top 5: 80er Serien<br />
6 News from the past<br />
Altes neu ausgepackt<br />
21 <strong>kult</strong>! Shop<br />
25 <strong>kult</strong>! Verlosung<br />
71 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />
47 Elvis Presley/The Who<br />
Riesenposter<br />
31 DVD-Beilage<br />
13.500 Titelseiten-Abbildungen<br />
alter Science-Fiction- & Fantasy-Romane<br />
Seite 18<br />
<strong>kult</strong>!<br />
60er · 70er · 80er<br />
Seite 14<br />
Seite 26<br />
14 Porsche 911<br />
Der Rennwagen für die Straße<br />
18 Bilitis<br />
Softsex unterm Weichzeichner<br />
20 Formel Eins<br />
Rückkehr auf den Bildschirm –<br />
zum 30-jährigen Jubiläum<br />
22 Literatur als Comic<br />
Von Homers Odyssee" bis<br />
Stieg Larssons "<br />
Millennium"<br />
"<br />
26 Mein Name ist Nobody<br />
Niemand zog schneller" – Leones Versuch,<br />
komisch<br />
"<br />
zu sein<br />
28 Matchbox Superfast<br />
Die Antwort auf die Hot Wheels<br />
32 Der Himmel ist leer<br />
Ufologen stecken in einer Krise<br />
34 Pan Tau<br />
Der Held aller Kinder<br />
36 Kultbücher<br />
Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
38 <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong><br />
Bei Knopfdruck Tor<br />
40 Johannes Mario Simmel<br />
Der Weltverbesserer" oder eine Empfehlung,<br />
"<br />
Johannes Mario Simmel wieder zu lesen<br />
42 Captain Future<br />
1980 noch ein Fall für die Zensur<br />
44 Blueberry<br />
Ein Westmann wird 50<br />
46 Catweazle<br />
Salmei, Dalmei, Adomei<br />
55 Sunkist<br />
Von der Sonne geküsst<br />
Seite 65<br />
Seite 62<br />
Seite 66<br />
Seite 82<br />
Seite 55<br />
Seite 34<br />
56 TV-Serien der 80er (Teil 3)<br />
Fernsehen mit Suchtgefahr<br />
60 Die Gladbach-Story<br />
Wie der "<br />
Fohlen"- Mythos zustande kam<br />
62 Hanni und Nanni<br />
Sardinenpicknick im Mondschein<br />
65 Asterix<br />
Neue Mentoren für die Gallier<br />
66 Fischertechnik<br />
Spielerisch zu technischer Präzision<br />
68 James Bond<br />
Made in Switzerland – Ein Wegweiser zu<br />
18 Bond-Locations in der Schweiz<br />
72 Grundig Kugellautsprecher<br />
Rundum-Schlag<br />
74 Das Jahr 1973<br />
Kein Öl, ein Klo, viel Klimbim<br />
78 Catherine Deneuve zum 70.<br />
Sexsymbol mit Understatement<br />
82 Mode-Serie – 60er Jahre (Teil 2)<br />
Zauberwort Vintage:<br />
Im 60s-Look durch das Heute<br />
86 Ben Sherman – 50 Jahre<br />
Der Stil der Sub<strong>kult</strong>uren für den Mann<br />
88 Die Olsenbande<br />
Mächtig gewaltig! Die Bande gaunert<br />
sich durch Europa<br />
90 Abi Ofarim<br />
An die "<br />
Kinder von gestern" das Herz verloren<br />
92 Michael Landon<br />
Little Joe wird zum großen Star<br />
96 Zuckersüße Träume<br />
Kindheitserinnerungen<br />
aus Schoko und Karamell<br />
98 Joachim Fuchsberger<br />
Mit dem Frosch hat alles angefangen<br />
Seite 4 ■ GoodTimes 1/2014
TOP 5<br />
<strong>kult</strong>!<br />
80 e r TV-Serien<br />
1. Formel Eins<br />
2. Dallas<br />
3. Magnum<br />
4. Alf<br />
5. Miami Vice<br />
Fabian Leibfried<br />
1. Magnum<br />
2. Eine schrecklich nette Familie<br />
3. Alf<br />
4. Bill Cosby Show<br />
5. Die fliegenden Ärzte<br />
Oliver Schuh<br />
1. Remington Steele<br />
2. Fackeln im Sturm<br />
3. Mein Freund Winnetou<br />
4. Sledge Hammer<br />
5. Knight Rider<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
1. Irgendwie und sowieso<br />
2. Der Fahnder<br />
3. Monaco Franze<br />
4. Alf<br />
5. Bill Cosby Show<br />
Ulrich Schwartz<br />
1. Tatort<br />
2. Kir Royal<br />
3. Monaco Franze<br />
4. Sketchup<br />
5. Bill Cosby Show<br />
Horst Berner<br />
1. Bill Cosby Show<br />
2. Ein Fall für Zwei<br />
3. Miami Vice<br />
4. Inspector Gadget<br />
5. Matlock<br />
Eckhard Schwettmann<br />
1. Tatort mit Schimanski<br />
2. Denver Clan<br />
3. Eine schecklich nette Familie<br />
4. Alf<br />
5. Miami Vice<br />
Lothar Brandt<br />
1. Dallas<br />
2. Magnum<br />
3. Tatort<br />
4. Ein Fall für Zwei<br />
5. Denver Clan<br />
Christian Simon<br />
1. Mit Schirm, Charme und Melone<br />
2. Solo für U.N.C.L.E.<br />
3. Immer wenn er Pillen nahm<br />
4. Cobra übernehmen Sie<br />
5. Department S<br />
Peter Henning<br />
1. Formel Eins<br />
2. Magnum<br />
3. Dallas<br />
4. Aktenzeichen XY ... ungelöst<br />
5. Ein Colt für alle Fälle<br />
Christian Stronczek<br />
1. Monaco Franze<br />
2. Kir Royal<br />
3. Der Fahnder<br />
4. Tatort mit Schimanski<br />
5. Liebling Kreuzberg<br />
Teddy Hoersch<br />
1. Magnum<br />
2. Drei Engel für Charlie<br />
3. Quincy<br />
4. Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert<br />
5. Die Profis<br />
Alan Tepper<br />
1. Miami Vice<br />
2. Hart aber herzlich<br />
3. Ein Colt für alle Fälle<br />
4. Denver Clan<br />
5. Die Wicherts von nebenan<br />
Andrea Leibfried<br />
1. Captain Future<br />
2. Knight Rider<br />
3. Alf<br />
4. Magnum<br />
5. Miami Vice<br />
Jörg Trüdinger<br />
1. Alf<br />
2. Der kleine Vampir<br />
3. Die Fraggles<br />
4. Simon & Simon<br />
5. Remington Steel<br />
Thorsten Pöttger<br />
1. Hart aber herzlich<br />
2. Dallas<br />
3. Golden Girls<br />
4. Bill Cosby Show<br />
5. Alf<br />
Claudia Tupeit<br />
1. Miami Vice<br />
2. Monaco Franze<br />
3. Ein Colt für alle Fälle<br />
4. Lindenstraße<br />
5. Meister Eder und sein Pumuckl<br />
Philipp Roser<br />
1. Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert<br />
2. Muppet Show<br />
3. Lou Grand<br />
4. MacGyver<br />
5. Magnum<br />
Jürgen Wolff<br />
1. Magnum<br />
2. Rudis Tagesshow<br />
3. Ein Colt für alle Fälle<br />
4. Miami Vice<br />
5. Eine schrecklich nette Familie<br />
1. Formel Eins<br />
2. Das Model und der Schnüffler<br />
3. Magnum<br />
4. Bill Cosby Show<br />
5. Muppet Show<br />
Roland Schäfli<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 5<br />
Blank & Jones<br />
(DJ- und Produzenten-Team)
from the past<br />
EDITH PIAF<br />
Von Charles Dumont<br />
2013, edel Books<br />
ISBN 978-3-84190-230-6<br />
256 Seiten; 300 Abbildungen; 36,00 Ð<br />
Sie brauchte die Liebe. Sie sang nur gut,<br />
"<br />
wenn sie entweder überschwänglich oder gebrochen<br />
war", so charakterisierte der große<br />
französische Chansonnier<br />
und Schauspieler<br />
Yves Montand Edith<br />
Piaf. Ihr schicksalhaftes<br />
Leben, ihre ungewöhnliche<br />
Karriere begeistern<br />
bis heute die Massen, mit<br />
unbändigem Durchsetzungswillen<br />
gelang dem<br />
Spatz von Paris" der schwierige i Weg von<br />
"<br />
der Straßensängerin zum gefeierten Weltstar.<br />
Diesen Weg zeichnet dieser großformatige<br />
Bildband anhand von zahlreichen, teilweise<br />
sehr seltenen Archivbildern, handschriftlichen<br />
Dokumenten sowie Noten und Chansontexten<br />
nach. Die kommentierten Fotografien zeigen<br />
sie privat, auf der Bühne sowie mit prominenten<br />
Zeitgenossen wie Marlene Dietrich,<br />
Alain Delon, Yves Montand oder Georges<br />
Moustaki, mit den beiden Letztgenannten verband<br />
Edith Piaf auch eine private Beziehung.<br />
Am 10. Oktober diesen Jahres hat sich ihr<br />
Todestag zum 50. Mal gejährt, der passende<br />
Anlass für den französischen Autor und Komponisten<br />
Charles Dumont (von dem u.a. die<br />
Melodie von Piafs wohl berühmtesten Chanson,<br />
"Non, Je Ne Regrette Rien", stammt), mit<br />
diesem Bildband an eine einmalige Künstlerin<br />
zu erinnern.<br />
BONANZA<br />
DIE KOMPLETTE 10. STAFFEL<br />
Auch in der zehnten Staffel der erfolgreichen<br />
amerikanischen Westernserie Bonanza" lebt<br />
"<br />
Ben Cartwright (Lorne Greene) immer noch<br />
mit seinen Söhnen auf der Ranch Ponderosa.<br />
Pernell Roberts, der bis Folge 195 Sohn Adam<br />
spielte, war da schon aus der Serie ausgestiegen<br />
(in der Serie verließ er die Ponderosa, um in St.<br />
Louis Medizin zu studieren) und wurde durch<br />
David Canary in der Rolle des Candy ersetzt.<br />
In den 30 Episoden dieser Stafel (Folgen 304<br />
bis 333) erweitert die Serie ihr Spektrum, zeigt<br />
teilweise auch ungewohnte<br />
Seiten und wechselt die<br />
Kulisse – mal in eine<br />
Schneelandschaft, mal in<br />
die Wüste. Inhaltlich geht<br />
es neben den gewohnten<br />
Bonanza-Themen wie<br />
Viehdiebstahl, Selbstjustiz,<br />
Falschspieler, Betrug<br />
und Grenzstreitigkeiten auch mal um Dinge<br />
wie Naturschutz oder das Selbstbestimmungsrecht<br />
eigenwilliger Frauen. Wie gewohnt gibt<br />
es neben der deutschen Synchronisation auch<br />
eine Spur mit dem Originalton, eine Option,<br />
die dem Ganzen dann noch einen Schuss mehr<br />
Authentizität verleiht, mit der man noch tiefer<br />
in diese Kultserie eintauchen kann.<br />
(Studiocanal, 1973, 8 DVDs, 1456 Min.)<br />
LOUIS DE FUNÈS<br />
Von Marc Halupczok<br />
2013, U Books<br />
ISBN 978-393923-948-2<br />
237 Seiten; 14,95 Ð<br />
Tief verbeugt sich dieses<br />
Buch vor einer unsterblichen<br />
Legende! Der<br />
wohl liebenswürdigste<br />
Choleriker der Filmgeschichte,<br />
einer der<br />
größten französischen<br />
Komiker und – nicht zu<br />
vergessen – ein großartiger Schauspieler: Louis<br />
de Funès hat sich in rund 150 Filmen seinen<br />
Kultstatus redlich verdient. Autor Marc Halupczok<br />
lebt und arbeitet als Journalist, Autor und<br />
Übersetzer in Braunschweig, ist gleichzeitig<br />
absoluter Kenner und Liebhaber von Funès'<br />
Filmen, deren denkwürdigste Momente er in<br />
diesem Buch noch einmal Revue passieren<br />
lässt. Mit zahlreichen O-Tönen von Kollegen,<br />
Fans und Weggefährten wird so ein Stück Kinogeschichte<br />
wieder lebendig.<br />
DAS GROSSE DINGS BEI<br />
BRINKS<br />
Boston im Jahr 1950. Der kleine Ganove<br />
Tony (Traumrolle für Peter "<br />
Columbo" Falk)<br />
überfällt mit seiner Bande<br />
einen Geldtransporter.<br />
Doch seltsamerweise wird<br />
dieser Raub in den Medien<br />
gar nicht aufgegriffen.<br />
Als Tony der Sache auf<br />
den Grund geht, stellt<br />
sich schnell heraus, dass<br />
die Geldtransportfirma<br />
Brinks etwas zu verbergen<br />
hat. Denn die Sicherheitsmaßnahmen<br />
dieser renommierten Firma sind alles andere<br />
als gründlich, woraufhin Tony und seine Bande<br />
beschließen bei Brinks "<br />
das ganz große<br />
Ding" zu drehen. Kurz darauf erleichtern sie<br />
den Brinks-Hauptsitz um sagenhafte 2,7 Millionen<br />
Dollar! Doch wiederum bleibt die erhoffte<br />
Presse aus, und selbst das FBI tappt im<br />
Dunkeln, hält die Kommunisten für die Täter.<br />
Dieser Film entstand 1978 frei nach einer wahren<br />
Begebenheit, für Authentizität sorgte dabei<br />
einer der echten Räuber, der als Berater für<br />
Regisseur William Friedkin ( "<br />
Der Exorzist")<br />
fungierte.<br />
(Breu Media/edel, 103 Min.)<br />
BUSTER KEATON XXL<br />
Zusammen mit Charlie Chaplin und Harold<br />
Lloyd gehört Buster Keaton zu den erfolgreichsten<br />
Stars der Stummfilmzeit.<br />
Wegen seines bewusst<br />
ernsten, stoischen Gesichtsausdrucks<br />
wurde er in<br />
den USA The Great Stoneface"<br />
(in Deutschland Der "<br />
"<br />
Mann, der niemals lachte")<br />
genannt. Aus den Jahren<br />
1920 bis 1928 stammen die<br />
Filme dieser zwei DVDs,<br />
auf denen man den amerikanischen Komiker in<br />
zahlreichen seiner Paraderollen erleben kann.<br />
Als Extra gibt es noch eine Bildergalerie, Trailershow<br />
sowie die Biografie Keatons.<br />
(Starmovie/edel, 2 DVDs, 372 Min.)<br />
MARKS OF EXCELLENCE<br />
Von Per Mollerup<br />
2013, Phaidon Press Limited<br />
ISBN 978-0-71486-474-7<br />
296 Seiten, Englisch; 45,95 Ð<br />
Neu aufgelegt und behutsam modernisiert bleibt<br />
dieser dicke Wälzer das Maß der Dinge, wenn<br />
es um Markenzeichen geht. Beginnend mit der<br />
Heraldik des Mittelalters<br />
zeigt Marks "<br />
Of Excellence", wie<br />
sich Wappen und<br />
Monogramme zu den<br />
ersten Markenzeichen<br />
entwickelten,<br />
beleuchtet ausführlich<br />
deren Funktion,<br />
Aussage und Design,<br />
liefert dazu eine schier unerschöpfliche Palette<br />
an Beispielen. Kurze Erläuterungen zu jedem<br />
Thema, zu jedem Markenzeichen, liefern den<br />
theoretischen Hintergrund, doch seine Faszination<br />
bezieht dieses Buch vor allem von seiner<br />
Optik. Es zeigt, wie sich Marken im Laufe der<br />
Jahre entwickelten, wie sich ihre Corperate "<br />
Identity", ihr Außenauftritt veränderte, ohne die<br />
eigentliche Botschaft, den Kern der Marke zu<br />
verlieren. Nach diesen einführenden Grundlagen<br />
werden dann alle unterschiedlichen Arten von<br />
Markenzeichen ausführlich und mit zahlreichen<br />
Beispielen vorgestellt. Von allen möglichen<br />
Grafiken, Bildern, Figuren und Metaphern über<br />
Akronyme wie Nasa, IBM oder Ikea bis zu<br />
einem breiten Spektrum an Motiven wie Tieren<br />
(... der Lufthansa-Kranich, der Firefox-Fuchs),<br />
Kreuzen (Bayer, Swissair, Malteser), geometrischen<br />
Figuren (Deutsche Bank, Mitsubishi).<br />
Dazu Motive aus Natur (Adidas, Air Canada),<br />
Musik (das Horn der Deutschen Post, die Harfe<br />
der Brauerei Guinness) und Mythologie (Nike,<br />
Goodyear). Ein großartiges Nachschlagewerk,<br />
bei dem man darüber hinaus noch richtig viel<br />
dazulernen kann!<br />
Seite 6 ■ GoodTimes 1/2014
ENNIO MORRICONE<br />
2013, edel earBooks<br />
ISBN 978-3-943573-02-2<br />
120 Seiten, 4 CDs; 39,95 Ð<br />
Jeder kennt seine Melodien, ohne die Klassiker<br />
wie Spiel mir das Lied vom Tod" oder The<br />
" "<br />
Mission" nicht das wären, was sie heute sind,<br />
sein Gesamtwerk ist so umfangreich wie kaum<br />
ein anderes – und trotz seiner fast 85 Jahre wird<br />
Ennio Morricone nicht<br />
müde, selbst neuen Hollywood-Streifen<br />
(aktuell wieder<br />
dem Tarantino-Film<br />
Django Unchained") seinen<br />
speziellen Sound mit<br />
"<br />
ins Kino zu geben. Das<br />
Earbook Ennio Morricone"<br />
zollt ihm und seinem beeindruckendem<br />
"<br />
Werk nun auf besondere Art und Weise Tribut:<br />
Filmfotografien und -Plakate, unterschiedliche<br />
Portraits von Morricone, Texte über seine wichtigsten<br />
Werke und vor allem vier CDs voller<br />
(Film-)Musik ergeben ein interessantes, vielschichtiges<br />
und kurzweiliges Bild dieses großartigen<br />
Komponisten, der mit seiner Musik eine<br />
fast unglaubliche Liste an Filmen veredelte, von<br />
" Zwei glorreiche Halunken" über Es war einmal<br />
"<br />
in Amerika" bis zu Cinema Paradiso".<br />
"<br />
DIE 3 MUSKETIERE<br />
EINER FÜR ALLE, ALLE FÜR EINEN<br />
Eine ungewöhnliche Adaption von Alexandre<br />
Dumas' Romanvorlage, die Hollywood 1933 in<br />
die arabische Wüste verlegte. e. Ein junger<br />
John<br />
Wayne verdient sich hier an<br />
der Seite der späteren Leinwand-Helden<br />
Lon Chaney<br />
und Noah Beery erste Sporen,<br />
spielt einen treuen Soldaten<br />
der Fremdenlegion,<br />
der zusammen mit seinen<br />
beiden Waffenkameraden<br />
Kopf und Kragen riskieren<br />
muss, um den Schurken El Shaitan ausfindig<br />
zu machen, damit dieser keinen weiteren Schaden<br />
anrichten kann. Eine ebenso gewagte wie<br />
interessante Weiterentwicklung des bekannten<br />
Mantel- und Degenstoffes mit vergnüglichen<br />
Ausblicken auf spätere Schauspiellegenden.<br />
(Starmovie/edel, 168 Min.)<br />
PARODI<br />
EIN LITERARISCHES KARTENSPIEL<br />
VON EUGEN OKER<br />
2012, Georg Olms Verlag<br />
ISBN 978-3-48708-515-9<br />
19,95 Ð<br />
Mit geflügelten Worten, die von Moses, den<br />
Gebrüdern Grimm, Shakespeare oder Brecht<br />
stammen, spielt man "<br />
Parodi". Dabei sind den<br />
kreativen Ideen, wie man die Zitatkärtchen einsetzt<br />
– also welche Variante man spielen möchte<br />
– schier unerschöpflich. Beim<br />
so genannten Primitiv-Parodi<br />
muss jeder Mitspieler versuchen,<br />
seine zehn Kärtchen zu<br />
neuen kurzen oder langen Gedichten<br />
zusammenzubauen"<br />
"<br />
–<br />
ob dieses neue Gedicht dann<br />
allerdings anerkannt wird,<br />
entscheidet das Auditorium auf klassisch-römische<br />
Art: Daumen hoch oder Daumen runter!<br />
Beim Sonder-Parodi gibt es – natürlich<br />
auf Antrag und durch Votum – Sonderpunkte<br />
für echte Reime und für besonders gelungene,<br />
verblüffende oder sinnreiche Sprüche, beim<br />
Mixed-Parodi müssen Zitate in gerader und<br />
kursiver Schrift streng aufeinanderfolgen, und<br />
auch alleine lässt sich Solo-Parodi spielen; geübten<br />
und langjährigen Spielern wird es nicht<br />
schwer fallen, schnell eigene Versionen dieses<br />
Spieles zu entwickeln. Wer gerne mit (fremden)<br />
Worten spielt, wer aus lauter Lust Schiller<br />
mit Bibelzitaten und Kinderreimen kombinieren<br />
möchte, für den dürfte Paroli ohne Frage<br />
ein lohnender Zeitvertreib sein ...<br />
PERRY RHODAN<br />
DIE CHRONIK BAND 3, 1981–1995<br />
Von Hermann Urbanek<br />
2013, Hannibal Verlag<br />
ISBN 978-3-85445-342-0<br />
656 Seiten; 29,99 Ð<br />
Mit einer Gesamtauflage von<br />
über einer Milliarde sind die<br />
Perry-Rhodan-Romane ohne<br />
Zweifel die erfolgreichste<br />
Science-Fiction-Serie (vielleicht<br />
sogar) unseres Universums,<br />
über 50 ausnahmslos deutschsprachige<br />
Autoren erzählen seit Anfang der 60er Jahre die<br />
Abenteuer von Major Perry Rhodan. Der dritte<br />
Chronikband, dessen Inhalt die Jahre 1981 bis<br />
1995 abdeckt, liefert die gewohnt ausführliche<br />
Betrachtung des Gesamtkunstwerkes Perry "<br />
Rhodan", zeigt mit Hintergrundinformationen<br />
und Briefwechseln auch die bislang größte<br />
Krise der Serie, als Chefautor William Voltz<br />
Anfang der 80er an Krebs erkrankte und 1984<br />
starb. Sehr interessant ist auch zu lesen, welche<br />
Anstrengungen sein Nachfolger Ernst Vlcek<br />
aus Wien unternahm, um die erfolgreiche Romanserie<br />
auf Kurs zu halten. Entscheidend dabei<br />
auch, dass man erkannt hatte, dass es dem<br />
modernen" Publikum schon lange nicht mehr<br />
"<br />
genügt, jede Woche einen neuen Roman zu lesen;<br />
Bücher, Hörbücher, Computerspiele und<br />
der dazu passende Internetauftritt, das musste<br />
genauso gestemmt werden, wie man darauf zu<br />
achten hatte, dass die Roman-Geschichten ihr<br />
gewohntes Niveau hielten. Aufgelockert wird<br />
der voluminöse Wälzer durch Interviews, Cover-Abbildungen,<br />
Fotos und zahlreiche Kurzportraits<br />
der Perry-Rhodan-Autoren.<br />
DIE SCHÖNSTEN FRAUEN IN<br />
HOLLYWOOD<br />
Marilyn Monroe, Ava Gardner, Judy Garland,<br />
Ingrid Bergmann, Senta Berger, Hildegard<br />
Knef und Rosalina Russell: Sie sind<br />
laut DVD-Titel Die schönsten Frauen in<br />
"<br />
Hollywood". In rund zehn Stunden Spielzeit<br />
präsentieren zwei DVDs jeweils einen Film<br />
dieser Diven, Ernest Hemmingways Schnee "<br />
am Kilimandscharo" mit Ava Gardner und<br />
Gregory Peck, der auch<br />
in Ingrid Bergmanns Ich "<br />
kämpfe um dich" die männliche<br />
Hauptrolle innehatte.<br />
Senta Berger und Giuliano<br />
Gemma sieht man im <strong>kult</strong>igen<br />
Als die Frauen noch<br />
"<br />
Schwänze hatten", Judy<br />
Garland und Frank Sinatra<br />
im klassischen Hollywood-Streifen<br />
Till The Clouds Roll By",<br />
"<br />
Marylin Monroe und Jeffrey Lynn in Headline<br />
Story" sowie Rosalina Russell und Cary "<br />
Grant, die in der 1940er Screwball-Komödie<br />
Sein Mädchen für besondere Fälle" ihr komisches<br />
Talent zeigen dürfen.<br />
"<br />
(Starmovie/edel 2 DVDs, 600 Min.)<br />
JOHN WAYNE COLLECTION<br />
VOL. 4 + DIE GRÖSSTEN<br />
WESTERNHELDEN<br />
In der vierten Ausgabe der JOHN WAYNE<br />
COLLECTION gibt es weitere fünf Filme des<br />
bärig-kauzigen Westernstars aus den 30er Jahren<br />
zu sehen. Eine klassische Geschichte über<br />
hinterlistige Morde, in der Wayne als unbestechlicher<br />
Rächer in seiner Paraderolle agieren darf,<br />
erzählt Flussabwärts" aus dem Jahr 1934. Ein<br />
"<br />
Jahr später entstand Desert Trail" (dt. Titel:<br />
"<br />
Der Rodeo-Raub), in dem John Wayne einen<br />
Rodeoreiter spielt, der sich mit allen Mitteln<br />
gegen falsche Anschuldigungen wehren muss.<br />
Im selben Zeitraum entstand mit Das Gold von<br />
"<br />
Texas" ein Film mit ähnlicher Geschichte, dieses<br />
Mal muss der Held aber<br />
seine Unschuld im Goldgräbermilieu<br />
beweisen. In Unter<br />
dem Himmel von Arizo-<br />
"<br />
na" verhilft John Wayne der<br />
kleinen Nina, die nach dem<br />
Verschwinden ihres Vaters<br />
Anrecht auf ein wertvolles<br />
Ölfeld hat, zu ihrem Recht.<br />
Auch die Story von Film Nummer Fünf, Im<br />
"<br />
Tal des Regenbogens", ist ein gutes Stück entfernt<br />
vom klassischen Western. Hier muss sich<br />
Wayne, der als verdeckter Ermittler in einer<br />
Kleinstadt einen Überfall auf den Postboten vereitelt,<br />
als Straßenbauer bewähren. Hart bedrängt<br />
wird er dabei von seinem früheren Kumpel<br />
Butch (gespielt von Buffalo Bill Jr.), der den Bau<br />
der Straße mit allen Mitteln verhindern möch-<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 7
from the past<br />
te. Mit zwei Filmen von<br />
Roy Rogers ( "<br />
The Days<br />
Of Jesse James" und "<br />
Billy<br />
The Kid kehrt zurück"),<br />
sowie je einem Streifen von<br />
John Wayne ( "<br />
US Marshal<br />
John") und von Clayton<br />
Moore ( "<br />
Buffalo Bill")<br />
liefert die Doppel-DVD "<br />
Die Größten Westernhelden"<br />
klassisches Western-Material zu<br />
kleinem Preis, und als Clou gibt es noch die<br />
oben bereits vorgestellten fünf Filme der "<br />
John<br />
Wayne Collection Vol. 4" als Bonus dazu – da<br />
kann man nun wirklich nicht meckern ...<br />
(Starmovie/edel, 263 Min. + 500 Min.)<br />
HALLO TANKWART<br />
WO DAS WIRTSCHAFTSWUNDER<br />
FAHRT AUFNAHM<br />
Von Alexander F. Storz<br />
2013, Motorbuchverlag<br />
ISBN 978-3-61303-535-5<br />
176 Seiten; 19,95 Ð<br />
Nach dem überaus gelungenen Band So rollten "<br />
die Fünfziger" widmet sich Alexander F. Storz<br />
nun den Tankstellen, die die durstigen Karossen<br />
mit Öl und Sprit versorgten und wo der nette<br />
Tankwart dem Kunden auch mal schnell die<br />
Windschutzscheibe reinigte. Neben den Texten,<br />
mit denen der Autor die Zeit von den 50er bis<br />
Ende der 70er Jahre dokumentiert, sind es die<br />
liebevoll ausgewählten<br />
Fotos, Postkarten und<br />
Reklameschilder,<br />
die<br />
einen starken Eindruck<br />
der Entwicklung in den<br />
Jahren<br />
vermittelten.<br />
Nicht nur Aufnahmen<br />
von Tankstellen und Reisenden<br />
regen zum nostalgischen<br />
Schmunzeln an, nein, auch die Automodelle<br />
(und die Pop-Farben) entführen den Betrachter<br />
in eine längst vergessene Zeit. Der Fiat<br />
500, der klassische Käfer, uralte Mercedes oder<br />
ein Porsche 911 L 2.0 Targa – ja, das waren noch<br />
Autos, die liefen und liefen, ohne dass ständig<br />
irgendwelche elektronischen Bauteile versagten.<br />
Exzellenter Gesamteindruck.<br />
CAVEMAN<br />
DER AUS DER HÖHLE KAM<br />
Endlich gibt es diesen Kultstreifen auch als<br />
Blu-ray. Anarchischer Humor im Stile von<br />
Monty Python und Mel Brooks ist garantiert in<br />
dieser Geschichte, in der sich 200.000 Jahre vor<br />
Christus der Höhlenmensch Atouk (gespielt<br />
elt<br />
vom Ex-Beatle Ringo Starr)<br />
unsterblich in die schöne<br />
Lana (Barbara Bach) – Frau<br />
seines Sippenhäutlings Tonda<br />
– verliebt. Daraufhin aus<br />
der Sippe verbannt, trifft er<br />
in der Wildnis die hübsche Tala (Shelley Long)<br />
mit ihrem einfältigen Begleiter Lar (Dennis<br />
Quaid). Zusammen bestehen sie jede Menge<br />
Abenteuer und kämpfen gegen allerlei prähistorische<br />
Dinos. Entdecken dazu noch hilfreiche<br />
Dinge wie den aufrechten Gang, das<br />
Feuer, das Rad, die Musik und vieles mehr.<br />
Und wie das Leben eben so spielt, verliebten<br />
sich Ringo Starr und Barbara Bach während<br />
der Dreharbeiten 1980 wirklich ineinander, so<br />
dass sie ein Jahr darauf heirateten ...<br />
(Breu Media/edel, 88 Min.)<br />
DER MÜDE THEODOR<br />
Erstmals auf DVD ist nun diese Filmkomödie<br />
aus dem Jahr 1957 mit Heinz Erhardt in<br />
der Hauptrolle erschienen. Als Marmeladenfabrikant<br />
hat Theodor Hagemann leider keinerlei<br />
Sinn fürs Geschäft,<br />
verschleudert sein Geld<br />
lieber als Sponsor verkannter<br />
Künstler. Was seine<br />
Tochter Jenny (Karin<br />
Baal), die in einen glücklosen<br />
Komponisten verliebt<br />
ist, zwar freut, aber<br />
seine strenge Gattin und<br />
Geschäftsführerin Rosa<br />
(Loni Heuser) dafür umso mehr zur Verzweiflung<br />
treibt. Als Hagemann dann wirklich pleite<br />
geht und einen Job als nächtlicher Zimmerkellner<br />
in einem Nobelhotel annehmen muss,<br />
zeigt er eindrucksvoll, dass er auch dort alles<br />
andere als eine Idealbesetzung ist. Dafür sieht<br />
man aber, dass so eine Geschichte natürlich<br />
nichts anderes als eine Paraderolle für Heinz<br />
Erhardt darstellt. Mit Schauspielern wie Ralf<br />
Wolters, Wolfgang Neuss, Peter Weck und Renate<br />
Ewert sind auch die Nebenrollen hervorragend<br />
besetzt. Als Bonus kommt diese DVD<br />
mit einer zusätzlichen Audio-CD mit 20 Heinz-<br />
Erhardt-Liedern ("Ach wenn ich doch im Lotto<br />
...", "Skat Polka", "Baby es regnet doch", "Herr<br />
Meier wird verlangt" ...).<br />
(Hoppe Entertainment, 90 Min. plus CD)<br />
DAS GROSSE MÄRCHEN-<br />
BUCH<br />
Von Ruth und Martin Koser-Michaëls<br />
2013, Knaur<br />
ISBN 978-3-42665-344-9<br />
480 Seiten; 19,99 Ð<br />
Nach einer vorzüglichen Ausgabe von<br />
Grimms Märchen", bei der besonders die<br />
"<br />
wunderschönen Aquarellbilder gefielen, erscheint<br />
mit Das große Märchenbuch" eine<br />
"<br />
empfehlenswerte Anthologie, die in die Tage<br />
der Kindheit zurückführt. Neben den Texten<br />
an sich begeistern erneut die Bilder von Ruth<br />
und Martin Koser-Michaëls, nicht nur wegen<br />
der geschmackvollen Farbigkeit, sondern auch<br />
aufgrund des Ausdrucks. Und auch Neues gibt<br />
es zu entdecken, denn zusätzlich zu den Klassikern<br />
von Jakob und Wilhelm Grimm (unter anderem<br />
Rotkäppchen", Rumpelstilzchen"<br />
oder Frau Hol-<br />
"<br />
" "<br />
le"), darf man sich von Hans<br />
Christian Andersen verzaubern<br />
lassen ( Die wilden Schwäne",<br />
"<br />
Die Schneekönigin" bzw.<br />
"<br />
Die Nachtigall") oder Ludwig<br />
Bechstein und vor allem<br />
"<br />
Wilhelm Hauff, dessen Märchen<br />
Der Zwerg Nase", Die<br />
" "<br />
Geschichte von dem kleinen Muck" oder Die<br />
"<br />
Geschichte vom Kalif Storch" auch heute noch<br />
wirken. Hervorragend!<br />
GULLIVERS REISEN<br />
Am 5. November 1699 erlitt der Seemann Gulliver<br />
in einem schweren Orkan Schiffbruch und<br />
wachte erst am Strand von Liliput wieder auf.<br />
Dort hatten ihn die Liliputaner – ein Volk von<br />
winzigen Menschen – gefunden. Panik brach<br />
aus, ein Riese am Strand. Die Tochter von König<br />
Little, Prinzessin Gloria, sollte den Sohn von<br />
König Bombo von Blefusko – dem Nachbar-<br />
Königreich – heiraten. König Little bestand auf<br />
dem seit Jahrhunderten bei Hochzeiten gespielten<br />
Lied "Treue", doch König Bombo wollte<br />
unbedingt, dass "Forever" gespielt werden<br />
sollte. So platzte die Hochzeit,<br />
und es wurde der Krieg<br />
zwischen den Völkern ausgerufen.<br />
Dank Gulliver kam<br />
es letztlich aber doch zum<br />
Frieden und zu einer schönen<br />
Hochzeit ... Dieser Oscarnominierter<br />
Zeichentrickfilm<br />
von Star-Produzent Max<br />
Fleischer war 1939 einer der weltweit ersten<br />
Zeichentrick-Hauptfilme und die erste Nicht-<br />
Walt-Disney-Produktion überhaupt. Er entstand<br />
wie spätere Klassiker des Genres in den renommierten<br />
Fleischer Studios (u.a. Betty Boo",<br />
"<br />
" Superman", Popeye") und punktet heute immer<br />
noch mit seinem ganz eigenen Charme.<br />
"<br />
Extras: Zwei Kurzfilme plus Dokumentation.<br />
(Interpathe/edel, 76 Min.)<br />
ÄFFLE & PFERDLE<br />
ZUSAMMA ISCH'S OIFACH<br />
SCHEENER!<br />
Von Heiko Volz und Roman Lang<br />
2013, Esslinger Verlag<br />
ISBN 978-3-48023-103-4<br />
64 Seiten; 12,95 Ð<br />
Zusamma isch's oifach scheener!" ist bereits<br />
"<br />
der dritte Band, der mit neuen Geschichten<br />
(und altbewährter Herzlichkeit) die Lebensweisheiten<br />
der beiden schwäbischen Kultfiguren<br />
des (ehemals) Süddeutschen Rundfunks<br />
präsentiert. Ob in den Schweizer Bergen, auf<br />
dem Volksfest (natürlich auf dem Cannstatter<br />
Seite 8 ■ GoodTimes 1/2014
Wasen ...), beim Campen,<br />
beim Konzert in der Stuttgarter<br />
Liederhalle oder bei<br />
Trips nach Tübingen, Freiburg<br />
und Heidelberg – zu<br />
zweit macht alles gleich<br />
doppelt so viel Spaß!<br />
Und natürlich hlassen einen die beiden wieder<br />
teilhaben an ihren sinnvoll sinnlosen Gesprächen,<br />
stellen (in stilechtem Schwäbisch); klar,<br />
dass man warme Stiefel nicht für kalte Tage,<br />
sondern für warme Füße braucht, und dass es<br />
halt oft wie im wirklichen Leben ist: Die einen<br />
" schwätzet", die anderen schaffet". So isch's!<br />
"<br />
A TRIBUTE TO ROBERT<br />
CRUMB<br />
2013, Edition 52<br />
ISBN 978-3-93522-984-5<br />
100 Seiten; 20,00 Ð<br />
Robert Crumb, dieser geniale<br />
Maler, Musiker und<br />
Illustrator aus dem amerikanischen<br />
Philadelphia,<br />
hat vor allem in der Comicszene<br />
einen legendären<br />
Ruf. Dabei scheute der<br />
Underground-Künstler selbst im prüden Amerika<br />
der 60er Jahre nie vor politisch und sexuell<br />
anzüglichen Cartoons zurück, war in seiner Direktheit,<br />
ja in seiner Deutlichkeit Vorreiter und<br />
Wegbereiter für zahlreiche junge Kollegen. Mit<br />
A Tribute To Robert Crumb" zahlen ihm einige<br />
"<br />
dieser Künstler nun eine Kleinigkeit zurück,<br />
mal mehr oder weniger werkgetreu, mal stilistisch<br />
anbandelnd oder völlig frei, mal mit und<br />
ohne Text zeigen Comiczeichner wie Fil (von<br />
dem auch das Vorwort stammt), Tom Bunk,<br />
Ralf König, Eckart Breitschuh, Robert Platzgumer,<br />
Lars Fiske, Ivo Kircheis, Denis Kitchen,<br />
Gilbert Shelton oder Martin Perscheid, mit welchen<br />
Augen sie Robert Crumb (und sein Werk)<br />
sehen, liefern so eine kurzweilige Hommage<br />
an einen wahrlich außergewöhnlichen Kollegen<br />
ab.<br />
DER VERRAT<br />
Von Val McDermid<br />
2013, Droemer<br />
ISBN 978-3-42619-969-5<br />
512 Seiten; 19,99 Ð<br />
Val McDermid zählt zu den<br />
beliebtesten Krimi- und<br />
Thriller-Autorinnen Großbritanniens<br />
und wurde bereits<br />
mit zahlreichen Preisen<br />
geehrt, wie zum Beispiel dem Diamond Dagger".<br />
Mit ihrem aktuellen Roman betritt sie Neu-<br />
"<br />
land und schickt das beliebte Ermittlerteam Tony<br />
Hill und Carol Jordan kurzfristig in den Urlaub.<br />
Der Roman handelt von Stephanie Harker, einer<br />
Ghostwriterin, die momentan für eine Celebrity-<br />
Star tätig ist. Sie will mit ihrem Adoptivsohn<br />
Jimmy verreisen, wird kurzfristig durch einen<br />
Alarm am Metalldetektor des Flughafens aufgehalten<br />
und muss zusehen, wie ihr Sohn von einem<br />
Fremden entführt wird. In dem darauffolgenden<br />
Verhör mit einer FBI-Agentin erzählt sie ihre Geschichte<br />
und bietet somit auch einen Einblick in<br />
die vermeintliche Glitzerwelt ihrer Klientin. Die<br />
anschließende Suche nach Jimmy konfrontiert<br />
die beiden mit einer unerwarteten Wendung. Es<br />
mag sein, dass der aktuelle Roman nicht ganz so<br />
spannend ist wie einige der erstklassigen Vorgänger,<br />
dafür präsentiert Val McDermid hier eine<br />
bissige Gesellschaftskritik und hinterfragt den<br />
penetranten Promi<strong>kult</strong>. Empfehlung.<br />
DIE HECKPARADE<br />
MEINE LIEBLINGSHITS – UNSERE<br />
NR.1-HITS – MEINE HITPARADEN-<br />
JAHRE<br />
In Anlehnung an seine erfolgreichste TV-<br />
Sendung, die ZDF-Hitparade", überschreibt<br />
"<br />
Dieter Thomas Heck seine drei CD-Boxen mit<br />
Musik aus dieser Zeit mit DIE HECKPARDE.<br />
Thematisch unterteilt er sie in drei Kategorien,<br />
präsentiert auf MEINE HITPARADEN-<br />
JAHRE das Beste aus den<br />
" ZDF-Hitparade"-Jahren<br />
1969 bis 1984. Somit liefert<br />
dieser Streifzug eine<br />
breite Palette an deutschem<br />
Schlager, ergänzt<br />
um die ersten NDW-Hits<br />
von Falco, Nena oder Geier Sturzflug, die ab<br />
Anfang der 80er in diese Sendung einzogen.<br />
Auf UNSERE NR.1-<br />
HITS liefert Heck dann<br />
einen Querschnitt durch<br />
die Top-Platzierten der<br />
deutschen Single-Charts<br />
von Ende der 60er bis<br />
heute, reicht die Auswahl<br />
von Mireille Mathieu ("La Paloma ade") über<br />
Modern Talking ("You're<br />
My Heart, You're My<br />
Soul") bis zu Tim Bendzko<br />
("Nur noch kurz die<br />
Welt retten"). Eine ganz<br />
persönliche Auslese traf<br />
der Moderator dann für<br />
MEINE LIEBLINGSHITS, sie reicht von Top-<br />
Hits wie Howard Carpendales "Deine Spuren<br />
im Sand" und "Über sieben Brücken musst<br />
du gehen" von Karat über Kultmaterial wie<br />
"Im Wagen vor mir" von Henry Valentino mit<br />
Uschi und Binos "Mama Leone" bis zu Volksmusik<br />
wie "Herzilein" von den Wildecker<br />
Herzbuben und "Patrona Bavariae" vom Original<br />
Naabtal Duo. Tolle Boxen, die sich ihre<br />
Klasse vor allem durch eine breite Stilpalette<br />
verdienen.<br />
(Ariola/Sony Music, jeweils 3 CDs)<br />
FASHION: BOX<br />
MODEKLASSIKER UND IHRE STARS<br />
– VON DER JEANS BIS ZUM<br />
KLEINEN SCHWARZEN<br />
Von Isabella Dothel<br />
2013, DuMont<br />
ISBN 978-3-83219-347-8<br />
480 Seiten; 19,99 Ð<br />
In dem vorzüglichen Fotoband mit mehr als<br />
400 Fotografien und Filmstills dokumentiert<br />
Isabella Dothel 60<br />
Jahre Modegeschichte.<br />
Vom Kleinen Schwarzen<br />
und dem Bleistiftrock<br />
über die Hotpants<br />
und dem Bikini bis hin<br />
zur Caprihose und dem<br />
Minirock werden die<br />
maßgeblichen Stile anhand<br />
exemplarischer Fotos dargestellt. Dabei<br />
wurden nicht nur die obligatorischen Starfotos<br />
ausgewählt, sondern auch die sogenannten<br />
Stills aus bekannten Filmen. Marlene Dietrich<br />
(Trenchcoat), Raquel Welch und Sharon Stone<br />
(Minirock), Marilyn Monroe und Jane Russell<br />
(Korsage – aus "<br />
Blondinen bevorzugt"), Jessica<br />
Alba und natürlich Ursula Andress (Bikini)<br />
oder Claudia Cardinale (Das Kleine Schwarze)<br />
stehen stellvertretend für Mode-Epochen.<br />
Zwar stehen die Accessoires im Vordergrund,<br />
doch das überwältigende Staraufgebot beeindruckt<br />
gleichermaßen und entführt in einer<br />
Zeit, in der Schauspieler und Musiker noch<br />
einen Vorbild- und Vorläufercharakter hatten.<br />
BLOOD ON THE SUN<br />
James Cagney spielt in diesem Film aus dem<br />
Jahr 1945 einen amerikanischen Journalisten,<br />
der in den 20er Jahren Wind vom Plan Japans<br />
bekommt, die Weltherrschaft zu übernehmen.<br />
In einem Artikel schreibt er über diesen Plan<br />
und bringt damit ungewollt eine Lawine ins<br />
Rollen, erste Todesopfer sind seine Frau und<br />
ein Journalistenkollege. Zusammen mit der<br />
von Sylvia Sidney gespielten Iris Hilliard<br />
versucht er, die Dokumente, die den größenwahnsinnigen<br />
Plan Japans beweisen können,<br />
außer Landes zu schmuggeln. g Ein Film, der<br />
mit seiner moralischen<br />
Schwarz-Weiß-Zeichnung<br />
der Charaktere sicherlich<br />
stark von der US-Kriegspropaganda<br />
nach dem japanischen<br />
Angriff auf Pearl<br />
Harbour beeinflusst ist, aber<br />
mit einem stark agierenden<br />
Hauptdarsteller sowie mit<br />
klasse Hintergrundbildern (Oscar für Beste "<br />
Ausstattung") vor allen Freunden von hochklassigen<br />
Hollywood-Actionfilmen der Vorkriegszeit<br />
zusagen dürfte.<br />
(Starmovie/edel, 94 Min.)<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 9
from the past<br />
VINTAGE & CLASSIC STYLE<br />
GUIDE<br />
Von Jos Bendinelli Negrone und<br />
Michael Köckritz (Hrsg.)<br />
2013, edel earBooks<br />
ISBN 978-3-94357-305-3<br />
240 Seiten; 49,95 Ð<br />
Dieser in einem Pappschuber erhältliche großformatige<br />
Prachtband entführt in eine Zeit, in<br />
der das Design eines Produkts unverfälscht<br />
und höchst originell<br />
war. Von Schreibmaschinen<br />
(Olivetti) über<br />
Autoklassiker (Lamborghini<br />
Miura) und<br />
Kameras (Leica, Rolex)<br />
bis hin zu Spielsachen<br />
(Matchbox-Autos,<br />
Flipper) und Gegenständen des täglichen<br />
Gebrauchs (Plattenspieler, Braun-Rasierapparat)<br />
sind vergessene oder noch nie gekannte<br />
Kultobjekte zu bestaunen. Neben den erstklassigen<br />
Fotos erhält der Leser in dem kurzen<br />
Text (dt./engl.) wissenswerte Informationen.<br />
Eine stilecht beigelegte 10"-Vinylplatte enthält<br />
Stücke von unter anderem Miles Davis,<br />
dem Dave Brubeck Quartet und Louis Armstrong<br />
And His Hot Five. Herrlich! Warum<br />
allerdings die die Kapitel einleitenden Zitate<br />
nur in Englisch verfasst wurden und von den<br />
jeweiligen Produkten auch nur die englischen<br />
Markennamen verzeichnet sind, bleibt ein<br />
Rätsel (ein deutscher Verlag hat diesen Titel<br />
veröffentlicht). Bei dem Preis sollte man so<br />
etwas erwarten dürfen.<br />
NIGHT OF THE LIVING DEAD<br />
Barbara – sie kommen und holen dich!",<br />
"<br />
dieser Satz, den Johnny seiner Schwester im<br />
Scherz auf dem Friedhof<br />
zuruft, ist schon wenige<br />
Augenblicke später<br />
grausame Wirklichkeit.<br />
Ein mysteriöser Fremder<br />
greift sie an, und Barbara<br />
kann in letzter Sekunde<br />
fliehen. Zusammen mit<br />
einigen wenigen Überlebenden<br />
verschanzt sie sich in einem einsamen<br />
Haus, das schon kurz darauf von aus den Gräbern<br />
gekrochenen Untoten belagert ist, verrückt<br />
danach, ihren unbändigen Hunger nach<br />
Menschenfleisch zu stillen. Scheinbar gibt es<br />
für die Eingeschlossenen keine Hoffnung auf<br />
Rettung, unaufhörlich kratzen die Totenhände<br />
an Fenster und Türen, nichts kann sie aufhalten<br />
... 1968 erschuf Regisseur George A. Romero<br />
mit Night Of The Living Dead" einen der ersten<br />
Zombie-Filme, inzwischen ein absoluter<br />
"<br />
Klassiker der Horrorszene, der noch Jahrzehnte<br />
später weniger durch blutrünstige Bilder als<br />
durch subtile Gruseleffekte, Gänsehaut-Filmmusik<br />
und verstörende Bilder zum Alptraum<br />
schlechthin wird. Zusätzlich zum Originalfilm<br />
(wahlweise deutsch oder englisch) gibt es noch<br />
massenhaft Bonus-Material wie Audiokommentar,<br />
Bildergalerie, Hintergrund-Doku zum<br />
Film sowie Interviews mit Regisseur George A.<br />
Romero und Schauspieler Duane Jones.<br />
(Starmovie/edel, 91 Min. & 100 Min.<br />
Bonus-Material)<br />
DAS SCIENCE-FICTION<br />
JAHRBUCH 2013<br />
Von Sascha Mamczak /<br />
Wolfgang Jeschke (Hrsg.)<br />
2013, Heyne<br />
ISBN 978-3-453-53445-5<br />
992 Seiten; 36,99 Ð<br />
Der Heyne-Verlag hat in diesem<br />
Jahr die anspruchsvollen<br />
Science-Fiction-Fans mit<br />
der Publikation des bahnbrechenden<br />
Werks 2312" "<br />
von Kim Stanley Robinson<br />
beglückt. Nun folgt das obligatorische<br />
Jahrbuch, in dem<br />
wirklich alles Wissenswerte zum Genre zu erfahren<br />
ist. Neben den wichtigen theoretischen<br />
Artikeln (zum Beispiel ein Aufsatz zum Tode<br />
von Jack Vance, eine Abhandlung über Herberts<br />
Wüstenplaneten und dessen Folgen oder einem<br />
Interview mit Daniel Suarez) sind es erneut<br />
die Reviews, die einen großen Teil des Schinkens<br />
ausmachen. Buch, Hörspiele, Filme oder<br />
Spiele – hier werden alle Neuheiten kompetent<br />
und zudem auch kritisch vorgestellt. Nach dem<br />
obligatorischen Marktbericht, der für die Fantastik<br />
allgemein positiv ausfällt, werden noch<br />
die aktuellen Preisträger der verschiedensten<br />
internationalen Preise genannt. Kompetent,<br />
sachkundig und überaus informationsreich –<br />
was will man mehr?<br />
RUHE SANFT GMBH<br />
Mit Vincent Price, Peter Lorre und Boris Karloff<br />
hatte Regisseur Jacques Tourneur 1963 drei<br />
gestandene Horrormimen zur Verfügung, mit<br />
denen er eine schwarzhumorige Horror-Persiflage<br />
erschuf. Dabei dreht sich alles um das<br />
ehemals florierende Bestattungsunternehmen<br />
Hichley, deren Leiter Waldo<br />
Turnbull nicht einmal mehr<br />
die anstehende Jahresmiete<br />
bezahlen kann. In dieser Not<br />
entsteht die geniale Idee, sich<br />
durch Morde (zahlungskräftige)<br />
Kundschaft zu verschaffen,<br />
doch einerseits zeigt es<br />
sich weitaus komplizierter als<br />
gedacht, jemanden die Lebenslichter auszublasen,<br />
andererseits sorgen zusätzliche familiäre<br />
Verwicklung für jede Menge Chaos ...<br />
(Breu Media/edel, 83 Min.)<br />
DANIEL BOONE<br />
TRAIL BLAZER<br />
Den Originalklassiker aus dem Jahr 1956 über<br />
den berühmten Jäger Daniel Boone gibt es nun<br />
erstmals in deutscher Sprache<br />
als DVD. Bruce Bennett<br />
( Tarzan", Der Schatz der<br />
" "<br />
Sierra Madre") spielt dabei<br />
den legendären Fallensteller<br />
und Jäger, der die ersten<br />
Siedler nach Kentucky führt,<br />
um dort neues Land zu gewinnen.<br />
Doch bald werden<br />
sie in Kämpfe mit den dort lebenden Indianern<br />
verwickelt, die von einem Franzosen aufgestachelt<br />
wurden, den friedlichen Siedlertreck unter<br />
Boones Führung zu überfallen. Neben dem<br />
Ex-Leichtathleten Bennett (1928 Silber im Kugelstoßen)<br />
ermöglicht Daniel Boone" auch ein<br />
"<br />
Wiedersehen mit Lon Chaney Jr. ( Dracula vs. "<br />
Frankenstein") als Häuptling Blackfish sowie<br />
mit Countrysänger Faron Young.<br />
(Starmovie/edel, 75 Min.)<br />
CORNELIA FROBOESS +<br />
VICKY LEANDROS +<br />
JOHANNA VON KOCZIAN<br />
DIE NEUEN LIEDER + ICH LIEBE DAS<br />
LEBEN + DAS BISSCHEN HAUSHALT<br />
... SAGT MEIN MANN<br />
Conny Froboess kennt man vor allen durch die<br />
" Badehose", die sie 1951 einpackte", sowie<br />
"<br />
durch zahlreiche Schlagerduette, die sie in den<br />
frühen 60ern mit Rex Gildo, Peter Alexander<br />
oder Peter Kraus aufnahm. Fast vergessen wurden<br />
darüber DIE NEUEN<br />
LIEDER (14/40:33), ihr<br />
musikalisch anspruchsvolles<br />
Schlageralbum aus<br />
dem Jahr 1967, auf dem<br />
sie mit Kompositionen<br />
von Francis Lai und Alyn<br />
Ainsworth sowie einem vertonten Gedicht von<br />
Francois Villon eine ganz andere, ungemein facettenreiche<br />
Seite ihrer Persönlichkeit zeigen<br />
durfte. Von außen sieht die CD genauso aus<br />
wie die damalige LP, der Inhalt wurde remastert<br />
und um zwei Bonus-Tracks erweitert. Die<br />
gleiche hochwertige Behandlung – allerdings<br />
mit vier Zusatztracks, darunter zwei englisch<br />
gesungene Titel – erhielt ICH LIEBE DAS<br />
LEBEN (15/56:46), der Longplayer von Vicky<br />
Leandros aus dem Jahr 1975, der neben dem<br />
erfolgreichen Titeltrack mit "Ja, ja der Peter<br />
der ist schlau", "Drehorgelmann" und "Weißt<br />
du woraus die Träume sind" noch drei weitere<br />
Singles in den Charts<br />
platzieren konnte. Definitiv<br />
Kult ist zwischenzeitlich<br />
Johanna von<br />
Koczians Hausfrauen-<br />
Hymne "Das bisschen<br />
Seite 10 ■ GoodTimes 1/2014
Haushalt macht sich von<br />
allein ... sagt mein Mann".<br />
Wer mehr von der wandlungsfähigen<br />
Schauspielerin<br />
und Sängerin hören<br />
möchte, kann sich jetzt<br />
als remasterte CD-Erstveröffentlichung DAS<br />
BISSCHEN HAUSHALT ... SAGT MEIN<br />
MANN (14/44:49) aus dem Jahr 1977 zulegen.<br />
Mit dem kleinen Haushalt-Nachfolge-Hit<br />
"Aufsteh'n ist schön" sowie "Der Kater lässt das<br />
mausen nicht" gibt es auch hier zwei Bonus-<br />
Tracks dazu.<br />
(Polydor/Universal, 3 CDs)<br />
DIE LIEBHABER MEINER<br />
TÖCHTER<br />
Von Kati Naumann<br />
2013, Knaur Taschenbuch<br />
ISBN 978-3-426-51258-6<br />
270 Seiten; 9,99 Ð<br />
Stellen Sie sich vor, Sie sind<br />
Mutter von drei wohlgeratenen<br />
Töchtern, die so langsam<br />
flügge werden. Doch<br />
halt: Eigentlich haben Sie<br />
nun sechs Kinder, denn die<br />
jeweiligen Freunde richten<br />
sich allmählich auch bei Ihnen ein, es ist ja so<br />
nett – und so bequem: Das Essen steht auf dem<br />
Tisch, die Wäsche wird gewaschen, und eine<br />
Schulter zum Ausweinen ist auch immer da.<br />
Und dann passiert eines Tages das Unglaubliche:<br />
Eine nach der anderen machen die Töchter<br />
mit ihren Liebhabern Schluss! Das haben<br />
diese armen Kerle doch nicht verdient, oder?<br />
Wie können die Mädels nur so herzlos sein?<br />
Rund um diesen Plot erzählt die in Leipzig und<br />
London lebende Autorin Kati Naumann mit<br />
dem auch als Hörbuch erhältlichen Roman Die "<br />
Liebhaber meiner Töchter" eine ebenso witzige<br />
wie intelligente Geschichte vom ganz normalen<br />
(?) Alltag einer modernen Frau zwischen Job,<br />
Haushalt, Mann, Töchtern und gebrochenen<br />
Herzen, lässt den Leser mitfühlen, mitlachen<br />
und mitweinen – und präsentiert dazu noch ein<br />
Ende, mit dem niemand gerechnet hätte ...<br />
SHERLOCK HOLMES<br />
Mit einem Detektiv, der seine Fälle mit detailgenauer<br />
Beobachtungsgabe und messerscharfen<br />
Schlussfolgerungen löst, begründete Arthur<br />
Conan Doyle 1886 mit seiner ersten Sherlock-<br />
Holmes-Geschichte ein neues<br />
Genre. Schnell faszinierte der eigenwillige<br />
Charakter mit Pfeife<br />
und Tweedmütze Generationen<br />
von Krimifans, wurde zusammen<br />
mit seinem Assistenten<br />
Dr. Watson zu einem der populärsten<br />
Duos der Krimiliteratur.<br />
Mitte der 50er Jahre verkörperte<br />
der britische Schauspieler Howard Jones<br />
den Meisterdetektiv in einer amerikanischen<br />
TV-Serie. 15 dieser Schwarz-Weiß-Folgen (sowie<br />
zwei neuere in Farbe) gibt es nun auf einer<br />
Dreifach-DVD zu sehen, insgesamt über zwölf<br />
Stunden klassisches Krimimaterial, also genau<br />
das Richtige für die nun kommenden, langen<br />
Herbst- und Winterabende.<br />
(Best Entertainment, 3 DVDs, 730 Min.)<br />
MEINE HITPARADEN-JAHRE<br />
Schier unerschöpflich scheint das Reservoir,<br />
aus dem Dieter Thomas Heck für die Zusammenstellung<br />
seiner" Hitparadenerinnerungen<br />
"<br />
schöpfen kann. Auf jeweils<br />
3x Buch "<br />
Die Ducks in Deutschland":<br />
zwei DVDs (inkl. 60-seitigem<br />
Begleitbuch) geht es<br />
– Ullrich Löser, Lüdingshausen<br />
– Andreas Krisch, Fulda<br />
mittels dreier Boxen chronologisch<br />
durch die Jahre<br />
– Matthias Kirchheim, Neumünster<br />
1969 bis 1974, 1975 bis<br />
5x DVD "<br />
Kitty und die große Welt":<br />
1979 und 1980 bis 1984.<br />
– Elena Hagemann, Viernheim<br />
Kult neben den zahlreichen<br />
– Marion Meister, Hemhofen<br />
Schlagerstars (... wo hatten<br />
– Angelika Ronneberger,<br />
die damals nur diese Klamotten her?!?) vor Gummersbach<br />
allem Hecks kurz prägnante – man war ja in – Reiner Tschernowsky, Niedernhall<br />
dieser Sendung immer in Zeitnot – Anmoderationen:<br />
Gitte, bitte!". Klasse bei diesen drei<br />
"<br />
– Christian Fleischer, Berlin<br />
Zusammenstellungen auch die breitgefächerte 3x DVD-Box "<br />
Formel Eins":<br />
Auswahl der Titel, bei weitem unterscheidet – Markus Thum, Wemding<br />
sich diese von so vielen anderen ähnlich daherkommenden<br />
DVDs, selbst ausgemachte – Otger Wagner, Wenden<br />
– Monika Hofscheier, Griesheim<br />
Schlagerkenner werden hier noch so manches<br />
Unbekanntes (oder wohl eher Vergessenes?) 3x Buch "<br />
Krieg der Knöpfe":<br />
entdecken können. Beispiele? – Rolf Svensson, Hamburg<br />
Frank Farians "Gold in Acapulco",<br />
die "Liechtensteiner – Horst Müller, Murrhardt<br />
– Dieter Flack, Berlin<br />
Polka 29" von Tina York,<br />
Gaby Baginskys "Diebe 3x Hörbuch "<br />
Krieg der Knöpfe":<br />
kommen am Abend", "Silver<br />
Bird" von Tina Rainford, – Renate Just, Röhrmoos<br />
– Sandra Weil, Herborn<br />
"Die Dinosaurier" von Lonzo – Sharon-Sara Heße, Hamburg<br />
oder Phil & John mit "... denn<br />
3x DVD<br />
seit mehr als 1000 Jahren" – bis auf die letzten<br />
"<br />
New York Express":<br />
Jahre auch noch alles live gesungen! Natürlich – Sascha Richter, Mudersbach<br />
gibt es auch die großen Hits aus diesen Zeiten – Peter Helmes, Hilchenbach-Müsen<br />
zu sehen, von Jürgen Marcus' "Schmetterlinge – Hans-Rolf Haybach, Büttelborn<br />
können nicht weinen" über "Komm in meinen<br />
3x Heft<br />
Wigwam" von Heino bis zu "Moskau" von<br />
"<br />
Yps":<br />
– Manfred Birkenbeul, Solingen<br />
Dschinghis Khan. Stark auch die 60-seitigen<br />
Begleitbücher, die jeweils<br />
– Uwe Oster, Gelsenkirchen<br />
einen kurzen zeitgeschichtlichen<br />
Abriss aus Sport, Po-<br />
– Daniela May-Van Brackel, Köln<br />
2x DVD<br />
litik, TV, Kino und Mode<br />
"<br />
Detektiv Rockford":<br />
– Herbert Raubbach, Wiesbaden<br />
liefern, dazu die Songlisten<br />
– Thorsten Hauffe, Halle<br />
aller Hitparaden-Folgen<br />
(inkl. Gewinner und Neuvorstellungen),<br />
zahlreiche<br />
– Andreas Wischer, Potsdam<br />
3x DVD-Box "<br />
Meine Hitparaden-Jahre":<br />
Cover-Abbildungen sowie<br />
– Josy Goergen, Rosport (Luxembourg)<br />
klasse Fotos aus der Sendung. Tolle Boxen,<br />
– Corinna Sawall, Halberstadt<br />
klasse Musik – und immer noch zeitlos gut!<br />
(Sony Music, 3 x 2 DVDs, 241 Min.,<br />
265 Min, 287 Min.) Herzlichen<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 11<br />
Unsere Gewinner der<br />
Verlosung aus <strong>kult</strong>!<br />
Heft 8 – 2/2013:<br />
5x DVD Heinz Erhardt<br />
"<br />
Der müde Theodor":<br />
– Willy Mayerl, Iffeldorf<br />
– Klaus Feldmann, Haßloch<br />
– Siegfried Patzer, Lemförde<br />
– Mario Eduard, Grünstadt<br />
– Claus Pless, Hamburg<br />
Glückwunsch!
from the past<br />
KRACH MIT DER KOMPANIE Ustinov als Nero, Ivanhoe – Der schwarze Ritter"<br />
"<br />
Als Varieté-Künstler bringen Vic Puccinelli (Dean (1951) mit Elizabeth Taylor oder Der Schatz des<br />
"<br />
Martin) und Alvin Korwin (Jerry Lewis) jeden Gehenkten" (1957) mit Richard Widmark.<br />
zeitlose Kinohits wie Die Kameliendame" (1936) Längst überfällige DVD-Veröffentlichung des<br />
"<br />
mit Greta Garbo, Broadway Melodie" (1938) mit Danny-Kaye-Films Wonder Man" aus dem<br />
" "<br />
Judy Garland, Der unbekannte Geliebte" (1946) Jahr 1945, ursprünglich in Deutschland als<br />
"<br />
mit Katharine Hepburn und Robert Mitchum, Der Wundermann" bekannt – allerdings gab es<br />
" Quo Vadis" (1950) mit dem unvergessenen Peter "<br />
nach unseren Recherchen wohl nie eine (deut-<br />
Abend das Publikum zum Lachen. Auch privat<br />
verstehen sich die beiden ausgezeichnet. Das ändert<br />
sich allerdings, als sie zum Militärdienst eingezogen<br />
werden: Puccinelli<br />
nämlich bringt es schnell zum<br />
Feldwebel, während Korwin<br />
als ein einfacher Schütze im<br />
Schlamm robben darf oder<br />
HANNI & NANNI 3<br />
Mit zwischenzeitlich schon zwei Fortsetzungen<br />
ist die Verfilmung der Hanni & Nanni-Jugendbücher<br />
von Enid Blyton ohne Frage zum Erfolgsmodell<br />
geworden. Mit Jana und Sophia Münster in<br />
den Titelrollen sowie Katharina Thalbach, Heino<br />
Ferch, Suzanna von Borsody und Hannelore Elsner<br />
Küchendienst schieben<br />
standen für die drei Kinofilme Top-Schau-<br />
muss. Als ob das nicht Grund<br />
genug für Scherereien wäre,<br />
taucht eines Tages auch noch<br />
Puccinellis Ex-Freundin auf. Und da dieser sich<br />
inzwischen weit mehr für die charmante Helen<br />
interessiert, ist in dieser Militärkomödie aus dem<br />
Jahr 1950 der Ärger programmiert ...<br />
(Starmovie/edel, 89 Min.)<br />
spieler zur Verfügung, die die<br />
Abenteuer der Zwillinge im<br />
Mädcheninternat Lindenhof<br />
zur besten Unterhaltung für<br />
Jung und Alt werden lassen.<br />
Schon länger waren die ersten<br />
beiden Teile als DVD<br />
erhältlich, jetzt, Anfang Oktober,<br />
ist endlich auch der<br />
ROBERT TAYLOR<br />
EINE BIO- UND FILMOGRAFIE<br />
Von Sofia Tchernomordik, Reinhard<br />
Weber, Birte Wrage und Solveig Wrage<br />
dritte Teil erhältlich. Vor allem die Wandlung, die<br />
Hanni und Nanni im Laufe der Zeit durchleben,<br />
ist klasse dargestellt. Zuerst sind die beiden noch<br />
kindlich verspielt, doch dann wachsen sie im dritten<br />
Teil zu richtigen" Teenies heran, erste Lie-<br />
"<br />
2013, Reinhard Weber Fachverlag<br />
für Filmliteratur<br />
ben, Zickenkriege und die üblichen pubertären<br />
ISBN 978-3-94312-704-1<br />
196 Seiten; 34,00 Ð<br />
Schon fester Bestandteil<br />
dieser Rubrik sind die Bücher<br />
des Reinhard Weber<br />
Themen inklusive. Neu dabei im dritten Teil auch<br />
Liedermacher Konstantin Wecker, der mit seiner<br />
Gastrolle als Professor Kästner wieder einmal<br />
seine schauspielerische Klasse beweisen darf.<br />
(Universal, 83 Min.)<br />
Fachverlages für Filmliteratur<br />
aus Landshut.<br />
Wer sich ausführlich mit<br />
dem Gesamtwerk eines<br />
Schauspielers oder eines<br />
DER GENERAL<br />
Während des amerikanischen Bürgerkriegs fühlt<br />
sich der Lokomotivführer Johnnie Gray (Buster<br />
Keaton) gleichermaßen zu seiner Braut Annabelle<br />
(Marion Mack) und zu seiner Lokomotive The "<br />
Regisseurs befassen möchte, der kommt an den<br />
zahlreichen Themenbüchern dieses Verlages einfach<br />
General" hingezogen. Sein Dilemma löst sich erst<br />
nicht vorbei. Die neueste Ausgabe widmet<br />
sich mit Robert Taylor einem der wohl perfektesten<br />
Schauspieler, den die Traumwelt Hollywood<br />
auf, als beide von Truppen der Union gefangen<br />
bzw. beschlagnahmt werden. Johnny setzt nun<br />
alles daran, sowohl Annabelle als auch seine Lok<br />
je hervorgebracht hat. Wie gewohnt liefern die<br />
zurückzubekommen,<br />
doch<br />
ersten Seiten des Buches die Biografie Taylors,<br />
der sich vom einfachen Landjungen – geboren in<br />
Nebraska – zum begehrten Filmstar entwickelte,<br />
wie gewohnt wird sie mittels zahlreicher Fotos<br />
und Filmplakate sowie durch Zitate von Kollegen,<br />
Freunden und Weggefährten aufgelockert. Akkurat<br />
und detailliert auch die darauf folgende Filmografie,<br />
in der jeder Film, in dem Taylor auftrat, mit<br />
Regisseur, Drehbuchautor(en), Produktionsinfos,<br />
Schauspielern und seiner Handlung genügend<br />
Platz findet. Auch Kritikerstimmen, Publikumsreaktionen<br />
sowie wichtige Rand- und Nebenerscheinungen<br />
erst nach einer turbulenten<br />
Eisenbahn-Verfolgungsjagd<br />
mit zahlreichen, spektakulären<br />
Zwischenfällen gelingt<br />
es ihm, seine geliebte Braut<br />
zurückzuholen. Dieser Film<br />
aus dem Jahr 1926 gehört zu<br />
Buster Keatons bekanntesten<br />
und erfolgreichsten Werken, sein hohes Tempo<br />
sowie das Timing der Gags sorgen auch heute<br />
noch für kurzweiliges Sehvergnügen!<br />
(Starmovie/edel, 76 Min.)<br />
werden erwähnt. In der Rückschau<br />
bleibt ein eindrucksvolles (Film-)Werk, bleiben MIRACLE MAN<br />
sche) Kinoversion. Als Kronzeuge gegen einen<br />
Gangsterboss hat der Komiker Buzzy Bellows<br />
nur eine äußerst geringe Lebenserwartung und<br />
wird dementsprechend schnell und skrupellos<br />
aus dem Weg geräumt. Doch Buzzy kehrt wieder<br />
zurück, erscheint seinem Zwillingsbruder<br />
Edwin Dingle als<br />
Geist. Er überredet den schüchternen<br />
und unscheinbaren Bücherwurm,<br />
in die Rolle seines<br />
glamourösen Bruders zu<br />
schlüpfen, um die Gangster zu<br />
Rechenschaft zu ziehen. Das ist<br />
natürlich genau die Story, die<br />
ein Komiker wie Danny Kaye braucht, um all<br />
seine Stärken auszuspielen ...<br />
(Starmovie/edel, 94 Min.)<br />
SIEBEN FÄLLE FÜR PATER<br />
BROWN<br />
Von Gilbert Keith Chesterton<br />
ISBN 978-3-89964-485-2<br />
Zwischen 1910 und 1935 veröffentlichte der britische<br />
Autor Gilbert Keith Chesterton zahlreiche<br />
kurze Geschichten über Pater Brown, einen katholischen<br />
Geistlichen, dessen Hobby ungelöste<br />
Kriminalfälle sind. Vor allen durch die 60er-<br />
Jahre-Verfilmungen, bei denen Heinz Rühmann<br />
dem Geistlichen in seiner unnachahmlichen Art<br />
ein charakteristisch verschmitztes<br />
Gesicht gab,<br />
wurden die Pater-Brown-<br />
Kriminalfälle Kult. Auf<br />
sieben CDs hat nun das<br />
mdr-Kulturradio Figaro<br />
sieben Kriminalhörspiele<br />
in einer Box zusammengefasst, die von Horst<br />
Bollmann (Pater Brown), Jürgen Holtz (Erzähler)<br />
sowie Hilmar Eichborn, Herbert Fritsch und<br />
Peter Groeger in weiteren Rollen in Szene gesetzt<br />
wurden.<br />
(mdr Figaro/Audiobuch Verlag, 7 CDs, 354 Min.)<br />
CHARLIE CHAPLIN<br />
KLAMOTTENKISTE XL<br />
Er zählt zu den einflussreichsten Komikern des<br />
20. Jahrhunderts, mit seiner Darstellung eines<br />
Landstreichers in The Tramp" kreierte er schon<br />
"<br />
früh einen Charakter, der sich in vielen seiner<br />
Filme wiederfand, ja, die Figur mit dem Zweifingerschnauzer<br />
(auch Chaplin-Bart genannt),<br />
übergroßer Hose und Schuhen, viel zu enger Jacke,<br />
Bambusstock in der Hand und Melone auf<br />
dem Kopf wurde zur Filmikone. In zahlreichen<br />
Episoden ermöglicht die Klamottenkiste XL"<br />
"<br />
einen nostalgischen Blick zurück auf viele Höhepunkte<br />
aus der Stummfilmzeit,<br />
zeigt noch einmal eindrucksvoll,<br />
warum Charlie Chaplin<br />
auf seine unnachahmliche Art<br />
zum Weltstar wurde.<br />
(Starmovie/edel, 231 Min.)<br />
Seite 12 ■ GoodTimes 1/2014
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Der Rennwagen für die Straße<br />
Wer Sportwagen meint, der hat den Porsche 911 im Sinn: Traumauto auto aller Männer<br />
und nicht weniger Frauen. Dieses Jahr feiert der "<br />
911er" seinen 50. Geburtstag.<br />
Von Jürgen Wolff<br />
Der Porsche 911 sieht erbarmungswürdig aus. Der – nun ja –<br />
rote Lack ist von einer stumpfen Mattigkeit und von üppigem<br />
Rostfraß gezeichnet. Schon mit bloßem Auge lassen sich ein<br />
gutes Dutzend Stellen ausmachen, die von der braunen Pest befallen<br />
sind. Gar nicht auszudenken, was auf der Hebebühne noch alles herauskäme.<br />
„Garagenfund" nennen<br />
das die Oldtimerfans. Gleich neben<br />
dem armen 911er liegen in einem<br />
Holzverschlag diverse zum Auto<br />
gehörende Einzelteile, wild gestapelt<br />
und in Pappkartons verpackt.<br />
Das „Bitte nicht berühren"-Schild<br />
an der Seitenscheibe erscheint<br />
angesichts des jämmerlichen<br />
Zustandes eher wie Ironie – oder<br />
wie eine Warnung: Das Teil könnte<br />
bei der leisesten Berührung in sich<br />
zusammenfallen.<br />
Doch Mitleid ist nicht angebracht:<br />
Der Schrott-Porsche,<br />
„mostly complete", ging bei einer<br />
britischen Versteigerung edler Oldtimer im Sommer dieses Jahres für<br />
über 30.000 Pfund weg. Doch wie meistens bei einem Autoklassiker<br />
macht die Geschichte hinter dem Wagen einen großen Teil seines<br />
Wertes aus: Das marode Porsche 911S SWB Coupé aus dem Jahre 1966,<br />
ursprünglich einmal weiß, ist der erste Porsche, der als Rechtslenker auf<br />
die britische Insel geliefert wurde. Kennzeichen: LYY 911D.<br />
Alte Porsche sind derzeit gefragt auf dem Markt und erzielen<br />
Traumpreise. Denn das Zuffenhausener „Sportgerät" hat einen runden<br />
Jahrestag: Die Internationale Automobil Ausstellung (IAA) in Frankfurt<br />
ist 1963 die Geburtsstunde des Porsche 911. Zunächst heißt er 901.<br />
Bei der Namensgebung g orientiert sich Porsche an den Ersatzteil-<br />
Nummernkreisen von Volkswagen.<br />
Wegen einer möglichen künftigen<br />
Kooperation mit dem VW-Werk soll<br />
der neue Porsche bereits kompatibel<br />
zu den dortigen Nummernkreisen<br />
sein. Da in Wolfsburg die 900er<br />
Zahlen noch nicht belegt sind, entscheidet<br />
man sich in Zuffenhausen<br />
für die Projektbezeichnung 901 bei<br />
der Sechszylinder-Variante und 902<br />
für einen späteren Vierzylinder.<br />
Doch dagegen haben die<br />
Franzosen etwas: Peugeot hat sich die<br />
dreistelligen Zahlenkombinationen<br />
Garagenfund 911er: mit der Ziffer 0 in der Mitte schon<br />
heruntergekommen, aber wertvoll<br />
1929 markenrechtlich gesichert. So<br />
wird der Porsche 901 eilig in 911 umbenannt. Immerhin wurden noch<br />
13 Prototypen als Porsche 901 gebaut. Der Grund für die legendäre<br />
Ziffernfolge 9-1-1 ist ein ganz pragmatischer: Prospekte, Preislisten<br />
und Betriebsanleitungen sowie die Typ-Bezeichnung auf dem Heck<br />
und Handschuhkasten waren bereits in der Endphase der Vorbereitung,<br />
so dass die doppelte Verwendung der bereits existierenden Schrifttype<br />
Seite 14 ■ GoodTimes 1/2014
innenbelüftete Scheibenbremsen, geschmiedete Magnesiumfelgen von<br />
Fuchs (die „Fuchsfelgen") und goldene Schriftleisten mit.<br />
Den vorläufigen Höhepunkt der PS-Protzerei setzt 1972 kurz<br />
vor dem Modellwechsel der Porsche Carrera. Er wird Deutschlands<br />
schnellstes Serienauto, hat einen 2,7 Liter großen Boxer im Heck, einen<br />
seitlichen Carrera-Schriftzug als Kriegsbemalung und natürlich den<br />
Entenbürzel-Spoiler auf dem Heckdeckel.<br />
Ein weniger bekanntes Kapitel der 911-Historie ist der 912. Der<br />
Wagen kommt 1965 als günstige Alternative zum 911 auf den Markt.<br />
Der Vierzylinder-Boxer des 912 stammt vom Porsche 356 C, hat 1582<br />
Kubikzentimeter Hubraum und 90 PS. Das sind 40 Pferdestärken weni-<br />
1 schlicht die einfachste Lösung ist. Um einen neuen Zifferntyp oder<br />
gar einen Namensschriftzug zu produzieren, ist keine Zeit vorhanden.<br />
Nach dem großen Erfolg auf der IAA kommt die erste Generation<br />
des Porsche 911 auf den Markt. Anders als der in die<br />
Jahre gekommene Porsche 356, der in Karosserie<br />
und Fahrwerk noch auf dem VW Käfer basierte,<br />
hat der 911 eine selbst tragende Karosserie und<br />
Radaufhängungen mit Dreiecksquerlenkern und<br />
Dämpferbeinen vorn und Schräglenkern hinten. n.<br />
Dazu kommt eine Zahnstangenlenkung mit zweimal<br />
abgewinkelter Sicherheitslenksäule.<br />
Die Produktion startet im September 1964.<br />
Zunächst nicht ohne Tücken: Verarbeitungsprobleme<br />
Das Porsche 911 S Coupé<br />
und Ventilschäden verärgern die Kundschaft. Die<br />
aus dem Jahr 1970<br />
Ventilprobleme werden ab 1965 durch einen Drehzahlbegrenzer<br />
verhindert. Ab 1966 sorgen neue Dreifachvergaser er von Solex für mehr<br />
Zuverlässigkeit. Immerhin ist das Geräusch des luftgekühlten Motors Der Ur-911 wird von einem luftgekühlten Sechszylinder-Boxermotor<br />
mit Trockensumpfschmierung bereits der unverwechselbare Klang des mit zwei Litern Hubraum und oben liegenden Nockenwellen angetrieben.<br />
Ein Fünfganggetriebe übernimmt die Kraftübertragung. Der Motor<br />
911. Im ersten Modelljahr 1965 werden insgesamt 230 Wagen des 911er<br />
produziert.<br />
ist eng mit den Achtzylinder-Porsche-Rennaggregaten verwandt.<br />
In Zeiten, als 60 PS schon für einen kraftvollen Auftritt sorgten,<br />
geht der erste 911 mit 96 KW/130 PS an den Start. Die<br />
Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h, den imageträchtigen Spurt<br />
von 0 auf 100 km/h schafft das Auto in 9,1 Sekunden. Heute schafft<br />
das locker jedes mittelprächtige Auto aus Korea. Damals reichte das zur<br />
Rennmaschine.<br />
Seine Motorsportgene sind dem 911 jedoch nicht nur durch Motor<br />
und Antriebskonzept in die Wiege gelegt. Um bei einem Autorennen<br />
mit klassischem Le-Mans-Start – beim Startschuss müssen die Piloten<br />
erst zu ihren Autos rennen – wertvolle Sekunden zu sparen, wird das<br />
In den 60er Jahren wird die Grundlage zur Legende des Porsche<br />
Zündschloss auf die linke Seite vom Lenkrad platziert. Dort sitzt es<br />
911 gelegt. Seit dieser Zeit gilt er als Auto der Schönen und Reichen. noch heute.<br />
Für das Design zeichnet Ferdinand Alexander Porsche verantwortlich. Technisch betritt der Porsche 911 ebenfalls Neuland. Die pendelnden<br />
Angeblich hatte er für den Entwurf der Karosserie unter anderem die Halbachsen des Porsche 356 werden von einer McPherson-Vorderachse<br />
Maßgabe, mindestens ein Set Golfschläger im Kofferraum unterbringen abgelöst. Zudem gibt es Schräglenker und Doppelgelenk-Antriebswellen.<br />
zu können. Denn das hatte die typische<br />
Für die exzellenten Fahreigenschaften sorgen<br />
neben Fahrwerk und Heckmotor die<br />
Porsche-Kundschaft beim 356er vermisst.<br />
Auch der Heckmotor hinter der Hinterachse<br />
Sicherheitszahnstangenlenkung und der<br />
ist ein festes Kriterium im Pflichtenheft.<br />
kurze Radstand. Mit 62 Litern Tankinhalt<br />
Das erste Modell im Maßstab 1:1 wird<br />
sind keine großen Sprünge drin, denn der<br />
Ende 1958 fertiggestellt. Es zeigt bereits<br />
erste 911 genehmigt sich im Schnitt satte<br />
die typische 911er-Kontur, die bis heute<br />
15 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern. Ab<br />
unverwechselbar geblieben ist. Charakteristisch sind die fließenden August 1967 steht auf Wunsch eine Halbautomatik zur Verfügung –<br />
Linien, die markanten Kotflügel und der Motor im Heck. Damit imitiert doch besonders beliebt wird die „Sportomatic" nicht, zumal sie bei der<br />
der 911 das Grundkonzept seines berühmten Vorgängers 356, aber auf Beschleunigung von 0 auf 100 eine Sekunde frisst. In diesen Kreisen<br />
ungleich modernere Weise.<br />
zählt zumindest auf dem Papier jede Zehntelsekunde.<br />
Der erste 911er bietet Platz für zweimal zwei Personen. Das Im August 1966 legen die Zuffenhausener eine Schippe drauf:<br />
Armaturenbrett bekommt die typische „Uhrensammlung" mit fünf Der 911 S holt aus dem gleichen Hubraum 160 PS und verbessert die<br />
Rundinstrumenten, der Pilot dreht an einem schmucken Holzlenkrad. Beschleunigung um eine Sekunde. Erst bei 220 Sachen stoppt die<br />
Der Preis liegt anfangs bei 21.900 D-Mark. Das entspricht – inflationsbereinigt<br />
– in heutiger Währung 42.500 Euro.<br />
behaupten. Zusätzlich zu den Extra-Pferdestärken bringt das<br />
Tachonadel – das können in den 60er Jahren nicht viele Autos von sich<br />
S-Modell<br />
Das macht einen Teil des 911er-Mythos aus: Er ändert sich – aber er sieht nie wirklich anders aus.<br />
Peter Falk war über 30 Jahre in der Entwicklung des Porsche 911<br />
tätig: „Wir haben früher alles gemacht. Bremsen, Fahrwerk oder Motor<br />
– eben alles, was getestet werden musste. Wir hatten anfangs für alle<br />
Tests gerade mal zehn Autos. Heute sind es ein paar Hundert."<br />
800.000 Porsche 911 wurden im Laufe der vergangenen 50 Jahre<br />
verkauft. Rund drei Viertel aller Modelle fahren heute noch – ein einmaliger<br />
Wert in der Automobilgeschichte, den allenfalls noch Land<br />
Rover mit dem unkaputtbaren Defender toppen kann. „Der Rennsport<br />
war schon immer die beste Erprobung", erinnert sich Peter Falk. „Was<br />
bei den Rennen gut funktionierte, das hat es oft auch bei uns in die<br />
Serie geschafft."<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 15
ger als beim damaligen 911er mit zwei Litern Hubraum. Im Vergleich<br />
zum 911 S mit 160 PS sieht der 912 geradezu schwachbrüstig aus.<br />
Immerhin ist der 912 etwas leichter als sein potenter Bruder, statt 1095<br />
bringt er nur 995 Kilogramm auf die Waage. Doch die Fahrleistungen<br />
sprechen für sich: 13,5 Sekunden braucht der 912 für den Spurt<br />
von 0 auf 100 km/h, der 911er knackt die 100er Marke je nach<br />
Modell und Getriebe schon nach acht bis elf Sekunden. Während die<br />
Sechszylinder-Porsche spielend die 200 km/h-Latte überspringen, endet<br />
der Vorwärtsdrang des 912 bei 183 Sachen.<br />
Doch Leistung ist selbst in den 60er Jahren nicht alles, als sich<br />
Playboys am Porsche-Volant noch keine Gedanken über Spritverbrauch<br />
und Tempolimit machen müssen. Der 912 macht den Traum vom<br />
schicken Sportwagen etwas erschwinglicher, denn er kostet bei seiner<br />
Markteinführung im April 1965 „nur" 16.250 D-Mark. Bis zur Einstellung<br />
der Produktion im Jahr 1969 laufen mehr als 30.000 Porsche 912 vom<br />
Band, davon 2544 Targa-<br />
Versionen. Zeitweilig überflügelt<br />
die 912-Produktion die<br />
des 911er um das Doppelte.<br />
Der amerikanische Rennfahrer<br />
Mark Donohue vergleicht<br />
für die Zeitschrift „Car &<br />
Driver" den 912 mit seinem<br />
großen Bruder 911 und ist<br />
nicht nur vom Handling des<br />
Wagens begeistert: „Man<br />
muss Porsche dafür bewundern,<br />
dass sie so viel aus so<br />
einem relativ kleinen Motor<br />
herausholen."<br />
Das Ende des 912 läutet<br />
Porsche mit dem 911<br />
T ein, der 1967 erscheint<br />
und eine auf 110 PS abgespeckte<br />
Version des 911er darstellt – aber immerhin mit Sechszylinder-<br />
Boxer samt entsprechender Soundkulisse. Mit 19.000 D-Mark ist der<br />
Neuling 1967 nicht viel teurer als ein 912, dessen Preis mittlerweile<br />
auf 17.000 gestiegen ist. Es ist also keine Überraschung, dass das<br />
Interesse am Vierzylinder-Porsche schnell abebbt und man das Modell<br />
in Zuffenhausen schließlich ganz aus dem Programm kippt.<br />
Bevor in den 70er Jahren die G-Serie einen weiteren Meilenstein der<br />
911er-Geschichte setzt und Porsche das 911 Cabrio einführt, schneiden<br />
die Zuffenhausener ihrem Kultauto das Dach ab – jedenfalls teilweise.<br />
Natürlich gibt es einen ernsten Grund für den Targa (italienisch<br />
„Schild"). Seit der amerikanische Verbraucherschützer Ralph Nader mit<br />
seinem Buch „Unsafe At Any Speed" die schlechte Sicherheitsausstattung<br />
amerikanischer Autos zum Thema gemacht hat, steht in den 60ern für<br />
viele Hersteller die Zukunft ihrer Cabrios ernsthaft auf der Kippe. Der<br />
Targa mit seinem Überrollbügel kommt da genau richtig. Als „erstes<br />
serienmäßiges Sicherheitscabrio der Welt" bewirbt Porsche denn auch<br />
den Wagen auf der Frankfurter IAA. Das herausnehmbare Faltdach<br />
kann man im Kofferraum verstauen und die Heckscheibe („Softwindow"<br />
genannt) herunterklappen. Der Name leitet sich von der Targa Florio ab,<br />
dem Langstreckenrennen auf Sizilien, das Porsche von 1956 bis 1965<br />
fünfmal gewann. Der Aufpreis für einen Targa beträgt zu Beginn 1400<br />
D-Mark.<br />
Der Ur-911 wird bis zum Jahr 1973 gebaut. Für die sportliche<br />
Ablösung sorgt im gleichen Jahr die G-Serie, die 16 Jahre lang der<br />
Legende Porsche 911 neues Leben einhaucht. Das Markenzeichen dieser<br />
911er-Generation sind die dicken Stoßfänger mit Faltbälgen auf beiden<br />
Seiten und das durchgehende Leuchtenband mit Porsche-Schriftzug<br />
am Heck. Alle Modelle bekommen zunächst den 2,7-Liter-Motor. Der<br />
Sechszylinder leistet im Basismodell 150 PS und beschleunigt den<br />
Wagen in neun Sekunden von 0 auf 100. Das S-Modell steigert die<br />
Leistung auf 175 PS, der Carrera prahlt mit 210 PS – und rennt in<br />
damals geradezu Formel-1-verdächtigen 6,5 Sekunden von 0 auf 100<br />
km/h. Auch die Preise für Porsches Sportwagen legen einen Sprint hin.<br />
Im August 1973 kostet ein 911 noch 27.000 D-Mark, bis zum Februar<br />
1977 steigt der Preis um satte 10.000 Mark. Der Werbeslogan der 70er<br />
Jahre hat sich bis heute gehalten: „Keiner braucht ihn – jeder will ihn."<br />
Highlight der erfolgreichen G-Serie ist der 1974 vorgestellte 911<br />
Turbo. Er ist der erste Seriensportwagen mit Abgasaufladung. Durch die<br />
Turboaufladung, die bis dahin fast ausschließlich bei Rennfahrzeugen<br />
eingesetzt wurde, quetschen die Zuffenhausener aus drei Litern<br />
Hubraum eine Leistung von satten 260 PS heraus. Von 0 auf 100 km/h<br />
donnert der zwangsbeatmete 911er in beeindruckenden 5,5 Sekunden,<br />
die Höchstgeschwindigkeit liegt jenseits der 250 km/h-Marke. So ist der<br />
1,2 Tonnen schwere Porsche 911 Turbo mit seinem charakteristischen<br />
Heckflügel eines der schnellsten Serienfahrzeuge der Welt. Wie schon<br />
beim sportlichen 911 Carrera RS sind die vorderen und hinteren Räder<br />
unterschiedlich breit – vorne sieben Zoll, hinten acht Zoll. Bei seiner<br />
Markteinführung kostet der Turbo 65.800 D-Mark – dieser Preis wird<br />
sich bis zum letzten Produktionsjahr 1989 mehr als verdoppeln.<br />
Den 912 E gibt es nur in den USA und von 1975 bis 1976. Sein<br />
Boxer leistet magere 87 PS. Es braucht schon den amerikanischen<br />
Way Of Drive mit gemütlichem<br />
Cruisen bei 55 Meilen<br />
pro Stunde (89 km/h) – so<br />
schnell darf man damals<br />
im Sonnenstaat Kalifornien<br />
noch fahren –, damit nicht<br />
auffällt, was für eine lahme<br />
Ente das E-Modell ist. Den<br />
Motor leiht sich der Wagen<br />
vom Porsche 914, in dem<br />
die Zuffenhausener ebenfalls<br />
Sportlichkeit mit vier Töpfen<br />
verbinden.<br />
Neben dem Targa wagt<br />
Porsche in den 80ern erstmals<br />
auch die völlige Offenheit:<br />
Das Cabriolet wird 1982 auf<br />
dem Genfer Salon vorgestellt<br />
und 1983 ausgeliefert. 1986<br />
bekommt bk tder Freiluft-Flitzer Flit für 4000 Mark Aufpreis ein elektrisches<br />
Verdeck. Der ungewöhnlichste Vertreter der G-Serie ist jedoch der<br />
Speedster. Er wird 1989 nur ein halbes Jahr lang gebaut und bleibt einer<br />
der seltensten Vertreter seiner Art – genau wie sein legendärer Vorgänger<br />
Porsche 356 Speedster. Das Fahrzeugkonzept folgt einer Devise von<br />
Ferry Porsche: „Fahrspaß wird nicht durch Komfort erzeugt", glaubte<br />
der Sportwagen-Konstrukteur. So war der erste Speedster von 1954 ein<br />
Porsche in Reinform: 760 Kilo „Lebendgewicht", leichte Schalensitze,<br />
Kunststoff-Seitenscheiben. Eine superkurze Windschutzscheibe und ein<br />
flatterndes Notverdeck konzentrieren die Aufmerksamkeit des Piloten<br />
allein auf die Straße.<br />
Danach sollte es mehr als 30 Jahre dauern, bis Porsche wieder<br />
einen Speedster auf die Räder stellte. 1989 bauen die Zuffenhausener<br />
die Speedster-Variante des 911 Carrera. Eine geduckte Silhouette<br />
durch die flachere Windschutzscheibe, Sportsitze und der 231 PS<br />
starke Boxermotor machen den Wagen zu einer recht komfortablen<br />
Fahrmaschine. Das ungefütterte Verdeck muss man in einer genau<br />
festgelegten Prozedur unter einer Abdeckung aus leichtem Kunststoff<br />
verstauen, sonst drohen Kratzer. Der Verdeckdeckel präsentiert sich mit<br />
einer dicken Doppelhutze, die dem Speedster seine charakteristische<br />
Optik verleiht. Den Speedster der G-Serie gibt es in zwei unterschiedlich<br />
breiten Karosserieformen. Die schmale Form basiert auf dem Cabrio, die<br />
breite Variante auf der Karosserie des 911 Turbo.<br />
Optisch unterscheidet sich die G-Serie des 911er kaum von der<br />
Nachfolge-Generation 964, die Ende 1988 vorgestellt wird. Etwas rundlicher,<br />
etwas moderner, dickere Stoßfänger mit breiten Blinkern – das<br />
war es schon. Doch auch der neue Porsche 911 ist ein typischer 911er.<br />
Allein die Elektronik hat mittlerweile Einzug gehalten.<br />
Der 964 ist der erste Serien-Porsche, der mit einem permanenten<br />
Allradantrieb zu bekommen ist. Der 250 PS starke Porsche 911 Carrera<br />
4 setzt ein Zeichen und ist bis heute bei Kennern besonders beliebt.<br />
Neben dem optionalen Allradantrieb bekommt die dritte Generation des<br />
911er ein neu entwickeltes Fahrwerk, eine verbesserte Innenausstattung<br />
und einen automatisch ausfahrbaren Heckspoiler.<br />
Besonderen Einfluss auf die Entwicklung des Porsche 964 hat der<br />
Technologieträger 959. Diese streng limitierte Serie setzt Mitte der 80er<br />
Seite 16 ■ GoodTimes 1/2014
Jahre Maßstäbe in Sachen Aerodynamik, Antrieb und Fahrwerk. Neben<br />
einem variablen Allradsystem ist der 959 mit 450 Turbo-PS und einem<br />
variablen Fahrwerk unterwegs. Unter anderem gewinnt er im Jahr 1986<br />
die Rallye Paris-Dakar. 283 Modelle werden gebaut, Stückpreis 420.000<br />
D-Mark. Die meisten verschwinden auf Nimmerwiedersehen in privaten<br />
Sammlungen.<br />
Heute ist Allradantrieb nicht mehr aus der 911-Modellpalette wegzudenken<br />
– die 4 am Heck steht dafür. In den 80ern betritt Porsche<br />
damit Neuland – wenn man einmal von Exoten wie dem 1953 vorgestellten<br />
„Jagdwagen" absieht. Unter der werksinternen Bezeichnung<br />
Typ 953 entstehen im Winter 1983 drei Allrad-Rallyeboliden mit dem<br />
Namen 911 Carrera 4x4. Im Heck der Fahrzeuge tobt sich der altbekannte<br />
Sechszylinder-Boxermotor mit 3,2 Litern Hubraum aus. Erstmals<br />
kommt eine digitale Motorelektronik zum<br />
Einsatz. Die Verdichtung<br />
des Boxers müssen<br />
die Ingenieure allerdings<br />
reduzieren, damit<br />
der Motor die schlechte<br />
Benzinqualität in vielen<br />
Ländern verträgt. Die<br />
Leistungsausbeute des<br />
Boxers ist deshalb mit 225<br />
PS ziemlich mager.<br />
Die Rallye-Siege bringen<br />
den Zuffenhausenern<br />
schließlich ihren erhofften en<br />
PR- und Erkenntnisgewinn. nn.<br />
„Als das Ziel erreicht war,<br />
hörte Porsche auf, wie sie<br />
es immer tun", erinnert sich<br />
Jacky Ickx, der in den 80er<br />
Jahren Rallye-Pilot bei Porsche<br />
war. „Bei denen hat Rennsport<br />
letzten Endes immer nur einen technischen hi h Hintergrund." d"<br />
Doch der Allradantrieb bekommt auch Gegenwind. Viele e<br />
Porsche-Fans wollen Ende der 80er einen dynamischen 911er nur<br />
mit Heckantrieb akzeptieren. Unbestritten ist, dass der Carrera<br />
4 im Grenzbereich leichter zu beherrschen ist und seine Kraft<br />
souveräner auf die Straße bringt. Wer Heckantrieb will, kann den<br />
beim 964 in Form des Carrera 2 jedoch ebenfalls bekommen. Sowohl<br />
Carrera 2 als auch Carrera 4 sind als Coupé, Targa und Cabrioversion zu<br />
haben. Die Preise reichen kurz nach der Markteinführung von 103.500<br />
D-Mark (Carrera 2) bis 131.000 Mark (Carrera 4). Der Turbo kommt im<br />
März 1990 und bringt für 178.500 Mark 320 PS auf die Straße.<br />
Bereits drei Jahre später kommt die schnelle Ablösung. Optisch<br />
hat sich 1993 besonders an Front und Heck einiges getan. Die Front<br />
ist flacher, die Scheinwerfer sind nicht mehr derart erhaben wie bei<br />
den Vorgängerserien. Das Hinterteil zeigt sich bulliger als bisher. Der<br />
Innenraum ist dagegen nahezu unverändert. Selbstverständlich gibt es<br />
wieder Sportversionen wie den Carrera 4, den Carrera 4S oder den Turbo.<br />
Die Targaversion hat kein herausnehmbares Dach mehr, vielmehr lässt<br />
sich das übergroße Schiebedach elektrisch hinter die Rücksitze fahren.<br />
Der Sechszylinder leistet zunächst 300 und danach 320 PS bei 6800<br />
U/min und ein maximales Drehmoment von 370 Newtonmeter (Nm)<br />
bei 4250 U/min. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 285 km/h. Neben<br />
den deutlich verbesserten Fahrleistungen präsentiert sich der 996 auch<br />
sparsamer als seine potenten Ahnen.<br />
Für die entsprechende Kühlung des Motors sorgt erstmals Wasser.<br />
Die langjährige Luftkühlung ist verschwunden, die Lüftungsgitter am<br />
Heck nicht. Die einstige Heckschleuder zeichnet sich bereits seit dem<br />
993 durch ein Fahrwerkspotenzial und Sicherheitsreserven aus, von<br />
denen man bis zu den späten 80er Jahren nur träumen konnte.<br />
Wer sich mit den Standard-911ern nicht zufriedengeben mag, der<br />
wird von der Porsche-Rennsportabteilung glücklich gemacht. Auf den<br />
Le-Mans-erprobten Porsche 911 GT 1 folgt die Straßenversion des 911<br />
GT 2. Dank Doppelturbolader bringt er nicht nur die Konkurrenz auf<br />
den Rennstrecken dieser Welt zum Staunen. Aus 3,6 Litern Hubraum<br />
holt das Sportgeschoss 462 PS. Ein maximales Drehmoment von<br />
620 Nm und eine Höchstgeschwindigkeit von 316 km/h sprechen<br />
eine deutliche Sprache. Von 0 bis Tempo 100 vergehen rund vier<br />
Sekunden. Ebenfalls auf die Rennstrecke abgestimmt: Keramikbremsen,<br />
Sportfahrwerk und Rennsportschaltung.<br />
Ähnlich sportlich ist der etwas zahmere Porsche 911 GT 3. Er leistet<br />
immerhin 381 PS. Die Höchstgeschwindigkeit sprengt ebenfalls die<br />
300er-Grenze. Als erstes Serienfahrzeug der Welt knackt der GT 3 die<br />
Acht-Minuten-Marke auf der Nordschleife des Nürburgrings.<br />
Der 996 ist eine langlebige 911er-Generation. Erst 2004 schreibt der<br />
997 die Geschichte der Sportwagenlegende weiter und ist dennoch eine<br />
konsequente Weiterentwicklung des 996. Eine modifizierte Optik unterscheidet<br />
ihn stärker von den PS-schwächeren Boxster-Modellen. Er vereint<br />
Elemente der Generationen 964, 993 und 996. Bei Markteinführung ist<br />
der 997 als Carrera und Carrera S mit Leistungen von 325 und 355 PS zu<br />
bekommen. Neu ist die aktive Dämpfereinstellung, die für ein Höchstmaß<br />
an Agilität sorgt.<br />
Der 911 Targa kommt etwas später und verfügt nach wie vor über<br />
ein sich weit öffnendes Schiebedach, das Luft und/oder Licht in den<br />
Innenraum des Zweisitzers bringt. Serienmäßig ist das Targamodell nur<br />
mit Allradantrieb zu bekommen. Immer mehr Kunden entscheiden sich<br />
denn auch für einen vierradgetriebenen<br />
911er.<br />
Zur Modellpflege 2008<br />
gibt es neue Motoren mit<br />
Direkteinspritzung. Der Normverbrauch<br />
des nun auf 345 PS<br />
erstarkten<br />
3,8-Liter-Triebwerks<br />
sinkt erstmals unter die Zehn-<br />
Liter-Marke. Die immer wieder<br />
als zu unsportlich kritisier-<br />
te Getriebeautomatik Tiptronic<br />
hat ausgedient. Sie wird<br />
von einem neu entwickelten<br />
Doppelkupplungsgetriebe mit dem<br />
Kürzel PDK ersetzt. Der Erfolg ist<br />
riesig. Mittlerweile entscheiden<br />
sich in vielen Ländern mehr als<br />
80 Prozent für die Kombination<br />
aus Fahrspaß, automatischem und<br />
manuellem Schalten sowie niedrigem<br />
Verbrauch.<br />
Anders sieht es bei biden Sportversionen aus. Modelle wie GT3, GT3<br />
R oder GT2 RS setzen nach wie vor auf kompromisslosen Fahrspaß auf<br />
Rundkursen und Landstraßen. Die Sportmodelle von Porsche werden<br />
wie gehabt per Handschaltung auf Touren gebracht. Nach vielen Jahren<br />
legt Porsche erstmals auch wieder einen Speedster auf, eine Version<br />
mit manuellem Dach und flacher Windschutzscheibe. Ebenso wie die<br />
Sondereditionen des Carrera GTS und Carrera GTS 4 wird auch er von<br />
einem auf 408 PS erstarkten Sauftriebwerk befeuert.<br />
Topmodell bleibt jedoch auch beim überarbeiteten Porsche 997 das<br />
Führungsdoppel aus 997 Turbo und 997 Turbo S, 500 beziehungsweise<br />
530 PS stark. Highlight beim Turbo-Doppel sind nicht die pure Leistung und<br />
Höchstgeschwindigkeiten von rund 320 km/h, sondern ein Torque Vectoring<br />
und ein besonders fahraktiver Allradantrieb. Das weiterentwickelte Porsche<br />
Traction Management (PTM) besteht aus einem aktiven Allradantrieb mit<br />
elektronisch gesteuerter Lamellenkupplung unter Einbeziehung des automatischen<br />
Bremsendifferenzials und der Antriebsschlupfregelung.<br />
Für Baureihenleiter August Achleitner ist der 991 der „Übervater<br />
des 911er und das Rückgrat unseres Unternehmens". 150 Millionen<br />
Euro hat Porsche in neue Designstudios, einen Windkanal und das<br />
Integrationszentrum in Weissach investiert. „Wir hatten bei der<br />
Entwicklung des 991 deutlich mehr Freiheiten als bisher, wir haben<br />
wirklich auf einem weißen Blatt Papier angefangen", sagt Achleitner.<br />
Neue Plattform, größere Abmessungen, effizientere Motoren, konsequenter<br />
Leichtbau, ein komplett neues Cockpit – die jüngste 911er-<br />
Generation gleicht nur auf den allerersten Blick ihrem Vorgänger wie<br />
ein Ei dem anderen. Mittlerweile hat das Ausrollen der neuen 991er-<br />
Baureihe begonnen. Die Versionen Carrera und Carrera S erfreuen sich<br />
ebenso großer Beliebtheit wie die Allradversionen. Als nächstes können<br />
sich die Porsche-911-Fans auf die 475 PS starke GT3-Sportversion<br />
freuen. Auf der IAA stand zum 50. Ehrentag dann die Turboversion.<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 17
Bilitis<br />
Softsex<br />
unterm<br />
Weichzeichner<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
Mann und Frau haben es nicht leicht, wenn es sich während der<br />
intensiven Phase ihrer Pubertät ums Erwachsenwerden dreht. Das<br />
gilt für die heutige Zeit voller verliebter Vampire unverändert wie<br />
für die vor über 30 Jahren, als die sexuelle Revolution der 68er<br />
schon vorüber war. Dennoch grübelten nach Orientierung suchende<br />
Teenager Mitte bis Ende der 70er offensichtlich nach wie vor<br />
über sinnstiftende Dinge wie "<br />
natürliche" Romantik. Fündig wurden<br />
sie in Fotos, aber auch Puzzles und Bettwäsche mit Motiven des<br />
David<br />
Hamilton<br />
frankophilen britischen<br />
Fotografen<br />
David Hamilton.<br />
Der im April 1933<br />
in London geborene<br />
Künstler hatte<br />
nämlich neben der<br />
Côte d’Azur eine<br />
weitere Vorliebe,<br />
wie 1977 auch sein<br />
Filmdebüt "<br />
Bilitis"<br />
zeigte.<br />
Die Feinheit ihrer Beine, die Zartheit ihres Körpers und vor allem<br />
ihr Katzengesicht, ihre katzenhaften Augen, auf die leicht ihre<br />
„ oberen Augenlider fielen. Wie ich sie so ansah, wusste ich<br />
schon, was für eine Schönheit sie werden würde." Mit diesen Worten<br />
schildert Hamilton in seinen Erinnerungen ein Schlüsselerlebnis 1966 an<br />
einem Strand in Bournemouth, als er ein Mädchen beim Spiel mit der<br />
jüngeren Schwester beobachtete. Zwei Jahre später nahm er von dem<br />
„Objekt der Begierde" Schnappschüsse auf, nachdem er bei der Mutter<br />
artig angefragt hatte. Ein Bild aus dieser Session erschien prompt 1970 in<br />
Hamiltons erstem Fotoband mit dem bezeichnenden Titel „Träume junger<br />
Mädchen". Die Gestaltung des Albums war von Leonard Cohens Song<br />
"Suzanne" inspiriert, indem der dazugehörige Text als Bildunterschriften<br />
fungierte. Hamilton persönlich machte nie einen Hehl daraus, dass<br />
junge Mädchen sein allseits beherrschendes Markenzeichen gewesen<br />
sind. Angesprochen auf seine Lieblingsmotive, äußert er sich über<br />
„Fragestellungen ihres Alters", die durch seine Fotografie zum Ausdruck<br />
gebracht werden könnten; vielleicht sogar mit der Möglichkeit, darin<br />
einige „Antworten" zu finden. Warum die Modelle außer jung bevorzugt<br />
blond oder rothaarig waren, erklärt er mit der „Durchsichtigkeit ihrer<br />
Haut", mit Hilfe derer sie sich besser ins Gesamtbild einfügen ließen.<br />
1969 befand sich der Fotograf zu Arbeiten für Yves Saint Laurent<br />
auf den Kanarischen Inseln und hatte dort eine weitere schicksalhaf-<br />
Seite 18 n GoodTimes 1/2014
te Begegnung, nämlich die mit seiner künftigen<br />
ersten Ehegattin. Von Mona Kristensen, der<br />
in<br />
Worten des Künstlers „schönsten Frau, der<br />
ich<br />
je begegnet bin", machte Hamilton mehr<br />
Fotos als von jedem anderen Modell. Sie<br />
käme „der körperlichen Vollkommenheit<br />
so nahe, wie es selten zu sehen ist". Dass<br />
sie auch deswegen in seinem erstem<br />
Film mitspielen würde, galt seit Beginn<br />
ihrer Partnerschaft als ungeschriebenes<br />
Gesetz. Und so kam es dann auch.<br />
Eines unbekannten Tages mitten<br />
in den 70ern trat der Drehbuchautor<br />
Jacques Nahum an Hamilton heran, zum<br />
ersten mit der 1894 in Paris von Pierre Louys<br />
veröffentlichten erotischen Gedichtsammlung<br />
„Les Chansons de Bilitis", und zum zweiten mit<br />
dem Vorschlag, daraus einen Film zu machen. Das in<br />
der Vorlage beschriebene „sexuelle Erwachen" der<br />
weiblichen<br />
Protagonistin ist aber auch schon alles, was sie mit ihrem Äquivalent<br />
im Kino gemeinsam hat. Aus der griechischen Schäferin zu Beginn des<br />
sechs ten Jahrhunderts vor Christus im Buch wurde im Film eine zeitgenössische<br />
französische Internatsschülerin, zu dessen Beginn auf den antiken<br />
Ursprung (aber auch auf die Unschuld der Titelfigur) angespielt wird:<br />
Bilitis probt samt weißer Tunika und Lorbeerkranz ein für ein Schulfest<br />
geplantes Theaterspiel, vergisst aber ihren Text.<br />
In die Rolle der Bilitis war die amerikanische Schauspielerin Patti<br />
d’Arbanville geschlüpft. Exakt, jene „Lady D’Arbanville", an die wenige<br />
Jahre zuvor Cat Stevens eine Ode in Form seines gleichnamigen<br />
Evergreens verfasst hatte. Dass sie zum Zeitpunkt der Dreharbeiten<br />
mit Mitte 20 bereits deutlich älter als die von ihr gespielte 17-jährige<br />
Schülerin war, fiel nicht weiter auf. Spötter würden sagen, dass der Grund<br />
dafür Hamiltons auch aus seinen Fotos bekannte Weichzeichner-Optik<br />
war, die eh keinen Platz für Falten ließ. Doch zeitgenössische Kritiker<br />
der schreibenden Zunft fanden für die Hauptdarstellerin angesichts ihrer<br />
gefühlvollen Spielweise durchaus auch lobende Worte.<br />
Bilitis kommt über die Sommerferien an den Strand von Saint Tropez,<br />
das Hamilton als junger Mann wie ein „vollkommen neues Universum"<br />
kennen gelernt hatte. Auch ohne vorher zu wissen, dass die Handlung<br />
in Südfrankreich stattfindet, wird dies dem Betrachter anhand der idyllischen<br />
Bilder sehr schnell klar. Hamilton wäre nach eigenen Aussagen<br />
nie auf die Idee gekommen, den Film woanders als in der Provence zu<br />
produzieren – allein schon aus Gründen der Bequemlichkeit, um nicht<br />
zu weit entfernt von seinen eigenen vier Wänden arbeiten zu müssen.<br />
Gedreht wurde in dem verlassenen Schloss Saint-<br />
Amé, das zu einem Studio umgebaut wurde. Mit<br />
dem Bühnenbildner Eric Simon fand Hamilton<br />
einen kongenialen Partner, der seine Vorstellungen<br />
von Möbeln, Formen und Farben genauestens<br />
umsetzte – und die entsprachen mehr oder weniger<br />
einer Kopie seines Hauses. Für ihn war „Bilitis" ein<br />
„sehr hübscher Film", in dem das Publikum die<br />
Schönheit seiner Fotos wiederentdecken konnte.<br />
Kritiker warfen ihm vor, er habe ein künstliches<br />
Pastellfarben-Paradies erschaffen. Dabei betonte<br />
der Fotograf stets, kein einziges seiner veröffentlichten Bilder sei<br />
jemals<br />
mit Hilfe künstlicher Beleuchtung entstanden.<br />
Doch zurück zu der zugegebenermaßen überschaubaren Handlung<br />
des Films: Bilitis wohnt während der Ferien bei Melissa (Mona<br />
Kristensen), der Tochter einer Freundin ihres Vaters. Einerseits schwärmt<br />
sie für einen – wer hätte das gedacht – jungen Fotografen (Bernard<br />
Giraudeau), ohne dies sich (und ihm) eingestehen zu wollen. Andererseits<br />
ist sie schnell von ihrer eleganten älteren Freundin fasziniert und schämt<br />
sich vor ihr. Die wiederum lässt sich auch davon nicht aus der Ruhe<br />
bringen, dass ihr Ehemann Pierre sie mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr<br />
zwingt, wie Bilitis eines Nachts von draußen durch die Fensterscheibe<br />
beobachtet. Dabei wollte sie ihr neues Idol doch nur beim Auskleiden<br />
beobachten … Sie findet ebenfalls heraus, dass Pierre offensichtlich<br />
ein Verhältnis mit einer seiner Reitschülerinnen hat. Als er mit dieser<br />
zu einem Rennen nach Monte Carlo fährt, kommt es zwischen den<br />
beiden jungen<br />
Frauen zu einer kurzen, aber innigen<br />
Liebesaffäre,<br />
die von Melissa freundlich, aber<br />
bestimmt<br />
beendet wird. Daraufhin begibt<br />
Bilitis<br />
sich mit ihrem Fotografenfreund auf<br />
die Suche<br />
nach einem geeigneten Mann<br />
für<br />
Melissa. Diese Frühform des Castings<br />
geht<br />
folgendermaßen vonstatten, dass<br />
auf<br />
offener Straße spontan von Bilitis<br />
für<br />
geeignet gehaltene Kandidaten<br />
geradewegs<br />
abgelichtet und Melissa zur<br />
Musterung<br />
vorgelegt werden. Vielleicht<br />
gab<br />
es vor dem Fotohandy-Zeitalter<br />
noch<br />
kein Recht am eigenen Bild. Es<br />
kommt<br />
zu einem Fest, bei dem auch Bilitis’<br />
favorisierter<br />
Anwärter für den Posten an<br />
Melissas<br />
Seite aufkreuzt, dargestellt vom jun-<br />
gen Matthieu<br />
Carrière. Obwohl (oder weil?) diesem<br />
die Rolle des nonchalanten<br />
Freigeistes hervorragend<br />
zu Gesicht steht (Zitat<br />
über ihn: „Ich glaube, dass er nie zu<br />
jemandem gehören wird"), funkt es zwischen ihm und Melissa nicht.<br />
Schließlich erkennt Bilitis, wer am Ende warum zusammengehört, und<br />
legt wortwörtlich die Schicksale ihrer älteren Freundin und des ebenfalls<br />
anwesenden Fotografen in beider gegenseitige Hände. Die beiden finden<br />
letztlich zueinander, während Bilitis tränenüberströmt das Weite sucht.<br />
Somit ist die Handlung am Ende zwar insgesamt nach wie vor weichgezeichnet,<br />
aber keinesfalls weichgespült. Um einige Erfahrungen reicher<br />
– um nicht zu sagen „erwachsener"<br />
– wird Bilitis nach den Sommerferien<br />
in<br />
das Internat zurückkehren. Der Backfisch hat<br />
zwei<br />
geliebte Menschen zueinandergeführt, salopp<br />
und<br />
unsensibel gesprochen: sich letztlich irgendwie<br />
selbst<br />
in die Pfanne gehauen.<br />
David Hamilton blieb nach seinem erfolgrei-<br />
chen<br />
Filmdebüt bis Mitte der 80er dem von ihm<br />
selbst<br />
mit zum Leben erweckten Genre des roman-<br />
tischen<br />
Softsexfilms treu, bis er sich erneut schwer-<br />
punktmäßig<br />
der Fotografie zuwandte. „Zärtliche<br />
Cousinen"<br />
(u.a. mit Anja Schüte) wurde 1981 ein<br />
ähnlich<br />
großer Erfolg.<br />
Bezogen auf<br />
„Bilitis"<br />
ist außerdem ein auch im Internet kursierendes<br />
Gerücht um einen angeblich zu Beginn der 90er geplanten zweiten<br />
Teil namens „Bilitis 2 – My Love" erwähnenswert. Ob der deutschamerikanisch-schweizerische<br />
Film 1991 überhaupt fertiggestellt oder<br />
während der Dreharbeiten im Streit zwischen den Produzenten abgebrochen<br />
wurde, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden. Co-Regisseur<br />
– neben Hamilton selbstredend – war der tschechische Drehbuchautor<br />
Karel Kachi^na, angebliche Hauptdarstellerin eine mysteriöse Dame<br />
namens Patricia Van Haaren. Angesichts allgemein leidiger Erfahrungen<br />
mit zweiten Teilen wird es seine Gründe haben, dass die Fortsetzung<br />
bislang nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Bis dies entgegen<br />
aller Erwartungen einmal der Fall sein könnte, besteht freilich weiterhin<br />
die Gelegenheit, sich von Bild und Ton des Originals samt samtweichen<br />
Soundtracks von Francis Lai (weltweit über fünf Millionen verkaufter<br />
Exemplare!) betören zu lassen.<br />
GoodTimes 1/2014 n Seite 19
Blank & Jones –<br />
Kult-Produzenten im<br />
Dienste der Kult-Sendung<br />
Natürlich gehört zu einer so spektakulären „Wiederauferstehung“ wie der der Kultsendung „Formel<br />
Eins“ die passende „Begleitmusik“. Für die sorgen Piet Blank und Jaspa Jones, besser bekannt als<br />
das DJ- und Produzentenduo Blank & Jones, die für die „so80s“-Ausgabe für die „Formel Eins“<br />
tief in die Archive tauchten, ihre Verbindungen zu Musikerkollegen spielen ließen und den Sound<br />
vieler Songs für diese spezielle CD kräftig aufpolierten – und zugleich für ein „Formel Eins“-Novum<br />
sorgten. Man lese nur, was die beiden nach getaner Arbeit im Tonstudio eigens für die Leser von<br />
<strong>kult</strong>! zu Papier gebracht haben.<br />
Genau 30 Jahre nach dem Start der TV Show „Formel Eins" freuen<br />
"<br />
wir uns, dieses ehrwürdige Jubiläum mitgestalten zu dürfen. Als<br />
die Musikshow mit Video-Clips und Bandauftritten 1983 auf Sendung<br />
ging, war es für uns Teenager eine wahre Offenbahrung. MTV gab es<br />
in Deutschland noch nicht, und immer nur bei „Bio's Bahnhof" oder<br />
g<br />
„Bananas" auf die Musik zu warten, die wir gut fanden, war sehr<br />
mühsam. Mit „Formel Eins" bekam eine ganze Generation quasi ihre<br />
eigene, neue Sendung, die auch ihre eigenen neuen Popstars hervorbrachte.<br />
Plötzlich gab es neben der „Bravo" und dem Radio eine weitere<br />
wöchentliche Quelle, in der man neue Musik entdecken konnte.<br />
Die Sendung hat uns komplett durch unsere Jugend begleitet, und die<br />
gespielten Clips bzw. Studiogäste waren auch immer Thema auf den<br />
Schulhöfen.<br />
Als wir nun Anfang 2013 mit dem Mastering und der Archivsuche für<br />
die vier Jubiläumseditionen anfingen, kam uns bald der Gedanke, doch<br />
d d h i b ll s<br />
eine ganze<br />
so8os<br />
[so<br />
eighties]<br />
Ausgabe dieser<br />
Kultshow<br />
zu<br />
widmen.<br />
Schnell<br />
war<br />
klar, was auf<br />
jeden<br />
Fall<br />
nicht<br />
fehlen<br />
durfte:<br />
Alle<br />
„Formel<br />
Eins<br />
Fahren gemeinsam "<br />
Formel Eins":<br />
Christian Stronczek (Sony Music) und Peter Illmann<br />
Themes",<br />
die<br />
im Laufe der<br />
Jahre erstellt<br />
wurden.<br />
Angefangen bei den Go Go's über Jaap Egermont, Jonzun Crew, Harold<br />
Faltermeyer bis hin zu Yello. Komischerweise gab es alle Titelmelodien<br />
im Laufe der Jahre noch nie gemeinsam auf einem Album. Einige sind<br />
sogar noch nie auf CD erschienen. Um die Tracks in bestmöglicher<br />
Qualität zu bekommen, kontaktierten wir teilweise die Künstler selber,<br />
und siehe da, Boris Blank von Yello fand in seinem Archiv<br />
gleich zwei Versionen von "The Race", die damals exklusiv für<br />
„Formel Eins" angefertigt wurden. Zum einen die legendäre endäre<br />
TV-Version, mit der die Show eröffnet wurde, zum anderen<br />
noch eine extra Edit, mit der Yello damals nur bei<br />
„Formel Eins" auftraten. Auch Harold Faltermeyer ließ<br />
uns netterweise seine Original-Mastertapes zukommen,<br />
wodurch wir neben der Single-Version auch<br />
erstmalig die komplette 12"-Version seines „Formula One"-<br />
Tracks auf dieser so8os Ausgabe präsentieren können. n.<br />
Seite 20 ■ GoodTimes 1/2014<br />
Blank<br />
&<br />
J<br />
one<br />
es s(DJ-<br />
und dProd<br />
roduze<br />
nten-T<br />
n-Team<br />
nTeam<br />
eam)<br />
Ein weiterer Traum von uns war es, den legendären Soundtrack zum<br />
„Formel Eins"-Kinofilm von 1985 endlich auf CD zu veröffentlichen.<br />
Denn über die Jahre gab es den Film zwar mal auf DVD, der Soundtrack<br />
erschien jedoch nur auf Vinyl. Dank des hervorragenden EMI-Archivs<br />
gelang g es uns tatsächlich, das Mastertape<br />
des kompletten<br />
Soundtracks zu<br />
orten und ebenfalls<br />
in Spitzenqualität<br />
zu überspielen. Dass<br />
aber auch in den<br />
80er Jahren leider<br />
auch schon mal hier<br />
und da scheinbar alles „schnell, schnell" gehen musste, merkten wir<br />
dann, als wir uns ans Remastering des Soundtracks setzten. Die Titel<br />
von Falco und Jimmy Nail waren tatsächlich Vinylüberspielungen auf<br />
dem „Formel Eins"-Master. Natürlich haben wir diese auf der nun vorliegenden<br />
Version durch die echten Master ersetzt.<br />
Auf der ersten CD findet ihr einen nonstop so8os DJ-Mix, der gleich<br />
mit einer kleinen Sensation startet: Als Michael Jacksons "Billie Jean"<br />
erstmalig bei „Formel Eins" vorgestellt wurde, war der weltweite Hype<br />
um ihn und sein THRILLER-Album zwar schon in vollem Gange, aber<br />
es machte seinen Moonwalk über Nacht auch in Deutschland berühmt.<br />
Dass wir Michael Jackson nun auf einer so8os-Veröffentlichung haben,<br />
macht uns sehr stolz, denn sein Management bzw. Erben erteilen nur<br />
sehr selten Freigaben für Compilations.<br />
Aber auch Modern Talking dürfen hier nicht fehlen, denn rückblickend<br />
saßen Thomas Anders und Dieter Bohlen gefühlt jede zweite Woche<br />
am Ende der Sendung mit Peter, Ingolf, Stefanie oder Kai auf dem Sofa<br />
und erhielten wieder irgendein Autoteil als Belohnung für den nächsten<br />
Nr.-1-Hit. Auch die Hit Factory von Stock/Aitken/Waterman ist gebührend<br />
vertreten. Ihre hier versammelten 12"-Versionen für Mel & Kim,<br />
Kylie Minogue, Princess, Rick Astley oder Bananarama sind alle samt<br />
extrem rar und gar nicht oder nur in schlechten Vinylüberspielungen<br />
auf CD erhältlich.<br />
Wir hoffen, mit dieser Box sowohl allen Komplettisten als auch Fans<br />
dieser prägenden TV-Show eine ebenso große Freude zu machen wie<br />
uns selbst, und wünschen Euch jetzt viel Spaß bei<br />
der Zeitreise in die bunten und kreativen 80er!<br />
"<br />
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GoodTimes 1/2014 ■ Seite 21
Von Homers<br />
Odyssee" bis<br />
"<br />
Stieg Larssons<br />
" Millennium":<br />
Literatur als Comic<br />
wurde weltweit, auch in Deutschland, eine gewaltige Resonanz zuteil.<br />
Der 1948 in Stockholm geborene Künstler hatte die Lebensgeschichte<br />
seiner Familie, die Grauen des Konzentrationslagers, in eine grafische<br />
Erzählung gefasst und wählte dafür Tiere<br />
als Metaphern: Nazis als Katzen, Juden<br />
als Mäuse. Spätestens mit dieser auf 300<br />
Seiten abgehandelten „Geschichte eines<br />
Überlebenden" zeigte das Medium, dass<br />
es auch zur Darstellung ganz anderer<br />
Inhalte taugte. Komisch<br />
im Sinn des Wortes Comic<br />
war daran nun wirklich<br />
gar nichts mehr.<br />
Mit „Maus" – dessen<br />
deutschen<br />
Erstdruck<br />
1989 der Rowohlt Verlag<br />
besorgte – gelangte nicht<br />
nur ein gehobener Inhalt<br />
zur Publikation, die schwarz-weißen Bildfolgen l präsentierten<br />
sich auch zwischen zwei Buchdeckeln und<br />
nicht wie bis dahin meist üblich in der Form eines<br />
großformatigen Comic-Albums. Im Grunde folgte diese<br />
Vorgehensweise mit dem Anspruch, „eine Erzählweise zu<br />
finden für intime Themen", einer Überlegung des ame-<br />
Verne, Defoe, Cervantes, Homer, Dickens, Kipling,<br />
Cooper, Hugo, Flaubert – jeder einzelne Autor ist<br />
ein Schwergewicht der Literaturgeschichte. Doch<br />
die Wenigsten werden behaupten können, dass sie<br />
deren bekannteste Werke gelesen haben. Der Griff<br />
zum Comic kann da Abhilfe schaffen. Die<br />
Brockhaus Literaturcomics" etwa sind<br />
"<br />
eine dieser Serien,<br />
mit denen derlei<br />
Klassiker in derter Form auf<br />
bebil-<br />
den<br />
Punkt<br />
gebracht<br />
werden.<br />
Und im besten en Fall<br />
machen sie Appetit<br />
auf die Lektüre des<br />
Originals.<br />
Noch vor einigen Jahrzehnten, speziell jedoch in den 50er<br />
und 60er Jahren, standen die Comics hier zu Lande im Ruf<br />
von Schundliteratur. Besorgte Kritiker befürchteten in den<br />
„Heftchen" mit der gestrichelten Bilderware die Bankrotterklärung<br />
für den Bildungsstand und nannten sie schon mal „Opium fürs<br />
Kinderzimmer". Demgegenüber wurde die hehre Literatur gelobt, die sich<br />
den jugendlichen Lesern im „guten Buch" erschloss. Vieles, um nicht zu<br />
sagen alles, hat sich seit jenen Tagen geändert. Längst sind die Comics<br />
mit ihrer inhaltlichen Vielfalt als eigene Literaturform anerkannt, und<br />
ein beständig wachsender Leserkreis in allen Altersklassen<br />
erfreut sich an der aufregenden Mischung aus ausgefallener<br />
Textgestaltung und persönlich gefärbtem Artwork als<br />
kurzweilige Lektüre. „Donald Duck", „Peanuts", „Asterix",<br />
„Lucky Luke", „Tim und Struppi", „Spirou und Fantasio",<br />
„Die Schlümpfe", „John Difool", „Prinz Eisenherz",<br />
„Batman", „Spider-Man", „Watchmen", „Akira" und viele<br />
andere faszinierende Charaktere haben die verschlackten<br />
Vorurteile nach und nach weggefegt.<br />
Als im Jahr 1992 der im New Yorker Stadtteil<br />
Manhattan beheimatete Art Spiegelman für sein<br />
Werk „Maus" als erster Comic-Autor mit dem Pulitzer-Preis<br />
ausgezeichnet wurde, markierte das abermals eine veränderte<br />
Sicht auf die Comics. Spiegelman und seinem Werk<br />
Seite 22 ■ GoodTimes 1/2014
Literatur als Comic<br />
rikanischen Altmeisters Will Eisner (1917–2005).<br />
Der veröffentlichte seine „Mietshaus-Stories aus<br />
New York" im Oktober 1978 unter dem Titel „A<br />
Contract With God" und bezeichnete das Ergebnis<br />
als „Graphic Novel". Wie schon bei „Maus" war es<br />
zunächst keiner der typischen Comic-Verlage, der<br />
die erste deutsche Ausgabe publizierte: „Ein Vertrag<br />
mit Gott" erschien 1980 bei Zweitausendeins.<br />
E inen frühen Versuch, den Comics zu einem besseren Image zu verhelfen,<br />
startete der US-Verleger Albert Lewis Kanter (1897–1973). Im<br />
Oktober 1941 gab er mit „The Three Musketeers" („Die drei Musketiere")<br />
nach dem Roman von Alexandre Dumas<br />
die erste Ausgabe einer Serie heraus, in<br />
der bekannte Werke der Weltliteratur zu<br />
Bildergeschichten umgestaltet wurden.<br />
Ursprünglich als „Classic Comics" begonnen,<br />
erwuchs daraus unter dem bedeutsameren<br />
Titel „Classics Illustrated" eine internationale<br />
Erfolgsstory. Selbst zu Zeiten, als<br />
die amerikanische Comic-Industrie sich heftiger<br />
Kritik ausgesetzt sah, angefacht durch<br />
das 1954 erschienene Buch „Seduction Of<br />
The Innocent", in dem der deutschstämmige<br />
Psychiater und Autor Fredric Wertham<br />
(1895–1981) die schädlichen Einflüsse der Comics auf das jugendliche<br />
Gemüt beschwor, blieben die „Classics Illustrated" davon nahezu ausgenommen.<br />
Manche Pädagogen nutzten sogar bereits damals die Hefte<br />
in der Schule als Hilfsmittel für den Unterricht. Im Zeitraum 1941 bis<br />
1962 wurden allein in den USA 167 Titel kreiert, die ihren Weg auch<br />
nach Deutschland fanden. n. Mit großem Erfolg gab der Bildschriftenverlag<br />
von Januar 1956 bis<br />
Juli 1972 die Reihe<br />
heraus, die hier zu<br />
Lande als „Illustrierte<br />
Klassiker"<br />
bekannt<br />
wurde. Als literarische<br />
Vorlagen dienten in<br />
erster Linie populäre<br />
Abenteuerromane,<br />
etwa von Jules Verne<br />
(„20.000 Meilen unter<br />
dem Meer"), Herbert George Wells („Der Krieg Ki der Welten"), Alexandre<br />
Dumas („Der Graf von Monte Christo") oder Walter Scott („Ivanhoe").<br />
Selbstverständlich durften auch klassische Jugendbücher wie Stevensons<br />
„Schatzinsel", Defoes „Robinson Crusoe", Coopers „Der Letzte Mohikaner"<br />
und Twains „Tom Sawyer" in dieser Sammlung von „farbenprächtigen<br />
Nacherzählungen" nicht fehlen.<br />
Die „großen Werke der Weltliteratur" waren dagegen am ehesten mit<br />
den Bearbeitungen von Schillers „Wilhelm Tell", Goethes „Faust",<br />
Shakespeares „Hamlet" oder Hugos „Die Elenden" vertreten. Zu einer<br />
festen Größe in „Illustrierte Klassiker" wurde der stets am Ende einer<br />
Ausgabe vermerkte Ratschlag: „Jetzt hast du die Illustrierte Klassiker<br />
Ausgabe gelesen. Versäume auf keinen Fall, dir die Original-Ausgabe<br />
dieses Buches zu besorgen. Es wird sicher in jeder guten Buchhandlung,<br />
Leihbücherei oder städtischen Bücherei vorrätig sein." Die anhaltende<br />
Beliebtheit dieser Kultreihe veranlasste den Norbert Hethke<br />
Verlag zwischen 1991 und 2002 zu einem kompletten Nachdruck<br />
von insgesamt 206 Nummern. Damit nicht genug, legt nun der neue<br />
Bildschriftenverlag in Hannover seit dem<br />
Jahreswechsel 2012/13 auch noch jene Titel<br />
auf, die einst zwar angefertigt wurden, in<br />
Deutschland aber nie erschienen sind. Aktuell<br />
liegen zehn Ausgaben vor.<br />
Allemal wegweisend waren die „Illustrierte e<br />
Klassiker" mit ihrem Versuch, Literatur in<br />
gezeichneter Form zu adaptieren. Unzählige<br />
Beispiele lassen sich bis zum heutigen Tag<br />
nennen, die direkt oder indirekt von dieser<br />
Erfolgsreihe inspiriert sind. In Anlehnung an<br />
das große Vorbild bewegte sich die zu Beginn<br />
der 1970er Jahre von Bastei verlegte Serie<br />
„Berühmte Geschichten", in der „Meisterwerke<br />
aller Zeiten in vielen bunten Bildern nacherzählt"<br />
wurden. Das Experiment blieb allerdings<br />
genauso bescheiden wie die 13 Alben der Reihe<br />
„Classicomics", die der Verlag Schwager &<br />
Steinlein bis 1978 auflegte.<br />
Nicht besser erging<br />
es<br />
den kurz darauf<br />
erschienenen Titeln in den beiden Reihen<br />
„Illustrierte Bestseller von Pelikan" und<br />
„Illustrierte Klassiker", wobei letztgenannte<br />
Serie nichts mit dem Original zu tun hatte,<br />
sondern neukreiertes Material aus Spanien<br />
zeigte. In Serie eher ein Flop, blieben Comic-<br />
Bearbeitungen von Literaturvorlagen als<br />
Einzeltitel in den Verlags-<br />
Programmen aber stets ein<br />
schmuckes, weil interessant<br />
zu vertretendes Beiwerk. Aus<br />
der fast unüberschaubaren<br />
Menge früher Beispiele<br />
seien „Nora" von Cinzia<br />
Ghigliano nach Henrik<br />
Ibsen, „Fliegenpapier" von<br />
Hans Hillmann nach Dashiell<br />
Hammett, „120, Rue de la<br />
Gare" von Jacques Tardi<br />
nach Léo Malet, „Kaputt<br />
in der City" von Matthias<br />
Schultheiss nach<br />
Charles Bukowski oder<br />
der erste „Peter Pan"-<br />
Band von Régis Loisel<br />
nach James Matthew<br />
Barrie in Erinnerung<br />
gerufen, die zwischen<br />
1981 und 1991 in den<br />
Handel kamen, heute<br />
zum Teil aber nur noch<br />
antiquarisch erhältlich<br />
sind. Besonders originell<br />
muten die beiden Bücher<br />
„Comic-Zeichner präsentieren<br />
Werke der Weltliteratur"<br />
und „100 Meisterwerke e<br />
der Weltliteratur" aus den<br />
Jahren 1993 und 2009 an.<br />
Darin abgedruckt finden n<br />
sich 1 38 höchst eigenwillige Interpretationen<br />
t ti<br />
von „Alice im Wunderland" nach Lewis Carroll<br />
bis hin zu „Wir sind alle Kinder der Götter" nach hEih Erich von Däniken, die<br />
auf eine Seite komprimiert und in Schwarz-Weiß-Illustrationen dargestellt<br />
sind.<br />
Ermutigt<br />
von<br />
Spiegelmans „Maus"<br />
brachten viele andere<br />
Autoren biografisch<br />
gefärbte Werke zu Papier.<br />
Am bekanntesten ist<br />
sicher Marjane Satrapi<br />
– 1969 im Iran geboren,<br />
in Teheran aufgewachsen<br />
und seit 1994 in<br />
Frankreich heimisch –, die ab 2000 einen Riesenerfolg fl mit „Persepolis"<br />
landete. Die deutsche Fassung erschien 2004/05 in der Edition Moderne.<br />
Ihre darin geschilderte Kindheit und die Jugendjahre im Iran zu Zeiten<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 23
Literatur als Comic<br />
der islamischen Revolution von 1979 und<br />
des Krieges mit dem Irak wurden 2007 als<br />
Zeichentrickfilm umgesetzt, der im Jahr<br />
darauf als bester nicht-englischsprachiger<br />
Film bei der Oscar-Verleihung nominiert<br />
war. Nicht zuletzt „Maus" und „Persepolis"<br />
bewirkten in der hiesigen Comic-Szene<br />
ein Umdenken. en. Verlage mit ambitionierten<br />
Programmen<br />
wie Reprodukt<br />
und<br />
Avant in Berlin, Carlsen in Hamburg,<br />
Edition 52 in Wuppertal und die bereits<br />
erwähnte Edition Moderne in Zürich<br />
regten an, derlei grafische Erzählungen<br />
fortan mit dem Siegel der Graphic Novel<br />
zu<br />
versehen.<br />
Damit wollte<br />
man sich einerseits<br />
bewusst<br />
von den herkömmlichen h Comics absetzen<br />
und andererseits dem Buchhandel und den<br />
Lesern, die dem Medium bisher womöglich<br />
eher distanziert gegenüberstanden, die<br />
neuen Qualitäten veranschaulichen. Alles<br />
spricht derzeit dafür, dass dieses Konzept<br />
aufgeht. Eine Fülle von spannenden Titeln,<br />
sehr oft auch von deutschsprachigen<br />
Künstlern geschaffen, fand in der jüngeren<br />
Vergangenheit den Weg zum Publikum.<br />
Ob „Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens” von Ulli Lust,<br />
„Baby’s In Black – The Story Of Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe”<br />
von Arne Bellstorf oder „Die Sache mit Sorge – Stalins Spion in<br />
Tokio” von Isabel Kreitz – die Ergebnisse können sich sehen lassen,<br />
und sie kommen gut an. Auch bei Kritikern in der Zeitung, im Radio,<br />
Fernsehen und Internet. Einen guten Überblick dessen, für was eine<br />
„Graphic Novel" heute steht, gibt die gleichnamige Kollektion, die von<br />
der „Süddeutschen Zeitung" herausgegeben wird. Die mittlerweile 28<br />
von der Feuilletonredaktion ausgewählten<br />
Titel liefern faszinierende Belege für diese<br />
neue Variante der Vermengung aus Text und<br />
Zeichnung zu stilvoller Literatur. Ständig<br />
aktualisierte Informationen zum Phänomen<br />
Graphic Novels gibt es im Übrigen auch auf<br />
dem<br />
verlagsübergreifenden<br />
Internet-<br />
Portal www.graphicnovel.info<br />
m Zeichen der<br />
IGraphic Novels<br />
finden natürlich auch<br />
literarische Vorlagen<br />
ihre<br />
Bearbeitung.<br />
„Der Boxer" von<br />
Reinhard Kleist nach<br />
Hertzko Haft, „Stadt aus Glas" von Paul<br />
Karasik und David Mazzucchelli nach Paul<br />
Auster oder „Pinocchio" von Winshluss nach<br />
Carlo Collodi sind Paradebeispiele für gelungene<br />
Adaptionen. Da<br />
diese Titel in erster<br />
Linie ein erwachsenes<br />
Publikum<br />
ansprechen, bedienen<br />
sich deren<br />
Macher darin schon<br />
mal einer eher etwas<br />
unkonventionellen<br />
Bildsprache. Auf die<br />
Spitze treiben das<br />
Flix in „Don Quijote" nach Miguel de Cervantes und Nicolas Mahler in<br />
„Alice in Sussex" nach Lewis Carroll und H.C. Artmann, wo nicht nur<br />
dem grafischen Experiment gefrönt wird, sondern auch die literarische<br />
Vorlage eine ideenreiche, sehr moderne<br />
Interpretation erfährt.<br />
Wem das alles zu mutig erscheint,<br />
dem bietet eine konventioneller<br />
gestrickte Bilderware aber noch genügend<br />
anderen Stoff. Das reine Lesevergnügen<br />
garantieren „Die Odyssee" in der Fassung<br />
von Pérez Navarro und Martin Sauri und<br />
„Der Glöckner von Notre-Dame" von<br />
Robin Recht und Jean Bastide. Gleiches<br />
lässt sich von „Verblendung" behaupten,<br />
dem Einstiegsband in die sensationelle<br />
„Millennium-Trilogie" des schwedischen<br />
Schriftstellers Stieg Larsson, der kurioserweise<br />
in einer Version von Denise Mina, Leonardo<br />
Manco und Andrea Mutti Anfang des Jahres<br />
bei Panini herauskam und im Mai 2013 in<br />
einer weiteren Interpretation von Sylvain<br />
Runberg und José Homs bei Splitter erschienen<br />
ist. Mit ihren realistischen Bildfolgen<br />
und einer nah am Original ausgerichteten<br />
Textfassung wissen auch die bislang 15 Titel<br />
der Reihe „Brock-<br />
haus Literatur-rcomics"<br />
zu gefallen.<br />
Wenn gleich<br />
die Bearbeitungen<br />
klassischer Vorlagen<br />
der Weltliteratur<br />
nicht von den ganz<br />
großen Namen in<br />
der Branche ausgeführt wurden, liefern die<br />
beteiligten Zeichner dieser in Frankreich entwickelten<br />
Serie doch grundsolides Handwerk<br />
ab. In Ergänzung mit den Nachworten, die<br />
Informationen zum Autor, zum Werk und<br />
zur Entstehungszeit liefern, hat sich die<br />
Reihe schon nach kurzer Zeit als förderliche<br />
Arbeitsunterlage in der Sekundarstufe I und<br />
II erwiesen. Eigentlich an Jugendliche ab<br />
zehn Jahren gerichtet, werden sich wohl auch<br />
etliche Comic-Fans nicht zurückhalten und<br />
besonders gelungene Titel wie „In 80 Tagen<br />
um<br />
die Welt" von<br />
Chrys Millien nach<br />
Jules Verne, „Das<br />
Dschungelbuch"<br />
von Djian und<br />
TieKo nach<br />
Rudyard Kipling, „Quo vadis?" von Patrice ti<br />
Buendia und Cafu nach Henryk Sienkiewicz<br />
oder „Eine Weihnachts geschichte" von<br />
Patrice Buendia und Jean-Marc Stalner nach<br />
Charles Dickens ihrer Sammlung zuführen.<br />
Horst Berner<br />
© Die Rechte für die Abbildungen liegen bei den Verlagen und den jeweiligen Autoren.<br />
Seite 24 ■ GoodTimes 1/2014
Literatur als Comic<br />
Große Literatur im Comic-Format:<br />
30 Titel, deren Lektüre sich lohnt<br />
1. Art Spiegelman: Die vollständige Maus"<br />
"<br />
(Fischer Verlag)<br />
2. Will Eisner: Ein Vertrag mit Gott" (Carlsen Verlag)<br />
"<br />
3. Alfred Sundel, Norman Nodel: Faust" "<br />
(Norbert Hethke Verlag)<br />
4. Cinzia Ghigliano: Nora" "<br />
(Schreiber & Leser)<br />
5. Hans Hillmann: Fliegenpapier"<br />
"<br />
(Zweitausendeins)<br />
6. Jacques Tardi: 120, Rue de<br />
"<br />
la Gare" (Edition Moderne)<br />
7. Matthias Schultheiss: Kaputt "<br />
in der City" (Heyne Verlag)<br />
8. Régis Loisel: Peter Pan" "<br />
(Ehapa Comic Collection)<br />
9. Comic-Zeichner präsentieren<br />
Werke der Weltliteratur:<br />
Alice im Comicland"<br />
"<br />
(Edition Moderne)<br />
10. Moga Mobo präsentiert: 100 Meisterwerke"<br />
"<br />
der Weltliteratur (Ehapa Comic Collection)<br />
11. Marjane Satrapi: Persepolis" (Edition Moderne)<br />
"<br />
12. Ulli Lust: Heute ist der letzte Tag vom Rest<br />
"<br />
deines Lebens" (Avant Verlag)<br />
13. Arne Bellstorf: Baby’s In Black – The Story Of<br />
"<br />
Astrid Kirchherr & Stuart Sutcliffe" (Reprodukt)<br />
14. Isabel Kreitz: Die Sache mit Sorge – Stalins<br />
"<br />
Spion in Tokio" (Carlsen Verlag)<br />
15. Peer Meter, Barbara Yelin: Gift" "<br />
(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />
16. Joe Sacco: Palästina" "<br />
(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />
17. Robert Crumb: Robert Crumbs Genesis"<br />
"<br />
(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />
18. Keiji Nakazawa: Barfuß durch<br />
"<br />
Hiroshima" (Süddeutsche<br />
Zeitung Bibliothek)<br />
19. Jon J. Muth: M – Eine Stadt<br />
"<br />
sucht einen Mörder"<br />
(Süddeutsche Zeitung Bibliothek)<br />
20. Reinhard Kleist: Der Boxer" "<br />
(Carlsen Verlag)<br />
21. Paul Karasik, David Mazzucchelli:<br />
Stadt aus Glas" (Reprodukt)<br />
"<br />
22. Winshluss: Pinocchio" "<br />
(Avant Verlag)<br />
23. Flix: Don Quijote"<br />
"<br />
(Carlsen Verlag)<br />
24. Nicolas Mahler: Alice in Sussex"<br />
"<br />
(Suhrkamp Verlag)<br />
25. Pérez Navarro, Martin Sauri: Die Odyssee"<br />
"<br />
(Ehapa Comic Collection)<br />
26. Robin Recht, Jean Bastide: Der Glöckner von<br />
"<br />
Notre-Dame" (Splitter)<br />
27. Denise Mina, Leonardo Manco, Andrea Mutti:<br />
Verblendung" (Panini Verlag)<br />
"<br />
28. Sylvain Runberg, José Homs: Verblendung"<br />
"<br />
(Splitter)<br />
29. Djian, TieKo: Das Dschungelbuch" (Brockhaus)<br />
"<br />
30. Patrice Buendia, Cafu: Quo vadis?" (Brockhaus)<br />
"<br />
VERLOSUNG<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />
Stichwort: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />
(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Einsendeschluss ist der 15. Januar 2014<br />
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3x Blu-ray<br />
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GoodTimes 1/2014 ■ Seite 25<br />
1x CD-Box-Set<br />
(insges. 9 CDs)
Von Alexander<br />
Querengässer<br />
en<br />
Mitte der 60er Jahre überschwemmte<br />
eine Flut von Italowestern den europä-<br />
ischen<br />
Kinomarkt. Ausgelöst worden war<br />
die Modewelle vom Erfolg der „Dollar „ -<br />
Trilogie von Sergio Leone, die ihn und<br />
seinen<br />
Hauptdarsteller Clint Eastwood<br />
zu<br />
Stars gemacht hatten. Obwohl das<br />
gesamte Genre oft als Abklatsch<br />
der Originale Leones verspottet<br />
wurde, brachte eine Reihe anderer<br />
Regisseure mit charismatischen<br />
Hauptdarstellern noch sehr unterhaltsame,<br />
coole und brutale Filme auf die<br />
Leinwand.<br />
1966 wurde Franco Nero mit Sergio Corbuccis „Django" zu dem<br />
Western-Antihelden schlechthin, während Giuliano Gemma in<br />
Duccio Tessaris „Eine Pistole für Ringo" oder in Michele Lupos<br />
„Arizona Colt" bereits als strahlender Sonnyboy glänzen durfte.<br />
Sergio Sollimas „Der Gehetzte der Sierra Madre" lenkte das Augenmerk<br />
auf den proletarischen Helden, den armen mexikanischen Peone<br />
Cuchillo, gespielt von Tomas Milian. Ein eher klassisches<br />
Westernthema, die Meister-Schüler-Beziehung, inszenierte<br />
Tonino Valerii, ein Protegé Leones, in „Der Tod<br />
ritt dienstags" mit Gemma und Lee Van Cleef in den<br />
Hauptrollen. Die guten Regisseure explodierten geradezu<br />
vor Kreativität, die in Dutzenden guter Filme bis 1968<br />
mündete. Danach wendeten sich viele vom Western<br />
ab, so dass weniger talentierte Klone nachrutsch-<br />
ten. Andere erreichten schlicht und einfach<br />
den alten Zenit nicht mehr.<br />
Der<br />
Italowestern flachte künstlerisch<br />
ab, und amerikanische Western<br />
wie Sam Peckinpahs „Wild Bunch" und George<br />
Roy Hills „Butch Cassidy und Sundance Kid",<br />
oder<br />
Actionfilme ilme<br />
wie Arthur Penns<br />
„Bonny und<br />
Clyde" eroberten<br />
den Markt zurück.<br />
„Niemand zog<br />
schneller „ –<br />
Leones Versuch,<br />
komisch zu sein<br />
Der Italowestern schien eines natürlichen Todes zu sterben, bis 1970<br />
Enzo Barbonis „Die rechte und die linke Hand des Teufels" zum<br />
Überraschungshit in Europa avancierte. Die beiden Protagonisten Terence<br />
Hill und Bud Spencer<br />
waren bereits populäre<br />
Stars in Italien, dank<br />
einer Western-Trilogie<br />
von Giuseppe Colizzi,<br />
welche im Erfolg nur<br />
den Filmen Leones nachstand.<br />
Barbonis Film verhalf<br />
ihnen zum europaweiten<br />
Durchbruch, den<br />
sie mit der noch erfolgreicheren<br />
Fortsetzung<br />
„Vier Fäuste für<br />
ein<br />
Halleluja" leluja<br />
1971<br />
nachhaltig alti<br />
untermauerten. Die neuen<br />
Western Barbonis verzichteten auf blutige Pistolenduelle und setzten auf<br />
slapstickhafte Prügeleien. Das gab es zwar schon vorher, aber Barboni<br />
hatte ein besonderes Talent für Komödien. Dies und die Popularität seines<br />
Duos verhalfen seinen Filmen zum großen Erfolg, dem eine Welle von<br />
Seite 26 ■ GoodTimes 1/2014
Westernparodien folgte. Doch auch der harte Italowestern erhielt noch<br />
mal Auftrieb, wenn auch überwiegend nur noch drittklassige Regisseure<br />
solche Filme machten.<br />
Für Sergio Leone, dessen Name bisher untrennbar mit dem Genre<br />
verbunden war, stellte der Erfolg der „Trinity"-Filme einen Schlag ins<br />
Gesicht dar, besonders da „Vier Fäuste für ein Halleluja" seinen eigenen<br />
„Für ein paar Dollar mehr" als bis dato kommerziell erfolgreichsten Film<br />
Italiens verdrängt hatte. Obwohl Leone dem Western bereits den Rücken<br />
gekehrt hatte, um an seinem Traumprojekt eines Gangsterfilms zu arbeiten,<br />
beschloss er, sich noch einmal seinen Thron zurückzuerobern.<br />
Schließlich entschied er sich aber dafür, nicht selbst bei dem Film Regie<br />
zu führen, sondern als Produzent im Hintergrund die Fäden zu ziehen.<br />
Eine Geschichte hatte er auch schon. Immer wieder hatte der dickliche<br />
Römer darauf verwiesen, dass die griechischen hen Epen<br />
die<br />
besten<br />
Drehbücher für Italowestern lieferten. Eine bekannte Szene<br />
aus der Odyssee schwebte ihm vor, als Odysseus seus<br />
den<br />
Zyklopen Polyphem austrickste, indem er behauptete,<br />
te,<br />
sein Name sei „Niemand". Als er ihm das Auge stach und der Riese seine Brüder um Hilfe fragte,<br />
wollten diese wissen, wer ihn verletzt habe.<br />
„Niemand" antwortete Polyphem. Ein listiges<br />
Wortspiel, dachte auch Leone und versuchte e<br />
aus-<br />
ursprünglich, eine Art Remake von „Im Winde<br />
verweht" darum zu konstruieren, ehe nach<br />
etlichen Anläufen ein ganz anderes Drehbuch<br />
entstand, eine Schwanengesangs-Geschichte e<br />
auf den Western: „Mein Name ist Nobody." Sie<br />
handelte von dem alternden Revolverhelden Jack<br />
Beauregard, der heimlich den Westen verlassen<br />
will, da die Leute nur noch darauf aus sind, sich mit<br />
seiner Ermordung einen großen Namen zu machen.<br />
Doch dann taucht ein jugendlicher Fremder auf, der nichts<br />
unversucht lässt, um seinem Kindheitsidol einen glänzenden<br />
Abgang zu verschaffen: Er soll die wilde Horde, 150 Mann, erledigen<br />
und dann gegen ihn selbst antreten. Beauregard schafft das Unmögliche<br />
und wird dann von Nobody im finalen Duell überlistet. Sein Tod ist nur<br />
fingiert, so dass er nach Europa auswandern und von sich behaupten<br />
konnte „Nobody (Niemand) zog schneller"...<br />
Leones Film ist voller Zitate und Querverweise auf alte Western:<br />
Beauregard, der von anderen Killern gejagt wird, die sich mit seinem<br />
Tod einen großen Namen machen wollen, erinnert an Gregory Peck in<br />
„Der Scharfschütze", die wilde Horde ist eine Anlehnung an Peckinpahs<br />
„Wild Bunch", erinnert in der Inszenierung aber auch an Sam Fullers<br />
Duell zwischen ihm und Nobody,<br />
als beide auf die Hüte schießen,<br />
aus „Für ein paar Dollar<br />
mehr" übernommen wurde. Wie<br />
Clint Eastwood in „Für eine<br />
Handvoll Dollar" ist Nobody der<br />
mysteriöse Fremde, der ständig<br />
zwischen Jack und einer<br />
Bande steht. Das Zitatespiel<br />
kann fast endlos weiterbetrieben<br />
werden. Aus hunderten<br />
Versatzstücken setzten Leone<br />
und Drehbuchautor Ernesto<br />
Gastaldi den Film zusammen.<br />
Auch der Hauskomponist des<br />
Maestros, Ennio nio Morricone, one lieferte<br />
e mit seinem em Score<br />
einen n Querschnitt<br />
seines es bisherigen<br />
Westernschaffens ab, zitiert t aber auch andere<br />
musikalische Vorbilder. So erinnert das Thema der<br />
wilden Horde an Wagners „Ritt der Walküren".<br />
Leone besetzte die Hauptrolle des Beauregard<br />
mit Henry Fonda und den Youngster Nobody<br />
mit Terence Hill. Der eine verkörpert den<br />
alten Westernstar Leones, der andere ist das<br />
Gesicht der Komödien Barbonis. Ursprünglich<br />
wollte Leone Beauregard zum alleinigen Helden<br />
machen und Nobody eher negativ inszenieren.<br />
Als Regisseur wurde schließlich Tonino Valerii ein-<br />
gesetzt, der mit „Der Tod ritt dienstags" ja bereits ein<br />
ähnliches Thema aufgegriffen hatte. Gedreht wurde im<br />
spanischen Almeria (siehe auch Story in <strong>kult</strong> Nr. 8), aber auch<br />
in New Mexiko und New Orleans. Und da geschah es: Valerii begann,<br />
einen sehr guten Film zu drehen, und Leone fürchtete plötzlich, dass<br />
sein Name gar nicht mehr damit in Verbindung gebracht werden würde.<br />
Also begann er den Drehplan seines Schützlings auseinanderzupflücken<br />
und nun selbst etliche Szenen zu drehen: die Eingangssequenz, den<br />
Kampf mit der wilden Horde und etliche Szenen mit Hill, die zwar witzig<br />
sind, aber die Story nicht vorantreiben. Die Stimmung am Set war sehr<br />
angespannt, und die Freundschaft zwischen Leone und Valerii zerbrach<br />
schließlich über der Fertigstellung des Films.<br />
Es zieht sich eine sehr melancholische Stimmung durch „Mein Name<br />
ist Nobody", die vom Ende des Westens und des Westerns kündet und<br />
die mehrheitlich auf Valeriis Szenen zurückgeht. Leones Momente mit<br />
Hill sind zwar sehr komisch, reißen diesen Faden aber immer wieder<br />
auseinander. Bis heute streiten Filmhistoriker darüber, wie viele Szenen<br />
des Films tatsächlich von Leone stammen. Valerii sieht ihn immer noch<br />
als sein Produkt.<br />
In Italien war „Mein Name ist Nobody" mit 3,5 Millionen Zuschauern<br />
zwar ein Hit, reichte aber nicht an „Vier Fäuste für ein Halleluja" heran.<br />
In ganz Europa erreichte der Film trotz seiner fehlenden inhaltlichen<br />
Stringenz schnell Kultstatus. Leone und Hill versuchten 1975, eine weitere<br />
Western-Komödie im Stil des George-Roy-Hill-Hits „Der Clou" zu produzieren.<br />
Der Film wurde in Deutschland als Fortsetzung mit „Nobody ist<br />
der Größte" betitelt, war auch kommerziell erfolgreich, blieb aber hinter<br />
den Erwartungen aller zurück. Es war Leones letzter Western.<br />
„Vierzig ig Gewehre". ehre<br />
Wie<br />
Joel McCreas Figur in Peckinpahs „Sacramento"<br />
trägt Beauregard eine Brille. Mit der Eingangssequenz, in der Beauregard<br />
drei Killer tötet, zitiert Leone seinen eigenen Film „Spiel mir das Lied<br />
vom Tod". Dass er dabei beim Barbier sitzt, erinnert stark an Edward<br />
Dmytrycks „Warlock" (einen von Leones Lieblingswestern), während das<br />
Terence Hill redet heute in geradezu schwärmerischer Verehrung über<br />
Leone und bezeichnet „Nobody" als seinen besten Film. Das Kostüm,<br />
der weiße Hut und der lange helle Staubmantel blieben Teil all seiner<br />
künftigen Westernfiguren.<br />
Obwohl Leone seinen Erfolgsdurst nicht befriedigen konnte, eines<br />
gelang ihm: Als komischer Westernheld ist sein Nobody noch mehr im<br />
Gedächtnis geblieben als Barbonis Trinity.<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 27
Matchbox Superfast -<br />
Die Antwort auf die Hot Wheels<br />
Von Jörg Trüdinger<br />
Bist<br />
" du Matchbox-Superfast-Fan, -Fan oder stehst du<br />
eher auf die Heißen Räder' von<br />
'<br />
Mattel?" Anfang der 70er Jahre war das unter Jungs eine Frage, die häufig gestellt<br />
wurde. Sie war damals enorm wichtig, und die Antwort konnte durchaus mitentscheiden,<br />
ob man eine Freundschaft weiter vertiefte oder nicht. Heutzutage, nachdem<br />
Matchbox längst von Mattel aufgekauft wurde, ist diese Frage irrelevant, zumal<br />
Spielzeugautos für die Kinder<br />
nicht mehr das Statussymbol<br />
sind, das sie einst waren.<br />
BMC 1800 Pininfarina<br />
Dodge Charger<br />
MK III<br />
Opel Diplomat<br />
Dodge Dragster<br />
Seite 28 ■ GoodTimes 1/2014
Porsche 910<br />
Maserati Bora<br />
Datsun 126X<br />
Saab Sonett III<br />
Display, wie es in vielen Tabak- und Spielwarengeschäften in den 70er Jahren an der Wand hing.<br />
Fotos: © Jörg Trüdinger<br />
Vauxhall Guildsman Beach Buggy Baja Buggy<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 29
Seite 30 ■ GoodTimes 1/2014
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Der Himmel ist leer<br />
Ufologen<br />
stecken in<br />
einer Krise<br />
Der Weltraum – unendliche Weiten." So heißt es seit fast fünf Jahrzehnten,<br />
"<br />
wenn die Enterprise – die Mutter aller TV-Raumschiffe – mal wieder ihre<br />
Bahn über die Mattscheibe zieht. Der Blick über den Tellerrand unseres<br />
Planeten beschäftigte und faszinierte die Menschen aber schon viel länger.<br />
Filme zum Thema gibt es nach wie vor in rauen Mengen. Und dennoch ist das<br />
Interesse der Grenzwissenschaftler an möglichem Leben außerhalb unseres<br />
Vorstellungskreises offenbar etwas erlahmt. Woran kann das liegen?<br />
Sanft gleitet das monströse Mutterschiff über die<br />
Bergkuppe und landet behutsam auf dem Boden<br />
der Forschungsstation. Die Kontaktaufnahme<br />
beginnt. Aus dem Raumschiff wird eine Rampe abgesenkt, über die<br />
dutzende Menschen aus verschiedenen Epochen – kaum gealtert – das<br />
Ufo verlassen. Darauf erscheinen zahlreiche Außerirdische auf dem hell<br />
erleuchteten Abstieg, und der Größte von ihnen breitet seine Arme in<br />
einer freundschaftlichen Geste aus. Roy Neary schließlich wird ausgewählt,<br />
das Raumschiff zu betreten, das daraufhin mit ihm in eine ferne<br />
(oder nahe?) Zukunft abhebt. Tränen der Zurückgebliebenen. Filmende.<br />
Steven Spielbergs „Unheimliche Begegnung der dritten Art" ist einer der<br />
wenigen Science-Fiction-Filme, in denen Ufos keine Bedrohung für die<br />
Menschheit darstellen. Zuvor und danach mussten unzählige Menschen<br />
durch Angriffe von Außerirdischen auf der Leinwand ihr Leben lassen.<br />
Ufos haben die Menschheit immer fasziniert. Der Gedanke, nicht alleine<br />
auf einer blauen Kugel im All zu leben, lieferte mannigfaltig Stoff für<br />
Geschichten, die wohl der Fantasie entsprungen sind. Oder sind die doch<br />
wahr?<br />
Die vermehrte Sichtung der so genannten unbekannten Flugobjekte<br />
oder auch unidentifizierbaren fliegenden Objekte (englisch: Unidentified<br />
Flying Objects) insbesondere in den 50er, 60er und 70er Jahren ist<br />
zurückzuführen auf die in eben jenen Jahrzehnten<br />
grassierende Angst vor den möglichen Folgen<br />
des Kalten Krieges, ähnlich wie in Japan Figuren<br />
wie Godzilla den Atomkrieg verarbeiten helfen sollten.<br />
So gesehen macht es Sinn, dass „Unheimliche Begegnung der<br />
dritten Art" 1977 erschien – zu einer Zeit, da US-Präsident<br />
Jimmy Carter begonnen hatte, ein erstes Tauwetter zwischen<br />
den Großmächten einzuleiten. Spielberg versteht<br />
seinen Film noch heute als Botschaft, miteinander<br />
zu kommunizieren und sich auf das Unbekannte<br />
einzulassen.<br />
Jahrelang hatte die so genannte Ufologie eine stetig wachsende Schar<br />
von Interessierten und Grenzwissenschaftlern in ihren Bann gezogen. Die<br />
Nachkriegsjahre mit der Entwicklung von Raketen, Hubschraubern und<br />
des Düsenantriebs sowie dem Durchbrechen der Schallmauer ließ viele<br />
Menschen glauben, dass alles am Himmel möglich sei. Warum sollte es<br />
also keine interstellaren Reisen geben?<br />
Zu dieser sich verbreitenden Frage trug in nicht geringem Maße auch die<br />
Heimlichtuerei der Großmächte bei. Die Verteidigungsministerien der USA<br />
sowie Großbritanniens richteten Kommissionen und Arbeitsgruppen ein<br />
(Project Blue Book sowie Flying Saucer Working Party), und auch die CIA<br />
errichtete Planstellen für die Erfassung der Ufo-Phänomene.<br />
An Geschichten mangelte es nicht. Die werden<br />
nach wie vor zum Teil von Wichtigtuern<br />
und Träumern verbreitet, sind aber in manchen<br />
Fällen noch bis heute unerklärlich. Die Legende vom<br />
Roswell-Zwischenfall 1947 ist eine, die sich am hartnäckigsten<br />
hält. Demnach sollen nahe der gleichnamigen Stadt in New Mexico<br />
Flugobjekte am Himmel gesichtet worden sein, die der amerikanische<br />
Pilot Kenneth Arnold mit folgenden Worten beschrieb:<br />
„Die Dinger flogen wie Untertassen, die man flach über das<br />
Wasser springen lässt." Diese Aussage gilt als Ursprung für den<br />
Begriff der Fliegenden Untertasse.<br />
Seite 32 ■ GoodTimes 1/2014
Anderen Quellen zufolge sollen eines dieser Ufos damals abgestürzt<br />
und die Insassen von Angestellten einer nahegelegenen<br />
Luftwaffenbasis abgeholt worden sein. Es gibt da<br />
dieses ominöse Foto von einem Außerirdischen<br />
auf einer Bahre, und die Aussage eines Militärs<br />
„Was immer es war, es kam nicht<br />
von dieser Welt" wird auch<br />
heute noch kolportiert.<br />
Beweise wurden<br />
jedoch nie erbracht.<br />
Seit den 80er Jahren<br />
ist die Anzahl der Ufo-<br />
Sichtungen sowie der Berichte<br />
über Unerklärliches deutlich zurückgegangen. In der Zeit von 1988<br />
bis heute ist sie um erstaunliche 96 Prozent gesunken. Dadurch<br />
ist die gesamte Ufologie-Bewegung in eine schwere Krise geraten.<br />
1990 berichteten einige Zeitungen von mehreren Ufos am belgischen<br />
Himmel, die angeblich von tausenden Menschen gesehen wurden.<br />
Piloten bestätigten, dass die Objekte in der Luft stillgestanden und<br />
plötzlich auf circa 1800 Stundenkilometer beschleunigt<br />
hätten. Dies soll in der Nacht auf den 31. März geschehen<br />
sein, was einen Aprilscherz nahelegt. Tatsächlich<br />
outete sich im Jahr 2011 ein Fotograf, der die entsprechende<br />
Montage in Umlauf gebracht haben will.<br />
Selbst einer der Sprecher der Ufologen, Dave Wood, hegt<br />
mittlerweile Zweifel an der Existenz von Ufos: „Es ist<br />
möglich, dass das ganze Thema in zehn Jahren tot ist. Das<br />
Fehlen einschlägiger Ereignisse lässt die Vermutung zu,<br />
dass es da draußen nichts gibt."<br />
Ob dem wirklich so ist, kann jeder für sich selbst entscheiden.<br />
Websites mit Bildern von Himmelsphänomenen gibt es ohne Ende.<br />
Sie würden vielleicht seriöser wirken, wenn sie nicht mit esoterischer<br />
oder bombastischer Musik untermalt wären.<br />
Tatsache ist, dass die ersten<br />
Beobachtungen aus dem<br />
Ägypten der Zeit von circa<br />
1400 v. Chr. überliefert<br />
sind. Hier wird von „Kreisen aus<br />
Feuer" berichtet, die sich tagelang am<br />
Himmel zeigten. Aus dem römischen Buch der Vorzeichen<br />
(prodigorium liber) stammen Schilderungen von<br />
Schiffen am Himmel, runden Schilden<br />
und einem goldenen Globus aus Feuer,<br />
der vom Himmel gefallen, wieder aufgestiegen<br />
und weggeflogen sei.<br />
Auch die frühe Neuzeit hat etwas zu bieten:<br />
In Nürnberg wurden 1561 von mehreren Menschen<br />
Röhren, Kreuze, Scheiben und Kugeln am Firmament gesichtet, die<br />
miteinander zu kämpfen begonnen haben sollen, bevor sie sich nach<br />
einer Stunde in Rauch auflösten. Nur fünf Jahre später das Gleiche in<br />
Basel: Hier waren es schwarze Kugeln, die extrem flink<br />
und in schnellem Kurvenflug miteinander gestritten<br />
haben sollen, bis sie rot erglühten und verloschen.<br />
Die Tabu-Schwelle ist hoch. Laut der amerikanischen<br />
Lee-Studie gaben damals nur 13 Prozent der Menschen<br />
mit Sichtungserfahrungen an, diese an eine offizielle<br />
Stelle gemeldet zu haben. 40 Prozent hielten sie für<br />
unbedeutend, und 19 Prozent hatten Angst, verspottet<br />
zu werden. Der Rest wusste nicht, an wen man sich<br />
wenden sollte, oder ging davon aus, auf Desinteresse<br />
zu stoßen.<br />
Was würden Sie tun?<br />
Oliver Schuh<br />
Jetzt<br />
im Handel<br />
Jetzt auch die grosse John Wayne Box<br />
mit 18 weiteren Klassikern aus seiner<br />
glorreichen Fruhzeit.<br />
d<br />
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Endlich auf DVD, sowie das<br />
Double-Feature auf Blu-ray<br />
Digital restauriert und<br />
erstmalig auf Deutsch<br />
synchronisiert<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 33<br />
www.facebook.com/HeimkinoHeimkino
Der Held<br />
aller Kinder<br />
Wenn ich einem Kind begegne, glimmt in unseren<br />
Augen das gemeinsame Erkennen", sagte<br />
"<br />
Ota Simánek einmal in einem Interview.<br />
Und tatsächlich hatte der tschechoslowakische<br />
Schauspieler eine unvergleichliche Art, sich in<br />
seiner Rolle als Pan Tau in die Kinderseelen<br />
hineinzuspielen. Und nicht nur in die.<br />
Generationsübergreifend ist der<br />
Mann eine Legende.<br />
Pan Tau ist eine der ungewöhnlichsten Serienfiguren: ein<br />
eleganter Herr im Frack mit weißer Nelke im Knopfloch und<br />
einem Regenschirm in der Hand. Seine Anziehungskraft auf<br />
Kinder ist enorm. Er kommt in einem Raumschiff angeflogen,<br />
kann<br />
zaubern<br />
und vermag<br />
so wahre<br />
Wunder zu<br />
bewirken.<br />
Kindertr<br />
äume werden<br />
wahr,<br />
und sei es<br />
nur einer<br />
wie der,<br />
dass der<br />
Großvater<br />
endlich einmal<br />
Zeit<br />
Pan Tau hat für jeden ein offenes Ohr<br />
für seine<br />
Enkelin Claudia hat, seine Firma sausen lässt und mit dem Mädchen<br />
(und Pan Tau) einfach mal als Landstrei cher durch die Gegend zieht.<br />
Ansonsten können in dieser Serie Karpfen plötzlich sprechen, einem<br />
Kaktus wachsen Haare, Opas Bierglas wird geleert, ohne dass er<br />
etwas trinkt, eine Ziege steht im Treppenflur und und und …<br />
Er muss stets aufmerksam sein<br />
Pan Tau (zu<br />
Deutsch Herr<br />
Hut) kommuniziert<br />
ohne<br />
Sprache, ein<br />
Blick genügt.<br />
Ein schönes<br />
Pendant zu<br />
den unablässig<br />
plappernden<br />
und<br />
quatschenden<br />
Erwachsenen,<br />
die den Kindern<br />
das Leben<br />
manchmal schwermachen und über ihren eigenen Tellerrand<br />
nicht hinaussehen können. Und ebenso ein hervorragender<br />
Gegenentwurf zu den ganzen amerikanischen Kinderserien, die<br />
schon damals – noch vor der bösen Brut des Privatfernsehens<br />
– die Bildschirme zukleisterten. Pan Tau steht bis heute für<br />
Geborgenheit und Zuverlässigkeit.<br />
Er passt in eine Aktentasche, denn wenn er ganz sanft auf<br />
seinen Zauberbowler klopft und elegant mit den Fingern an<br />
der Hutkrempe entlangstreicht, wird aus ihm plötzlich eine kleine<br />
Handpuppe, die sich leicht verstecken lässt. Auf diese Weise<br />
kommt er kaum einem Erwachsenen unter die Augen. Die haben<br />
Seite 34 ■ GoodTimes 1/2014
sowieso für alles eine wissenschaftliche<br />
Erklärung, streiten oft und haben keine<br />
Fantasie. Genau dort holt Pan Tau die<br />
Kinder und die<br />
Junggebliebenen<br />
ab – weil er das Kind<br />
in sich bewahrt hat.<br />
Nie weiß man, wo er herkommt, wie lange<br />
er bleiben wird, und wann er wieder<br />
geht. Meist ist Letzteres natürlich der Fall,<br />
wenn die Wogen geglättet, die Familie intakt<br />
und die Kinderseelen im Lot sind. Manchmal<br />
bleibt er auch länger, wie bei der chaotischliebenswerten<br />
Familie Urban in Prag (mit dem<br />
wunderbaren Schauspieler Vladimir Mensik<br />
als Oberhaupt). In deren Haushalt bringt er<br />
einiges durcheinander, weil man ihn dort für<br />
den verschollenen Onkel Alfons hält. Der sollte<br />
eigentlich in der Milchfabrik mitarbeiten, hat<br />
vorübergehend aber das Leben auf Achse und<br />
schließlich einer einsamen Insel vorgezogen,<br />
weil er seinem Bruder früher mal drei Murmeln<br />
geklaut und die 20 Mark für die Klavierlehrerin<br />
anderweitig ausgegeben hat.<br />
des Herrn Tau". Das Autorenteam Ota<br />
Hofman (Drehbuch) und Jindrich<br />
Polák (Regie) zauberte im Laufe der<br />
folgenden Jahre weitere Highlights des<br />
Kinderfernsehens aus dem Hut. Wir erinnern<br />
uns an „Die Märchenbraut", „Luzie, der Schrecken<br />
der Straße", „Der fliegende Ferdinand", „Die Rückkehr der<br />
Märchenbraut" und vieles andere. In vielen dieser Filme dabei: Ota<br />
Simánek.<br />
Er war ein Glücksfall für die Rolle<br />
des Pan Tau. Mühelos überwand er<br />
Zeit und Raum, und seine Art, die sich<br />
ihm bietende Szenerie mal mit mildem<br />
Lächeln, mal mit ungläubigem Staunen<br />
zu betrachten, war schwer zu überbieten.<br />
1988 schlüpfte Simánek noch einmal<br />
in die Rolle des Kinderverzauberers. In<br />
„Pan Tau – Der Film" rettet er – natürlich<br />
wieder in einer Doppelrolle – den<br />
Film sowie den abgehalfterten und leicht<br />
versoffenen Ex-Star Karasek (der laut<br />
Drehbuch damals Pan Tau gespielt haben<br />
soll), indem er als Lumpensammler Novak<br />
mit seinem eigentümlicherweise auf den<br />
Namen „Mensch" getauften Hund den<br />
ehemaligen Star wieder in die Spur bringt.<br />
... und um den Zusammenhalt<br />
der Familie bemüht<br />
Immer korrekt gekleidet ...<br />
Schwierig wird es erst, als Pan Tau seinen Doppelgänger im<br />
Fesselballon zur Familie zurückholt, und dieser Ballon landet<br />
natürlich mitten im Garten. Die Slapstick-Szenen haben absolutes<br />
„Laurel & Hardy"-Niveau. Ota Simánek spielte natürlich auch den<br />
Alfons und durfte endlich auch einmal sprechen. Und das nicht zu<br />
knapp.<br />
In der Rolle des Pan Tau hingegen kommuniziert er auf eine tänzerische<br />
und pantomimische Weise. Erst in den späteren Folgen<br />
beginnt der bislang so stille Held ansatzweise zu reden, wird sozusagen<br />
zu einem realistischeren Pan Tau, was der so vertrauten Figur<br />
nicht unbedingt gut bekommt.<br />
Die Serie war mit 33 Folgen eine der langlebigsten, die je im tschechoslowakischen<br />
Fernsehen produziert wurde, und gleichzeitig der<br />
Beginn einer wunderbaren Freundschaft mit dem WDR. Der Bambi<br />
in Silber 1974 sowie der Adolf-Grimme-Preis 1976 waren wohlverdiente<br />
Auszeichnungen für die Pionierarbeit des westdeutschen<br />
Fernsehens. In der DDR lief die Serie unter dem Titel „Die Abenteuer<br />
Ota Simánek war erkennbar ausgebildeter<br />
Pantomime und unterrichtete am<br />
Prager Konservatorium in eben diesem<br />
Bereich. Zudem war er Mitglied des<br />
Prager Stadttheaters, an dem er auch<br />
in klassischen Rollen („König Lear",<br />
„Pygmalion" etc.) brillieren konnte.<br />
Auch in den bereits erwähnten Hofman/<br />
Polák-Produktionen war er Dauergast.<br />
Ota Simánek starb am 8. Mai 1992 im<br />
Alter von 67 Jahren. Auch über 20 Jahre<br />
später ist seine märchenhafte Erscheinung<br />
unvergessen. Kinder glauben, was sie sehen<br />
– leider auch an den ganzen Dreck, den es<br />
heute im Fernsehen gibt. Umso mehr: An Pan<br />
Tau glauben sie noch heute, und es ist gut,<br />
dass die Serie immer mal wiederholt wird. Sie<br />
ist jederzeit aufs Neue einzigartig.<br />
Oliver Schuh<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 35
<strong>kult</strong>! Bücher<br />
Von Alan Tepper<br />
Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
In den USA spielen sich momentan ungeheuerliche<br />
Marktkämpfe ab. Nachdem führende Internet-<br />
Versandhäuser aufgrund der fehlenden Buchpreisbindung<br />
jahrelang mit Dumping-Angeboten Mitbewerber<br />
vom Markt gefegt hatten, ziehen jetzt die Preise kräftig<br />
an, besonders im Segment Fachliteratur, die für viele<br />
unumgänglich ist. Und Neuerscheinungen in der Belletristik?<br />
Oft nur noch als Lesegerät-Ausgabe und nicht<br />
mehr "<br />
physisch" erhältlich. Maximaler Profit bei minimalen<br />
Kosten. Buchhändler, Autoren, Lektoren, Übersetzer<br />
und Literaturagenten müssen nun für Hungerlöhne arbeiten.<br />
Gelobt sei da die deutsche Buchpreisbindung,<br />
die einen angemessenen Standard ermöglicht, der Kulturschöpfern<br />
zumindest ein Existenzminimum sichert.<br />
Henry James –<br />
Preston & Child –<br />
" Die Kameliendame" "<br />
Die dunklen Gassen des Himmels"<br />
Fear: Grab des Schreckens"<br />
Das Durchdrehen der Schraube"<br />
Alexandre Dumas –<br />
Tad Williams –<br />
D" as Autorenteam Douglas Preston und Lincoln Child hat sich durch<br />
Beständigkeit und einen unerschöpflichen Ideenvorrat einen<br />
Namen gemacht. Neben den Wissenschaftsthrillern<br />
und der aktuellen, leider nicht sehr starken Gideon-<br />
Crew-Reihe, sind es die Romane um den FBI-<br />
Spezialagenten Pendergast, die für Furore sorgen.<br />
Nach dem überaus gelungenen „Formula" (2003)<br />
und der spannenden Trilogie „Burncase" (2005),<br />
„Dark Secret" (2006) und „Maniac" (2007) ist der<br />
aktuelle Kultroman der letzte Teil der so genannten<br />
Helen-Trilogie. Pendergast erfährt, dass seine Frau<br />
noch am Leben<br />
ist, aber in dunkle Machenschaften<br />
verstrickt war, die bis in die Zeit<br />
des Nationalsozialismus zurückführen.<br />
Nach einem kurzen Wiedersehen wird<br />
Helen entführt, woraufhin sich der<br />
FBI-Mann auf eine spektakuläre Jagd begibt, die ihn schließlich bis<br />
nach Südamerika führt. Dort kommt er dem unfassbaren Geheimnis auf<br />
die Spur. Zwar wirkt der Roman an einigen Stellen recht konstruiert,<br />
doch insgesamt kann er wegen der Spannung überzeugen.<br />
Nein, Bücher wie „Die drei Musketiere" oder „Der Graf von<br />
Monte Cristo" stammen nicht von dem „Kameliendame-Dumas",<br />
sondern von seinem gleichnamigen Vater.<br />
Alexandre Dumas d. J. (27. Juli 1824 – 27.<br />
November 1895) hat mit seinem zentralen<br />
Roman ein Werk mit einem ähnlich hohen<br />
Stellenwert verfasst, das mehrfach verfilmt<br />
(unter anderem mit Greta Garbo und Robert<br />
Taylor) und von Giuseppe Verdi vertont<br />
wurde. In dem auch noch heute aufwühlenden<br />
Roman beschreibt er die Liebe des<br />
aus gutem Elternhaus<br />
stammenden Armand<br />
Duval zur Kurtisane<br />
Marguerite<br />
Gautier,<br />
die sich von mehreren<br />
Männern aushalten lässt. Die beiden verlieben<br />
sich ineinander und beginnen ein neues Leben.<br />
Duvals Vater empört sich über die Entscheidung<br />
seines Sohnes und drängt Marguerite – obwohl sie den Mann von<br />
ihrer ehrlichen Liebe überzeugt –, seinen Sohn zu verlassen, den<br />
diese Entscheidung tief verletzt. Erst auf dem Sterbebett enthüllt sie<br />
ihm den wahren Grund für die Trennung. Intensiv, vielschichtig und<br />
immer noch aktuell.<br />
"<br />
Henry James (15. April 1843 – 28. Februar 1916) zählt zu den amerikanischen/britischen<br />
Autoren, die sowohl von den Kritikern als<br />
auch vom Publikum geschätzt werden. Neben<br />
realistischen Werken wie „Bildnis einer Dame" und<br />
sozialkritischen Arbeiten („Daisy Miller") hat er<br />
sich gelegentlich dem Schauerroman zugewandt.<br />
Allerdings setzte James hier nicht auf vordergründige<br />
Effekte, sondern kreierte eine durchgehend<br />
subtil-unheimliche Atmosphäre, die die Frage nach<br />
der Natur des Bösen anregt. In<br />
dem 1898 publizierten Roman<br />
beschreibt er das Erlebnis einer<br />
Gouvernante, die auf einem englischen Gut zwei<br />
Waisenkinder (Flora und Giles) betreuen soll. Kurz<br />
nach ihrer Ankunft bemerkt sie die Wiedergänger<br />
ihrer Vorgänger Miss Jessel und Peter Quint, die<br />
kurz vor ihrem Tod im häufigen Kontakt zu den<br />
Kindern standen. Nun scheint ihre schemenhafte Anwesenheit das<br />
Leben der Kleinen zu bedrohen. Obwohl der Roman schon über 100<br />
Jahre alt ist, erzeugt er eine unvergleichliche Atmosphäre, die nichts an<br />
Wirkung eingebüßt hat.<br />
Tad Williams (geb. 14. März 1957) wird schon seit einigen Jahren zu<br />
den ganz Großen der modernen Fantasy-Literatur gezählt. Zyklen<br />
wie „Otherland" oder „Shadowmarch" haben<br />
zahlreiche Leser gefunden, die sich von den<br />
eher konservativen Ausprägungen des Genres<br />
entfernen und neue Themen bevorzugen. In<br />
seinem aktuellen Buch widmet er sich der<br />
so genannten Urban Fantasy, integriert aber<br />
auch Elemente des Krimis und der vor einiger<br />
Zeit einen kurzen Boom erlebenden „Engel"-<br />
Romane. Williams beschreibt die Geschichte<br />
von<br />
Bobby<br />
Dollar, einem<br />
Anwalt der<br />
Engel, der mit der „Gegenseite", also<br />
der Hölle, um jede Seele kämpft. Er<br />
unternimmt Dienstreisen zur Erde<br />
und führt ein meist angenehmes<br />
Leben in den himmlischen Bars. Das<br />
ändert sich, als ihm eines Tages eine Seele abhandenkommt. Wer<br />
steckt hinter dieser vermeintlichen Entführung? Ist es eine Intrige?<br />
Williams hat mit dem Roman einen unterhaltsamen und spannenden<br />
Text verfasst, der niemals blasphemisch wirkt, sondern die exakt passende<br />
Portion Humor vermittelt.<br />
Seite 36 ■ GoodTimes 1/2014
Ernest Hemingway – "<br />
Fiesta"<br />
Ernest Hemingway (21. Juli 1899–2. Juli 1961) zählt zu den ganz<br />
großen amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts. Seine zahlreichen<br />
Bücher wurden häufig verfilmt, wie zum<br />
Beispiel „Schnee am Kilimandscharo" (mit Gregory<br />
Peck und Hildegard Knef), „Wem die Stunde schlägt"<br />
(mit Gary Cooper und Ingrid Bergman) und natürlich<br />
„Der alte Mann und das Meer" (mit Spencer<br />
Tracy). Auch „Fiesta" kam mit Starbesetzung unter<br />
dem Titel „Zwischen Madrid und Paris" 1957 in die<br />
Kinos. Der Pulitzer- und Nobelpreisträger führte<br />
ein unstetes Leben, reiste viel, war Großwildjäger,<br />
Hochseefischer und Kriegsberichterstatter, wobei<br />
zuletzt lttgenannte Tätigkeit einen großen Einfluss auf sein Schaffen hatte.<br />
Im Gegensatz zu Zeitgenossen, wie zum Beispiel William Faulkner, zeichnete<br />
sich Hemingways Erzählstil durch knappe, unprätentiöse Sätze aus,<br />
die dem Leser einen leichten Zugang zu seinen<br />
Schriften ermöglichen, die thematisch wichtige<br />
Aspekte und Extremsituationen des letzten<br />
Jahrhunderts widerspiegeln. Der Autor gehört<br />
zur so genannten verlorenen Generation, ein<br />
von der Schriftstellerin Gertrude Stein geprägter<br />
Begriff, der die durch den Ersten Weltkrieg entwurzelten und ihrer<br />
Ideale beraubten Menschen beschreibt. Der in den 20er Jahren in Paris<br />
entstandene Roman, zu der Zeit eine für angloamerikanische Schriftsteller<br />
wie zum Beispiel Henry Miller bedeutende Stadt, ist in drei Teile gegliedert.<br />
Im ersten Buch schildert Hemingway das Leben der Emigranten, das von<br />
Sinnsuche, Liebschaften und Unbeständigkeit bestimmt wird. Der zweite<br />
und längste Teil beschreibt eine Reise nach Pamplona, wo eine siebentägige<br />
Fiesta gefeiert wird, bei der der explizit dargestellte Stierkampf<br />
und der Alkohol eine große Rolle spielen. Im letzten Abschnitt offenbart<br />
sich die Tragik des Protagonisten, dem das Schicksal eine erfüllende<br />
Liebesbeziehung versagt und der ein „Treibender" und „Gebrochener"<br />
im Strom der verlorenen Generation bleiben wird. Ein unnachahmliches<br />
Gesellschaftsporträt der 20er Jahre.<br />
Richard Matheson – "<br />
Ich bin Legende"<br />
Als Richard Matheson (20. Februar 1926–23. Juni 2013) vor wenigen<br />
Monaten verstarb, erinnerte sich in Deutschland kaum jemand an<br />
seine Arbeiten. Das lag vermutlich an der geringen<br />
Popularität hier zu Lande, denn die Bedeutung<br />
seines Lebenswerks wurde bislang wenig beleuchtet.<br />
Matheson hat nicht nur bedeutende Beiträge<br />
zur Science Fiction geliefert, unter anderem das<br />
Buch „The Shrinking Man", das 1957 unter dem<br />
Titel „Die unglaubliche Geschichte des Mr. C" verfilmt<br />
wurde, sondern auch den Horrorklassiker „Hell<br />
House" und den faszinierenden Zeitreise-Liebesroman<br />
„Somewhere In Time" (verfilmt mit Jane Seymour).<br />
Darüber hinaus war er als Drehbuchautor einer der wichtigsten Schreiber<br />
von vielen Kultfilmen. Die von Roger Corman umgesetzten „Der Untergang<br />
des Hauses Usher" (1960) und „Das Pendel des<br />
Todes" (1961), eine Hammer-Produktion („Die<br />
Braut des Teufels", 1968) sind nur einige Titel<br />
einer langen Filmografie. Auch „Ich bin Legende"<br />
kam in die Kinos – sogar dreimal! 1964 spielte<br />
der unvergessene Vincent Price die Hauptrolle<br />
in „The Last Man On Earth", 1971 gefolgt von<br />
Charlton Heston in „Der Omega-Mann", wohingegen Will Smith 2008 in „I<br />
Am Legend" auftrat. Der Roman spielt im Los Angeles des Jahres 1976. Die<br />
Menschen wurden durch das Virus zu Vampiren, die das Haus von Robert<br />
Neville, dem letzten Überlebenden, jede Nacht belagern. Dieser ist einer<br />
ständigen Gefahr ausgeliefert. Tagsüber tötet er seine Kontrahenten und<br />
beschafft sich Vorräte, nachts ist er in seinem Haus eingesperrt. Eine Frau<br />
scheint nicht an dem Virus zu leiden, doch wie sich herausstellt, gehört<br />
sie zu einer mutierten Spezies, die die Weltherrschaft übernimmt und<br />
ihn – den Anormalen - exekutieren will. Die Fusion von Science-Fiction-<br />
Elementen, Horror und dem klassischen Vampirroman, nicht zu vergessen<br />
die schriftstellerische Raffinesse, heben „Ich bin Legende" auf ein hohes<br />
Niveau, das erst in den letzten Jahren erkannt wurde. Die aktuelle Heyne-<br />
Ausgabe erscheint mit zusätzlichen zehn Kurzgeschichten.<br />
Die Sprechblase<br />
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BEI KNOPFDRUCK TOR<br />
Seit es <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Spieler gibt, hält sich die Faszination, mit ihnen zu spielen. Fußballfeld,<br />
Tor, Torwart und Figuren sind schnell aufgebaut, ein spannender Zweikampf auf dem<br />
Fußboden oder Tisch kann beginnen. So klein das Spiel, so groß die Namen der Fans: Die<br />
bekanntesten sind Franz Beckenbauer und Campino von den Toten Hosen. <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> spielt man aber<br />
nicht nur am heimischen Herd. Es gibt organisierte Spieler, eine Bundesliga und zahlreiche Turniere.<br />
Von Eckhard Schwettmann<br />
ereits 14 Jahre nach der Firmengründung 1924 wurde mit der<br />
TFG Hildesheim 1938 der erste Verein gegründet. Aktuell sind<br />
im Deutschen <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Verband (DTKV) knapp 100 Klubs registriert.<br />
Daneben gibt es welche im Schweizer <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Verband (STKV) und<br />
auch einige in Österreich.<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> ist ein Spiel für zwei Personen. Das Spielfeld besteht<br />
dabei aus einer Spielplatte, zwei Toren, zwei Torhütern und zwei<br />
beliebig positionierbaren n<br />
Feldspielern sowie einem<br />
zweifarbigen, zwölfeckigen<br />
Ball. Die Spielfiguren<br />
werden auf dem Spielfeld<br />
bewegt. Durch das Drücken<br />
des Kopfes der Spielfigur,<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Schachtel der Jahre 1923 –1948.<br />
bewegt sich der Fuß und<br />
kickt den Ball. Das Schießen ist eine Wissenschaft für sich.<br />
Die Stärke des Drückens in Verbindung mit dem Abstand<br />
und der Winkelstellung des Fußes zum Ball sind die wichtigsten<br />
technischen Elemente. Der Schussfuß wird von den<br />
Profis mit einer Feile manchmal so bearbeitet, dass er den<br />
Ball bei geschickter Handhabung in Drehung versetzt.<br />
Den Torwart überlisten und trickreich Tore erzielen,<br />
darum geht es im <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> – ganz wie beim echten<br />
Fußballspiel.<br />
wie heute gespielt: Mit einer Blechfigur, deren Fuß sich auf<br />
K(n)opfdruck bewegen ließ, galt es, einen zweifarbigen<br />
Korkwürfel in ein Tor zu schießen. Wegen der geringen<br />
Masse des Blechspielers war das nicht einfach, deshalb<br />
ließ Edwin Mieg die Figuren aus Blei gießen.<br />
Auf dem Treppenabsatz vor dem Eingang zu den<br />
Leipziger Messehallen baute Mieg 1926 sein<br />
Spiel erstmals auf, ließ die interessierten<br />
Besucher <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> spielen und fand viele<br />
Käufer. Der Erfolg nahm seinen Lauf:<br />
1938 baute Edwin Mieg ein Werk in<br />
Zink-Spielfi gur aus<br />
dem Jahr 1956.<br />
Bis 1938 wurden die<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Figuren aus<br />
Blei gefertigt. Dadurch<br />
hatten sie mehr Masse<br />
als die Blechfi guren, die<br />
in den Anfangsjahren<br />
hergestellt wurden.<br />
1923, als der Exportkaufmann Edwin Mieg die indische<br />
Verkaufsniederlassung der Firma Junghans-Uhren<br />
übernehmen sollte, wurde die Grundlage für <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong><br />
gelegt. Junghans vergab die Stelle an einen anderen<br />
Bewerber, und Edwin Mieg wechselte von der Uhrenzur<br />
Spielwarenindustrie. Er machte die ebenso<br />
einfache wie geniale e<br />
Spielidee des Stuttgarter r<br />
Möbelfabrikanten<br />
Karl Mayer zu einem<br />
marktreifen Produkt und<br />
machte sich mit <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> bereits ein Jahr später<br />
selbstständig. Schon mit dem Prototyp wurde<br />
Auslieferung in den<br />
1950er Jahren.<br />
seiner Heimatstadt Schwenningen am Neckar. Die neuen <strong>Kick</strong>er aus<br />
Zink konnten nun in der eigenen Fabrik gegossen werden.<br />
Als Firmengründer Edwin Mieg 1948 verstarb, führten seine Söhne Peter<br />
und Hansjörg Mieg die Erfolgsgeschichte<br />
weiter. Im Weltmeisterschaftsjahr 1954<br />
kam es zu einer Innovation und zum<br />
großen Durchbruch: 180.000 Spiele<br />
wurden in diesem Jahr in Deutschland<br />
verkauft – und Peter Mieg entwikkelte<br />
den fallenden Torwart namens<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Schachtel der Jahre 1964–1968.<br />
Die 2. Generation: Peter Mieg präsentiert<br />
seine <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Kollektion.<br />
Fotos: © Edwin Mieg OHG<br />
Seite 38 ■ GoodTimes 1/2014
durch Betätigung der Knöpfe zu bedienen,<br />
besteht dann aber nicht mehr. 2011 kamen<br />
die ersten weiblichen <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Spielfiguren<br />
auf den Markt.<br />
Mit solchen<br />
Korkbällen wurde<br />
bis 1954 gespielt.<br />
Mit solchen Torhütern aus Blei<br />
wurde bis 1938 gespielt.<br />
„Toni". Bis heute kaum verändert, kann dieser auf Knopfdruck nach<br />
rechts oder links fallen. Sonst ist seither<br />
kaum etwas anders geworden.<br />
Mit dem Beginn der Fußball-Bundesliga<br />
1963 wurden die Mannschaften auch<br />
als <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Spieler produziert. Schon<br />
1967 wurde ein bis dahin unbe-<br />
kannter junger Fußballspieler lspieler auf<br />
Turnier in den 60er Jahren<br />
der Verpackung abgebildet: b Für<br />
1000 Mark Honorar erhielt die<br />
Firma Mieg die Rechte<br />
am Namen und an<br />
der Abbildung des<br />
Stürmers Gerd Müller.<br />
1978 wurden textile<br />
Netztore eingeführt und<br />
vier Jahre später der<br />
Star-Keeper – ein<br />
Torwart, der sich<br />
zusätzlich nach<br />
vorne hechten<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Figur<br />
heute<br />
kann –<br />
vorgestellt.<br />
Turnier in den 70er Jahren<br />
Rund um die klassische Ausstattung gibt es noch viel<br />
Zubehör: Zur korrekten Zeitmessung (ein <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-<br />
Torwart in den 60er Jahren. Spiel dauert in der Regel zweimal fünf Minuten) gibt<br />
es daher auch eine Uhr, mit der gleich der Spielstand<br />
festgehalten werden kann. Mit einer Flutlichtanlage<br />
kann abends gespielt werden,<br />
Masten mit jeweils sechs LED-<br />
Lichtern beleuchten dabei<br />
das Spielfeld. Es<br />
gibt natürlich auch<br />
passende<br />
T-Shirts,<br />
Verpackung 1970–1980 mit Gerd Müller in Aktion<br />
Tassen, Pins, Kappen<br />
Die heutigen Inhaber des Familienunternehmens,<br />
Mathias (l.) & Jochen<br />
Mieg (r.)<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Turnier in einer Sporthalle heute<br />
Blick in die heiligen Hallen<br />
der <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Fabrikation.<br />
Franz Beckenbauer gewann schon<br />
einmal 2:0 gegen Bobby Charlton.<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Bälle<br />
1954–1970<br />
Typischer Ball<br />
ab 1970<br />
Zweifarbige Bälle<br />
aus Plastik in ihrer<br />
heutigen Form.<br />
und Taschen, sogar<br />
ein <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Bärchen<br />
als Maskottchen von<br />
Steiff.<br />
„Wir spielen <strong>Tipp</strong>-<br />
<strong>Kick</strong>" ist der Titel<br />
einer Audio-CD, die<br />
von der Zeitschrift „11<br />
Freunde" empfohlen<br />
wird. Darauf sind 18<br />
Musikstücke versammelt,<br />
von den Toten<br />
Hosen über Blackmail bis zu den Mimmis.<br />
Natürlich drehen sich alle Musikstücke um<br />
das Thema <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> oder Fußball.<br />
Auch passende Lektüre zum Thema ist<br />
erschienen: Die Autoren Katrin Höfer und<br />
Peter Hesse von „Das große <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong><br />
Buch" haben viele Informationen zur<br />
Geschichte, Herstellung, zu Spielmaterial,<br />
Regeln und Klubs zusammengetragen.<br />
„Aus der Tiefe des Raumes" ist ein skurriler<br />
Kinofilm aus dem Jahr 2004, der<br />
auch auf DVD erhältlich ist. Der Inhalt<br />
Eine Besonderheit<br />
zeichnet <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong> aus:<br />
Die „Bälle" sind nicht<br />
rund, sondern zwölfeckig<br />
und zur einen<br />
Hälfte schwarz und zur<br />
Campino von den Toten Hosen ist<br />
anderen Hälfte weiß bekennender <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Fan.<br />
gekennzeichnet. Sie<br />
wurden ursprünglich aus Kork hergestellt, sind heute aber aus Plastik.<br />
Die Spielfiguren sind aus Metall, handbemalt in den aktuellen<br />
Trikotfarben der beliebtesten Vereine und mit einem<br />
zusätzlichen Gewicht in der Standplatte versehen. Dazu gibt<br />
es einen spitzen Fuß für gefühlvolle Heber. Die echten „<strong>Tipp</strong>-<br />
<strong>Kick</strong>-Profis" haben neben dem Spielerfuß<br />
auch ihren Torwart umgearbeitet,<br />
so dass aus dem<br />
Bedienungskasten nur<br />
noch eine starre Stange<br />
herausragt, an der der<br />
Torwartkörper befes tigt<br />
ist. Die Möglichkeit,<br />
den Torwart<br />
Seit dem Jahr 2011 gibt es<br />
auch weibliche Spielfi guren.<br />
WM 2006: Angela Merkel<br />
prüft die Mechanik einer<br />
übergroßen Spielfi gur.<br />
in Kurzform: Hauptfigur ist ein Kfz-Lackierer, der das <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-<br />
Spiel perfekt beherrscht. Bei einem Turnier lernt er eine hübsche<br />
Zeitungsfotografin kennen. Die beiden verlieben sich, aber bei einem<br />
Rendezvous verwandelt sich seine <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Figur durch ein Bad in<br />
Fotochemikalien in einen richtigen Menschen, der nach und nach<br />
Gestalt und die Rolle des Fußballspielers Günter Netzer annimmt.<br />
Das ist typisch für <strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>: Der Hauch der 70er Jahre umweht<br />
dieses <strong>kult</strong>ige<br />
Spiel!<br />
Die Aktuelle<br />
<strong>Tipp</strong>-<strong>Kick</strong>-Edition zur WM<br />
in Brasilien 2014.
Der Weltverbesserer"<br />
"<br />
oder eine<br />
Empfehlung,<br />
Johannes<br />
Mario Simmel<br />
wieder zu<br />
lesen<br />
Von Peter Henning<br />
Als er im Jahr 2009 85-jährig in seinem Schweizer Domizil<br />
Zug verstarb, trat er als Auflagenmillionär ab: Johannes<br />
Mario Simmel, der Mann, der weltweit 75 Millionen<br />
Bücher verkaufte – und sich bis zuletzt mit grimmiger<br />
Entschlossenheit in der Rolle des Weltverbesserers sah;<br />
einer, der seinen Lesern Romane mit Titeln wie Liebe "<br />
ist nur ein Wort", Hurra, wir leben noch" oder Der<br />
" "<br />
Stoff, aus dem die Träume sind" schenkte, die ganze<br />
Lesergenerationen prägten. Und der nicht müde wurde,<br />
darin immer neu drohende Apokalypsen wie den Atomtod<br />
und die Umweltzerstörung wortreich zu beschwören.<br />
Simmels Bücher repräsentieren – als Gesamtwerk betrachtet – das<br />
weit gespannte Unheilspanorama eines passionierten Aufklärers<br />
und Schwarzsehers<br />
in der Maske<br />
des Schriftstellers, der<br />
die drohenden Gefahren<br />
der Gentechnik und des<br />
Computerwahns ebenso<br />
visionär thematisierte<br />
wie die gefahrvolle<br />
Korruption des Einzelnen<br />
durch Macht, Geld und<br />
politische Verirrung.<br />
Gleichzeitig aber waren<br />
seine Schnurren immer<br />
auch große Liebesromane,<br />
in welchen die Liebenden<br />
stets über dünnes Eis wandelten.<br />
Kurzum: Es waren<br />
Stoffe, die geradezu prädestiniert für die Kinoleinwand schienen.<br />
Zwischen 1958 und 1974 allen voran von Alfred Vohrer filmisch adaptiert,<br />
tummelte sich in den Verfilmungen das einstige Who is who der<br />
deutschen Schauspielkunst. Angefangen bei Doris Kunstmann, Senta<br />
Berger, Margot Werner und Hans Christian Blech bis hin zu Karin<br />
Dor, Herbert Fleischmann oder Horst Frank. Simmel-Verfilmungen<br />
waren Kassenschlager, gekonnt aufs große Publikum zugeschnittene<br />
Adaptionen seiner Romane. 22 Verfilmungen mehrten nicht nur Simmels<br />
Ruhm als Erzähler, sondern zementierten zugleich auch seinen Ruf des<br />
engagierten Moralisten, der sich in seinen Büchern bis<br />
zuletzt als zivilisationskritischer Skeptiker gerierte.<br />
Beschlich ihn auch am Ende seines Lebens das<br />
ungute, ja selbstzweiflerische Gefühl, womöglich<br />
„in Wasser geschrieben und in den Wind gesprochen"<br />
zu haben, weil ihm die Weihen des bürgerlichen<br />
Feuilletons trotz aller Anstrengungen bis zuletzt t<br />
versagt blieben, so ist ihm sein Platz im Olymp der<br />
gehobenen deutschen Unterhaltungsliteratur trotz<br />
allem nicht zu nehmen.<br />
Denn Simmel, der lange als Journalist, Filmkritiker für die Wiener<br />
Tageszeitung „Welt am Abend" und Drehbuchschreiber unterwegs<br />
war, ehe nach einer Novellensammlung<br />
1949 sein erster Roman „Mich wundert, dass<br />
ich so fröhlich bin"<br />
im Wiener Zsolnay<br />
Verlag erschien,<br />
traf mit all seinen<br />
Arbeiten jeweils<br />
den Nerv seiner<br />
Zeit. Und als 1960<br />
in dem Magazin<br />
„Quick" sein<br />
wahrhaft furioser<br />
Schelmenroman „Es<br />
muss nicht immer<br />
Kaviar sein" als<br />
Fortsetzungsroman erschien, ging der Stern<br />
des 1924 in Wien als Sohn eines jüdischen<br />
Chemikers und einer Schneiderin geborenen Autors hellstrahlend über<br />
Literatur-Deutschland auf. Kurz darauf erschien im Schweizer Druckund<br />
Verlagshaus<br />
die Buchausgabe<br />
des Romans – und<br />
Simmels einzigartige<br />
Erfolgsgeschichte<br />
begann.<br />
Denn der Mann,<br />
der<br />
nach<br />
dem<br />
Krieg<br />
zunächst<br />
als<br />
Dolmetscher<br />
und<br />
Übersetzer<br />
für die<br />
US-Regierung arbeitete, t ehe er für die „Quick" Reportagen aus<br />
Übersee schrieb, vollbrachte in seinem ebenso episodenmächtigen<br />
wie rasant vorangetriebenen Roman das Kunststück, filmisches<br />
Erzählen mit burleskem, wild wucherndem Anekdotenreichtum zu<br />
verschmelzen.<br />
Seite 40 ■ GoodTimes 1/2014
Im Zentrum des ruhelos zwischen den<br />
Schauplätzen hin- und herpendelnden<br />
Geschehens steht Thomas Lieven, ein<br />
ebenso ausgekochter wie abenteuerlustiger<br />
Filou, der, auf schöne Frauen und<br />
gutes Essen abonniert, schon mal auf<br />
engstem Raum und kleinster Flamme<br />
ein schmackhaftes Fünf-Gänge-Menü aus<br />
dem Hut zaubert, ehe er lustvoll ebenso<br />
glücksengelhaft wie James-Bond-gleich<br />
ganze Heerscharen von Geheimdiensten n<br />
gegeneinander ausspielt und an der<br />
Nase herumführt. Das Buch wurde ein riesiger<br />
Verkaufserfolg, und Simmel legte fleißig Buch<br />
um Buch nach.<br />
Es folgten nicht minder erfolgreiche Romane<br />
wie „Bis zur bitteren Neige" (1962), „Liebe<br />
ist nur ein Wort" (1963), „Lieb Vaterland<br />
magst ruhig sein" (1965) und „Alle Menschen<br />
werden Brüder" (1967). Und spätes tens mit<br />
Erscheinen des Romans „Und Jimmy ging zum<br />
Regenbogen" im Jahr 1970 fand sich Simmel<br />
auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die klug<br />
gewählten Titel seiner Bücher avancierten zu geflügelten<br />
Worten – und wer seinerzeit mitreden wollte, wenn die<br />
Gespräche sich um Genmanipulation, den Kalten Krieg, atomare<br />
Bedrohung oder ums Waldsterben drehten, der kam an<br />
der Lektüre der Simmel-Romane nicht vorbei.<br />
Doch was war das<br />
Geheimnis von Simmels<br />
Bestsellern? Was hatten seine<br />
Bücher, das andere nicht hatten?<br />
Eine besondere literarische<br />
Qualität, eine spannende<br />
Geschichte, ein gutes Thema<br />
– oder einfach nur ein üppiges<br />
Marketingbudget? Auf den<br />
ersten Blick von allem etwas.<br />
Doch was Simmels Bücher<br />
seinerzeit aus der Masse<br />
erscheinender Romane heraushob,<br />
war ihr unanfechtbarer<br />
moralischer Anspruch. Simmel,<br />
lange vom Hochfeuilleton als<br />
Malte Thorsten, Judy Winter<br />
1971 in "<br />
Liebe ist nur ein Wort"<br />
„Bestseller-Mechaniker" und „Trivialautor" Ti i geschmäht, verpackte seine<br />
nicht selten massive Gesellschaftskritik geschickt in flotte, massenkompatible<br />
Plots, deren Grundlage<br />
jeweils ernsthafte journalistische<br />
Recherche war. Er agitierte, ohne<br />
aufdringlich zu sein, mahnte, ohne<br />
den platten Besserwisser zu geben.<br />
Dabei erwies sich der gebürtige<br />
Wiener nicht selten als ein literarischer<br />
Visionär, der gesellschaftliche<br />
Brennpunkte und Umbrüche früh<br />
erzählerisch vorwegnahm. So stieß<br />
der fröhliche Apokalyptiker mit der<br />
Präzision eines Schweizer Uhrwerks<br />
seine ziegelsteindicken Bücher hervor<br />
– mitreißende Schnurren mithin,<br />
die immer neue Kritiker auf den Plan<br />
riefen, die sich anschickten, das früh<br />
gefällte Urteil über Simmel als nicht Harald Leipnitz und Doris<br />
ernstzunehmenden Trivialautor neu Kunstmann 1973 in Alle "<br />
zu überdenken.<br />
Menschen werden Brüder"<br />
Doch selbst eine späte Verneigung des obersten Richters in literarischen<br />
Geschmacks- und Qualitätsfragen, Marcel Reich-Ranicki, der<br />
Simmel „einen fabelhaften Blick für Themen, Probleme,<br />
Motive" attestierte, führte am Ende nicht dazu, ihn vom<br />
Makel des bloßen „Unterhalters" zu befreien. Simmel<br />
selbst trug's mit Fassung – und schraubte weiter ungerührt<br />
an seinen literarischen, stets im wahren Leben<br />
wurzelnden Apokalypsen. Unverändert getrieben vom<br />
Ehrgeiz, die „Welt zu verbessern". In einem Interview<br />
im Jahr 2000 bemerkte er dazu: „Ich bin<br />
maßlos in meiner Empörung, und ich werde<br />
nicht aufhören, Unrecht anzuprangern.<br />
Und wenn ich könnte, würde ich sämtliche<br />
Ideologen abschaffen. Denn erst in den<br />
Händen von Ideologen wurden die großen<br />
Ideen zu mörderischen Werkzeugen." Sich<br />
selbst beschrieb Simmel als einen Menschen,<br />
der „ein paar gute Eigenschaften hat, allem<br />
voran ein Gefühl für Unrecht. Und wenn es<br />
einen Stärkeren gibt, bin ich auf der Seite des<br />
Schwächeren."<br />
Diese Haltung gab er bis zu seinem Tod im Jahr 2009<br />
nicht auf. Warum auch? Man hatte ihn jahrzehntelang<br />
geschmäht und ihm die zweifellos vorhandenen<br />
literarischen Qualitäten abgesprochen. Am Ende aber, alt<br />
geworden und von milder Resignation erfasst, nachdem<br />
seine Frau Lulu, die große Liebe seines Lebens, gestorben<br />
war, konnte er derlei Anwürfe lässig mit den Worten, „ich<br />
war früher arm und musste alles schreiben, jetzt aber kann<br />
ich sagen: Leckt mich am Arsch" kontern. Und wer heute<br />
nach einem Roman wie „Es muss nicht immer Kaviar sein"<br />
greift und sich ernsthaft darauf einlässt, der wird sein<br />
hellblaues literarisches Wunder erleben, denn dieser<br />
Roman ist nicht nur ziemlich gut recherchiert und<br />
noch besser geschrieben, sondern darüber hinaus<br />
ein schlagender Beweis dafür, dass sich erkennbare<br />
literarische Qualität und der Furor eines geborenen<br />
Unterhalters keineswegs<br />
gegenseitig<br />
ausschließen müssen.<br />
Denn das ist<br />
das wahre Simmel-<br />
Wunder: in seinen<br />
Büchern Figuren zu<br />
begegnen, die trotz<br />
drohender und am<br />
Ende vielleicht alles<br />
vernichtender Katastrophen nicht<br />
gewillt sind, ihren einmal begonnenen<br />
Kampf für<br />
eine bessere Welt<br />
einzustellen. Dieses<br />
furchtlose, heldenhafte<br />
„Dennoch", das seine Bücher auch heute,<br />
Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen, lesenswert macht:<br />
Romane, die oszillieren zwischen Stern und Spinoza,<br />
zwischen Boulevard und Bloch. Denn wie sagte er<br />
doch noch kurz vor Ende seines Lebens mit Blick<br />
auf sein Lebenswerk: „Ich habe nie Stil-Experimente<br />
gemacht, und ich kann einfach keine Bücher lesen,<br />
die auf Stil aufgebaut sind. Meine Romane sind das,<br />
was Norman Mailer einmal Faction nannte."<br />
So schrieb er bis zuletzt an gegen<br />
Hoffnungslosigkeit, die er für „das Unhaltbarste,<br />
das ganz und gar den menschlichen Bedürfnissen<br />
Zuwiderlaufende" hielt; der Mann mit den viel zu<br />
großen Brillen, durch die er schon damals mehr sah<br />
und wahrnahm, h als die meisten seiner Zunft es heute tun. Wir bräuchten<br />
einen wie ihn. Einen solchen Unbeirrbaren. Gerade jetzt. Deshalb<br />
werden seine Bücher weiter gelesen werden. Stil hin oder her.<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 41
Captain Future<br />
1980 noch<br />
ein Fall für<br />
die Zensur<br />
Wenn<br />
auf den einschlägig bekannten Internet plattformen<br />
für eine Box mit vier DVDs regelmäßig Sammlerpreise von<br />
über 100 Euro bezahlt werden, dann ist es in einer Zeit der<br />
ständig weiter verfallenden DVD-Preise durchaus erstaunlich.<br />
Die beiden<br />
Boxen mit allen Ausgaben der Science-Fiction-<br />
Zeichentrickserie „Captain Future“ sind allerdings nicht bil-<br />
liger zu haben. Was ist an dieser Serie so besonders, dass<br />
viele Sammler beim Kauf kaum aufs Geld schauen?<br />
Captain Future<br />
Von Jörg Trüdinger<br />
Als am 27. September 1980 im ZDF<br />
die erste Folge von „Captain Future" im deutschen<br />
Fernsehen ausgestrahlt wurde, hatte man die ursprünglich<br />
für jugendliche Fernsehzuschauer konzipierte Serie ins deutsche<br />
Kinderprogramm verbannt und die japanische Originalfassung<br />
stark zerstückelt. Die vorliegende Bearbeitung war nach Ansicht<br />
der Programmgestalter des ZDF passend für Kinder, auch wenn<br />
man damit bewusst Brüche in den Geschichten hinnahm. Vor<br />
allem Szenen, die dem ZDF entweder zu gewalttätig oder zu<br />
langatmig erschienen, hatte man einfach herausgeschnitten.<br />
Trotz der umfangreichen Bearbeitungen blieb die<br />
Serie vor 32 Jahren umstritten, und es gab<br />
nicht wenige Sittenwächter, die sie gerne e<br />
aus dem Kinderprogramm verbannt hätten.<br />
Wenn man die Serie heute anschaut<br />
und mit dem aktuellen Kinderprogramm<br />
vergleicht, erscheint einem die damalige<br />
Diskussion geradezu als lächerlich.<br />
Für die meisten Leser bildet sich bei dem Begriff<br />
„Captain Future" im Kopf sicher gleich das<br />
Bild eines braunhaarigen, athletischen<br />
Zeichentrickhelden der Fernsehserie der späten<br />
70er Jahre. Dass „Captain Future" ursprünglich<br />
Cosmoliner (Japan)<br />
eine amerikanische Romanheftserie<br />
war, die der Autor Edmond Hamilton<br />
1940 erschuf, ist sicher nur wenigen<br />
bekannt. Als Edmond Hamilton<br />
1940 seine Romane schrieb, tobte<br />
in Europa längst der Zweite Weltkrieg, und in<br />
Amerika gab es große Diskussionen, ob man in<br />
den Krieg eintreten sollte, um die alliierten<br />
Streitkräfte im Kampf gegen Deutschland<br />
und seine Verbündeten zu unterstützen.<br />
Das war genau die Zeit, in der die Leserer<br />
nach Superhelden verlangten, n, nach<br />
Menschen, die sich vorbehaltlos dem<br />
Kampf gegen das Verbrechen widmeten und<br />
die stets moralisch einwandfrei handelten. en.<br />
Der auf dem Mond geborene Curtis<br />
Newton, der später zu Captain Future<br />
wurde, war ein solcher Prototyp<br />
des nahezu perfekten Menschen.<br />
Als Waisenkind aufgewachsen – seine<br />
Seite 42 ■ GoodTimes 1/2014
Eltern wurden vom Kriminellen Victor Corvo ermordet<br />
–, widmete er sich als junger Erwachsener r dem<br />
Kampf gegen das Verbrechen. Bei diesem<br />
Kampf halfen ihm der Wissenschaftler<br />
Professor Simon Wright, dessen Gehirn<br />
in einem durchsichtigen Glasbehälter<br />
aufbewahrt wurde, der von seinen<br />
Eltern erschaffene Roboter Grag und<br />
der ebenfalls von seinen Eltern entwickelte<br />
Androide Otho. Weitere wichtige<br />
Personen sind Joan Randall und Ezra Gurney,<br />
beide Mitarbeiter der Planetaren Polizei, und<br />
Ul<br />
Comet (Japan)<br />
Quorn, in der deutschen Fassung Vul Kuolun, der Sohn<br />
Victor Corvos und Gegenspieler von Captain Future. ure.<br />
Nach Veröffentlichung der Romane dauerte es über<br />
40 Jahre, bis sich das japanische Trickfilmstudio<br />
Toei Doga der Serie annahm und auf Grundlage<br />
von 13 Geschichten der 40er Jahre eine aus 52<br />
Teilen bestehende Trickfilmserie produzierte. Die<br />
Erstausstrahlung in Japan startete am 7. November<br />
1978 und endete im Dezember 1979. In Japan an<br />
lief die Sendung im Vorabendprogramm und<br />
nicht wie in Deutschland im nachmittäglichen<br />
Kinderprogramm. Bis zur Ausstrahlung<br />
im Fernsehen war die Serie „Captain Future"<br />
hier zu Lande nur absolut eingefleischten<br />
Science-Fiction-Fans bekannt, was sich aber<br />
sehr schnell änderte.<br />
All diese Rahmendaten können allerdings nicht<br />
erklären, warum „Captain Future" zu solch<br />
einer Kultserie wurde. Vor allem stellt sich die<br />
Frage, warum die Serie gerade e in<br />
Deutschland so erfolgreich war und<br />
nach wie vor unzählige Fans hat?<br />
Wie<br />
immer gibt es sicher verschiedene<br />
Antworten, ein Grund für<br />
Grag<br />
den großen Erfolg ist ganz<br />
und<br />
sicher die von Christian<br />
Yiek<br />
Bruhn speziell für die<br />
deutsche Fassung komponierte<br />
Musik. Dieser Soundtrack ist<br />
absolut zeitlos, und man kann ihn bis<br />
heute anhören. Ein weiterer Grund ist,<br />
dass mit „Captain Future" erstmals<br />
im Nachmittagsprogramm eine Serie<br />
für Jugendliche lief, sie unterschied<br />
sich doch stark von den anderen en<br />
Serien zu dieser Sendezeit wie<br />
„Sindbad", „Wickie" oder „Biene<br />
Maja". Kein Wunder, dass sie vor<br />
allem bei den meist männlichen n<br />
Zuschauern einen absolut blei-<br />
benden Eindruck hinterließ. Da die<br />
Zuschauer weder das Original kannten<br />
noch wussten, was herausgekürzt<br />
war, spielte die Verstümmelung melung<br />
Otto<br />
keine Rolle. Auch die verschiedenen edenenn<br />
weiteren Charaktere der Serie waren gut gewählt<br />
und boten für jeden Zuschauer etwas. Das reichte<br />
vom lustigen Androiden bis zur hinreißend<br />
aussehenden Polizistin. Abweichend end<br />
von der Romanserie wurden für die<br />
Zeichentrickfilme verschiedene weitere ere<br />
Figuren eingeführt oder ihre Funktion<br />
verändert. Auf Seiten von Captain<br />
Future stehen dabei wie im Original<br />
Ken<br />
Simon Wright und Roboter Grag, mit<br />
neuem Namen versehen wurden Android Otto sowie die<br />
Polizistin Joan Landor und ihr alter und<br />
langgedienter Kollege Eszella Garnie. Viele<br />
Leser erinnern sich auch sicher noch an den Mondhund<br />
Yiek und das Weltraum-Chamäleon Oak. Diese beiden wur-<br />
den für die Fernsehserie ganz neu<br />
eingeführt.<br />
Das Phänomen „Captain Future"<br />
fand in den frühen 80er Jahren<br />
allerdings<br />
nicht<br />
nur im Nachmittagsprogramm<br />
des Fernsehens statt,<br />
es war vielmehr ein geradezu allumfassender<br />
medialer Rundumschlag, der den<br />
Kindern und jungen Erwachsenen geboten<br />
wurde. Für die etwas älteren Fans war die<br />
Taschenbuch-Reihe gedacht, die zwischen<br />
1981 und 1984 im Bastei-Verlag erschien, lei-<br />
der wurden damals nur 15 der ursprünglich 17<br />
Originalromane veröffentlicht, ein Versäumnis,<br />
das der Golkonda-Verlag zwischenzeitlich<br />
behoben hat.<br />
Wesentlich erfolgreicher als die Taschenbücher er<br />
waren allerdings die Comics. Ebenfalls<br />
der Bastei-Verlag veröffentlichte zwischen<br />
1980 und 1983 insgesamt 80<br />
Hefte der Eigenproduktion „Captain<br />
Future". Heute, rund 30 Jahre nach der<br />
Erstveröffentlichung, sind vor allem die frühen<br />
Nummern in sehr guter Erhaltung hochgehan-<br />
delte Sammlerstücke. Weniger bekannt ist, dass s<br />
bei Bastei auch 18 „Captain Future"-Comic--<br />
Taschenbücher erschienen. Leider legte man<br />
bei Bastei damals wenig Wert auf Qualität und<br />
produzierte nur möglichst schnell und billig,<br />
was zur Folge hatte, dass die Comics in keiner Weise<br />
an die Qualität der Fernsehserie heranreichten und sich<br />
schon bald nach Auslaufen der Serie im Fernsehen<br />
Absatzschwierigkeiten einstellten. Darum ist es umso<br />
erstaunlicher, dass 80 Hefte produziert wurden. Es<br />
gab aber noch eine ganze Anzahl weiterer, die Serie<br />
begleitender Merchandising-Artikel. Bei ASS erschienen enen<br />
ein „Captain Future"-Brettspiel und ein Quartett. tt. Der<br />
für seine Sammelbilder bekannte Panini-Verlag hatte<br />
ein Klebebilderalbum im Angebot. Von Sammlern<br />
ganz besonders gesucht sind die Hörspiele, welche<br />
Polydor 1980 und 1981 veröffentlichte. Es gibt sie als<br />
Hörspielkassette und als Langspielplatte.<br />
Am begehrtesten auf dem Sammlermarkt dürf-<br />
ten heute jedoch die verschiedenen Spielsachen<br />
sein, die begleitend zur Serie produziert wurden. Die<br />
Hauptakteure gab es einerseits als Hartgummifiguren<br />
mit eingeschränkter Beweglichkeit. Und da es<br />
kein passendes Raumschiff gab, kann auch der<br />
Spielwert nur als sehr begrenzt bezeichnet werden.<br />
Ganz anders sieht es dagegen bei den beweg-eglichen<br />
Spielfiguren von Popy aus, die zwar spar-<br />
sam bemalt waren, aber zusammen mit dem äußerst<br />
gelungenen Modell des<br />
Raumschiffs Cosmoliner für<br />
stundenlangen Spielspaß<br />
sorgten. Aus Hongkong-ong-<br />
noch<br />
Produktion gab es weitere „Captain Future"-ure"-<br />
Figuren, die deutlich besser<br />
als die Spielzeuge von Popy<br />
gestaltet waren.<br />
Joan<br />
Randall<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 43
Ein Westmann wird 50<br />
Das erste Mal, dass<br />
die Leser einen Blick auf<br />
ihn werfen konnten, war am 31.<br />
Oktober 1963, im untersten Panel der<br />
Seite eins: Frech und siegesgewiss grinste<br />
er aus dem Bild. Das war Blueberrys erste<br />
Nahaufnahme", übersetzt man die Filmsprache<br />
"<br />
in die Bildsprache der Comics. Unser neuer<br />
Held hat seinen ersten Auftritt am Spieltisch<br />
(wie übrigens im Kino kurz davor auch James<br />
Bond). Augenblick, Gentlemen", spricht er<br />
"<br />
via Sprechblase, ich muss euch leider<br />
"<br />
enttäuschen." Und hält triumphierend<br />
seine Pokerhand hoch:<br />
einen Flush.<br />
Unnötig zu erwähnen, dass das bisher friedliche Pokerspiel dadurch<br />
in die typische Saloon-Schlägerei<br />
ausartet. Und schon auf Seite<br />
zwei übersteht dieser Blueberry seine<br />
erste Schießerei, seiner Schnelligkeit mit<br />
dem Sechsschüsser sei gedankt. Gedruckt<br />
war dieses erste Abenteuer „Fort Navajo"<br />
als Fortsetzungscomic im französischen<br />
Magazin „Pilote", das schon<br />
Geburtshelfer für Figuren wie „Asterix"<br />
und „Gaston" war. Nun feiert „Leutnant t<br />
Blueberry" seinen 50. Geburtstag. Bei<br />
seinem gefährlichen Lebensstil hätte man<br />
ihm das nicht zugetraut. Seine Eltern,<br />
Zeichner Jean Giraud (1938–2012) und<br />
Texter Jean-Michel Charlier (1924–1989) hat er bereits<br />
überlebt. Doch das Raubein reitet immer noch.<br />
Eine Familie von Comic-Göttern<br />
René Goscinny, Texter von „Lucky Luke" und „Asterix",<br />
und Jean-Michel Charlier, bereits durch die Piloten-Serie<br />
„Buck Danny" (siehe auch Story in <strong>kult</strong> Nr. 8) zu Ruhm<br />
gekommen, hatten „Pilote" 1959 gegründet und waren<br />
sich einig: Ihr Magazin könnte einen harten Western vertragen.<br />
Sie wandten sich an einen alten Weggefährten, den<br />
großen Comic-Maestro Joseph Gillain, Jijé genannt (1914–<br />
1980). Der galt mit seinem Westernhelden „Jerry Spring"<br />
als Wegbereiter er<br />
der franko-belgischen Westerntradition.<br />
Vor Jerry Spring hatte es im europäischen Comic keine halbwegs realistische<br />
Annäherung an das Genre gegeben. Doch<br />
der chronisch überbeschäftigte Jijé lehnte ab.<br />
Allerdings kam es nur dank seiner Vermittlung<br />
überhaupt zum Dreamteam der Blueberry-<br />
Kreatoren. Jijé verwies Charlier nämlich an<br />
seinen Assistenten: Jean Giraud, der seine<br />
Zeichnungen mit „Gir" signierte. Nun war dieser<br />
Gir noch ein im wahrsten Sinne unbeschriebenes<br />
Blatt. Doch „Blueberry" zu zeichnen, war<br />
für ihn das Ticket zum Weltruhm. Auch unter<br />
dem Pseudonym „Moebius" sollte Gir zum<br />
stilbildenden französischen Comic-Zeichner per<br />
se werden.<br />
Blueberry: ein Antikonformist<br />
Früh stand fest, dieser Blueberry sollte ein raubeiniger,<br />
grobschlächtiger Charakter sein, ein Anti-Held eigentlich,<br />
der sich jeder Autorität verweigert, der es auch im<br />
Gegensatz zum stereotypen Helden nie darauf anlegt,<br />
Gerechtigkeit herzustellen, sondern der sich vor allem um<br />
seine eigenen Angelegenheiten kümmert. Ungekämmt,<br />
unrasiert, ständig pleite, mit breitgeschlagener Nase,<br />
und zum Ärger aller im Fort schlecht Trompete blasend.<br />
Ein Antikonformist und Zyniker, wie ihn die Comic-<br />
Szene zumindest im Western noch nicht erlebt hatte.<br />
Als Blueberry die deutschen Kioske erreichte, ritten da<br />
noch immer die herausgeputzten Westernhelden des<br />
Seite 44 ■ GoodTimes 1/2014
Bastei-Verlags. Wäre man je auf die Idee gekommen,<br />
den braven Andy Cayoon mit der blonden Haartolle aus<br />
„Bessy" gegen Blueberry antreten zu lassen, es wäre<br />
bestimmt unschön für den netten Andy ausgegangen.<br />
Wanderer zwischen den Zeiten<br />
Seine Väter einigten sich auf den Namen Blueberry und<br />
nahmen sich das Aussehen Belmondos zum Vorbild,<br />
„der damals für die Jungs<br />
in meinem Alter eine<br />
Art Symbol war", erinnerte<br />
sich Giraud, und<br />
Blueberry sollte dieselbe<br />
Leck-mich-Haltung<br />
an<br />
den Tag legen. Die zweidimensionale<br />
Comic-Figur spiegelte<br />
den Zeitgeist. Tobte in der<br />
realen Welt der Vietnamkrieg,<br />
sah Blueberry sich im Westen<br />
von den vorgesetzten Militärs<br />
verraten. Als Leutnant war<br />
er für seine Vorgesetzten im<br />
Fort Navajo ohnehin hi<br />
nur tragbar, weil er als einziger mit<br />
den Rothäuten konnte. Oft genug hat man seine Nähe<br />
zu den Ureinwohnern ausgenutzt, einen Friedensvertrag<br />
einzufädeln, den die Säbelrassler dann prompt brachen.<br />
Charlier schlug sich verhältnismäßig früh auf die Seite<br />
des Spätwestern, als historische Figuren wie<br />
General Custer oder Wyatt Earp schon nicht mehr<br />
zu Legenden verklärt, sondern als fehlerhafte<br />
Menschen enttarnt wurden.<br />
Die Evolution eines Stils<br />
Gir gelangte mit Blueberry zur zeichnerischen n<br />
Reife. Präzise Strichführung, die dennoch locker,<br />
nie verkrampft wirkt, zeichnete Giraud aus. Mit der<br />
Zeit wurden seine Pinsel sensibler, die Panoramen n<br />
kraftvoller, die Prügeleien härter. Der experimentierfreudige<br />
Giraud gestattete eine zunehmend<br />
expressionistischere Kolorierung, immer öfter fand<br />
Blueberry sich in einem wahren Farbenrausch<br />
wieder.<br />
Der frühere Lehrling von Jijé überflügelte bald den<br />
Meister. Jijé war sich nicht zu schade, das einzugestehen:<br />
„Einmal musste ich für Giraud einspringen,<br />
während er verreist war. Ich lieferte 20 Blueberry-Seiten<br />
und muss gestehen, dass ich dabei eine Menge gelernt<br />
habe." Gleichzeitig dachte sich Szenarist Charlier immer<br />
verschachteltere Plots aus, nicht mehr in einem Album<br />
abgeschlossen, sondern ganze Zyklen über mehrere<br />
Nummern einnehmend. Literarischer Anspruch wurde<br />
erhoben, Charlier zog seine Sprechtexte über ganze<br />
Panels. Blueberrys Welt wurde zunehmend komplexer.<br />
Ihm stellten sie Aufgaben, die selbst er nicht mehr einfach<br />
mit einem Schuss aus der Hüfte lösen konnte.<br />
Charlier: „Der Comic ist von seinen Stilmitteln und<br />
dem Seriencharter her ein Unterhaltungsroman."<br />
Wie im Western-Kintopp<br />
Blueberry stand dem Kino stets nahe. Die ersten<br />
Abenteuer des Kavalleristen lehnten sich stark an die<br />
Kavallerie-Trilogie von John Ford an, der Band „Der<br />
Sheriff" leiht sich die Handlung von „Rio Bravo".<br />
Charlier/Giraud sprachen eine filmische Sprache,<br />
etwa mit „Regietricks" wie der Stimme aus dem<br />
„Nichts", aus dem „Off", die jemanden erschreckt, bis<br />
erst im nächsten Bild (also nach einem „Filmschnitt")<br />
aufgeklärt wird, um wen es sich da handelt. Auch<br />
dem klassischen Cliffhanger blieben sie verpflichtet, indem das letzte<br />
t<br />
Bild der rechten Seite die Spannung auf die Höhe treibt,<br />
bevor umgeblättert wird. Tatsächlich wirkten Blueberrys<br />
Taten stets so filmisch, dass man sich wundern kann,<br />
warum erst 2004 eine Filmadaption in Angriff genommen<br />
wurde, ein französischer<br />
Western, gedreht<br />
in Spanien und glücklicherweise<br />
schnell in<br />
Vergessenheit geraten.<br />
Vincent Cassel mimte<br />
den Blueberry. Man<br />
hätte sich den frühen<br />
Belmondo gewünscht.<br />
Blueberry<br />
hat<br />
nicht nur diese<br />
unglückliche Verfilmung<br />
überlebt,<br />
sondern auch die Untiefen des Verlagswesens.<br />
Mehrmals war „Leutnant Blueberry" Gegenstand<br />
von Gerichtsverhandlungen. Auch in Deutschland<br />
wurde die Serie durch verschiedene Verlage gereicht.<br />
Sein deutsches Debüt feierte der Leutnant mit<br />
der schlechten Moral 1968 im „MV-Comix". Dann<br />
führte „Zack" die Serie ab 1972 fort. Erstmals brach-<br />
te<br />
dann der Koralle-Verlag die Albenreihe heraus,<br />
beginnend 1978 mit „Der Einsame Adler". Wobei die<br />
Leser jedoch nicht beim ersten Abenteuer einsteigen<br />
konnten, sondern mitten in einem Zyklus, der sich über mehrere<br />
Bände hinzog. Um das Chaos perfekt zu machen, führte<br />
der Delta Verlag ein Jahr darauf die Serie fort, indem er eine<br />
neue Reihe unter dem Namen „Edelwestern" lancierte. All diese<br />
Nummerierungen wirkten eher, als ob Blueberry seine Spuren<br />
verwischen wollte. Erst seit 1989 bringt der Ehapa-Verlag<br />
Ordnung ins Universum, indem er die Reihe in der Werkedition<br />
„Die Blueberry Chroniken" herausgibt.<br />
Waisenkind mit neuen Eltern<br />
Als Charlier 1989 überraschend in die ewigen Jagdgründe<br />
abberufen wurde, war der nächste Band „Arizona Love" erst<br />
bis Seite 22 gediehen. Zeichner Gir musste selbst in die Tasten<br />
greifen, um es zu Ende zu bringen, allerdings nicht ohne<br />
sich mit den Erben Charliers einen juristischen Showdown<br />
zu liefern. Nun ist 2012 auch der große Giraud von<br />
der Bühne abgetreten. Andere erstklassige Zeichner wie<br />
Colin Wilson, William<br />
Vance und Michel Blanc<br />
Dumont führen die Serie<br />
weiter, haben dazu teilweise<br />
sogar ihre eigenen<br />
Comic-Figuren<br />
aufgegeben, um an<br />
Blueberrys Legende weiterzustricken.<br />
Es wartet<br />
Band 50 auf seine<br />
Veröffentlichung. Doch<br />
noch etwas hebt Charlier/<br />
Giraud von anderen Comic-<br />
Eltern ab: Wo Tim und<br />
Struppi alterslos bleiben und Gaston nie einen Tag älter wird,<br />
da weist Blueberry, schließlich im Jahre 1888 am historischen<br />
O.K. Corral angekommen, nicht nur graue Schläfen auf, sondern<br />
auch mannigfaltige Verschleißerscheinungen. Doch auch<br />
als gealterter Mann ist er kein Deut weniger zynisch. Noch<br />
immer versucht er vergeblich, sich jeglichem Ärger fernzuhalten,<br />
keinesfalls freiwillig einzuschreiten. Bis er schließlich dem<br />
Genre-Gesetz folgend und aufs Neue losziehen muss, einmal<br />
mehr das Böse zu besiegen. Seine Anhänger, selbst in die<br />
Jahre gekommen, danken es ihm.<br />
Roland Schäfli<br />
Abb.: © Dargaud by Charlier, Giraud<br />
A<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 45<br />
<strong>kult</strong>_S_44_45_Blueberry.indd 45 08.10.13 11:16
Salmei, Dalmei,<br />
Adomei<br />
Glühbirnen sind kleine Flaschen, die das<br />
Sonnenlicht mit dem „Elektriktrick" einfangen,<br />
und bei einem Telefon handelt es sich um<br />
einen „sprechenden Zauberknochen". Diese<br />
und viele andere Erklärungen verwirrender<br />
Dinge sind es, die die „Catweazle"-<br />
Serie Anfang der 70er Jahre Kultstatus<br />
erlangen ließen.<br />
Von Oliver Schuh<br />
Bayldon entwickelte mit Hilfe seines rauen Yorkshire-Dialektes eine<br />
ganz eigene Interpretation der alten englischen Sprache. Die Reaktion<br />
darauf in England war formidabel. Etwas unglücklich an der deutschen<br />
Synchronisation ist sicher die leichte, vermutlich gedankenlose Anlehnung<br />
an einen schnauzbärtigen Teufel der deutschen Geschichte. Das Beispiel<br />
eines Catweazle-Zitates: „Morrgen frrüh, da will ich neue Hexenkunst<br />
errlerrnen."<br />
Auch im wahren Leben war der Schauspieler ein absoluter Technikfeind.<br />
Später einmal auf CDs, Computer und Mobiltelefone angesprochen, entgegnete<br />
er, dass er deren Funktionsweise überhaupt nicht verstehe und es<br />
wie Catweazle vorziehe, in das 11. Jahrhundert zurückzukehren und sich<br />
den Normannen zu stellen. Diesen Gegner hätte er nach eigener Aussage<br />
leichter bezwingen können.<br />
Geoffrey Bayldon, 1928 geboren und bei Entstehung dieser Zeilen<br />
immer noch gut zu Fuß, ist und war ein Bühnenschauspieler par<br />
excellence. Doch wer genau hinsieht, erkennt ihn zudem in diversen<br />
TV- und Kino-Produktionen. Er wirkte mit bei „Mit Schirm, Charme und<br />
Melone", „Geheimauftrag für John Drake" („Danger Man") sowie „Simon<br />
Durch den Zauberspruch „Salmei, Dalmei, Adomei" wird ein schrulliger,<br />
verwahrloster und zerzauster angelsächsischer Zauberer auf der<br />
Flucht vor den ins Land einfallenden Normannen aus dem Jahr 1066 in<br />
das England des Jahres 1970 katapultiert. Hier lernt er den Farmersohn<br />
Harold Bennet kennen, der ihm hilft, die Tücken der Technik in der<br />
modernen Welt zu ver- und zu überstehen. „Heule nicht auf, du magischer<br />
Kriegswagen", ist das erste, was der Zauberer zu einem Traktor sagt.<br />
Und als Harold das Licht im Schuppen anmacht, sinkt Catweazle vor ihm<br />
auf die Knie und spricht in den Staub: „Meister der magischen Kräfte,<br />
lass mich dir dienen."<br />
13 Folgen lang begeisterte die erste Staffel Zuschauer in diversen<br />
Ländern und verlangte umgehend nach einer Fortsetzung. Die London<br />
Weekend Television ließ sich nicht lange bitten und Catweazle einen<br />
weiteren Zeitsprung machen, dieses Mal auf den Landsitz der kurz vor der<br />
Pleite stehenden Adelsfamilie Collingford und ihres Sohnes Lord Cedric,<br />
der gerade seine Internatsferien in dieser langweiligen Umgebung antritt.<br />
Zusammen mit dem zwölfjährigen „Eulengesicht" (Cedric sieht aus wie<br />
ein vorweggenommener Harry Potter) findet Catweazle einen verborge-<br />
nen Schatz, der den Fortbestand des Schlosses se<br />
s sichert. Dabei macht er<br />
unangenehme Erfahrungen mit Wasserhähnen, Fernsehern, Zahnpasta<br />
etc. Das Chaos ist programmiert.<br />
Der sich ständig wiederholende Kulturschock, dem der stets neugierige<br />
und staunende Catweazle – begleitet von seiner Kröte Kylwalda<br />
–<br />
immer wieder ausgesetzt ist, machte den unerwarteten Erfolg dieser<br />
Serie aus. Drehbuchautor Richard Carpenter schrieb dem an sich klassischen<br />
Theaterschauspieler Geoffrey Bayldon diese begnadete Rolle auf<br />
den Leib. Beide kannten sich von der Bristol Old Vic Theatre School,<br />
1947 gegründet von Sir Laurence Olivier, der Bayldon frühzeitig mit<br />
dem Shakespeare-Virus angesteckt hatte. Aber als dieser das Angebot<br />
von Carpenter erhielt, ließ er in 26 Folgen regelrecht die Sau raus.<br />
Templar", und in der<br />
grandiosen 1967er „James Bond"-Parodie o „Casino<br />
Royale" spielte er den Waffenmeister. Bei Interesse sollte man auch noch<br />
mal bei „Born To Boogie" reinschauen: Regisseur<br />
Ringo Starr hat Bayldon hier als Kellner besetzt. Marc<br />
Bolan und die Beatles waren nämlich Catweazle-Fans.<br />
Bayldon erinnert sich gerne an einen gemeinsamen<br />
Auftritt mit dem „äußerst sympathischen und<br />
zuvorkommenden Mr. Bolan. Wir saßen in dieser<br />
Limousine auf weißen Ledersitzen, und als wir ausstiegen,<br />
kreischten alle möglichen Fans, und Bolan rief:<br />
‚Ja, ja, Leute, ich bin es, Marc Bolan, aber das hier ist<br />
Catweazle!’"<br />
Geoffrey ey Bayldon<br />
Seite 46 ■ GoodTimes 1/2014<br />
<strong>kult</strong>_S_46_Catweazle.indd 46 07.10.13 10:06
<strong>kult</strong>!
<strong>kult</strong>!<br />
The Who<br />
© Pressefoto Polydor/Terry O‘Neil
Von Andreas Kötter<br />
Es war zu einer Zeit, als Wellness noch nicht erfunden<br />
war. Sogenannte Wohlfühl-Getränke, bei denen<br />
Geschmacksrichtungen wie Weißtee und Birne längst<br />
zur Normalität gehören und die in immer wilderen<br />
Mixturen wie Black Tea, Ginseng, Peach, Acai in den<br />
Regalen der Supermärkte auftauchen, existierten damals<br />
noch nicht einmal in der Fantasie der Marketing-<br />
Strategen. Kurzum: Es war die Zeit, als Sunkist" " (nicht nur) für alle kleinen Indianer der ganz<br />
große Durstlöscher war.<br />
Sunkist" war ein eigenartiger Name. Gedanken, n, was es damit<br />
„ wohl auf sich haben könnte, machte ich mir gegen e Ende<br />
der 60er Jahre aber nicht. Erst viele Jahre später sollte<br />
ich erfahren, dass „Sunkist" eine Verkürzung von „Sun-<br />
Kissed" darstellte, was soviel heißt wie „von der Sonne<br />
geküsst". Und von einer höheren Macht auserwählt<br />
schienen mir die Orangen damals wirklich, die<br />
schnöden Apfelsinensaft wie von Zauberhand<br />
in das köstliche „Sunkist" verwandelten.<br />
Tatsächlich aber war die Sache weit weniger geheimnisvoll. Bereits<br />
Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich in Kalifornien und Arizona<br />
Zitrus-Farmer zu einer Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen,<br />
um bessere Preise erzielen zu können. Später begann man, selbst Säfte<br />
zu produzieren, und schließlich gelangte die „Sunkist"-Lizenz auch<br />
nach Deutschland, wo die Hamburger Rickertsen Getränke Vertrieb<br />
Gmbh & Co. KG alsbald ihr eigenes Fruchtsüppchen kochte.<br />
Das alles aber konnte ich damals natürlich noch nicht wissen.<br />
Und wahrscheinlich hätte es mich auch gar nicht interessiert. Denn<br />
das, was ich zu wissen glaubte, reichte mir völlig aus. War mir dieses<br />
fruchtig-süße Orangen-Saftgetränk in der eigenwilligen, pyramidenförmigen<br />
Verpackung doch weit mehr als nur ein köstlicher Durstlöscher.<br />
„Sunkist" war für mich beinahe schon ein Versprechen. Ein Versprechen<br />
darauf, dass im Leben alles möglich sein müsste, wenn doch schon in<br />
einer solch kleinen Papppackung so viel pralle Exotik stecken konnte.<br />
Und im Gegensatz zu den zuckerwässrigen Limonaden der Zeit war<br />
„Sunkist" auch den Müttern der ideale Nektar für ihren Nachwuchs.<br />
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass kein Kurzausflug in<br />
den Zoo oder ins Phantasialand und schon gar keine längere<br />
Bahnreise ohne zwei, drei „Sunkist" im Gepäck angetreten n<br />
wurde.<br />
Als mit Zitrone und Kirsch schon bald<br />
zwei weitere<br />
Geschmacksrichtungen folgten und<br />
so auch für frisch-fruchtige Abwechslung gesorgt war,<br />
schien mir und meinen Freunden „Sunkist" endgül-<br />
tig unersetzlich. Kein Wunder also, dass Rickertsen<br />
mit diesem Pfund wucherte: „Überall auf der Welt löschen Kinder den<br />
Durst am liebsten mit ,Sunkist'", lautete der Text zu einer Werbeanzeige<br />
in „Die tollsten Geschichten von Donald Duck". Gezeigt wurden drei<br />
Jungen, deren Physiognomie deutlich verriet, dass sie ganz offensichtlich<br />
aus den verschiedensten Teilen der Welt stammten, die sich aber<br />
schon deshalb zu verstehen schienen, weil „Sunkist" ihnen ein köstliches<br />
Gemeinschaftserlebnis bescherte.<br />
Gelebte Völkerverständigung hier, frühe Markenbindung dort:<br />
Mit einem Malwettbewerb forderte man alle „ABC-Schützen und<br />
Puppenmütter, Cowboys und Sheriffs, Häuptlinge und Astronauten – alle<br />
Kinder bis 15 Jahre!" auf, „mit Buntstiften, mit Tusche, mit Bleistiften" ein<br />
„Sunkist"-Bild zu malen, das zeigen sollte, wo Häuptlinge, Puppenmütter<br />
und Co. „Sunkist" in der Dreieckstüte am liebsten tranken. Vielleicht in<br />
der Schulpause? Oder am Strand? Oder ... oder ... oder? Der Erfolg von<br />
„Sunkist" schien für kurze Zeit unaufhaltsam.<br />
Und doch erkaltete irgendwann auch diese Liebe. Vielleicht<br />
schon, als man sich 1977 entschied, mit einem quaderförmigen<br />
Pack<br />
eine zweite Verpackungsform einzuführen. Spätestens<br />
aber, als dieser Quaderpack das Dreieck in den frühen 80ern<br />
endgültig ablöste. „Sunkist" hatte sein Alleinstellungsmerkmal<br />
verloren. Ein Alleinstellungsmerkmal, das „Sunkist" in meiner<br />
kleinen Welt nicht nur zu (m)einer Marke, sondern zu einem<br />
Gattungsbegriff für Fruchtsaft per se gemacht hatte. Ähnlich<br />
wie es „Tempo" für Papiertaschentücher oder „Nivea" für<br />
Handcreme bis heute sind. Ohne das Dreieck war „Sunkist" nur<br />
noch ein Fruchtgetränk unter vielen. Und ich hatte ohnehin<br />
längst andere reizvolle „Säfte" entdeckt. Die Zeit von „Sunkist"<br />
war endgültig vorbei.<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 55
TV-Serien der<br />
80 e r<br />
Teil 3<br />
Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Fernsehen mit Suchtgefahr<br />
Popper, Punks, Yuppies, Reagan und Kohl, Atari<br />
und der Apple-Würfel, Tschernobyl-Katastrophe und<br />
Challenger-Explosion, die Ermordung von John Lennon<br />
und der Fall der Berliner Mauer. Abgesehen von<br />
den Ereignissen in Politik, Wirtschaft und Kultur<br />
gelten die 80er Jahre allgemein als das Jahrzehnt<br />
des schlechten Geschmacks. Kein Wunder: schlimme<br />
Frisuren wie der Vokuhila-Schnitt, grelle Farben,<br />
Mode und Accessoires, die Augenkrebs verursachen,<br />
ziemlich viel schrecklich belanglose Musik. Aber wo<br />
Licht ist, da ist halt auch Schatten, und die 80er sind<br />
vor allem in puncto Fernsehen viel besser als ihr Ruf.<br />
Intelligenter fernsehen dank<br />
Helmut Dietl<br />
1<br />
984 gehen die ersten privaten Fernsehsender an den Start: Am 1.<br />
Januar Sat.1, damals noch als Programmgesellschaft für Kabelund<br />
Satellitenrundfunk, und einen Tag später RTL plus. Die<br />
Vorherrschaft der öffentlich-rechtlichen Anstalten ist Vergangenheit.<br />
Das Geschmacksdiktat<br />
von gebührengestütztem<br />
Fernsehen gerät in<br />
Gefahr. Hugo Egon Balder<br />
verteilt Länderpunkte<br />
für nackte Titten. Alle<br />
Sündenfälle angloamerikanischen<br />
Bezahlfernsehens<br />
werden lizenziert und in<br />
Hugo Egon Balder verteilt bei Tutti Frutti"<br />
Deutschland als absolute<br />
"<br />
Länderpunkte – wofür eigentlich?<br />
Neuheit verkauft. Tägliche<br />
Gameshows wie das „Glücksrad" (ursprünglich: „Wheel Of Fortune")<br />
schaffen den Rahmen für Werbe-Inseln. Aufgeschreckte Moralwächter<br />
sehen den Niedergang des Abendlandes kommen, aber Dr. Thoma,<br />
damals uneingeschränkter Alleinherrscher bei RTL, macht Kritiker mit<br />
typisch österreichischem Schmäh mundtot. „Der Köder muss dem Fisch<br />
schmecken", lässt er verlauten, „nicht dem Angler." Oder: „In seichtem<br />
Wasser kann man nicht ertrinken." Wohl wahr. Dass es noch viel<br />
schlimmer kommen kann, als selbst übellaunigste Bedenkenträger sich<br />
damals vorstellen konnten, ist heute Gewissheit. „Dschungelcamp",<br />
„Bauer sucht Frau", „Promi Big Brother" – damals in den 80ern wurde<br />
der Grundstein für das Prekariatsfernsehen heutiger Prägung gelegt.<br />
Aber, klar, mit dem Abstand von fast 30 Jahren kann man gut klugscheißen.<br />
Seinerzeit sah es nach Öffnung, nach Demokratisierung des Mediums<br />
aus, die Claims wurden neu abgesteckt, das Bärenfell neu verteilt. Aber<br />
wer ein Hirn hatte, begriff<br />
schon damals: Das wird<br />
nicht besser! Im Gegenteil.<br />
Fernsehen wurde eine<br />
saulangweilige, saublöde<br />
Sache, vor allem dann, als<br />
die Öffentlich-Rechtlichen<br />
aufgrund von Quotendruck<br />
anfingen, den Blödsinn<br />
der Privaten zu imitieren.<br />
Gameshows, Flirtshows,<br />
Datingshows, Kuppelshows, Talkshows ... es war zum Fremdschämen<br />
schlimm. Seifenoper anders gab’s ab dem 8. Dezember 1985<br />
dann vom öffentlich-rechtlichen WDR: Hans Wilhelm Geißendörfer,<br />
Regisseur, Autor und Produzent, lancierte nach dem Vorbild der britischen<br />
Dauerbrenner-Sendung „Coronation Street" eine Seifenoper<br />
namens „Lindenstraße", die wöchentlich läuft und größer wurde<br />
als das Leben selbst. Die Figur der dauerbesorgten „Mutter Beimer"<br />
zum Beispiel machte aus<br />
Marie-Luise Marjan einen<br />
Star. Der Bezug zu aktuellen<br />
gesellschaftlichen<br />
Themen – homosexuelles<br />
Coming Out, Drogenkonsum und Cannabis-Freigabe, i b Stalking,<br />
Tierrechte, Vegetarismus, Arbeitslosigkeit, Integrationsproblematik –<br />
war gesetzt, und die Einarbeitung zeitgenössischer Ereignisse gelang<br />
ein ums andere Mal. Für die einen ist der sonntägliche Blick in die<br />
Lindenstraße um 18:50 Uhr Kult, ich zappe – mit allem Respekt vor<br />
dieser Soap – weiter, sobald ich die Erkennungsmelodie höre.<br />
Ein Fernsehereignis der ganz besonderen Art kam 1986 auf den<br />
Bildschirm – die sechsteilige, vom Kölner WDR produzierte, in München<br />
spielende Miniserie „Kir Royal (Aus dem Leben eines Klatschreporters)".<br />
Mit dieser hochkarätig besetzten, höchst amüsanten Persiflage auf die<br />
Seite 56 ■ GoodTimes 1/2014
Bussi-Gesellschaft der Isar-Metropole etablierte sich Regisseur und<br />
Autor Helmut Dietl endgültig als einer der intelligentesten Chronisten<br />
bundesdeutscher Wirklichkeit. Die Figuren, die Dietl zusammen mit seinen<br />
Unruh (Ruth-Maria Kubitschek). Als Dame von Welt hält sie eigentlich<br />
wenig bis nichts von Babys Klatschgeschichten, aber wenn’s Auflage<br />
macht, dann sei’s s halt drum, und außerdem, dem virilen Charme des<br />
Autoren Patrick Süskind („Das<br />
Schimmerlos kann auch sie sich nur schwer ent-<br />
Wo Baby ist, ist Party und was nettes Blondes<br />
Parfum") und Kurt Raab (Folge 4)<br />
ziehen. In einer denkwürdigen Szene zeigt sie, auf<br />
entwickelte, waren komödiantisch<br />
zwar krass überzeichnet, aber dann<br />
wieder so lebensnah inszeniert, dass<br />
man aus dem Lachen nicht mehr<br />
herauskam. Fans von „Kir Royal"<br />
können ganze Textpassagen des<br />
großkotzigen Industriellen Heinrich<br />
Haffenloher – wunderbar prollig<br />
gespielt von Mario Adorf – Wort für<br />
Wort nachsprechen. Berühmtester<br />
One-Liner des geltungs- und promisüchtigen<br />
Generaldirektors: „Ich scheiß' dich sowas von zu mit meinem<br />
dem Tisch stehend, den Rock sehr hoch ziehend<br />
und ihre Beine entblößend, wie ein Phlebologe ihre<br />
Krampfadern veröden wird. Die Rache der versammelten<br />
Baby-Frauen kommt – seine vernachlässigte<br />
Mutter stirbt bei dem Versuch, einen TV-Auftritt<br />
ihres Sohnes mit dem VHS-Rekorder aufzuzeichnen<br />
(zum Heulen traurig!), Mona verlässt den Hallodri<br />
und wird, gegen seinen Willen, Schlagersängerin;<br />
die Verlegerin kündigt ihm in Abwesenheit.<br />
Aber der Reihe nach. „Kir Royal" ist, was Architektur,<br />
Inhalt und Inszenierung angeht, genau jene<br />
Mischung, die großes Kino ausmacht und große Gefühle auslöst. Die<br />
Geld." Gleich die erste Folge vom 22. September 1986 setzt den Ton Geschichten sind bekloppt genug, um nicht vorhersagbar, und lebenswirklich<br />
genug, um wahr zu sein. Heißt: Die Spannung bleibt erhalten.<br />
für das großartige,<br />
Preiswürdig:<br />
später mit dem Die Storys haben Gewicht. Sie haben etwas mit unserem Leben, mit<br />
Billie Zöckler als<br />
Babys großäugige<br />
Grimme-Preis<br />
in deutscher Wirklichkeit, mit dem Geist der Zeit zu tun. Der Klebstoff-<br />
Sekretärin Edda<br />
Gold ausgezeich-<br />
Millionär mit Faible für die Münchner Schickeria; die aufopfernde Mutter,<br />
Pfaff<br />
nete Dietl-Oeuvre.<br />
die einem auf die Nerven geht, aber dann unter so tragisch-traurigen<br />
Umständen stirbt,<br />
Dreamteam: Senta Berger als Mona,<br />
dass es einen<br />
Franz-Xaver Kroetz als Baby und Dieter<br />
rührt; die wütende,<br />
mit einem<br />
Hildebrandt als Fotograf Herbie<br />
Messer<br />
bewaffnete<br />
Geliebte,<br />
die mit dem<br />
Vorsatz,<br />
ihren<br />
untreuen<br />
Lover<br />
zu lynchen, einen<br />
Filmempfang<br />
besucht und es<br />
dann doch nicht<br />
fertigbringt, den<br />
Allein die Konstellation ti der Hauptfiguren ist it ein<br />
Geniestreich. Da ist der rastlose, großspurige, immer<br />
heulenden Sohn,<br />
der gerade die<br />
auch etwas einsam wirkende Baby Schimmerlos,<br />
Nachricht<br />
vom<br />
Klatschreporter der „Münchner Allgemeinen<br />
Tageszeitung" (Matz), ein Mann aus kleinen Verhältnissen, den die<br />
Großkopferten jetzt hofieren, weil sie in seiner Kolumne auftauchen<br />
Tod seiner Mutter<br />
erhalten hat, zu erstechen – das alles ist hochverdichtete h Satire, die<br />
leicht daherkommt und doch die richtig schweren Themen im Gepäck<br />
möchten.<br />
hat. Dietl, wohl<br />
Arme Mona –<br />
Franz-Xaver<br />
sie hatte unter ihrem Baby zu leiden<br />
auch ein tiefer,<br />
Kroetz gibt dieser,<br />
trauriger<br />
Mann,<br />
dem ein-<br />
ist ein Meister<br />
zigen<br />
wahren<br />
dieses Genres. Er<br />
Michael Graeter<br />
nachempfun-<br />
serviert locker mit<br />
links, was man<br />
denen<br />
Figur<br />
kaum mit beiden<br />
den<br />
granteligen<br />
Händen zu<br />
Ton, das<br />
Striezi-hafte,<br />
aber auch das<br />
packen bekommt<br />
–<br />
das Bittere, die<br />
Peinlichkeit, das<br />
Bodenständige.<br />
Ungerechte des<br />
Baby fährt Porsche, Geld ist immer Mangelware, und so richtig<br />
nett zu seiner herzkranken, überfürsorglichen Mutter ist er nicht.<br />
Auch seine schöne österreichische Freundin Mona fasst er nicht mit<br />
Glacéhandschuhen an. Er ist nicht treu (wie auch?), mault ständig<br />
rum, und Mona muss ein ums andere Mal als Babys Schmuckstück<br />
herhalten. Senta Berger spielt diese Frau mit so viel hintergründigem,<br />
verletztem, herzzerreißendem Charme, dass man dem Beziehungsrüpel<br />
am liebsten manchmal eine klatschen möcht’. Im Umfeld des rasenden<br />
Reporters: sein ständig quatschender Fotograf Herbie Fried (grandios:<br />
Dieter Hildebrandt), heimlich in Mona verknallt und darum oft wütend<br />
auf seinen Chef; dann die kuhäugige Sekretärin Edda Pfaff (sensationell:<br />
Billie Zöckler), ganz offensichtlich in Baby verschossen und stets<br />
bemüht, dessen Chaos, so gut es geht, zu organisieren. Im Hintergrund,<br />
als ständig präsente Übermutter, die üppige Verlegerin Friederike von<br />
Lebens. All das,<br />
was man nicht so<br />
richtig zu sagen<br />
wagt, aber was<br />
doch unser Dasein<br />
bestimmt. Satire<br />
ist der Ausweg:<br />
Man kann cool<br />
bleiben, unpeinlich,<br />
und doch<br />
alles einbringen,<br />
die Camus’schen<br />
Zweifel, die sisyphoshafte h Verzweiflung, den ganzen Scheiß, der<br />
einem das Lachen so oft im Halse erstickt. Der Klatschreporter und<br />
Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 57<br />
Foto Senta Berger: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © Kir Royal, Davids/Bildarchiv Hallhuber
seine Jagd nach der aktuellen, brisanten, der heißen Story werden<br />
Sinnbild für unser aller Getriebensein, die Not, die uns alle umtreibt,<br />
die Verwerfungen des Medienzeitalters, in dem wir inzwischen mit<br />
NSA-Abhörskandal, sozialen Netzwerken wie Facebook und „Promi Big<br />
Brother" bis Oberkante Unterlippe stecken. Dietl, seit „Monaco Franze"<br />
als Regisseur und Autor gesetzt, wurde mit „Kir Royal" zum Star. Sein<br />
Co-Autor Patrick Süskind, jener weltenscheue Schriftsteller, der keine<br />
Interviews gibt und ungern fotografiert wird, wird durch den 1985 aufgelegten<br />
Roman „Das Parfum" zum Millionenseller. Nach „Kir Royal" –<br />
ein Thema, das der Regisseur Jahre später, mit Benjamin von Stuckrad-<br />
Barre als Co-Autor, in dem zu Unrecht verrissenen Film „Zettl" wieder<br />
aufgreift – wandert Dietl ins Kino ab; er braucht für seine Ideen und die<br />
Riege der Stars, die er schon für „Kir Royal" engagiert hat, mehr Geld.<br />
Die „Kir Royal"-Serie, deren Einschaltquoten bei der Erstausstrahlung<br />
zu wünschen übrigließen, hatte mehr gekostet als normale TV-Ware.<br />
Erst die späte DVD-Auswertung bringt Nachhaltigkeit in den Kult um<br />
Baby Schimmerlos, und diejenigen, die manchmal nicht wissen, was<br />
anfangen mit einem langen Wochenende, sei an dieser Stelle das<br />
2004 erschienene Boxset empfohlen. Es garantiert ein unterhaltsames<br />
Weekend mit „Baby" und all den Stars des deutschen Films, die unter<br />
Dietls Regie brillierten.<br />
" Der Fahnder" , das "<br />
A-Team " und ein<br />
Dauerbrenner namens "<br />
Ein Fall für zwei "<br />
Was tat sich in den 80ern in der Abteilung „Crime"? Eigentlich bot<br />
die Realität die krasseren Fälle als die Drehbuchautoren, aber aus dem<br />
Fundus des Angebots stechen zwei Serien hervor. Na, sagen<br />
wir drei. „Ein Fall für zwei", seit 1981 am Start und 2013<br />
nach der Emission von<br />
Claus Theo Gärtner<br />
(alias Josef Matula)<br />
dazu: „style over substance". Sonnys Ray Ban Wayfarer wurde ebenso<br />
Stil-Accessoire wie sein T-Shirt-Anzug-Look ein Must Have der Saison.<br />
Die Serie beeindruckte auch durch<br />
schnelle Bildmontagen, rasante<br />
Kamerafahrten, Super Slomo, fetzige<br />
Videoclip-Ästhetik und große<br />
Gaststars, von James Brown bis<br />
vorübergehend eingestellt,<br />
Phil Collins, von Frank Zappa bis<br />
zählt zu den<br />
Formaten, die allein<br />
durch ihre Dauer – 300<br />
Folgen, 31 Staffeln –<br />
Miles Davis, von Liam Neeson bis<br />
Bruce Willis. Trotzdem oder gerade<br />
wegen des trendigen Looks und der<br />
ungewöhnlichen Gäste – mit dem<br />
Ehrfurcht einflößen.<br />
Abstand von jetzt 27 Jahren wirkt<br />
Das Gegensatz-Paar<br />
„Miami Vice" ziemlich verstaubt<br />
„Privatdetektiv und<br />
und pomadig.<br />
Rechtsanwalt im Kampf<br />
um Gerechtigkeit"<br />
Etwas affig und nicht ganz ernst-<br />
wollen wir aber hier<br />
nur streifen. Interessanter, t weil spannender inszeniert und<br />
gespielt: „Der Fahnder" mit Klaus Wennemann. Berühmt<br />
zunehmen war für europäische<br />
Augen auch „Das A-Team”, Anfang<br />
der 80er Jahre in den USA eine der<br />
geworden als Leitender Ingenieur, kurz LI, in Wolfgang<br />
erfolgreichsten Serien überhaupt,<br />
Miami Vice"-Vice-Ermittler Crockett und<br />
Petersens Buchheim-Verfilmung „Das Boot", gab der Theatererprobte<br />
Wennemann der Figur des Hannes Faber, Fahnder in<br />
Zuschauern. Der Ausgangsplot<br />
" mit Spitzenquoten von 20 Millionen<br />
Tubbs waren auch modisch Role Models<br />
hatte<br />
einer nicht näher bezeichneten deutschen Stadt, ein unverwechselbares<br />
Profil. Nicht der immer gerechte Übervater, der die durch Verbrecher<br />
gestörte gesellschaftliche Ordnung wieder herstellt, sondern auch als<br />
Ermittler durch und durch Mensch, der es mit den Vorschriften nicht<br />
immer so genau nahm. Seine Freundin Susanne (Barbara Freier) hat eine<br />
Kneipe namens „Treff", Faber fährt einen grünen Ford und läuft meist<br />
in Zivil rum. Zitat zum Erfolg der Vorabend-Krimiserie: „Als ,eigenwilliger<br />
und unverwechselbarer Polizist völlig neuen Typs' erreichte<br />
er dabei im Vorabendprogramm im Ersten Rekordeinschaltquoten."<br />
Die 50-Minuten-Folgen, nach einer Idee von Dominik Graf, setzten –<br />
ähnlich wie die Figur des „Schimanski", der ab 1981 seinen Dienst als<br />
„Tatort"-Kommissar aufnahm und natürlich der Kult-Kommissar per se<br />
ist – neue Maßstäbe<br />
und beförderten einen<br />
Realitätszuwachs in<br />
deutschen Krimis.<br />
Die Herren Ermittler<br />
sprachen wie normale<br />
Menschen (siehe<br />
Schimanski) und<br />
agierten wie normale<br />
Menschen.<br />
Der Fahnder" machte menschliche<br />
"<br />
Bullen salonfähig<br />
Wennemanns nervöse Umtriebigkeit als Fahnder Faber brachte der ARD<br />
an diesem Sendeplatz enorme Zuwächse. Nach 91 Folgen wanderte<br />
Faber mit Freundin nach Irland aus; Dieter Pfaff, bis dahin uniformierter<br />
Polizist, rückte als Otto Schatzschneider auf Platz zwei, neuer<br />
Kommissar wurde Jörg Schüttauf als Thomas Becker. „Der Fahnder"<br />
trug wie Schimanski dazu bei, dass Kriminaler nicht in einer fiktiven<br />
Parallelwelt ermittelten, sondern in einer quasi-dokumentarischen und<br />
dank Dominik Graf auch modern inszenierten TV-Welt. Viele damals<br />
noch junge Talente, von Uwe Ochsenknecht bis Edgar Selge, hatten<br />
beim Fahnder ein Forum.<br />
Nachhaltig Kult ist das, was oft und gern wiederholt wird oder nach<br />
erfolgreicher TV-Auswertung für die Kinoleinwand und einen Langfilm<br />
genutzt wird. Das<br />
gilt unter anderem<br />
für die ab Ende 1986<br />
in Deutschland ausgestrahlte<br />
US-Serie<br />
„Miami Vice". Deren<br />
verdeckte Ermittler,<br />
Don Johnson alias<br />
James „Sonny"<br />
Crockett und Philip<br />
Michael Thomas alias Ricardo „Rico" Tubbs, waren modische Role<br />
Models und wandelnde Product Placements, das kritische Stichwort<br />
ziemlich Comic-hafte Züge: Eine söldnerartige Task-Force-Truppe um<br />
Colonel John „Hannibal” Smith (gespielt von George Peppard) hilft<br />
Menschen, die in Not geraten sind, von Gangstern bedroht werden oder<br />
von der Polizei keinen Schutz erwarten können. Alle vier Hauptfiguren<br />
(zeitweise waren es auch fünf), darauf wurde im ursprünglichen Intro<br />
immer hingewiesen, gehörten einst einer militärischen Spezialeinheit<br />
an. Die vier Männer wurden wegen eines Verbrechens verurteilt, das<br />
sie nicht begangen hatten. „Seitdem werden sie von der Militärpolizei<br />
gejagt, aber sie helfen anderen, die in Not sind ..." Sie sind angesichts<br />
ihrer teils kriegsbedingten Gegensätzlichkeit pures Amerika, loyal, treu,<br />
teambewusst, dem Guten zugeneigt. Bei Licht besehen aber haben die<br />
vier Kriegsveteranen alle einen mächtigen Dachschaden.<br />
Smith trägt seinen Spitznamen in Anlehnung an den karthagischen<br />
Feldherrn. Stratege, Verkleidungskünstler, Troupier – Hannibal hat<br />
immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, zwischen denen meist<br />
eine Zigarre steckt. Diese ist, neben seinen schwarzen Handschuhen,<br />
das Markenzeichen des waghalsigen Colonels. Er besucht – verkleidet<br />
– neue Klienten, reizt die Bösewichter mit markigen Sprüchen, dirigiert<br />
mit schrägem Humor seine merkwürdige Truppe und führt sie aus noch<br />
so hoffnungslosen Situationen immer zum Erfolg. Ihm zur Seite First<br />
Lieutenant Templeton Peck, von allen wegen seiner hübschen Fratze<br />
Seite 58 ■ GoodTimes 1/2014
nur „Face" genannt. Der Schönling hat eine starke Ausstrahlung auf das<br />
weibliche Geschlecht, bezirzt aber auch männliche Zeitgenossen durch<br />
sein freundlich-naives, manipulatives Wesen. Face ist der Charmeur<br />
und Hochstapler der Vierer-Bande und möchte, obwohl aus armen<br />
Verhältnissen, gerne als mehr gelten. Ausdruck davon: seine gewählte<br />
Ausdruckweise,<br />
seine Abneigung<br />
gegen körperliche<br />
Gewalt (obwohl<br />
auch er zulangen<br />
kann), seine weiße<br />
Corvette. Das<br />
ganze Gegenteil<br />
von ihm ist Captain<br />
H.M. Murdock,<br />
genannt „Howling<br />
Mad". Baseball-<br />
Cap, Chucks,<br />
Flieger jacke,<br />
immer leicht etwas<br />
schmuddelig und<br />
eigentlich Insasse<br />
einer Nervenklinik<br />
für Veteranen. Der<br />
Vietnam-erfahrene<br />
Pilot hat einen an<br />
der Klatsche oder<br />
gibt das zumindest vor. Er grimassiert, i dreht schnell durch, spricht mit<br />
toten Gegenständen oder nicht vorhandenen Aliens, aber er kann so<br />
ziemlich alles fliegen – Hubschrauber, Flugzeuge, was immer abheben<br />
kann. Das macht ihn nicht gerade zum Freund von Master Sergeant<br />
Bosco Albert Baracus, genannt B.A., was einmal für seine Initialen<br />
steht, aber auch für „Bad Attitude", denn genau diese legt der dauergereizte<br />
Muskelberg, der mit seinem Iro und den Goldketten aussieht<br />
wie ein im Reagenzglas gezüchteter Rapper, an den Tag. Im Privatleben<br />
ist der Milchtrinker und Gesundheitsfanatiker Streetworker und hilft<br />
Kindern. Er ist der Elektronik- und Reparatur-Crack der Truppe und<br />
hat eine Achillesferse: panische Flugangst. Bei Aufträgen, die das<br />
Fliegen erforderlich machen, wird er trotz wüster Drohungen betäubt<br />
und ins Fluggerät verfrachtet. Er liegt, prima vista, im Dauerclinch mit<br />
Murdock, aber in wirklich brenzligen Situationen wird klar: Was sich<br />
liebt, das neckt sich.<br />
„Das A-Team" – seit 1987 auf deutschen Mattscheiben zu bewundern,<br />
zuerst bei der ARD, später bei RTL – ist pures, kunterbuntes Amerika. So<br />
sättigend wie Kaugummi, so verlockend wie die grellen Neonreklamen,<br />
die ständig „home made cooking" ankündigen und dann doch nur pappiges<br />
Fastfood servieren, so echt wie Disneyland ... Das Vaterland hat die<br />
Soldaten zwar verstoßen und krankgemacht, aber die Patrioten bleiben<br />
Patrioten, bleiben gut, helfen Menschen in Bedrängnis und tun stets das<br />
Richtige. Aber „Das A-Team" ist auch in puncto Gewalt und Sex meist nur<br />
Scharade. Gewalt ist keine richtige Gewalt, die niedergestreckten Gegner<br />
erheben sich nach wenigen Minuten ohne sichtbare Verletzung. Kugeln<br />
schwirren bei dem Geballere zwar dauernd durch die Gegend, aber wenn<br />
es mal ernst wird, wird abgeblendet.<br />
Blut, Mord, Totschlag<br />
werden à la Hollywood angedeutet,<br />
aber selten gezeigt. Nur eine<br />
Sache – die seinerzeit erhobenen<br />
Sexismusvorwürfe – konnten die<br />
Hannibal-Kumpane nicht recht<br />
entkräften. Die TV-Macker stehen<br />
in einem permanenten „Meiner<br />
ist länger!"-Konkurrenzkampf.<br />
Beide Frauenfiguren, die in die<br />
Serie reingeschrieben wurden,<br />
wurden ebenso schnell wieder<br />
rausgeschrieben. Peppard, der in<br />
„Frühstück bei Tiffany" als sanfter,<br />
schriftstellernder t Gigolo<br />
Hollywood-Ruhm erlangte,<br />
soll der Schauspielerin Marla<br />
Heasley, die kurz als Tawnia<br />
Baker eingeführt wurde, am<br />
Set gesagt haben, sie sei in<br />
der Männergesellschaft des<br />
A-Team eigentlich nicht<br />
erwünscht. Wie denn auch?<br />
Frauen würden sich nicht für<br />
ein Land aufreiben, das sie<br />
ohne Grund verfolgt, in die<br />
Nervenheilanstalt bringt, abschiebt bt ... Frauen taugen nicht als „soldiers<br />
of fortune". Darum hatten sie in dieser Kinderserie mit viel Stunts,<br />
Pyro und Tamtam auch nichts verloren. Peppard, der 1994 an einer<br />
Lungenentzündung verstarb, hat die Würdigung der TV-Serie als Film<br />
im Jahre 2010 nicht mehr erlebt.<br />
Im Teil 4 der Kult-TV-Serien der 80er Jahre: Liebling Kreuzberg, Die<br />
Schwarzwaldklinik, Dallas, Denver Clan, Fackeln im Sturm, MacGyver,<br />
Schrecklich nette Familie, Baywatch …<br />
Teddy Hoersch<br />
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1/2014 ■ Seite 59<br />
JOHANNA VON KOCZIAN 3733490
Die Gladbach-Story<br />
Wie der Fohlen"-<br />
Mythos zustande " kam<br />
Von Andreas Kötter<br />
Die Mönch englad<br />
bacher<br />
Borussia ist es<br />
Jupp Heynckes damals, die den Krösus<br />
aus München in der<br />
Liga gar übertrifft. Während die „Roten" im Laufe der Dekade „nur" vier<br />
Meistertitel sammeln, kommen die Borussen gar auf fünf. Fast noch wichtiger:<br />
Während sich längst nicht jeder Fußballenthusiast für die Erfolge<br />
der Bayern erwärmen kann, genießen die Gladbacher für ihren attraktiven<br />
Offensivfußball europaweit größte Sympathie und Bewunderung.<br />
Vater des Systems ist der legendäre Trainer Hennes Weisweiler, der<br />
Gladbach schon seit Mitte der 60er Jahre eine Ausrichtung gibt, die ein<br />
spektakuläres 4:3 allemal einem schnöden 1:0 vorzieht. Die heute vielbeschworene<br />
Null muss bei den<br />
„Fohlen", wie die Borussen ob<br />
der unbekümmerten Spielweise<br />
genannt werden, nicht stehen.<br />
„Erfunden" wird der „Fohlen"-<br />
Begriff – heute würde man<br />
wohl von Corporate Identity<br />
sprechen – übrigens bereits<br />
im Laufe von Borussias letzter<br />
Regionalliga-Saison, 1964/65,<br />
von einem Sportredakteur der<br />
„Rheinischen Post".<br />
Keine Frage, die 50. Bundesliga-Saison stand ganz im<br />
Zeichen des FC Bayern. Nicht nur, dass die Münchner in<br />
der Liga alle Rekorde brachen und die Dortmunder Borussia<br />
mit 25 Punkten Vorsprung geradezu deklassierten. Der<br />
Gewinn des ersehnten Triples setzte dieser Jubiläumssaison<br />
nicht nur aus Münchner Sicht die Krone auf. Und wenn in der<br />
Vergangenheit überhaupt einmal ein Team den Bayern Paroli<br />
bieten konnte – mal war es der HSV, mal Werder, mal<br />
wie zuletzt der BVB –, so war diese Vorherrschaft<br />
doch nie wirklich gefährdet. Nie? Doch! Einmal,<br />
in den 70er Jahren, da gab es ein kleines Dorf" "<br />
am Niederrhein, das den damals gar nicht übermächtigen<br />
Bayern auf lange Sicht mindestens<br />
ebenbürtig schien.<br />
Borussia Mönchengladbach – Teamfoto 1969/70<br />
Auch Rainer Bonhof, heute<br />
Vizepräsident des Klubs, gehört damals zur „Fohlen"-Herde. Der junge<br />
Gewinn des Uefa-Pokals auch der<br />
Bonhof, 1974 mit Deutschland auch Weltmeister, wird nicht nur wegen erste internationale Titel gelingt.<br />
seines unbändigen Kampfgeistes, sondern auch ob seiner knallharten Im ersten Spiel vom damals noch<br />
Freistöße gefürchtet. So besagt die Legende, dass Ray Clemence, Keeper in zwei Partien ausgetragenen gen<br />
des FC Liverpool, aus Wut über Bonhofs wahre Freistoßgeschosse einmal<br />
gar Tränen der Wut vergossen haben soll. Bonhof selbst mag sich gegen Twente Enschede im<br />
Wettbewerb erreicht man<br />
im Gespräch mit <strong>kult</strong>! zwar nicht an Tränen erinnern, erzählt aber, Düsseldorfer Rheinstadion<br />
Seite 60 ■ GoodTimes 1/2014<br />
dass Clemence durchaus Grund zum Unmut hatte. „Erst war da dieses<br />
Freistoßtor im Europapokal gegen Liverpool, als sich der Ball kurz vor<br />
seiner Schulter noch mal wegdrehte", so Bonhof. „Und nur eine Woche<br />
später habe ich ihm im Länderspiel gegen England einen Freistoß um<br />
die Mauer gedreht." „Bonhof schießt schneller als Wyatt Earp", jammert<br />
Clemence hinterher. „Ich glaube, das hat ihm damals wirklich zu schaffen<br />
gemacht", vermutet Gladbachs Vize, der sich auch heute noch ein<br />
Schmunzeln nicht verkneifen kann.<br />
Gut lachen haben Bonhof und die Borussen damals beinahe am laufenden<br />
Band. Ob nun in der Saison 1969/70, als die Elf um Günter Netzer,<br />
Herbert Wimmer, Berti Vogts und Wolfgang Kleff ausgerechnet im 70.<br />
Vereinsjahr den ersten Meistertitel holt (noch ohne Bonhof). Ob ein<br />
Jahr später, als man als erster<br />
Bundesligist den Titel verteidi-<br />
gen kann. Oder ob in der Saison<br />
1974/75, als<br />
mit dem
Fotos: © Horstmueller<br />
(dorthin zieht es die „Fohlen" wegen der<br />
beschränkten Kapazität des heimischen<br />
Bökelbergs bei internationalen Spielen)<br />
nur ein 0:0. Damit steht man vor dem<br />
Rückspiel gehörig unter Druck. Und spielt<br />
umso größer auf. 5:1 heißt es nach einer<br />
Lehrstunde in Sachen Konterfußball für<br />
die Weisweiler-Elf, für die ihr Goalgetter,<br />
der spätere Bayern-Trainer und Triple-<br />
Gewinner Jupp Heynckes, gleich dreimal<br />
trifft.<br />
Twente, das war Kontertaktik in Perfektion<br />
Deutscher Meister 1970: Borussia<br />
Mönchengladbach beim Autocorso<br />
und ein Triumph des Offensivfußballs.<br />
durch die Gladbacher Innenstadt.<br />
Ausgerechnet das wohl beste Spiel der<br />
Vereinsgeschichte überhaupt aber gerät schon Jahre zuvor zu einem<br />
b di W hl f ll<br />
Drama. Am 20. Oktober 1971 empfängt man im Achtelfinalhinspiel des<br />
Europapokals der Landesmeister, noch auf dem Bökelberg, mit Inter<br />
Mailand einen der damaligen Titanen des europäischen<br />
Fußballs. Borussia spielt sich in einen wahren<br />
Rausch und deklassiert Inter mit sage und schreibe<br />
7:1. Als „Mutter aller Borussen-Spiele" ist diese<br />
Offensivdemonstration in die Fußballgeschichte<br />
eingegangen. Ein Triumph, aus dem eine leere Cola-<br />
Dose (die heute in einer Glasvitrine im Borussia Park<br />
bestaunt werden kann) eine fußballerische Tragödie<br />
macht. Irgendein Dummkopf hatte die leere Dose<br />
gen Spielfeld geworfen und damit – vermeintlich<br />
– Roberto Boninsengna schwer am Kopf getroffen.<br />
Das zumindest muss der Schiedsrichter annehmen,<br />
als Inters Stürmerstar wie vom Blitz getroffen<br />
in eine tiefe<br />
Ohnmacht zu fallen scheint.<br />
Die Partie wird annulliert, und<br />
nach dem 2:4 in Mailand reicht<br />
das 0:0 im neu angesetzten<br />
Wiederholungsspiel in Berlin<br />
nicht fürs Weiterkommen.<br />
Borussias hellste Stunde ist<br />
damit gleichzeitig auch die dunkelste.<br />
Nicht ganz so dramatisch, für<br />
die Seele der Borussen aber<br />
kaum weniger schmerzlich, ist<br />
viereinhalb Jahre später das<br />
Trainer<br />
erneute Scheitern im Landesmeister-<br />
Hennes<br />
Weisweiler Wettbewerb. Mit der schweren<br />
Hypothek eines 2:2 aus dem Hinspiel<br />
reist die Borussia im März 1976 zum Viertelfinalrückspiel nach Madrid.<br />
1:1 heißt es bei Real nach 90 bitteren Minuten, die nach der bekannten<br />
Europapokal-Arithmetik um auf dem gegnerischen Platz erzielte Tore<br />
das Aus bedeuten. Die Art und Weise, wie dieses 1:1 aber zustande<br />
kommt, ist ein handfester Skandal. Der holländische Unparteiische<br />
Leonardus van der Kroft wird seiner Berufsbezeichnung in keiner Weise<br />
gerecht, bevorzugt klar die Heimmannschaft und verweigert den besseren<br />
Gladbachern die Anerkennung gleich zweier regulär erzielter Treffer!<br />
Der Autor dieser Zeilen, damals zwölf Jahre alt und glühender Borussen-<br />
Fan, heult vor Wut, und nicht wenige Borussen hätten es ihm an diesem<br />
Abend wohl am liebsten gleichgetan. Van der Kroft<br />
wird zwar nie wieder eine internationale<br />
Partie pfeifen, was aber selbst in der späten<br />
Rückschau kein Trost sein kann.<br />
Aber es gibt in diesen Jahren auch<br />
Fußballdramen, die ein gutes Ende für<br />
die Borussia nehmen. Zunächst noch<br />
sind die „Fohlen" nach den Erfolgen<br />
der Vorjahre im Juni 1973 zwischenzeitlich<br />
aber zurück auf dem Boden der<br />
Tatsachen. Denn in der Liga reicht es<br />
„nur" zu Platz fünf, und auch der erste<br />
Einzug in ein Uefa-Cup-Finale endet mit<br />
einer Enttäuschung. Im Hinspiel schießt<br />
der FC Liverpool ein 3:0 heraus, das<br />
den Engländern trotz zweier Heynckes-<br />
Treffer im Rückspiel reicht. Noch aber<br />
bleibt der Borussia das DFB-Pokalfinale<br />
gegen den rheinischen Erzrivalen aus<br />
Köln. Es soll ein Spiel werden, das bis<br />
heute untrennbar mit einem Namen<br />
verbunden ist. Mittelfeldregisseur Günter<br />
Netzer ist damals mit seiner blonden<br />
Mähne, den schnellen Autos und seiner<br />
Discothek Lovers Lane längst der erste<br />
Popstar des deutschen Fußballs. Nicht<br />
unbedingt zum Wohlgefallen seines Trainers. Hennes Weisweiler findet,<br />
dass Netzer im Training durchaus etwas mehr Eifer an den Tag legen<br />
und so ein paar Pfunde weniger auf den Rippen mit sich herumschleppen<br />
könnte. Als zehn Tage vor dem Finale auch noch<br />
bekannt wird, dass der Superstar nach Saisonende<br />
zu Real Madrid wechselt, ist Weisweiler endgültig<br />
bedient. Er stellt Netzer fürs Finale einen Bankplatz<br />
in Aussicht. Der wiederum sieht darin einen Affront<br />
und kokettiert mit dem Gedanken, sich das Spiel<br />
Netzer<br />
wechselt<br />
sich ein<br />
Schlussjubel Borussia v.l.: Herbert Wimmer,<br />
Berti Vogts und Günter Netzer<br />
lieber gleich von der Tribüne aus anzuschauen. Die<br />
Teamkollegen können ihm diese Torheit zum Glück<br />
ausreden, und der „Lange" (wie Weisweiler Netzer<br />
in wenigen zarten Momenten nennt) nimmt erst<br />
einmal Platz auf der harten Ersatzbank. 1:1 steht es<br />
nach 90 Minuten. Verlängerung! Und dann wird es<br />
dem „Blonden" doch<br />
zu viel. Kurzerhand<br />
wechselt sich Netzer<br />
für Christian Kulik<br />
selbst ein. Gerade<br />
einmal drei Minuten<br />
später ist eine der<br />
wundersamen<br />
Geschichten perfekt,<br />
die nur der Fußball<br />
schreibt. Einen einzigen<br />
gelungenen<br />
Doppelpass mit<br />
Bonhof braucht<br />
es, um Netzer in<br />
der 93. Minute in<br />
Schussposition zu bringen. Mit seinem legendären linken Fuß jagt er<br />
das Leder in den Winkel des FC-Tores. Ein unglaublicher Triumph, mit<br />
dem sich der zuvor Gedemütigte als glänzender Sieger nach Spanien<br />
verabschiedet.<br />
Wer denkt, mit der Borussia würde es nun bergab gehen, der sieht sich<br />
alsbald getäuscht. Drei Meisterschaften (1975, 1976, 1977) und zwei<br />
Uefa-Cup-Siege (neben dem schon erwähnten von 1975 klappt es 1979<br />
gegen Roter Stern Belgrad ein zweites Mal) sollen folgen. Lediglich der<br />
Triumph bei den Landesmeistern bleibt versagt. 1977 scheitert man im<br />
Finale erneut am Angstgegner aus Liverpool. Erst in den 80er Jahren, als<br />
der zu kleine Bökelberg die Borussia immer weiter ins finanzielle Abseits<br />
zwingt, verliert man zusehends den Rhythmus. Zweimal wird man später<br />
gar den bitteren Weg in die Zweitklassigkeit antreten müssen, bevor der<br />
heutige Sportdirektor Max Eberl und Trainer Lucien Favre<br />
in der Saison 2011/12 erstmals wieder ein<br />
Team aufs Feld schicken können,<br />
das den Namen „Fohlen-<br />
Elf" verdient. Oder wie Rainer<br />
Bonhof es ausdrückt: „Wir<br />
sind gesund, weil wir seriös<br />
arbeiten. Wenn ich das und<br />
unser Leistungszentrum sehe,<br />
dann kann man sagen, dass<br />
wir heute ein Vorzeigeverein sind."<br />
GoodTimes 1/2014 14 ■ Seite 61
Von Kirsten Borchardt<br />
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Lindenhof, das war eine fremde Welt, in<br />
der es aber genau um die Dinge ging, mit<br />
denen man sich als Zehnjährige tagtäglich<br />
herumschlagen musste: um Cliquenbildung<br />
in der Schule, Zickenkrieg, Anerkennung,<br />
Ausgrenzung, und, vor allem, um Freundschaft<br />
und Zusammenhalt. Aufregend war dabei, dass<br />
Hanni und Nanni weit weg von zu Hause<br />
lebten, in einer faszinierenden weiblichen<br />
Solidargemeinschaft, in der es außer einem sehr<br />
sporadisch auftretenden Hausmeister und vielleicht<br />
noch dem einen oder anderen am Rande<br />
erwähnten Vater oder Bruder keine Männer gab.<br />
Lindenhof war eine reine Mädchenschule, und<br />
schon allein das war für mich, wenn ich auf dem<br />
Schulhof von den blöden Jungs aus meiner eigenen n<br />
Klasse gerade Juckpulver in den Nacken gesteckt t<br />
bekommen hatte, eine paradiesische Vorstellung.<br />
Es unterrichteten dort auch nur Lehrerinnen, und<br />
die Direktorin, Fräulein Theobald, war unglaublich<br />
klug und immer gerecht. Sie erkannte stets,<br />
s,<br />
was ihren Schülerinnen Kummer bereitete und<br />
was wirklich in ihnen steckte, und davon hätte<br />
sich das pädagogische Personal meiner damaligen<br />
Grundschule gerne eine Scheibe abschneiden können.<br />
Dass Lindenhof im Vergleich zum deutschen Schulalltag der Mitt-<br />
70er etwas Exotisches anhaftete, lag daran, dass die Bücher um<br />
Hanni und Nanni aus der Feder der britischen Kinderbuchautorin Enid<br />
Blyton stammten und in Großbritannien bereits in den frühen 40ern<br />
erschienen waren. Dann hatte sie der Franz Schneider Verlag, der 1965<br />
die deutschen Rechte an der Reihe erwarb, stark überarbeitet, modernisiert<br />
und auch die Namen weitgehend eingedeutscht. Aus Patricia und<br />
Isabel O’Sullivan wurden Hanni und Nanni Sullivan, was nicht zu fremd,<br />
Mit zehn Jahren wollte ich unbedingt<br />
auf ein Internat. Die Vorstellung,<br />
die Nächte in einem Schlafsaal mit<br />
acht anderen Mädchen zu verbringen<br />
und den ganzen Tag über mit<br />
Gleichaltrigen zusammen zu sein,<br />
mitten in der Nacht heimliche Partys<br />
zu veranstalten und Streiche auszuhecken,<br />
erschien enorm verlockend,<br />
auch wenn ich im wahren Leben<br />
anderen Kindern eher aus dem Weg<br />
ging. Zu gern wäre ich in Lindenhof<br />
zur Schule gegangen. Die Lehrerinnen<br />
waren zwar oft furchtbar streng, und<br />
man musste dauernd Handball spielen<br />
– aber ich hätte Freundinnen haben<br />
können wie Hanni und Nanni.<br />
Enid Blyton<br />
aber auch nicht zu normal klang. Und<br />
Lindenhof war ein aufregendes, beinahe<br />
märchenhaftes Flair geblieben – zum<br />
Beispiel hatten die älteren Schülerinnen<br />
in<br />
ihren Zimmern Kamine, in denen<br />
sie Brot rösten konnten. Einmal ganz<br />
davon abgesehen, dass ich einen Kamin<br />
viel spannender fand als die klobige<br />
Rippenheizung unter dem Fenster mei-<br />
nes<br />
Jugendzimmers: Es gehörte auf<br />
Lindenhof zu den Aufgaben der jüngeren<br />
Mädchen, für die Sechstklässlerinnen die<br />
Zimmer einzuheizen. Mädchen, die nur<br />
ein kleines bisschen älter waren als ich,<br />
durften Feuer machen, während bei uns<br />
zu<br />
Hause unweigerlich der alte Spruch<br />
„Messer, Gabel, Schere, Licht sind für<br />
kleine Kinder nicht" erschallte, wenn<br />
ich<br />
auch nur eine Streichholzschachtel<br />
in die Hand nahm.<br />
Das war typisch für das Leben von<br />
Hanni und Nanni in ihrem Internat:<br />
Man traute dort den Mädchen allerlei<br />
zu<br />
und ließ sie viele Dinge selbstständig<br />
erledigen. Lindenhof war nicht nur<br />
eine männerfreie Gesellschaft, sondern<br />
auch eine weitgehend erwachsenenfreie:<br />
Konflikte klärten die Schülerinnen selbst,<br />
sie<br />
organisierten ihre geheimen Partys<br />
ebenso allein wie die Sportveranstaltungen<br />
oder<br />
bunten Abende an der Schule, sie<br />
wählten ihre Anführerinnen und halfen<br />
sich gegenseitig, wenn es Probleme gab.<br />
Seite 62 ■ GoodTimes 1/2014
Nur im größten Notfall wandten Hanni und Nanni sich an<br />
die Direktorin. Natürlich spielten die Lehrerinnen eine Rolle,<br />
wie Fräulein Roberts, die alle Streiche sofort durchschaute,<br />
die aufbrausende, aber humorvolle Französischlehrerin<br />
Mamsell, das oberflächliche Fräulein Quentin oder die<br />
unfähige Geschichtslehrerin Fräulein Kennedy. Sie gaben<br />
Unterricht, waren manchmal streng, manchmal ungerecht,<br />
manchmal auch überraschend humorvoll und gütig, aber sie<br />
mischten sich nicht in die Belange der Mädchen ein, sondern<br />
erwarteten von ihnen, Probleme allein zu lösen. Dass s<br />
Hanni und Nanni das konnten, trug ihnen meine aufrichtige<br />
Bewunderung ein.<br />
Dabei wussten es die Sullivan-Zwillinge zunächst gar nicht<br />
zu schätzen, wie gut sie es in Lindenhof hatten. Im ersten<br />
Band, „Hanni und Nanni sind immer dagegen", sträuben sie<br />
sich noch mit Händen und Füßen gegen ihre neue Schule,<br />
weil es dort viel weniger schick zugeht als auf ihrem alten<br />
Internat. Sie finden zunächst einmal alles blöd, was ihnen bei<br />
ihren Mitschülerinnen ruckzuck den Spottnamen „die hochnäsigen<br />
Zwillinge" einträgt. Dazu kommt, dass sie in einigen<br />
Fächern im Stoff hinterherhinken und nicht mehr wie gewohnt<br />
zu den Besten in der Klasse gehören. Sie lehnen sich gegen<br />
die strengen Regeln auf, die in Lindenhof zu befolgen sind,<br />
drücken sich vor kleinen Arbeiten und verlassen unerlaubt das<br />
Schulgelände. Doch nach und nach bröckelt ihr Widerstand –<br />
sie holen einen Sieg für die Handballmannschaft und erweisen<br />
sich auch sonst als verlässliche, lustige Kameradinnen, die<br />
schließlich in ihrer Klasse und der ganzen Schule anerkannt<br />
sind.<br />
In den späteren Büchern waren es dann andere Mädchen,<br />
die neu nach Lindenhof kamen und zunächst durch<br />
ihre Art, ihre Herkunft oder besondere Umstände auffielen:<br />
Elli, die Cousine von Hanni und Nanni, die sich<br />
in ihrer Oberflächlichkeit immer wieder an die falschen<br />
Freundinnen hängt. Margot, die verschlossen und immer<br />
schlecht gelaunt jeden Kontakt ablehnt, bis ihr die Klasse<br />
alles Schlechte zutraut, und die ihren Mut beweist, als sie<br />
bei einem Brand eine andere Schülerin rettet. Carlotta, die<br />
als Kind in einem Zirkus aufwuchs und als Kunstreiterin<br />
auftrat. Oder die Italienerin Gina, die überstürzt ins Internat<br />
kommt, weil ihr Vater in Afrika verunglückt ist, und die<br />
lange braucht, um aufzutauen. Sie alle können sich dem<br />
guten Geist, der in Lindenhof herrscht, nicht verschließen und<br />
fügen<br />
sich schließlich in die Gemeinschaft ein, finden Freundinnen und erleben<br />
viele Abenteuer im Internat.<br />
In Lindenhof geschieht nämlich neben<br />
den kleinen Streichen mit Stinkbomben<br />
und zugenähten Pulloverärmeln auch<br />
allerlei Dramatisches: Sadie, eine reiche<br />
Amerikanerin, wird von Erpressern entführt<br />
und von Carlotta und ihren Freunden<br />
vom<br />
Zirkus wieder befreit; Mädchen verunglücken<br />
auf Ausflügen oder stürzen<br />
von<br />
Dächern, ängstigen sich um kranke<br />
Eltern oder werden aus den verschiedensten<br />
Gründen zu Diebinnen. Immer wieder geraten<br />
Mitschülerinnen in schwierige Situationen, können<br />
sich<br />
aber darauf verlassen, dass Hanni und Nanni zur<br />
Stelle sind, um ihnen aus der Klemme zu helfen. Im<br />
aktuellen Band versteckt sogar ein Verbrecher, der mit<br />
einem der Hausmädchen unter einer Decke steckt, die<br />
Beute aus einem Raub im Internat. Aber trotzdem haben<br />
die<br />
Mädchen auch viel Spaß: Bei geheimen Picknicks<br />
verzehren sie unglaubliche Sachen wie Sardinen mit<br />
Dosenmilch, sie kleben den älteren Semestern die<br />
Wanderschuhe mit Kaugummi auf dem Linoleum fest,<br />
verschaukeln immer wieder ihre Französischlehrerin<br />
oder gründen einen Klub. Zugegeben, verglichen<br />
mit Harry Potter, wo Trolle und Geister in den<br />
Schultoiletten lauern, geht es in Lindenhof weitaus<br />
beschaulicher zu. Aber genau wie in Hogwarts lernen<br />
die Schülerinnen, Verantwortung zu übernehmen, für<br />
eigene Fehler einzustehen, aufrecht, ehrlich, mutig<br />
und loyal zu sein. Denn nichts zählt auf Lindenhof<br />
mehr als die Gemeinschaft.<br />
Dabei war das Internat bei aller Freundschaft auch<br />
immer ein Haifischbecken: Wer sich nicht anpassen<br />
konnte oder wollte, bekam die ganze Palette<br />
sozialer Ächtung zu spüren und musste am Ende<br />
vielleicht sogar die Schule verlassen. Wenn auf einer<br />
Klassenversammlung beschlossen wurde, dass ein<br />
Mädchen geschnitten werden sollte, dann durfte bis auf<br />
weiteres eben niemand mit ihr reden – heute nennt<br />
man das Mobbing. Wenigstens war die körperliche<br />
Züchtigung mit Haarbürsten, die in Enid Blytons<br />
älteren „Dolly"-Büchern noch als probates Mittel zur<br />
Eingliederung renitenter Klassenkameradinnen galt,<br />
bei<br />
Hanni und Nanni schon tabu.<br />
Trotzdem – bis heute erfreut sich die „Hanni und<br />
Nanni"-Reihe bei Mädchen enormer Beliebtheit,<br />
und<br />
es erscheinen bei Schneider Buch, wie der Franz<br />
Schneider Verlag heute heißt, noch immer neue Bände.<br />
27<br />
sind es inzwischen, als Einzelbände erhältlich oder in<br />
verschiedenen Sammelbänden; seit 1972 erschienen die<br />
Geschichten auch als Hörspiele bei Europa. Damit ist die<br />
eigentliche Reihe abgeschlossen, wie Susanne George,<br />
die<br />
zuständige Redakteurin bei Schneider Buch erklärt:<br />
Ab<br />
jetzt sollen nur noch Sonderbände folgen, die sich<br />
nicht mehr an der Chronologie der Schullaufbahn orientieren,<br />
sondern einfach Episoden aus dem Internatsalltag<br />
erzählen. Die Illustrationen auf dem Einband stammen<br />
dabei immer noch vom Zeichner Nikolaus Moras, der den<br />
Zwillingen schon bei ihrem Deutschland-Debüt 1965 ihre<br />
spitzbübischen Gesichter und lustigen Pferde schwänze<br />
verpasste; er zeichnete die „Deckelbilder", wie man<br />
damals noch sagte, für zahlreiche weitere Schneider-<br />
Bücher und prägte mit seinem Stil das gesamte Erscheinungsbild<br />
des<br />
Verlags. Der<br />
inzwischen<br />
isch<br />
77-Jährige<br />
hat bereits für die<br />
Zukunft vorgesorgt,<br />
wie George berichtet:<br />
„Er hat auf seine eigene<br />
Anregung hin schon eine<br />
Reihe Bilder auf Halde<br />
gemalt, für die Zeit, wenn<br />
er einmal nicht mehr ist."<br />
Die Zeichnungen haben<br />
Kultcharakter: Echte<br />
Hanni-und-Nanni-Fans,<br />
sagt George, stricken sich<br />
sogar die Pullis von den<br />
Deckelbildern nach.<br />
© Schne<br />
chneider<br />
Buch<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 63
Foto: © 2012 UFA Cinema GmbH<br />
Die Autorin Enid Blyton starb bereits 1968 und hatte lediglich die<br />
ersten sechs Bände selbst verfasst, die bei Schneider erschienen: Sie<br />
erzählten die Abenteuer der Zwillinge in den ersten beiden Klassen und<br />
berichteten dann noch einmal aus der fünften. Doch in Deutschland<br />
war die Serie so erfolgreich, dass man sich bei Schneider schon in den<br />
70er Jahren entschloss, bei heimischen Autorinnen Fortsetzungen in<br />
Auftrag zu geben, um die Lücke zwischen den Klassen zwei und fünf<br />
zu füllen. „Man hat sehr lange ein Geheimnis darum gemacht, von wem<br />
diese Bücher wirklich stammten", räumt George ein; im Impressum<br />
mogelte man sich damals mit „Deutsche Bearbeitung: Franz Schneider<br />
Verlag" durch. Das ist heute anders: „Es steht immer noch Enid Blyton<br />
vorn drauf, das ist wie ein Markenzeichen, aber inzwischen wird im<br />
Impressum auch die wahre Autorin genannt."<br />
Hanni & Nanni, Teil 1<br />
– die Filme<br />
HANNI UND NANNI<br />
2010 kamen Hanni und Nanni nach ihrer Karriere in Büchern und auf<br />
Schallplatten auch auf die große Leinwand. Die Titelrollen übernahmen<br />
die Zwillingsschwestern Jana und Sophie Münster, unterstützt von<br />
renommierten deutschen Schauspielern wie Katharina Thalbach, Heino<br />
Ferch oder Hannelore Elstner. Die Handlung war nun fest in Deutschland<br />
verortet und gründlich modernisiert, aber die Grundidee blieb erhalten:<br />
Zwei widerspenstige Mädchen gewöhnen sich langsam am auf einem Internat<br />
ein, das sie erst ganz schrecklich finden. Nach<br />
dem großen Erfolg des erstens Teils folgte 2012<br />
"<br />
Hanni und Nanni 2", bei dem tatsächlich auch<br />
ein Junge mitspielte: Der gut aussehende Neffe der<br />
Französischlehrerin Mademoiselle Bertoux mischt<br />
das Internat gründlich auf.<br />
Im dritten Teil geht es noch<br />
mehr um die Liebe: Als statt<br />
einer Mädchenklasse englischer<br />
Austauschschülerinnen<br />
eine Busladung Jungen eintrifft,<br />
verlieben sich Hanni<br />
und Nanni – ausgerechnet in<br />
Hanni & Nanni Teil 1–3<br />
denselben Jungen.<br />
sind auf DVD & Blu-ray<br />
erhältlich<br />
Klub" ein Essen für ihre Lehrerinnen rinn<br />
en veranstalten alte<br />
n und<br />
die Italienerin<br />
Gina etwas ganz Exotisches kocht, das kaum jemand von den Mädchen<br />
richtig auf die Gabel<br />
bekommt: Spaghetti<br />
standen anno 1971,<br />
als<br />
die Originalausgabe<br />
Dadurch wurden die Bücher über die Jahre immer „deut-<br />
erschien, eben noch<br />
scher" und moderner: Die Kamine verschwanden, die<br />
längst nicht so häufig<br />
Lehrerinnen wurden vom Fräulein zur Frau, und der Alltag<br />
auf deutschen<br />
der 70er und 80er Jahre hielt Einzug in Lindenhof, auch<br />
Speisezetteln<br />
wie<br />
wenn es eine Welt ohne Fernsehen und Telefon blieb. Und<br />
heute. Aber wahrscheinlich<br />
so genießen Hanni und Nanni auch nach fast 50 Jahren<br />
wird<br />
hier zu Lande immer noch ungebrochene Beliebtheit:<br />
Meine neunjährige Nichte hat sich über die Schulbibliothek<br />
bereits mit dem Lindenhof-Virus infiziert und freut sich<br />
auch sie insgeheim<br />
davon träumen, in<br />
Lindenhof zur Schule<br />
darauf, den Stapel 70er-Jahre-Originale vererbt zu bekommen,<br />
die ich für diesen Artikel vom Dachboden geborgen<br />
Kamin zu rösten, um<br />
Hanni & Nanni Teil 3<br />
zu gehen, Brot am<br />
habe. Vielleicht wird es ihr ein bisschen komisch vorkommen, men wenn<br />
die Schülerinnen am Schluss von „Hanni und Nanni gründen einen<br />
Mitternacht bei Mondschein Sardinen mit Dosenmilch zu essen und vor<br />
allem: Hanni und Nanni als Freundinnen zu haben.<br />
DOLLY – Hanni und Nannis große Schwester Mädchenbücher aus Kaisers Zeiten<br />
Dolly ging schon vor Hanni und Nanni auf ein Internat: auf Burg Hanni und Nanni lösten eine andere Generation von Mädchenbüchern<br />
Möwenfels, eine Schule direkt am Meer. Die Bände um die jähzornige, aber ab, die in den 70ern immer noch gern von Omas und Opas verschenkt<br />
großherzige und mutige Dolly schrieb Enid Blyton noch vor der Reihe um und weiterhin gern gelesen wurden: „Nesthäkchen" von Else Ury,<br />
die Zwillinge. Es gibt viele Parallelen: die Atmosphäre an der Schule, der „Der Trotzkopf" von Emmy von Rhoden<br />
Zusammenhalt der Mädchen und die Eingliederung von Außenseiterinnen, oder die Reihe um „Pucki" von Magda<br />
die gütige Direktorin und natürlich die vielen Streiche, die gerade den Trott, die aus der Zeit vor dem Ersten<br />
Französischlehrerinnen immer wieder gespielt werden. Dolly ist jedoch von Weltkrieg stammten. Sie erzählten über<br />
Anfang an begeistert von ihrer Schule und lebt sich schnell dort ein: Das verschieden viele Bände alle eine mehr<br />
störrische Problemkind ist ihre spätere beste Freundin Susanne, die sich oder weniger ähnliche Geschichte von dem<br />
von den Eltern abgeschoben fühlt, seit ihre kleine Schwester auf der Welt ungebärdigen kleinen Wildfang, der stets zu<br />
ist. Ähnlich wie bei „Harry Potter" gab es<br />
Streichen aufgelegt ist, dann aber in einem<br />
bei Dolly einen Band pro Jahrgangsstufe, bis<br />
Institut für höhere Töchter zur verantwor-<br />
Dolly ihren Abschluss macht und Abschied<br />
tungsvollen jungen Frau geschliffen wird,<br />
von Möwenfels nehmen muss. Für die deut-<br />
um schließlich brav zu heiraten, Kinder zu<br />
schen Leserinnen ließ der Schneider Verlag<br />
bekommen und liebevoll und ergeben ihren<br />
sie jedoch zurückkehren: In zwölf weiteren<br />
Gatten zu umsorgen. Hanni und Nanni, die<br />
Bänden, die zum großen Teil von Rosemarie<br />
immerhin auch aus den 40er Jahren stammten, hatte ihre<br />
Schöpferin<br />
Eitzert geschrieben wurden (sie verfasste<br />
vermutlich ein ähnliches Schicksal zugedacht, aber in ihrer ausschließlich<br />
weiblichen Internatswelt wirkten sie emanzipiert genug, um von<br />
unter anderem als Tina Caspari auch die<br />
Reihe „Tina und Tini") wurde Dolly erst<br />
den Mädchen akzeptiert zu werden, die schon mit Pippi Langstrumpf<br />
Erzieherin, dann Hausmutter und schließlich<br />
Direktorin.<br />
mach' mir die Welt, wie sie mir<br />
aufgewachsen waren und es mit deren berühmtem Motto hielten: Ich<br />
gefällt.<br />
Foto: © 2012 UFA Cinema GmbH<br />
Seite 64 ■ GoodTimes 1/2014
Asterix und Obelix<br />
Von Horst Berner<br />
Neue Mentoren für<br />
die Gallier<br />
Asterix-Fans haben sich den 24. Oktober 2013 im<br />
Kalender rot angekreuzt, denn an diesem Tag bringt<br />
der Egmont Ehapa Verlag mit Band 35, Asterix<br />
"<br />
bei den P ikten", das neue Abenteuer der antiken<br />
Widerständler aus dem wohlbekannten gallischen<br />
Dorf in den Buch- und Zeitschriftenhandel. Das<br />
Besondere daran ist, dass es das erste Album ist,<br />
das nicht von den bisherigen Asterix-Autoren René<br />
Goscinny und Albert Uderzo gestal tet wurde.<br />
Ursprünglich hätte es einen derartigen Asterix-<br />
Band gar nicht geben sollen. Die Absicht der<br />
geistigen Väter von Asterix – Texter René<br />
Goscinny (bereits 1977 verstorben) und Zeichner<br />
Albert Uderzo (nach Goscinnys Tod auch als Texter<br />
aktiv, mittlerweile 86 Jahre alt und im Ruhestand)<br />
– war nämlich, dass es nach ihnen keine neuen n<br />
Comics mit dem gallischen Helden mehr geben wird.<br />
Dass es dann doch anders kam, ging einher mit der<br />
Veräußerung der Asterix-Rechte. Ab 2008 verkauften en<br />
nach und nach sowohl Albert Uderzo als auch Anne n<br />
Goscinny (Tochter von René Goscinny) und Sylvie Uderzo<br />
(Tochter von Albert Uderzo) ihre Anteile am Verlag<br />
Albert René an den französischen Branchenriesen<br />
Hachette, dem damit auch die Genehmigung eingeräumt<br />
wurde, die Bestseller-Reihe fortzuführen.<br />
Die beiden Neuen, denen man diese Großtat zutrau-ute,<br />
sind Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier<br />
Conrad, deren Geburt ins gleiche Jahr fällt wie die<br />
von Asterix: 1959. Diese Tatsache allein ist freilich<br />
nicht mehr als ein nettes Beiwerk. Die eigentliche<br />
Empfehlung erwarb sich das Duo durch seine bisherigen<br />
Leistungen als Urheber von beachtenswerten Comics. In<br />
Frankreich heimste beispielsweise Ferri für seinen „De Gaulle à<br />
la plage" viel Anerkennung ein. In diesem Album wirkt er als<br />
Texter und Zeichner und bietet subtilen Humor, der mitunter<br />
an den großen Filmkomiker Jacques Tati und eben an René<br />
Goscinny erinnert. Uderzo, von dem Ergebnis angetan, n, sagte<br />
dazu schlicht: „Der Junge hat Talent." Publiziert in deutscher<br />
Sprache gibt es derzeit von Ferri allerdings nur „Le Retour à<br />
la terre" als „Die Rückkehr aufs Land". Weitaus vertrauter sind<br />
dem hiesigen Publikum die Serien von Conrad: „Helden<br />
ohne Skrupel", „Bob Marone", „Donito", „Lucky Kid",<br />
„Cotton Kid", „Die<br />
Weiße Tigerin", „RAJ" oder „Marsu Kids". Das<br />
sind<br />
mit unverkennbarer<br />
Linienführung gefertigte Comics vol-<br />
ler Witz und Elan in<br />
der Tradition der klassischen franko-<br />
belgischen Schule. Erste freigegebene Bildbeispiele<br />
aus „Asterix bei den Pikten" lassen erahnen, dass<br />
der in Marseille geborene Künstler – seit 1996<br />
beheimatet<br />
et in der Nähe von Los Angeles, wohin<br />
ihn die Arbeit für DreamWorks führte – auch<br />
in Sachen gallische Spaß-Antike den richtigen<br />
Pinselstrich getroffen hat und als<br />
Uderzo-Nachfolger eine ausgezeichnete<br />
Wahl ist.<br />
Wenngleich die Geheimniskrämerei um den<br />
neuen Asterix-Band riesig ist – der Titel<br />
ist<br />
seit geraumer Zeit bekannt. Klar ist<br />
auch, dass der Comic (im französischen n<br />
Original: „Astérix chez les Pictes") am<br />
Erscheinungstag in nicht weniger als 23<br />
Sprachen gleichzeitig in den Verkauf geht.<br />
Das Abenteuer führt unsere gallischen Freunde<br />
nach Kaledonien, sprich ins antike Schottland,<br />
zu einem Volk, das seinen Namen den<br />
Römern verdankt. „Pikte" steht wörtlich<br />
für<br />
„bemalter Mensch". Des Weiteren ließ Ferri<br />
durchblicken, dass er sich für die von ihm erdachte<br />
„Art Liebesgeschichte zwischen einem Pikten und<br />
einem Mädchen, denen Asterix und Obelix zu Hilfe eilen", von der<br />
Debatte über die schottische Unabhängigkeitsbewegung anregen ließ.<br />
Dabei würden sie „auf Krieger und alte Clans stoßen, Whiskey entdek-<br />
ken, Dudelsäcke und das Monster von Loch Ness …" Sechs Monate hat<br />
Ferri an seinem Drehbuch für „Asterix bei den Pikten" geschuftet, um<br />
den hohen hen Ansprüchen gerecht zu werden, mit denen man<br />
sich<br />
als Nachfolger des genialen René Goscinny konfrontiert<br />
sieht. Conrad seinerseits hat bei der sich über neun Monate<br />
hinziehenden komplexen Zeichenarbeit im einmaligen Stil<br />
von Albert Uderzo nicht weniger als 18 Kilo verloren. Warum<br />
er diese Tortur auf sich genommen hat, erklärt seine Aussage:<br />
„Asterix ist ein Mythos. Dass ich Asterix zeichne, ist für<br />
mich ein<br />
außergewöhnliches Abenteuer. Damit geht ein<br />
Kindheitstraum in Erfüllung."<br />
Das alles klingt recht vielversprechend und nährt die<br />
Hoffnung, dass der „Pikten"-Band anders als die<br />
letzten Alben in der Reihe den Lesern wieder ein<br />
Mehr an Intelligenz und Pfiffigkeit bietet. Gerade<br />
diese Qualitäten haben Asterix in der Vergangenheit<br />
charakterisiert und hievten die gallische Saga in den<br />
Status einer Kultserie. Oder anders ausgedrückt: zum mit 350 Millionen<br />
Exemplaren – davon allein 130 in den französisch- und 120 in den<br />
deutschsprachigen Ländern – meistverkauften Comic auf der Welt, der<br />
in 110 Sprachen und Dialekte übersetzt ist.<br />
© Egmont Ehapa Verlag / 2013 Les Éditions Albert René<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 65
Spielerisch zu<br />
technischer Präzision<br />
Selbst gebastelte Weihnachtsgeschenke eschenke sollen<br />
besser ankommen als fertig<br />
gekaufte. Das muss sich<br />
der Fabrikant Artur Fischer<br />
(Jahrgang 1919) Mitte der<br />
60er Jahre gedacht haben, als<br />
er die üblichen Verdächtigen<br />
in Sachen Firmenpräsente à<br />
la Kugelschreiber und Feuerzeuge<br />
leid war. Dass er dabei<br />
zunächst konkret an fantasieförderndes<br />
Spielzeug für<br />
die Kinder von Mitarbeitern<br />
und Geschäftsfreunden dachte,<br />
sagt auch etwas über seine<br />
Mentalität als Unternehmer aus.<br />
Begonnen hatte alles nach dem Zweiten Weltkrieg: Nachdem<br />
Fischer 1949 den Synchronblitz für Fotoapparate erfunden hatte,<br />
den er Jahrzehnte lang für Agfa produzierte, machte ab 1958 der<br />
so genannte S-Dübel den endgültigen g n Aufstieg der in Tumlingen im<br />
Schwarzwald beheimateten<br />
Fischerwerke zu einem<br />
Konzern von Weltformat<br />
mit Millionenumsätzen<br />
im wahrsten Sinne des<br />
Wortes fest. Das graue<br />
Nylonröhrchen wurde so<br />
erfolgreich, dass es oft einfach<br />
nur „Fischer-Dübel"<br />
genannt wird. Und damit<br />
sind<br />
an dieser Stelle nur zwei der mehreren tausend<br />
Patente angesprochen, die Artur Fischer hält.<br />
Mit der Zahl könnte er Thomas Edison, dem<br />
wahrscheinlich namhaftesten Erfinder überhaupt<br />
(unter anderem Glühbirne, Schreibmaschine),<br />
Konkurrenz machen.<br />
Der Spreizdübel verschaffte dem Firmenchef „spielerische"<br />
Freiheit zur Gestaltung seiner Vorstellung eines Baukastens,<br />
basierend auf dem von Märklin, mit dem er selbst als Kind<br />
gespielt hatte. Über die Weihnachtsfeiertage 1963 sägte er<br />
aus Polyamid einen Grundbaustein zurecht, auf den ebenso<br />
das Prinzip eines Dübels angewendet wurde: Bis heute ist<br />
der<br />
charakteristische schwarze Zapfen mit dem – ursprüng-<br />
lich<br />
– grauen Baustein durch einen Stahlstift verbunden. Die<br />
Idee hinter den Grundbauteilen<br />
lautet, sie ohne Schrauben oder<br />
Ähnliches ineinanderschieben zu<br />
können, so dass an all ihren<br />
sechs Seiten stufenlos angebaut<br />
werden kann. Auf diese<br />
Weise erschuf der Fachmann im<br />
Befestigungsbereich schlechthin<br />
ein kindgerechtes Abbild von<br />
seinem Befestigungselement.<br />
Zu besagtem Baustein gesellten<br />
sich Räder, Achsen, Naben<br />
und Zahnräder. Weihnachten<br />
1965 war der Fischertechnik-<br />
Konstruktionsbaukasten fertig.<br />
Die erste Serie wurde der<br />
Aktion Sorgenkind des Zweiten<br />
Deutschen Fernsehens zur<br />
Verfügung<br />
gestellt.<br />
Dass Artur Fischer,<br />
der selbst nie studiert<br />
hat, mit Hilfe seines<br />
Kinderspielzeugs eine<br />
ganze Generation von<br />
Ingenieuren zu ihrem<br />
Beruf inspirieren würde,<br />
ahnte zu dem damaligen<br />
Zeitpunkt noch<br />
niemand. Ein rasanter<br />
Erfolg<br />
über<br />
die deutschen Grenzen hinaus zeichnete ih sich allerdings<br />
schnell ab. 1970 wurde Fischertechnik in Frankreich<br />
mit dem „Oscar du Jouet" für den wissenschaftlich und<br />
pädagogisch wertvollsten Konstruktionsbaukasten zeichnet.<br />
ausge-<br />
Bereits Ende der 60er Jahre war das Interesse so<br />
groß, dass neue Bauteile wie Motoren und<br />
Getriebe sowie statische, elektromechanie<br />
intesche<br />
und elektronische Elemente<br />
griert wurden. 1968 analysierte an<br />
der Pädagogischen Hochschule<br />
Heidelberg eine aus Pädagogen<br />
und Didaktikern zusammengesetzte<br />
Arbeitsgruppe Technische<br />
Bildung (ATB Heidelberg) mehrere<br />
gängige Baukästen. Das Resultat<br />
ihrer Untersuchungen lautete, dass s durch Fischertechnik<br />
Seite 66 ■ GoodTimes 1/2014
technisches Denken am stärksten gefördert werde und dass es das dazu<br />
am besten geeignete Arbeitsmittel sei. Dementsprechend kam eine<br />
Zusammenarbeit mit den Fischerwerken zustande. u-t 1 bzw. u-t 2 für<br />
Maschinentechnik (Kran, Seifenkiste, Gabelstapler und anderes) sowie<br />
u-t 3 bzw. u-t 3/1 entsprechend für Elektromechanik mit Glühlampen,<br />
Elektromagneten, Steckern usw. stellen nur zwei Beispiele für daraus<br />
entstandene Lernbaukästen dar.<br />
Schließlich wurde das Programm von Fischertechnik in Spielprogramm<br />
für Kinder ab sechs<br />
Jahre, Schulprogramm<br />
für alle Schularten<br />
und Schulstufen sowie<br />
Hobby-Programm<br />
für<br />
Jugendliche<br />
und Erwachsene<br />
unterteilt.<br />
Noch<br />
heute sind die<br />
Bauelemente für<br />
lassen. Obwohl seine Elemente von den Grundbauteilen abweichen,<br />
können sie problemlos in das „gewöhnliche" Fischer-System integriert<br />
werden. Anstöße zum Modellbau lieferten seit Ende der 60er<br />
regelmäßig erscheinende Clubhefte. Insgesamt haben sich in über 40<br />
Jahren 90 Ausgaben angesammelt. Wer<br />
diese Fundgrube durchforsten möchte,<br />
dem hilft das Internet, das für<br />
Anhänger eines technischen Spielzeugs<br />
kein Neuland darstellen dürfte. Ein<br />
Verzeichnis sämtlicher Modelle aus<br />
den Clubheften vom Flammenwächter<br />
über Nonsens wie den singenden n<br />
Hamster bis zum Katapult ist in einer<br />
Ausgabe von ft:pedia zu finden. Mit<br />
dieser seit 2011 unentgeltlich erscheinenden<br />
Quartalszeitschrift haben die<br />
Herausgeber Dirk Fox und Stefan Falk<br />
sich es zum Ziel gesetzt, Kinder und<br />
den gesamten naturwissen-<br />
schaftlich-technischen Unterricht bis hinauf<br />
zu den Hochschulen geeignet. Maschinen aus der Großtechnik<br />
und Funktionsabläufe in komplexen Produktionsanlagen können<br />
reproduziert werden. Der Sinn des womöglich intelligentesten technischen<br />
„Spielzeugs" erschöpft sich jedoch nicht im maßstabsgerechten<br />
Nachbau technischer Geräte zu Demonstrationszwecken.<br />
Genauso geht es um die Förderung<br />
der Fantasie und des logischen<br />
Denkens: Umgekehrt können an<br />
einem Fischertechnik-Modell künftige<br />
Arbeitsabläufe geprobt werden,<br />
so dass auch Firmen die Bausteine<br />
längst für sich entdeckt haben – und<br />
das nicht nur zur Erprobung, son-<br />
dern auch zum Einsatz als Arbeitsgerät.<br />
Beispielsweise baute bereits zu Beginn der<br />
70er Jahre eine Arzneimittelfirma ein<br />
Rührwerk für Blutuntersuchungen<br />
aus Fischertechnik, weil andere<br />
Geräte auf dem Markt größer<br />
und teurer waren.<br />
Doch<br />
zurück unter den<br />
Weihnachtsbaum und von<br />
dort in die Kinderzimmer, denn dort<br />
wurde die Basis für einen bis heute<br />
anhaltenden Erfolg von<br />
Fischertechnik<br />
gelegt, der sich unter anderem in einem<br />
vom Unternehmen selbst unterstütz-<br />
ten Fanclub mit über 30.000 Mitgliedern<br />
äußert. Mitte der 70ern kam<br />
für Kleinkinder<br />
das „3 bis 6"-System zum Spielen und Lernen<br />
zu Hause oder im Kindergarten dazu, aus dem sich<br />
zum Beispiel eine Eisenbahn oder Flugzeuge bauen<br />
Erwachsene für Technik zu begeistern – auch weil sie sich im Medien-<br />
Zeitalter in Anbetracht der konkurrierenden Angebote für Kinder wie<br />
Fernsehen und Computerspielen gewisse Sorgen um die künftige<br />
Innovationsfähigkeit Deutschlands machen. Auch in ft:pedia geben<br />
Autoren Anregungen zu Modellen, beispielsweise il i von der Wuppertaler tl<br />
Schwebebahn oder einem Planetarium. Es gibt vermutlich nichts, was<br />
sich mit Fischertechnik grundsätzlich nicht nachbauen ließe, sei es ein<br />
Morseapparat oder ein Blitzlichtgerät in Anlehnung an die Erfindung<br />
von Artur Fischer, die Fischertechnik wahrscheinlich überhaupt erst<br />
ermöglichte. Die anscheinend grenzenlosen Variationsmöglichkeiten<br />
machen mit Sicherheit eine Seite der Faszination aus. Auf<br />
der anderen Seite sind die Bauelemente unglaublich präzise.<br />
Angesichts dieser Erfolgsgeschichte erstaunt die<br />
Information, dass mit Fischertechnik lange Zeit kein Geld<br />
verdient wurde: Noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts<br />
handelte es sich dabei um ein Zuschussgeschäft, wie<br />
Fischer in einem Porträt verriet: „Ich habe mir die Freiheit<br />
genommen, von dem Geld, das ich mit Dübeln verdient<br />
habe, die Fischertechnik abzuzweigen." Denken Sie ehrfürchtig<br />
daran, wenn Sie das nächste Mal eine Schraube in<br />
einen Dübel drehen.<br />
Thorsten Pöttger<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 67
Made in Switzerland<br />
Ein Wegweiser zu<br />
18 Bond-Locations<br />
in der Schweiz<br />
Während die Schweiz vom Geheimdienstskandal erschüttert<br />
wird und Bankdaten von Informanten an fremde Länder verkauft<br />
werden, ist mitunter die Rede von der "<br />
James Bond Manier", in<br />
der Whistleblower geheime Daten übergeben. Kein Wunder: 007<br />
ist ein halber Schweizer. Seine Mutter war Schweizerin. Und sein<br />
geistiger Vater, Ian Fleming, hat das Alpenland zum Reich der<br />
Supergangster erklärt. Eine Spurensuche.<br />
I<br />
n „Die Welt ist nicht genug" betritt Bond in Spanien eine<br />
Bank – eine Schweizer Bank. Bevor das Geschäftliche<br />
geregelt wird, muss Pierce Brosnan sich filzen lassen. Sein<br />
Kommentar ist so trocken wie sein Martini: „Was wäre das für eine Welt,<br />
in der man nicht einmal einem Schweizer Bankier vertrauen kann?" Die<br />
geschäftliche Angelegenheit endet mit Betrug und Tod. Die Wahrheit<br />
ist: In James Bonds Welt sind die Schweizer Bankiers die Handlanger<br />
der Bösewichte. Wenn Bond, nun als Daniel Craig, in „Casino Royale"<br />
Geschäfte mit der Filiale der (fiktiven) Basler Bank in Venedig macht,<br />
dann lauern auch hier Betrug und plötzlicher Tod. Das ist das geistige<br />
Erbe von Ian Fleming. Der ließ sein Alter Ego, den Geheimagenten mit<br />
der Doppelnull-Nummer, immer wieder in der neutralen Schweiz gegen<br />
die Mächte des Bösen operieren. Und auch die Filmemacher nutzten<br />
die alpine Kulisse als Land, in dem nur scheinbar Frieden und Eintracht<br />
herrschen. Darum finden Fans der populärsten Filmserie aller Zeiten<br />
noch heute in dieser Drehscheibe Europas die Spuren des Kosmopoliten<br />
mit der Lizenz zum Töten.<br />
Goldfinger<br />
Location 1: Mit „Goldfinger" begann die besondere Liaison der<br />
Filmemacher mit Helvetien. Der Aston Martin verfolgt die Luxuskarosse<br />
seines Gegenspielers und taucht zuerst in Genf auf der Rue de Lausanne<br />
auf (beim Botanischen Garten).<br />
Location 2: Durch das Wunder des Filmschnitts befindet sich Bond in der<br />
nächsten Einstellung<br />
bereits auf dem hochalpinen<br />
Furkapass.<br />
Der silbergraue Aston<br />
Martin, das wohl<br />
berühmteste Fahrzeug<br />
der Filmgeschichte, ist<br />
zu sehen, wie er das<br />
Dorf Realp im Kanton<br />
Uri verlässt.<br />
Location 4: Bond, damals noch<br />
Sean Connery, stoppt auf dem<br />
Pass in der Haarnadelkurve bei der<br />
Kilometermarke 49 und entgeht<br />
um Haaresbreite dem Schuss aus<br />
einem Scharfschützengewehr.<br />
Location 5: 007 bringt das erste<br />
Gimmick seines Geheimagenten-Vehikels hik zum Einsatz: den legendären<br />
Pneu-Schredder. Die Einstellung, wie der Aston Martin damit ein Auto<br />
zum plötzlichen Halt zwingt, wurde auf der Furkastraße zwischen Realp<br />
und Zumdorf gedreht (auf Höhe des heutigen Campingplatzes).<br />
Location 6: Bond lässt seine Beifahrerin an der Tankstelle Aurora in<br />
Andermatt aussteigen.<br />
Der Betreiber<br />
der Tankstelle<br />
kann dem britischen<br />
Spion für<br />
den Zwischenstopp<br />
danken: Noch heute<br />
halten hier regelmäßig<br />
Touristen, um<br />
sich vor dem eher<br />
unüblichen Fotosujet teiner Benzinzapfsäule fotografieren fi zu lassen, und<br />
natürlich wird dann auch gleich „aufgetankt".<br />
Location 3: Goldfingers Weg führt am Rhône-Gletscher und dem<br />
bekannten Hotel Belvédère vorbei. Erwähnenswert, dass der Gletscher<br />
zum Zeitpunkt der Aufnahmen 1962, verglichen mit heute, wesentlich<br />
weiter ins Tal herunterragte.<br />
Seite 68 ■ GoodTimes 1/2014
Location 7: Bond beobachtet, wie Gert Fröbe in seiner Fabrik ankommt.<br />
Im Roman lebt Gauner Goldfinger im Waadtländer Städtchen Coppet – wo<br />
Ian Fleming im Jahr 1931 tatsächlich wohnte. Für sein filmisches Domizil<br />
wählten die Produzenten die noch heute existenten und im Flugzeugbau<br />
äußerst aktiven<br />
Pilatuswerke<br />
im luzernischen<br />
Stans aus (Stans<br />
liegt am Südfuß<br />
des Bürgenstocks,<br />
einer<br />
hochgelegenen<br />
VIP-<br />
Siedlung,<br />
die<br />
unter<br />
anderem<br />
lange die Heimat<br />
von Mel Ferrer und seiner Frau Audrey Hepburn war). Connery beobachtet<br />
diese Werkhallen von einem Hügel aus. Der Ausblick ist bis heute<br />
unverändert.<br />
Location 8: In Andermatt, wo heute ein Supermillionär ein Alpen-Ressort<br />
aus dem Boden stampft, logierte damals die Goldfinger-Filmcrew.<br />
Connery nächtigte<br />
im Hotel Bergidyll,<br />
das im heutigen<br />
Zustand kaum<br />
als Adresse von<br />
Superstars in Frage<br />
käme. In Zimmer 21<br />
allerdings, so will es<br />
die lokale Legende,<br />
soll Connery<br />
dann in seinen<br />
Drehpausen mit dem<br />
Zimmermädchen<br />
gleich noch<br />
Überstunden als<br />
Aufgeräumte Stimmung nach Drehschluss: Heini Holzhauser (rechts),<br />
seinerzeit Hotelpage im Andermatter Bergidyll, in illustrer Gesellschaft<br />
mit Bondgirl Tania Mallet (3. von rechts) und 007 himself.<br />
Verführer gemacht haben.<br />
Der damalige Hotelpage<br />
Heini Holzhauser erinnert<br />
sich mit diebischem<br />
Vergnügen, wie er dem<br />
bärenstarken Ringer<br />
Harold Sakata zeigte (er<br />
schleudert im Film einen<br />
tödlichen Zylinder), wo<br />
der Bartel den Most holt:<br />
Er schlug Sakata in der<br />
urchigen Disziplin, ein<br />
Spiel Jasskarten zu zerreißen.<br />
Im Geheimdienst Ihrer Majestät<br />
Location 9: Die Idee zur Alpenfestung eines weiteren größenwahnsinnigen<br />
Gangsters kam Fleming während seiner Weihnachtsferien<br />
im Engadin: Im<br />
Hotel Kronenhof-<br />
Bellavista erdachte<br />
er „Im Geheimdienst<br />
Ihrer Majestät". Sein<br />
Einfall, den Schurken<br />
Blofeld auf einer<br />
Bergspitze logieren<br />
zu lassen, stellte die<br />
Filmemacher freilich<br />
vor ein großes logistisches<br />
Problem. Es war<br />
für den Schweizer<br />
Tourismus und für<br />
die 007-Macher ein<br />
wahrer Glücksfall, dass just 1967 ein Bergrestaurant t in den Berner Alpen<br />
geplant war, auf<br />
dem fast 3000<br />
Meter hohen<br />
Schilthorn – es<br />
ist der einzige<br />
bis zum heutigen<br />
Tag real existierende<br />
Bond-<br />
Set (denn was<br />
am Ende in die<br />
Luft fliegt, ist<br />
lediglich li ein täuschend echtes Modell). Die Produzenten finanzierten<br />
den Bau mit<br />
und durften<br />
dadurch<br />
architektonisch<br />
eingreifen<br />
(so<br />
legten sie<br />
etwa einen<br />
Helikopter-<br />
Landeplatz<br />
an). Die<br />
Aargauer<br />
Firma De Sede lieferte die Möbel fürs Interieur, und Bond-Freunde<br />
d<br />
können sich bis heute daran erfreuen,<br />
Teile des Filmsets in Augenschein<br />
zu nehmen. So ist die Verkleidung des<br />
Treppenaufgangs unschwer wiederzuerkennen,<br />
und an prominenter Stelle hängt<br />
Blofelds „Familienwappen". Die Schweizer<br />
waren clever genug, sich das Recht einzuräumen,<br />
mit dem 007-Logo Werbung zu<br />
betreiben – einen solchen Deal sind die<br />
Bond-Produzenten nie mehr eingegangen.<br />
Location 10:<br />
Bond, jetzt als<br />
George Lazenby,<br />
wird am Bahnhof<br />
Lauterbrunnen im<br />
Pferde schlitten<br />
abgeholt. Bis auf<br />
einige bauliche<br />
Veränderungen ist die<br />
Station so ursprünglich wie damals.<br />
Location 11: Bond entledigt sich eines Gegners, indem er ihn<br />
die markante Mürrenflüh-Felsspalte hinabstürzt, heute eine<br />
gefragte – und gefährliche – Location für Basejumper.<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 69
Location 12: Bonds<br />
Flucht vom Schilthorn<br />
führt ihn zu einer<br />
Schlittschuh-Bahn.<br />
Der Eiskarneval und<br />
das Stockcar-Rennen<br />
wurden im bernischen<br />
Grindelwald gedreht.<br />
Location 13: 007 versucht, mit London zu<br />
telefonieren, wird aber in der Telefonkabine<br />
beschossen. Der Tatort ist noch heute einfach<br />
zu finden: gleich beim alten Schulhaus von<br />
Lauterbrunnen.<br />
George Lazenby mit<br />
den Bond-Girls in<br />
Mürren 1969.<br />
007-Produzenten ist zurückzuführen, das in Mürren heute noch<br />
Nachkommen jener lebhaften Drehtage leben: die „Bond-Babys", wie<br />
sie im Volksmund genannt werden.<br />
Im Angesicht des Todes<br />
Location 16: Bond, jetzt sieht<br />
er schon aus wie Roger Moore,<br />
entflieht russischen Häschern<br />
in Sibirien i auf Skiern – tatsächlich ttähli h<br />
wurde im Engadin gedreht, auf dem<br />
Morteratsch-Gletscher (der auch<br />
Drehort des Sean-Connery-Streifens<br />
„Five Days One Summer" war).<br />
Goldeneye<br />
Location 17: 007, nunmehr als Pierce<br />
Location 14: In einer ruhigen Minute von „Im<br />
Geheimdienst Ihrer Majestät" steigt George<br />
Lazenby aus dem Auto seiner Geliebten, um<br />
in Bern ein Anwaltsbüro aufzusuchen. Die<br />
Brosnan, riskiert den Bungy-Sprung<br />
von einer russischen Staumauer. Erneut<br />
doubelt die Schweiz für Sibirien:<br />
Am Verzasca-Staudamm im Kanton<br />
Fahrt führt vorbei an der damals populären<br />
Touristenattraktion, dem „Bärengraben", und<br />
endet an der Berner Adresse Bollwerk 15.<br />
Bond stiehlt geheime Unterlagen und übergibt bt seine Beute auf dem<br />
Balkon des Hotels Schweizerhof (diese Sequenz fiel in der Kinofassung<br />
Tessin kann heute,<br />
wer für einmal den<br />
der Schere zum Opfer, ist aber in den digitalen Versionen wieder eingefügt<br />
Adrenalin-<strong>Kick</strong> des<br />
worden).<br />
Super-Agenten spü-<br />
ren will, den „James-<br />
Location 15: Die Dreharbeiten<br />
Bond-Sprung" am<br />
am Schilthorn<br />
Gummiseil wagen.<br />
wurden durch die<br />
Wetterverhältnisse stark<br />
Location 18: Auf der<br />
verzögert. Cast und<br />
Flucht aus Sibirien<br />
Crew lebten im nur per<br />
stürzt 007 auf seinem<br />
Seilbahn erreichbaren<br />
Motorrad über<br />
Kurort Mürren. Lazenby<br />
eine Klippe, nur um in<br />
war, seinem Bond-<br />
ein Flugzeug umzu-<br />
Status entsprechend,<br />
im Grand-Hotel Htl<br />
steigen: Diese spekta-<br />
kuläre Sequenz wurde<br />
am Tällistock aufgenommen, wiederum id im Berner Oberland.<br />
untergebracht<br />
(das mittlerweile<br />
schlie-<br />
ßen<br />
musste),<br />
Bösewicht<br />
Telly<br />
Savalas<br />
im Jungfrau,<br />
während<br />
Regisseur<br />
In der letzten Szene von „Skyfall"<br />
erleuchtet ein Feuer gespenstisch einen en<br />
Grabstein mit der Inschrift „Monique<br />
Delacroix": James Bonds Mutter.<br />
Gestorben ausgerechnet beim Ski-<br />
Unfall in der Schweiz. Ihr reales Vorbild<br />
war Monique Panchaud de Bottens.<br />
Fleming traf sie als junger Diplomat in<br />
Peter<br />
Hunt<br />
Genf – sie blieb die große, aber unerfüllte<br />
im Chalet Uhu und<br />
Liebe seines Lebens. Zeit seines<br />
Bond-Girl Diana<br />
Lebens kehrte der Schriftsteller immer<br />
Rigg<br />
im Chalet<br />
wieder zurück in die Schweiz, um<br />
Am<br />
Rauft wohn-<br />
ten.<br />
In der Tächi-<br />
Bar<br />
des Eigerweltbekannte<br />
Zeitgenossen zu treffen,<br />
dem Alpinsport zu frönen und seiner<br />
Verflossenen nachzutrauern. In seinen<br />
Hotels hängt<br />
Romanen ließ er die Verwalter dubioser<br />
bis heute ein<br />
Vermögen auftreten, die Schweiz stell-<br />
Dankesschreiben<br />
te er als Paradies für Spione dar. Fleming pflegte wahrlich h ein<br />
der Bond-Pro du zenten. Auf die Durch mischung<br />
ambivalentes Verhältnis zu diesem Land. Und Bond, James Bond, hat<br />
mit der Dorfbevölkerung und vielleicht auch auf dieses Misstrauen von ihm geerbt.<br />
den<br />
reichlichen Alkoholausschank auf Kosten der<br />
Roland Schäfli<br />
Seite 70 ■ GoodTimes 1/2014
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GoodTimes 1/2014 ■ Seite 71
Kugellautsprecher –<br />
Rundum-Schlag<br />
Audiorama 7000<br />
Mit<br />
den kugeligen<br />
Audiorama-Laut sprech<br />
ern gelang Grundig in den<br />
70ern ein highfideler Coup.<br />
Die runden Boxen aus Fürth<br />
sahen cool aus und klangen<br />
einzigartig.<br />
Von Lothar Brandt<br />
Deutschland, Ende der 60er Jahre: So ganz langsam begann sich der<br />
spießige Mief aus Köpfen, Wohnstuben und Erziehung zu verziehen,<br />
allmählich wich der braune Untertanengeist in Westdeutschland dem<br />
Mut, mehr Demokratie zu wagen. In der verklärenden Rück-Sicht scheint<br />
„68" immer die gesamte Gesellschaft beherrscht zu haben. Pustekuchen.<br />
Bis ein freieres, aufgeklärteres, lebensfroheres Denken e den Laden ganz<br />
durchdrungen hatte, sollten allerdings Jahre<br />
vergehen.<br />
Nichtsdestotrotz – einige begannen, sich zu trauen.<br />
Zum Beispiel Lautsprecher in Kugelform zu<br />
bauen. Das war auch so ein bisschen revolutionär.<br />
Denn der deutsche Schallwandler hatte viereckig,<br />
möglichst versteckt hinter Gardinen oder<br />
Möbeln seine Pflicht zu erfüllen. Nun wagte<br />
sich ausgerechnet Grundig, jenes erzbundesdeutsche<br />
Vorzeige-Unternehmen unter Patriarch<br />
Max Grundig, einen Lautsprecher anzubieten,<br />
der nicht nur kugelrund war, sondern der auch<br />
als Blickfang im Zimmer stehen oder gar – auch<br />
das nahezu umstürzlerisch – hängen durfte. Genauer: sogar sollte. Und<br />
Grundig war nicht die erste und nicht die einzige Firma; auch JVC aus<br />
Japan oder Telefunken aus Deutschland zum<br />
Beispiel gaben den Kunden die Kugel.<br />
Aber nur Grundig verschaffte seinen<br />
Lautsprechern den Ruf und kommerziellen<br />
Erfolg, so dass heute fast nur noch die<br />
Franken aufgerufen werden, wenn es darum<br />
geht, wer den Stein ins Rollen brachte. Das<br />
mag auch an dem griffigen Namen gelegen<br />
haben: Audiorama. Die lustige Verbindung von<br />
Audio (lateinisch: ich höre) und Panorama wurde<br />
zur Marke. Wer Kugellautsprecher sagte, meinte<br />
Grundig Audiorama.<br />
Es kursieren unterschiedliche Versionen, wann es mit<br />
den Audioramas losging. Der oft genannte Ursprung, der<br />
„Kugelstrahler 700" von 1969, hieß offiziell noch nicht Audiorama,<br />
strahlte mittlere und hohe Töne aber schon in mehr oder weniger in alle<br />
Richtungen ab, darf also als veritabler Urahn gelten. So richtig rund lief<br />
die Sache ab 1970/71. Da kam mit der Audiorama 7000<br />
die erste und in den Augen vieler Fans einzig wahre<br />
Kugelbox auf den Markt. Die kostete pro Paar 1600<br />
Mark, damals ein kleines Vermögen.<br />
Man darf nicht vergessen: Die frühen 70er waren<br />
auch hinsichtlich High Fidelity eine andere Zeit.<br />
Die heute nahezu entsorgte deutsche HiFi-Norm<br />
DIN 45500 war das Maß der Dinge. Kaum ein<br />
Verstärker leistete mehr als 100 unverzerrte Watt<br />
pro Kanal, die meisten Schallplattenspieler frästen<br />
die Vinylscheiben eher, als dass sie sie abtasteten, kaum<br />
ein Lautsprecher übertrug tiefste und höchste Frequenzen so<br />
unverzerrt und kraftvoll, wie man<br />
das heute schon von kleinen, feinen<br />
HighEnd-Boxen gewohnt ist. Ein<br />
Irrtum war damals so präsent wie<br />
noch oft heute: Die Prospekte versahen<br />
Lautsprecher mit einer Watt-<br />
Zahl – und der geneigte Käufer<br />
schloss darauf auf den maxima-<br />
len<br />
Radau, den er damit machen<br />
konnte. Dabei war es de jure lediglich<br />
eine Angabe darüber, wie viel<br />
Leistung man in den Speaker jagen<br />
konnte, ohne dass er kaputtging.<br />
Dass schwache, h an der Leistungsgrenze stramm verzerrende<br />
Transistorverstärker eine Box viel eher zerstören können<br />
Audiorama 7000<br />
Seite 72 ■ GoodTimes 1/2014<br />
Audiorama 4000
als kraftvolle, mit Reserven gesegnete Exemplare oder viele Röhren-<br />
Amps, dass der Wirkungsgrad für die tatsächlich erzielbare Lautstärke um<br />
Faktoren wichtiger war als die Belastbarkeit, verschwieg man getreulich.<br />
Also auch Grundig. Die Familie der Audioramas nannte sich nach der DINadäquaten<br />
Wattzahl plus zwei Nullen hintendran. Die Audiorama 7000<br />
vertrug also 70 Watt.<br />
Es ist wundervoll, dazu im zeitgenössischen<br />
Prospekt heute folgende<br />
Beschreibung zu lesen:<br />
„Diese Kugel mit 12 hochwertigen<br />
Lautsprechern und einem<br />
supermodernen Styling verspricht<br />
ein völlig neues Klangerlebnis.<br />
Naturgetreue Rundumstrahlung<br />
aller Töne des angegebenen n<br />
Übertragungsbereiches. Deutliche,<br />
saubere Höhen, kräftige ausgeglichene<br />
Mitten und runde, weiche Bässe. Bestmögliche<br />
Beschallung auch in schwierigen akustischen Fällen.<br />
Universelle Verwendbarkeit für Disotheken, Hotels,<br />
Konzerträume und zu Hause. Ein elegantes Fußgestell<br />
und eine dekorative Kettenaufhängung werden mitgeliefert."<br />
Na, das ist doch was. Zu lesen im Grundig-<br />
Prospekt 1970, als der Lautsprecher zwar fertig war,<br />
aber der Preis noch nicht feststand.<br />
Für die dann 1971 aufgerufenen 798 D-Mark<br />
pro Stück Audiorama 7000 gab es ja auch viel:<br />
Die angelieferte Musikleistung verteilte jeder<br />
Lautsprecher wirklich auf sage und schreibe<br />
zwölf Schallwandler intern, schön symmetrisch<br />
verteilt auf beide Halbkugeln. Vier<br />
Tieftöner und acht Hochtöner übernahmen<br />
den angegebenen Übertragungsbereich von<br />
45 bis 20.000 Hertz, wobei die Hochtöner<br />
so bei etwa 3500 Hertz übernahmen. Die<br />
45 Hertz entsprechen etwa der tiefsten Saite<br />
eines Kontrabasses, die 3500 Hertz liegen weit<br />
oberhalb des so genannten Grundtonbereichs schon im klangentscheidenden<br />
Obertonspektrum von Musik, die 20.000 Hertz markieren die<br />
obere Hörgrenze eines gesunden Kleinkindes.<br />
Versetzen wir uns noch einmal in die zeitgenössische Hör<strong>kult</strong>ur.<br />
Den Schall auf mehrere so genannte Wege zu verteilen – eine<br />
Frequenzweiche splittete das vom Verstärker gelieferte Vollbereichssignal<br />
–, war schon gang und gäbe. Großflächige Membranen kamen leichter<br />
mit tiefen Frequenzen zurecht, kleine und leichte besser mit hohen.<br />
Okay, nichts Neues bei Grundig. Aber seinerzeit wurden fast ausschließlich<br />
Konusse verwandt, also nach innen gezogene Trichter, auch<br />
für die Hochtöner. Die hatten aber den unangenehmen Effekt,<br />
zu höheren Frequenzen immer stärker zu bündeln. Das<br />
führte eben erstens dazu, den Stereohörer im gefürchteten<br />
„Stereodreieck" an einen bestimmen Hörplatz zu fesseln,<br />
sollte der alles mitbekommen. Und zweitens vernahm der<br />
Lauscher – das menschliche Ohr leistet das Richtungshören<br />
über die Obertöne – die Musik doch sehr direkt aus den Boxen<br />
mit sehr strenger Links-Rechts-Trennung, ohne echte Mitte, was nicht<br />
sehr naturnah ist. Mit den später aufkommenden Kalotten-Hochtönern<br />
– eine nach außen gewölbte Halbkugel-Membran übernahm da die<br />
Abstrahlung – wurde das Bündelungsproblem abgemildert, aber die<br />
hatte Grundig noch nicht zur Verfügung.<br />
Und so verteilten die Fürther eben rundum. US-Konkurrent Bose hatte<br />
mit der 901 schon länger einen „Direct Reflecting"-Brüller am Markt, der<br />
acht Neuntel des Schalles nach hinten/seitwärts abstrahlte und so für<br />
verblüffend räumliche Klangbilder sorgte, freilich aus einem noch eckigen<br />
Gehäuse. Doch die Grundig Audioramas machten eine wahrhaft runde<br />
Sache draus. Der Autor erinnert sich noch gut an jene ersten Erlebnisse im<br />
Wohnzimmer eines Klassenkameraden, dessen begüterter Papa HiFi- und<br />
Musikfan war und die Grundig-Kugeln als einer der ersten im Heimatort<br />
besaß. Wow – das war doch was anderes als aus der Musiktruhe<br />
bei Vattern, als Jethro Tulls "Locomotive Breath" durchs ganze<br />
Zimmer fauchte. Und man wusste wirklich nicht genau, woher<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 73<br />
der Wind wehte, der Tull-Schall schien völlig losgelöst von den Boxen.<br />
Und bei klassischer Musik füllte das Orchester nun wirklich eine imaginäre<br />
Bühne und einen Saal, statt verdruckst aus zwei Ecken zu plärren.<br />
Keine Frage, Grundig war ein großer Wurf gelungen. Aber zu einem<br />
satten Preis, den nur wenige Deutsche damals für Lautsprecher zu zahlen<br />
bereit waren. Ein VW Käfer 1302 kostete anno 1970 schließlich 5745<br />
D-Mark, gerade dreieinhalbmal ein Paar Audiorama 7000 – und<br />
das heilige Blech rangierte deutlich höher in der Wertschätzung als<br />
Musikwiedergabe. Nochmals: Der Durchbruch auch der musikindustriellen<br />
Revolution stand in Deutschland ebenso noch bevor wie die<br />
japanische Invasion mit bezahlbarer Elektronik und der Sprung von<br />
High Fidelity auf Platz 3 im Schulhofsgesprächsranking unter Jungs<br />
nach den Dauerbrennern Fußball und Mädels.<br />
Grundig sah das Problem und ersann Abhilfe mit der Audiorama<br />
4000, ab 1973 verkauft und nur noch 800 D-Mark pro Paar teuer.<br />
Sie<br />
war mit einem Durchmesser von 25<br />
Zentimetern und damit einem Volumen von<br />
etwa sieben Litern merklich kleiner als die<br />
7000 mit 31 Zentimetern Durchmesser. Auch<br />
leichter (6,8 gegenüber 13,5 Kilogramm), was<br />
auch daran lag, dass intern pro Stück nur vier<br />
Chassis werkelten: zwei Tieftöner und zwei<br />
immerhin schon Kalottenhochtöner. Mit<br />
angegebenen 40 Watt Belastbarkeit zielte<br />
sie auf kleinere Verstärker, kleinere Räume<br />
und kleinere Geldbeutel – was ihr schließlich<br />
auch den Rang eines Klassikers einbrachte.<br />
Es kamen noch mehrere weitere Audioramas<br />
nach ihr, unterschiedlich groß, unterschiedlich gut,<br />
unterschiedlich teuer und höchst unterschiedlich<br />
erfolgreich. Doch nur die 7000 und die 4000 gelten<br />
als<br />
die „richtigen". Nur sie haben echten Kultstatus.<br />
Grundig, längst aus Familienbesitz durch viele Hände<br />
gewandert und inzwischen in türkischem Besitz<br />
gelandet, versuchte 2009 davon zu profitieren. Mit<br />
der Audiorama 9000 brachte die Firma ein Remake<br />
mit zeitgemäßer Technik in freilich nicht mehr kugelrunder,<br />
sondern leicht ellipsoider Gestalt. Auch wieder in Schwarz oder<br />
Weiß lieferbar, auch wieder mit Fuß (nur diesmal kein Trompetenfuß<br />
oder Dreibein, sondern Stab auf Platte) oder mit Deckenhalterung zu<br />
haben. Um 1200 Euro Paarpreis ohne Fuß, ein Kalottenhochtöner pro<br />
Box strahlte nach oben auf einen Diffusor-Kegel – Preis und räumliches<br />
Klangbild stimmten. Die HiFi-Journaille und natürlich die Trendhechler<br />
stürzten sich auf das Objekt; und zumindest die HiFi-Tester mit dem<br />
nostalgischen Herz auf dem rechten Fleck bewerteten gnädig.<br />
Doch viel spannender ist natürlich, eine originale Audiorama heute zu<br />
hören. Ein Zürcher Freund des Autors ist nicht nur Sprachgenie<br />
und Weinkenner, sondern auch Vintage-HiFi-Fan. Als solcher<br />
hat er vor Jahren eine exzellent erhaltene Audiorama 4000<br />
erworben, die nun in seiner mit 70er-Jahre-Equipment<br />
prunkenden „Zweit"-Anlage, besser seiner „Gute-Zeit"-<br />
Anlage läuft.<br />
Apropos: Wer sich heute eine Audiorama via Ebay oder sonstwie<br />
gebraucht kauft, sollte auf folgende Schwachstellen achten: originaler<br />
Fuß ohne (an-)gebrochene Schraube? Anschlusskabel noch original<br />
oder abgeschnitten? Beulen oder Dellen in den Halbschalen? Ist das<br />
Grundig-Wappen noch am „Nordpol"? Ist der Alu-Zierring am „Äquator"<br />
noch intakt, desgleichen die abdichtenden Gummiringe? Irgendwelche<br />
„Ranks"-Geräusche bei Musik? Wenn alles okay ist, kann man auch<br />
gerne bis zu 400 Euro für eine 7000 oder 250 Euro für eine Audiorama<br />
4000 in Topzustand investieren.<br />
Mit der bevorzugten Musik des angesprochenen Freundes, Reggae aus<br />
den obskursten karibischen Quellen, hatten wir jedenfalls schon verdammt<br />
viel Spaß. Ein im strengen Vergleich mit heutigen HighTech-Züchtungen<br />
etwas magerer, auch unpräziser Bass – na und? Im wiegenden Reggae-<br />
Rhythmus hebt das eher noch den Coolness-Faktor. Ein wenig schlappe<br />
Höhen – he, wir sind hier nicht im Präzisionslabor. Aber dieser raumfüllende,<br />
geradezu spacig-losgelöste Sound, der unaufdringlichsanfte<br />
Wellengang der Musik: Die Art Rundumschlag lässt man<br />
sich noch heute gerne gefallen.<br />
Remake Audiorama 9000
DAS JAHR 1973<br />
..<br />
Kein Ol,<br />
ein Klo, viel<br />
Klimbim<br />
Von Bernd Matheja<br />
Sportfans darbten: keine Fußball-WM und<br />
-EM, Olympische Spiele weder im Sommer<br />
noch Winter. Speziell in der tristeren Jahreszeit<br />
drohte weitere Abkühlung: Öl wurde radikal verknappt<br />
und damit brutal teurer. Nur gut, dass es<br />
da wenigstens für dringende Freiluftgeschäfte e<br />
neue Rückzugsflächen mit schützendem Dach<br />
gab. Und für weitere Erwärmung sorgte eine e<br />
komplett durchgeknallte Fernseh-Familie.<br />
ZEITGESCHICHTE<br />
1973<br />
Am 27.1. schließen Nordvietnam und die USA ein<br />
Waffenstillstandsabkommen. *** Mit Beginn des Jahres tritt in der<br />
Bundesrepublik die Verkürzung des Wehrdienstes auf 15 Monate (zuvor<br />
18) in Kraft. Am 1.7. wird er außerdem<br />
juristisch dem Zivildienst gleichgestellt.<br />
*** Amerikanische Indianer<br />
wehren sich: Am 27.2. besetzen sie<br />
die Ortschaft Wounded Knee in<br />
South Dakota. *** Die Mehrheit<br />
der Nordiren (57%) entscheidet<br />
sich in einem Referendum am 8.3.<br />
Wounded Knee<br />
für die weitere Zugehörigkeit zu<br />
Großbritannien. i Abgelehnte lh Alternative: Irland. *** Die größte Hubbrücke<br />
der Welt wird am 21.3. in Hamburg dem Verkehr übergeben ( "<br />
Kattwyk-<br />
Brücke"). *** Eröffnung des World Trade Centers in New York am<br />
4.4.; die beiden über 400 Meter hohen Türme („Twin Towers") sind<br />
terroristisches Attentatsziel am<br />
11.9.2001 (mehr als 3000 Tote).<br />
*** Watergate-Skandal und kein<br />
Ende: Die Nixon-Handlanger<br />
Gordon Liddy und James<br />
McCord gehen wegen Einbruchs<br />
in den Knast, die Berater John<br />
Kattwyk-Brücke<br />
Ehrlichman und Bob Haldeman<br />
treten zurück, Jurist John Dean wird gefeuert. Der Präsident bleibt<br />
weiter im Amt. *** Am 8.5. treten Mitglieder der RAF (Rote Armee<br />
Fraktion) aus Protest gegen die Haftbedingungen in einen unbefristeten<br />
Hungerstreik. *** Start der Weltraumstation „Skylab" am<br />
14.5. *** Willy Brandt besucht als erster Bundes kanzler Israel (7.6.).<br />
Helmut *** Fünf<br />
Kohl<br />
T a g e<br />
später<br />
w i r d<br />
Helmut<br />
Kohl in<br />
Bonn<br />
mit 86,6% der Si Stim men zum CDU-<br />
Vorsitzenden gewählt; er löst Rainer<br />
Barzel ab und behält das Amt 25 Jahre<br />
lang. *** Am 1.7. wird in Chile der<br />
Salvatore Ausnah me ezustand ausgerufen. Das<br />
Allende Militär unter der Leitung von Augusto<br />
Pinochet putscht am 11.9., der demokratische<br />
Regierungschef Salvatore<br />
Allende nimmt sich während des<br />
Angriffs auf den Präsidentensitz das<br />
Leben. *** Milliardärs-Enkel John Paul<br />
Getty III. wird am 15.7. in Rom entführt.<br />
Si Sein Großvater verweigert eine Lösegeldzahlung, bis die Täter ihm ein<br />
Ohr des Opfers schicken. Der alte Herr drückt die geforderte Summe von<br />
17 auf 3 Millionen Dollar. *** Die X. Weltfestspiele<br />
der Jugend und Studenten mit Delegierten aus 142<br />
Nationen finden vom 28.7. bis 5. August in Ost-<br />
Berlin statt. Besucherzahl: rund acht Millionen. ***<br />
Heinz Alfred „Henry" Kissinger aus Fürth tritt sein<br />
Amt als Nachfolger von US-Außenminister William<br />
Rogers am 22.8. an. *** Die Bundesrepublik<br />
und die DDR werden als Mitglieder Nr. 133<br />
und 134 in die Vereinten Nationen aufgenommen<br />
(18.9.). *** Flächendeckende Einführung der<br />
John Paul Getty III<br />
Seite 74 ■ GoodTimes 1/2014
Notrufnummern 110 und 112 in der BRD<br />
am 20.9. *** Der DDR-Staatsratsvorsitzende<br />
Walter „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu<br />
bauen" Ulbricht stirbt am 1.8.; sein Nachfolger<br />
Willi Stoph nimmt am 3.10. die Amtsgeschäfte auf.<br />
*** Jom-Kippur-Krieg: Am 6.10. greifen Syrien und<br />
Ägypten auf den Golanhöhen Israel an. *** Nächster<br />
Krach im Weißen Haus: Vizepräsident Spiro Agnew<br />
geht am 10.10. (Vorwürfe: Steuerhinterziehung,<br />
Bestechung). Ihm folgt Gerald Ford im Amt nach.<br />
Rufe nach einer Amtsenthebung für Präsident Nixon<br />
mehren sich. *** Ölkrise nahezu weltweit: Die Opec-Staaten erhöhen<br />
die Preise um 70 Prozent, senken<br />
zugleich die Fördermenge um 25<br />
Prozent, gezielte Lieferboykotte<br />
– u.a. gegen die USA – folgen.<br />
Grund für die Maßnahmen: Die<br />
Israelis sollen arabische Gebiete<br />
verlassen. Folge der Verknappung<br />
in der BRD ab 25.11.: vier<br />
Opec-Konferenz<br />
Sonntagsfahrverbote werden<br />
erlassen, um Sprit zu sparen. *** Am 17.11. wird in Athen ein<br />
Studentenaufstand gegen Giorgios Papadopoulos' Militärregime blutig<br />
niedergeschlagen. *** 23.11.: Die bundesdeutschen Fluglotsen beenden<br />
ihren halbjährigen Streik. ***<br />
1973<br />
SPORT<br />
In Kingston auf Jamaika wird George Foreman am 22.1.<br />
Boxweltmeister im Schwergewicht. Er besiegt mit dem siebten<br />
Niederschlag in nur zwei Runden Joe Frazier durch technischen<br />
Knockout. *** Erste Leichtathletik-Weltmeisterin der Geschichte wird<br />
Paola Cacchi am 17.3. im belgischen Waregem. Sie gewinnt den Crosslauf.<br />
*** Kaum Neues bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Moskau<br />
vom 31.3. bis zum 15.4.: Die lokalen Kufenroboter beenden das Turnier<br />
mit 20:0 Punkten und 100:18 Toren. Platz 6 und damit Absteiger aus<br />
Gruppe A ist die Bundesrepublik (2:18/19:82). Das B-Turnier gewinnt<br />
die DDR und steigt auf. *** Bei den beiden Radsport-Großereignissen<br />
gibt es in diesem Jahr vier verschiedene Teilnehmer aus ebenso vielen<br />
Nationen auf den Rängen 1 und 2. Beim Giro d'Italia setzt sich am<br />
9.6. Eddy Merckx (Belgien) gegen<br />
den Italiener Felice Gimondi durch. Die<br />
Tour de France beendet am 22.7. der<br />
Spanier Luis Ocana als Sieger und verweist<br />
Bernard Thévenet aus Frankreich<br />
auf Rang 2. Den Titel des Querfeldein-<br />
Weltmeisters hatte sich bereits am 24.2.<br />
Billie Klaus-Peter Thaler geholt. Dies gelingt<br />
Jean<br />
dem Siegerländer 1976 ein weiteres Mal.<br />
King<br />
*** Ebenfalls im Juli werden die All<br />
England Championships hi im Tennismekka Wimbledon entschieden:<br />
Der Tschechoslowake Jan Kodes siegt in einem Ostblockfinale bei<br />
den Herren gegen Alex Metreweli (UdSSR), das US-amerikanische<br />
Endspiel der Damen entscheidet Billie Jean King ggg<br />
gegen g Chris Evert<br />
für sich. *** Am 29.7. verunglückt<br />
der englische Formel-1-Rennfahrer<br />
Roger Williamson beim Großen Preis<br />
der Niederlande in Zandvoort tödlich,<br />
er verbrennt in seinem Auto.<br />
Weltmeister wird am 7.10. zum dritten<br />
und letzten Mal der Schotte<br />
Jackie Stewart. Auf den Plätzen:<br />
Jackie Stewart<br />
Emerson Fittipaldi (Brasilien) und der<br />
Schwede Ronnie Peterson, der 1978 in Monza sein Leben verliert. ***<br />
Fußball: BRD-Meister wird Bayern München vor dem 1. FC Köln und<br />
Fortuna Düsseldorf. Die Bayern stellen mit Gerd Müller den Saison-<br />
Torschützenkönig (38 Treffer). Die Kölner unterliegen am 23.6. auch<br />
im denkwürdigen DFB-Pokalfinale im Düsseldorfer Rheinstadion (1:2<br />
gegen Borussia Mönchengladbach), bei dem sich Günter Netzer<br />
in der Verlängerung selbst einwechselt und in der 94. Minute das<br />
Siegtor erzielt. *** DDR-Meister 1972/73 wird<br />
Dynamo Dresden vor dem FC Carl Zeiss Jena<br />
und dem 1. FC Magdeburg; den FDGB-Pokal<br />
holen sich die Magdeburger durch ein 3:2<br />
gegen Lokomotive Leipzig am 1.5. in Dessau.<br />
*** Fußballer des Jahres werden Günter<br />
Netzer (BRD) und der Dresdner Hans-Jürgen<br />
Kreische (DDR). Auf europäischer Ebene<br />
erhält Spielmacher Johan Cruyff von Ajax<br />
Günter Netzer<br />
Amsterdam die Auszeichnung. *** In den Cup-<br />
Wettbewerben b siegt bei den Meistern die Cruyff-Truppe am 30.5. in<br />
Belgrad mit 1:0 gegen Juventus Turin; Pokalsieger wird der AC Mailand<br />
in Thessaloniki (16.5.) mit 1:0 gegen Leeds United; der Uefa-Cup geht<br />
nach Hin- und Rückspiel (3:0 und 0:2 gegen Mönchengladbach) am<br />
23.5. an den FC Liverpool. *** In der Bundesliga setzt die finanziell<br />
angeschlagene Eintracht aus Braunschweig die Trikotwerbung durch.<br />
Das „Jägermeister"-Emblem des Fabrikanten und Sponsors Günter<br />
Mast wird nach anfänglichem Widerstand des DFB als Kompromiss<br />
ins Vereinswappen integriert. *** Sportler des Jahres: In der BRD<br />
holen sich Speerwerfer Klaus Wolfermann, Turnerin Uta Schorn und der<br />
Bahnradvierer die begehrten Titel. Die Schwimmer Roland Matthes und<br />
Kornelia Ender sowie Dynamo Dresden bei den Mannschaften sind die<br />
Ausgezeichneten in der DDR. *** Zwei legendäre Leichtathleten sterben:<br />
die Langstreckenläufer Paavo Nurmi, neunfacher Olympiasieger<br />
(Finnland; 2.10.), und Abebe Bikila (zweimal Olympia-Gold, Äthiopien;<br />
25.10.). *** Geburten: Marathon-Star Haile Gebrselassie (18.4.), die<br />
Tennis-Profis Barbara Rittner (25.4.) und Monica Seles (2.12.), die<br />
Fußballer Jan Koller (30.3.), Oliver Neuville (1.5.), Frank Rost (30.6.),<br />
Bernd Schneider (17.11.) sowie Radrennfahrer Jan Ulrich (2.12.). ***<br />
FUNK & FERNSEHEN<br />
Nach einem Reformentwurf des<br />
Lebensmittelrechts (und Selbstbeschränkungsdiskussionen<br />
der Industrie)<br />
soll bereits ab 1.1.1973 Tabakwerbung<br />
in Hörfunk und Fernsehen unterbleiben.<br />
Es dauert bis zum 18.6.1974, dann<br />
1973<br />
wird ein Gesetz daraus. *** Start für die<br />
Sesamstraße" am 8.1.: Ernie, Bert,<br />
" Ernie & Bert<br />
Tiffy, das Krümelmonster & Co. sind<br />
anfangs nur in überarbeiteten US-Originalfolgen l zu sehen; einmal<br />
mehr Gift für das Bayerische Fernsehen, das lieber „Das feuerrote<br />
Spielmobil" zeigt. *** Am 15.1. klinkt sich der Bayerische Rundfunk<br />
erneut aus, als die ARD den Rosa-von-Praunheim-Film „Nicht<br />
der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt"<br />
ausstrahlt. *** Bahnbrechende Neuerung mit inzwischen extremer<br />
Nachhaltigkeit auf der Krimi-Schiene im Ersten: Acht einstündige<br />
Folgen lang ist im deutschen Fernsehen (hier: ARD) erstmals eine<br />
Ermittlerin auf Ganovenjagd. Katinka Hoffmann spielt ab 4.4. die<br />
Oberkommissarin Vetter in der Serie<br />
„Frühbesprechung". *** Preisgekrönter,<br />
über vier Millionen D-Mark teurer<br />
Mehrteiler (fünf Folgen) aus der Zeit der<br />
Weimarer Republik ab 23.4., Bauern, "<br />
Bonzen, Bomben" nach Hans Fallada<br />
und mit Ernst Jacobi in der Hauptrolle.<br />
Der NDR dreht in Neumünster, wo aus<br />
Gründen der Authentizität massenhaft<br />
Hans Rosenthal<br />
Fernsehantennen von den Dächern entfernt<br />
werden müssen. *** Ein Kult-Ratespiel in spe geht am 13.5.<br />
im ZDF-Vorabendprogramm auf Sendung.<br />
153 Mal präsentiert Showmaster Hans<br />
Rosenthal (1925–1987) bis zum 11.9.1986<br />
die Original-TV-Version von "<br />
Dalli Dalli".<br />
Luftsprünge werden dabei zu seinem<br />
Markenzeichen. *** Auch im Sport führt<br />
jetzt eine Frau durch einen Klassiker:<br />
Ebenfalls für die Mainzer präsentiert<br />
Carmen Thomas „Das aktuelle Sportstudio".<br />
Carmen Thomas<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 75
In der Ausgabe vom 21.7. unterläuft ihr ein für Fußballfans vermeintlich<br />
unentschuldbarer Lapsus, den sie nie mehr los wird, als sie von<br />
Schalke 05" (statt „04") spricht. Häme ohne Ende ergießt sich,<br />
"<br />
schon 1974 zieht sich die Moderatorin aus der Sendung zurück. ***<br />
Großer Erfolg für eine zumindest im BRD-TV neue Comedy-Form ab<br />
24.7.: Klimbim" wird zum Knaller, absurd-frivoler Klamauk, u.a. mit<br />
"<br />
Ingrid Steeger, Elisabeth Volkmann und Wichart von Roell als durchgeknallte<br />
Familienmitglieder. In fünf Staffeln werden bis 22.3.1979 insgesamt<br />
30 Folgen vom WDR produziert. Die Zahl illustrer Gäste reicht<br />
von Jerry Lewis über Maria Schell und Dieter Hildebrandt bis zu Gilbert<br />
Becaud und Gustav „Bubi" Scholz. *** Beim ZDF wird der spätere ARD-<br />
„Tagesthemen"-Star Hanns Joachim<br />
Friedrichs neuer Sportchef des<br />
Senders. *** Ausstrahlungsverbot,<br />
ausgesprochen per letztinstanzlichem<br />
Urteil vom 5.6. durch das<br />
Bundesverfassungsgericht: Das auf<br />
Fakten basierende, bereits 1972<br />
Otto<br />
gedrehte Dokumentarspiel Der " Soldatenmord d von Lebach" darf vom ZDF nicht gezeigt werden.<br />
Grund: Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Täter, die vier<br />
Wachhabende ermordet hatten. Die Sperrung besteht noch heute. ***<br />
Eine mächtige Komiker-Karriere nimmt ihren Lauf, wird durch sieben<br />
TV-Specials noch intensiviert: Die erste „Otto-Show" kommt am 27.8.<br />
ins ARD-Programm. *** Vier Tage später beginnt die „Internationale<br />
Funkausstellung" in Berlin.<br />
Fast 603.000 Besucher strömen<br />
bis zum 9.9. an die<br />
Stände von 253 Ausstellern<br />
in 23 Hallen. Premieren:<br />
VCR-Recorder (Philips), TED-<br />
Bildplatten (AEG/Teldec),<br />
Farbfernseh-Portables<br />
(Grundig), Kunstkopf-<br />
Prinzessin Anne & Mark Phillips<br />
Stereofonie, Infrarot-Kopfhörer<br />
für TV-Geräte. *** Das ZDF startet am 5.10. einen Info-Dauerbrenner:<br />
Das „auslandsjournal" ist noch heute Bestandteil des Angebots. ***<br />
Royales zieht das TV-Publikum in seinen Bann: Am 14.11. heiratet<br />
die britische Prinzessin Anne den Captain Mark Phillips. ARD und<br />
ZDF übertragen die Zeremonie live. Über Eurovision schauen insgesamt<br />
rund 300 Millionen Menschen zu. *** Prominenter Gastauftritt<br />
im Zweiten: In Wim Thoelkes Donnerstags-Familienshow 3 x 9" "<br />
singt Bundesaußenminister Walter Scheel am 6.12. (per Playback) das<br />
Volkslied "Hoch auf dem gelben Wagen". Mit der gleichnamigen Single<br />
erreicht das Kabinettsmitglied 1974<br />
1973<br />
Platz 5 der offiziellen deutschen<br />
Hitparade. *** Bekannte deutsche TV-Gesichter in spe melden sich auf<br />
dem Planeten an: die Moderatorinnen Tine Wittler (2.4.), Sonya Kraus<br />
(22.6.) und Nova Meierhenrich (25.12.). ***<br />
Seite 76 ■ GoodTimes 1/2014<br />
nicht weniger als 15 Uraufführungen in zwölf Monaten. Später<br />
populär p gewordene Darsteller versuchen noch Jahrzehnte später,<br />
diese „Jugendsünden"<br />
aus ihren Arbeits nachweisen<br />
zu tilgen ...*** International<br />
starten Filme, die bis heute<br />
im Gespräch (oder zumindest<br />
im Gerede) blieben und/<br />
oder einen hervorragenden<br />
Ruf genießen, darunter<br />
Der Clou"<br />
" „Papillon" (Steve McQueen,<br />
Dustin Hoffman), „Wenn die Gondeln dl Trauer tragen" (Julie Christie,<br />
Donald Sutherland), Der Clou" (Robert Redford, Paul Newman),<br />
"<br />
„Paper Moon" (Ryan & Tatum O'Neal), „Das große Fressen" (Michel<br />
Piccoli, Marcello Mastroianni) und „Der Exorzist" (Linda Blair).<br />
*** Deutsche Produktionen mit Niveau: Wildwechsel" (nach<br />
"<br />
Franz-Xaver Kroetz, mit Eva Mattes), „Der Lord von Barmbeck"<br />
(Martin Lüttge als historisch authentischer<br />
Berufsverbrecher), „Die Legende<br />
von Paul & Paula" (DDR-Produktion;<br />
Angelica Domröse, Winfried Glatzeder)<br />
und Roland Klicks Milieu-Thriller<br />
„Supermarkt" – mit Eva Mattes und<br />
einem jungen „Marius West" als<br />
Musikinterpret (Single: "Celebration")<br />
und außerdem Synchronsprecher des<br />
Hauptdarstellers. *** Auch die Legenden<br />
Bob Dylan und Kris Kristofferson sind<br />
tätig („Pat Garrett jagt Billy The Kid"),<br />
„Jesus Christ Superstar" (komponiert<br />
von Andrew Lloyd Webber) feiert Erfolge, Musik ohne Ende prägt<br />
ferner American Graffiti" mit Richard Dreyfuss und einem<br />
"<br />
noch unbekannten Harrison Ford.*** Um Fußball-„Kaiser" Franz<br />
Beckenbauer geht es in „Libero", gepflegte Unterhaltung bieten<br />
„Die drei Musketiere" (Oliver Reed, Raquel Welch), die Johannes-<br />
Mario-Simmel-Verfilmung<br />
„Alle Menschen werden<br />
Brüder" (Doris Kunstmann)<br />
und „Mein Name ist Nobody"<br />
mit Terence Hill. *** Am 27.3.<br />
werden im Dorothy Chandler<br />
Pavillion von Los Angeles<br />
Lex Barker<br />
zum 45. Mal die begehrten<br />
Oscars vergeben. Als<br />
bester Vorjahresfilm wird „Der Pate" ausgezeichnet, ebenso sein<br />
männlicher Hauptdarsteller Marlon Brando. Liza Minnelli erhält<br />
die Trophäe für „Cabaret", und der Ehrenpreis geht an den großen<br />
Edward G. Robinson. *** Auch bei den bundesdeutschen "<br />
Bravo"-<br />
Ottos sind Schauspieler unter den Preisträgern, Roger Moore und<br />
Uschi Glas. *** Von Bühne und Leinwand verabschieden sich für<br />
immer u.a. Viktor de Kowa (8.4.), „Old Shatterhand"-Darsteller<br />
Lex Barker (11.5.), Veronica Lake (7.7.), Robert Ryan (11.7.), Jack<br />
Hawkins (18.7.), „Kung Fu" Bruce Lee (20.7.), „Miss Marple"-Partner<br />
1973<br />
Stringer Davis (29.8.), Anna Magnani (26.9.) und der schwäbische<br />
FILM<br />
Auch hier drei neue, noch eher zerknautschte<br />
Gesichter, die Schauspielerinnen<br />
Nadeshda Brennicke (geboren am 21.4.),<br />
Tori Spelling (16.5.) und Anna Thalbach<br />
Mundartkomiker Willy Reichert (8.12.). ***<br />
(1.6.) sowie Regisseur Fatih Akin (25.8.).<br />
*** Auf bundesdeutschen Leinwänden<br />
beginnt die Hoch-Zeit so genannter<br />
MUSIK<br />
Nadeshda Brennicke<br />
Reports, die alle nur eine Stoßrichtung<br />
Das Jahr beginnt mit einem Großereignis:<br />
haben – unterhalb der Gürtellinie: nach den Schulmädchen h (seit<br />
Aloha From Hawaii". Das Elvis-Presley-<br />
"<br />
1970) trifft es jetzt u.a. die Bademeister, Hausfrauen, Frühreifen, Konzert findet am 14.1. im Convention<br />
Blitzmädchen,<br />
Frauenärzte,<br />
Center von Honolulu statt, wird als erster<br />
Auftritt eines Solisten per Satellit übertragen.<br />
Studentinnen und<br />
Geschätzte Zuschauerzahl welt-<br />
– ausnehmend weit: rund 1,3 Milliarden. Eine Top-<br />
" Papillon" geschmackvoll – sogar<br />
Witwen (!): durchweg<br />
sinnfreier, pseudowissenschaftlicher<br />
Softsex-Klamauk mit<br />
Band, angeführt vom Gitarristen James<br />
Burton, begleitet den Sänger. *** Zu einem<br />
Mega-Rock-Spektakel avanciert auch der<br />
Summer Jam At Watkins Glen" am<br />
"<br />
28.7. im US-Bundesstaat New York. Vor<br />
Bruce Springsteen
der (für ein Tagesereignis) gewaltigen Livekulisse von über 650.000<br />
Fans spielen Grateful Dead (über fünf Stunden am Stück), The Band<br />
und die Allman Brothers. *** Zu einer wichtigen Clubgründung<br />
kommt es im Dezember in der Bowery in New York City: das CBGBs<br />
(Country, Bluegrass, Blues) öffnet die Türen bis ins Jahr 2006. Die<br />
stilistische Ausrichtung verschiebt sich schnell, neue und unangepasste<br />
Bands und Solisten wie die Ramones, Patti Smith, Mink DeVille,<br />
Talking Heads, Modern Lovers, Television,<br />
Blondie und Johnny Thunders stehen<br />
für die Wegbereitung des „American<br />
New Wave"-Sounds. *** Von bald schon<br />
etablierten Interpreten kommen Debüt-<br />
LPs auf den Markt, u.a. von Bruce<br />
Springsteen (GREETINGS FROM<br />
ASBURY PARK, N.J. und THE WILD, THE<br />
INNOCENT & THE E STREET SHUFFLE),<br />
Mike Oldfield (TUBULAR BELLS), Queen<br />
(QUEEN), Cockney Rebel (THE HUMAN MENAGERIE) und Aerosmith<br />
(AEROSMITH). *** Viele Karriereschritte weiter sind bereits Pink Floyd<br />
(DARK SIDE OF THE MOON), Led Zeppelin (HOUSES OF THE HOLY)<br />
und The Who (QUADROPHENIA). *** Nach ihren vielleicht fünf<br />
besten Alben beenden die Rolling Stones mit GOAT'S HEAD SOUP<br />
die seit 1968 bestehende Zusammenarbeit mit dem amerikanischen<br />
Produzenten Jimmy Miller. *** Um leichtere<br />
Kost geht es bei der 18. Auflage des<br />
Grand Prix Eurovision (heute ESC). Am<br />
7.4. gewinnt in Luxemburg die Französin<br />
Anne-Marie David (129 Punkte) mit "Tu<br />
te<br />
reconnaitras" für das Gastgeberland.<br />
Platz 2 geht an Mocedades aus Spanien<br />
("Eres tú"; 125) vor Favorit Cliff Richard,<br />
dessen "Power To All Our Friends" (123)<br />
ein internationaler Riesenhit wird. Für die BRD landet die Dänin Gitte<br />
(Haenning) mit "Junger Tag" und 85 Zählern auf Rang 8. Sie hatte<br />
sich im nationalen Vorentscheid mit lediglich einem Punkt Vorsprung<br />
gegen Tonia ("Sebastian") durchgesetzt. *** Euro-Pop, Kopplungen<br />
und ein Hund – Überschrift für die besten<br />
Notierungen in den BRD-Charts des<br />
Jahres. Die Erfolgssingles 1973 sind "Get<br />
Down" (Gilbert O'Sullivan), "Ich wünsch<br />
mir eine kleine Miezekatze" (Wums<br />
Gesang) und Suzi Quatros "Can The Can".<br />
20 POWER HITS, STARS UND HITS FÜR<br />
DAS ROTE KREUZ sowie zweimal James<br />
Last (NON STOP DANCING 73/2 und SING<br />
MIT) sind die Kauffavoriten bei den LPs.<br />
*** Im UK dominieren Sweet ("Blockbuster") und Slade ("Merry Xmas<br />
Everybody") mit 45ern, Dauerbrenner bei den Alben sind Elton John<br />
(DON'T SHOOT ME, I'M ONLY THE PIANO PLAYER), David Bowie<br />
(ALADDIN SANE und PIN UPS) und der Soundtrack THAT'LL BE THE<br />
DAY. *** Die Amerikaner favorisieren "Killing Me Softly With His Song"<br />
(Roberta Flack), Dawns "Tie A Yellow<br />
Ribbon Round The Ole Oak Tree" und<br />
"My Love" von Paul McCartney & Wings<br />
bei den Singles. LP-Kaufknüller sind<br />
GOODBYE YELLOW BRICK ROAD (Elton<br />
John), BROTHERS AND SISTERS (Allman<br />
Brothers), George Harrisons LIVING IN<br />
THE MATERIAL WORLD und NO SECRETS<br />
von Carly Simon. *** Die Musik-Grammys<br />
in den USA gehen an Roberta Flack ("The<br />
First Time Ever I Saw Your Face") und ans CONCERT FOR BANGLA<br />
DESH. Sänger: Helen Reddy und Harry Nilsson, neuer Künstler: das<br />
Trio America. *** In der BRD werden in diesem Jahr rund 37 Mio.<br />
Singles, 60 Mio. LPs und 5 Mio. MusiCassetten verkauft. *** Geburten:<br />
die Sänger Peter André (England; 27.2.), Rea Garvey (Irland; 3.5.)<br />
und Rufus Wainwright (USA; 22.7.). *** Abschied: Country-Größe<br />
Tex Ritter (2.1.), Grateful-Dead-Keyboarder Ron McKernan (8.3.), die<br />
Byrds-Mitglieder Clarence White (14.6.) und Gram Parsons (19.9.),<br />
Orgelerfinder Laurens Hammond (3.7.), Blues-Lady Lizzy Douglas<br />
1973<br />
alias Memphis Minnie (6.8.), Singer/Songwriter Jim Croce (20.9.,<br />
Flugzeugabsturz), Jazzdrummer Gene Krupa (16.10.), Shadows-<br />
Gitarrist John Rostill (26.11.) und Sänger Bobby Darin (20.12.). ***<br />
VERMISCHTES AUS ALLER WELT<br />
Der in Deutschland ansässige Amerikaner Fred Edwards gründet in Velbert<br />
die Firma Port San Ser. Er führt damit in Europa das aus den USA bekannte<br />
System der vermietbaren Mobil-Klos ein. Markenname: Dixi. *** Auch<br />
mobil, aber für höhergelegene Körperregionen: Mitnahme-Telefone,<br />
in Deutschland schon bald mit der international völlig unbekannten<br />
Bezeichnung Handy" bedacht, schleichen sich an: Der Elektro-Ingenieur<br />
" Martin Cooper (*1928) aus Chicago reicht seine Erfindung am 17.10. zum<br />
Patent ein, das 1975 erteilt wird. Gewicht der ersten Geräte: rund 1,6<br />
Kilogramm. *** Der Eisvogel erhält den Titel „Vogel des Jahres" (Wiederwahl<br />
2009). *** Am 9.2. stirbt der US-Farmer Max B. Yasgur, der 1969 sein<br />
Gelände für das Woodstock-<br />
Musikfestival vermietet hatte.<br />
Namentlich verewigt ist er in den<br />
Songs "Woodstock" (Joni Mitchell)<br />
und "For Yasgur's Farm" von<br />
Mountain. *** Mit Wirkung vom<br />
1.5. nimmt in Dortmund die ZVS<br />
ihre Arbeit auf, die bundesweite Zentralstelle ll für die Vergabe von<br />
Studienplätzen. *** Alk am Steuer: Am 26.7. wird die Promillegrenze<br />
von 1,3 auf 0,8 (als Ordnungswidrigkeit) gesenkt. *** Die Franzosen Marcel<br />
Bich (1914–1994) und Edouard Buffard (1908–1996) gründen in Clichy die<br />
Firma BIC – der weltweite Siegeszug der Einwegfeuerzeuge beginnt.<br />
Beide Industrielle hatten sich ab 1945 bereits um die Weiterentwicklung<br />
erster Kugelschreibermodelle verdient gemacht. *** Zum „Auto des Jahres"<br />
wird der Audi 80 B1 gewählt. *** In Schweden stirbt König Gustav VI. Adolf.<br />
Nachfolger wird am 15.9. Carl XVI. Gustaf, der am 19.6.1976 die deutsche<br />
Olympia-Hostess Silvia Sommerlath heiratet. *** In Istanbul weiht der türkische<br />
Staatspräsident Fahri Korutürk am 30.10. die Bosporus-Brücke ein,<br />
die Asien und Europa verbindet.<br />
*** In Japan werden<br />
erste Flüssigkristall-<br />
Displays entwickelt und<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
*** Der amerikanische<br />
Ingenieur Henry<br />
Flugauto<br />
Smolinski baut aus einem umgearbeiteten bi Ford Pinto sowie Flügel- und<br />
Propellerteilen einer Cessna Skymaster ein Flugauto („AVE Mizar"). Sein<br />
Testflug am 11.9. endet im Desaster: Absturz, Erfinder tot. Die Kreation<br />
wurde 1974 zum (animierten) Vorbild für das Fahrzeug im James-Bond-<br />
Film „Der Mann mit dem goldenen Colt". *** Neue, technisch deutlich verbesserte<br />
Geldautomatenmodelle werden am 4.6. patentiert. *** Entführung<br />
in München am 13.11.: Opfer ist Evelyn Jahn, Tochter des „Wienerwald"-<br />
Gründers Friedrich Jahn. Er zahlt drei Millionen D-Mark Lösegeld, die<br />
Tochter kommt frei, die Täter werden gefasst und verurteilt. *** Feuer<br />
an Bord: dramatische Bruchlandung einer Boeing 707-320C der brasilianischen<br />
Luftfahrtgesellschaft Varig am 11.7. unmittelbar vor Erreichen<br />
des Pariser Flughafens Orly. 122 Tote, zehn Besatzungsmitglieder und ein<br />
Passagier überleben die Rauchhölle. *** Den Friedensnobelpreis erhalten<br />
am 10.12. in Oslo zu gleichen Teilen<br />
der US-Sonderbotschafter (und inzwischen<br />
amtierende Außenminister) Henry Kissinger<br />
und der nordvietnamesische Politiker Le<br />
Duc Tho. Der Asiate lehnt die Auszeichnung<br />
ab. *** Trauer um: Ex-US-Präsident Lyndon<br />
B. Johnson (22.1.) und den ersten israelischen<br />
Premierminister David Ben Gurion<br />
Pablo Picasso<br />
(1.12.); die Schriftsteller(innen) Pearl S.<br />
Buck (6.3.), Noel Coward (26.3.), J.R.R. Tolkien (2.9.), Pablo Neruda<br />
(23.9.), Ingeborg Bachmann (17.10.) und Ezra Pound (1.11.); die renommierten<br />
Filmregisseure Robert Siodmak (10.3.), Jean-Pierre Melville<br />
(2.8.) und John Ford (31.8.); ferner sterben der spanische Maler Pablo<br />
Picasso (8.4.), der südafrikanische Tänzer John Cranko (26.6.), der chilenische<br />
Sänger Victor Jara (11.9.; vom Militär ermordet) und der spanische<br />
Cellist Pablo Casals (22.10.). ***<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 77
Catherine<br />
Deneuve<br />
zum 70.<br />
Von Claudia Tupeit<br />
SEX-<br />
Catherine Deneuve in "<br />
Ekel"<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
SYMBOL<br />
mit Understatement<br />
Sie gilt als kühl und unnahbar. Sie ist so schön, dass ein Film<br />
mit ihr ohne Geschichte auskommen würde, wie Regisseur<br />
François Truffaut einst befand. Sie ist die wohl berühmteste<br />
französische Schauspielerin über die Heimatgrenze hinaus. Die<br />
Kettenraucherin, die Designer-Muse, das Chanel-Gesicht, die<br />
Hollywood-Verweigerin und Hitchcock-Verpasserin, die "<br />
Belle<br />
de Jour" – die 70-Jährige. Sie ist Stil-Ikone, Film-Ikone, überhaupt<br />
eine der größten Ikonen des Diesseits. Sie hat David<br />
Bowie und Susan Sarandon den Kopf verdreht – in einem<br />
der besten Vampirfilme aller Zeiten. Sie war die entfl ohene<br />
Braut, Theaterbesitzerin zur Besatzungszeit, alkoholkranke<br />
Diamantenhändlerin, Lesbe, Plantagenbesitzerin in Indochina,<br />
Tristana, das Schmuckstück, die affektierte Gaby unter acht<br />
Frauen. Im realen Leben hatte sie prominente Liebhaber, war<br />
Ehefrau, ist zweifache Mutter und fünffache Oma. Und Catherine<br />
Deneuve ist vor allem eins: herrlich unaufgeregt, was die eigene<br />
Person angeht. <strong>kult</strong>! nähert sich dem Phänomen Catherine<br />
Deneuve an.<br />
Es ist der Blick! Eindeutig. Ein Hauch Erotik, eine<br />
Prise Zurückhaltung, überhaupt nicht fordernd.<br />
Die braunen Augen blicken wach, aber doch<br />
geheimnisvoll, gar verträumt. Wie die junge<br />
Schauspielerin Catherine Deneuve (geboren wurde<br />
sie am 22. Oktober 1943) am Anfang ihrer Karriere vor fünf Dekaden:<br />
schüchtern und verführerisch zugleich. Blick und Augen von Madame<br />
Deneuve werden nicht 70. Letzteres biologisch vielleicht. Aber ansonsten<br />
ist beides irgendwann zwischen „Die Regenschirme von Cherbourg"<br />
(„Les parapluies de Cherbourg", 1964) – ihr filmischer Durchbruch –<br />
und „Das Geheimnis der falschen Braut" („La Sirène du Mississippi",<br />
"<br />
Das Geheimnis<br />
der falschen Braut"<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 78 ■ GoodTimes 1/2014
"<br />
Das Geheimnis der falschen Braut"<br />
1969) stehengeblieben. Nach ihrer Leistung in dem Musicaldrama<br />
von Jacques Demy – als sanfte, engelsgleiche g Regenschirmverkäuferin<br />
Geneviève, die durch<br />
"<br />
Bettszenen" mit Catherine Deneuve<br />
Intrigen ihrer Mutter die gibt es häufig.<br />
große Liebe gegen einen<br />
reichen Ehemann eintauscht<br />
und am Ende des<br />
Films mit ihrem einst so<br />
geliebten Guy für eine der<br />
rührendsten Finalszenen<br />
sorgt – brilliert sie knapp<br />
zwei Jahre später unter<br />
Roman Polanski in „Ekel"<br />
(„Repulsion", 1965). Es ist<br />
die erste englischsprachige<br />
Produktion für die junge<br />
Deneuve, die damit auch<br />
in den USA und England<br />
bekannt wird. In dem<br />
Schwarzweiß-Streifen ist<br />
sie die Belgierin Carole<br />
Ledoux, die mit ihrer<br />
"<br />
Belle de Jour"<br />
Schwester Sh in einem Apartment t wohnt ht und nur Hass und Ekel<br />
Männern gegenüber empfindet. Der Film beginnt und endet mit<br />
einer Nahaufnahme ihrer Augen. Die schauen schüchtern und doch<br />
verstört. Ein Blick, der unter die Haut geht, der auf be drückende<br />
Weise fasziniert. Weil sie in ihren Halluzinationen gefangen den<br />
besorgten und in sie verliebten Colin erschlägt und starr vor<br />
Abschaum den nach ihr lechzenden Hausverwalter tötet. Weil sie wirr<br />
und völlig verängstigt auf dem Bett liegt. Ein beklemmender Film,<br />
der in Deutschland bis vor Kurzem keine Jugendfreigabe hatte.<br />
Mitte der 60er ist sie Sexsymbol mit Understatement. Ganz anders<br />
als ähnlich erfolgreiche Kolleginnen wie Sophia Loren, Gina<br />
Lollobrigida oder Brigitte Bardot, mit der sie indirekt mehr verbindet<br />
als nur das gleiche Business. Denn Bardot war die erste Ehefrau von<br />
Roger Vadim, dem ukrainischen Regisseur und Frauenheld. 1961 –<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
mit 17 Jahren – lernt Catherine den damals 33-Jährigen kennen<br />
und lieben. Sie zieht zu ihm, wird schwanger. Ein Wunschkind,<br />
wie sie später sagt. Mit erst 19 Mutter zu werden, sei allerdings<br />
schwer gewesen. Zumal Vadim nur einen Monat nach der Geburt<br />
von Christian (heute erfolgreicher Komiker) im Juli 1963 wieder aus<br />
Catherines Leben verschwindet und sich Jane Fonda zuwendet.<br />
In "<br />
Straßen der Nacht" spielt sie an der Seite<br />
von Burt Reynolds eine Prostituierte.<br />
Die Rolle einer jungen, treusorgenden Mutter wie im wahren<br />
Leben bekommt Catherine nicht. Noch nicht. Stattdessen spielt<br />
sie in „Belle de Jour" – der Film, der fast überall als Erstes mit ihr<br />
in Verbindung gebracht wird. 1967 ist das. Luis Buñuel lässt sie aus<br />
ihrem Trott der gelangweilten Hausfrau ausbrechen. Ihre Fantasien<br />
von Lust, Obsession und dem speziellen <strong>Kick</strong> lebt sie nach einer<br />
Anregung durch einen Mann im Bordell bei Madame Anaïs aus, die<br />
ihr den Namen „Belle de Jour" verleiht. Wegen ihrer Schönheit und<br />
weil sie jeden Tag kommt. Zum Nachmittagsvertreib.<br />
Wenig mütterlich auch ihre darauffolgenden Rollen: eine unglückliche<br />
Affäre in „La Chamade" („Herzklopfen", 1968), Sex-lastig<br />
geht es weiter bei „Manon 70" (1968) und als das blonde Gift, eine<br />
dreiste, undurchschaubare Verführerin und Betrügerin an der Seite<br />
von Jean-Paul Belmondo in „Das Geheimnis der falschen Braut".<br />
Als Mutter tritt sie 1971 in Er schei nung. Depressiv und völlig verzweifelt<br />
nach dem Tod des Babys ist ihre Rolle in „Das passiert immer<br />
nur den anderen" („Ça n’arrive qu’aux autres") an der Seite von Marcello<br />
Mastroianni. Auch privat ist sie mit dem italienischen Schauspieler<br />
liiert. Ihre 1965 geschlossene Ehe mit dem britischen Modefotografen<br />
David Bailey (Trauzeuge<br />
"<br />
Die letzte Métro"<br />
war Mick Jagger) ist<br />
gescheitert, ebenso die<br />
kurze Affäre mit Clint<br />
Eastwood. In den Armen<br />
von Mastroianni findet<br />
sie Halt, Romantik,<br />
Liebe. Mit ihm bekommt<br />
sie ihr zweites Kind, eine<br />
Tochter, Chiara, im Mai<br />
1972 geboren, heute<br />
selbst Schauspielerin.<br />
Sie drehen weitere drei<br />
Filme zusammen. Er sei<br />
großzügig gewesen, voller<br />
Humor, er habe sie<br />
sehr gut behandelt, aber<br />
ein so ausschweifendes Leben geführt, sagt sie. Trennung 1975. Doch<br />
ihre Zuneigung zueinander reicht bis zu Mastroiannis Tod 1996, den<br />
Catherine an seinem Bett in Paris erlebt.<br />
Nach der seichten Komödie mit Jack Lemmon, „Ein Frosch in<br />
Manhattan" bzw. auch als „Darling, lass dich scheiden" bekannt<br />
(„April Fools", 1969), spielt Catherine einmal mehr in Hollywood.<br />
In „Straßen der Nacht" („Hustle", 1975) mit Burt Reynolds ist sie<br />
die Prostituierte Nicole Britton, deren Kunde ausgerechnet ein<br />
Tatverdächtiger in einem mysteriösen Todesfall ist. Erschwerend<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 79
Catherine Deneuve 1983<br />
in "<br />
Begierde", einem der besten<br />
Vampirfilme aller Zeiten.<br />
kommt hinzu, dass der Polizeiermittler i ittl ihr Lebenspartner Lb ist. it Der<br />
Film spielte über zehn Millionen Dollar ein, mehr als das Dreifache<br />
seines Budgets. Dennoch fasst Catherine Deneuve auch nach diesem<br />
Streifen nicht Fuß in der Traumfabrik. „Zu wenig interessante Rollen."<br />
Dafür würde sie sich liebend gern in den Kreis der Blondinen einreihen,<br />
mit denen der legendäre Alfred Hitchcock so<br />
gern arbeitet. Das Drehbuch habe sie bereits gehabt,<br />
aber bevor das Ganze ins Rollen kommen konnte,<br />
ist „Hitch" gestorben. Statt im Horrorfilm des Briten<br />
glänzt sie 1980 im Drama eines Franzosen. „Die<br />
letzte Métro" („Le dernier métro") nennt François<br />
Truffaut eines seiner letzten Meisterwerke (er starb<br />
1984). Als Marion Steiner versucht sie im besetzten<br />
Frankreich in den 40er Jahren das Theater zu retten,<br />
in dem das ganze Herzblut ihres Mannes steckt, des<br />
Juden Lucas (exzellent gespielt von Heinz Bennent).<br />
Er hält sich im Keller versteckt und entwirft von<br />
dort aus die Stücke für das Ensemble, zu dem seine<br />
Frau gehört – und der aufstrebende, wilde Bernard<br />
Granger (herrlich: Gérard Depardieu). Einer von<br />
unzähligen Filmen, in denen Catherine Deneuve<br />
neben Depardieu spielt. Oft sind es Geschichten über eine gemeinsame<br />
Liebe. Besonders rührend interpretiert in „Changing Times" („Les<br />
temps qui changent", 2004), besonders augenzwinkernd in „Das<br />
Schmuckstück" („Potiche", 2010).<br />
Ihre erste und bisher einzige Nominierung als beste Schauspielerin<br />
bei den Oscars erhält sie allerdings für eine ganz andere Rolle. In<br />
„Indochina" („Indochine", 1992) ist sie die reiche Plantagenbesitzerin<br />
Éliane, die ein vietnamesisches Mädchen, Camille, adopiert hat und<br />
es vor einem ihr angehängten Mord beschützen will. Später zieht<br />
sie mit dem Kind ihrer Adoptivtochter nach Frankreich, da Camille<br />
zeitweilig im Gefängnis sitzt.<br />
Die Art, ihre Gefühle in dem Epos auszudrücken, mit Blicken, mit<br />
flammenden Reden, mit ihrer bloßen Präsenz, hat die Oscar-Jury<br />
beeindruckt. Ihre Gefühlsregungen zeigt Deneuve zurückhaltend,<br />
nicht dauerschreiend, nicht dauerheulend. Vielleicht wird sie heute<br />
scheinbar stärker denn je als die Unnahbare empfunden, weil in einer<br />
Gesellschaft – in der manch' Reality-TV-Show à la „The Kardashians"<br />
oder „Die Geissens" höhere Einschaltquoten einfahren als wundervolle<br />
Filme – die völlige Offenbarung der Persönlichkeit erwartet<br />
wird, um nicht als abgehoben wahrgenommen zu werden. Zwei<br />
Monate ohne Klatsch? Für viele Stars und Sternchen unvorstellbar,<br />
für Catherine Deneuve aber Alltag. Interviews? Ja, gern, aber über<br />
den aktuellen Film, nicht den aktuellen Liebhaber. Homestories? Sie<br />
ist leidenschaftliche Gärtnerin, läuft zu Hause unglamourös in Shirt<br />
und Jeans oder in langem Blumenkleid herum. Sie geht gern ins Kino,<br />
besucht Ausstellungen und würde gern öfter Zeit haben, ihre Enkel<br />
zur Schule zu bringen. Das war's. Keine Exzesse, keine unvorteilhaften<br />
Paparazzi-Bilder. Höchstens beim Anstecken einer Fluppe. Und<br />
da die seit Jahrzehnten überall kettenrauchende Catherine Deneuve<br />
solche Aufnahmen wenig charmant findet, raucht sie ab sofort auf<br />
Pressekonferenzen nicht mehr. Ihren Blick einfangen zu können ohne<br />
die slim cigarettes ist ja auch viel schöner.<br />
Und an diesem Blick schraubt sie sehr gern. Als grandiose<br />
Schauspielerin beherrscht sie das aus dem Effeff.<br />
Herausfordernd und giftig guckt sie zum Beispiel in „8<br />
Frauen" („8 femmes", 2002). In flaschengrünem Kleid,<br />
Leopardenmantel und mit fast schon gelb gefärbtem Haar<br />
spielt sie Gaby: Ehefrau, Luxusweib, natürlich mit vielen<br />
Geheimnissen. In dem Musicalfilm von François Ozon, der in<br />
den 50ern spielt, treffen acht Frauen in einem eingeschneiten<br />
Haus aufeinander. Sie alle verbindet etwas mit dem<br />
Hausherren Marcel, Gabys Ehemann. Als er leblos in seinem<br />
Bett gefunden wird, entbrennt ein Streit um Gunst und<br />
Erbe. Es geht um Verflechtungen unter den acht Frauen,<br />
die sich im Laufe des Films auflösen und die tatsächliche<br />
Todesursache des einzigen<br />
Manns im Hause hervorbringen.<br />
Catherine Ct Deneuve spielt darin<br />
auf eine wunderbar amüsante Weise<br />
eine herzlose Sprücheklopferin, die es<br />
zu genießen scheint, ihre Schwester<br />
Augustine (brillant gespielt von Isabelle<br />
Huppert) zu demütigen<br />
und sowohl<br />
ihre<br />
Haushälterin<br />
(Emmanuelle<br />
Béart)<br />
als auch die ältere<br />
Tochter (Virginie<br />
Ledoyen) zu bevormunden. Was aber für die größte<br />
Aufmerksamkeit sorgt, ist eine Szene mit Fanny<br />
Ardant, die die Schwägerin von Gaby mimt. Nach<br />
einer Kappelei rollen sich die Grazien auf dem Boden<br />
– und küssen sich.<br />
Nicht die erste Szene, in der Deneuve sich – wenn<br />
auch kurz – zu einer Frau hingezogen fühlt. Im<br />
großartigen Vampirfilm „Begierde" („The Hunger",<br />
1983) hat sie eine Beziehung mit Susan Sarandon,<br />
was wiederum id David Bowie ganz verrückt macht. In „Diebe der<br />
Nacht" („Les Voleurs", 1997) spielt sie eine Professorin, die eine<br />
Liaison mit einer Studentin eingeht. Schon häufig wurde sie deshalb<br />
gefragt, ob sie auch privat eine lesbische Neigung habe, was sie stets<br />
verneint, da es alles Rollen seien und nichts mit ihr persönlich zu<br />
tun hätten.<br />
Ebenso gern wird bei Interviews und Pressekonferenzen danach<br />
gefragt, ob sie eine Diva sei. Und es gibt Journalisten, die diesen<br />
Status an ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit festmachen. Tatort<br />
Berlinale 2002. Zur Pressekonferenz für „8 Frauen" erscheint sie<br />
eine halbe Stunde zu spät und bringt die wartenden Reporter in<br />
Rage. Diva-Verhalten, unken alle.<br />
Und außerdem habe ihre Kleiderwahl<br />
gezeigt, wie viel Diva in la Deneuve<br />
stecke: Schließlich habe sie zu einem<br />
orangeroten Blazer eine royalblaue<br />
Satinbluse kombiniert und smaragdgrüne<br />
Ohrringe. Heute nennt die<br />
Fashionwelt diesen Style „colourblocking"<br />
und kann gar nicht genug<br />
vom Trend bekommen. Die Deneuve<br />
– eine Vorreiterin. Sicher eigenwillig.<br />
Aber wen wundert's: Über<br />
Jahrzehnte die immer gleichen<br />
Fragen beantworten zu müssen, die<br />
teils ohne jegliche Vorrecherche h hervorgebracht werden. So wollte<br />
eine Journalistin bei der Präsentation ihres aktuellen Films „Elle s'en<br />
va" (es soll der 115. in ihrer Karriere sein) während der Berlinale 2013<br />
wissen, ob Madame Deneuve denn rauche. Eine wirkliche Diva hätte<br />
diese Journalistin angeschrien, mit Vorwürfen der Unkenntnis bombardiert,<br />
ignoriert, des Saales verwiesen oder gleich alles zusammen.<br />
Die Deneuve guckt einfach verdutzt und antwortet völlig selbstverständlich:<br />
„Ja, natürlich, jede Menge."<br />
Foto: © Georges Biard, 2011<br />
Foto: © Georges Biard, 1995<br />
Seite 80 ■ GoodTimes 1/2014
MODE-SERIE<br />
D I E<br />
instyles<br />
<strong>kult</strong>!<br />
ZWEITER TEIL<br />
Von Claudia Tupeit<br />
Im 60s-Look<br />
durch das Heute<br />
Vintage" und Retro" sind<br />
die<br />
"<br />
Modeworte der<br />
"<br />
Stunde. Die<br />
Klamottentrends von heute haben<br />
Bubikragen der 50s, Miniröcke im<br />
60er-Stil, Schlaghosen und Plateauschuhe<br />
kommen aus dem Jahrzehnt von Abba,<br />
und breite Schultern, Neonfarben und<br />
Chinohosen sind ein Relikt der verrückten<br />
80s. Wer heute in" sein will, hat<br />
die vergangenen Dekaden "<br />
nicht nur im<br />
Kleiderschrank, sondern auch auf dem<br />
Plattenteller und im DVD-Player.<br />
<strong>kult</strong>! widmet sich den Trends von<br />
damals, die heute schon wieder für viele<br />
zum Lebensgefühl gehören. Weiter geht's<br />
in der Serie mit den Swingin' Sixties".<br />
"<br />
Zauberwort Vintage-<br />
Audrey<br />
Hepburn<br />
ist mit<br />
ihrer<br />
knabenhaften<br />
Figur<br />
und dem<br />
Look ok das<br />
60s-Vorbild<br />
schlechthin.<br />
© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Etuikleider, schmale Anzüge und Krawatten,<br />
Ballerinas, kniehohe Stiefel, Op-Art-Muster:<br />
Willkommen in den Swingin' Sixties. Enge<br />
Taillen, Petticoats und Peeptoes aus den 50ern<br />
werden bei den Damen abgelöst von klaren Linien,<br />
flacheren Schuhen und – vor allem – sehr kurzen<br />
Röcken. Auch die Herrenmode verwandelt<br />
sich: von Männern in weiten, hochsitzenden<br />
Stoffhosen, Slippern und mit Pomadehaar in<br />
ein Meer von Pilzkopffrisuren, Skinhead- und<br />
Mod-Klamotten, später Schlaghosen und langen<br />
Haaren. Der modisch gesehen oft niedliche<br />
Charme der 50er Jahre, in denen die weiblichen<br />
Früher Kult-Model,<br />
heute erfolgreiche Sängerin: Twiggy.<br />
Stilvorbilder Eieruhrfiguren à la Marilyn Monroe, Sophia<br />
Loren und Elizabeth Taylor hatten, geht langsam vorüber.<br />
Die 60s bieten Sexyness mit geradlinigen, aber<br />
auch weiten Schnitten. Ballerinas erobern die<br />
Füße der Frauen, Kittenheels sind „in", also vorn<br />
meist spitze Schuhe mit dünnem, aber kurzem<br />
Absatz. Grafische Drucke lösen die verspielten<br />
Blümchenmuster ab, Mini-Pünktchen von<br />
einst sind nun große Kuller. Streifen sind<br />
angesagt und wilde Muster von Paisley<br />
bis Op-Art. Statt Pastelltönen hängen in<br />
den Schaufenstern Klamotten in gedeck-<br />
© Pressefoto<br />
Seite 82 ■ GoodTimes 1/2014
ten Farben wie Grau, Schwarz und<br />
Weiß oder in intensivem Rot, Gelb,<br />
Grün und Orange. Getragen wird das<br />
Ganze von Mädchen mit knabenhaften Figuren und wenig<br />
Busen, wie etwa dem ultimativen 60s-Model Twiggy, der Andy-<br />
Warhol-Muse Edie Sedgwick und den Stilvorbildern Jacqueline<br />
Kennedy Onassis und Audrey Hepburn.<br />
Dieser Teil der 60s-Epoche sorgt vor allem seit zwei, drei<br />
Jahren wieder für Furore: im Klamotten-Sortiment großer<br />
Ketten wie H&M, Topshop, Esprit, Zara, Mango und Forever<br />
21, auf den Laufstegen internationaler Designer – und in<br />
der Musik. Mit den deutschen iMás Shake! zum Beispiel. Die<br />
Scheiben der Vierercombo sollte jeder Fan von Beat-Mucke und<br />
60s-Flair im Plattenschrank haben – oder sie schleunigst dort<br />
reinstellen. iMás Shake! versetzen einen sofort in die Ära der<br />
Beatles, von dunklen Clubs mit wahnsinnig heißen Rhythmen.<br />
Sie bringen einem das Flair des Jahrzehnts ins Ohr. Nicht als<br />
Cover-Band der „Fab Four", sondern mit einem einzigartigen Projekt:<br />
Das Quartett rockt mit 60s-Beatstücken aus Südamerika. Ja, ganz recht.<br />
Originalmusik aus den 60ern von Bands aus Peru, Argentinien,<br />
Kolumbien und Uruguay. Das kommt nicht von ungefähr,<br />
denn einer der musikalischen Köpfe der Gruppe ist ein<br />
gewisser Rod Gonzáles, Jahrgang '68, Musiker mit<br />
Leib und Seele, in Chile geboren, als kleiner Junge<br />
nach Deutschland gekommen, absoluter 60er-Jahre-<br />
Liebhaber. Ein Tausendsassa, der<br />
seine Leidenschaft sonst als Bassist<br />
bei den Ärzten oder als Gitarrist<br />
bei Abwärts auslebt. Seit drei Jahren<br />
bildet er gemeinsam mit Katy Del<br />
Carmen (voc/keys), Michell Gutiérrez<br />
Gómez (voc/b) und Tomás Fuentes<br />
(dr) die South American Beat<br />
Invasion From Berlin. Sie wollen<br />
mit iMás Shake! den Europäern die<br />
südamerikanischen Einflüsse in<br />
der Beatmusik näherbringen. Die<br />
lassen sich laut Rod zum Beispiel in der Melodieführung<br />
finden, zum Teil in der Rhythmik, die sich zwar stark an<br />
den englischen Vorbildern orientiere, „aber die Stücke<br />
haben auch Bossa-Nova-Einflüsse".<br />
Die erste Veröffentlichung der Gruppe heißt<br />
"Break It All" und erscheint 2011.<br />
Eine EP als 7''. Stilecht eben wie früher<br />
in den 60s. Die Scheibe soll schon innerhalb<br />
kürzester Zeit vergriffen gewesen sein<br />
(was ja auch irgendwie 60er-typisch ist).<br />
Während sie tausenden Leuten in der ganzen<br />
Republik, aber auch auswärts in der<br />
Schweiz live auf der Bühne zeigen, welch<br />
musikalische Schmankerl in den Gefilden<br />
Südamerikas in den 60er Jahren schlummerten,<br />
bringen sie 2012 wieder eine 7''<br />
heraus: "What A Love", genau wie "Break<br />
It All" eine Single der Los Shakers. Eine der<br />
wenigen im Beatles-Fieber entstandenen<br />
Bands in Südamerika, die auch über die<br />
Landesgrenzen hinaus bekannt wurden.<br />
Die im September 2013 erschienene 7''-EP<br />
"Demolición" (die Single ist ein Cover einer<br />
peruanischen Band) hat wiederum auch<br />
psychedelische und garagige Einflüsse.<br />
Im Interview mit <strong>kult</strong>! berichten Rod<br />
und Katy von einer sehr aufwändigen<br />
Materialsuche, bevor eine ihrer EPs voll<br />
werden kann. „Ich durchsuche meinen<br />
Riesenfundus von lateinamerikanischem<br />
Heute wieder so angesagt wie damals<br />
in den 60ern: Streifen- &<br />
Musterkleider, wie hier von H&M.<br />
60er-Jahre-Kram,<br />
arrangiere die<br />
Songs zunächst<br />
so, dass sie für<br />
mich funktionieren,<br />
also Text,<br />
Akkorde. Davon<br />
mache ich Demos<br />
und spiele es den<br />
anderen vor",<br />
erklärt Rod die<br />
Vorgehensweise<br />
und einen seiner<br />
Hauptparts in der<br />
Band.<br />
Sämtliche Originale<br />
werden<br />
Die Beatles waren auch optisch mit Anzügen, schmalen<br />
Krawatten und Pilzkopffrisur in den 60s Vorbilder. bearbeitet. Zum<br />
Beispiel müssen die Songs so umgestaltet werden, dass sie für die<br />
Stimmen von Rod, Michell und Katy passen. Auch die Arrangements<br />
vereinfacht die Band. Doch eine Hürde bleibt: „Es gibt ja keine Live-<br />
Aufnahmen der Originalbands, nur die EPs. Deshalb können<br />
wir nur abstrahieren, wie das damals live geklungen haben<br />
könnte", sagt Rod. Die Vorstellungskraft der Vier ist aber<br />
prima. Live und „on tape" klingen<br />
sie so authentisch, als hätten<br />
sie eine Zeitmaschine erfunden oder<br />
wüssten sich zu beamen.<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 83<br />
© Claudia Tupeit<br />
Kein Wunder, denn das echte 60s-Flair<br />
zu verkörpern, fällt Michell, Katy,<br />
Tomás und Rod leicht. Von Haus sind<br />
sie seit eh und je Anhänger der Dekade.<br />
Katy und Michell spielten schon vor iMás<br />
Shake! gemeinsam in der Band Petting, die<br />
60s-Pop- und Garagenmusik macht. Die Keyboarderin kannte<br />
wiederum Rod und wusste von seinen Ambitionen, eine südamerikanische<br />
Beatcombo gründen zu wollen. Nachdem Katy<br />
und Michell bei Petting ausgestiegen waren, taten sie sich mit<br />
Rod zusammen. Bassist Michell sorgte dafür, dass die Band<br />
komplett wurde. Er brachte Schlagzeuger Tomás vorbei, der wiederum<br />
in anderen 60s-Bands gespielt hatte. Was von Anfang<br />
an klar feststand: Es wird kein „Soloding-von-Rod-von-den-<br />
Ärzten" sein, sondern eine Band von vier echten 60er-Jahre-<br />
Liebhabern.<br />
© Pressefoto<br />
Spielt heute<br />
südamerikanischen<br />
60s-Beat<br />
und macht<br />
Fotoshootings<br />
mit 60s-Flair:<br />
die Berliner<br />
Combo iMás Shake!.<br />
© tbc/Apple Corps Ltd<br />
Meine ganze Kindheit bestand aus den<br />
60s", sagt Rod. „Es begann mit den<br />
Beatles und hört bei psychedelischen Raritäten<br />
auf." Die findet er übrigens auch auf einer<br />
Samplerreihe aus Amerika, die sich „Soft Sounds<br />
For Gentle People" nennt. „Vier Volumes mit<br />
unglaublichen Sachen aus den 60ern von der<br />
Westküste, unfassbar lustige Sachen, liebevoll<br />
gemacht, aber auch psychedelischer Unsinn",<br />
sagt Rod lachend.<br />
Und Katy, Jahrgang 1976, habe schon als<br />
Teenie gern ein Mod-Mädchen sein wollen.<br />
„Was in einer westdeutschen Kleinstadt natürlich<br />
nicht so einfach war wie in Berlin Ende<br />
der 80er, Anfang der 90er", merkt die sympathische<br />
Blondine an. Heute ist Katy mit<br />
ihrem Look ein absoluter Hingucker: auf der<br />
Bühne am Keyboard, als<br />
Background-Sängerin<br />
und natürlich bei den<br />
Fotoaufnahmen<br />
mit<br />
der Band. Die typischen,<br />
leicht weiten<br />
Minikleider, kniehohe
Stiefel, der Schwarz-Weiß-Stil – gängige Elemente<br />
bei Katys Style. Auch total 60s ist ihr Make-up.<br />
„Ohne Lidstrich würde ich, glaube ich, nicht auf die<br />
Bühne gehen", sagt die Designerin. Der größte Unterschied<br />
bei Katys Klamotten im Gegensatz zu den klassischen Outfits<br />
aus den 60ern sind die Schuhe. Anfang und Mitte der 60er – vor der<br />
Plateausohlen-verliebten Hippiebewegung – sind die Absätze ziemlich<br />
flach. Das weibliche Mitglied von iMás Shake! trägt jedoch hohe Absätze.<br />
Nicht, um sich größer zu machen, denn mit ihren 1,70 könnte sie die<br />
flachen Treter locker tragen. „Aber ich stehe halt auf Stöckelschuhe."<br />
Mary<br />
Quandt<br />
Um die eigene Kleiderkollektion zu erweitern, hat Katy früher<br />
viel auf Flohmärkten gestöbert oder Originale in Second-Hand-<br />
Läden abgegriffen. Die meisten „echten" Teile hätten aber einen<br />
Makel: „Sie sind oft aus weniger schönen<br />
Materialien", findet Katy. Da aber mittlerweile<br />
viele junge, aktuelle<br />
– und auch bezahlbare<br />
– Marken auf den 60s-Modetrend aufspringen, wird Katy<br />
fast überall fündig. „Hier mal ein Blüschen, da mal ein<br />
Röckchen. Die Mode der 60er ist ja heute total stark<br />
vertreten. Ob bei H&M oder Fred Perry – man kann<br />
an sehr vielen Orten solche Sachen bekommen." Und<br />
für Inspirationen oder <strong>Tipp</strong>s, wie man was trägt, müsse<br />
man nur eine aktuelle „Vogue" aufschlagen. „Da sind fast immer<br />
60s-Modestrecken drin", sagt Katy.<br />
Ganz groß wieder da ist seit einigen Monaten zum Beispiel der<br />
Schwarz-Weiß-Look. Die weiße Bluse mit schwarzem Stoffstreifen<br />
an der Knopfleiste, Kleider mit weißem Oberteil und schwarzem Rockteil,<br />
schwarz-weiß gemusterte Röcke und Hosen, Pullis, ja sogar Stiefel mit<br />
schwarz-weißem Hahnentrittmuster. Wem der Zwei-Farben-Trend zu<br />
simpel ist, kombiniert zum rot-karierten Rock einen senfgelben<br />
Strickpulli. Noch auffälliger und wilder sind die<br />
Trends aus der psychedelischen Phase der 60er Jahre,<br />
die auch mit der Veröffentlichung der Beatles-LP SGT.<br />
PEPPERS LONELY HEARTS CLUB BAND 1967 eingeläutet<br />
wird. Keine stilbewusste Frau ging damals ohne<br />
Muster aus dem Haus. Paisley (eine Variante, die stets<br />
an das Muster eines orientalischen Teppichs erinnert),<br />
Op-Art, Schottenkaro, Ringelpullis, bunte-gestreifte<br />
Kleider. Heute angesagter denn je und in so ziemlich jeder<br />
Kollektion gut sortierter Modelabels zu finden.<br />
Doch ein Mode-Unternehmen hat sich 2013 ganz und<br />
gar den Swingin' Sixties verschrien – zumindest in<br />
einer Sonderkollektion: Die Rede ist von der amerikanischen<br />
Marke Banana Republic. Die 1978 in Kalifornien<br />
gegründete Firma hat sich bei den Entwürfen von keinen<br />
Geringeren als den Figuren der US-Erfolgsserie<br />
„Mad Men" (die ersten Staffeln liefen hier bisher<br />
auf ZDFneo) inspirieren lassen. In der dreht sich<br />
alles um Charaktere (übrigens nicht nur – wie der<br />
Name vermuten ließe – Männer), die im New<br />
York der 60er Jahre Liebe, Leid, Skandale und<br />
Krisen bewältigen. Privat – und beruflich in der<br />
fiktiven Werbeagentur Sterling Cooper. Neben<br />
dem Lebensstil, dem Hang zu Zigaretten und<br />
Alkohol und der Sicht auf die Geschlechter sind<br />
©D<br />
Davids<br />
ds/<br />
Bild<br />
arch<br />
iv<br />
Hall<br />
hube<br />
uber<br />
Brigitte<br />
Bardot<br />
auch die Klamotten der Darsteller absolut<br />
stilecht. Typen wie Womanizer Don und Roger<br />
tragen schmale Anzüge und Krawatten mit<br />
Blockstreifen, aber auch karierte Jacketts.<br />
Die Frauen hüllen ihre Körper in die berühmten<br />
Klassiker, wie das gerade geschnittene<br />
und doch figurbewusste Etuikleid, greifen zu<br />
Tweedkostüm und Kastenjacke.<br />
Gemeinsam mit der Kostümdesignerin der<br />
Serie (mittlerweile steht in den USA die siebte<br />
Staffel bevor), Janie Bryant, hat Banana<br />
Republic für 2013 die Rolle der Megan Draper<br />
(Dons zweite Frau) zum Stilvorbild erkoren.<br />
E<br />
in<br />
Mustern, ebenso schmale 7/8-Hosen.<br />
Jackie<br />
Kennedy<br />
Entstanden sind so Minikleider mit langen Ärmeln<br />
in leuchtenden Farben und mit geometrischen<br />
D<br />
ie „Mad-Men"-Darstellerinnen rufen auch in<br />
Erinnerung, welche Accessoires damals (und<br />
teils heute wieder) trendy waren: Joan, Peggy,<br />
Betty und Co. tragen Lederhandschuhe, trapezförmige<br />
Handtaschen, Perlenkette und Brillen in<br />
Katzenaugen-Form. Ein weiteres Vorbild in Sachen<br />
Accessoires aus dieser Zeit spielt auch in der Serie in<br />
gewisser Weise eine Rolle. Kein Gesellschaftsdrama,<br />
das sich so intensiv den 60ern hingibt, würde schließlich ohne Jacqueline<br />
Kennedy Onassis auskommen, die ebenso schlicht wie stilvoll auch kurz<br />
als Jackie O bezeichnet wird. Sie liebte große Sonnenbrillen, Chanel-<br />
Kostüme, Ballerinas und natürlich Hüte. Was wäre die einstige First Lady<br />
und spätere Witwe des griechischen Reeders Aristoteles Onassis nur ohne<br />
ihren Pill-Box-Hut?<br />
Zu den zeitlosen Schönheiten und Ikonen à la Jackie Kennedy (sie<br />
starb 1994) gesellt sich eine ebenfalls dunkelhaarige Frau mit<br />
Knabenfigur: Audrey Hepburn. Der Schauspielstar ist bis heute<br />
Inbegriff für den typischen Stil von Anfang bis Mitte der 60er.<br />
Breite Brauen, große Kulleraugen, Kurzhaarschnitt. Das hat<br />
ungefähr zur selben Zeit viele tausend Kilometer weiter<br />
östlich ein weiteres Mädchen geboten, das den noch prüden<br />
Rocklängen amerikanischer Frauen den Kampf angesagt<br />
hat: das dünne Model Twiggy von der Insel. Ob Kleid oder Rock,<br />
Twiggy zeigt ihre schlanken Beine ausschließlich im Mini. Viele Ketten<br />
dazu, lange Wimpern, kecker Kurzhaarschnitt, flache Schuhe und Stiefel.<br />
Ein Look ist geboren. Den größten Anteil daran hat jedoch eine andere:<br />
Die Britin Mary Quandt hat schließlich die neue Kürze erfunden. Ein<br />
Meilenstein in der Modegeschichte. 1962 zeigt sie die ersten Modelle in<br />
der Londoner Kings Road. Doch erst als Designer André Courrèges 1965<br />
den Mini bei den Haute-Couture-Schauen in Paris zeigt, wird er salonfähig.<br />
Angeblich habe es dann sogar im britischen Königshaus die Erlaubnis<br />
gegeben, am Hofe „Mini" zu tragen.<br />
Zu diesem Zeitpunkt haben zwei weltberühmte Französinnen den<br />
Trend längst für sich entdeckt: die 60s-Stilikonen Brigitte Bardot<br />
und Catherine Deneuve (ein Porträt zu ihrem 70. Geburtstag<br />
finden Sie in dieser Ausgabe). La Deneuve hat daneben noch<br />
ein anderes Faible: für Trenchcoats bzw. Regenmäntel. Der<br />
klassisch-geschnittene aus dem englischen Traditionshaus<br />
Burberry wird zum Hype, zudem freuen sich nun etliche<br />
Damen über das berüchtigte Regenwetter in<br />
London. Schließlich können sie glänzende<br />
Regenmäntel in den knalligsten Farben<br />
ausführen – und liegen damit absolut im<br />
Trend. Indes macht eine gewisse Edie<br />
Sedgwick – quasi die „Twiggy in Übersee"<br />
– in den USA auf sich aufmerksam.<br />
Bekannt wird sie als Andy-Warhol-Muse<br />
und „Factory Girl", besungen (angeblich)<br />
in Songs von Bob Dylan und<br />
The Velvet Underground. Das New<br />
Yorker High-Society-Mädchen trägt<br />
zu seinem Pixie lange Ohrringe,<br />
© Claudia Tupeit<br />
Seite 84 ■ GoodTimes 1/2014
© Claudia Tupeit<br />
kombiniert zu Minikleidern viele Ketten – ein erster<br />
Vorläufer typischer Hippie-Mode. Mit der geht es so richtig<br />
'67/'68 los. Der Stil der Mamas and the Papas ist angesagt, ebenso der<br />
vom End-Sechziger-Stilvorbild Grace Slick, legendäre<br />
Sängerin von Jefferson Airplane und den diversen<br />
späteren Ablegern. Mädchen tragen Wallekleider,<br />
tiefe Ausschnitte, große Flower-Power-Muster,<br />
Schlaghosen, bauchfreie Spaghettiträgertops<br />
mit Rüschen. Es ist die Zeit psychedelischer<br />
Mucke, von Hasch und sonstigen, härteren<br />
Drogen. Es ist die Zeit, in der runde<br />
Sonnenbrillen auf der Mitte des Nasenhügels<br />
sitzend getragen werden. Es ist die Zeit von<br />
Festivals wie Monterey und – natürlich –<br />
Woodstock '69. Männer laufen mit langen<br />
Haaren, in Schlaghosen und mit<br />
Plateauschuhen durch die Straßen<br />
und halten Peace-Zeichen in die Luft.<br />
Der gleiche Stil gilt für Mädchen: Auch sie haben ihre<br />
Mähnen offen – so, als ob sie sie nach dem Aufstehen nicht<br />
gekämmt hätten –, auch sie stolzieren in Plateaustiefeln<br />
durch die Gegend und haben Hosen an, deren Saum so weit<br />
und lang ist, dass sie den Gehweg rundherum damit putzen<br />
könnten. Aber hey, was soll's. Das Motto lautet „Make love, not war", und<br />
daran halten sich zumindest die Hippies.<br />
Mamas and the Papas<br />
Oft vergessen<br />
viele Leute,<br />
dass auch dieses<br />
Lebensgefühl und<br />
die Modetrends<br />
schon ab 1967<br />
zu den „Swingin'<br />
Sixties" dazugehören.<br />
Im ausgeprägtesten<br />
Sinne ist<br />
das Hippie-Fieber<br />
jedoch erst in den<br />
letzen zwei iJh Jahren der Dekade Dkd ausgebrochen. Bis zu dieser Hippie-<br />
Periode mit bunten Blumen und Schlagjeans haben in der Männermode<br />
Mods, Skinheads und Rocker den Ton angegeben. Und in diesen<br />
Sub<strong>kult</strong>uren gibt es radikale Unterschiede: auf der einen Seite die<br />
Pilzköpfe à la Beatles, feiner Zwirn, Pullunder überm Hemd. Daneben<br />
die „Bürstenkopf-Frisierten" mit Doc Martens, Bomberjacke,<br />
Hosenträgern zu engen, umgeschlagenen Jeans. Die Rocker<br />
liebten ihre Maschinen genau wie die coolen Lederjacken. Dann<br />
die Mods, die Rebellischen, die Unangepassten, die<br />
Kinks-, Small-Faces- und The-Who-Fans. Mit<br />
ihren taillierten Sakkos, den schmalen, schon<br />
röhrenmäßigen Hosen und dem Army-Parka.<br />
Ideal geeignet für die Fahrt auf dem Roller.<br />
E<br />
in solches Standard-Fortbewegungsmittel der<br />
60s besitzen auch die Mitglieder von iMás<br />
Shake!. So fährt Rod eine blaue Vespa, nach eige-<br />
nen<br />
Angaben eine „alltagstauglichere PX 200". Sein<br />
Modell von '68 habe er an Bassist Michell Gutiérrez<br />
Gómez verkauft.<br />
Sich einen Roller leisten, abfeiern, coole Musik hören<br />
– und Keith Moon, das gehört für Rod definitiv zu<br />
den<br />
schönen Seiten der Mod-Kultur. Wie sehr er den<br />
1978<br />
verstorbenen Who-Schlagzeuger verehrt, wird auf<br />
seiner Single "Quadrophenia" klar, die auf einer der jüngsten Ärzte-EPs<br />
erschienen ist. Eine Huldigung nicht nur an den Briten, sondern eben<br />
auch an die tollen Seiten des Mod-Seins.<br />
Für das komplette Mod-Lebensgefühl ist Rod zu alt, findet er. Gott sei<br />
Dank sieht er das nicht so in puncto Mod-Style. In uniform-ähnlichen<br />
Jacketts, schmal geschnittenen Anzügen oder mit engen Hosen zum<br />
Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 85<br />
schlichten Shirt tritt Rod nämlich gern auf die Bühne und passt damit<br />
bestens zum 60s-Look der anderen Bandmitglieder. Doch während Katy<br />
als Frau das Glück hat, einzelne 60s-Look-Teile in gängigen Kaufhäusern<br />
zu finden, ist das für den 60s-Style des Mannes schon schwieriger.<br />
Das kennt auch Rod und erzählt von aufwändigen Suchen nach<br />
Klamotten. Meist stöbere er sehr lange, vor allem in englischen<br />
Onlineshops. Wo genau, will er nicht verraten. „Sonst kaufen das ja<br />
alle", sagt er und lacht.<br />
Eine gute Adresse zum Eindecken mit Button-down-Hemden,<br />
engen Jeans, Hosenträgern, Boots und sonstigen 60s-Teilen ist<br />
für den Mann in jedem Fall die britische Marke<br />
„Ben Sherman" (siehe auch eigener Artikel<br />
auf nachfolgender Seite), die bisher auch<br />
zwei Geschäfte in Deutschland hat, in<br />
Berlin und Köln. In London gibt es<br />
sogar immer noch einen Laden in<br />
der in den 60s berühmt-berüchtigten<br />
Carnaby Street.<br />
Wer doch lieber ein Vintage-<br />
Stück abgreifen möchte, dürfte<br />
definfitiv online fündig werden.<br />
Ein Wahnsinns-Repertoire bietet zum<br />
Beispiel „Atom Retro", stilecht im United<br />
Kingdom angesiedelt. Auf der Suche nach<br />
dem klassischen Beatles-Chelsea-Stiefel, einem<br />
Jefferson<br />
Parka, Etuikleidern, Paisley-Hemden oder auch<br />
Airplain<br />
Accessoires kann man übersichtlich aus einem em breiten<br />
Angebot auswählen. Es gibt Marken, die auf Retro-Mode der 60er (und<br />
70er) spezialisiert sind, und es gibt die echten Unikate von damals. Wer<br />
Glück hat, erwischt ein Original von Yves Saint Laurent (vielleicht eines<br />
seiner berühmten Safari-Look-Kleider?) oder das Nonplusultra: einen<br />
Mini von der Erfinderin, Mary Quandt.<br />
© Claudia Tupeit<br />
ModCloth - der Name sagt's schon – ist auf Vintage-und Retro-<br />
Kleidung spezialisiert. Gegründet von zwei Amerikanern am<br />
College als eine Art privates Outlet, ist der Onlineshop mittlerweile extrem<br />
erweitert worden. Die Eigentümer arbeiten mit jungen, bisher noch unbekannten<br />
Designern zusammen und haben so eine vielfältige Auswahl vom<br />
Partykleid über Winterpullis bis zu Schuhen und Accessoires zusammengestellt.<br />
Die „ModStylists" beraten Kunden beim Auswählen oder auch<br />
beim Kombinieren ihrer neuen Lieblingsteile.<br />
Nicht ganz so weit entfernt ist eine wahre Fundgrube für Männer<br />
und Frauen, die den 60s-Stil suchen und tragen wollen: die<br />
„SchwarzeTruhe" in Berlin. Sowohl im Laden selbst als auch<br />
online kann wunderschöne Vintage-Mode erstanden werden, zu<br />
Geldbeutel-freundlichen Preisen. Und da der Begriff „Vintage"<br />
ernstgenommen wird in seiner Bedeutung, dass es sich dabei<br />
um Kleidung handelt, die deutlich älter ist als 20 Jahre (also<br />
Originale), lassen sich echte Raritäten abstauben.<br />
Schnell auffindbar für Damen und Herren, da<br />
alles in Rubriken wie Brautkleid, Oberteile,<br />
Die Autorin<br />
im 60er-Look:<br />
Minikleid in<br />
Trapezform<br />
mit Kragen,<br />
kniehohe Stiefel,<br />
Kurzmantel.<br />
Glam-Glitter,<br />
Plateaus und der<br />
Schmuddelstil der Punks:<br />
<strong>kult</strong>! instyles 70s" in der<br />
"<br />
kommenden Frühjahrs -<br />
aus gabe.<br />
Röcke, etc. eingeteilt ist. Und: Was<br />
nicht im eigentlichen Sinne unter<br />
„Vintage" läuft, wird auch so gekennzeichnet.<br />
Ganz besonderer Service: Für<br />
Mottopartys oder ähnliches darf man<br />
sich etwas ausleihen. Außerdem können<br />
Teile, die man online entdeckt hat, im<br />
Laden anprobiert werden. Einfach<br />
die Artikelnummer notieren,<br />
den Rest erledigen die<br />
Mitarbeiter<br />
Geschäft.<br />
im<br />
Was<br />
sie in<br />
den 60s<br />
trug, ist heute<br />
wieder angesagt:<br />
Audrey Hepburn<br />
im karierten<br />
Mantel im<br />
Trenchcoat-Stil.
Foto: © Ben Sherman erman<br />
© Claudia Tupeit<br />
ngefangen hat alles ganz bodenständig in England. Dort<br />
wird Arthur Benjamin Sugarman 1925 in Brighton geboren.<br />
Dass er einmal eine Legende für stilbewusste Männer<br />
sein wird, die authentische Qualitätsmode wollen, die nicht jeder Zweite<br />
trägt, ahnt damals niemand. Er am wenigsten.<br />
Die Jugend in den Kriegswirren verbracht, zieht es ihn im Alter von<br />
20 Jahren in die USA. Dort, im San Fernando Valley, beginnt er, in der<br />
Bekleidungsfabrik seines Schwiegervaters zu arbeiten. Er ändert seinen<br />
Namen in Ben Sherman. Ben nennen ihn sowieso alle in der Familie, und<br />
Sherman klänge solide und amerikanisch, meint er.<br />
Solide, das ist überhaupt eine durchaus zutreffende Bezeichnung<br />
für alles, was den Briten betrifft. „Haltbar, qualitätsvoll, lebendig und<br />
robust" – mit solchen Attributen erklärt der Duden das Adjektiv. Also<br />
nicht nur die passende Umschreibung für den neuen Namen, sondern<br />
auch für die Mode und natürlich für den Geschäftssinn von Ben<br />
Sherman.<br />
ls seine Mutter in England erkrankt, kehrt Sherman zurück nach<br />
Brighton. Im Gepäck hat er jede Menge Ideen aus Übersee.<br />
Zudem viel Eifer<br />
und Energie für<br />
etwas Neues.<br />
Seine Erfahrung<br />
nutzt er, um eine<br />
eigene Fabrik zu<br />
eröffnen. Den<br />
Seite 86 ■ GoodTimes 1/2014<br />
50 JAHRE<br />
Der Stil der Sub<strong>kult</strong>uren für<br />
den Mann<br />
Groß, hell, viel Holz, wenig Schnickschnack, Ordnung und<br />
absolut stylishe Verkäufer: Das Betreten eines Ben-Sherman-<br />
Geschäfts sorgt für ein Aha-Erlebnis bei Männern. Und das ist<br />
beim starken Geschlecht inmitten weiblich dominierter Auslagen<br />
großer Bekleidungsanbieter eher selten. Beim britischen Herren-<br />
Label klopft das Männerherz schneller, vor allem bei Ersttätern.<br />
Shirts, Hemden, Jacken, Hosen, Schuhe, Taschen – alles wird<br />
übersichtlich präsentiert. Und die (männlichen) Verkäufer zeigen<br />
gleich mal, wie das ein oder andere Stück angezogen tatsächlich<br />
aussehen könnte. Ob in New York, San Francisco, Berlin, Sydney,<br />
Singapur, Kapstadt oder Moskau: Der Brit-Chic ist Trend.<br />
Niederlassung in der Berliner Rosenthaler Straße<br />
Ärmelaufschläge in anderen Farben und Mustern<br />
gehören zu den feinen Details der Marke.<br />
Von Claudia Tupeit<br />
Typisch Ben Sherman: helle<br />
Verkaufsräume mit viel Holz<br />
und geordnetem Sortiment.<br />
Foto: © Ben Sherman<br />
Anfang macht er mit Hemden. Er<br />
entwirft sie und bringt schließlich<br />
1963 das erste auf den Markt. Seine<br />
Inspiration? Die Oberteile der Jungs<br />
an amerikanischen Elite-Unis. Und die<br />
Jazzstars, die Anfang der 60er Jahre zu<br />
Auftritten nach England kommen und<br />
diese „button-down-shirts" tragen, die<br />
es in Geschäften wie Brooks Brothers<br />
gibt. Solche Hemden mit Extraknöpfen<br />
am Kragen will Sherman fertigen.<br />
Natürlich in anderen Versionen, mit<br />
anderen Farben<br />
und Mustern. Pastellfarben,<br />
also Rosa, helles Gelb, helles<br />
Blau sollen für zusätzliche<br />
Hingucker sorgen.<br />
Teilweise setzt er noch eins<br />
Unifarben, kariert, Paisleymuster: Ben Sherman<br />
hat alles, was das Männerherz begehrt.<br />
drauf und kombiniert dazu<br />
bonbonfarbene Streifen. Anfang der 60er Jahre wird<br />
seine Farbpalette jedoch skeptisch aufgenommen.<br />
Zunächst. Er bleibt am Ball, revolutioniert sogar<br />
das Verpacken der Ware, weil er jedes Hemd<br />
einzeln in Papier einwickeln lässt. Das gab's so<br />
vorher nicht.<br />
© Claudia Tupeit<br />
en Shermans Geist (er ist bereits 1987 mit<br />
nur 62 Jahren gestorben) lebt weiter. Zwar<br />
kann der stilbewusste Mann sich längst von<br />
Kopf bis Fuß nur von der Firma Ben Sherman<br />
einkleiden. Aber ein Blick in die Läden zeigt,<br />
dass es vor allem immer noch Hemden gibt. In den<br />
berühmten und einst verpönten Pastelltönen. Hinzukommen<br />
die karierten und die mit Muster. Und die unifarbenen. Alle<br />
sind mit feinen Details versehen. Das hebt sie ab vom Mainstreamhemd.<br />
Foto: © Ben Sherman<br />
Foto: © Claudia Tupeit
Foto: © Claudia Tupeit<br />
Zum Beispiel hat das eigentlich in Rot- und<br />
Blautönen karierte Hemd seitlich am Saum einen<br />
kleinen Einsatz mit dunkelblau-weißen Karos im<br />
Miniformat. Oder das psychedelisch wirkende<br />
Oberteil mit dem braun-weißen Paisleymuster,<br />
dessen Ärmelsaum neckisch umgekrempelt das<br />
Muster mit hellblau-weißen Karos bereichert.<br />
Stets dabei: der eingestickte Labelname.<br />
Und wenn Suche und Anprobe erfolgreich<br />
gewesen sind, knistert es immer noch, wenn<br />
die Verkäufer die Hemden verpacken. Denn<br />
wie früher beim Erfinder selbst landen die<br />
neuen Oberteile eingehüllt in Papier in der<br />
Einkaufstasche.<br />
ie Marke Ben Sherman hat seit 1963 viele Leute stilistisch beeinflusst<br />
und angezogen. Im Jubiläumsbuch „50 Years Of British<br />
Style Culture" von Josh Sims zum Geburtstag des Labels werden acht<br />
Sub<strong>kult</strong>uren von der Insel näher betrachtet. Für Mark Maidment,<br />
seit über zehn Jahren kreativer Chef bei Ben Sherman, sind es die<br />
besten Sub<strong>kult</strong>uren überhaupt. Ins Buch passten sie als Auszug diverser<br />
Strömungen deshalb so gut, weil sie alle unglaublich „maskulin<br />
und legendär" waren. Viele der Szene-Anhänger waren die „working<br />
class heroes", also hart arbeitende junge<br />
Männer, die ihren Platz in der Gesellschaft<br />
behaupten wollten. Heute erinnere man<br />
sich vor allem an den Style, der die verschiedenen<br />
Bewegungen ausmachte, und<br />
auch an den Gedanken der Rebellion,<br />
die vielen Mythen, die sich um die<br />
Gruppierungen ranken. Aber noch bedeutender<br />
als all das ist laut Mark Maidment<br />
die echte Vorreiterrolle. Dass die jungen<br />
Herren (und Damen) in den 60er, 70er,<br />
80er Jahren Pioniere von etwas waren,<br />
was zuvor so nicht dagewesen ist. Allen<br />
Klassische Harrington-Jacke mit dem limierten<br />
Beatles-Köpfe-Print auf dem Innenfutter.<br />
voran natürlich die Mods mit ihrem<br />
Faible für Kleinkariertes, aber auch – wie<br />
oft von The Who getragen – für T-Shirts<br />
mit Target-Symbol, für Parkas, Röhren<br />
und eng geschnittene Anzüge. Vorreiter<br />
waren die Teddy Boys, die – inspiriert von<br />
den Dandies der „Edwardian-Epoche" –<br />
als erste (Mode-)Sub<strong>kult</strong>ur nach dem Zweiten Weltkrieg in England<br />
für Aufmerksamkeit sorgten. Im Ben-Sherman-Jubiläumsbuch (auch<br />
auf Deutsch erhältlich) werden neben diesen Sub<strong>kult</strong>uren Rocker,<br />
Punks, Skinheads, Northern Soul, Two Tone und Casuals mit ausführlichen<br />
Infos und tollem Fotomaterial bedacht.<br />
berall auf der Welt betreibt die Marke mittlerweile eigene Läden<br />
und verkauft Kollektionen in namhaften Kaufhäusern. Eigene<br />
Niederlassungen in Deutschland gibt es bisher in Berlin und Köln.<br />
Im Heimatland England existieren sechs, allein vier davon in London.<br />
Nach wie vor ist ein Laden in der berühmten und früher berüchtigten<br />
Carnaby Street, ein weiterer mit riesigem Sortiment ist im<br />
beliebten Covent Garden zu finden. Wer Ben Sherman trägt, sollte<br />
unbedingt einen der Läden im Mutterland der Marke ansteuern.<br />
Die englischen Verkäufer haben diese gewisse Attitüde, die einen<br />
beim Betreten in die 70er Jahre zurückversetzt. Die Preise sind ohne<br />
Auslandsverkauf-Aufschlag. Das Flair an diesen beiden Standorten<br />
Foto: © Derek Ridgers<br />
© Joseph McKeown/Picture Post/Getty Images<br />
Teddy<br />
Boy in<br />
London<br />
1954<br />
Skinheads 1979<br />
ist sowieso unbezahlbar – und es gibt einfach jedes Teil<br />
aus den diversen Kollektionen: „Plectrum", deren aktuelle<br />
„Spirit Of Union"-Serie inspiriert ist vom Geist des industriellen<br />
Nordens von England, umgesetzt mit moderner r<br />
Farbpalette und moderneren Schnitten. Zur „British Wardrobe<br />
Staples" und „The Duke Street Foundry" gehören Klassiker<br />
wie die Harrington-Jacke und Button-down-Hemden mit<br />
typischen Mod-Karos. „Tailoring" bietet<br />
schick geschnittene Anzüge. Coole Chino-<br />
Hosen in so ziemlich jeder denkbaren Farbe<br />
sind unter „EC1" zusammengefasst. Jetzt<br />
neu: Cordhosen in trendigen Farben von<br />
Weinrot bis Senfgelb.<br />
Two Tone – Terry Hall und<br />
Lynval Golding von The Specials<br />
1981 in Montreux.<br />
Jungs im Casual-Stil 1982 bei einer<br />
Londoner Party.<br />
Foto: © Mark Charnnock/PYMCA<br />
Foto: © Adrian Boot/Urban Image<br />
eit 2004 gehört das Unternehmen Ben<br />
Sherman der amerikanischen Oxford<br />
Industries. Am Stil ändert das (bisher)<br />
wenig. Die Marke ist weiter beliebt, weil<br />
sie den Mann (und mittlerweile mit ein<br />
paar Stücken auch die Frau) stylish und<br />
modern kleidet, Traditionen<br />
aber erhält. Erkennbar<br />
auch am besonderen<br />
Kundenwunsch von<br />
Paul Weller (The Jam, Style<br />
Council), den er 2007 an das<br />
Label heranträgt. Der Sänger<br />
möchte unbedingt ein für<br />
ihn legendäres Hemd von Ben<br />
Sherman nachgemacht bekommen,<br />
das er trug, bis es förmlich auseinandergefallen<br />
war. Wellers Bitte verführt die Firma<br />
dazu, dem Briten eine Kollektion zu widmen. Weller<br />
bringt eigene Ideen ein. Dickere Knöpfe, ein Kragen<br />
so breit wie vier Finger und ein extra Knopfloch am<br />
Bündchen, um das Hemd enger machen zu können.<br />
Berühmt wird auch die Idee, vier der wohl berühmtes ten Köpfe<br />
der Welt auf Hemden und Jacken zu drucken: Paul, John, George and<br />
Ringo – kurz: The Beatles. Ein Oberhemd mit kurzen Ärmeln ganz<br />
und gar bedruckt mit den bunten Porträts. Der gleiche Stil findet sich<br />
ebenso im Innenfutter von Übergangsjacken im Harrington-Stil. So<br />
mancher Boy wird sie vermutlich eher selten anziehen, sondern lieber<br />
mit dem Innenfutter nach außen überm Arm hängend präsentieren.<br />
Mit der Combo Madsen folgt eine weitere Zusammenarbeit<br />
mit Musikgrößen. Und just im September 2013 bringt das Label<br />
eine Geburtstagskollektion heraus, bei der fünf große Künstler<br />
für jedes der Ben-Sherman-Jahrzehnte ein eigenes, auf je 250<br />
Stück limitiertes Hemd designt haben. Für die 60er gibt es eins im<br />
Union-Jack-Style von The Whos Roger Daltrey, Pop-Art-Künstler<br />
(und Lehrer von Ian Dury) Peter Blake hat sich für die 70er etwas<br />
überlegt, stellvertretend für die 80er steht das schwarze Hemd<br />
von Bernard Sumner, ehemaliger Gitarrist und Keyboarder von<br />
Joy Division, später New Order. In<br />
einem Hellblau-Ton ist das Oberteil<br />
von Jarvis Cocker (gründete 1978 die<br />
Brit-Popband Pulp). Vervollständigt<br />
wird die Dekaden-Runde von einem<br />
Smiley-Hemd vom Künstler-Duo Jake<br />
& Dinos. Sämtliche Netto-Erlöse der<br />
Designerin Vivienne Westwood (r.)<br />
und weitere Punks an einer Londoner<br />
Telefonzelle 1977.<br />
Foto: Condé Nast Archive / Corbis<br />
„The Icons (Shirt for TCT)" gehen an<br />
den Teenage Cancer Trust, einer vom<br />
Label unterstützten Organisation für<br />
an Krebs erkrankte Jugendliche und<br />
junge Erwachsene. Wer noch keins<br />
ergattert hat – ranhalten! Vielleicht<br />
ist in einem Laden noch das ein oder<br />
andere zu finden. Und wenn nicht:<br />
Die nächste, ultracoole Kollaboration<br />
ist im Hauptquartier sicher schon in<br />
Planung.<br />
© Claudia Tupeit<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 87
OLSENBANDE<br />
DIE<br />
Von Christian Hentschel<br />
Mächtig<br />
gewaltig!<br />
Die<br />
Olsenbande<br />
gaunert sich<br />
durch Europa<br />
Foto: © Nordisk Film<br />
Der Drehbuchautor Henning Bahs und der Regisseur Erik Balling trafen sich einmal jährlich für wenige<br />
Wochen in Paris. Hier gingen die zwei dänischen Filmemacher einem ganz besonderen Projekt nach – sie<br />
schrieben jeweils ein neues Drehbuch über die Olsenbande.<br />
Die Idee dazu hatte Bahs, der seine Filmkarriere in den 50er<br />
Jahren in der Requisite begann, dann als Szenenbildner<br />
arbeitete und seit den 60ern auch Drehbücher verfasste.<br />
Mit „Die Olsenbande" wollte er einen komödiantischen<br />
Gegenentwurf zu James Bond und Lemmy Caution, einem Bruder<br />
im Geiste von Bond und Jerry Cotton, entwickeln. Jedoch<br />
ging es nicht um platten Ulk,<br />
vielmehr sollte die<br />
Geschichte von Ganoven<br />
mit ganz nor-<br />
malen Alltagsproblemen erzählt wer-<br />
den. Balling war<br />
sofort begeis-<br />
tert, schrieb an<br />
den Büchern<br />
mit und führte<br />
Regie. Schon<br />
sein erster Spielfilm „Adam<br />
Og Eva" aus dem Jahr<br />
1954 wurde<br />
mit dem<br />
Bodil, dem<br />
bis heute<br />
wichtigsten<br />
Filmpreis<br />
Dänemarks,<br />
ausge-<br />
zeichnet.<br />
Nur drei<br />
Jahre<br />
später wurde<br />
Ballings<br />
fünfter Spielfilm<br />
„Qivitoq",<br />
ein Drama über<br />
die<br />
Modernisierung Grönlands<br />
und die damit verbundenen Probleme, für den Oscar nominiert. Das<br />
war in jenem Jahr, als Erik Balling mit nur 33 Jahren den Posten<br />
des Direktors der Firma Nordisk Film übernahm.<br />
Vermutlich auch für<br />
die denn Nordisk bewilligte die Budgets. Kostete<br />
Olsenbande-Filme ein nützlicher Umstand,<br />
der erste Olsenbande-Film „nur" etwa<br />
eine Million Kronen, verschlang Film<br />
Nummer 13 bereits das Zehnfache.<br />
Wenngleich „Die Olsenbande" (1968)<br />
und<br />
„Die Olsenbande in der Klemme"<br />
(1969)<br />
nach dem Filmstart ihren<br />
Siegeszug<br />
antraten (und bis heute<br />
sehenswert<br />
sind), waren sie noch<br />
ein<br />
wenig unentschieden. Erst mit<br />
dem<br />
dritten Teil „Die Olsenbande<br />
fährt<br />
nach Jütland" (1971) gelang<br />
der<br />
endgültige Charme, der alle fol-<br />
genden<br />
Filme ausmacht. Besonders<br />
faszinierend<br />
sind die liebenswerten<br />
Figuren.<br />
Da ist zunächst die Olsenbande<br />
selbst. Benannt<br />
nach ihrem Kopf Egon<br />
Olsen, wunderbar<br />
gespielt von Ove Sprogøe.<br />
Die Filme beginnen meist damit, dass Olsen<br />
Foto: © Nordisk Film<br />
Seite 88 n GoodTimes 1/2014
das Staatsgefängnis Vridsloseville vor den Toren Kopenhagens verlässt,<br />
um am Ende dort wegen einer neuen Sache wieder einzurücken. Das<br />
war so prägend, dass der Weg vor dem Gefängnis mittlerweile tatsächlich<br />
Egon-Olsen-Straße heißt. Abgeholt wird Olsen immer von seinen<br />
oder weil die ostdeutsche Synchronisation auf ausgeklügelte Dialoge nah<br />
Compagnons Benny und Kjeld, dargestellt von Morten Grunwald und<br />
Poul Bundgaard. Während<br />
am Original<br />
setzte. Zwar lässt sich nicht jede Defa-Filmsynchronisation<br />
in den Himmel loben, doch hier wurde mit viel<br />
Egon ein Gentleman-<br />
Liebe fürs Detail gearbeitet.<br />
Gangster alter Schule ist,<br />
ist der treue Benny der<br />
Fahrer der Bande – ganz<br />
egal, ob Auto, Lokomotive<br />
oder gar Panzer. Seine<br />
Markenzeichen sind sein<br />
1974 sollte übrigens nach den genannten drei<br />
Filmen<br />
sowie „Die Olsenbande und ihr gro-<br />
ßer<br />
Coup" (1972) und „Die Olsenbande läuft<br />
Amok"<br />
(1973) mit „Der (voraussichtlich) letzte<br />
Streich<br />
der Olsenbande" (1974) erst einmal<br />
Schluss<br />
sein, doch bis 1981 ging es Schlag<br />
tänzelnder Gang und<br />
auf<br />
Schlag weiter. Mit großem Erfolg starteten<br />
seine ewige Zustimmung<br />
„Die<br />
Olsenbande stellt die Weichen" (1975),<br />
„Mächtig gewaltig".<br />
„...<br />
sieht rot" (1976), „... schlägt wieder zu"<br />
„Mächtig gewaltig" ist<br />
(1977),<br />
„... steigt aufs Dach" (1978), „... ergibt<br />
übrigens eine Erfindung<br />
des Dialogbuchautors<br />
Wolfgang Woizick, denn<br />
im dänischen Original sagt<br />
Benny stets „Skide Godt",<br />
das so viel wie „Scheiße<br />
gut" bedeutet. Kjeld, der<br />
Dritte im Bunde, ist der<br />
Schisser in der Runde und<br />
will überhaupt nicht kriminell<br />
sein. Andererseits bringt<br />
er es in „Die Olsenbande fährt<br />
nach Jütland" auf den Punkt:<br />
„Alles ist so teuer geworden,<br />
mit Mehrwertsteuer und so.<br />
Nirgendwo gibt es noch etwas<br />
Mit dem liebenswerten Gangstertrio unsterblich<br />
geworden: die dänischen Schauspieler (v.l.n.r.)<br />
Morten Grunwald, Ove Sprogøe und Poul Bundgaard.<br />
auf Pump." Zudem muss<br />
er den verschwenderischen So liebt man die Olsenbande: Egon (Mitte)<br />
sich<br />
nie" (1979) und „... fliegt über die<br />
Planke"<br />
Lebensstil seiner Frau Yvonne erläutert Benny und Kjeld seinen Plan.<br />
(1980).<br />
Im vorerst letzten Teil „Die Olsenbande<br />
gewährleisten, der er es nur<br />
fliegt über alle Berge" (1981) geht es nach Paris<br />
selten rechtmachen kann. Gespielt wurde Yvonne von Kirsten Walther,<br />
und von Film zu Film wurde ihre Rolle der notorisch nörgelnden Ehefrau<br />
größer und bedeutender. 1987 verstarb sie völlig unerwartet nur 53-jährig<br />
an Herzversagen. Jes Holtso war zehn Jahre alt, als er erstmals als<br />
Filmsohn Borge von Yvonne und Kjeld bei der Olsenbande auftauchte.<br />
Mit langem, zotteligem Haar, dicken Brillengläsern und rotem Pullover<br />
war er schon von weitem zu erkennen und erwies sich als gewiefter<br />
Handlanger für seinen Vater und dessen Kollegen. Im wirklichen Leben<br />
verfolgt der inzwischen 56-Jährige die Laufbahn eines Bluessängers, so<br />
erreichte er 2009 das Finale von „Talent 09",<br />
dem dänischen Ambivalent<br />
des „Supertalents". Vor wenigen Monaten<br />
hatte Holtso in Greifswald sein<br />
erstes Deutschlandkonzert.<br />
Unvergessen ist auch Dynamit-<br />
Harry, der trinkfreudige<br />
Sprengmeister, der sich nüch-<br />
tern nichts traut, und Bruder<br />
von Benny – verkörpert vom<br />
bereits 1981 verstorbenen<br />
Schauspieler Preben Kaas. Oder<br />
das „Dumme Schwein", ab Teil<br />
sechs ständiger Widersacher des<br />
Gaunertrios, dargestellt von Ove<br />
Werner Hansen, der in seiner Heimat auch als Sänger und<br />
Fernsehkoch bekannt ist. Und nicht zuletzt die Kommissare<br />
Mortensen, Jensen und Holm.<br />
Schnell machte die Olsenbande auch außerhalb Dänemarks Furore.<br />
Die Filme wurden nach Jugoslawien, Polen, Ungarn, Rumänien,<br />
Österreich, in die Schweiz und die Türkei sowie die BRD und DDR<br />
lizenziert. Norwegen begann schon 1969, eigene Olsenbande-<br />
Filme zu drehen (teilweise in der dänischen Originalkulisse),<br />
und 1981 zog auch Schweden mit der „Jönssonligan"-Serie ins<br />
Rennen. Kultstatus erlangten die Filme neben Dänemark vor<br />
GoodTimes 1/2014 n Seite 89<br />
allem im Osten Deutschlands. Im Westteil des Landes dagegen liefen die<br />
Filme nicht sonderlich erfolgreich. Über die Gründe wird viel spekuliert,<br />
vielleicht weil sie im Überangebot der Westkinos einfach untergingen<br />
(dem Drehbuchentstehungsort), Yvonne trennt sich von Kjeld, und Egon<br />
landet schlussendlich in der Psychiatrie. In den Folgejahren wurde über<br />
eine weitere Fortsetzung nachgedacht, doch mit dem frühen Tod der<br />
Yvonne-Darstellerin Kirsten Walther schien es abwegig. Erst 1998 wurde<br />
noch einmal ein weiterer, jedoch nicht so erfolgreicher Film gedreht:<br />
„Der (wirklich) allerletzte Streich der Olsenbande". Obendrein waren die<br />
Dreharbeiten von tragischen Ereignissen überschattet. So verstarb Kjeld-<br />
Darsteller Poul Bundgaard im Juni 1998 und musste für die noch nicht<br />
fertiggestellten Szenen gedoubelt werden. Es blieb nicht bei diesem<br />
Todesfall: Benny Hansen, der den Krankenpfleger spielte, der neu engagierte<br />
Regisseur Tom Hedegaard (Erik Balling konnte aus gesundheitlichen<br />
Gründen weder am Drehbuch mitschreiben noch Regie führen) verstarben<br />
während der Dreharbeiten, Bjorn Watt-Boolsen (seit 1974 in der Rolle<br />
des Schurken Hallandsen) wenige Tage nach der Premiere. Inzwischen<br />
sind auch Bahs (2002), Sprogøe (2004) und Balling (2005) gestorben,<br />
doch die Olsenbande bleibt unsterblich. Es gibt eine Kinderversion,<br />
Theaterstücke, Comics, Bücher, einen<br />
Animationsfilm und die<br />
guten, alten Originale in<br />
bester HD-Qualität auf<br />
DVD sowie nach und nach<br />
auf Blu-ray.<br />
Fotos: © Nordisk Film
Abi Ofarim<br />
Je oller, desto doller! Auf kaum einen trifft dieser<br />
Spruch mehr zu als auf Abi Ofarim: Der gebürtige<br />
Israeli mit deutschem Pass, der in den 60er<br />
Jahren mit seiner damaligen Gesangspartnerin und<br />
Ehefrau Esther weltweit 59 goldene Schallplatten und zahlreiche<br />
h<br />
Awards abräumte und seither immer wieder mal für Schlagzeilen<br />
gut war, hat am 5. Oktober seinen 76. Geburtstag gefeiert. Doch<br />
zu bremsen ist der Mann, der sich nach eigener Aussage wie ein<br />
Teenager" fühlt, in keinster Weise: Er tritt nicht nur beachtlich "<br />
oft live auf und arbeitet an einer neuen CD, sondern er hat sich<br />
seit geraumer Zeit einem sehr ambitionierten, für einen Promi<br />
aus dem Showbusiness eher ungewöhnlichen Projekt verschrieben,<br />
und das mit Haut und Haaren, Leib und Seele: Kinder von<br />
gestern" heißt der Verein, den er mit Seelenverwandten "<br />
gegründet<br />
hat, um noch in diesem Jahr ein Jugendzentrum für Senioren" zu<br />
eröffnen. Im Gespräch mit "<br />
<strong>kult</strong>!-Mitarbeiter Philipp Roser präsentiert<br />
er sich voller Elan, als er über dieses Vorhaben berichtet<br />
– aber er blickt auch zurück in die Vergangenheit.<br />
Abi, wie kam es zu deinem Projekt Kinder von gestern", und<br />
was verbirgt sich dahinter? "<br />
Vor einem Jahr habe ich ein Poster für den Kältebus in München<br />
gemacht, bin auch mit ihm unterwegs gewesen, als er bei frostigen<br />
Temperaturen bei den Obdachlosen vor Ort war. Da habe ich unglaubliches<br />
Elend gesehen. Wir sind ein so reiches Land, und dennoch frieren<br />
Menschen auf der Straße. Viele Leute<br />
sind gezwungen, ihre Wohnungen zu<br />
verlassen, weil sie am Ende des Monats<br />
nicht genug Geld haben, um die Miete zu<br />
zahlen. Ich habe zum Beispiel eine Frau<br />
getroffen, die lebt den ganzen Monat<br />
von Toast und Ketchup, um ihre Miete<br />
bezahlen zu können. Ich habe immer viele<br />
Wohltätigkeitssachen für Kinder und Tiere<br />
gemacht – dann habe ich eine Doku gesehen,<br />
die die Situation unserer Seniorinnen<br />
und Senioren in Deutschland zeigte. Viele<br />
werden abgeschoben nach Rumänien, weil<br />
die Heime da billiger sind. Die Aussage eines es Sohnes, der seine Mutter in<br />
einem solchen Heim untergebracht hat, hat mich besonders schockiert.<br />
Da sie an Demenz leidet, ist er der Meinung, sprachliche Barrieren seien<br />
kein Hindernis, sie verstehe sowieso nichts. Einfach unglaublich! Da kam<br />
mir die Idee zu „Kinder von gestern" – ich habe mit Gleichgesinnten<br />
den Verein gegründet, um Leuten zu helfen, die 40, 50 Jahre schwer<br />
gearbeitet und das Land in seinen heutigen Zustand gebracht haben,<br />
denn Kinder sind wir doch alle. Viele werden allerdings vergessen, werden<br />
behandelt wie Abfall der Gesellschaft. Sie sind nicht nur finanziell<br />
Foto<br />
:©Phil<br />
ipp<br />
Rose<br />
r<br />
schlecht gestellt, sondern häufig auch sehr einsam. Da kam ich auf den<br />
Gedanken für das „Jugendzentrum für Senioren". Wir richten in einem<br />
früheren Schlecker-Markt ein Treffpunkt ein, wo diese Menschen hinkönnen,<br />
um ihrer Einsamkeit für ein paar Stunden zu entkommen. Dort<br />
können sie Kaffee und Tee trinken, Schach oder Karten spielen, stricken,<br />
nähen, Freunde finden. Wir haben Leute, die ihnen den Umgang mit<br />
dem Computer beibringen, haben Handys für ältere Leute. Wir machen<br />
Lesungen, eine Tanzschule hat uns angeboten, einmal in der Woche<br />
Tanztees zu veranstalten. Auch Schuldnerberatung ist geplant.<br />
Du redest dich regelrecht in Begeisterung – da erübrigt sich<br />
fast die Frage, warum du dir all den Stress antust in einem<br />
Alter, in dem andere Leute ihren Ruhestand genießen.<br />
Wie alt sehe ich aus?<br />
Jünger!<br />
Ich fühle mich auch jünger, ich habe die Kraft, und ich bin ein Vorbild<br />
für die Leute. Ich wurde am 5. Oktober 76, fühle mich konditionell und<br />
stimmlich fitter denn je. Warum tue ich mir das an? Das gibt mir Kraft,<br />
das gibt mir die Möglichkeit zu helfen. Natürlich hilft mein Name, aber<br />
die richtige Hilfe bin ich selbst. Und ich möchte den Leuten eine innerliche<br />
Sonne bringen – und ich kann das!<br />
Ich kann das, und ich motiviere andere<br />
Leute. Im Moment bin ich fitter als vor 10<br />
oder 20 Jahren, als es mir nicht gut ging.<br />
Ich weiß, wie das ist, wenn man richtig<br />
tief unten ist, wenn man kein richtiges<br />
Zuhause hat.<br />
So ein Projekt kostet viel Geld ...<br />
Wir haben viele tolle Sponsoren, das<br />
Sozialreferat der Stadt München hilft<br />
uns sehr, und ich sammle bei meinen<br />
Auftritten. Da erzähle ich von dem Projekt<br />
und gehe mit dem Hut herum. Und ich<br />
gebe Benefizkonzerte<br />
– beim ersten in der Münchner Emmauskirche<br />
kamen 14.000 Euro zusammen. Allerdings leidet im Moment meine<br />
Musik darunter, denn ich sollte eigentlich an meiner neuen CD Abi<br />
Ofarim & Friends arbeiten, der Arbeitstitel heißt FAVOURITES – meine<br />
favorisierten Künstler und meine Lieblingslieder, dazu auch ein paar neue<br />
Songs. Ich wollte sie eigentlich dieses Jahr fertigmachen, musste es aber<br />
auf nächstes Jahr verschieben. Denn „Kinder von gestern" liegt mir so am<br />
Herzen, und ich bin froh, dass ich die Möglichkeit habe zu helfen. Und<br />
jede Hilfe, mit der man uns hilft, damit wir helfen können, ist gigantisch.<br />
Die Gitarre ist immer griffbereit: Abi Ofarim im September 2013<br />
© Pr<br />
esse<br />
se<br />
foto<br />
Seite 90 ■ GoodTimes 1/2014
Das Helfen zieht sich durch dein Leben, wie<br />
man deiner Autobiografie Licht & Schatten"<br />
von 2010 entnehmen kann. "<br />
Ende der 60er,<br />
Anfang der 70er Jahre hast du hier in der<br />
Münchner Musikszene einigen Leuten bei ihrer<br />
Karriere maßgeblich geholfen, als Produzent, als<br />
Songschreiber.<br />
Als die Staatsoper Margot Werner am Ende ihrer Karriere<br />
als Ballerina abschieben wollte, machten sie ihr dort<br />
das Jobangebot, Karten zu verkaufen. Sie wollte auch<br />
schon einwilligen, doch dann habe ich ihr angeboten,<br />
sie aufzubauen. Ich habe viele Hits für sie geschrieben<br />
und produziert. Sie hatte drei Goldene Schallplatten! Ich habe mit der<br />
Gruppe Can gearbeitet und sie großgemacht.<br />
Wie kam es denn zu dieser ungewöhnlichen Zusammenarbeit?<br />
Ich war immer ein Rocker. In meiner Teenagerzeit war Elvis mein Idol.<br />
Aber mit Esther durfte ich das nicht ausleben. Als wir uns getrennt<br />
hatten, kamen Can zu mir. Niemand wollte die Band haben. Ich habe<br />
die Musik gehört und bekam Magenschmerzen. Beim zweiten und<br />
dritten Hören hat mein Körper wieder rebelliert, aber ich habe gesagt:<br />
Das ist stark, und es gibt so viele Masochisten auf der Erde. Ich fing<br />
an, das zu mögen, und dann habe ich sie vermarktet und gemanagt.<br />
Ich hatte eine philanthropische<br />
Firma, die<br />
hieß Prom, und da habe<br />
ich junge Musiker wie<br />
Peter Petrel, Suzanne<br />
Doucet und etliche<br />
Newcomer produziert<br />
und sehr viel Geld reingesteckt,<br />
von dem ich<br />
wenig wiedersah. Aber<br />
das hinderte mich nicht<br />
daran, Leute aufzubauen,<br />
Leuten zu helfen.<br />
Ich mache viel, und ich<br />
versuche zu helfen.<br />
Du warst musikalisch<br />
© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
lange weg von der Bühne, 27 Jahre lang – wie kam es, dass<br />
du vor einigen Jahren wieder angefangen hast, Musik zu<br />
machen?<br />
Ich war zwar weg von der Bühne, aber nicht von der Musik. Ich<br />
habe produziert, gemanagt, geschrieben. So habe ich auch meine<br />
Jungs großgemacht. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war und<br />
bin ein leidenschaftlicher Papa, habe aber auch ihre musikalischen<br />
Karrieren maßgeblich begleitet. Dann habe ich Kirsten (Schmidt)<br />
kennen gelernt, meine heutige Managerin und Lebenspartnerin. Sie<br />
kam jedes Wochenende aus Kiel, wo sie arbeitete. Ich habe ihr neue<br />
Songs vorgespielt, und sie sagte, ,Bist du noch ganz dicht? Du bist<br />
besser als alle Künstler, für die du schreibst und die du produzierst<br />
– warum gehst du nicht selbst wieder auf die Bühne?' Sie hat mich<br />
genervt, bis ich sagte: Nehmen wir an, dass ich auf die Bühne gehe<br />
– da habe ich ein Problem, ich habe keinen Manager. Da sagte sie,<br />
dass sie das machen würde. Sie hat mir ein Engagement auf der<br />
MS Europa verschafft, einem Kreuzfahrtschiff der Extraklasse, dann<br />
2009 mein erstes Konzert im Schlachthof in München, dem die CD<br />
TOO MUCH OF SOMETHING folgte – und die Reaktionen waren<br />
immer riesig. Das Tolle ist übrigens, dass viele meiner alten Fans mir<br />
die Treue gehalten haben, aber auch viele junge Leute zu meinen<br />
Konzerten kommen.<br />
Stolz bist du auch auf deine Söhne Gil und Tal, die selbst<br />
bereits veritable Karrieren als Musiker vorzuweisen haben.<br />
Tal macht gerade das, was Gil auch gemacht hat: Er ist bei „The Voice<br />
Of Germany" dabei. Gil war in der Show sehr erfolgreich. Das hat ihm<br />
und seiner Band Acht einen Riesen-Push nach vorne gebracht. Tal hat<br />
schon drei Hürden genommen. Ich bin stolz auf meine Kinder, denn<br />
die machen echte Rockmusik – also das, was ich selbst früher gerne<br />
gemacht hätte. Heute mache ich eine Kombination aus Rock, Pop,<br />
Folk und Singer/Songwriter, aber mit mehr Rhythmus im Rücken.<br />
In den Zeiten mit Esther hattet ihr Kontakt zum Beatles-<br />
ssefoto<br />
© Pr<br />
esse<br />
Manager Brian<br />
Epstein, der<br />
damals starb, kurz<br />
bevor er auch euer<br />
Management übernehmen<br />
konnte?<br />
Richtig! Der hatte uns<br />
in der Musikhalle in<br />
Hamburg gesehen und<br />
lud uns nach England<br />
1968 trafen Abi & Esther Queen Elizabeth II.<br />
ein. Wir waren bei ihm,<br />
haben einen Vorvertrag<br />
gemacht, und zwei Wochen später starb er. In Deutschland waren wir<br />
schon bekannt, aber wir wollten auch England erobern.<br />
Und dann kam Robert Stigwood, der spätere Manager von<br />
Abba und Eric Clapton?<br />
Ja. Robert managte die Bee Gees, die neu und in Deutschland noch<br />
unbekannt waren. Wir haben bei ihm unterschrieben, und er hat uns<br />
mit den Bee Gees zusammengebracht – wir sollten ihnen helfen, in<br />
Deutschland berühmt zu werden, und sie uns in England. Wir haben<br />
"Morning Of My Life" und ”Garden Of My Home" gesungen, die<br />
sie geschrieben hatten. Ich habe ihnen dann geholfen, die Songs<br />
noch so zu bearbeiten, dass sie für uns passten. Die<br />
Mit "Morning<br />
Of My Life"<br />
Journalisten hier in Deutschland waren nicht begeistert<br />
und fragten: Wie können die Ofarims Lieder einer<br />
war das Duo<br />
im TV zu<br />
Rockgruppe singen? Bis wir Nummer eins waren –<br />
sehen.<br />
da war dann alles okay. In England passierte aber<br />
nichts, bis ich sagte, wir wechseln vom Label Philips<br />
zu Polydor – dann haben wir "Cinderella Rockefella"<br />
gemacht, und danach brauchten wir Stigwood nicht<br />
mehr. Wir waren fünf Wochen lang Nummer eins, das<br />
Lied war der Favorit von Königin Elizabeth II., wir<br />
haben eine Royal Performance für sie gegeben, und<br />
dann gingen wir in Amerika auf Tournee, traten in der<br />
Carnegie Hall und in der Hollywood Bowl auf. Aber<br />
ich empfinde meine Konzerte heute viel intensiver<br />
als die damals – es ist wie ein<br />
Bumerang: Es kommt unglaublich<br />
viel von den Leuten zu<br />
mir auf die Bühne zurück,<br />
was ich ihnen dann wiederum<br />
zurückgeben kann. Und noch<br />
etwas ist anders: Damals war<br />
es ein Muss, eine Ofarim-LP zu<br />
haben, heute ist es kein Muss.<br />
Wenn jemand Abi Ofarim kauft,<br />
dann weiß er, was er kauft. Das<br />
freut mich, das hält mich fit.<br />
Nervt es nicht, immer wieder<br />
auf die Vergangenheit<br />
angesprochen zu werden?<br />
Nein, auch wenn ich heute<br />
nach vorne blicke, das gehört<br />
ja<br />
auch zu mir, ist Teil meiner<br />
Ab 1965 feierte das<br />
Geschichte. Und ich bin ja auch<br />
Paar einen Erfolg<br />
nach dem anderen<br />
stolz darauf. Ich war letztes<br />
Jahr in der „Charts Show", da<br />
ging es um „50 Jahre LP-Charts Number One in Deutschland", da war<br />
ich als einziger mit drei LPs ganz vorne vertreten.<br />
Abi, du bist Fußballfan?<br />
Ich bin Fußballfan, wie es nur geht – Kirsten leidet darunter, mittwochs<br />
und am Wochenende flippt sie fast aus. Ich bin schon unruhig<br />
eine Stunde, bevor es losgeht. Meine beiden Söhne hier und da (links<br />
und rechts neben ihm, Anm. d. A.), wenn die Bayern spielen – das ist<br />
ein Film für sich. Ich habe selbst Fußball gespielt, als ich sehr jung war,<br />
damals in Israel bei Maccabi Haifa. Ich habe auch geboxt, war mit 15<br />
Jugendmeister. Aber ich war auch am Theater, ich habe Modern Ballet<br />
getanzt und dann später Musik gemacht. Das ging nicht gleichzeitig<br />
mit Modern Ballet und Fußball. Aber ich verpasse heute kaum ein<br />
Fußballspiel.<br />
© Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 91
Michael L andon<br />
Little Joe<br />
wird zum<br />
großen<br />
Star<br />
Sein Name<br />
stam mte aus dem<br />
Telefonbuch. Aber<br />
Michael Landon<br />
war<br />
ein Original. Der<br />
unglückliche Junge,<br />
der<br />
eigentlich Eugene<br />
Orowitz hieß und<br />
gern träumte, erfand<br />
sich selbst. Und<br />
ließ eine ganze<br />
Fernsehgeneration<br />
mitträumen.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />
Bonanza"<br />
Sein Leben war 54 Jahre kurz, doch in dieser Zeitspanne war<br />
er 14 Jahre der ungestüme Little Joe von der Ponderosa,<br />
zehn Jahre der tüchtige Familienvater von der „kleinen Farm"<br />
und schließlich sechs Jahre der rührige Engel, unterwegs auf<br />
dem „Highway To Heaven" – ein Fernsehvermächtnis, das seinesgleichen<br />
sucht. Als unheilbarer Krebs diagnostiziert wurde, berief Michael<br />
Landon eine Pressekonferenz ein. Nicht, um sich zu verabschieden,<br />
sondern um eine Kampfansage zu machen: „Der Krebs wird kämpfen<br />
müssen um mich zu kriegen." Kampf war er gewohnt. Erkämpfen hatte<br />
dieser Mann sich alles müssen, von früher Kindheit an.<br />
Seine Kindheit war traumatisch. Zum sechsten Geburtstag erklärte<br />
seine Mutter – die er später oft als „off the rocker", also plemplem,<br />
beschrieb –, sie möge ihn nicht mehr, weil sie kleine Jungs nicht leiden<br />
könne. Die neurotische Mutter hasste seinen beruflich erfolglosen<br />
Vater mit einer kaum zu überbietenden Inbrunst. Selbstmordversuche<br />
waren Bestandteil dieses Milieus. „Ich war schon zehn Jahre alt",<br />
sagte Landon später, „als mir aufging, dass der Gasofen nicht dazu da<br />
ist, seinen Kopf hineinzuhalten." Hatte er ins Bett gemacht, hängte<br />
Mutter die Laken draußen für jedermann sichtbar auf. Dass er noch<br />
als Teenager Bettnässer war, machte er als Star öffentlich, um anderen<br />
Kindern mit demselben Problem zu helfen. Seine psychologischen<br />
Narben jedoch trug er sein Leben lang. Und dass er in New Jersey mit<br />
Antisemitismus aufgrund seiner jüdischen Herkunft konfrontiert wurde,<br />
machte seine Kindertage auch nicht einfacher.<br />
In der Highschool setzte er alles daran, seinen schmächtigen<br />
Körper in den eines Athleten zu verwandeln – und stellte einen<br />
Seite 92 ■ GoodTimes 1/2014
nationalen Highschool-Rekord im Speerwerfen auf. Das brachte ihm<br />
ein Sportstipendium an der University Of Southern California in Los<br />
Angeles ein. Der Bibel-Film „Samson und Delilah" hatte einen bleibenden<br />
Eindruck hinterlassen: Eugene glaubte fest daran, dass langes Haar<br />
auch ihm Kraft verleihen könnte. Je länger sein Schopf wuchs, desto<br />
weiter flog sein Speer. Die Hairdresser der Ponderosa sollten später alle<br />
Hände voll zu tun haben, um Landons langes Haar zu bändigen, während<br />
die buschigen Koteletten ungehindert unter seinem Cowboyhut<br />
hervorwucherten. An der Universität jedoch, in den ultra-konservativen<br />
50er Jahren, schoren ihn seine Mitschüler kahl. Worauf die Stärke ihn<br />
prompt verließ. Was ihn das Speerwerfer-Stipendium kostete – rückblickend<br />
betrachtet aber zum Film brachte.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />
Bonanza"<br />
Ständige Adresse: Ponderosa-Ranch.<br />
Obwohl die Kulisse gleich an drei Orten aufgebaut war.<br />
eine gute Beziehung aufgebaut. Landon verarbeitete seinen Schmerz<br />
als Schauspieler. „Ich kann das benutzen. Ich brauche nur an ihn zu<br />
denken, schon weine ich." Diesen tiefen Brunnen in Landons Inneren<br />
lotete auch Dortort aus, was dem Jungschauspieler letztlich die Rolle<br />
des Little Joe eintrug. „Ich spürte eine Tiefe in Mike und ein Potenzial<br />
für schauspielerisches Wachstum." Der Produzent setzte gegenüber<br />
dem Sender den unbekannten Michael Landon durch.<br />
Der 24-Jährige spielte den Little Joe anfänglich als hitzköpfigen<br />
Teenager, noch nicht trocken hinter den Ohren. Joe Cartwright und<br />
Michael Landon wurden vor den Augen eines Millionen-Publikums<br />
erwachsen. Allerdings war der Cartwright-Family nicht gleich beim<br />
ersten Ausritt der Quotenerfolg beschieden. Erst der gewagte Entscheid,<br />
die Sendung 1961 auf den Sonntagabend zu verlegen, bescherte<br />
„Bonanza" die größte Aufmerksamkeit der Fernsehgeschichte. Die<br />
Show war fast Woche für Woche in den Top Ten der quotenstärksten<br />
Sendungen zu finden. Von 1964 bis 1967 war die Serie über den<br />
Großgrundbesitzer Ben und seine drei Söhne Adam, Hoss und Joe sogar<br />
die meistgesehene in ganz Amerika. Es heißt, der damalige Präsident<br />
Lyndon Johnson habe auf Fernsehansprachen am Sonntagabend verzichtet,<br />
um nicht gegen den Cartwright-Clan antreten zu müssen. Und<br />
Queen Elizabeth II. verriet Lorne Greene, der „Pa" Cartwright verkörperte,<br />
„Bonanza" sei im Buckingham Palast das wöchentliche Must-See.<br />
Dan Blocker und Lorne Greene<br />
firmierten unter ihren bürgerlichen<br />
Namen – nur Eugene legte sich einen<br />
Künstlernamen zu. "<br />
Michael Landon"<br />
entnahm er einfach dem Telefonbuch.<br />
Er hielt sich mit harten Gelegenheitsjobs über Wasser. Er entlud<br />
gerade einen Lastwagen, da forderte ein Mitarbeiter ihn auf, ihn<br />
zu einem Casting zu begleiten. Eugene machte mit – nur so zum<br />
Spaß. Sein hübsches Äußeres brachte ihm Kurzauftritte im Fernsehen<br />
ein. Und aus Eugene Orowitz wurde Michael Landon – nur das<br />
Telefonbuch stand Pate. Schon vor „Bonanza" hatte er sich die Sporen<br />
in TV-Western verdient. Im Jahr 1959 flimmerten in den USA sage und<br />
schreibe 32 Wildwest-Serien über den Bildschirm. Amerika brauchte<br />
noch einen Western so dringend wie eine Kugel zwischen die Augen.<br />
Was Michael Landon nicht wissen konnte: Er war dem Produzenten<br />
David Dortort aufgefallen, der für NBC eine neue Serie plante.<br />
Allerdings sollte nicht einfach eine weitere Pferde-Oper kostengünstig<br />
fürs Pantoffelkino heruntergekurbelt werden. Sondern die allererste<br />
Serie fürs Farbfernsehen. Der rein wirtschaftliche Hintergrund dieser<br />
ambitiösen Rechnung: Die NBC war die Tochterfirma von RCS, dem<br />
führenden Hersteller von Farbfernsehern, der die Amerikaner von der<br />
Anschaffung der Farbgeräte zu überzeugen suchte. Am 12. September<br />
1959 schlug einer Fernsehfamilie die Geburtsstunde, die als Cartwrights<br />
in einer Farbexplosion von Technicolor erstmals durch die brennende<br />
Landkarte ritten.<br />
Doch einmal mehr überschattete ein Schicksalsschlag Landons<br />
Freude: Zwei Tage, nachdem der künftige Weltstar den „Bonanza"-<br />
Vertrag unterschrieben hatte, starb völlig unerwartet sein Vater. Er<br />
hatte sich endlich von seiner Frau scheiden lassen und zum Sohn<br />
„Bonanza" war der erste der so genannten Property Western. Wie<br />
in den späteren Serien „High Chaparral" und „The Big Valley" ging es<br />
um ein amerikanisches Urthema: den Großgrundbesitz. Die Cartwrights<br />
wenden in früheren Episoden auch mal Gewalt an, um ihre Scholle zu<br />
verteidigen, und fordern ungebetene Gäste unter vorgehaltener Waffe<br />
auf, ihr Territorium zu verlassen. Damit entsprach „Bonanza" ganz der<br />
amerikanischen Politik jener Tage und nahm sogar die Reaktion der<br />
USA in der Kuba-Krise vorweg. Die Serie, die sich in einem scheinbar<br />
endlosen Sommer abspielte, hob sich von Konkurrenz-Western<br />
durch hohes Produktionsniveau ab und war dennoch klar ein Produkt<br />
für die kleine Glotze. So wurde zumindest in den Anfängen nie „on<br />
location" gedreht. Das Innere der Ponderosa sowie ihr Vorhof waren<br />
Bühnenbauten im Atelier der Paramount, und Virginia City war<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />
Bonanza"<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 93
Stuhl von unserem Frühstückstisch und teilten das Geld unter drei statt<br />
unter vier auf."<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />
Unsere kleine Farm"<br />
gleich auf<br />
dem<br />
Backlot des Studios zu finden. n Die<br />
Handlung spielte zwar am Lake Tahoe in Nevada, die<br />
Aufnahmen fanden hingegen meist in Hollywoods weiterer<br />
Umgebung statt. Was aussieht wie der Westen der<br />
Pioniere, ist der immer gleiche Canyon in unmittelbarer r<br />
Nähe des Hollywood-Schriftzugs, ein stark abgenutzter er<br />
Drehort. Um die Illusion der blauen Seen und grünen n<br />
Tannen von Nevada aufrechtzuerhalten, reiste die Crew<br />
einmal jährlich zum Lake Tahoe für Außenaufnahmen.<br />
n.<br />
Dabei wurden vor allem Motive der reitenden Cartwrights ts<br />
aufgenommen, die dann nach Belieben in die Handlung ng<br />
eingesetzt werden konnten. Da die Familienbande so gut<br />
wie nie die Klamotten wechselte, konnte im Schnittraum<br />
kein Anschlussfehler passieren. Und es fiel nur besonders<br />
ers<br />
aufmerksamen Pony-Liebhabern auf, dass die hübschen<br />
Flecken auf Joes Schecken nicht immer dieselben waren,<br />
weil er mehr als ein Pferd ritt. Ebenso in Stein gemeißelt elt<br />
war die Filmfibel, gemäß der die Ponderosa-Erben keine<br />
feste Beziehung eingehen durften. Wenn Little Joe sich<br />
verliebte und verlobte, dann wusste der Zuschauer: Das ist<br />
der Todeskuss für die reizende junge Dame, und die Autoren<br />
schrieben ihr bis zum Ende der Episode einen plötzlichen<br />
Tod oder die schnelle Abreise mit der Postkutsche zu. Die<br />
Junggesellen der Ponderosa blieben für alle Zeiten von<br />
Weiberröcken verschont.<br />
Als Pernell „Adam" Roberts die Show 1965 verließ, hatte Michael<br />
Landon keine Probleme damit. Während die Handlung vorschrieb,<br />
dass die Brüder sich immer wieder das Leben retten, empfanden sie<br />
im wirklichen Leben wenig brüderliche Liebe füreinander. Roberts hat<br />
später darüber nachgedacht: „Ich versuchte, ihm klarzumachen, dass er<br />
sein Potenzial nicht voll ausschöpfte. Ich wollte lediglich erklären, dass<br />
er sich nicht entwickle. Irgendwie hat er das als persönlichen Angriff<br />
missverstanden und nie vergessen. Es tut mir leid." Landon weinte<br />
Roberts keine Träne nach: „Nachdem er weg war, entfernten wir einen<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber, "<br />
Unsere kleine Farm"<br />
Ans große Geld zu kommen, das spielte für den kleinen Joe eine<br />
große Rolle. 500 Dollar Wochengage strich er anfänglich ein, sie sollte<br />
auf mehr als 20.000 klettern. Und er holte sich den Stuntman-Bonus<br />
ab, indem er viele Schlägereien – und davon gab's reichlich – und waghalsige<br />
Aktionen, die eigentlich den Kaskadeuren vorbehalten waren,<br />
selbst machte. Allein 1964 legte er eine Viertelmillion Flugmeilen<br />
zurück, um gutbezahlte Personal Appearences wahrzunehmen,<br />
Einweihungen von Supermärkten, Eröffnungen von Rodeos. Selbst<br />
als Sänger machte er ein paar Dollar nebenbei, obwohl Filmbruder<br />
Dan Blocker sagte, Mike könne keinen Ton halten. Candlelight<br />
Records, die Popularität nutzend, nahm eine Platte mit schmalzigen<br />
Lovesongs auf. Workoholic Landon ging sogar mit Jerry Lee Lewis<br />
auf Tour. Erst ein „Vater-Sohn-Gespräch" mit „Pa" brachte ihn zur<br />
Vernunft. In Lorne Greene sah er den echten Vater-Ersatz. Gemeinsam<br />
mit seiner Filmfamilie investierte Landon in Geschäftsideen wie eine<br />
Sicherheitsgurt-Firma. Während Joe seinen Pa um Erlaubnis bitten<br />
musste, wenn er mal kurz in die Stadt reiten wollte, war Michael<br />
Landon Teilhaber eines 400.000-Dollar-Landdeals mit Lorne Greene<br />
und Dan Blocker. Gemeinsam erwarben sie eine halbe Meile Strand<br />
in Malibu – ein heute unglaubliches Immobiliengeschäft. Als Little<br />
Joe seine Sporen nach 14 Staffeln an die Wand hängte, war Eugene<br />
Orowitz Multimillionär.<br />
Als „Bonanza" 1973 von der Bildfläche verschwand, war Michaels<br />
Fangemeinde in 87 Ländern auf 400 Millionen Zuschauer angewachsen.<br />
Die Filmproduzenten standen Schlange, der Sprung auf die<br />
große Leinwand wäre ein leichter gewesen. Doch Landon hatte andere<br />
Pläne. Ihm schwebte eine<br />
Familienserie mit hehren<br />
Auf der kleinen Farm" lehrte Landon die<br />
TV-Nation "<br />
Bescheidenheit und Integrität. Werten vor, in der er selbst<br />
nun die Rolle des Patriarchen<br />
übernehmen würde: „Unsere<br />
kleine Farm". Die Reihe<br />
wurde unter seiner Regie<br />
von 1974 bis 1984 zur<br />
Top-Show von NBC. Lange<br />
vorbereitet hatte er sich<br />
auf die Verantwortung,<br />
nicht nur mitzuspielen,<br />
sondern zu inszenieren,<br />
die Drehbücher zu schreiben<br />
und die gesamte<br />
Produktion zu leiten. Er<br />
hatte zur „Bonanza"-<br />
Saga 30 Scripts beigetragen<br />
und in einem<br />
Dutzend Folgen Regie<br />
geführt. An diesen künstlerischen<br />
Fertigkeiten<br />
hatte er hart gearbeitet,<br />
endlose Stunden im<br />
Schnittraum verbracht<br />
und sich von „Bonanzas"<br />
Chef-Kameramann<br />
Ted Voightlander in<br />
die Geheimnisse der<br />
Beleuchtung einweihen<br />
lassen. In den letzten<br />
fünf f Jahren auf der Ponderosa war Michael zunehmend fordernder<br />
geworden. „Es gab endlose Besprechungen über fast jeden Dialog, jede<br />
Szene, jede Kameraeinstellung", klagte sein Entdecker David Dortort,<br />
„es wurde zunehmend schwerer gegen Ende." Selbst „Pa" konstatierte:<br />
„Mike ist ein wirklich netter Typ. Aber extrem störrisch." Landon spürte<br />
ein brennendes Verlangen nach künstlerischer Kontrolle. Als er sie<br />
hatte, gab er sie nie mehr aus der Hand. Und er zog seine Ersatzfamilie<br />
nach: Die Crew der „kleinen Farm" setzte er aus den Kollegen vom<br />
„Bonanza"-Set zusammen.<br />
Seite 94 ■ GoodTimes 1/2014
Als 1984 auch „Little House On The Prairie" Güte und Anstand so dringend wie ein<br />
ausgelaufen war,<br />
Diabetiker<br />
sein<br />
schlug Landon dem<br />
Insulin<br />
braucht."<br />
NBC-Boss Brancon<br />
Dass ausgerechnet<br />
Tartikoff umgehend<br />
diese Vaterfigur des<br />
eine neue<br />
Bildschirms in ech-<br />
Serie vor, in der er<br />
ten<br />
Beziehungen<br />
einen Engel spielen<br />
mehrmals<br />
schei-<br />
würde. „Man<br />
terte, tat sei-<br />
wird dich Jesus von<br />
nem Ansehen als<br />
Malibu nennen",<br />
Über-Vater keinen<br />
warnte Tartikoff.<br />
Abbruch. Als<br />
Doch von Kritikern<br />
er eine Affäre mit<br />
ließ sich Landon<br />
der<br />
Make-Uplängst<br />
nicht mehr<br />
Artistin von „Little<br />
beeinflussen,<br />
House"<br />
eingestehen<br />
sie waren stets<br />
musste, da<br />
unfreundlich gewesen.<br />
sollte die hässliche<br />
Oft genug<br />
Scheidung über ein<br />
hatte er erklärt,<br />
Fernsehkritiker<br />
„schreiben sowieso<br />
lieber über meine<br />
Jahr dauern. Erst<br />
in der dritten Ehe<br />
fand Landon Ruhe<br />
und Zeit für seine<br />
Frisur als über<br />
große Familie. Als<br />
meine Arbeit".<br />
Glaubte auch privat an eine höhere Macht:<br />
„Highway" 1989 an<br />
Michael Landon.<br />
Auch mit „Highway<br />
sein Ende kam, entwickelte<br />
To Heaven" verfolgte er die Absicht, eine<br />
inspirierende iriere<br />
rend<br />
nde Serie e ins Leben zu rufen<br />
– was<br />
er ohne Pause ein neues Projekt, eine<br />
Serie e über einen en Vater, der die Familie wieder<br />
er<br />
Foto: © Alan Light<br />
seine Kritiker oft mit moralisierend i verwechselten.<br />
„Ich will, dass die Zuschauer uer lachen<br />
und weinen, nicht nur dasitzen und<br />
den<br />
Bildschirm anstarren. Vielleicht leic<br />
icht<br />
bin<br />
ich altmodisch, aber ich glaube,<br />
Zuschauer hungern nach<br />
Shows, in denen die Figuren<br />
etwas Bedeutungsvolles<br />
es<br />
sagen." Fünf Saisons s<br />
waren<br />
das Resultat – in der kurzlebigen<br />
TV-Welt erneut e<br />
eine<br />
e<br />
Sensation.<br />
Orson Welles<br />
sagte über ihn:<br />
„In einer Welt, in<br />
der das Fernsehen<br />
all diese fürchterlichen<br />
Dinge in<br />
unsere Wohnstuben<br />
bringt, brauchen wir<br />
Michaels wöchentliche<br />
Injektion von<br />
zusammenbringen will. Die ersten Szenen<br />
waren im Kasten, als starke Magenschmerzen<br />
auftraten und im April 1991 Magenkrebs<br />
diagnostiziert wurde. Michael machte die<br />
Krankheit öffentlich und versprach seinen<br />
Fans, sie nach Kräften zu bekämpfen. Doch<br />
nur drei Monate später war er tot. Eugene<br />
Orowitz, der als Michael Landon zum Vorbild<br />
von Millionen ione<br />
geworden war, starb auf seiner<br />
Ranch in Malibu, am 1. Juli 1991.<br />
Die<br />
Popularität von TV-Stars<br />
wird<br />
in den USA seit jeher<br />
daran gemessen, wie oft<br />
sie auf dem Cover von „TV<br />
Guide" erscheinen, der<br />
Bibel des amerikanischen<br />
Fernsehpublikums.<br />
Lucille<br />
Ball l schaffte es 29 Mal<br />
aufs Titelbild. An zweiter<br />
Stelle folgt mit<br />
22 Titelgeschichten<br />
Michael Landon.<br />
40 Jahre ist es her,<br />
dass er das letzte Mal<br />
durch die verbrennende<br />
Landkarte Nevadas<br />
preschte. Es scheint<br />
wie gestern zu sein.<br />
Roland Schäfli<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber
Zuckersüße Träume –<br />
Kindheitserinnerungen aus<br />
Schoko und Karamell<br />
Aus Raider wird Twix!" Für manch einen dürfte diese Nachricht 1991 im ersten Moment einer kulinarischen Katastrophe gleichgekommen<br />
sein. Auch der zweite Teil des Marken-Claims ... sonst ändert sich nix" half da zunächst wenig. Schließlich hatte<br />
"<br />
"<br />
das durchschnittliche bundesdeutsche Schleckermaul bereits<br />
seit 1976 den Geschmack von Raider – der Pausensnack" liebgewonnen.<br />
Und an solch lukullischer Liebe hält man nur allzu<br />
"<br />
gern fest. Schon gar, wenn es ums Naschen geht. Tatsächlich<br />
aber war die Aufregung, ausgelöst durch einen frühen Fall von<br />
Globalisierung (der deutsche Markenname sollte an den international<br />
gebräuchlicheren angepasst werden), spätestens nach<br />
einer ersten Geschmacksprobe überflüssig. Denn die Rezeptur<br />
des Keks-Schokoriegels mit Karamellfüllung" blieb auch nach<br />
"<br />
der Namensänderung unverändert.<br />
W<br />
eitaus tragischer für den gemeinen<br />
Leckerschmecker ist es, wenn die Süßware<br />
seines Vertrauens plötzlich überhaupt nicht<br />
mehr im Supermarktregal aufzufinden ist. Im Einzelfall kann<br />
das wohl gar zu einem Zuckermangelschock führen. Und<br />
gerade „Leckerschmecker" ist hier ein gutes Stichwort. Denn<br />
„Leckerschmecker" von Storck (heute unter anderem „Toffifee",<br />
„Merci" und „Nimm 2") war ein solcher Schokoriegel (oder besser<br />
ein geflochtener Schokozopf), der irgendwann einfach verschwunden<br />
war aus dem Sortiment der Märkte. Ein Schicksal,<br />
das „Leckerschmecker" chme<br />
er<br />
mit seinemem süß-zähklebrigen Karamell-<br />
Klon, dem vom US-Hersteller Mars<br />
Inc. (unter anderem<br />
„Twix", „Milky Way",<br />
„Bounty") vertriebenen<br />
Konkurrenz-Produkt kt „3<br />
Musketiers" teilte. Was<br />
den Verlust wenigstens<br />
Ähnlich wie Leckerschmecker" und heute noch<br />
einigermaßen erträglich<br />
"<br />
in Großbritannien erhältlich: Curly Wurly".<br />
"<br />
machte, war die Tatsache,<br />
Seite 96 ■ GoodTimes 1/2014<br />
dass mit der ohnehin nicht zur Haute cuisine<br />
der Schokoriegel zählenden Kaumasse auch<br />
die – nicht nur aus heutiger Sicht – ziemlich<br />
einfältigen Werbeslogans aus dem Bewusstsein<br />
verschwanden. Weder „,Leckerschmecker'<br />
hört nie auf – lecker, lecker, lecker" und<br />
„,Leckerschmecker' schmeckt so lecker, weil<br />
,Leckerschmecker' länger schmeckt" auf der<br />
einen, noch „Lang wie ein Degen, süß wie eine<br />
Prinzessin" auf der anderen Seite zählen wohl<br />
zu den Highlights der Marketingkunst. Und<br />
man darf vermuten, dass für die ausführenden<br />
Agenturen Preise ähnlich dem in Deutschland<br />
erst später eingeführten „EFFIE", der Preis der<br />
Werbe- und Kommunikationsbranche für effiziente<br />
Markenkommunikation, k wohl nur ein Wunschtraum geblieben<br />
sein dürften.<br />
Im Übrigen lag bei „Leckerschmecker" und „3 Musketiers" wie eigentlich<br />
bei allen karamellhaltigen Schokoprodukten die – nicht ganz
ernstgemeinte – Vermutung nahe, der<br />
jeweilige Hersteller könnte einen Exklusivvertrag<br />
mit der Bundes-Zahnärztekammer<br />
geschlossen haben. Denn gegen Karamell,<br />
diese durchaus gaumenschmeicheln-<br />
de,<br />
aber eben auch zähklebrige Masse,<br />
ist bis heute kein Kraut, pardon, keine<br />
Zahnfüllung gewachsen. Ein ähnli-<br />
cher<br />
Plombenkiller war auch das heute<br />
längst vergessene „Caravelle", ein Riegel,<br />
der<br />
„Weichkaramell in Knusperreis-<br />
Vollmilchschokolade" versprach, aber<br />
recht schnell wieder vom Markt verschwunden<br />
war.<br />
Weitaus zahnfüllungsverträglicher<br />
gab sich aufgrund seiner leichtlockeren<br />
Füllung das klassische „Milky<br />
Way" (wird auch heute noch angebo-<br />
ten,<br />
allerdings in mehrfach veränderter<br />
Rezeptur und zudem in Variationen wie<br />
„Milky Way Crispy Rolls" oder „Milky Way<br />
Berries And Cream"). Seit den späten 60er<br />
Jahren war „Milky Way" so etwas wie der<br />
Schokoriegel des guten Gewissens. Dabei<br />
war „Milky Way" nichts anderes als ein<br />
„Mars", allerdings ohne die zähe Karamellschicht l<br />
ht – und damit beson-<br />
ders<br />
leicht. So leicht, dass Hersteller Mars Inc. sich brüsten konnte:<br />
„Milky Way ist so leicht und locker und schwimmt sogar in Milch." Ein<br />
echter Volltreffer in Sachen Marketingstrategie, verstärkt noch durch<br />
den günstigen Preis von 20 Pfennigen. Den Machern war damit<br />
so etwas wie die Quadratur des Kreises es gelungen: g n: eine Süßigkeit<br />
respektive ein Schokoriegel, den Mutti ti<br />
den<br />
lieben<br />
Kleinen guten Gewissens und jederzeit<br />
erlauben konnte. „Mutti ... ich<br />
weiß 'ne Schokolade, die man auch<br />
vor dem Essen darf!", lautete dann<br />
auch das Credo von „Milky Way". Und<br />
weiter: „,Milky Way' stillt das natürliche<br />
Verlangen nach Süßem – aber<br />
verdirbt nicht den gesunden Hunger!<br />
Denn die feine Candycrèmefüllung ist<br />
leicht, leicht und locker geschlagen –<br />
mehr als 10.000 Mal – und mit feiner,<br />
leckerer Vollmilchschokolade überzogen.<br />
,Milky Way' ist Favorit – schadet<br />
nicht dem Appetit!" Mir jedenfalls ls<br />
konnte dieser ernährungs-phsycholo-ogische<br />
Taschenspielertrick, den heute<br />
„Nutella" ähnlich nutzt, nur recht sein. Schließlich h<br />
war das „gesunde"<br />
e"<br />
„Milky Way" doch der Süßigkeitenfavorit auch meiner Mutter.<br />
Favoritenstatus erreichte bei mir auch „Milka Lila Pause", ein Riegel<br />
mit „Milka"-Schokolade, der 1986 auf den Markt kam. Kein Wunder,<br />
ist mir „Milka" doch<br />
bis heute die liebste Schokolade. Einige süße<br />
Jahre lang galt der Claim<br />
„Die schönsten Pausen<br />
sind lila" dann auch als<br />
in<br />
Schokolade gegossenes<br />
Gesetz. Ob in der<br />
Geschmacksrichtung<br />
„Nougat", „Erdbeere"<br />
oder „Alpenmilch", um<br />
nur einige i zu nennen, die „Lila Pause" war ein echtes Highlight der<br />
Schoko<strong>kult</strong>ur. Mein persönlicher Favorit aber war das Modell „Korn-<br />
Crisp", das dank „knuspriger Crispies" wirklich Biss hatte. Trotzdem<br />
muss die Begeisterung irgendwann nicht nur bei mir peu à peu<br />
nachgelassen haben. Bis es 2007 vorerst vorbei war mit der lilafarbenen<br />
Schoko-Euphorie. 2011 aber tauchte die „Lila Pause" wieder<br />
auf, in den Geschmacks richtungen „à la Caramel", „Erdbeer-Joghurt"<br />
und „Nougat-Crème". Und was zunächst<br />
nur als „Für kurze Zeit zurück"-Edition<br />
gedacht war, setzte sich erneut durch und<br />
liegt in der „Erdbeer-Joghurt"-Variante<br />
im Schokoriegel-Beliebtheitsranking bei<br />
Versender Amazon aktuell auf einem<br />
ordentlichen 21. Platz.<br />
Noch weit besser platziert allerdings<br />
sind dort die Schokolinsen „M&M’s".<br />
Während die „Choco"-Variante bei den<br />
Schokonüssen auf Platz vier liegt, rangieren<br />
die „Peanut-M&M’s", die Schoko-<br />
Erdnüsse, gar auf Platz eins. Was dieser<br />
Jetzt-Zustand mit <strong>kult</strong>! und <strong>kult</strong>iger<br />
Vergangenheitsbewältigung zu tun hat?<br />
Eine ganze Menge, sind „M&M’s" doch<br />
nichts anderes als die Fortführung bunter<br />
Kindheitsfreuden unter anderem Namen.<br />
Von „Treets" und von „Bonitos" ist hier<br />
die Rede, wobei „Treets" „die einzigartigen<br />
Schokoklicker mit dem Erdnusskern!<br />
– Kerngesund!" und „Bonitos" die<br />
Schokovariante waren. Ganz ähnlich wie<br />
„Milky Way" als vermeintlich besonders<br />
gesunde Süßspeise, machte auch „Treets"<br />
alle Mütter froh, wenn auch nicht zwingend nd<br />
in Sachen<br />
Gesundheit,<br />
eit,<br />
sondern vielmehr unter<br />
dem Aspekt der Sauberkeit<br />
ihrer Sprößlinge. „Treets<br />
schmelzen im Mund, nicht<br />
in der<br />
Hand" lautete<br />
der<br />
Werbeclaim, mit dem sich Jahre später<br />
auch die „M&M’s"-Schokolinsen schmückten.<br />
Kein Wunder, schließlich war und<br />
ist der Hersteller aller drei Schokolinsen-<br />
Produkte ein und derselbe, die im Schoko-<br />
Wunderland unvermeidbare Mars Inc.<br />
Z um Schluss<br />
sei<br />
allen,<br />
die von Schokoriegeln<br />
nicht nur als handfester,<br />
sondern auch als virtueller<br />
Nervennahrung nicht<br />
genug bekommen können,<br />
als informativ-unterhaltsamer<br />
Verbrauchertipp<br />
noch schoko-riegel.com<br />
ans Herz gelegt. Die Seite<br />
„Für alle Fans der süßen<br />
Köstlichkeit" verspricht<br />
mit Rubriken wie „Kleine<br />
Geschichte des Schokoriegels"<br />
oder „Anleitung<br />
zum Selbermachen" zwar<br />
zunächst mehr, als diese halten können. „Von A–Z" aber ist bemerkenswert<br />
akribisch recherchiert, nennt Hersteller, Inhaltsstoffe und<br />
Nährwertangaben und glänzt mit Fotos von Werbe-Anzeigen vergangener<br />
Schokoträume.<br />
Andreas Kötter<br />
GoodTimes 1/2014 ■ Seite 97
Joachim Fuchsberger<br />
Mit dem Frosch<br />
hat alles angefangen<br />
Von Christian i Simon<br />
Er war das markanteste Gesicht des Gesetzes in den<br />
Edgar-Wallace-Filmen: Joachim "<br />
Blacky" Fuchsberger. 14 Mal<br />
tauchte der Schauspieler in die Abgründe des Verbrechens<br />
hinab und wurde dadurch zum Star des deutschen Kinos.<br />
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Edgar-Wallace-Film?<br />
Aber natürlich. Das war 1959 „Der Frosch mit der Maske". Der Film war,<br />
ehrlich gesagt, ein Experiment. Jeder von uns vor der Kamera war von<br />
dem Stoff begeistert. Wir hatten auch ein sehr gutes Drehbuch, aber<br />
die allgemeine Erwartung war nicht gerade hoch. Und dann wurde es<br />
ein riesiger Erfolg. Daraus resultierte natürlich, dass man sofort an eine<br />
Fortsetzung dachte, und wie immer haben alle gesagt, das geht nicht<br />
gut, da brechen sie sich den Hals. „Der rote Kreis" war der zweite Wallace,<br />
und er wurde ein noch größerer Erfolg. Leider ohne mich, aber beim dritten,<br />
es war „Die Bande des Schreckens", spielte ich den Chefinspektor<br />
Long. Und daraus wurden dann insgesamt 31 Edgar-Wallace-Filme, bei<br />
14 habe ich mitgespielt.<br />
Was machte den Erfolg dieser Filme aus?<br />
Da kamen ein paar Punkte zusammen. Eines der großen Geheimnisse,<br />
was die echten Wallace-Filme ausmachte, war schwarz-weiß. Damit<br />
erreichten wir das Unheimliche – denk mal an die düsteren Straßen, den<br />
Nebel, die Gestalten … Es war weniger Psychologie als das Gebilde eines<br />
Irrgartens – die Zuschauer wussten nie, wer jetzt wer ist.<br />
Es gab ja auch immer ziemlich skurrile Szenen …<br />
Oh ja, ich denke da an „Die toten Augen von London" (Anm. d. Autors:<br />
1961). Ich drehte zusammen mit meiner geliebten Karin Baal. In einer<br />
Szene sollte ich sie aus einer gigantischen, mit Wasser gefüllten Glocke<br />
retten. Dafür haben sie die Karin in eine Waschmaschine gesteckt, die<br />
dann langsam mit Wasser gefüllt wurde. Ihr stand das Wasser im wahrsten<br />
Sinne des Wortes bis zum Hals. Wir haben oben gespielt und uns<br />
geprügelt, und unten in der Glocke dachte Karin, sie müsse ertrinken. Wir<br />
sind immer an die Grenzen gegangen. Wir haben immer versucht, die britische<br />
Skurrilität in die Filme einzubringen. Das machte sie glaubwürdiger.<br />
Apropos glaubwürdig. In England wurde doch nur sehr wenig<br />
gedreht, vielmehr entstanden die Aufnahmen auch in Dänemark<br />
und besonders in den Berliner CCC-Studios.<br />
Ja, das stimmt. Unser Produzent Horst Wendlandt hat die CCC von<br />
Arthur Brauner damals gemietet. Übrigens, der Brauner r hatte einen<br />
Spitznamen: „zahlt ziemlich zögernd" (lacht). Brauner hat<br />
dann später angefangen, selber Wallace-Filme zu produzieren,<br />
nur keine Edgar-Wallace-Filme, sondern Stoffe<br />
von Bryan Edgar Wallace – das war der Sohn von Edgar<br />
Wallace. Er kopierte die Wendlandt-Filme bis ins kleinste<br />
Detail, trotzdem waren es aber nie die echten.<br />
Sie haben den Produzenten Horst Wendlandt<br />
erwähnt. War er der Macher?<br />
Einer davon, der andere war der Regisseur Alfred Vohrer. Er<br />
prägte die Filme, er schuf die echten Wallace-Klassiker. Er<br />
war einarmig und wollte allen beweisen, dass dies bei der<br />
Arbeit keine Rolle spielte – im Gegenteil, er wollte mehr<br />
tun als alle anderen. Klaus Kinski war ein Liebling von<br />
ihm. Die beiden konnten so grotesk sein und wahnwitzige<br />
Dinge in die Filme einbringen. Unglaublich.<br />
Aber Horst Wendlandt engagierte die Schauspieler,<br />
die Stars …<br />
Er hatte es mitunter leicht. Die alten Ufa-Stars kamen<br />
alle händeringend zu Horst Wendlandt und baten ihn, sie<br />
in den Wallace-Filmen mitspielen zu lassen. Alle wollten<br />
mitmachen – Lil Dagover, Rudolf Forster, Elisabeth Flickenschildt, Fritz<br />
Rasp … Rasp war für mich einer der ganz Großen. Vor dem hatte man<br />
sogar ein bisschen Angst, wenn er ins Studio kam – der hatte so etwas<br />
Geheimnisvolles. Aber neben den Altstars waren die Filme auch ein<br />
Sprungbett für junge Kollegen, die durch Wallace teilweise erst bekannt<br />
wurden. Denke an Klausjürgen Wussow, Siegfried Rauch, Hansjörg Felmy,<br />
Barbara Rütting, Eddi Arent und natürlich auch Klaus Kinski.<br />
Man hat ja so ein Bild von Klaus Kinski … Wie war er?<br />
Er war das Enfant Terrible, und er wusste das auch. Er hat gesagt: „Wenn<br />
die das so wollen, dann kriegen sie es auch." Klaus war hochintelligent<br />
und beim Dreh ein äußerst präziser Arbeiter. So viele Eskapaden er sich<br />
außerhalb geleistet haben mag, im Studio war er immer 100-prozentig.<br />
Er konnte seine Texte in- und auswendig und hatte mitunter blendende<br />
Ideen die Filme betreffend.<br />
Und trotz des großen Erfolges der Filme sind Sie dann mal<br />
ausgestiegen.<br />
Das war später, die Filme waren schon in Farbe, und es wurden so<br />
genannte zeitgemäße Elemente von Sex & Crime eingearbeitet. Ich<br />
merkte, dass es in eine Richtung geht, für die ich mich nicht mehr<br />
verantwortlich machen wollte. Letztendlich sind es ja dann doch immer<br />
wir, die ihre Köpfe in die Kamera halten und hören müssen: „Der letze<br />
Film war aber nix".<br />
Aber 1971 haben Sie dann doch noch einen Wallace gedreht …<br />
Ja, mit Karin Baal zusammen habe ich noch „Das Geheimnis der grünen<br />
Stecknadel" gemacht. Aber da ist nicht mehr viel in meinem Hirn<br />
hängengeblieben. Irgendwas klingelt da noch … Nach Wallace kam eine<br />
lange, lange Pause. Im deutschen Filmgeschäft lief so gut wie nichts<br />
mehr, bis Leute wie Rainer Werner Fassbinder kamen, die dann ihre Filme<br />
mit neuen, jungen Leuten gemacht haben. Auch gut, aber eben anders.<br />
Fraglich, ob die in 50 Jahren auch noch so laufen wie<br />
heute die Edgar-Wallace-Filme.<br />
Damit liefern Sie mir ein Stichwort - die Wallace-<br />
Filme werden immer noch im Fernsehen wiederholt …<br />
Keiner von uns, die damals an diesen Filmen beteiligt<br />
waren, kriegt auch nur einen Cent für die andauernden<br />
Wiederholungen. Das Zweite ist, dass die Filme damals für<br />
ein ganz bestimmtes Medium gemacht wurden, nämlich<br />
fürs Kino. Und wenn man fürs Kino arbeitet, arbeitet man<br />
anders als fürs Fernsehen. Deswegen bin ich überrascht,<br />
dass im<br />
Fernsehen die Attraktivität der Wallace-Filme<br />
nicht nachgelassen hat. Riesenleinwand, kleiner<br />
Bildschirm … Das ist ein Phänomen, das ich<br />
nicht erklären kann. Das einzige, was man davon<br />
ableiten kann, ist die Tatsache, dass die Filme<br />
anscheinend doch so gut gemacht wurden, dass<br />
sie in der Zwischenzeit zu Klassikern geworden<br />
sind und man sie sich nach 50 Jahren aufgrund<br />
ihrer Machart auch heute noch immer wieder<br />
anschauen kann. Edgar Wallace – das ist Kult!<br />
Foto: © Interfoto / Moore<br />
Seite 98 ■ GoodTimes 1/2014
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