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Altes Handwerk... neu erlebt! Der Schmied und sein Werkstoff (Vorschau)

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01<br />

2013<br />

<strong>Altes</strong><br />

<strong>Handwerk</strong><br />

<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />

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9,20 [EU]<br />

15,20 sFr<br />

<strong>Der</strong> <strong>Schmied</strong> <strong>und</strong> <strong>sein</strong> <strong>Werkstoff</strong><br />

Die alte Hettstedter<br />

Druckerei Heise<br />

Naturkäse<br />

aus dem Lechtal<br />

Holz-Bildhauerei<br />

von Tradition bis Moderne<br />

Lechtaler Haussegen<br />

Brennerei aus Leidenschaft


Sonderheft<br />

Journal Dampf & Heißluft<br />

Journal Dampf & Heißluft<br />

Sonderausgabe: Dampf auf Tour 2<br />

ISSN 1616-9298<br />

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E 54336<br />

Journal<br />

SONDER-<br />

AUSGABE<br />

Heißluft<br />

Dampf auf Tour<br />

2<br />

Dampf auf Tour<br />

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<strong>Altes</strong><br />

<strong>Handwerk</strong><br />

<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />

Udo Mannek<br />

Chefredakteur<br />

sie begegnen uns meist noch auf <strong>Handwerk</strong>ermärkten <strong>und</strong> in Freilichtmuseen<br />

<strong>und</strong> es ist egal, ob beim Drechsler die Späne fliegen, der <strong>Schmied</strong><br />

den Hammer klingend auf den Ambos schlägt oder auf der drehenden<br />

Töpferscheibe unter den Händen des Meisters aus einem Klumpen Ton<br />

wohlgeformte Gefäße entstehen: wir bleiben stehen, verweilen <strong>und</strong> schauen<br />

wie gebannt zu. Wir wertschätzen handwerklich geschaffene Dinge oftmals<br />

höher als Produkte die anonym in Großfabriken hergestellt wurden. Wer<br />

sich schon einmal handwerklich betätigt hat wird bestätigen, dass der Stolz<br />

etwas mit <strong>sein</strong>en eigenen Händen geschaffen zu haben regelrecht zu <strong>neu</strong>en<br />

Werken beflügelt. Es ist unbestritten, die alten <strong>Handwerk</strong>e üben eine besondere<br />

Faszination auf uns aus.<br />

Traditionelles <strong>Handwerk</strong> besticht durch Qualität <strong>und</strong> muss nicht zwingend<br />

unwirtschaftlich <strong>sein</strong>, wie es beispielsweise die in dieser Ausgabe vorgestellte<br />

Bandweberei Kafka unter Beweis stellt. Insbesondere bei Lebensmitteln<br />

nimmt die Qualität einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Gerade hier<br />

wird die Stärke der traditionellen Fertigungsmethoden deutlich: hervorragende<br />

Edelbrände entstehen in kleinen familiengeführten Brennereien,<br />

Brote aus dem Holzbackofen verkaufen sich wie „warme Semmeln“ - bevorzugt<br />

belegt mit traditionell hergestelltem <strong>und</strong> gereiften Bergkäse - <strong>und</strong> alles<br />

von hervorragender Qualität, die man gerne genießt.<br />

Mit Sicherheit war die sogenannte gute alte Zeit nicht immer wirklich gut.<br />

Die Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen unserer Ahnen waren nicht die besten<br />

<strong>und</strong> sind mit der heutigen Zeit nicht zu vergleichen. Schade wäre es jedoch,<br />

wenn die handwerklichen Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten irgendwann einmal<br />

vollständig verloren <strong>und</strong> vergessen wären. Deshalb sollten die guten alten<br />

<strong>Handwerk</strong>skünste bewahrt werden, weiter Faszination auf uns ausüben <strong>und</strong><br />

Nützliches hervorbringen. Und dazu will die Zeitschrift „<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>“<br />

beitragen!<br />

Ich wünsche Ihnen viele Spaß <strong>und</strong> Freude beim Lesen<br />

Ihr<br />

03


<strong>Altes</strong><br />

<strong>Handwerk</strong><br />

<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />

Inhalt<br />

Forum<br />

Termine<br />

Damals<br />

06 Chocolatiers bei der Arbeit<br />

zusehen<br />

Das Geheimnis der<br />

Glockengießer<br />

09 mit Termininformationen zu:<br />

· <strong>Handwerk</strong>ermärkten<br />

· Romantische Weihnachtsmärkten<br />

Selber <strong>Handwerk</strong>en<br />

48 Wie man eine Schublade aus<br />

Blech herstellt<br />

20 Kindheitserinnerungen<br />

31 Kinder <strong>und</strong> die alten<br />

<strong>Handwerk</strong>e<br />

45 <strong>Der</strong> Schriftgießer<br />

62 Das deutsche <strong>Handwerk</strong><br />

79 <strong>Der</strong> Töpfer oder Hafner<br />

Titelseite:<br />

Die mobile Dorfschmiede von Herrn Billen im Einsatz auf einem historischen <strong>Handwerk</strong>ermarkt<br />

Foto: Dennis Mannek<br />

04


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

11 Lechtaler Haussegen<br />

14 Holz-Bildhauerrei<br />

17 Käserei Sojer<br />

22 Wie aus Brennholz Kunst<br />

werden kann<br />

26 Geigenbau in Mittenwald<br />

32 Flachsmarkt auf Burg Linn<br />

34 Die Drasser Türe<br />

38 Altländer Hochzeitsstühle<br />

46 <strong>Schmied</strong>emeister Billen<br />

54 Wie vor 100 Jahren<br />

Bandweberei Kafka<br />

59 Die Senfmühle in Cochem an<br />

der Mosel<br />

74 <strong>Handwerk</strong> der Ziegler<br />

<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />

42 Alte Druckerei Hettstedt<br />

51 Historische Edelschleiferei<br />

Idar-Oberstein<br />

66 Backstube im Freilichtmuseum<br />

Dorenburg<br />

70 Reepschläger/Seiler<br />

05


Forum<br />

Zuschauen bei den Chocolatiers<br />

von Fassbender & Rausch<br />

Törtchen, Pralinen, Trüffel, Konfekt <strong>und</strong> Schokoladen-Schaustücke:<br />

Unter der Leitung von Chef-Chocolatier George Helwig<br />

entstehen in der Schokoladen-Manufaktur von Fassbender &<br />

Rausch jeden Tag die w<strong>und</strong>erbarsten Schokoladen-Köstlichkeiten.<br />

Und das Beste daran ist: Sie können zusehen! In der<br />

gläsernen Fabrikation fertigen die Chocolatiers handwerklich<br />

mehr als 300 Confiserie-Spezialitäten – ausschließlich aus<br />

besten Rohstoffen. Dabei werden wiederentdeckte, teilweise<br />

mehr als 100 Jahre alte Rezepturen der Confiseure Fassbender<br />

& Rausch sowie <strong>neu</strong>e Kreationen hergestellt.<br />

Törtchen <strong>und</strong> mehr im Schokoladen-<br />

Café <strong>und</strong> Restaurant probieren<br />

Die Manufaktur Fassbender & Rausch liefert täglich frische<br />

Törtchen <strong>und</strong> andere Kreationen aus Edelkakao <strong>und</strong> Schokolade<br />

auch direkt in das Schokoladen-Café am Gendarmenmarkt.<br />

Man findet es im ersten Stock direkt über dem Schokoladen-Geschäft.<br />

Unser Tipp: Ein Törtchen im Schokoladen-Café,<br />

dazu eine heiße Trinkschokolade <strong>und</strong> der Blick hinunter auf den<br />

herrlichen Gendarmenmarkt – was kann es Schöneres geben?<br />

14 verschiedene Törtchen stellen die Patissiers frisch in Handarbeit<br />

her. Auch das erste Schokoladen-Restaurant Europas<br />

befindet sich im ersten Stock <strong>und</strong> bietet außergewöhnliche<br />

Gerichte die mit Edelkakaos <strong>und</strong> feinster Rausch Plantagen-Schokolade<br />

veredelt werden an. Titanic <strong>und</strong> Brandenburger<br />

Tor, Gedächtniskirche <strong>und</strong> Funkturm, Reichstag <strong>und</strong> ein<br />

<strong>neu</strong>er Airbus A 380 – all das haben die Chocolatiers von Fassbender<br />

& Rausch aus Schokolade nachgebaut, zum Staunen<br />

<strong>und</strong> Fotografieren.<br />

Serena Bevilaqua, eine der wenigen weiblichen Chocola tiers<br />

in Deutschland kreiert nicht nur imposante Schokola den-<br />

Schaustücke, sondern auch – <strong>und</strong> besonders gern – köstliche<br />

Pralinen <strong>und</strong> Schokoladen. Von montags bis freitags zwischen<br />

12.00 <strong>und</strong> 18.00 Uhr können Sie ihr dabei in ihrer Schokoladen-Schauwerkstatt<br />

zusehen, direkt vor dem Eingang des<br />

Schokoladen-Cafés im ersten Stock. Sie freut sich schon auf<br />

Ihren Besuch <strong>und</strong> Ihre Fragen.<br />

Kontakt<br />

Fassbender & Rausch<br />

Chocolatiers am Gendarmenmarkt<br />

Schokoladen-Geschäft, Schokoladen-Café <strong>und</strong> -Restaurant<br />

sowie Live-Confiserie<br />

Charlottenstraße 60<br />

10117 Berlin<br />

Tel.: +49(0)30/20458443<br />

E-Mail: info@fassbender-rausch.de<br />

Schokoladen-Manufaktur<br />

Wolframstraße 95 - 96<br />

12105 Berlin<br />

Foto: Manuela Mannek<br />

Weitere Informationen sind erhältlich unter:<br />

www.fassbender-rausch.de<br />

www.facebook.de/fassbenderrausch<br />

06


Olivenölmuseum<br />

Cisano di Bardolino<br />

Wer einmal am w<strong>und</strong>erschönen Gardasee unterwegs<br />

ist, sollte einen Abstecher nach Bardolino zum<br />

bekannten Olivenölmuseum einplanen. Hier kann man<br />

gute Ware kaufen <strong>und</strong> sich auch umfassend über die<br />

traditionelle Herstellung von Olivenöl informieren.<br />

Die liebevoll <strong>und</strong> authentisch gestaltete Ausstellung<br />

mit Videovorführungen kann kostenlos besichtigt<br />

werden. Das Betriebsmuseum wurde im Frühjahr<br />

1988 von Umberto Turri eröffnet <strong>und</strong> zählt jährlich<br />

durchschnittlich 50.000 Besucher. Ausgestellt<br />

werden alte Gegenstände <strong>und</strong> Gerätschaften, welche<br />

in Ölmühlen von 1700 bis Anfang 1900 verwendet<br />

wurden. So zum Beispiel eine mächtige Hebelpresse<br />

aus Eichenholz <strong>und</strong> eine einwandfrei funktionierende<br />

Ölmühle mit Wasserantrieb sowie andere sehr originelle<br />

musterhafte Öl-Pressen aus Holz <strong>und</strong> Eisen.<br />

Kontakt<br />

Museum Oleificio Cisano<br />

Via Peschiera, 54<br />

I 37011 Cisano di Bardolino/Verona<br />

Tel. + 39(0)45/6229047<br />

Fax +39(0)45/6229024<br />

Homepage: www.museum.it<br />

Foto: Manuela Mannek<br />

Fotos: Fassbender & Rausch<br />

07


Übernachten im Lechtal<br />

Das Geheimnis der<br />

Glockengiesser<br />

Die Herstellung einer Glocke erfolgt ausschließlich per Handarbeit.<br />

Dafür sind eine Reihe verschiedener Arbeitsschritte<br />

nötig. Zuerst muss eine Form für die spätere Glocke<br />

angefertigt werden. Diese Form besteht ausschließlich aus<br />

Ziegelsteinen <strong>und</strong> Lehm. Dem Lehm werden noch Pferdemist<br />

<strong>und</strong> Rinderhaare zugefügt. Diese Zusätze festigen den Lehm<br />

<strong>und</strong> verhindern Rissbildung beim Trocknen. Die Form wird<br />

mit Hilfe einer vom Glockengießer angefertigten Schablone<br />

aufgeformt. Auf ein Buchenbrett zeichnet er das Profil der<br />

späteren Glocke auf. Schon vor dem Guss der Glocke weiß der<br />

Glockengießer wie groß <strong>und</strong> wie schwer die fertige Glocke wird<br />

<strong>und</strong> vor allem welchen Ton sie erhält. Dieses Wissen ist ein<br />

streng gehütetes Familiengeheimnis <strong>und</strong> wird von Generation<br />

zu Generation weitergetragen.<br />

Wer selber einmal das Lechtal im österreichischen<br />

Tirol erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eine der zahlreichen Schnitzstuben<br />

besuchen möchte oder gar beabsichtigt an<br />

einem Schnitzkurs in der privat geführten Schnitzschule<br />

Geisler-Moroder teilzunehmen, kann bei<br />

einem mehrtägigen Aufenthalt bequem im Familien-<br />

<strong>und</strong> Wellness-Hotel Alpenrose in Elbingenalp<br />

übernachten. Von hier ist es auch nicht weit bis zum<br />

Holzbildhauer-Atellier von Ernst Schnöller. In unmittelbarer<br />

Nachbarschaft zum Hotel Alpenrose liegt<br />

die Brennerei Lechtaler-Haussegen von Mario Huber<br />

<strong>und</strong> Melanie Haider. Gut mit dem Pkw oder auch mit<br />

dem Bus ist die Käserei Sojer in Steeg erreichbar.<br />

Hier kann bei der traditionellen Käseherstellung<br />

zugeschaut werden. Erzeugnisse aus Käserei <strong>und</strong><br />

Brennerei werden ebenfalls im Hotel Alpenrose zum<br />

Verzehr angeboten.<br />

Wer das <strong>Handwerk</strong> der Glockengießer einmal hautnah miterleben<br />

möchte, kann dies im Rahmen einer Führung durch<br />

die Eifeler Glockengießerei tun. Während der Führungen wird<br />

anschaulich erklärt, welche Arbeiten zur Erstellung einer<br />

Glocke nötig sind. Dabei kann man den Glockengießern <strong>und</strong><br />

Formern bei der Arbeit zusehen. Leider gibt es nicht jeden Tag<br />

einen Glockenguss zu bestaunen. Ein solches Ereignis findet<br />

aufgr<strong>und</strong> der langen Formarbeiten nur 4- bis 5-mal im Jahr<br />

statt. Die Führung dauert etwa eine halbe St<strong>und</strong>e. Termine für<br />

Gruppen <strong>und</strong> Einzelbesucher können auf der Homepage der<br />

Eifeler Glockengießerei oder telefonisch abgefragt werden.<br />

Wichtig: Gruppen müssen sich unbedingt anmelden!<br />

Kontakt<br />

Eifeler Glockengießerei<br />

Glockenstraße 51<br />

54552 Brockscheid<br />

Tel.: +49(0)6573/99033-0<br />

Fax: +49(0)6573/9111<br />

E-Mail: info@glockengiesser.de<br />

Homepage: www.glockengiesser.de<br />

Betriebsbesichtigungen, Andenkenglöckchen,<br />

Geschenkartikel, Garvuren:<br />

Tel: +49(0)6573/99033-14<br />

E-Mail: laden@glockengiesser.de Fotos: Manuela Mannek<br />

Foto: Manuela Mannek<br />

Kontakt<br />

Familien- <strong>und</strong> Wellness Hotel Alpenrose<br />

Familie Baldauf<br />

A 6652 Elbingenalp<br />

Tel.: +43(0)5634/6651<br />

E-Mail: info@alpenrose.net<br />

Homepage: www.alpenrose.net<br />

Weitere Informationen sind beim Tourismusverband<br />

erhältlich:<br />

Tourismusverband Ferienregion Tiroler Lechtal<br />

Untergiblen 23<br />

A 6652 Elbigenalp<br />

Tel.: +43(0)5634/5315<br />

E-Mail: info@lechtal.at<br />

08


Termine<br />

Stand 01.10.2013 – ohne Gewähr-Es wird empfohlen, sich vor Antritt einer<br />

längeren Anfahrt beim jeweiligen Veranstalter über evtl. Änderungen zu informieren!<br />

Oktober<br />

november<br />

Dezember<br />

19. - 20. Oktober 2013<br />

Kommern:<br />

Historischer <strong>Handwerk</strong>ermarkt<br />

Drehorgel, Stelzenläufer <strong>und</strong> Figurentheater<br />

im Ortskern von Kommern.<br />

Historische <strong>Handwerk</strong>er wie <strong>Schmied</strong>,<br />

Drechsler <strong>und</strong> Buchbinder zeigen ihr<br />

<strong>Handwerk</strong>. Keramiken, Schmuck, Holzarbeiten,<br />

Floristik <strong>und</strong> regionale Produkte<br />

können erworben werden.<br />

21. - 24. Oktober 2013<br />

Fehmarn:<br />

Mittelaltermarkt Museum Katharinenhof<br />

Die Geschichte erlebbar machen lautet<br />

die Devise beim großen Mittelalterspektakel<br />

im Freilichtmuseum Katharinenhof.<br />

Das Museumsgelände verwandelt sich in<br />

einen mittelalterlichen Marktplatz. Buntes<br />

Markttreiben <strong>und</strong> eine Vielzahl von<br />

<strong>Handwerk</strong>ern entführen den Besucher in<br />

längst vergessene Zeiten.<br />

www.museum-katharinenhof.de<br />

25. - 27. Oktober 2013<br />

Brühl:<br />

Brühler Hubertusmarkt<br />

<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>, Kunsthandwerk,<br />

verkaufsoffener Sonntag.<br />

www.gaudium.de<br />

09. - 10. November 2013<br />

Köln:<br />

39. Kunsthandwerkermarkt<br />

im Engelshof<br />

130 Aussteller aus allen<br />

kunsthandwerklichen Bereichen.<br />

Seit 15 Jahren. Kölns größter Kunsthandwerkermarkt.<br />

Gutshof Engelshof Bürgerzentrum<br />

Oberstr. 96<br />

51149 Köln.<br />

Veranstalter: Kunst <strong>und</strong> Kultur<br />

www.kunst<strong>und</strong>kulturkoeln.de<br />

29.11. - 01.12. 2013<br />

Hagen:<br />

Romantischer Weihnachtsmarkt<br />

Über 80 ausgesuchte Kunsthandwerker<br />

zeigen ihre handgefertigten Stücke in<br />

den historischen Fachwerkhäusern <strong>und</strong><br />

in kleinen Hütten im bezaubernd<br />

beleuchteten Ambiente,<br />

www.lwl-freilichtmuseum-hagen.de<br />

29.11. - 01.12. 2013<br />

Grefrath/Kreis Viersen:<br />

Romantischer Weihnachtsmarkt im<br />

Niederrheinischen Freilichtmuseum,<br />

Dorenburg<br />

Öffnungszeiten:<br />

Freitag <strong>und</strong> Samstag 13 - 21 Uhr,<br />

Sonntag 11 - 20 Uhr.<br />

www.romantischer-weihnachtsmarkt.net<br />

06. - 08. Dezember 2013<br />

Grefrath/Kreis Viersen:<br />

Romantischer Weihnachtsmarkt im<br />

Niederrheinischen Freilichtmuseum,<br />

Dorenburg<br />

Öffnungszeiten:<br />

Freitag <strong>und</strong> Samstag 13 - 21 Uhr,<br />

Sonntag 11 - 20 Uhr.<br />

www.romantischer-weihnachtsmarkt.net<br />

Foto: Dennis Mannek<br />

03. - 15. Dezember 2013<br />

Solingen-Gräfrath:<br />

Ein Weihnachtstraum auf<br />

Schloss Grünewald<br />

www.romantischer-Weihnachtsmarkt.net<br />

20. - 22. Dezember 2013<br />

Solingen-Gräfrath:<br />

Ein Weihnachtstraum auf<br />

Schloss Grünewald<br />

www.romantischer-Weihnachtsmarkt.net<br />

Juni 2014<br />

07.-09. Juni 2014<br />

Krefeld-Linn:<br />

Flachsmarkt Burg Linn<br />

www.flachsmarkt.de<br />

Fotos: Dirk Jochmann<br />

09


Termine<br />

Romantischer Weihnachtsmarkt –<br />

Die Dorenburg im weihnachtlichen Flammenmeer<br />

Wem das jetzt immer noch nicht reicht,<br />

wird beim Knusperhäuschen basteln,<br />

beim Stockbrotbacken in der Indianerkota<br />

träumen oder in der historischen <strong>Schmied</strong>e<br />

aktiv <strong>sein</strong>es Glückes <strong>Schmied</strong> <strong>sein</strong> <strong>und</strong> nach<br />

Besuch des Tante-Emma-Ladens erkennen<br />

müssen, dass nicht nur im Himmel Jahrmarkt<br />

ist, sondern auch im Freilichtmuseum<br />

am 1. <strong>und</strong> 2. Advent zur Vorweihnachtszeit.<br />

Es ist eigentlich wie in jedem Jahr im<br />

November <strong>und</strong> Dezember. Die Zeit<br />

vor Weihnachten scheint hektisch zu<br />

werden. Alle sind auf der Suche nach dem<br />

besonderen Präsent für ihre Lieben. Aber<br />

wo soll man schon suchen? Und wo findet<br />

man eine Atmosphäre, die einen inspirierend<br />

einfängt <strong>und</strong> dann noch Raum zum Träumen<br />

lässt? Und dazu noch den Einkauf von<br />

Geschenken ermöglicht, mit denen man ganz<br />

weit vorne ist?<br />

<strong>Der</strong> „Romantische Weihnachtsmarkt“ im<br />

Niederrheinischen Freilichtmuseum in<br />

Grefrath/Niederrhein am 1. <strong>und</strong> 2. Advent<br />

ist so ein besonderes <strong>und</strong> emotionales Event,<br />

bei dem man schon mal vergessen kann, dass<br />

es den Weihnachtsmann eigentlich gar nicht<br />

gibt. Knisternde Feuerkörbe, zahlreiche<br />

Fackeln <strong>und</strong> mehrere tausend Lichtquellen<br />

tauchen das Gelände in eine traumhafte<br />

Atmosphäre. Die Künstlerin KiSa hüllt<br />

das Gelände in ein Meer von Fahnen <strong>und</strong><br />

Ölfackeln, am Wassergraben der Dorenburg<br />

modellieren mittelalterliche Feuerkünstler<br />

mit rotierenden Ketten skurrile Feuermuster<br />

in den Abendhimmel <strong>und</strong> das Mäuseroulette<br />

hält die großen <strong>und</strong> kleinen Spieler ebenso<br />

gespannt an der virtuellen Bühne.<br />

Im Mittelpunkt stehen je Wochenende<br />

ca. 100 der besten Designer, Künstler<br />

<strong>und</strong> Kunsthandwerker, die man in solch<br />

einer Qualitätsdichte nur an ganz wenigen<br />

Orten in Deutschland zu sehen bekommt.<br />

Sie bieten ihre ausschließlich filigran <strong>und</strong><br />

selbstgefertigten Produkte in den einzelnen<br />

Fachwerkhöfen zum Kauf an. Ausgefallene<br />

Keramik-Windlichter, zauberhafte Feen,<br />

oder aber ausgefallene Designgoldstücke<br />

<strong>und</strong> vieles andere mehr finden auf diesen<br />

Events oftmals begeisterte <strong>neu</strong>e Besitzer.<br />

Und das schönste ist, das an den beiden<br />

Wochenenden ein Großteil der Aussteller<br />

<strong>und</strong> der programmatische Anteil variiert.<br />

Es duftet nach frisch gebackenem Brot aus<br />

der historischen Bäckerei, heißem Glühwein<br />

<strong>und</strong> frischen Maronen. Lassen Sie sich<br />

französische Crêpes <strong>und</strong> mittelalterliche Ritterspieße<br />

ebenso schmecken wie den original<br />

Flammlachs oder Elsässer Flammkuchen.<br />

Eintritt:<br />

5 Euro, Kinder bis 14 Jahre frei.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Freitag <strong>und</strong> Samstag 13.00 bis 21.00 Uhr,<br />

Sonntag 11.00 – 20.00 Uhr.<br />

29. Nov. - 1. Dez (1. Advent) <strong>und</strong><br />

6. - 8. Dez. 2013 (2. Advent).<br />

Anschrift:<br />

Niederrheinisches Freilichtmuseum<br />

Am Freilichtmuseum 1<br />

(Navi: Stadionstr. 145)<br />

47929 Grefrath<br />

Infos unter:<br />

www.romantischer-weihnachtsmarkt.net<br />

oder Tel: +49(0)202/8706418<br />

Veranstalter: OpenMind ManagementService,<br />

www.omms.net<br />

Fotos: Dennis Mannek <strong>und</strong><br />

OpenMind ManagementService<br />

10


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Lechtaler Haussegen<br />

Brennerei aus Leidenschaft<br />

von Udo Mannek<br />

Die Ortschaft Elbigenalp liegt im w<strong>und</strong>erschönen Lechtal<br />

in Tirol. Direkt an der Landstraße B 198 findet man die<br />

Schaubrennerei von Melanie Haider <strong>und</strong> Mario Huber.<br />

Ursprünglich als Hobby betrieben, wurde im Jahre 2011 eine ansehnliche<br />

Schaubrennerei mit gemütlichem Verkostungsraum errichtet.<br />

Auf Voranmeldung werden für Gruppen Verkostungen angeboten.<br />

Heimlich kann hier nicht gebrannt werden. Die Brennblase mit<br />

Kolonne steht hinter einer großen Glasfensterfront direkt an der<br />

Hauptstraße. Auch ist dem Abzweigen der destillierten Köstlichkeit<br />

für private Zwecke mit mehreren Zollplomben ein steuerrechtlicher<br />

Riegel vorgeschoben.<br />

Zur Verwendung kommen nur Ausgangsprodukte bester Qualität.<br />

Die ganze Familie hilft beim Obstsammeln sowie beim Ausgraben<br />

der Blutwurz- <strong>und</strong> Enzianwurzeln. Nicht nur das Graben nach<br />

Wurzeln ist Schwerstarbeit. Auch das traditionelle Reinigen mit der<br />

Bürste ist schweißtreibend <strong>und</strong> zeitintensiv. Heutzutage verwendet<br />

man gerne auch mal den sanften Strahl eines Hochdruckreinigers.<br />

Auf die Qualität des Brandes nimmt dies keinen Einfluss.<br />

Die Brennblase fasst 150 Liter Maische <strong>und</strong> kann direkt aus den im<br />

Keller gelagerten Maischebottichen gefüllt werden. Die Anlage wird<br />

mit Holz befeuert. Dies erfordert eine gute Hand, da beim Brennvorgang<br />

eine konstante Temperatur gehalten werden muss.<br />

In der auf der Brennblase aufgesetzten Kolonne befinden sich<br />

Glockenböden. Hier kondensieren die unterschiedlichen Alkohole<br />

<strong>und</strong> verdampfen er<strong>neu</strong>t. So ist nur ein Brenndurchgang erforderlich.<br />

<strong>Der</strong> destillierte Alkohol wird über das sogenannte Geistrohr in den<br />

Kühler geleitet. Hier kondensiert der Brand <strong>und</strong> läuft zunächst<br />

durch einen Messbehälter. Hier wird mit einem Aräometer der Alkoholgehalt<br />

gemessen. In einem dünnen Strahl fließt schließlich der<br />

edle Brand in einen Auffangbehälter. <strong>Der</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachlauf muss<br />

vor Augen des österreichischen Zollbeamten entsorgt werden. Für<br />

den Mittellauf, dem sogenannten Herzstück, sind Steuern fällig.<br />

11


Ein Lob wohl dem, der hat entdeckt,<br />

welch Köstlichkeit im Obste steckt.<br />

Zumal, wenn man´s zur Maische macht,<br />

<strong>und</strong> diese dann, wie man es nennt,<br />

mit viel Geschick im Kessel brennt.<br />

Man weiß, dass man erfahren<br />

darin war schon seit vielen Jahren.<br />

Doch wurd <strong>und</strong> wird gern anerkannt,<br />

ein wirklich echter, edler Brand<br />

<strong>und</strong> dieser schmeckt besonders fein,<br />

ist der dazu noch sortenrein.<br />

Drum´ wird halt Echtheit nicht zuletzt,<br />

an unsren Bränden sehr geschätzt.<br />

Kontakt<br />

Mario Huber & Melanie Haider<br />

Dorf 52<br />

A 6652 Elbigenalp<br />

Tel.: +43(0)676 344 3422<br />

E-Mail: info@lechtaler-haussegen.at<br />

Home: www.lechtaler-haussegen.at<br />

Verschlussbrennerei<br />

Edelbrände aus heimischer Erzeugung<br />

Und gerade beim Herzstück wird nur das Beste verwendet. Davon<br />

konnten wir uns persönlich überzeugen, denn die Redaktion durfte<br />

beim Schnapsbrennen dabei <strong>sein</strong>. „Wir setzen auf Qualität <strong>und</strong> Nachhaltigkeit<br />

<strong>und</strong> nicht auf Menge“, erklärt uns Melanie Haider, die<br />

eine Ausbildung zum Edelbrandsommolier absolviert hat. Nach dem<br />

Füllen der Blase mit Maische der Muskattraube wurde angeheizt<br />

<strong>und</strong> der genau kontrollierte Brennvorgang begann. Nach einer<br />

Wartezeit, die uns mit dem Probieren diverser Brände sensationell<br />

verkürzt wurde, begann der Vorlauf mit einem Alkoholgehalt von<br />

über 90 Volumenprozent. Bei etwa 84 vol. % konnten wir etwas, mit<br />

Wasser auf Trinkstärke gebracht, vom Mittellauf kosten.<br />

Durch Kreativität <strong>und</strong> Experimentierfreude entstehen immer wieder<br />

<strong>neu</strong>e edle Brände. Das umfangreiche <strong>und</strong> mit mehreren Auszeichnungen<br />

gekrönte Sortiment der Edelbrände umfasst Rubinette-Apfelbrand,<br />

Golden Delicious-Apfelbrand <strong>und</strong> Apfelbrand in Eiche<br />

gelagert. Außerdem führen Melanie Haider <strong>und</strong> Mario Huber<br />

Williams Christ-Birne, Zwetschken, Blutwurz, Meisterwurz, Quitte<br />

<strong>und</strong> Enzian-Apfel. In fruchtreichen Jahren wird Vogelbeere zu Brand<br />

verarbeitet. <strong>Der</strong> Klassiker schlechthin ist der Original Lechtaler<br />

Berg heubrand-Apfel. Im Sortiment der Liköre führt die Elbigenalper<br />

Brennerei Orangenlikör, Zwetschkenlikör <strong>und</strong> Williams-Birnenlikör.<br />

Besonders beliebt, gerade bei den Lechtalern, ist der reine Enzian-Brand.<br />

Von Melanie Haider lernen wir, dass diese Spirituose<br />

nicht aus der Blüte des Blauen Enzians – so wie meist Abbildungen<br />

auf Flaschenetiketten glauben machen wollen – sondern aus der<br />

Wurzel des wesentlich größeren <strong>und</strong> ergiebigeren Gelben Enzians<br />

gebrannt wird.<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Als Verschlussbrennerei wird ein Produktionsbetrieb von Spirituosen bezeichnet, dessen Brenngeräte während<br />

des Herstellungsprozesses vollständig unter zollbehördlichem Verschluss stehen. Alle Verbindungen <strong>und</strong> Flansche<br />

der Destillationsanlage sind vom Zoll verplombt. Die tatsächlich entstandene Alkoholmenge wird entweder<br />

durch ein geeichtes Zählwerk oder durch ein verschlossenes Sammelgefäß ermittelt.<br />

13


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Holz-Bildhauerei<br />

von Tradition bis Moderne<br />

von Udo Mannek<br />

Schnitzen hat im Lechtal eine lange Tradition. In früheren<br />

Zeiten besserten sich die Lechtaler aus der Not geboren mit<br />

dieser <strong>Handwerk</strong>skunst das tägliche Einkommen auf. Bis<br />

heute haben sich zahlreiche Schnitzstuben gehalten. Nur in wenigen<br />

Regionen Österreichs ist das Schnitzhandwerk so stark verbreitet<br />

wie im Lechtal.<br />

Einer der dieses w<strong>und</strong>erschöne <strong>Handwerk</strong> eindrucksvoll praktiziert<br />

ist Schnitzer <strong>und</strong> Holzbildhauer Ernst Schnöller – genannt Schnully<br />

– aus Bach. Direkt an der B 198 befindet sich <strong>sein</strong> Atelier. In der<br />

Winterzeit werden zum Teil lebensgroße Figuren unter anderem aus<br />

Zirbe auf traditionelle Weise geschnitzt. Lebensgroß heißt hier 193<br />

cm – so groß wie Ernst Schnöller selber.<br />

Seit <strong>sein</strong>em 10. Lebensjahr schnitzt Ernst Schnöller in der väterlichen<br />

Werkstatt. Am Anfang waren es Wurzeln, Äste <strong>und</strong> einfache<br />

Schnittmuster-Schwerter die bearbeitet wurden. Mit der Zeit<br />

entwickelte sich <strong>sein</strong> Talent <strong>und</strong> schließlich besuchte er die renommierte<br />

Fachschule für gewerbliche Holzbildhauerei. Seine Lehrer<br />

unterstützten ihn bei der Verwirklichung <strong>sein</strong>e Ideen. Auf diese<br />

Weise konnte Ernst Schnöller <strong>sein</strong>en persönlichen Stil entwickeln.<br />

Inzwischen verarbeitet er jede Holzsorte aber auch Polystyrol,<br />

Schnee, Eis, Gips, Beton <strong>und</strong> Eisen. Die Bandbreite des Schaffens<br />

reicht von christlichen Figuren <strong>und</strong> Reliefs über traditionelle<br />

Motive – wie zum Beispiel die Darstellung der über die Grenzen<br />

des Lechtals hinaus bekannt gewordenen Romanfigur der Geierwally<br />

– bis hin zu moderne Bildern. Im Atelier Schnully werden auch<br />

Reparaturen ausgeführt <strong>und</strong> Hobbyschnitzkurse angeboten.<br />

Im Sommer <strong>erlebt</strong>en wir Ernst Schnöller auf der Wiese neben <strong>sein</strong>er<br />

Werkstatt in Aktion. Das sommerliche Freiluftatelier liegt an der<br />

nahen B<strong>und</strong>esstraße gut positioniert. Zahlreiche Kraftfahrer reduzieren<br />

deutlich das Tempo, manche halten <strong>und</strong> schauen interessiert<br />

dem handwerklichen Treiben zu. Hier arbeitet Ernst Schnöller<br />

mit Kettensäge <strong>und</strong> Winkelschleifer an spektakulären Skulpturen.<br />

Gerade ist ein fast 3,5 m großer Steinbock fertig geworden. Eine<br />

imposante Erscheinung! Die Oberfläche wurde geflämmt, anschließend<br />

gebürstet <strong>und</strong> schließlich eingeölt. Alle zwei Jahre sollte<br />

eine so oberflächenbehandelte Skulptur gereinigt <strong>und</strong> er<strong>neu</strong>t geölt<br />

werden. Ernst Schnöller: „Die Pflege ist das Wichtigste bei Holz“.<br />

Heute arbeitet „Schnully“ an einer <strong>neu</strong>en Skulptur. Die Vorlage hat<br />

der Bildhauer von einem Plakat der Tirol-Werbung: Eine Kuh, die<br />

aus dem Stall schaut.<br />

„Jede Kuh schaut anders aus“<br />

„Als Kind habe ich mich gefragt, wie die Hirten zum Teil 150 Kühe<br />

au<strong>sein</strong>anderhalten können. Heute, wo ich mich selber mit dem Aus-<br />

14


sehen einer Kuh befasse, kann ich die Hirten verstehen, denn jede<br />

Kuh schaut anders aus,“ erklärt uns Ernst Schnöller.<br />

Kontakt<br />

Atelier Schnully<br />

Holz-Bildhauerei<br />

Ernst Schnöller<br />

Obergilben 4<br />

A-6653 Bach<br />

Telefon +43(0)5634/6497<br />

Handy +43(0)676/6231423<br />

E-Mail: ernst@schnully.at<br />

Home: www.schnully.at<br />

Aus dem 200 Jahre alten Stamm einer Lerche entsteht in wenigen<br />

St<strong>und</strong>en ein gewaltiges Kunstwerk. Die Lerche wuchs einmal in<br />

der Nähe von Bschlabs in einem Seitental des Lechtals. Wegen der<br />

starken Verästelung dieses Baumstückes ist es für eine konventionelle<br />

Nutzung z.B. als Bauholz nicht geeignet. Jedoch für Ernst<br />

Schnöller ein idealer Rohling. Die großen Stücke werden mit der<br />

Kettensäge heraus gearbeitet. <strong>Der</strong> Winkelschleifer kommt für die<br />

feineren Konturen zum Einsatz. „Wenn sie damals diese modernen<br />

Werkzeuge schon gehabt hätten, hätten sie diese auch verwendet“<br />

sagt Ernst Schnöller <strong>und</strong> meint damit die alten Schnitzer, welche<br />

noch keine Baumärkte kannten. Es kommen aber auch die traditionellen<br />

Werkzeuge zum Einsatz. Zahlreiche Stechbeitel zur Ausarbeitung<br />

besonders filigraner Details – wie die Augen der Kuh – liegen<br />

griffbereit. Dem Aussehen einer Skulptur kommt eine große künstlerische<br />

Bedeutung zu. „Wenn man zum Beispiel einen Steinbock<br />

so schnitzen würde wie er in Natura aussieht, würde die Skulptur<br />

hässlich aussehen“, so Ernst Schnöller. Deshalb wird das Aussehen<br />

einer Skulptur von Schnitzerhand gerne idealisiert. Und es sieht in<br />

der Tat schön aus!<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Kontakt<br />

Schnitzschule Geisler-Moroder<br />

A-6652 Elbigenalp 63<br />

Telefon: +43(0)5634/6215<br />

Telefax: +43(0)5634/6128<br />

E-Mail: geisler-moroder@aon.at<br />

Internet: www.schnitzschule.com<br />

Schnitzschule Elbigenalp<br />

A-6652 Elbigenalp 57<br />

Internet: www.schnitzschule.at<br />

Schnitzen lernen<br />

In Elbigenalp im österreichischen Lechtal gibt es<br />

eine private <strong>und</strong> eine öffentliche Schnitzschule.<br />

Die öffentliche Schnitzschule mit hervorragendem<br />

Ruf stellt hohe Anforderungen an die jungen<br />

Schüler, welche das Schnitzen oder einen artverwandten<br />

Beruf erlernen möchten. Die privat<br />

geführte Schnitzschule Geisler-Moroder, unweit<br />

von der Geierwally Freilichtbühne gelegen,<br />

bietet Interessierten alles zum Hobby Schnitzen.<br />

Vom Schnupper-Schnitzen für junge Leute ab<br />

12 Jahren, das Schnitzen mit der Kettensäge,<br />

bis zum Steinbildhauen <strong>und</strong> das Gestalten von<br />

Betonskulpturen reicht das Angebot. Weitere<br />

Lechtaler Schnitzer bieten Kurse an <strong>und</strong> tragen<br />

so die alte <strong>Handwerk</strong>skunst weiter. Wer nicht<br />

selber schnitzen lernen möchte, kann sich in den<br />

zahlreichen Lechtaler Schnitzstuben umsehen<br />

<strong>und</strong> w<strong>und</strong>erschöne handgefertigte Skulpturen als<br />

Andenken käuflich erwerben.<br />

16


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Naturkäse aus dem<br />

Lechtal<br />

Heumilch von der Hochalm<br />

von Udo Mannek<br />

Morgens um 8.30 Uhr wird der Käserei Sojer eine Fuhre<br />

Milch angeliefert. Auf der Ladefläche eines Pritschenwagens<br />

stehen ein Edelstahltank <strong>und</strong> einige Milchkannen<br />

mit zusammen etwa 500 Litern frischer Milch von der Hochalm.<br />

Die gemolkene Milch mit einem Fettanteil von 4,5 - 5 % stammt<br />

vom Vorabend <strong>und</strong> vom Morgen. Auf der Alm leben die Kühe im<br />

Sommer auf 1.800 Meter Seehöhe <strong>und</strong> verbringen eine glückliche<br />

Zeit bei frischer Luft <strong>und</strong> klarem Wasser. Die Milch wird nach dem<br />

Melken auf der Alm in einem mit Quellwasser gekühlten Edelstahltank<br />

zwischengelagert. Über eine über 400 lange Milchpipeline wird<br />

die Milch nach vorheriger telefonischer Absprache auf 1.600 Meter<br />

Seehöhe gepumpt, denn eine Fahrstraße bis hinauf zur Alm gibt es<br />

nicht. Hier wartet schon der Milchwagen. Erst 10 Minuten später<br />

kommen die ersten Liter beim Pritschenwagen an. Solange braucht<br />

die Milch vom Berg durch das Rohr bis auf 1.600 m Höhe.<br />

Verfüttert wird dem Braunvieh Heu <strong>und</strong> bis zu 50 verschiedene<br />

Gräser <strong>und</strong> Kräuter. Auch im Winter bekommen die Kühe nur<br />

sonnengetrocknetes Heu <strong>und</strong> mineralstoffreiches Getreideschrot.<br />

Auf Silage, also gärende Futtermittel, wird vollständig verzichtet.<br />

Die Kühe werden dadurch besser ernährt <strong>und</strong> geben hochwertige<br />

Heumilch mit besonders hohem Fettsäureanteil. Das gibt der Milch<br />

<strong>und</strong> später dem Käse einen besonders guten Geschmack. Heute gibt<br />

es noch 25 Bergbauern <strong>und</strong> im Sommer 9 Almbetriebe, die im Winter<br />

täglich zwischen etwa 2.500 Liter <strong>und</strong> im Sommer um die 5.000<br />

Liter Milch in die Käserei liefern. So kommen jährlich ca. 900.000<br />

Liter Milch zusammen, um zu reinen Naturkäse verarbeitet zu<br />

werden. Für ein Kilogramm Käse braucht man ungefähr 11 - 12 Liter<br />

Milch. Für einen Laib mit 35 Kilogramm Gewicht werden etwa 400<br />

Liter Milch benötigt. Die Milch wird täglich frisch verarbeitet.<br />

Die einzige Käserei im Lechtal<br />

Die über Grenzen hinaus bekannte Naturkäserei Sojer ist die einzige<br />

im ganzen Lechtal <strong>und</strong> ist deshalb auch sehr wichtig für die Erhaltung<br />

der Landwirtschaft <strong>und</strong> der Bauern in der Region. Die Käserei<br />

befindet sich mitten im Ortszentrum von Steeg, einem kleinen,<br />

romantischen Gebirgsdorf am Fuße des Arlbergs. Hier wird die von<br />

den Almen angelieferte Naturmilch zu einem besonders schmackhaften<br />

reinen Naturkäse verarbeitet. <strong>Der</strong> ganztägig geöffnete Schau­<br />

17


aum ermöglicht auch außerhalb von Führungen einen Einblick in<br />

die Käserei. Das angeschlossene Ladengeschäft <strong>und</strong> die Milchstube<br />

laden zum Genuß diverser Hart-, Schnitt- <strong>und</strong> Weichkäsesorten bei<br />

einer deftigen Lechtaler Brotzeit ein.<br />

Erbaut wurde die Käserei im Jahre 1903 von den Bauern der<br />

Gemeinde Steeg/Hägerau. Ab 1934 wurde sie genossenschaftlich<br />

geführt, bis sie 1955 vom Milchkäufer Michael Sojer gepachtet<br />

wurde. Seitdem wird die Käserei privat von der Familie Sojer bewirtschaftet.<br />

Am 20. Februar 1962 geschah ein Unglück – die Käserei<br />

brannte ab. Mit viel Mühe, Fleiß <strong>und</strong> Unterstützung der örtlichen<br />

Bauern konnte die Käserei wieder aufgebaut, <strong>und</strong> etwa zwei Monate<br />

nach dem Brand der Betrieb wieder aufgenommen werden. Im Jahre<br />

1980 übernahm der Molker- <strong>und</strong> Käsermeister Bruno Sojer, Sohn<br />

von Michael Sojer, den Betrieb. Noch im gleichen Jahr wurde die<br />

Käserei renoviert <strong>und</strong> um die Milchtrinkstube erweitert. Im Jahre<br />

1990 wurde die Käserei nochmals renoviert <strong>und</strong> 1992 endgültig auf<br />

den <strong>neu</strong>esten technischen Stand gebracht. 1996 zog die Käserei ins<br />

angrenzende Gebäude um. So wurde mehr Platz für einen größeren<br />

Verkaufsraum <strong>und</strong> eine Terrasse für die Milchtrinkstube geschaffen.<br />

Käserei <strong>und</strong> Milchtrinkstube werden heute von Kurt Sojer geführt.<br />

<strong>Der</strong>zeit wird dort auch ein Lehrling ausgebildet.<br />

Erzeugt werden bei Sojer reine Naturprodukte. Die hausgemach ten<br />

Käse- <strong>und</strong> Joghurtspezialitäten, Butter <strong>und</strong> Topfen (= Quark oder<br />

Weißkäse) werden im Verkaufsraum angeboten. Einmal wöchentlich<br />

beliefert die Käserei Hotels, Pensionen, Geschäfte <strong>und</strong> Bauernmärkte<br />

im Tal. Auch tirolweit werden die verschiedensten Käsesorten<br />

über einen Händler vertrieben. <strong>Der</strong> Käse wird nach altem Verfahren<br />

hergestellt <strong>und</strong> nach alter Tradition behandelt. Von der Produktion<br />

bis zur Käsepflege erfolgt vieles noch in Handarbeit. Die Lagerung<br />

des Bergkäses erfolgt in den alt bewährten Holzstellagen, welche<br />

die Fähigkeit besitzen, jene Feuchtigkeit aufzunehmen <strong>und</strong> wieder<br />

abzugeben, die der Käse benötigt. Diese Art der Lagerung erfordert<br />

zwar wesentlich mehr Arbeit, da der Käse jeden zweiten Tag gepflegt<br />

werden muss. Aber sie hat den Vorteil, dass der Käse viel geschmeidiger<br />

<strong>und</strong> geschmackvoller wird. Die Pflege des Käses ist ganz<br />

besonders wichtig, so wird der Käse jeden 2. Tag mit Salzwasser geschmiert,<br />

es dauert beim Bergkäse ein halbes Jahr lang, bis er richtig<br />

ausgereift ist. Ein auf natürliche Art ausgereifter Käse zeichnet sich<br />

durch lange Haltbarkeit aus. Schnittkäse reift in ca. 12 Wochen,<br />

Weichkäse benötigt 8 Wochen zur Reife. So wird der Naturkäse<br />

sehr bekömmlich <strong>und</strong> erhält <strong>sein</strong>en intensiven <strong>und</strong> kraftvollen Geschmack.<br />

Aber auch hier gilt: Probieren geht über Studieren!<br />

Wie aus Milch Käse wird<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

Schon seit der frühen Jungsteinzeit ist in Mitteleuropa das Prinzip der Käseherstellung bekannt. Wenn Milch sauer<br />

wird <strong>und</strong> sich die festen Bestandteile Eiweiß, Fett, Milchzucker <strong>und</strong> Mineralstoffe von der flüssigen Molke getrennt<br />

haben, entsteht Käse. Bei der Herstellung von Käse in Käsereien wird dieser natürliche Vorgang beschleunigt.<br />

Vorbereitung<br />

Zuerst wird die Milch auf ihre bakteriologische Beschaffenheit überprüft. Dann wird die Milch gefiltert bzw. abgeseiht<br />

<strong>und</strong> – außer es soll Rohmilchkäse hergestellt werden – pasteurisiert. Zur Einstellung des gewünschten Fettgehaltes<br />

mischt der Käsemeister entweder Magermilch oder Rahm in die Milch.<br />

Dicklegung<br />

Das Milchgemisch wird mit Hilfe von Starterkulturen bestehend aus Milchsäurebakterien vorgereift <strong>und</strong> anschließend<br />

mit Lab aus Kälbermagen zum Gerinnen gebracht. Dieser Vorgang wird Dicklegen genannt <strong>und</strong> dauert je<br />

nach herzustellendem Käse zwischen 30 Minuten <strong>und</strong> mehreren St<strong>und</strong>en.<br />

Schneiden<br />

Hat die dickgelegte Masse – auch Dickete genannt – die richtige Festigkeit erlangt, wird sie mit einer Käseharfe in<br />

Stücke gebrochen. Den richtigen Zeitpunkt zum Schneiden legt der Käsemeister nach manueller Prüfung fest. Je<br />

feiner der Käsebruch, desto mehr Molke kann sich absetzen. <strong>Der</strong> fertige Käse wird dann entsprechend härter. Aus<br />

gröberem Käsebruch wird Weichkäse produziert. Als „Brennen des Käsebruchs“ wird der Vorgang bezeichnet, bei<br />

dem der Käsebruch vorsichtig erhitzt wird. Dadurch zieht sich das Bruchkorn weiter zusammen, weitere Molke tritt<br />

aus <strong>und</strong> die Trockenmasse erhöht sich.<br />

Formen<br />

Durch Abtropfen, Pressen <strong>und</strong> Wenden wird die restliche Molke vom Käsebruch getrennt. Hat der Käsebruch richtige<br />

Konsistenz erreicht wird er in sortentypischen Formen gefüllt. So entstehen die Käselaibe.<br />

Baden in Salzlake<br />

Außer bei Frischkäse wird bei allen Käsesorten durch Baden in Salzlake mit einem Salzgehalt weiteres Wasser<br />

entzogen. Dadurch werden schädliche Bakterien ferngehalten <strong>und</strong> die Bildung der Rinde gefördert. Es gelangt dabei<br />

auch Salz in den Käse. Die Salzlake beeinflusst somit auch den Geschmack des Käses.<br />

Reifen<br />

Die Reifung erfolgt aufgr<strong>und</strong> einer Veränderung der Käsemasse durch natürliche Milchenzyme. Je nach Sorte muss<br />

der Käse im Reifekeller unterschiedlich lange reifen. Dabei bestimmen bei einigen Standard-Käsesorten gesetzliche<br />

Vorschriften die Reifezeit. Bei der tage-, wochen- oder monatelange Reifung entwickelt sich das sortentypische<br />

Aroma. Die Laibe werden regelmäßig gewendet, bestrichen <strong>und</strong> je nach Sorte gebürstet, gewaschen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

mit Edelschimmel oder Kräutern behandelt. <strong>Der</strong> Käse erhält so <strong>sein</strong>en ganz besonderen Charakter. Eine<br />

bemerkenswerte Vielfalt an köstlichen Käsesorten entsteht.<br />

18


Wie entstehen die Löcher im Käse<br />

Die Löcher im Käse entstehen durch den Reifeprozess. Bei diesem Prozess entsteht unter anderem CO 2<br />

.<br />

Im Anfangsstadium des Milchsäureabbaus bindet sich das CO 2<br />

mit dem im Käse vorhandenen Wasser bis<br />

zur Sättigung.<br />

Danach bildet sich gasförmiges CO 2<br />

im Käse, das aufgr<strong>und</strong> der Rindenbildung jedoch nicht entweichen kann.<br />

Es sammelt sich an den schlecht verwachsenen Stellen im Käseteig <strong>und</strong> es entstehen Hohlräume, also<br />

die Löcher im Käse. Die Anzahl <strong>und</strong> Größe der Löcher ist von der Menge an Bakterien sowie von der<br />

Lagerung des Käses abhängig. Anhand der Größe, Form <strong>und</strong> Verteilung der Löcher lässt sich der<br />

Verlauf der Reifung <strong>und</strong> somit die Qualität des Käses sehr gut ablesen. Hier sei als Beispiel für<br />

große Löcher im Käse der Emmentaler genannt. Abweichend vom Emmentaler entstehen<br />

die kleineren Löcher beispielsweise beim Tilsiter herstellungsbedingt bereits vor der<br />

Reifung. <strong>Der</strong> Käse wird in Formen nur leicht angepresst. Im locker geschichteten Käsebruch<br />

können dann die kleinen Löcher entstehen.<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Kontakt<br />

Lechtaler Naturkäserei<br />

Käserei <strong>und</strong> Milchtrinkstube Sojer<br />

Haus Nr. 16<br />

A 6655 Steeg<br />

Tel. +43(0)5633/5636<br />

E-Mail: b.sojer@aon.at<br />

Home: www.kaesereisojer.at<br />

Öffnungszeiten:<br />

Geschäft <strong>und</strong> Milchtrinkstube<br />

Täglich: 8.00 - 18.00 Uhr<br />

Sonntags: 8.30 - 18.00 Uhr<br />

Führungen nach Anmeldung.<br />

19


Damals<br />

Meine<br />

Kindheitserinnerungen<br />

von Richard Planitz<br />

Aufgewachsen bin ich im Haus<br />

Dettingerstraße 53, einem schmalen,<br />

frech dastehenden Haus, in dem<br />

meine Mutter seit 1950 ein Einzelhandelsgeschäft,<br />

welches von einem Herrn Treyz<br />

übernommen wurde, bis 1987 betrieben hat.<br />

Die Dettingerstraße war jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />

Hauptschlagader, über sie wurden Güter aller<br />

Art stadtein- <strong>und</strong> auswärts transportiert.<br />

In nahezu jedem Haus war <strong>und</strong> ist bis<br />

heute ein Geschäft untergebracht. So habe<br />

ich (Jahrgang 1949) meine Nachbarschaft<br />

sehr intensiv <strong>erlebt</strong> <strong>und</strong><br />

erforscht. 1953 kam ich<br />

in den Traubschen Kindergarten<br />

zur Schwester<br />

Lydia <strong>und</strong> ihrer Kollegin<br />

Schwester Gertrud.<br />

Dort war ein riesiger,<br />

reich verzierter guss eiser<br />

ner Ofen aufgestellt,<br />

um den ein richtiger<br />

Schutzzaun gebaut war,<br />

damit die Kinder in der<br />

kalten Jahreszeit dem<br />

oft glühenden Ungetüm<br />

nicht zu nahe kamen. In<br />

der warmen Jahreszeit<br />

durften wir im Freien<br />

spielen <strong>und</strong> im Garten<br />

stand ein großer Baum,<br />

um den herum ein Sandkasten<br />

angelegt war. In<br />

dem Zeitraum wurde<br />

die Hindenburgstraße<br />

repariert <strong>und</strong> da war eine<br />

Dampfwalze damit beschäftigt, den Unterbau,<br />

also die Schottervorlage einzuwalzen.<br />

Da war natürlich der Sandkasten uninteressant<br />

<strong>und</strong> wenn ich hätte können, wäre ich in<br />

die Dampfwalze hineingeschlüpft. Das hat<br />

mich schon fasziniert. Auf der anderen Seite<br />

des Kindergartens, in der Dettingerstraße,<br />

war die Färberei Geiger angesiedelt. Auf<br />

deren Anwesen stand ein Kesselhaus mit<br />

einem aus Backsteinen gemauerten Kamin,<br />

aus dem regelmäßig schwarzer Rauch quoll.<br />

Damit war für mich klar, da wo ein Kamin<br />

Das Bild vom Haus Dettingerstraße 53 in Kirchheim Teck. Leider ist die Postkarte <strong>und</strong>atiert,<br />

aber aus meiner Sicht stammt die Aufnahme aus der Zeit zw.1950 bis 1955.<br />

rauchte, musste auch eine Dampfmaschine<br />

<strong>sein</strong>! Und so war es. Wenn nämlich der<br />

Kindergarten Feierabend machte, ging der<br />

kleine Richard nicht gleich heim, sondern<br />

auf die andere Straßenseite <strong>und</strong> warf durch<br />

die stets einen Spalt offene Türe einen Blick<br />

ins Maschinenhaus! Da roch es zuerst nach<br />

heißem Öl <strong>und</strong> in der Mitte des hohen,<br />

gekachelten Raumes stand ein dröhnender<br />

Dampfmotor, welcher direkt mit einem<br />

gewaltigen Generator gekuppelt war, um<br />

die Fabrik mit elektrischer Energie zu versorgen.<br />

Diese Energie musste ja irgendwo<br />

herkommen. Des Rätsels Lösung war<br />

ein Dampfkessel, welcher mit Steinkohle<br />

beheizt wurde. Diese kam, das fand ich<br />

schnell heraus, ein- bis zweimal pro Woche<br />

in zwei vollbeladenen Anhängern dort an.<br />

Die ganze Geräuschkulisse, zu der auch<br />

die dumpfen, gewaltigen Töne der <strong>Schmied</strong>ehämmer<br />

aus der Flanschenfabrik Weise<br />

ihren Beitrag leisteten, wurde dominiert<br />

von einer Zugmaschine, die schon längst<br />

weltweit verbreitet war: Ein Lanz-Bulldog<br />

mit über 10 Litern Hubraum von der<br />

Spedition Karl Schmid mit <strong>sein</strong>em nach<br />

oben gerichteten kegelförmigen Auspuffrohr<br />

zog die schweren Anhänger laut knallend<br />

die Dettingerstraße hinauf. Dabei klirrten in<br />

meinem Elternhaus nicht nur die Fensterscheiben,<br />

sondern auch im Stubenbuffet die<br />

Gläser <strong>und</strong> Tassen. Diese Töne sind mir<br />

bis heute im Gedächtnis. Je nach Wetterlage<br />

war die im Garten aufgehängte Wäsche<br />

am nächsten Tag mit kleinen, schwarzen<br />

Rußflöckchen überzogen, welche aus<br />

dem Kamin der Färberei<br />

herübergeweht wurden.<br />

Das war völlig normal<br />

<strong>und</strong> hat niemand gestört.<br />

Bevor sich am Südbahnhof<br />

am frühen Morgen der<br />

Dampfzug in Bewegung<br />

setzte, wurde ein Signalpfiff<br />

abgegeben <strong>und</strong> wenn<br />

sich der Ton überschlug,<br />

war schlechtes Wetter<br />

angesagt. Gegenüber<br />

meinem Elternhaus war<br />

der Friseur Maier <strong>und</strong><br />

darunter der Pferdehändler<br />

<strong>und</strong> -metzger Strobel,<br />

dort wurden alte <strong>und</strong><br />

verbrauchte Pferde verar<br />

beitet. Frau Strobel<br />

verkaufte in ihrem Laden<br />

wohlschmeckende<br />

Erzeugnisse aus Pferdefleisch.<br />

Friseur wollte ich<br />

nicht werden, schon eher<br />

<strong>Schmied</strong>, weil ich dem <strong>Schmied</strong>-Eberle <strong>und</strong><br />

dem <strong>Schmied</strong>-Schlatter recht oft einen Besuch<br />

abstattete <strong>und</strong> zuhause Bemerkungen<br />

machte, ob ich nicht anstatt in die Schule<br />

gleich zum <strong>Schmied</strong>-Eberle in die Lehre<br />

gehen könne! Viele Männer gingen abends<br />

ins Wirtshaus <strong>und</strong> zusammen mit meiner<br />

Mutter beobachtete ich einen Mann, der zu<br />

später St<strong>und</strong>e aus dem Rössle herauskam<br />

<strong>und</strong> schwankend auf einen vor unserem<br />

Haus gepflanzten Vogelbeerbaum zusteuerte,<br />

um sich dort zu übergeben. Entsetzt<br />

20


Das Bild zeigt die Gesamtansicht von Kirchheim-Teck: etwa in der Mitte die Martinskirche, links<br />

davon das Rathaus <strong>und</strong> auf dem Berggipfel befindet sich die Burg Teck. Hinter den 3 Kaminen<br />

ist die A 8, Stuttgart-München, erkennbar, die 1937 eingeweiht wurde. Heute hat Kirchheim-Teck<br />

r<strong>und</strong> 40.000 Einwohner <strong>und</strong> darf sich seit 1956 „Große Kreisstadt“ nennen. Seit<br />

1973 gehört Kirchheim zum Landkreis Esslingen.<br />

öffnete meine Mutter das Fenster <strong>und</strong> rief<br />

hinunter: „Ja Herr Heilig, hots nemme<br />

hoimglangt?“ Darauf derselbe: „Desch blos<br />

Mooscht!“ Mit einem Eimer Wasser hat<br />

sie dann den „Most“ samt Zubehör in den<br />

Kandel geschwenkt.<br />

In der Ziegelstraße hatte Erich Fiebig,<br />

der ein lustiger Mann war, eine Scheune<br />

an ge mietet <strong>und</strong> handelte mit allem, was ihm<br />

in die Finger kam. Einmal hatte er einen<br />

alten Opel P4, der sogar noch lief. Auch mit<br />

Schnecken hat er gehandelt. An der tiefsten<br />

Stelle in der Ziegelstraße war die Herrenmühle<br />

von Christian Ehni am Triebwerkskanal<br />

angesiedelt. Dort wurde zur Erntezeit<br />

eine riesige Dreschmaschine aufgestellt,<br />

welche über eine Transmissions welle, die<br />

durch das Mauerwerk ins Freie reichte <strong>und</strong><br />

mit einer Riemenscheibe versehen war, per<br />

Wasserkraft angetrieben wurde. Sobald die<br />

Maschine in Betrieb war, gab sie einen Ton<br />

von sich, der sich etwa „huuu“, aber richtig<br />

laut, anhörte, dabei war sie in eine gewaltige<br />

Staubwolke eingehüllt. Jetzt war es nicht<br />

mehr weit zur Firma Ski-Dietrich. Dort<br />

wurde eine Dampfmaschine betrieben, die<br />

ich mir auch angesehen habe. Zu meinem<br />

Erstaunen lief sie annähernd geräuschlos.<br />

Die Gaisgasse ging ich auch hinunter <strong>und</strong><br />

in der Kunstmühle Röhm war eine Mosterei<br />

installiert, dort herrschte im Herbst<br />

Hochbetrieb weil der Apfelmost zu der Zeit<br />

(um 1955) ein beliebtes <strong>und</strong> verhältnismäßig<br />

billiges Getränk war. Nun wieder zurück<br />

in die Dettinger Straße: Im Haus Nr. 57<br />

war die Weinstube <strong>und</strong> Bäckerei Xander<br />

ansässig, dort wurden seit Generationen<br />

Schweine gehalten, die mit Speiseresten <strong>und</strong><br />

Tropfbier aus dem Lokal <strong>und</strong> Bodenmehl<br />

aus der Backstube gefüttert wurden. Dabei<br />

gediehen sie prächtig <strong>und</strong> zur richtigen Zeit<br />

kam der Metzger-Neuffer, um die Hausschlachtung<br />

durchzuführen. <strong>Der</strong> Mann<br />

verstand offensichtlich <strong>sein</strong> <strong>Handwerk</strong>, weil<br />

mir schon das Brät im Wurstkessel super<br />

schmeckte.<br />

Unvergessen bleibt mir auch der „Marquardts-Gottlieb“,<br />

der mit <strong>sein</strong>er Automobil-Bandsäge<br />

den Leuten das Brennholz<br />

ofengerecht zusägte. Wenn er zum bestellten<br />

Termin pünktlich erschien, war er ein<br />

angesehener Mann, der ein gutes Geld verdiente,<br />

doch leider war er auch ein Fre<strong>und</strong><br />

alkoholischer Getränke. An einem schönen<br />

Morgen fand man ihn in <strong>sein</strong>em Schärfraum<br />

stöhnend vor, weil er in die messerscharfen<br />

Sägebänder hineingefallen war <strong>und</strong> sich<br />

das ganze Gesicht zerschnitten hatte. Jetzt<br />

musste schnell der „Sau-Hoyler“ geholt<br />

werden, welcher beim Weise schaffte <strong>und</strong><br />

eine Rot-Kreuz-Ausbildung hatte, um den<br />

Gottlieb zu versorgen.<br />

Allmählich machte sich jetzt das<br />

„Wirtschaftsw<strong>und</strong>er“ bemerkbar, welches<br />

ein erhöhtes Verkehrsaufkommen in der<br />

Det tingerstraße mit sich brachte <strong>und</strong> so<br />

die Kassen aller ansässigen Betriebe <strong>und</strong><br />

Wirtschaften füllte. So kam es, dass die noch<br />

von vor dem Krieg stammenden Zug- <strong>und</strong><br />

Dampfmaschinen durch modernere Anlagen<br />

ersetzt werden konnten. Es ging sicht- <strong>und</strong><br />

spürbar aufwärts. Die Auspuffschläge des<br />

legendären Lanz-Bulldogs <strong>und</strong> die Pfiffe der<br />

Dampflokomotive waren verklungen. Eine<br />

Brezel kostete jetzt 6 Pfennige <strong>und</strong> für einen<br />

Haarschnitt beim Friseur-Maier waren 2<br />

Mark fällig. Man schreibt jetzt das Jahr 1956,<br />

als ich im April schulpflichtig wurde <strong>und</strong> in<br />

die Raunerschule kam. <strong>Der</strong> Weg dorthin war<br />

nicht ungefährlich, musste ich doch zweimal<br />

täglich die jetzt auch stärker befahrene<br />

Hin denburgstraße überqueren. Ein <strong>neu</strong>es<br />

Zeitalter wurde nun buchstäblich eingeläutet,<br />

weil an einem schönen Sommer tag alle<br />

Schüler der Raunerschule frei bekamen, um<br />

sich zur Kreuzkirche zu begeben. Da durften<br />

wir zuschauen, wie die <strong>neu</strong>en Glocken per<br />

Seilwinde in den Glockenstuhl hinaufgezogen<br />

wurden, das war auch sehr beeindruckend<br />

<strong>und</strong> somit beende ich diesen Artikel, der<br />

einen für mich recht interessanten Lebensabschnitt<br />

darstellt.<br />

Fotos: Verlag Foto Karsten, München<br />

21


22<br />

Lebendiges <strong>Handwerk</strong>


Wie auch aus „Brennholz“<br />

Kunst werden kann ...<br />

von Helmut Harhaus<br />

Drechsler sind immer auf der Jagd nach dem besonderen Stück<br />

Holz. Und auch hier spielt die „Mode“ eine große Rolle.<br />

Mal sind tropische Hölzer „in“, mal tendiert der Geschmack<br />

mehr zu dezenteren, heimischen Arten. Egal was gerade im Trend<br />

liegt, jeder Kreativ-Drechsler sucht gr<strong>und</strong>sätzlich die ausgefallenen<br />

Stücke. Die Kunst liegt ja gerade darin, in Einklang zu bringen, was<br />

die Natur erschaffen hat <strong>und</strong> was formgebend auf der Drechselbank<br />

möglich ist. So entstehen die Holz-Objekte, die eben aus dieser<br />

Symbiose „Material“ <strong>und</strong> „Form“ entstanden sind – einzigartig, nicht<br />

kopier- <strong>und</strong> nicht reproduzierbar.<br />

Auf der Kunsthandwerker-Ausstellung der IHK Düsseldorf trafen<br />

wir den Tischlermeister Josef Kemp <strong>und</strong> hatten die Gelegenheit,<br />

<strong>sein</strong>e Objekte, <strong>sein</strong>e Philosophie <strong>und</strong> auch <strong>sein</strong>e handwerkliche<br />

Methodik kennenzulernen. Das, was Kemp auf diesem Forum<br />

präsentierte, hob sich auffallend vom Üblichen ab – ein Gr<strong>und</strong>,<br />

näher hinzusehen. Und da Kemp sich weniger als „Künstler“, mehr<br />

als „<strong>Handwerk</strong>er“ sieht, machte er auch kein Geheimnis daraus,<br />

wie <strong>sein</strong>e Werke entstanden sind. Ein Besuch in <strong>sein</strong>er Werkstatt<br />

war sehr interessant <strong>und</strong> könnte sicherlich manchem Hinweise <strong>und</strong><br />

Motivationen vermitteln.<br />

Die Kemp-Philosophie<br />

Sie ist eigentlich ganz einfach: „Nehmen, was die Natur geschaffen<br />

hat <strong>und</strong> die Form den Gegebenheiten anpassen“. Er suchte also<br />

nicht nach Hölzern, die in völlig anderen Hemisphären gewachsen<br />

sind, er sucht mit offenen Augen in heimischer Natur, was diese<br />

hervorgebracht hat. Es sind auch nicht die edlen, geraden, glatten<br />

oder ebenmäßigen Stücke, die ihn reizen; vielmehr haben es ihm die<br />

„Sonderlinge“ angetan. Hölzer, die kein Tischler zur Herstellung<br />

von Möbeln oder Innenausbau verwenden könnte, kein Drechsler<br />

für Gebrauchsgegenstände aussuchen würde. Zum Teil wählt Kemp<br />

nun wirklich Hölzer für <strong>sein</strong>e Arbeit aus, die üblicherweise im Ofen<br />

enden würden ...<br />

Aus Astgabeln werden Vasen, aus wurmstichigen Obstbaumhölzern<br />

werden Becher <strong>und</strong> Holz mit Stockflecken mutiert zu schmuckvollen<br />

Schalen. Natürlich gilt auch hier die Regel, dass das Holz alt <strong>sein</strong><br />

muss, gut abgelagert <strong>und</strong> der Feuchtigkeitsgehalt unter 8 % liegen<br />

soll. Nur in besonderen Fällen wird „grünes“ Holz verwendet, wenn<br />

die dann einsetzende Holz-Eigendynamik – Reißen, Verwinden,<br />

Schrumpfen – zum wesentlichen Teil des Objektes werden soll.<br />

Wenn der Klotz bearbeitet wird, ist natürlich der Wurm längst aus<br />

dem Holz ausgezogen. Und auch die stockige Buche ist in einem<br />

Stadium, in dem die stockigen Partien noch genügend Festigkeit<br />

haben <strong>und</strong> noch nicht schwammig <strong>und</strong> bröselig sind, der Pilzbefall<br />

jedoch schon <strong>sein</strong>e Arbeit aufgenommen <strong>und</strong> für eine flammende<br />

Marmorierung gesorgt hat. Solches Holz – üblicherweise mit<br />

Mißachtung bedacht – hat in der Kemp’schen Werkstatt eine echte<br />

Chance. Schauen wir dem Meister einmal über die Schulter:<br />

Vom Klotz zur Schale<br />

Wände sieht man in der Werkstatt kaum, denn r<strong>und</strong>um stehen<br />

Regale davor, in denen sich Holz stapelt. Wie die Flaschen im<br />

Weinkeller auf das „Gut-werden“ warten, so warten hier die unterschiedlichen<br />

Hölzer auf ihre Bestimmung: Material genug, um Ideen<br />

zu Objekten werden zu lassen. Und auch dieses „Werden“ drängt uns<br />

in <strong>sein</strong>er anfänglichen Banalität den Vergleich zum Wein auf. Mit<br />

nackten Füßen stampfte man die Trauben zu Matsch, um daraus<br />

so manchen edlen Tropfen zu machen. Mit Kettensäge, Bandsäge<br />

oder ähnlichem rückt man dem Stamm zuleibe, um daraus ein edles<br />

Holzgefäß entstehen zu lassen ...<br />

Erster Schritt: R<strong>und</strong> muss es werden. Natürlich hat der Drechsler<br />

schon die grobe Form im Kopf, wenn er zum Holzklotz greift. Im<br />

Gegensatz zum Bildhauer, der alles ausschließlich manuell bearbeitet,<br />

nutzt der Drechsler die Rotation, damit ist die Symmetrie der<br />

Formgebung vorgegeben. Das Holz muss also aufspannbar <strong>sein</strong>,<br />

was eine grobe Vorbereitung erfordert. Je besser der Holzklotz<br />

auf die r<strong>und</strong>e Form vorbereitet wird, desto sauberer läuft er auf<br />

der Maschine, ohne durch massive Unwucht in Schwingung zu<br />

geraten oder gar von der Maschine zu fliegen (= Lebensgefahr!).<br />

Mit einer einfachen, aber sinnvolle Vorrichtung auf der Bandsäge,<br />

bringt man den Klotz auf annähernd gleichen Radius. Auf dem<br />

Sägetisch, geführt durch die Längsnuten, liegt ein Brett mit einem<br />

Zapfen. <strong>Der</strong> Holzklotz wird mittig mit einer Bohrung versehen. Mit<br />

dieser Bohrung zentriert sich der Klotz auf dem Brett <strong>und</strong> kann auf<br />

dem Brett horizontal gedreht werden, wobei der Abstand Zapfen/<br />

Bohrung zum Sägeblatt immer gleich bleibt. So werden die Ecken<br />

des Klotzes abgesägt, Segment für Segment, bis der Rohling eine<br />

annähernd r<strong>und</strong>e Form hat <strong>und</strong> gleiche Radien aufweist.<br />

Dann kann der Rohling auf der Drechselbank aufgespannt werden.<br />

In diesem Fall – <strong>und</strong> das ist für nahezu alle Hohlformen anwendbar<br />

– ist die Spindel der Drechselbank mit einem soliden Schraubenfutter<br />

(wie: Holzgewinde/Stockschraube) ausgestattet. Um genügend<br />

Stabilität zu haben, das Werkstück auch noch im unr<strong>und</strong>en – also<br />

ungewuchtetem – Zustand tragen zu können, sollte die Holzgewindeaufnahme<br />

nicht unter 10 mm Durchmesser <strong>und</strong> 50 mm Länge<br />

liegen. Das Werkstück wird nun aufgeschraubt <strong>und</strong> ist automatisch<br />

vorzentriert <strong>und</strong> grob gewuchtet. Das, was nun bearbeitet wird, ist<br />

die Außenform des Objekts. Also muß man sich nun schon mit der<br />

Form explizid au<strong>sein</strong>andersetzen, die Form den Materialgegebenheiten<br />

anpassen.<br />

Sehr praktisch, wenn die Maschine stufenlos in der Drehzahl<br />

regelbar ist <strong>und</strong> auch bei langsamen Drehzahlen das volle Drehmoment<br />

entwickelt. Empfehlenswert also der Drehstromantrieb mit<br />

Phasenanschnittsteuerung. Eine langsame, angepasste Drehzahl<br />

ist in dieser Bearbeitungs-Phase wichtig, denn so lässt sich exakt<br />

die Drehzahl finden, in der das Werkstück noch nicht durch die<br />

23


Unwucht die Drechselbank ins Schütteln bringt. Mit der Schrupp-<br />

Röhre (siehe: Bemerkungen zu Werkzeugen) wird nun der Holzklotz<br />

auf die gewünschte Form grob bearbeitet. Dieser Arbeits schritt<br />

ist Gefühlssache. <strong>Der</strong> lange Griff des Werkzeugs bietet gute Handhabung<br />

<strong>und</strong> Führung, denn besonders im Anfang, wenn der Klotz<br />

noch die Säge-Kanten aufweist, ruckelt es doch erheblich – also gut<br />

festhalten <strong>und</strong> kraftvoll führen!<br />

<strong>Der</strong> Anstellwinkel des Werkzeugs zum Holz ist ausschlaggebend<br />

für die erzielte Oberflächengüte des Werkstücks. Man braucht nicht<br />

eine Vielzahl von Drechselbeiteln, Drehröhren oder Hohlmeißel – im<br />

Minimalfall reicht eine Röhre, wie hier demonstriert. Führt man die<br />

Röhre in einem größeren Winkel ans Holz, ist die Spanabnahme<br />

größer <strong>und</strong> grober – das Schruppen mit großer Materialabnahme<br />

ist schnell erledigt. Wenn man dann die Röhre – siehe Skizze – in<br />

kleinerem Winkel ansetzt, schneidet der Stahl dünnere Späne.<br />

Die Materialabnahme wird geringer <strong>und</strong> die Oberfläche glatter.<br />

Im Extremfall setzt man die Röhre so flach an, daß der „Popo“ des<br />

Anschliffs (Freiwinkel) auf dem Holz flächig aufliegt (es erfolgt keine<br />

Materialabnahme) <strong>und</strong> neigt dann den Stahl nur wenige Grad vom<br />

Holz weg, der Stahl schabt mehr als er schneidet, so erzielt man eine<br />

Oberfläche „wie geschliffen“. Letzter Arbeitsgang ist das Anstechen<br />

der Aufnahme für die Innenbearbeitung.<br />

Übung macht den Meister – besonders beim<br />

Drechseln ist das Gefühl in den Händen des<br />

Meisters gefragt!<br />

Ist die Außenform gefertigt, muss umgespannt werden. Jetzt kommt<br />

ein wesentlicher Unterschied des „Drechselns“ zum „Drehen“: Die<br />

Materialfestigkeit. Beim Drehen wird erstlinig Metall verarbeitet.<br />

Metalle sind – von Stahl bis Alu – erheblich druckfester als Hölzer.<br />

Daher lassen sich Werkstücke aus Metall problemlos in einem Dreibackenfutter<br />

spannen, das Spannen erfolgt auf recht kleiner Fläche<br />

– fast punktförmig. Das ist bei Holz nicht möglich. Die punktförmige<br />

Belastung beim Spannen mit Dreibackenfutter verursacht<br />

„Beulen“ im Holz, das Material gibt unter dem Spanndruck nach. Ist<br />

die Spannfläche nur knapp bemessen, gibt Holz sogar soweit nach,<br />

dass das Werkstück bei kleinster Belastung „steigen geht“, d.h. aus<br />

dem Futter fliegt. Ganz wichtig also, daß Holz immer großflächig<br />

gespannt wird. Dafür gibt es spezielle Spannvorrichtungen, die auf<br />

das übliche Spindelgewinde von M33 aufgeschraubt werden können.<br />

Flanschartig umfassen sie das Werkstück <strong>und</strong> spannen auf dem<br />

ge sam ten Umfang. Außerdem spannen sie mit leichter Hinterschneidung<br />

(= Schwalbenschwanz-Zapfen) <strong>und</strong> halten so auch weiche Hölzer<br />

sicher <strong>und</strong> fest. Ein solches Spannwerkzeug verlangt natürlich<br />

einen exakten, ihm angepassten B<strong>und</strong>. Dieser muss bei der Herstellung<br />

der Außenform als letztes mit angestochen werden.<br />

Nun wird also das Werkstück von der Spindel genommen, die<br />

Aufnahme mit der Holzschraube wird gegen den Flanschteller<br />

ausgetauscht <strong>und</strong> das Werkzeug in der Spannvorrichtung aufgenommen<br />

– dabei gut festziehen <strong>und</strong> fixieren! Beim Drechseln haben wir<br />

es in der Regel mit Werkstücken großen Durchmessers zu tun – da<br />

treten gewaltige Kräfte in Form von exzentrischen Unwuchten oder<br />

auch Hebelkräfte durch das Ansetzen des Werkzeugs auf. Und ein<br />

Werkstück, das sich selbstständig macht, ist höchst bedenklich!<br />

Das gleiche Vorgehen gilt auch für die Außenbearbeitung: Schruppen,<br />

Schlichten <strong>und</strong> gefühlvoll auf Form bringen. Jetzt ist natürlich<br />

darauf zu achten, das die Wandstärke/Materialstärke gleichförmig<br />

bleibt. Die Wandstärke kann ein erfahrener Drechsler mit Daumen<br />

<strong>und</strong> Mittelfinger abtasten – dem Anfänger würde ich schon lieber<br />

einen Dickentaster empfehlen. Natürlich ist die Wandstärke auch<br />

ein Ausdrucksmittel, das das Objekt beeinflusst, sie ist aber auch<br />

der materialbedingten Statik unterworfen. Zu dünne Wandung bei<br />

trockenem Holz neigt zum Reißen bei der Eigendynamik durch<br />

trockene / feuchte Umgebung. Beim Nassholzdrechseln wählt man<br />

24


gerne dünne Wandungen, damit sich die Spannungen ausgleichen<br />

können. Dicke Wandung erzeugt eher einen klobigen, schweren<br />

Gesamteindruck ohne Leichtigkeit <strong>und</strong> Eleganz. Die Kunst ist der<br />

Kompromiss!<br />

Nächster wichtiger Arbeitsschritt ist die Oberflächenbearbeitung.<br />

Beim Drechseln, wie beim Schreinern im allgemeinen, gilt, dass in<br />

die Oberflächenbearbeitung in etwa die gleiche Zeit investiert werden<br />

sollte, wie für den „Rohbau“. Zu deutsch: Schleifen ist angesagt. Die<br />

gedrechselte Rotationsform erlaubt auch das maschinelle Schleifen.<br />

Passende Schleifteller, Ronden oder andere Aufnahmen werden in<br />

eine Bohrmaschine gespannt <strong>und</strong> damit gefühlvoll die Oberfläche<br />

vergütet. Dabei muss – wichtig(!) – das Schleifwerkzeug entgegen<br />

der Drehbewegung des Werkstücks auf der Drechselbank rotieren.<br />

Das bei der Holzbearbeitung übliche Procedere gilt auch hier: von<br />

mittleren Schleifkörnungen (100er) zu feinen Körnungen (bis 300er)<br />

verwenden. Zwischendurch das Holz anfeuchten, damit sich die<br />

Fa sern aufstellen <strong>und</strong> so durch Feinschleifen abnehmbar werden.<br />

Statt mit Wasser anzufeuchten, kann man bei Objekten, die nicht<br />

lackiert werden sollen, auch gleich das geeignete Holzöl auftragen.<br />

So wiederholen sich die Arbeitsgänge: Ölen (anfeuchten), schleifen<br />

mit immer feinerer Körnung in 5 bis 10 Durchläufen, bis die Sensorik<br />

unseres Sinnesorgan Fingerkuppe das gewünschte „gut“ signalisiert.<br />

Fotos: Helmut Harhaus<br />

Kontakt<br />

Josef Kemp<br />

Holzemer Str. 4<br />

53343 Wachtberg-Villip<br />

Tel.: +49(0)9228/321274<br />

E-Mail: Info@DrehArtKemp.de<br />

Internet: http://www.drehartkemp.de<br />

Spezialisierte Werkzeughersteller/<br />

-händler sind z.B.<br />

„CHWO“<br />

Carl Heidtmann Werkzeuge GmbH<br />

Langenhaus 37<br />

42369 Wuppertal<br />

Tel.: +49(0)202/4698626<br />

www.carl-heidtmann.de<br />

„Kirschen“<br />

Wilh. Schmitt & Co<br />

Postfach 130428<br />

42819 Remscheid<br />

Tel.: +49(0)2191/7820410<br />

www.kirschen.de<br />

„dns“<br />

Drechselstube Neckarsteinach<br />

Finkenweg 11<br />

69239 Neckarsteinach<br />

Tel.: +49(0)6229/2047<br />

www.drechselkurse.de<br />

Werkzeuge<br />

Drechseln ist eine Art der Formgebung<br />

durch Spanabnahme. Und wie bei<br />

jeder spanenden Materialabnahme ist<br />

geeignetes <strong>und</strong> scharfes Werkzeug von<br />

größter Wichtigkeit. Die Werkzeughersteller<br />

bieten dazu spezielle Meißel /<br />

Beitel an, die – im Gegensatz zum Bildhauerwerkzeug<br />

– mit auffallend langen<br />

Heften ausgerüstet sind. Das ist wichtig,<br />

denn so hat man das Werkzeug besser<br />

im Griff <strong>und</strong> kann es präziser führen.<br />

Ein langes Heft ist eben auch ein langer<br />

Hebelarm. Man sollte also nicht mit dem<br />

Stechbeitel der Schreiner <strong>und</strong> Zimmerleute<br />

an die Drechselbank treten.<br />

Neben der Handhabung ist das Material<br />

des Werkzeugs von großer Wichtigkeit<br />

– denn Stahl ist nicht gleich Stahl! Gutes<br />

Schneidwerkzeug ist von Hand geschmiedet,<br />

geformt <strong>und</strong> geschliffen <strong>und</strong><br />

besteht aus einer kohlenstoffhaltigen<br />

Stahllegierung. Es wird dabei unterschieden:<br />

zum einen der hochkohlenstoffhaltige<br />

Werk zeugstahl für weiche Hölzer<br />

oder nur gelegentliche Nutzung <strong>und</strong><br />

zum anderen der hochwertige HSS-Stahl<br />

(Hochleistungsschnellschnittstahl) mit<br />

ca. 2,06 % Kohlenstoffgehalt <strong>und</strong> bis zu<br />

30% Legierungszusätzen wie Kobalt,<br />

Wolfram, Molybdän, Nickel, Vanadium<br />

oder Titan zur Bearbeitung von besonders<br />

harten Hölzern <strong>und</strong> verbesserter<br />

die Standzeit im Dauereinsatz.<br />

Zum Drechseln werden Werkzeuge in<br />

unterschiedlichen Formen angeboten,<br />

gängig sind die hohlförmigen Schalenröhren<br />

<strong>und</strong> die Spindelröhren. Die<br />

Schalenröhren sind besonders zum<br />

Schruppen (für große Materialabnahme)<br />

<strong>und</strong> zum Arbeiten in tiefen Hohlformen,<br />

also mit großem Abstand von Auflage<br />

zum Schnitt, geeignet. Ein flacheres Profil<br />

weisen die Drechselröhren auf, die in<br />

einem breiten Größensortiment (von ca.<br />

8 mm bis 40 mm Breite) zu haben sind<br />

<strong>und</strong> wohl zu den vielseitigsten Werkzeugen<br />

gehören.<br />

Zur Formgebung von Profilen gibt es<br />

Sonderdrehmeißel mit geraden Schneiden,<br />

mit ellipsenförmigen, konischen<br />

oder dreikantförmigen Schneiden, die<br />

beidseitig angeschliffen sind. Spezielle<br />

Ausdrehstähle zum Innenausdrehen von<br />

Schalen, Hinterschnitte etc. r<strong>und</strong>en das<br />

Werkzeugprogramm ab.<br />

Es reicht aber nicht, sich eine Sammlung<br />

von Stählen anzuschaffen, zwingend<br />

gehören auch die passende Schärfmittel<br />

dazu. Im Regelfall wird man auf Abziehsteine<br />

zurückgreifen, arbeitet man<br />

viel mit dem Werkzeug, kann man auch<br />

Schleifmaschinen mit passenden Scheiben<br />

einsetzen. Die Pflege des Werkzeugs<br />

ist entscheidend für den Erfolg <strong>und</strong> die<br />

Qualität. Nur flammscharfe Werkzeuge<br />

sind brauchbar! <strong>Der</strong> Test zeigt, was vom<br />

Werkzeug zu halten ist: Ein zwischen<br />

Daumen <strong>und</strong> Zeigefinger gehaltenes<br />

Haar muss mit dem Drechselstahl mit<br />

einem Schnitt gekappt <strong>sein</strong> – nur so<br />

geht’s!<br />

25


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Geigenbau in Mittenwald<br />

Die bedeutende Instrumentensammlung zeigt Meisterwerke<br />

der Familie Klotz <strong>und</strong> anderer berühmter Mittenwalder Geivon<br />

Klaus-Uwe Hölscher<br />

Kunsthandwerk früher <strong>und</strong> heute<br />

Die Marktgemeinde Mittenwald (7000 Einwohner) liegt am<br />

Fuße des Karwendelmassivs (2385 Meter) zwischen Garmisch-Partenkirchen<br />

in Oberbayern <strong>und</strong> Innsbruck in Tirol.<br />

Noch heute spielt im Ort neben dem Fremdenverkehr der<br />

Instrumentenbau eine wichtige Rolle. Insgesamt <strong>neu</strong>n Geigenbaumeister<br />

üben mit ihren Firmen als Familienbetriebe<br />

ihr <strong>Handwerk</strong> bzw. Kunstgewerbe aus. Außerdem gibt es<br />

in Mittenwald zwei Zupfinstrumentenbaumeister <strong>und</strong> drei<br />

Firmen, die als <strong>Werkstoff</strong> für den Instrumentenbau Tonholz<br />

anbieten. Somit ist es auch heute noch durchaus faszinierend<br />

<strong>und</strong> lehrreich zugleich, den Kunsthandwerkern bei ihrer Arbeit<br />

zuzuschauen.<br />

Wie kam jedoch die Kunst des Geigenbaus nach Mittenwald?<br />

Dazu muss man einige Jahrh<strong>und</strong>erte in die Geschichte des Ortes<br />

zurückblicken. An die Besiedlung durch die Römer erinnert<br />

noch heute die Porta Claudia bei Scharnitz südlich von Mittenwald.<br />

Zwischen 1096 <strong>und</strong> 1098 wird Mittenwald erstmals<br />

in Urk<strong>und</strong>en erwähnt. Es gehörte zur Grafschaft Werdenfels<br />

<strong>und</strong> zum Hochstift Freising. 1305 wird Mittenwald erstmals als<br />

Markt bezeichnet <strong>und</strong> profitiert von <strong>sein</strong>er günstigen Lage an<br />

der transalpinen Handelsstraße.<br />

Matthias Klotz als Begründer<br />

Um 1685 begründete Matthias Klotz (1653 - 1743) als Lauten-<br />

<strong>und</strong> Geigenmacher den Instrumentenbau in <strong>sein</strong>er Heimatgemeinde<br />

Mittenwald. Er erlernte das <strong>Handwerk</strong> eines<br />

Lautenmachers wohl in einer Werkstatt, die in der Füssener<br />

Lautenbau-Tradition stand. Anschließend verbrachte er von<br />

1672 bis 1678 in Padua <strong>sein</strong>e Gesellenjahre. Nach <strong>sein</strong>er Rückkehr<br />

nach Mittenwald eröffnete Matthias Klotz um den Jahreswechsel<br />

1685/86 eine eigene Werkstatt <strong>und</strong> wurde so zum<br />

Begründer des Mittenwalder Geigenbaus.<br />

Seine Instrumente orientierten sich an dem großen Vorbild<br />

Jacob Stainer (um 1617 - 1683), der den barocken Geigenbau<br />

in Süddeutschland verkörperte. In der Werkstatt des Matthias<br />

Klotz erhielten drei <strong>sein</strong>er Söhne <strong>und</strong> mehrere andere Mittenwalder<br />

ihre Ausbildung im Instrumentenbau. Sebastian Klotz<br />

(1696 - 1775), der älteste Sohn des Matthias Klotz, prägte mit<br />

<strong>sein</strong>em Klotz-Modell, das stilistisch den Vorbildern Amatis <strong>und</strong><br />

Stainers folgt, den Mittenwalder Geigenbau lange Zeit über das<br />

18. Jahrh<strong>und</strong>ert hinaus.<br />

Matthias Klotz <strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Söhne waren nicht nur die ersten<br />

Instrumentenbauer in Mittenwald, ihre Familie gehört auch<br />

zahlenmäßig zu den großen Geigenmacher-Dynastien. In acht<br />

Generationen gingen daraus bis in die Gegenwart mehr als 25<br />

Instrumentenbauer hervor.<br />

Schon im Verlauf des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts entwickelte sich in Mittenwald<br />

ein arbeitsteiliges, aber enges Zusammenwirken von<br />

<strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> Handel. <strong>Der</strong> Geigenbauer stellte vor Ort Geigen<br />

her <strong>und</strong> der Geigenhändler verkaufte sie auf auswärtigen<br />

Märkten in ganz Europa. Sobald ein Händler über den Vertrieb<br />

hinaus die unternehmerische Initiative übernahm, Bestellungen<br />

besorgte <strong>und</strong> den <strong>Handwerk</strong>er in eigener Verantwortung<br />

produzieren ließ, entstand ein Verlag. Dieses System, das bei<br />

Zeitschriften, Büchern oder auch beim Bier bekannt ist, war<br />

auch bei Geigen ebenso verbreitet.<br />

Mit dem Ende der Barockzeit ging die Nachfrage nach Geigen<br />

allgemein zurück <strong>und</strong> die Mittenwalder Produktion schrumpfte.<br />

Um dem Rückgang Einhalt zu gebieten, veranlasste die<br />

bayerische Regierung unter König Maximilian II. im Jahre 1853<br />

die Initiative zur Gründung der Mittenwalder Geigenbauschule,<br />

die noch heute besteht. Mit der Einführung des Grammophons,<br />

des Kinos <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funks war im frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert die<br />

Nachfrage nach Geigen wiederum rückläufig. Das Mittenwalder<br />

Traditionshandwerk <strong>erlebt</strong>e jedoch einen <strong>neu</strong>en Aufschwung,<br />

indem es sich auf den individuellen Kunstgeigenbau konzentrierte.<br />

An der Südseite der Mittenwalder Pfarrkirche St. Peter <strong>und</strong><br />

Paul, 1749 im schmuckvollen, aber nicht überladenen Barockstil<br />

erbaut, befindet sich ein Denkmal mit der Darstellung<br />

des Geigenbauers Matthias Klotz. Von hier sind es nur wenige<br />

Schritte um den Chor der Pfarrkirche <strong>und</strong> man gelangt in die<br />

Ballenhausgasse zum Geigenbaumuseum Mittenwald, das<br />

1930 gegründet wurde. Hier werden Mittenwalder Ortsgeschichte<br />

<strong>und</strong> der Alltag des Geigenmacher-<strong>Handwerk</strong>s<br />

lebendig: Holzproben zum Fühlen, Lacke zum Riechen, Musik<br />

zum Hören <strong>und</strong> historische Filme zum Anschauen. Die Schauwerkstatt<br />

gibt Einblick in den Arbeitsplatz eines Mittenwalder<br />

Geigenbauers des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> wird bei Führungen mit<br />

Leben erfüllt.<br />

26


Schmuckvolles Hinweisschild am Geigenbaumuseum in der Ballenhausgasse<br />

Zwei kleine Bassgeigen: links von 1920; rechts um<br />

1800 im Geigenbaumuseum Arbeitsplatz des Geigenbaumeisters im Geigenbaumuseum<br />

27


genbauer. Aber auch Violoncelli, Kontrabässe,<br />

Gamben <strong>und</strong> Violen d`Amore, Gitarren <strong>und</strong><br />

Zithern werden im Museum präsentiert. Sogar<br />

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791) spielte<br />

eine Geige aus der Werkstatt von Sebastian<br />

Klotz, der die herausragende Persönlichkeit des<br />

Mittenwalder barocken Geigenbaus war. In einer<br />

Vitrine im Obergeschoss des Geigenbaumuseums<br />

sind autographe Notenhandschriften von<br />

Mozart mit kolorierten Zeichnungen ausgestellt.<br />

Griffbrett<br />

Schemazeichnung einer Geige<br />

Wirbel<br />

Wirbelkasten<br />

Griffbrett<br />

Schnecke<br />

Hals<br />

Viele Arbeitsschritte notwendig<br />

<strong>Der</strong> Bau einer Geige soll hier nur in den wesentlichen<br />

Arbeitsschritten beschrieben werden.<br />

Das Holz sollte ungefähr 15 Jahre optimal<br />

gelagert <strong>sein</strong>. Einige Geigenbauer achten darauf,<br />

nur Holz einzukaufen <strong>und</strong> zu verarbeiten, das<br />

zur richtigen Mondphase geschlagen wurde. Für<br />

die Decke einer Geige verwendet man Fichte,<br />

Ahorn für den Boden, die Zargen <strong>und</strong> den Hals.<br />

Ebenholz wird für das Griffbrett, die Wirbel <strong>und</strong><br />

den Saitenhalter verwendet. Die Instrumente<br />

werden über eine Innenform gebaut, an die<br />

sechs Fichtenklötze angeleimt werden: einen<br />

Ober- <strong>und</strong> einen Unterklotz sowie vier Eckklötze.<br />

Dann wird die endgültige Form der Klötze<br />

mit einer Schablone aufgezeichnet <strong>und</strong> mit<br />

einem speziellen Eisen gestochen.<br />

Einlage<br />

Schall-<br />

Steg<br />

Decke<br />

-löcher<br />

Seitenhalter<br />

Untersattel<br />

Zarge<br />

Boden<br />

Stimmstock<br />

Die Zargen werden auf die richtige Stärke gehobelt,<br />

um ein heißes Biegeeisen in die gewünschte<br />

Form gebogen <strong>und</strong> an die Form geleimt.<br />

Mit Hilfe des fertigen Zargenkranzes werden die<br />

genauen Umrisse des Bodens <strong>und</strong> der Decke<br />

festgelegt. <strong>Der</strong> Umriss wird jetzt ausgesägt, die<br />

Wölbung grob abgestochen <strong>und</strong> später glatt gehobelt.<br />

Mit speziellen Ziehklingen werden Boden<br />

<strong>und</strong> Decke fertig geputzt. Die Innenwölbung des<br />

Bodens <strong>und</strong> der Decke wird genauso wie außen<br />

bearbeitet <strong>und</strong> geglättet.<br />

Die Stärke des Resonanzbodens ist abhängig<br />

von der Härte des Holzes. Jetzt wird der Boden<br />

auf den Zargenkranz geleimt, die Klötze vorsichtig<br />

gelöst <strong>und</strong> die Innenform herausgenommen.<br />

Nun schneidet man in die Decke die<br />

F-Löcher, danach wird der Bassbalken<br />

eingepasst <strong>und</strong> eingeleimt. <strong>Der</strong> Korpus wird<br />

geschlossen durch Aufleimen der Decke auf<br />

die Zargen. Die letzten Arbeiten am Korpus sind<br />

das Einleimen der Einlage <strong>und</strong> das Fertigstellen<br />

des Randes. Die Einlagen, zwei Ebenholzspäne<br />

<strong>und</strong> in der Mitte ein Ahornspan, werden wie eine<br />

Intarsie eingelegt. Ihr schöner Verlauf ist nicht<br />

nur Zierde, sondern schützt das Instrument vor<br />

Rissen.<br />

„Weiße Geige“ noch unlackiert<br />

Anschließend wird das Modell des Halses auf<br />

einen glatten Block Ahorn gezeichnet. Er wird<br />

Kinnhalter<br />

Draufsicht<br />

Seitenansicht<br />

ausgesägt <strong>und</strong> mit speziellen Eisen zur Schnecke geschnitzt.<br />

Eine Aussparung wird in den Oberklotz des Korpus geschnitten<br />

<strong>und</strong> der Hals aufgeleimt. Das Ebenholz-Griffbrett wird in Form<br />

gehobelt <strong>und</strong> aufgepasst. Somit erhalten wir die „weiße Geige“.<br />

Das Instrument wird jetzt mit Öl- oder Spirituslack, der nach<br />

einem eigenen Rezept gemischt ist, mehrfach lackiert. Vor Verschmutzung<br />

<strong>und</strong> Feuchtigkeit schützen, schön aussehen <strong>und</strong><br />

die Schwingungen nicht behindern, das sind die Anforderungen<br />

an einen guten Lack. Gemischt aus verschiedenen Harzen, in Öl<br />

oder Spiritus gelöst, wird in drei bis zwölf Anstrichen der Lack<br />

mit dem Pinsel auf die Geige gebracht <strong>und</strong> nach einer Trocknungszeit<br />

glatt poliert. Wirbel, Stimmstock <strong>und</strong> Steg werden<br />

angepasst. Die letzte Arbeit ist das Aufziehen <strong>und</strong> Stimmen der<br />

Saiten, die früher aus Schafdarm bestanden, heute aus metallumsponnenem<br />

Nylon. Nach all diesen recht zeitaufwändigen<br />

Arbeitsgängen erhält man die spielfertige Geige.<br />

Im Geigenbaumuseum finden zwar auch Vorführungen statt,<br />

aber noch realistischer sind die Arbeitsschritte in einem produzierenden<br />

Betrieb. Obwohl mein Besuch bei einem Mittenwalder<br />

Geigenbauer spontan <strong>und</strong> ohne Voranmeldung stattfand,<br />

hatte ich Gelegenheit, bei der Arbeit zuzuschauen <strong>und</strong><br />

Fragen zu stellen. Die Firma besteht mittlerweile in der dritten<br />

Generation, besitzt ein umfangreiches Tonholzlager, mehrere<br />

Arbeitsräume <strong>und</strong> einen einladenden Präsentationsraum mit<br />

einem reichhaltigen Angebot an erlesenen Instrumenten: Violinen,<br />

Bratschen <strong>und</strong> Cellis warten auf anspruchsvolle K<strong>und</strong>en.<br />

28


Geigen-Stillleben: markant die Schalllöcher<br />

Ein Geigenbauer bei der Arbeit in der Firma Leonhardt<br />

<strong>Der</strong> gute Ton beginnt beim Holz<br />

Präsentation der fertigen Saiteninstrumente bei der<br />

Firma Rainer W. Leonhardt<br />

Die gastliche Firma stellte mir eine geschmackvolle Broschüre<br />

zur Verfügung. Darin heißt es über den Inhaber: „Das Geigenbauhandwerk<br />

erlernte ich an der Fachschule für Geigenbau in<br />

Mittenwald. Nachdem ich 1983 die Gesellenprüfung erfolgreich<br />

absolvierte, folgten mehrere Gesellenjahre bei verschiedenen<br />

namhaften Bogen- <strong>und</strong> Geigenbaumeistern. Hier konnte ich<br />

meine Kenntnisse in Neubau, Reparatur, klanglicher Justierung,<br />

Bogenbau <strong>und</strong> Bogenreparatur erweitern. 1990 legte ich<br />

mit Erfolg die Meisterprüfung bei der <strong>Handwerk</strong>skammer in<br />

München ab – erfreulicherweise sogar als Innungssieger.“<br />

Ein weiteres Kapitel der Broschüre trägt die Überschrift: „<strong>Der</strong><br />

gute Ton beginnt beim Holz: Für meine Instrumente verwende<br />

ich ausschließlich alt abgelagerte, naturgetrocknete Fichten<strong>und</strong><br />

Ahornhölzer aus einheimischen Wäldern sowie aus<br />

Bosnien, Österreich <strong>und</strong> Italien. Fre<strong>und</strong>e vergleichen unser<br />

Holzlager oft mit einem französischen Weingut – aus gutem<br />

Gr<strong>und</strong>, denn auch Tonholz muss in Ruhe reifen – genauso wie<br />

ein alter Bordeaux.“<br />

Jede Geige ist ein individuelles Kunstwerk, so dass man über<br />

Preise eigentlich gar nicht sprechen mag. Aber auch ein Laie<br />

kann in etwa ausrechnen, was ein komplettes Instrument<br />

kosten dürfte. Bei ungefähr 150 Arbeitsst<strong>und</strong>en inklusive Lackieren<br />

<strong>und</strong> Materialkosten für Tonholz <strong>und</strong> Besaitung können<br />

sicherlich schnell 8.000 bis 10. 000 Euro zusammenkommen.<br />

<strong>Der</strong> Preis für Sonderanfertigungen wie zum Beispiel Löwen-<br />

29


kopf-Schnitzereien, 7/8 Größe, Intarsien aller Art, ausgefallene<br />

Lackfarben oder Holzmaserungen dürfte dann noch wesentlich<br />

höher anzusetzen <strong>sein</strong>. Für den Liebhaber erlesener Streichinstrumente<br />

sicherlich keine Überraschung!<br />

Im Juni 2014 findet wieder der internationale Geigenbau-Wettbewerb<br />

in Mittenwald statt. Meister ihres Fachs aus aller Welt<br />

treffen sich hier an der „Wiege des Geigenbaus“. Das Rahmenprogramm<br />

mit öffentlicher Klangprobe, Vorträgen, Konzerten<br />

<strong>und</strong> Instrumenten-Ausstellung findet nicht nur bei Fachleuten<br />

<strong>und</strong> Insidern immer größeren Anklang.<br />

Verschiedene Geigen-Exponate im Geigenbaumuseum Mittenwald<br />

Geigen in Sprichwörtern,<br />

Redensarten, Liedern <strong>und</strong> Literatur<br />

◆ Bittet man jemanden, spontan ein Musikinstrument zu<br />

nennen, erhält man in der Regel „Geige“ als Antwort. Das<br />

zeigt, wie tief dies Instrument im allgemeinen Bewusst<strong>sein</strong><br />

verankert ist.<br />

◆ Bekannt ist die Redewendung „die erste Geige spielen“.<br />

Jemand will eine führende Rolle spielen bzw. tonangebend<br />

<strong>sein</strong>. Wer will dann schon „die zweite Geige spielen“, d.h.<br />

eine untergeordnete Rolle spielen oder gar nebensächlich<br />

<strong>sein</strong>?<br />

◆ Besser ist dann schon, wenn „einem der Himmel voller<br />

Geigen hängt“! Dann ist man überaus glücklich <strong>und</strong> sieht<br />

erwartungsvoll in die Zukunft.<br />

◆ Weniger angenehm dürfte es <strong>sein</strong>, wenn man „nach<br />

jemandes Geige tanzen muss“ oder „die Meinung gegeigt<br />

bekommt“ oder man „etwas vergeigt hat“. Dann wäre der<br />

totale Misserfolg zu beklagen.<br />

◆ Wer „zart besaitet“ ist, ist empfindsam <strong>und</strong> sensibel.<br />

Bei ihm sollte man vorsichtig <strong>sein</strong>, „andere bzw. strengere<br />

Saiten aufzuziehen“. Wahrscheinlich ist in diesem Falle<br />

das strenge Vorgehen gar nicht erforderlich.<br />

◆ Folgender Vers eines alten Kinderliedes bezieht sich auf<br />

die Geige: „Fiedelhänschen, geig` einmal, unser Kind will<br />

tanzen, hat ein buntes Röcklein an, r<strong>und</strong>herum mit<br />

Fransen.“<br />

◆ Friedrich Schiller lässt in <strong>sein</strong>em Trauerspiel „Kabale <strong>und</strong><br />

Liebe“ den bürgerlichen Hofmusikus Miller heftig toben.<br />

Er ist erbost über die Naivität <strong>sein</strong>er Frau, die sich von<br />

der Welt des Adels blenden lässt <strong>und</strong> nicht wahrhaben<br />

will, dass ihre Tochter Luise eines Tages das unschuldige<br />

Opfer <strong>sein</strong> könnte. Miller (aufgebracht, springt nach <strong>sein</strong>er<br />

Geige): „Willst du dein Maul halten? Willst das Violoncello<br />

am Hirnkasten wissen? … Marsch du, in deine Küche.“<br />

(1. Akt, 2. Szene)<br />

◆ Zu den berühmtesten Geigenbauern dürften die Stradivari<br />

zählen. Antonio Stradivarius (1644 - 1737) war der Schüler<br />

von Nicola Amati (1596 - 1684) <strong>und</strong> baute mit <strong>sein</strong>en<br />

Söhnen Francesco <strong>und</strong> Omobono die höchst vollendeten<br />

Cremoneser Geigen, Bratschen <strong>und</strong> Celli.<br />

Geigenbaumeister Anton Maller beim Lackieren einer Geige<br />

Kontakt<br />

Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />

Infos unter: www.geigenbauwettbewerb-mittenwald.de<br />

<strong>Der</strong> Dank des Verfassers für die fre<strong>und</strong>liche Bereitstellung<br />

von Informationen gilt:<br />

Geigenbaumuseum Mittenwald<br />

Ballenhausgasse 3<br />

82481 Mittenwald<br />

Tel. +49(0)8823/2511<br />

Homepage: www.geigenbaumuseum-mittenwald.de<br />

E-Mail: geigenbaumuseum@markt-mittenwald.de<br />

Rainer W. Leonhardt<br />

Geigenbaumeister<br />

Mühlenweg 53<br />

82481 Mittenwald<br />

Tel. +49(0)8823/8010<br />

Fax +49(0)8823/2079<br />

Homepage: www.violin-leonhardt.de<br />

E-Mail: leonhardt@mittenwald.de<br />

Anton Maller Geigenbaumeister<br />

Stainergasse 14<br />

82481 Mittenwald<br />

Tel. +49(0)8823/5865<br />

Fax: +49(0)8823/5871<br />

Homepage: www.violin-maller.de<br />

E-Mail: info@maller.de<br />

30


Damals<br />

Kinder <strong>und</strong> die alten<br />

<strong>Handwerk</strong>e<br />

von Christian Schwarzer<br />

Schon als Kinder kamen wir mit den alten <strong>Handwerk</strong>en in<br />

Berührung. Wir lebten in einem kleinen Bauerndorf bei<br />

Cuxhaven an der Nordsee <strong>und</strong> stromerten in unserer Freizeit<br />

oder in den Ferien überall herum <strong>und</strong> suchten nach „Sachen“ die<br />

wir „organisieren“ konnten. Dabei kamen wir an der <strong>Schmied</strong>e<br />

unseres Dorfes vorbei <strong>und</strong> schauten st<strong>und</strong>enlang zu, wie ein Pferd<br />

beschlagen wurde. Ich werde niemals<br />

den Geruch nach verbranntem Horn<br />

vergessen, der entstand, wenn das<br />

glühende Hufeisen kurz an den Huf<br />

des Pferdes gepresst wurde um es<br />

genau anzupassen <strong>und</strong> die Nagellöcher<br />

auf dem Huf zu markieren. Eine kleine<br />

Rauchwolke stieg jedes Mal auf <strong>und</strong><br />

wir warteten gespannt, ob das Pferd<br />

vielleicht ausschlagen würde. Aber es<br />

tat nichts dergleichen. Offensichtlich<br />

verspürte es keinen Schmerz. Dann<br />

wurde das Eisen mit speziellen Hufnägeln<br />

angenagelt. Auch hier schien<br />

das Pferd nichts zu spüren. Danach<br />

wurden die Spitzen einiger Nägel, die<br />

an der Oberseite des Hufes heraus<br />

schauten, abgekniffen <strong>und</strong> der überstehende<br />

Rest mit ein paar Hammerschlägen<br />

im Huf versenkt. Dann griff<br />

der <strong>Schmied</strong> nach einem schwarzen<br />

Topf, nahm einen Pinsel heraus <strong>und</strong> strich den fertigen Huf schwarz<br />

an. Das <strong>neu</strong> „besohlte“ Pferd setzte vorsichtig <strong>sein</strong>en Huf auf <strong>und</strong><br />

scharrte ein paarmal, wechselte <strong>sein</strong> Standbein <strong>und</strong> hob den anderen<br />

Huf. Ich bew<strong>und</strong>erte die <strong>Schmied</strong>e für ihr Können <strong>und</strong> ihren Mut,<br />

denn ich wusste aus Erfahrung, dass ein Pferd auch schon mal kräftig<br />

ausschlagen kann.<br />

Ein weiteres großes Ereignis war die Herstellung eines hölzernen<br />

Wagenrades. Hier schaute ich so gebannt zu, dass der <strong>Schmied</strong> oder<br />

einer <strong>sein</strong>er Gesellen mich immer wieder wegscheuchen musste.<br />

Ich ließ mich aber nicht vertreiben <strong>und</strong> kann heute noch, einige<br />

Jahrzehnte später, jeden Handgriff der schwitzenden Männer beschreiben.<br />

Das hölzerne Rad war vom Wagner geliefert worden <strong>und</strong><br />

stand fertig zusammengesteckt neben dem großen Tor der <strong>Schmied</strong>e.<br />

Heute weiß ich, dass die einzelnen Teile aus Rüster (Ulme)<br />

gefertigt wurden. Es bestand aus der Nabe, etwa einem Dutzend<br />

Speichen <strong>und</strong> vier oder fünf Felgenteilen. Die <strong>Schmied</strong>e nahmen das<br />

Rad auf <strong>und</strong> legten es vorsichtig waagerecht auf eine Vorrichtung,<br />

die das Rad fixierte. Währenddessen hantierten zwei andere am<br />

Feuer <strong>und</strong> machten den großen Felgenring glühend. Sein Durchmesser<br />

war schon vorher festgelegt worden. Als er die richtige Temperatur<br />

hatte, wurde er von vier Männern mit Zangen angehoben<br />

<strong>und</strong> eilig gingen sie nach draußen zu dem wartenden Rad. Sie hielten<br />

die glühende Felge über die zusammengefügten Holzteile <strong>und</strong> auf<br />

ein Kommando senkten sie die Felge<br />

ab. Sie passte auch tatsächlich knapp<br />

darüber. Die Männer legten schnell die<br />

Zangen aus der Hand, griffen ein paar<br />

spezielle Hebel <strong>und</strong> sorgten dafür, dass<br />

der Felgenring auch wirklich überall<br />

genau auf der Holzfelge saß. Kleine<br />

blaue Rauchwolken stiegen auf <strong>und</strong><br />

es roch angenehm nach brennendem<br />

Holz. Eine kurze Kontrolle <strong>und</strong> jeder<br />

griff nach einem schon bereit gestellten<br />

Eimer mit Wasser <strong>und</strong> goss es<br />

vorsichtig über den heißen Felgenring.<br />

Jetzt stiegen zischend Dampfwolken<br />

auf <strong>und</strong> vermischten sich mit den<br />

letzten Wölkchen des Holzrauches.<br />

<strong>Der</strong> Eisenring zog sich zusammen <strong>und</strong><br />

aus den einzelnen Teilen wurde ein<br />

„ ganzes“ Rad. Das fertige Rad wurde<br />

dann über eine schmale, mit Wasser<br />

gefüllte Grube gehängt <strong>und</strong> langsam<br />

um <strong>sein</strong>e Achse herum im Wasser gedreht. Das Holz quoll auf <strong>und</strong><br />

die Teile wurden immer fester ineinander verkeilt. Selbst als Kind<br />

war mir der hohe Symbolgehalt des Vorganges bewusst. Es war alles<br />

da, was jeden jungen Menschen fasziniert: gemeinsame Arbeit für ein<br />

sofort erkennbares Ziel, jeder hat eine wichtige Aufgabe, Anleitung<br />

durch einen erfahrenen Erwachsenen, Rauch, Feuer, Dampf, laute<br />

Kommandos <strong>und</strong> schließlich zufriedene Gesichter <strong>und</strong> Stolz auf ein<br />

gelungenes Werk.<br />

So wurden wir schon sehr früh mit verschiedenen alten <strong>Handwerk</strong>en<br />

vertraut. Dazu kam noch der Schrankenwärter, der gleichzeitig<br />

Schuster war <strong>und</strong> dem wir gerne bei der Arbeit zusahen, die Maurer,<br />

die in der Nachbarschaft Stein für Stein ein Haus bauten <strong>und</strong> die<br />

Pflasterer, die die Straße vor unserem Haus mit groben Pflastersteinen<br />

pflasterten. Begleitet vom Klingeln ihrer Hämmer <strong>und</strong> dem<br />

metallischen Klacken der Handrammen. Ist es da ein W<strong>und</strong>er, dass<br />

viele von meinen Klassenkameraden einen <strong>Handwerk</strong>sberuf erlernen<br />

wollten?<br />

31


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

<strong>Handwerk</strong>er, Gaukler <strong>und</strong> Rittersleut’<br />

Flachsmarkt auf Burg Linn<br />

von Udo Mannek<br />

Jedes Jahr zu Pfingsten findet r<strong>und</strong> um die altwürdige Burg<br />

Linn in Krefeld der traditionelle <strong>und</strong> beliebte Flachsmarkt statt.<br />

Vor der historischen Kulisse mit den schönen Fassaden der<br />

alten Bürgerhäuser, der Vorburg <strong>und</strong> der Burg aus dem Mittelalter<br />

werden hier handwerkliche Traditionen durch 300 <strong>Handwerk</strong>er<br />

wieder lebendig <strong>und</strong> begreifbar. Darunter befinden sich auch<br />

Vertreter von Berufen, die mittlerweile fast ausgestorben sind. Die<br />

Besucher haben die Gelegenheit, unter anderem einem Flachsspinner,<br />

einer Strohflechterin, einem Handweber, einem Lehmbauer,<br />

einem Zylindermacher <strong>und</strong> einem Rüstungsschmied sowie einer<br />

Perückenmacherin bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Viele<br />

Zunftvertreter wie ein Marionettenbauer, eine Textildesignerin, eine<br />

Gewandschneiderin sowie ein Spezialist für prähistorische Steinbearbeitung,<br />

ein Kettenhemdmacher <strong>und</strong> ein Zigarrenmacher waren<br />

2013 erstmals mit dabei. Alle Produkte werden von den <strong>Handwerk</strong>ern<br />

selbst hergestellt <strong>und</strong> zum Verkauf angeboten.<br />

„Wir legen Jahr für Jahr besonderen Wert darauf, qualitativ hervorragende<br />

<strong>Handwerk</strong>er zu präsentieren <strong>und</strong> dabei immer wieder <strong>neu</strong>e<br />

Gäste in der Burg Linn zu begrüßen“, so der Ehrenvorsitzende der<br />

Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt Linn, Helmer Raitz von Frentz.<br />

Mit mehreren h<strong>und</strong>ert Helfern organisierte der ehrenamtlich tätige<br />

Verein in diesem Jahr bereits zum 38. Mal den Flachsmarkt.<br />

32


<strong>Der</strong> Kurfürst<br />

<strong>Der</strong> Flachsmarkt wurde am Pfingstsamstag durch Aufzug des<br />

Kurfürsten mit großem Gefolge eröffnet. Rittergruppen, Reiterzug,<br />

historische Gruppen, Falknerinnen, Musikanten sowie Jagdhornbläser<br />

gehörten zur Begleitung. An allen drei Tagen durchstreifte<br />

der Kurfürst das Marktgelände <strong>und</strong> unterhielt sich gern mit den<br />

<strong>Handwerk</strong>ern <strong>und</strong> Besuchern. An allen drei Veranstaltungstagen<br />

durchstreiften Musikantengruppen sowie Gaukler das Flachsmarktgelände.<br />

Ritterlager<br />

Ein echter Anziehungspunkt ist jedes Jahr das große Ritterlager.<br />

Die Rittersleut´ zeigen beim Ringstechen, Helmschlagen, bei der<br />

Sauhatz <strong>und</strong> anderen Geschicklichkeitstournieren ihr Können.<br />

Die Burgmannen messen sich im Lanzen- <strong>und</strong> Axtwerfen. Edeldamen<br />

<strong>und</strong> Burgfräulein verfolgen das Schauspiel mit Interesse.<br />

Ein Herold stellt dem Publikum die Personen vor <strong>und</strong> erklärt die<br />

Waffengänge. Während der Turnierpausen können die Besucher das<br />

Ritterlager <strong>und</strong> -leben aus nächster Nähe erleben. Hier wird nach<br />

mittelalterlichen Rezepten gekocht <strong>und</strong> in der <strong>Schmied</strong>e Gebrauchsgegenstände<br />

geschmiedet.<br />

Die Historie des Flachsmarktes<br />

<strong>Der</strong> Flachsmarkt entstand um 1315 als Linn zur Stadt erhoben<br />

wurde. Mittelpunkt des damaligen Linn war der Andreasmarkt.<br />

Hierhin brachten die Bauern ihren Flachs <strong>und</strong> tauschten ihn gegen<br />

Dinge des Alltages ein. Pferdegeschirr, Töpfe, Pfannen <strong>und</strong> andere<br />

Haushaltswaren waren die gebräuchlichsten Tauschobjekte jener<br />

Zeit. <strong>Der</strong> Flachsmarkt entwickelt sich schnell zu einem Jahrmarkt,<br />

der außer regen Tauschgeschäften zwischen den Bauern sowie den<br />

Händlern <strong>und</strong> <strong>Handwerk</strong>ern auch der Volksbelustigung diente. Bald<br />

war der Flachsmarkt in Linn so beliebt, dass er in den vergangenen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten viermal im Jahr stattfand.<br />

Abwechslungsreiches<br />

Rahmenprogramm für Kinder<br />

Früh übt sich, denn Kinder haben die Möglichkeit<br />

sich mit dem <strong>Handwerk</strong> vertraut zu machen.<br />

In verschiedenen Workshops unter dem Motto<br />

„Mitmachen <strong>und</strong> Ausprobieren“ dürfen die Kleinen<br />

drechseln, töpfern, filzen, schmieden <strong>und</strong> vieles<br />

mehr. Beim Kinderprogramm kommt nie Langeweile<br />

auf!<br />

Als die Linner Bauern keinen Flachs mehr anbauten, war das Schicksal<br />

des Flachsmarktes in <strong>sein</strong>er ursprünglichen Bedeutung für immer<br />

besiegelt. So fand der letzte Flachsmarkt 1903 statt <strong>und</strong> geriet in<br />

Vergessenheit. Doch 1974 ergriffen einige heimatverb<strong>und</strong>ene Linner<br />

Bürger die Initiative zu einem Neuanfang. Heute liegt die Organisation<br />

der Veranstaltung bei dem gemeinnützigen Verein „Arbeitsgemeinschaft<br />

Flachsmarkt“. Dessen Anliegen ist es, handwerkliche<br />

Traditionen durch Vorführungen lebendig zu erhalten <strong>und</strong> in unsere<br />

Zeit hinüberzuretten.<br />

Adresse <strong>und</strong> Informationen<br />

Auf dem weitläufigen Gelände gibt es sehr viel zu sehen <strong>und</strong> zu<br />

erleben. Besucher sollten genügend Zeit für Ihren Besuch auf dem<br />

Flachsmarkt einplanen. Es wird empfohlen einen ganzen Tag<br />

auf dem Flachsmarkt zu verbringen. Ausführliche Programmhinweise<br />

<strong>und</strong> alle wichtigen Informationen liefert die Homepage des<br />

Flachsmarktes. <strong>Der</strong> nächste Flachsmarkt findet Pfingsten 2014 statt.<br />

Fotos: Dirk Jochmann<br />

Kontakt<br />

Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt<br />

Gemeinnütziger Verein e.V.<br />

Rheinbabenstraße 144<br />

47809 Krefeld<br />

Homepage: www.flachsmarkt.de<br />

33


34<br />

Lebendiges <strong>Handwerk</strong>


Die Darsser Türe<br />

– handgemacht –<br />

von Helmut Harhaus<br />

Es war Jahrh<strong>und</strong>erte ein Piratennest, der unzugängliche Darss<br />

in der Ostsee. Wälle <strong>und</strong> die Reste alter Burgen zeugen von<br />

einem finsteren Mittelalter. Damals fristeten Fischer ihr<br />

karges Leben auf der Landzunge zwischen Fischland <strong>und</strong> Zingst.<br />

Die Ostsee wie auch das Boddengewässer zur Landseite waren zwar<br />

fischreich, aber tückisch. Es war nicht die Oase, die „Perle der Ostsee“,<br />

wie wir heute die schlanke Halbinsel in Gestalt einer Nehrung<br />

kennen!<br />

Erst mit Beginn der 2. Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts, als die Seefahrt<br />

zum prägenden Wirtschaftszweig auch auf dem Darss wurde,<br />

begann der Aufschwung in dieser Region. Die Bevölkerungszahl<br />

wuchs stetig, die damit verb<strong>und</strong>ene Bautätigkeit boomte. Viele<br />

Reedereien ließen sich hier nieder, zahlreiche Werften belieferten<br />

den baltischen <strong>und</strong> skandinavischen Raum mit moderner Tonnage.<br />

In Barth war die zweitgrößte Flotte Preußens beheimatet; allein<br />

in Barth gab es zwei große Werften. Gleichzeitig kamen mit den<br />

Seefahrern <strong>neu</strong>e Eindrücke <strong>und</strong> Einflüsse aus fernen Ländern – wozu<br />

damals z.B. England <strong>und</strong> Schweden gehörten, auf das Eiland.<br />

Für die landwirtschaftliche Nutzung war das „niederdeutsche<br />

Hallenhaus“ ideal. Wohnen, wirtschaften, Erntespeicherung, Viehhaltung<br />

konnten unter einem Dach realisiert werden. Spätestens<br />

mit dem Umschwung durch die verschiedenen Schiffbau- <strong>und</strong><br />

Seefahrtssparten änderte sich auch gr<strong>und</strong>legend der Häusertyp <strong>und</strong><br />

ersetzte das Hallenhaus. Repräsentativer wurden die Gebäude. Die<br />

Breite des Hauses, die Traufseite des Walmdaches zeigte nun zur<br />

Straßenseite. Mittig war eine Diele angeordnet, von der die Zimmer<br />

begehbar waren. Bei diesen Häusern kam der Haustüre, der Straße<br />

zugewandt, eine besondere Bedeutung zu. Was lag näher, als diese<br />

„Visitenkarte des Hauses“ besonders aufwändig zu gestalten – hiermit<br />

ließ sich der Wohlstand des Eigentümers bestens vermitteln!<br />

Häuser dieser Bauart wurden auf dem Darss seit dem 18. Jhdt.<br />

<strong>und</strong> noch bis kurz nach 1900 in kaum veränderter Form errichtet.<br />

Bedingt durch den Schiffbau standen in der Region <strong>Handwerk</strong>er<br />

zur Verfügung, die in aufwändiger Holzbearbeitung geschult <strong>und</strong><br />

geübt waren sowie über das nötige Werkzeug/Werkstattausrüstung<br />

verfügten. Die Bedingungen waren gut, die Haustüre zum Schmuckstück<br />

werden zu lassen.<br />

Dann ging der Schiffbau zum Eisenschiffbau über; die Stahlverarbeitung<br />

hat auf dem Darss nie Fuss fassen können (die Bedingungen für<br />

eine Stahlschiffswerft sind eben deutlich anders). Erster <strong>und</strong> Zweiter<br />

Weltkrieg waren für die Region sehr belastend. Die DDR-Zeit<br />

brachte auch keinen Reichtum auf den Darss. Das Militär nutzte die<br />

zentrale Ostseeinsel stark, so dass für Tourismus wenig Platz blieb.<br />

Rügen <strong>und</strong> Usedom konnten touristisch besser bereist werden. Soll<br />

heissen, von den alten <strong>Handwerk</strong>ern <strong>und</strong> ihrer Kunst blieb nicht viel<br />

übrig ...<br />

Die Brüder Roloff<br />

Eigentlich hat nur ein Betrieb den Sprung in unsere Zeit geschafft:<br />

Die Kunst-Tischlerei Roloff in Prerow. Heute wird der Betrieb von<br />

den Brüdern René <strong>und</strong> Dirk geführt <strong>und</strong> kann sich auf 6 Generationen<br />

<strong>und</strong> 170 Jahre <strong>Handwerk</strong>stradition stützen. Eigentlich reicht<br />

die holzbezogene Tradition noch weiter zurück, denn der erste<br />

Roloff, Johann, heiratete in die Familie Belke ein, die aus Schweden<br />

stammten <strong>und</strong> mit dem Zimmermannshandwerk zu tun hatten.<br />

Aber bereits dessen Vater, von dem man nicht mehr viel weiss, war<br />

„Zimmeramtsmeister“, wie es die alten Analen ausweisen. Belegbar<br />

ist der Familienbetrieb seit Anfang des 1900 Jahrh<strong>und</strong>erts, 1832 findet<br />

man Johann Roloffs Eheschließung im Trauregister, bei der er als<br />

Tischlermeister genannt wird. Ebenfalls gibt es noch Zeichnungen<br />

<strong>und</strong> Bauanträge für eine Haus-/Werkstatterweiterung.<br />

Profilhobel sind wie ein Fingerabdruck<br />

Die Werkstattgrößen der Tischler waren im 19. Jhdt. in der Regel<br />

eher bescheiden. Eine Stube des Hauses reichte dazu; selten wurde<br />

mit mehr als drei Personen zusammen gearbeitet. Aber jede Werkstatt<br />

arbeitete mit individuellen Werkzeugen. Besonders die Profilhobel<br />

waren Anfertigungen <strong>und</strong> somit Unterscheidungsmerkmale<br />

eines jeden Betriebes. „Die alten Haustüren sind auch heute noch<br />

eindeutig der Herstellungswerkstatt zuzuordnen,“ erklärt uns René<br />

Roloff anhand der Werkzeuge-Sammlung, „wenn eine Türe Leisten<br />

hat, die zu einem unserer Profilhobel passt, dann hat einer unserer<br />

Vorfahren diese Türe gebaut. Die Leisten-Profile sind wie der Fingerabdruck<br />

des Tischlers – unverwechselbar.“ Im Laufe der 170 Jahre<br />

hat sich eine stattliche Sammlung von diesen Spezial werkzeugen<br />

angesammelt. Diese Profilhobel werden wie Kostbarkeiten gehütet,<br />

sind sie es ja, die eindeutige Rückblicke bis in die ferne Vergangenheit<br />

ermöglichen. Es sind aber keine musealen Werkzeuge! Jeder aus<br />

der Hobelsammlung ist flammscharf geschliffen <strong>und</strong> sofort einsetzbar.<br />

Das muss auch so <strong>sein</strong>, will man die alten, historischen Türen<br />

authentisch reparieren oder renovieren.<br />

Die Generationen haben aber nicht nur Werkzeuge gut aufbewahrt,<br />

auch die Geschäftsbücher finden sich im F<strong>und</strong>us. Da ist es schon<br />

spannend nachzulesen, was eine Türe z.B. im Jahre 1898 gekostet<br />

hat: mit 50.- Mark ist sie verbucht; der St<strong>und</strong>ensatz belief sich auf 35<br />

Pfennig, die Materialkosten auf 8 Mark. Das läßt den Rückschluss<br />

zu, dass 120 Arbeitsst<strong>und</strong>en für diese Türe notwendig waren ...<br />

Zeiten waren das!<br />

Aber auch von anderen Zeiten erzählen diese Unterlagen: der<br />

Währungsreform. 1,5 Millionen Mark betrugen die Materialkosten,<br />

die Milliarde wurde für eine Türe weit überschritten ...<br />

35


Viele dieser Türen sind heute noch eingebaut. Die Geschäftsbücher<br />

könnten mit aktuellen Bildern von heute ergänzt werden. Interessant<br />

die Liste mit Türen von Roloff, bzw. mit solchen, die noch älter sind<br />

<strong>und</strong> von Roloff restauriert wurden.<br />

Jede Türe ist anders<br />

Aufwändige Konstruktionen sind diese Tischlerarbeiten. Man kennt<br />

Rahmentüren mit Füllung, meistens sind es jedoch „aufgedoppelte“<br />

Türen. Eine Verleimung der Füllungen wurde bei den Darsser<br />

Türen nicht vorgenommen, damit sich die Holzelemente gegeneinander<br />

bewegen <strong>und</strong> – z.B. durch Temperatur- oder Feuchtigkeit<strong>sein</strong>flüsse<br />

– nicht reissen konnten. Stets sind aufwändig geschnitzte<br />

Ornamente aufgesetzt <strong>und</strong> farblich abgesetzt. Man geht davon aus,<br />

dass früher die Türen naturholzfarben waren. Später wurden sie<br />

bunter <strong>und</strong> die Ornamentik wurde bewusst hervorgehoben. Denn<br />

ursprünglich hatten die Ornamente wohl symbolische Bedeutungen:<br />

heidnischen, christlichen oder naturbezogenen Sinn. Diese symbolische<br />

Bedeutung wurde mehr <strong>und</strong> mehr als optisches, schmückendes<br />

Element hervorgehoben. Stets gehen die Türen nach innen<br />

auf, tragen aufgesetzte Kastenschlösser, ältere auch noch Riegel <strong>und</strong><br />

Klinkgeschirr. Mit Langbändern <strong>und</strong> Stützhaken sind sie innen am<br />

Fachwerkständer oder an der umlaufenden Zarge angeschlagen.<br />

Immer finden sich groß dimensionierte Wasserschenkel unten <strong>und</strong><br />

oben – was auf viel Regen <strong>und</strong> Sturm in der Region schließen läßt.<br />

Und jede Türe ist ein Unikat. Eine unglaubliche Vielfalt in Form<br />

<strong>und</strong> Ausführung findet sich auf dem Darss!<br />

<strong>Der</strong> Betrieb Roloff baut heute Türen in handwerklicher Tradition<br />

natürlich auch für den gesamten norddeutschen Bereich. In Abstimmung<br />

mit den Auftraggebern werden die Entwürfe vom Tischlermeister<br />

René oder Dirk erarbeitet – fast immer sind es Ideen <strong>und</strong><br />

Konstruktionen aus dem Hause Roloff. Selten, fast nie, gehen die<br />

kreativen Entwürfe auf Architekten/Innenarchitekten zurück. Steht<br />

der Entwurf, werden die Türen heute auch aus Meranti, nicht mehr<br />

ausschließlich aus Kiefer oder Eiche gebaut.<br />

Auch zahlreiche Urlauber haben diese <strong>Handwerk</strong>sarbeiten schätzen<br />

gelernt <strong>und</strong> lassen sich – bis Bayern <strong>und</strong> Schwaben – getischlerte<br />

Türen machen <strong>und</strong> liefern. Jährlich werden r<strong>und</strong> 10 Neuanfertigungen<br />

gebaut <strong>und</strong> viele alte Türen renoviert oder repariert. Nicht<br />

selten kommen Türen in die Werkstatt, die 200 Jahre alt sind <strong>und</strong> 10<br />

Farbschichten auf dem Buckel haben – das ist dann immer eine spannende<br />

Sache! Auf Wunsch können auch Ornamente einzeln gefertigt<br />

<strong>und</strong> geliefert werden. Man muss aber schon feststellen, dass eine<br />

moderne Kunststoff-Haustüre, selbst wenn sie mit echten Roloff-Ornamente<br />

aufgepeppt wurde, weit entfernt ist von der getischlerten<br />

Türe!<br />

Darsser Türen von Roloff<br />

in (Auswahl) :<br />

Prerow<br />

Kurverwaltung Gemeindeplatz 1<br />

Kulturkaten Waldstraße 42<br />

Darss-Museum Waldstraße 48<br />

Ahrenshoop<br />

Kurbetrieb<br />

Kirchnersgang<br />

36


Aber nicht nur Türen werden im Betrieb hergestellt. Neben jede<br />

Haustüre gehört traditionsgemäß eine Bank. So werden auch Bänke<br />

Darsser Art <strong>und</strong> dazu passende Gartenmöbel gebaut. Die Darsser<br />

Bänke haben in Form <strong>und</strong> Ausführung eine eigene Tradition.<br />

Natürlich gehört das übliche Repertoire zum Werkstattangebot:<br />

Stühle reparieren, Regale bauen, Schränke ändern – alles, was ein<br />

Tischlereibetrieb heute macht. In der Werkstatt stehen somit auch<br />

moderne Holzbearbeitungsmaschinen – es ist ja kein Museum <strong>und</strong><br />

die Berufsgenossenschaft hat wenig Sinn für Traditionen! Aber<br />

neben dem modernen Werkzeugpark stehen eben auch noch alte<br />

Maschinen aus fernen Tagen; Abrichte, Dickenhobel, Bandsäge von<br />

musealem Aussehen.<br />

<strong>Der</strong> kostbarste F<strong>und</strong>us sind aber die alten, individuellen<br />

Hand-Werkzeuge, speziell die Hobel. Nur mit diesen Werkzeugen,<br />

<strong>und</strong> mit dem notwendigen handwerklichen Geschick, Können <strong>und</strong><br />

Erfahrung, lassen sich heute Tischlerarbeiten ausführen, die zu 100<br />

Jahre alten Möbelstücken <strong>und</strong> Türen passen. Damit hat sich die<br />

Tischlerei Roloff die Möglichkeiten bewahrt, Arbeiten auszuführen,<br />

die andere in heutiger Zeit der CNC-Maschinen nicht mehr leisten<br />

können. Dazu kommt natürlich auch der Sinn für die große Tradition<br />

<strong>und</strong> die Liebe zu den historischen Objekten. Die Roloff-Brüder<br />

sind in der Tradition tief verwurzelt <strong>und</strong> leben sie. Das, was sie tun,<br />

ist eigentlich keine „Arbeit“ für sie, sondern eine große Liebhaberei<br />

<strong>und</strong> Freude. Und das merkt man, diesen Geist spürt man in jedem<br />

Werkzeug, das die Tischlerei zu bieten hat!<br />

Fotos: Helmut Harhaus<br />

Kontakt<br />

Kunst-Tischlerei<br />

Roloff<br />

René <strong>und</strong> Dirk Roloff<br />

Lange Straße 30<br />

18375 Prerow<br />

Tel.: +49(0)38233/465<br />

Fax: +49(0)38233/70181<br />

E-Mail: kunsttischlerei@aol.com<br />

Internet: www.kunsttischlerei-roloff.de<br />

37


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Altländer Hochzeitsstühle<br />

Kunsthandwerk aus Finkenwerder<br />

von Rolf Hoffmann<br />

Initialen <strong>und</strong> Namen dienten Symbole wie die Sonne, Herzen,<br />

Engel, Kronen, Blumen, Ähren <strong>und</strong> Ranken zur Verzierung, in<br />

verschiedenen Teilen des Alten Landes unterschiedlich verwendet.<br />

Beide Stühle gehörten also zusammen, sie waren für sich auch ein<br />

Paar. Die Sitzflächen lagen recht hoch, höher als die damals bei den<br />

Bauern üblichen Bänke <strong>und</strong> Schemel. Wer auf so einem Hochzeitsstuhl<br />

saß, stellte etwas dar. Manchmal hatten die Armlehnen ein<br />

sehr feines Muster im Holz an der Oberseite. Sie waren „gepunzt“.<br />

Wer weiß heute noch, dass dies das Einschlagen eines Schmuckmusters<br />

in eine glatte Oberfläche (aus Metall oder Holz) bedeutet?<br />

Hochzeitsstühle waren zu keiner Zeit billig. Diese Tradition wurde<br />

nur in Regionen gepflegt, wo es die Bauern zu Wohlstand gebracht<br />

hatten. Dafür ist sehr guter Boden eine Voraussetzung, sowie<br />

die Nähe einer möglichst großen Stadt, wo man die geernteten<br />

Feldfrüchte, aber auch Tiere mit gutem Gewinn verkaufen konnte.<br />

<strong>Der</strong> Hochzeitsstuhlbrauch existierte deshalb außerhalb des Alten<br />

Landes nur noch in den „Vierlanden“, (Hamburg-Südost), in der holsteinischen<br />

Probstei <strong>und</strong> in einigen Dörfern um Husum. Die fetten<br />

Marschböden machten viele Bauern so wohlhabend, dass sie ihren<br />

Frauen schwere Silberketten kaufen konnten, die mit zur Festtagskleidung<br />

der Bäuerinnen getragen wurden. Es ist überliefert, dass<br />

ein solcher Silberschmuck 5 bis 8 Kilogramm wiegen konnte (Bild 1)!<br />

Historie<br />

Bild 1 // Hochzeitsstuhl mit Bäuerin<br />

im Sonntagsstaat<br />

Im Hamburger Alten Land war es in Bauernfamilien etwa ab<br />

dem beginnenden 18. Jahrh<strong>und</strong>ert Brauch, dass bei Hochzeiten<br />

zur Aus steuer der Braut unter anderem zwei wertvolle Stühle<br />

gehörten. Diese wurden im Auftrag der Brauteltern fast komplett<br />

aus gedrechselten Teilen hergestellt. Zurückverfolgen lässt sich das<br />

Erscheinungsbild dieser traditionellen „R<strong>und</strong>pfostenstühle“ bis ins<br />

12. Jahrh<strong>und</strong>ert. Die Sitzfläche bildete ein Brett aus Nadelholz,<br />

ein zum Stuhl gehörendes, aufwändig besticktes Kissen mit dicken<br />

Quasten an allen vier Ecken diente als Polster. Die wichtigste Besonderheit<br />

der Hochzeitsstühle aber waren die geschnitzten Rückenbretter.<br />

Hier finden sich stets das Jahr der Hochzeit, der Name<br />

des Bräutigams auf dessen Rückenbrett <strong>und</strong> der Mädchenname der<br />

Braut auf der Rückenlehne ihres Sitzmöbels. Vor dem Brautnamen<br />

war immer ein „ J “ eingeschnitzt. Dieses „ J “ steht für „Jungfer“,<br />

symbolisch oder tatsächlich, aber unabdingbar zur Hochzeit. Außer<br />

In den meisten Haushalten existierte noch ein Stuhl in der Bauweise<br />

der Hochzeitsstühle. Gedrechselt, gebaut <strong>und</strong> geschmückt wie ein<br />

Hochzeitsstuhl, hatte er aber keine Armlehnen <strong>und</strong> war deutlich<br />

niedriger. Die heutige Vermutung: „Kinder“-Stuhl ist falsch. Kinderstühle<br />

gibt es erst seit etwa 1920. Die Kinder der Bauern (auch die<br />

der Städter) hatten keine eigenen Stühle. Kinder waren „kleine<br />

Erwachsene“. Zu sagen hatten sie nichts, beim Essen mussten sie am<br />

Tisch stehen. <strong>Der</strong> niedrige Stuhl der Bäuerin sollte die waagerechte<br />

Haltung der Oberschenkel beim Sitzen sicherstellen, bei allen<br />

Verrichtungen, bei denen nichts herabfallen durfte. Für Tätigkeiten<br />

wie Kleidung ausbessern <strong>und</strong> Nahrungsmittel verarbeiten spielte<br />

dies eine Rolle, aber auch beim Stillen eines Kleinkindes ist eine<br />

bequeme <strong>und</strong> sichere Haltung wichtig. Stuhl zum Stillen war wohl<br />

die vornehme Bezeichnung, „Titten-Geber“ sagte der Volksm<strong>und</strong><br />

dazu (Bild 2 <strong>und</strong> 3).<br />

Das <strong>Handwerk</strong>, Material <strong>und</strong> Fertigung<br />

Die Einzelteile des Hochzeitsstuhls entstanden beim Drechsler, dem<br />

„Dreier“ (niederdeutsche Bezeichnung um 1800). Nur die Rückenbretter<br />

wurden von Zimmerleuten geschnitzt. Zimmerer waren in<br />

der kalten Jahreszeit arbeitslos <strong>und</strong> besserten sich mit Schnitzwerk<br />

38


Bild 4// Stuhl von 1852, Monogramm als Spiegelbild<br />

Bild 13// Stuhl für einen Seefahrer<br />

Bild 14// Rosie <strong>und</strong> Klaus, zwei haben sich gef<strong>und</strong>en...<br />

Bild 12// Modern: 2004, Leuchtturm Falshöft Bild 9// Rückenbrett, Stuhl von 1886<br />

39


Bild 2// Stuhl zum Stillen der Kleinkinder<br />

Bild 5// Peter Baron vor <strong>sein</strong>er Werkstatt<br />

Bild 7//Schnitzmesser<br />

ihr Einkommen etwas auf. Andere Möglichkeiten zum Geldverdienen<br />

gab es kaum. Die Zünfte hatten seit dem Mittelalter im<br />

<strong>Handwerk</strong> nach heutigen Maßstäben extrem pingelige <strong>und</strong> genaue<br />

Regelungen für bestimmte Arbeiten eingeführt. <strong>Der</strong> Drechsler<br />

durfte nicht tischlern, der Tischler nicht zimmern <strong>und</strong> dem Zimmermann<br />

war wiederum das Drechseln verboten. Böttcher <strong>und</strong><br />

Stellmacher waren auch eigenständige Berufsgruppen. Eifersüchtig<br />

wurde die Einhaltung der Zunftbestimmungen überwacht. <strong>Der</strong><br />

Drechsler verwendete für <strong>sein</strong>e Teile am Stuhl Esche, ein festes, aber<br />

gleichzeitig sehr elastisches Holz. Deshalb wurden auch Kutschen<br />

aus Esche gebaut. <strong>Der</strong> gute Axtstiel ist aus Esche, der schlechte<br />

aus Buche. Bis etwa um 1900 gab es keinen Kaltleim, Möbelklebstellen<br />

wurden heiß verleimt. Wie verleimt man gleichzeitig zehn<br />

Verbindungen mit Heißleim? Es geht nicht. Also wurden Zapfen mit<br />

Übermaß hergestellt <strong>und</strong> die Teile eingeschlagen. Oder ein Holzteil<br />

mit Bohrung war nicht ganz so trocken, wie das Gegenstück mit<br />

Zapfen. Nach dem Zusammenfügen trocknete das gebohrte Teil aus<br />

<strong>und</strong> „schrumpfte“ fest. Die Hauptverbindungen am Stuhl wurden<br />

außerdem verkeilt <strong>und</strong> mit Holznägeln gesichert. Die Farbgebung<br />

der Stühle war immer der gerade aktuellen Mode unterworfen, es<br />

Bild 8// Schreibfehler von 1793, das “A” von Jungfer CATRIN fehlt<br />

Bild 10// Auch Puppensammler brauchen Hochzeitsstühle!<br />

40


Bild 6// In der Werkstatt<br />

Bild 11// Hochzeitsstuhl von Peter Baron<br />

gab helle Blautöne (Bild 4), aber auch das aus Skandinavien bekannte<br />

„Ochsenblutrot“ wurde verwendet. Am Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

überwogen Naturtöne des Holzes, wobei man bewusst schöne<br />

Maserungen hervorhob.<br />

Mit Vorliebe wurde „schlankes“ Holz genommen. „Schlank“ heißt,<br />

dass die Faserstruktur einer Stange vom Anfang bis zum Ende gleichmäßig<br />

durchläuft <strong>und</strong> nicht etwa abbiegt <strong>und</strong> verschwindet. Nur so<br />

lassen sich beim Drechseln gleichmäßige, sehr schöne Hell-Dunkel-Effekte<br />

erzielen.<br />

Gegenwart<br />

Einer kann noch Hochzeitsstühle bauen. Er heißt Peter Baron,<br />

wohnt in Kappeln <strong>und</strong> arbeitet in <strong>sein</strong>er Werkstatt in Hamburg-Finkenwerder<br />

(Bild 5 u. 6).<br />

Seit 1983 stellt der gelernte Modelltischler wieder <strong>neu</strong>e Hochzeitsstühle<br />

her, oder repariert <strong>und</strong> restauriert alte. Sein Wissen über<br />

die Stühle hat er sich selbst angeeignet, durch intensives Studieren<br />

alter „Erbstücke“, Befragung ihrer Besitzer, Auswertung <strong>und</strong> Zusammenfassung<br />

aller greifbaren Informationen. Er kennt alle erforderlichen<br />

alten Techniken <strong>und</strong> wendet sie an (Bild 7).<br />

Peter Baron sieht, ob an einem alten Stuhl ein guter oder weniger<br />

guter Mann am Werke war. Bei einem Rückenbrett aus dem Jahre<br />

1793 kritisiert er den Schnitzer, weil die vorhandenen Blumen nicht<br />

plastisch herausgearbeitet wurden <strong>und</strong> ein Buchstabe des Vornamens<br />

fehlt (Bild 8). Lesen <strong>und</strong> Schreiben war damals im <strong>Handwerk</strong><br />

wohl keine Vorbedingung. In einer Art Lexikon hat Peter<br />

Baron Fotos von Rückenbrettern (Bild 9) der Stühle um Hochzeitsdaten<br />

aus alten Kirchenbüchern ergänzt, ein Wissensschatz, der ohne<br />

ihn nicht existieren würde. Stühle in Mini kann er auch (Bild 10).<br />

Hochzeitsstühle als Mitgift sind aus der Mode gekommen. Heute<br />

gibt es Bestellungen aus Anlässen wie Geburt, Taufe, Konfirmation,<br />

Abitur, Silberhochzeit oder Verabschiedung in den Ruhestand.<br />

Verzierungen <strong>und</strong> Schnitzereien werden individuell abgesprochen<br />

<strong>und</strong> genau wie vor zweih<strong>und</strong>ert Jahren in Handarbeit gefertigt. Auch<br />

heute sind Sitzmöbel vom Kunsthandwerker nicht billig. R<strong>und</strong> 50<br />

Arbeitsst<strong>und</strong>en für ebenfalls etwa 50 Einzelteile haben ihren Preis.<br />

Hier der Vergleich einer zufriedenen Bäuerin, die einen für ihren<br />

Mann bestellten Stuhl abholte <strong>und</strong> die Rechnung sah. Sie sagte:<br />

„Dat hebb ick mi dacht, dat dat so veel as een Koh kost!“<br />

Peter Baron hat in 30 Jahren circa 800 Stühle hergestellt. Reich ist er<br />

dabei nicht geworden. Inzwischen ist er über 70 Jahre alt. Nachfolger<br />

sind nicht in Sicht. Wenn er aufhört, geht im Alten Land eine<br />

lange Tradition zu Ende.<br />

Fotos: Rolf Hoffmann<br />

Bild 3// Rückenschild, Stuhl der Jungfer Catharina Stehr<br />

Kontakt<br />

Weitere Informationen:<br />

www.finkenwerder-kunsthandwerkstatt.de<br />

41


<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />

Die alte Hettstedter<br />

Druckerei Heise<br />

von Udo Mannek<br />

Wenn man die alte Druckerei in Hettstedt betritt, macht<br />

man einen gewaltigen Schritt in die Vergangenheit. Es<br />

wirkt so, als ob die Drucker <strong>und</strong> Setzer gerade in die Mittagspause<br />

gegangen sind <strong>und</strong> bald wieder zur Tür hineinkommen.<br />

Alles ist noch so „wie früher“. Doch in Wirklichkeit befindet man sich<br />

in einem w<strong>und</strong>erschönen Baudenkmal <strong>und</strong> technischem Museum<br />

eines historischen <strong>Handwerk</strong>sbetriebes mit Setzerei, Druckerei <strong>und</strong><br />

Stereotypie. Ein wahrer Kraftakt <strong>und</strong> glückliche Zufälle haben es<br />

ermöglicht, dass die Druckerei Hettstedt mit ihren einmaligen Flair<br />

<strong>und</strong> bewegter Geschichte am originalen Standort erhalten geblieben<br />

ist. Aber der Reihe nach!<br />

Wiedergeburt eines technischen Denkmals<br />

Im Jahre 1889 gründete Ernst Freyberg die in dem 1698 als Pferdestall<br />

<strong>und</strong> Gesindehaus errichteten Gebäude die Druckerei <strong>und</strong><br />

gab die „Hettstedter Zeitung“ heraus. Im Jahre 1909 wurde Wilhelm<br />

Hohnbaum-Hornschuh verantwortlicher Redakteur der Zeitung.<br />

Im gleichen Jahr übergab ihm Ernst Freyberg die Druckerei aus<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen. Die „Hettstedter Zeitung“ erschien zu<br />

dieser Zeit sechsmal wöchentlich <strong>und</strong> hatte einen Umfang von 6<br />

Seiten. Im Jahre 1936, zur Blütezeit der Druckerei mit 16 Angestellten<br />

<strong>und</strong> 15 Zeitungsausträgerinnen verstarb Wilhelm Hohnbaum-Hornschuh<br />

<strong>und</strong> tragischerweise auch <strong>sein</strong> Sohn Erhard. In den folgenden<br />

drei Jahren leitete Wilhems Witwe Elisabeth den Betrieb weiter.<br />

Später heiratete diese den Buchrevisor Albert Heise. Am 31. Mai 1941<br />

erschien die „Hettstedter Zeitung“ zum letzten Mal. Auf Anweisung<br />

der Reichspressekammer wurden mehr als die Hälfte der deutschen<br />

Heimatzeitungen eingestellt. Die Buchdruckerei Heise wurde fortan<br />

als Akzidenzdruckerei weitergeführt. Bis zum Kriegsende druckte<br />

man in der Hettstedter Druckerei überwiegend Lebensmittelkarten.<br />

Nach dem Tod von Albert Heise im Jahr 1960 führte Elisabeth Heise<br />

den Betrieb weiter. Bis 1989 wurden noch Formulare, Grußkarten,<br />

Broschüren <strong>und</strong> Dokumente gedruckt. Doch im Jahre 1990 war<br />

endgültig Schluß; die Druckerei wurde stillgelegt. Vier Jahre später<br />

starb Elisabeth Heise. Ihre Tochter, Friedel Hohnbaum-Hornschuh<br />

zog im Jahre 1995 von Berlin nach Hettstedt um sich über die weitere<br />

Zukunft der Druckerei zu kümmern. Zum „Tag des offenen Denkmals“<br />

im Jahre 2000 wurde die Druckerei erstmals der Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht. Schon am 15. Februar 2001 wurde der Verein<br />

„Alte Hettstedter Druckei Heise“ gegründet <strong>und</strong> die Druckerei an die<br />

Stadt Hettstedt verkauft. Schon ein Jahr später begann die denkmalgerechte<br />

Sanierung des Gebäudes durch junge <strong>Handwerk</strong>er der<br />

Kommunalen Ökologischen Sanierungsgesellschaft. Die Maschinen<br />

aus Druckerei <strong>und</strong> Setzerei wurden im Betrieb der Hettstedter<br />

Spezialschweißerei Posselt zwischengelagert, restauriert <strong>und</strong> im Jahr<br />

2005 nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an ihren ursprünglichen<br />

Standplätzen wieder aufgestellt.<br />

42


Mit Gutenberg fing alles an<br />

Mit Erfindung des Buchdruckes durch Johannes Gutenberg (1400 -<br />

1468) wurde der Gr<strong>und</strong>stein zur Entwicklung zahlreicher Druckereimaschinen<br />

gelegt. An dieser Stelle sei der Hinweis auf das Gutenberg<br />

Museum in Mainz gestattet.<br />

Drucksaal<br />

Die Vielfalt <strong>und</strong> Besonderheit der in der alten Hettstedter Druckerei<br />

ausgestellten Druckmaschinen sucht ihresgleichen. In die Rotationsmaschine<br />

von der Schnellpressenfabrik Frankenthal Albert & Cie.<br />

Act. Ges. aus dem Jahre 1899 ist eine Papierbahn eingespannt. Die<br />

Maschine faltete die Zeitungsseiten nach dem Drucken automatisch.<br />

„Dabei habe ich früher als Kind immer fasziniert zugeschaut“,<br />

erinnert sich Friedel Hohnbaum-Hornschuh. <strong>Der</strong> Zähler dieser<br />

Maschine besteht aus fünf kreisr<strong>und</strong>en Messingscheiben, auf denen<br />

die Ziffern 0 bis 9 eingraviert sind. Diese Maschine ist das wertvollste<br />

Objekt des Museums, da es sich hierbei vermutlich um das<br />

einzige original erhaltende Stück in Deutschland handelt. Auf ihr<br />

wurde von 1899 bis zum 31. Mai 1941 täglich außer Sonntags die<br />

„Hettstedter Zeitung“ gedruckt.<br />

Die Schnellpresse Accidenz Nr. VII von Bohn & Herber ist<br />

ebenfalls ein seltenes Ausstellungsexponat. Ebenso selten <strong>und</strong> für<br />

historisch interessierte Mechaniker <strong>und</strong> Drucker bedeutungsvoll ist<br />

die Schnellpresse von Kleinforst & Bohn, Nachfolger, Johannisberg<br />

am Rhein aus dem Jahre 1890. Ein Handtiegel von Vicum & Co.<br />

Maschinenfabrik Erfurt von etwa 1890 ergänzt das in Deutschland<br />

einmalige komplette Druckereiensemble aus der Zeit vor 1900.<br />

Diverse typische Ausstattungsgegenstände vervollständigen den<br />

Drucksaal dieses historischen <strong>Handwerk</strong>betriebes.<br />

Setzerei<br />

Hier lagern in großen Setzschränken mit Setzkästen gut sortiert<br />

tausende Buchstaben der verschiedensten Schriftarten in den<br />

unterschiedlichsten Größen. <strong>Der</strong> noch funktionstüchige Standart Ultra-Heidelberger<br />

Tiegelautomat aus dem Jahre 1940 ist die jüngste in<br />

der Setzerei ausgestellte Maschine.<br />

Am meisten beeindruckt aber die Linotype Zeilensatz- <strong>und</strong><br />

Gießmaschine aus dem Jahre 1930. Erf<strong>und</strong>en wurde die Maschine<br />

von Ottmar Mergentahler bereits in der zweiten Hälfte des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert. Über eine Tastatur, ähnlich einer Schreibmaschine,<br />

wird eine kleine Buchstabengießform aus Messing, die Matrize, aus<br />

dem Magazin ausgelöst. Nach <strong>und</strong> nach ordnen sich die Matrizen<br />

bis eine Zeile voll ist. Dann wird die Zeile mit flüssigem Blei<br />

ausgegossen <strong>und</strong> Zeile für Zeile im Schiff zu einer Zeitungsspalte<br />

abgelegt. Anschließend werden die Matrizen wieder automatisch in<br />

ihre Ausgangsposition im Magazin zurückgeführt.<br />

Stereotypie<br />

In der Stereotypie befindet sich ein Bleischmelzofen von Albert<br />

& Co., Frankenthal. Vermutlich ist er der einzige in Deutschland<br />

erhalten gebliebene Ofen <strong>sein</strong>er Art. Er diente zum Schmelzen von<br />

Blei, welches zur Herstellung der erforderlichen Druckplatten für<br />

die Rotationsmaschine benötigt wurde. Auf einem Kalander werden<br />

in feuchte Pappe gepresste Druckformen die sogenannten Matern<br />

43


angefertigt <strong>und</strong> anschließend mit flüssigem Blei ausgegossen <strong>und</strong> als<br />

halbr<strong>und</strong>e Druckplatten gefertigt. <strong>Der</strong> Bleiofen wurde mit Kohle<br />

befeuert.<br />

Verein <strong>und</strong> Museum<br />

<strong>Der</strong> rührige Verein „Alte Hettstedter Druckerei Heise“ bietet seit<br />

2009 unter anderem einen Sütterlinkurs zum Erlernen der deut schen<br />

Schreibschrift an. Dieser Kurs wird vor allem von der jün geren Generation<br />

besucht, die schriftliche Überlieferungen ihrer Großeltern lesen<br />

möchten.<br />

Kontakt<br />

Alte Hettstedter Druckerei Heise<br />

<strong>und</strong> Kontaktadresse des Hettstedter Vereins<br />

„Alte Hettstedter Druckerei Heise e.V.“,<br />

Wilhelmstr. 2,<br />

06333 Hettstedt<br />

Öffnungszeiten:<br />

montags bis freitags von<br />

9.00 bis 14.00 Uhr geöffnet<br />

Absprachen zu Führungen unter<br />

Telefon: +49(0)3476/800176<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Akzidenzdruck<br />

Als Akzidenzdruck wird die Druckarbeit eines Satzes von üblicherweise geringem Umfang bezeichnet.<br />

Akzidenzen sind Gelegenheitsdrucksachen wie beispielsweise Visitenkarten, Flugblätter, Broschüren,<br />

Speisekarten, Familiendrucksachen, Eintrittskarten, Fahrpläne, Briefe, Einladungen sowie amtliche <strong>und</strong><br />

nichtamtliche Formulare. Anfänglich waren Akzidenzdrucksachen neben den periodisch wiederkehrenden<br />

Aufträgen eine zusätzliche Erwerbsquelle für Druckereien. Akzidenzen wurden zur Zeit des Bleisatzes<br />

hauptsächlich von Akzidenzschriftsetzern mit Akzidenzschriften <strong>und</strong> nicht mit den üblichen sogenannten<br />

Brotschriften gestaltet. Die Gestaltung der Drucksachen lag oftmals in den Händen der Schriftsetzer. Das<br />

Erlernen der Gestaltung war Bestandteil der Ausbildung <strong>und</strong> Gesellenprüfung der Schriftsetzer.<br />

44


Damals<br />

von Christian Schwarzer<br />

<strong>Der</strong> berühmte Schuhmachermeister <strong>und</strong> begnadete Dichter Hans Sachs wurde 1494 in Nürnberg geboren <strong>und</strong> starb dort auch nach<br />

einem langen erfolgreichen Leben. In <strong>sein</strong>em Werk „Eygentliche Beschreibung Aller Stände Auf Erden….“, das 1568 gedruckt wurde,<br />

beschreibt er die Berufe vom Höchsten bis zum Niedrigsten, vom Papst bis zum Narren in 114 Blättern.<br />

Die oft schwer lesbaren Texte wurden sinngemäß übertragen. Unbekannte Worte werden erklärt. cs<br />

<strong>Der</strong><br />

Schriftgießer<br />

Ich gieß die Schrift für die Druckerei<br />

Gemacht aus Wismut, Zinn <strong>und</strong> Blei<br />

Die Buchstaben zusammenstellen<br />

In lateinischer <strong>und</strong> deutscher Schrift<br />

Was auch das Griechisch anbetrifft.<br />

Mit Initialen 1 , Punkten <strong>und</strong> Zügen 2<br />

Dass sie zur Druckerei sich eignen.<br />

1<br />

Großbuchstaben, oft verziert<br />

2<br />

Züge=verzierte Linien<br />

45


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

<strong>Schmied</strong>emeister Heinz Billen<br />

<strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Dorfschmiede<br />

von Udo Mannek<br />

Verfehlen kann man die schöne Dorfschmiede auf dem<br />

<strong>Handwerk</strong>ermarkt nicht: schon von weitem zu hören am hellen<br />

Klang des Hammers auf dem Amboss. Wenn Heinz Billen<br />

einem Laien <strong>sein</strong> <strong>Handwerk</strong> erklärt ist er in <strong>sein</strong>em Element. Die<br />

Augen leuchten <strong>und</strong> geradezu liebevoll behandelt er <strong>sein</strong>e Werkzeuge.<br />

Die Zange ist der verlängerte Arm des <strong>Schmied</strong>es, erklärt er. Sie<br />

muss so geformt <strong>sein</strong>, dass sich das Eisen, das gerade bearbeitet<br />

wird, keinen Millimeter bewegen kann. Deshalb verfügt die<br />

<strong>Schmied</strong>e über unzählige Zangen. Dazu kommen die verschiedenen<br />

Setzhämmer. Jeder Kopf ist anders geformt: der eine spitz zulaufend,<br />

der andere flach, ein weiterer halbkreisförmig. Heinz Billen <strong>und</strong><br />

<strong>sein</strong>e Mitarbeiter zeigen, worauf es bei der <strong>Schmied</strong>ekunst an kommt<br />

– Schritt für Schritt wird es dem Publikum genauestens erläutert.<br />

Das Ergebnis, ob filigrane Blume oder geschmiedete Hausnummer,<br />

gerät dabei fast schon zur Nebensache.<br />

Die voll funktionsfähige <strong>Schmied</strong>e misst fünf mal sieben Meter.<br />

Platz genug für Amboss <strong>und</strong> Werkzeuge, für eine Werkbank mit<br />

Schraubstock sowie eine Esse mit Kohlenkasten <strong>und</strong> einen auf drei<br />

Meter Höhe ausfahrbaren Kamin. Was man nicht auf den ersten<br />

Blick sieht: Es handelt sich um eine mobile Dorfschmiede. Eine ausgeklügelte<br />

Eigenkonstruktion von <strong>Schmied</strong>emeister Heinz Billen.<br />

Zusammengeklappt ist sie gerade mal 1,4 Meter breit <strong>und</strong> drei Meter<br />

lang <strong>und</strong> lässt sich problemlos an einen Zugwagen anhängen.<br />

Zuschauer dürfen in der Dorfschmiede auch selbst Hand anlegen<br />

<strong>und</strong> können gegen einen Obulus das „kleine <strong>Schmied</strong>ediplom”<br />

erwerben. Dazu bekommen sie zunächst eine Lederschürze verpasst.<br />

Nicht nur der Optik wegen. Denn wenn sich am Amboss oder<br />

Hammer ein Metallsplitter löst, kann er zum gefährlichen Geschoss<br />

werden. Unter fachk<strong>und</strong>iger Anleitung können sie vor glühender<br />

Esse dann selbst ein <strong>Schmied</strong>estück anfertigen. Mangelt es jedoch an<br />

Tatendrang, während der Bedarf an einer Streitaxt groß ist, so kann<br />

der Besucher diese oder anderes wie Schwerter, filigrane Rosen <strong>und</strong><br />

Hausnummern aus Hufeisen beim <strong>Schmied</strong> käuflich erwerben.<br />

Fotos: Dennis Mannek<br />

Kontakt<br />

Homepage:<br />

www.schmiedevorfuehrung.de<br />

Quelle: Gaudium<br />

46


<strong>Der</strong> <strong>Schmied</strong> <strong>und</strong> <strong>sein</strong> <strong>Werkstoff</strong><br />

von Richard Planitz<br />

Die Erfindung, das Eisen aus <strong>sein</strong>en Erzen zu schmelzen,<br />

schreibt die moderne Forschung einem Volk im westlichen Innerasien<br />

zu. Von hier aus soll diese Kunst zu den im Kaukasus<br />

ansässigen Chabylern gekommen <strong>sein</strong>, die durch das ganze<br />

Altertum ob ihrer Eisenschmelzereien <strong>und</strong> ihrer Eisentechnik<br />

berühmt wurden. Bei den Griechen blühte dieses <strong>Handwerk</strong><br />

etwa ab dem siebten Jahrh<strong>und</strong>ert vor Christi auf. Sie verstanden,<br />

Eisen zu schmelzen <strong>und</strong> die Kunst, es zu härten.<br />

Auch die Römer bauten um diese Zeit Waffen <strong>und</strong> Werkzeuge<br />

aus Eisen statt aus Bronze. Als ihre Lehrmeister sind die<br />

Etrusker anzusehen. Geliefert wurden die Erze meist von der<br />

Insel Elba. Nach dem Tod von Julius Cäsar hatten die Gallier<br />

große Eisenbergwerke. Aus den Eisenerzen wurde mit Hilfe<br />

des Renn(Rinn)-Verfahrens nur bedingt schmiedbares Eisen<br />

gewonnen. Die erforderliche Gebläseluft wurde dem Feuer zuerst<br />

mit menschlicher Kraft zugeführt, jedoch ersannen findige<br />

Köpfe bald den Blasebalg, der per Wasserkraft angetrieben<br />

wurde. Zum Schmelzen der Erze wurden riesige Mengen von<br />

Holzkohle benötigt, um die nötige Schmelztemperatur von ca.<br />

1100 °C zu erreichen. Um ein kg Eisen herzustellen, wurden<br />

r<strong>und</strong> 30 kg Holzkohle verbraucht. Mit der Zeit trat an die Stelle<br />

des Rennfeuers der Stückofen, aus dem sich etwa ein Kilogramm<br />

schwere Rohlinge erzeugen ließen, die aber noch durch<br />

weiteres Bearbeiten <strong>und</strong> mehrmaliges Umschmelzen dem erforderlichen<br />

Verwendungszweck zugeführt werden mussten.<br />

<strong>Der</strong> ursprünglich aus Damaskus stammende Damaszenerstahl<br />

war eine Entwicklung aus der Not, scharfe <strong>und</strong> doch unzerbrechliche<br />

Werkzeuge, sowie Waffen, also Schwerter <strong>und</strong><br />

Läufe von Gewehren, die dem starken Explosionsdruck standzuhalten<br />

hatten, zu entwickeln. Das Augenmerk der <strong>Schmied</strong>e<br />

war dabei auf die Steuerung des Kohlenstoffgehaltes gerichtet,<br />

der maximal ein Prozent betragen durfte, um einen harten,<br />

jedoch zähen Stahl zu erzeugen, der allen Anforderungen<br />

entsprach. Dabei wurden Stähle aus verschiedenen Erzen in<br />

glühendem Zustand zusammengefaltet <strong>und</strong> verschmiedet,<br />

womit ein hochwertiges Produkt entstand, das den allgemeinen<br />

bis dahin hergestellten Stahl bei weitem übertraf. Einen<br />

gewaltigen Rückschlag brachte der Dreißigjährige Krieg (1618<br />

- 1648), in welchem das lange angesammelte Wissen zu einem<br />

großen Teil unterging. Um das Jahr 1784 wurde der Puddelofen<br />

eingeführt, dabei wurde die glühende Schmelze mit langen<br />

Stangen von Hand umgerührt, um unerwünschte Bestandteile<br />

durch den Kontakt mit dem Luftsauerstoff zu verbrennen.<br />

Im Jahr 1855 erwarb der Engländer Bessemer ein Patent<br />

für ein Verfahren, flüssiges Roheisen durch hindurchblasen<br />

von Luft in Stahl zu verwandeln. Dieses Verfahren wurde für<br />

Deutschland erst durch die Erfindung von Thomas im Jahr<br />

1878 von außerordentlicher Bedeutung, weil er die Bessemerbirne<br />

mit einem basischen Futter auszukleiden verstand <strong>und</strong><br />

es dadurch ermöglichte, auch aus phosphorhaltigem Roheisen<br />

brauchbaren Stahl von guter Qualität zu gewinnen. Durch das<br />

Siemens-Martin-Verfahren gelang es ab 1865, aus Roheisen<br />

<strong>und</strong> Stahlschrott einen noch reineren Stahl zu gewinnen, den<br />

der <strong>Schmied</strong> dankbar annahm, weil er aus diesem <strong>Werkstoff</strong><br />

hochwertige Werkzeuge, wie Beile, Hacken, Sensen, Sicheln,<br />

Hufeisen, Pflüge, Truhenwagen <strong>und</strong> vieles mehr herzustellen<br />

im Stande war.<br />

So sind wir nun beim Berufsbild des <strong>Schmied</strong>es angelangt.<br />

Seine gr<strong>und</strong>sätzliche Aufgabe bestand nicht darin, schmiedbares<br />

Eisen, also Stahl herzustellen, sondern diesen <strong>Werkstoff</strong><br />

gekonnt <strong>und</strong> kreativ handwerklich zu verarbeiten. Zu <strong>sein</strong>er<br />

Gr<strong>und</strong>ausstattung gehörte die Esse mit Lösche samt einem<br />

ledernen Blasebalg, dem Amboss, <strong>Schmied</strong>ehämmer verschiedener<br />

Größe <strong>und</strong> Form, <strong>Schmied</strong>ezangen aller Art sowie<br />

eine stählerne Lochplatte, welche mit Bohrungen verschiedener<br />

Größe versehen war. So war der <strong>Schmied</strong> eine angesehene<br />

Persönlichkeit, welchem auch Aufgaben außerhalb <strong>sein</strong>es Berufes<br />

anvertraut wurden. Es ist nachgewiesen, dass man den<br />

Dorfschmied auch in den Stall holte, wenn eine Kuh bei der<br />

Geburt ihres Kalbes Schwierigkeiten hatte. In jedem Ort <strong>und</strong><br />

jeder Stadt war zumindest ein Dorfschmied angesiedelt, was<br />

sich dadurch leicht nachweisen läßt, dass die <strong>Schmied</strong>gasse<br />

oder die <strong>Schmied</strong>straße in annähernd jeder Gemeinde bis heute<br />

existiert. In Onstmettingen, einem Teilort von Albstadt im<br />

Landkreis Balingen waren im 18. <strong>und</strong> 19.Jahrh<strong>und</strong>ert auffallend<br />

viele <strong>Schmied</strong>e angesiedelt, die sich motiviert durch den<br />

Mechaniker-Pfarrer Philipp-Matthäus Hahn iauf den Waagenbau<br />

spezialisierten <strong>und</strong> eine bis heute unglaubliche Präzision<br />

im Bau von Waagen aller Art an den Tag legten. Im Zuge der<br />

Industiealisierung trat das reine <strong>Schmied</strong>ehandwerk etwas<br />

zurück, weil es durch die Einführung von elektrisch angetriebenen<br />

<strong>Schmied</strong>ehämmern, Werkzeugmaschinen <strong>und</strong> hydraulischen<br />

Pressen möglich wurde, geschmiedete Produkte in<br />

großen Serien rationell herzustellen. Jedoch stehen bis heute<br />

vor allem in Freilichtmuseen abgehaltene <strong>Schmied</strong>evorführungen<br />

ganz hoch im Kurs.<br />

Quelle: Berufsk<strong>und</strong>e für <strong>Schmied</strong>e aus dem Jahr 1929<br />

47


Selber <strong>Handwerk</strong>en<br />

Foto 2: Übungsschublade aus Papier, mit offenen,<br />

unfertigen Ecken.<br />

Foto 4: Vorbereitung zum Falten der Ecken: Linie A wird an allen vier Ecken nach<br />

innen eingeknickt. Linie B wird an allen vier Ecken nach außen eingeknickt.<br />

Die Geschichte einer verlorengegangenen Schublade<br />

Wie man eine Schublade<br />

aus Blech herstellt<br />

Eine Schülerarbeit, entstanden im Fach Arbeitslehre<br />

von Jens Johannsen<br />

Eine Geschichte über den 15-jährigen Hauke<br />

Vorgeschichte<br />

Zu meinem 15. Geburtstag bekam ich ein Werkzeugschränkchen<br />

(Foto 1) mit einer verlorengegangenen Schublade augenzwinkernd<br />

von meinem Vater mit dem Hinweis geschenkt, dass dieses „Museumsstück“<br />

von meinem Ur-Ur-Großvater vor etwa 75 Jahren in der<br />

Lehrlingsausbildung hergestellt worden sei. Das war für mich ganz<br />

offensichtlich ein Geschenk mit einem Hintergedanken, denn mein<br />

Vater wollte mich herausfordern, die fehlende Schublade zu ersetzen,<br />

besser gesagt, nachzubauen, denn meine Entscheidung, bald eine<br />

Lehre als Werkzeugmacher anzutreten, war bereits bekannt <strong>und</strong> war<br />

ganz offensichtlich das Motiv für dieses Ansinnen.<br />

So entstand nach einigem Nachdenken <strong>und</strong> Ausprobieren zuerst<br />

eine Abwicklung, dann zur Probe eine Schublade aus Papier, <strong>und</strong><br />

schließlich konnte ich die fehlende Schublade durch eine Neuanfertigung<br />

ersetzen; zugegebenermaßen mit kleinen Hilfen, natürlich von<br />

einem „Besserwisser“, meinem Vater.<br />

Foto 1: Das Schränkchen mit der fehlenden Schublade. Dieses<br />

nostalgische Schränkchen, gebaut vor vierGenerationen, gab<br />

die Anregung für einen Nachbau der fehlenden Schublade.<br />

48


Foto 3: Gleichzeitig! mit dem Umbiegen der vier Seitenwände über<br />

einen passgenauen Biegeklotz (nicht abgebildet) werden die vier<br />

Ecken in ihre endgültige Form gefaltet.<br />

Die Abwicklung<br />

Als erstes wird von der Schublade eine Abwicklung mit allen<br />

wichtigen Maßen <strong>und</strong> Biegelinien gezeichnet (Zeichnung 1). Das<br />

ist mit einem Zeichenprogramm, z.B. mit Draw von OpenOffice,<br />

kein besonderes Problem. Jedenfalls viel einfacher als am Reißbrett,<br />

wie es früher üblich war. Die ausgedruckte Zeichnung ist eine<br />

Supervorlage, um alle notwendigen Anrisslinien auf das vorbereitete<br />

Blech zu übertragen. Die Linien werden mit einer Reissnadel auf das<br />

Blech gezeichnet. Dann kann die Abwicklung mit einer Blechschere<br />

ausgeschnitten werden. Die Hauptmaße der rechteckigen Abwicklung<br />

ergeben sich wie unschwer erkennbar ist, durch eine einfache<br />

Addition der bekannten Schubladenabmessungen L, B <strong>und</strong> H<br />

(Zeichnung 1). Sie betragen für die kleinere Schublade 162 mm <strong>und</strong><br />

152 mm.<br />

Berechnung der Abwicklungs-Hauptmaße H1 <strong>und</strong> H2 (für die<br />

kleinere Schublade):<br />

H1 = L + 2 x H + 2 x D<br />

H1 = 70 mm + 2 x 40 mm + 2 x 6 mm = 162 mm<br />

H2 = B + 2 x H + 2 x D<br />

H2 = 60 mm + 2 x 40 mm + 2 x 6 mm = 152 mm<br />

Zur Kontrolle, bevor die ersten Blecharbeiten beginnen, ist es<br />

ratsam, die Schublade aus einer Papiervorlage zuzuschneiden <strong>und</strong> zu<br />

falten. Sollen lediglich die Proportionen geprüft <strong>und</strong> die Maße kontrolliert<br />

werden, genügt es, ein Kästchen aus Papier <strong>und</strong> nur mit den<br />

Seitenwänden, also ohne die vier Ecken, die die Seitenwändemiteinander<br />

verbinden, zu falten. In diesem Fall entsteht die maßhaltig korrekte<br />

Form, allerdings sind die vier Ecken des Kästchens offen, <strong>und</strong><br />

weniger stabil (Foto 2). Eine dieser vier Ecken ist in der Zeichnung 1<br />

zur Veranschaulichung grau ausgefärbt.<br />

<strong>Der</strong> Biegevorgang<br />

Da die Schublade vollständig geschlossen (wasserdicht) <strong>sein</strong> soll,<br />

werden die vier Ecken nicht ausgeklinkt, sondern wie im Foto 3+4<br />

gezeigt, eingeknickt bzw. gefaltet <strong>und</strong> anschließend auf die Schmal-<br />

Zeichnung 1: Abwicklung der kleinen Schublade<br />

seite des Kästchens umgebogen. Ein komplizierter Biegevorgang,<br />

der etwas Übung bedarf, besonders, da keine Vorrichtung außer einem<br />

einfachen Biegeklotz aus Holz zur Verfügung steht. Damit das<br />

Falten der Blechecken überhaupt möglich wird, werden die Linien<br />

A <strong>und</strong> B der Abwicklung über eine scharfe Kante (in gegenläufige<br />

Richtung!) vorsichtig – aber deutlich erkennbar – vorgebogen,<br />

49


Um Fehler beim Blechzuschnitt zu vermeiden, kontrolliert Hauke<br />

die Zuschnittmaße <strong>und</strong> Biegelinien an einem Papiermuster. Auch die<br />

Abfolgen beim Biegen werden noch einmal überprüft.<br />

ohne dabei den Boden <strong>und</strong> die Seitenwände einzuknicken oder zu<br />

beschädigen. Jetzt, da im Blech die Biegerichtung der Ecken vorgegeben<br />

ist, können die Seitenwände mit der Biegelinie C über einen<br />

maßhaltigen Biegeklotz mit den Innenmaßen des Kästchens hochgebogen<br />

<strong>und</strong> gleichzeitig die Ecken wie abgebildet gefaltet werden.<br />

Die endgültigen, scharfkantigen Außenformen werden im Schraubstock<br />

bei Verwendung geeigneter Holzschutzbacken gedrückt. Abschließend,<br />

wenn auch die seitlichen Überstände (in der Abwicklung<br />

mit „D“ gekennzeichnet) der vier Außenwände umgebogen sind <strong>und</strong><br />

dadurch der obere Schubladenrand erzeugt <strong>und</strong> stabilisiert ist, wird<br />

der Biegeklotz aus der Schublade entfernt. Im vorliegenden Fall<br />

wurde ein 0,4 mm Aluminiumblech verarbeitet. Dieses Material <strong>und</strong><br />

diese Blechdicke lassen sich problemlos schneiden <strong>und</strong> biegen.<br />

<strong>Der</strong> Handgriff der Schublade<br />

Erst die Fertigung eines geeigneten Handgriffes läßt die Schublade<br />

(Foto 5) perfekt werden. Deshalb einige Überlegungen zu <strong>sein</strong>er<br />

Herstellung. <strong>Der</strong> abgebildete Ringgriff, mit einem äußeren Ringdurchmesser<br />

von 30 mm bei einem Drahtdurchmesser von 3 mm, ist<br />

ursprünglich der Kopf einer Ösenschraube. Die abgesägte Öse hat<br />

bereits die perfekte Kreisform, die ansonsten schwierig zu biegen<br />

wäre. An der Schnittstelle, also am Übergang von der Öse zur<br />

Schraube, wird der Drahtdurchmesser auf 2,5 mm verringert <strong>und</strong><br />

auf die Maße der Biegelasche abgestimmt, die durch einen dünnen<br />

Schlitz in die Schublade eingeführt <strong>und</strong> innen umgebogen wird.<br />

Jetzt kann die Öse frei nach oben <strong>und</strong> unten schwenken, ohne seitlich<br />

auszuwandern. Die Trennfuge der Öse bleibt somit immer abgedeckt.<br />

Foto 5<br />

50


<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />

Historische Weiherschleife<br />

in Idar-Oberstein<br />

von Udo Mannek<br />

Von den einstmals 56 Schleifmühlen ist die Kallwiesweiherschleife<br />

die letzte erhaltene mit Wasserrad angetriebene<br />

Achat schleifmühle am Idarbach. Hier in der Weiherschleife –<br />

wie sie im Volksm<strong>und</strong> genannt wird – zeigen heute Edelsteinschleifer<br />

wie in alten Zeiten an großen Sandstein-Schleifrädern die einzelnen<br />

Arbeitsgänge des Edelsteinschleifens.<br />

Die Bearbeitung der heimischen Edelsteinvorkommen reicht zurück<br />

bis in das 15. Jahrh<strong>und</strong>ert. Früher standen am Idarbach, an der<br />

Nahe <strong>und</strong> anderen Bachläufen r<strong>und</strong> um Idar-Oberstein einmal 183<br />

Schleifmühlen. Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden die Bachschleifen<br />

nach <strong>und</strong> nach stillgelegt. Ein rascher Zerfall sorgte dafür, dass<br />

die Schleifen schon bald aus dem Landschaftsbild verschwanden.<br />

Die Kallwiesweiherschleife<br />

Die „Historische Weiherschleife“ in Idar-Oberstein wurde im Jahr<br />

1754 direkt am Idarbach erbaut. 1866 wurde eine Genossenschaft<br />

gegründet um oberhalb der Schleife einen Weiher anzulegen. Dies<br />

schaffte eine gewisse Unabhängigkeit von den häufig wechselnden<br />

Wasserständen der Idar. Die Weiherschleife war mit Unterbrechungen<br />

bis 1945 in Betrieb. Dann drohte der Zerfall. Jedoch erfolgte in<br />

den Jahren 1953 <strong>und</strong> 1954 die rettende Restaurierung. Die Gesamte<br />

Anlage ist seit 1953 im Besitz der Stadt Idar-Oberstein. Schon seit<br />

1954 wird die Schleife als Gewerbemuseum betrieben.<br />

Es folgte eine weitere Renovierung in den Jahren 1996 <strong>und</strong> 1997.<br />

Seit dem 10. Mai 1997 ist die Schleife wieder für Besichtigungen<br />

geöffnet. Neben den Führungen durch fachk<strong>und</strong>ige Edelsteinschleifer<br />

informiert eine Multimedia-Schau die Besucher unter dem Motto<br />

„Das Geheimnis der Edelsteine“. Ferner kann eine interessante<br />

Ausstellung im Mineralienraum besichtigt werden. Zeitgenössische<br />

Bilder verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeit in der Schleifmühle.<br />

Charakteristisch für Schleifmühlen waren an der Giebelfront die bis<br />

hoch ans Dach reichenden Fenster, um möglichst viel Tageslicht<br />

auszunutzen.<br />

51


1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

Die vier Arbeitsgänge beim<br />

Edelsteinschleifen<br />

Sägen oder Schneiden der Rohsteine<br />

Das Schneiden der rohen Steine muss genau<br />

geplant <strong>sein</strong>, damit möglichst viel von der<br />

Rohsubstanz erhalten bleibt <strong>und</strong> Bruchlinien<br />

sowie Einschlüsse im Kristall nicht zum<br />

Bruch bei der weiteren Verarbeitung führen.<br />

Ebouchieren<br />

Beim Ebouchieren werden die Steine auf<br />

Schleifrädern in Rohform gebracht.<br />

Schleifen oder Facettieren<br />

Beim Schleifen werden die Facetten auf den<br />

Stein gebracht. Die Genauigkeit des Schliffs<br />

entscheidet darüber wie der Edelstein<br />

später die Lichtstrahlen bricht. Bekannt ist<br />

der sogenannte Brillantschliff beim Diamanten.<br />

Schmirgeln <strong>und</strong> Polieren<br />

Polieren ist der letzte Arbeitsgang. <strong>Der</strong><br />

Lapidär oder Polierer muss bei diesem<br />

Arbeitsvorgang genau die geschliffenen<br />

Flächen treffen. Anderenfalls war alle Mühe<br />

vergebens. Nicht selten sind Steinraritäten<br />

beim Polieren zu Bruch gegangen.<br />

Harte Arbeitsbedingungen<br />

Da die Härte des Schleifsteins <strong>und</strong> der zu schleifenden Edelsteine<br />

nahezu gleich ist, mussten sich die Schleifer mit aller Kraft gegen<br />

den Schleifstein stemmen. Dabei verrichteten sie die schwere Arbeit<br />

überwiegend auf dem Bauch liegend <strong>und</strong> mit den Füßen abstoßend<br />

auf sogenannten Schleifkippstühlen. Zur Kühlung wurde Wasser<br />

aus dem Weiher auf den Schleifstein geleitet. Im Winter waren die<br />

Schleifer dem 2 °C kaltem Wasser ausgesetzt. Rheuma war oftmals<br />

die Folge. Lange Arbeitszeiten, Staubbelastung <strong>und</strong> Kontakt mit<br />

Klebstoffen <strong>und</strong> anderen Chemikalien belasteten die Schleifer<br />

ebenso. Kleinere Edelsteine wurden auf Holzstäbe geklebt um die<br />

Handhabe beim Schleifen zu verbessern. Es wurden auch kleine<br />

Schüsseln <strong>und</strong> Schalen aus Achat oder Jaspis hergestellt. Je dünner<br />

diese geschliffen waren, umso wertvoller war die Arbeit. Doch wochenlange<br />

Arbeit war jäh zunichte, wenn ein Teil zerbrach. Es gab<br />

dafür dann keinen Lohn!<br />

Edelsteinschürfplatz für Kinder<br />

Für Kinder ist neben der historischen Weiherschleife ein Edelsteinschürfplatz<br />

eingerichtet. Hier können Kinder, Jugendliche<br />

<strong>und</strong> Erwachsene mit Schaufel <strong>und</strong> großen Sieben nach Mineralien<br />

schürfen. Anschließend wird eine Edelsteingeode mit einem<br />

Steinbrecher mittig aufgebrochen <strong>und</strong> die Schönheit der Druse oder<br />

Mandel sichtbar. Alle auf dem Schürfplatz gef<strong>und</strong>enen Stücke <strong>und</strong><br />

die zerteilte Geode darf der „Schürfer“ behalten. An großen handgetriebenen<br />

Sandstein-Schleifrädern kann dann der letzte Schliff an den<br />

Edelstein vorgenommen werden. Ein altes Polierrad kann ebenfalls<br />

benutzt werden.<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Informatives <strong>und</strong> Kontakt<br />

Vom Bahnhof aus ist die Weiherschleife<br />

mit Stadtbussen erreichbar. Die Weiherschleife<br />

ist behindertengerecht ausgebaut.<br />

Parkplätze für Busse <strong>und</strong> Pkw<br />

stehen ausreichend zur Verfügung. Eine<br />

vorherige Anmeldung für Gruppen ab<br />

20 Personen ist zweckmäßig. Weitere<br />

Auskünfte sind bei der Betriebsverwaltung<br />

der Weiherschleife erhältlich.<br />

Öffnungszeiten: 15.03. - 15.11. täglich<br />

von 10.00 - 18.00 Uhr.<br />

Führungen: 10.00 - 12.00 Uhr/<br />

12.30 - 14.30 Uhr <strong>und</strong> 15.00 - 17.00 Uhr<br />

Historische Weiherschleife<br />

Tiefensteiner Straße 87<br />

55743 Idar-Oberstein<br />

Tel.: +40(0)6781/901918<br />

<strong>und</strong> +49(0)6781/31513<br />

E-Mail:<br />

edelsteinminen-idar-oberstein@t-online.de<br />

Homepage:<br />

www.edelsteinminen-idar-oberstein.de<br />

53


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Wie vor 100 Jahren<br />

Die Bandweberei Kafka – ein Relikt aus<br />

längst vergangener Zeit<br />

Schauen wir zurück, zurück ins vorige Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> in die Szene<br />

der Bandwirkerei im Bergischen Land. Im Tal der Wupper sowie<br />

den Nebentälern hatte sich die Herstellung von Textilien <strong>und</strong> Bändern<br />

zu einem industriellen Schwerpunkt konzentriert. Wuppertal,<br />

Lennep, Lüttringhausen, Ronsdorf waren Tuch- <strong>und</strong> Bandwirkerstädte<br />

ersten Ranges. Zuerst war die Bandweberei eine rein private<br />

Arbeit als Nebenerwerb zur Landwirtschaft. Fast jede Familie hatte<br />

in der Wohnküche einen Webstuhl, auf dem in Handarbeit, erstlinig<br />

in den Wintermonaten, textile Produkte gewebt wurden. Um 1850<br />

wurden die Webstühle mechanisiert <strong>und</strong> die Produktionsleistung um<br />

ein Vielfaches gesteigert. Ein Weber, der weiterhin tätig <strong>sein</strong> wollte,<br />

musste gewaltig investieren, um z.B. mit Dampfkraft am Fortschritt<br />

weiterhin teilhaben zu können. Das war nur wenigen möglich.<br />

So entstanden im Tal der Wupper die Mietfabriken. Es wurden<br />

Gebäude errichtet, in denen die „Einzelunternehmer“ ihren Bandvon<br />

Helmut Harhaus<br />

Heute findet man hier kaum noch einen Baum. Mit Straßen <strong>und</strong><br />

Bahnlinie wurde das Tal erschlossen. Es reihen sich riesige Industriekomplexe<br />

aneinander – wie die Perlen auf der Schnur. Und inmitten<br />

dieser gigantischen Hallen findet man die Bänderei, die heute<br />

noch wie vor h<strong>und</strong>ert Jahren die Schiffchen flitzen läßt.<br />

Ein Backsteingebäude (Bandfabrik Emil Kikuth), ein altbergisches<br />

Schieferhaus <strong>und</strong> daneben das Fachwerkgebäude der alten Bleicherei<br />

(Bleicherhaus Tönnies) bilden das Ensemble, in dem die Zeit<br />

stehen geblieben ist. Ein paar Stufen führen hinauf zu einer alten<br />

Eisen türe, denn die Wupper trat früher oft über ihre Ufer, deshalb<br />

legte man vorsorglich die erste Etage höher. Hinter dieser Türe<br />

taucht man ein in die Anfangszeiten der Industrialisierung. Das<br />

„Office“ heißt noch „Kontor“, die Treppen sind nicht aus Marmor <strong>und</strong><br />

nicht mit Teppichboden belegt. Die „Empfangshalle“ ist nur ein Flur<br />

von vielleicht 4 Quadratmetern, hier das „Schwarze Brett“ mit den<br />

Infos, wer, was zu tun hat.<br />

... betriebsinternes Intranet ... hier funktioniert es mit Kreide statt mit<br />

Strom! Und das ist seit 1887 so, seit das Haus gebaut wurde.<br />

Für einen Besuch braucht man schon etwas Wagemut, höllisch laut<br />

ist es <strong>und</strong> alles bebt im Hause, einem Erdbeben gleich, wenn die<br />

Bandstühle im Parterre <strong>und</strong> im ersten Stock in Betrieb sind. <strong>Der</strong> alte<br />

Fußboden schwingt <strong>und</strong> schlingert im Takt der Arbeit. Das tut er<br />

nun aber schon über 100 Jahre ...<br />

Wir sind in einem „produzierenden Museum“ oder – treffender<br />

– in einer „musealen Produktion“ – voll ausgelastet <strong>und</strong> betriebswirtschaftlich<br />

profitabel.<br />

Einst stand hier ein dichter Wald, urwaldähnlich <strong>und</strong> nahezu<br />

<strong>und</strong>urchdringlich. Das enge Tal der Wupper war abgelegen,<br />

die damaligen Handelswege führten durch einfacher begehbares,<br />

befahrbares Terrain. Doch die wachsende Industrialisierung<br />

brauchte im 18./19. Jahrh<strong>und</strong>ert Energie, viel Energie. So rückte<br />

man in die Täler vor, der Wasserkraft der Wupper folgend. Eng an<br />

den Felswänden wurden die ersten Kotten errichtet, das Wasser<br />

der Wupper gestaut <strong>und</strong> so die Kraft über unzählige Wasserräder<br />

genutzt. Ob Metallverarbeitung, also <strong>Schmied</strong>en <strong>und</strong> Schleifereien,<br />

oder die Textilindustrie, beide siedelten sich im Wupper-Tal an. Und<br />

das, obwohl meistens die Produkte nur zu Fuß heran <strong>und</strong> weggebracht<br />

werden konnten – so eng <strong>und</strong> schlecht war das Wegenetz im<br />

Tal. Umso ergiebiger jedoch war die nutzbare Wasserkraft.<br />

Wie es begann<br />

54


stuhl aufstellen konnten <strong>und</strong> in denen über eine zentrale Energieversorgung<br />

über Transmissionen die Stühle angetrieben wurden. Viele<br />

Einzelweber fanden sich so zu „Genossenschaften“ zusammen. Sie<br />

konnten ihre Selbständigkeit behalten, konnten größere Bandstühle<br />

aufstellen als bislang in den Räumen der Wohnung <strong>und</strong> diese mit<br />

mechanischem Antrieb betreiben.<br />

Es war damals jedoch nicht anders als heute. Das Bessere ist des<br />

Guten Feind. Die Industrialisierung revolutionierte den Markt ebenso<br />

heftig <strong>und</strong> schnell, wie es heute die Globalisierung tut. Die Mietfabriken<br />

wurden auch schnell „zum alten Eisen“. Die umständliche<br />

Energieversorgung mittels Transmissionen wurde bald vom Elektromotor<br />

abgelöst. Die Bandstühle wurden größer <strong>und</strong> schneller<br />

– das ließ sich in den Mietfabriken nicht so schnell nachvollziehen,<br />

wie ein Handeln nötig gewesen wäre. Erschwerend kam hier hinzu,<br />

dass man sich im Wuppertal sehr auf Massenware spezialisiert hatte.<br />

Es gab sehr viele, sehr ähnliche Produkte, die einfach austauschbar<br />

waren. Damit wurde die Konkurrenzsituation immer schwieriger.<br />

Ergo, auch das System der Mietfabriken war recht bald am Ende der<br />

wirtschaftlichen Rentabilität. Die Mieter, die als Einzelunternehmer<br />

tätig waren, gaben auf.<br />

Die Bänderei Kafka entstand<br />

Die Firma Mardey hat dann sukzessive die Bandstühle übernommen<br />

<strong>und</strong> in eigener Regie weiterhin betrieben. Aber auch in dieser Form<br />

war dem Betrieb nicht viel Erfolg beschieden, denn man produzierte<br />

weiterhin „Massenware“: Etiketten für Kleidung, für Schuhe usw.<br />

Diese Ware war bald sehr viel schneller <strong>und</strong> damit sehr viel billiger<br />

auf den modernen Webautomaten herstellbar. Die Automaten schaffen<br />

das 100fache, was der klassische Webstuhl produzieren kann!<br />

So wurde in der Beyeroehde 14 (wo der Betrieb r<strong>und</strong> h<strong>und</strong>ert Jahre<br />

ansässig war) zwar immer produziert – aber eigentlich nie so viel<br />

erwirtschaftet, um gr<strong>und</strong>legend modernisiert <strong>und</strong> dem Stand der<br />

Technik angepasst werden zu können. Ein Dilemma, aus dem man<br />

sich knapp 100 Jahre nicht befreien konnte – ein Glücksfall aus heutiger<br />

Sicht! 1990 wurde der Mardey-Betrieb geschlossen.<br />

Am 1.7.1991 übernahm Frau Kafka den Betrieb im Zustand, wie zum<br />

Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Frau Kafka kam aus der Branche, hatte<br />

nicht nur das Wissen um die Bandweberei, sondern auch eine Vision.<br />

Ihre Pläne lösten in der Branche nur Mitleid <strong>und</strong> Kopfschütteln<br />

aus – sie wollte beweisen, was eigentlich unmöglich <strong>sein</strong> müsste: den<br />

profitablen Betrieb auf 100 Jahre alten Maschinen. Ihre Idee war<br />

einfach <strong>und</strong> genial: Weg von der üblichen Massenware, nur noch das<br />

produzieren, was heute auf den modernen Maschinen nicht mehr<br />

möglich ist!<br />

Dinge machen, die andere nicht mehr können<br />

Die heutigen Webautomaten sind zwar 100 bis 400fach schneller<br />

<strong>und</strong>, besonders wenn sie im Ausland stehen, unschlagbar in Preis<br />

<strong>und</strong> Masse. Auf ihnen lassen sich aber auch nur Massenartikel fertigen!<br />

Aufwändige Muster oder zum Beispiel Bänder mit hervorstehenden<br />

Ösen, sind auf den Webautomaten nicht mehr herstellbar.<br />

Die Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit ging auf Kosten<br />

der Vielfalt. Und darauf hat sich Frau Kafka besonnen!<br />

Im Haus standen noch 25 Webstühle, funktionsfähig <strong>und</strong> in Betrieb.<br />

Auf ihnen wurden – wie vor 100 Jahren – in liebevoller handwerklicher<br />

Arbeit die Bänder in hochwertiger Ausführung gewebt. Man<br />

hat die alten, klassischen Muster wieder aufgelegt. Die schmuckvollen<br />

Bänder mit Vergißmeinicht, Maiglöckchen oder Rose gehören<br />

ebenso zur Produkt-Palette wie Bänder mit Namen <strong>und</strong> Schriften.<br />

Diese Designs sind aber nicht, wie bei fast allen preiswerten Bändern<br />

aus heutiger Massenproduktion, aufgedruckt, nein, die Muster<br />

sind aus bis zu 7 Farben eingewebt. Weit über 400 Artikel sind<br />

derzeit im Angebot – <strong>und</strong> es werden immer mehr. Die Liebhaber<br />

dieser edlen Bänder finden sich inzwischen über den ganzen Erdball<br />

verteilt. Besonders in Japan schätzt man diese für Applikationen<br />

auf hochwertiger Damen-Oberbekleidung. Aber auch für Taschen,<br />

Kissen sind die strapazierfähigen, gewebten Bänder gefragt.<br />

Die Designs werden auch heute noch in traditioneller Art <strong>und</strong><br />

Weise entworfen <strong>und</strong> für die Produktion vorbereitet. Zum Mitarbeiter-Team,<br />

das derzeit 5 Fachleute umfasst, gehören die<br />

56


alten, traditionellen Berufsbilder: <strong>Der</strong>/die<br />

Musterzeichner(in) entwirft mit Blei- <strong>und</strong><br />

Buntstift das Design. Dieses wird von<br />

der Patro<strong>neu</strong>rin auf ein Raster übertragen<br />

<strong>und</strong> so der Fadenlauf für jeden Webschlag<br />

festgelegt. Ist dieser Vorgang abgeschlossen,<br />

kann die Muster karte geschlagen<br />

werden. Auf den alten Originalmaschinen<br />

wird eine Lochkarte ge stanzt <strong>und</strong> auf der<br />

alten Karten-Nähmaschine zum Endlosband<br />

zusammengesetzt. Das wird alles<br />

gänzlich ohne Computer-Unterstützung<br />

gefertigt. Die Jacquard-Karte kann nun auf<br />

den Webstühlen eingesetzt werden, das<br />

Lochmuster der Karte steuert die Mechanik<br />

der Webstühle.<br />

Die Webstühle sind alle nach dem System<br />

von Joseph Maria Jacquard (1752 - 1834) gebaut.<br />

Das Arbeiten mit dem Jacquard-Stuhl<br />

war <strong>sein</strong>erzeit die „Königsdisziplin“ in der<br />

Webtechnik. <strong>Der</strong> Franzose, der in einer<br />

Weberei groß geworden war, hatte mit<br />

<strong>sein</strong>er Erfindung die Webtechnik <strong>und</strong> den<br />

Webstuhlbau gr<strong>und</strong>legend revolutioniert.<br />

Seine Erfindung war so bahnbrechend, dass<br />

im Jahre 1834, <strong>sein</strong>em Todesjahr, schon<br />

30.000 Maschinen nach <strong>sein</strong>em System in<br />

Betrieb waren! Alle Webstühle in der Kafkaschen<br />

Bänderei arbeiten auch nach diesem<br />

Prinzip. Das bedeutet natürlich, dass es<br />

auch noch Mitarbeiter – vom Musterzeichner,<br />

über Patro<strong>neu</strong>r, Kartenschläger bis zum<br />

Weber – geben muss, die dieses komplizierte<br />

Verfahren kennen <strong>und</strong> beherrschen! Außerdem<br />

sind die rein mechanischen Webstühle<br />

natürlich dem normalen Verschleiß ausgesetzt<br />

<strong>und</strong> müssen von Webstuhlschreinern<br />

gewartet werden. Diese Berufsbilder sind<br />

rar, fast ausgestorben. In Wuppertal gibt<br />

es nur noch wenige Betriebe, die dieses<br />

Können <strong>und</strong> Wissen vermitteln, pflegen <strong>und</strong><br />

nutzen.<br />

Ein denkwürdiges Denkmal<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wurde der Betrieb auch<br />

als „Denkmal“ eingestuft. Kein Geringerer<br />

als Wolfgang Clement stellte die<br />

Urk<strong>und</strong>e aus <strong>und</strong> dokumentierte somit die<br />

Wichtigkeit dieses letzten Dinos der Weber-Zunft,<br />

das üb<strong>erlebt</strong> hat. <strong>und</strong> das ist dem<br />

Wagemut <strong>und</strong> der „verrückten“ Idee Frau<br />

57


Kafkas zu verdanken. Ihr Interesse galt den Bändern, den schönen,<br />

hochwertigen Webartikeln – nicht der musealen Aufgabe. So ist dieser<br />

Betrieb nur ganz nebensächlich ein „Museum“ – aber vor allem ein<br />

aktiver <strong>Handwerk</strong>sbetrieb, der sich <strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Mitarbeiter ernähren<br />

kann, dem es inzwischen kaum noch gelingt, so viel zu produzieren,<br />

wie die K<strong>und</strong>schaft gerne hätte!<br />

Verschiedene Gründe machten einen Umzug in 2010 notwendig.<br />

<strong>Der</strong> alte Betrieb wurde „eingepackt“: alle Webstühle wurden zerlegt<br />

<strong>und</strong> zum <strong>neu</strong>en Standort transportiert. Stück für Stück wieder aufgestellt<br />

<strong>und</strong> in Betrieb genommen. Das Haus an der Öhder Straße<br />

war schon 1887 für die Weberei Kikuth gebaut worden. Einige Jahre<br />

hatte ein Dachdeckerbetrieb hier ein Lager. Doch nun rumpeln<br />

hier wieder die Webstühle – laut <strong>und</strong> mächtig – wie einst im ganzen<br />

Wuppertal. Mit dem Umzug hat sich Frau Kafka zur Ruhe gesetzt<br />

<strong>und</strong> sich auf eine beratende Tätigkeit reduziert. Mit Christine Niehage<br />

konnte eine Geschäftsführerin gewonnen werden, die ebenfalls<br />

aus der Branche stammt <strong>und</strong> mit gleichem Elan die Bänderei Kafka<br />

weiterführt. Hier werden noch lange die Fäden verwebt!<br />

Die Produktion läuft hier an 5 Tagen der Woche mit 40 Wochenst<strong>und</strong>en.<br />

Am zweiten Samstag im Monat ist das Haus von 10 bis 16<br />

Uhr für Besucher geöffnet – dann wird die Bänderei zum „produzierenden<br />

Museum“. Dort können Besucher sehen <strong>und</strong> erleben, wie<br />

die alten Schiffchen in endloser Folge hin <strong>und</strong> her flitzen <strong>und</strong> der<br />

Webstuhl im Takt der Jacquard-Steuerung <strong>sein</strong>e Arbeit verrichtet<br />

<strong>und</strong> dabei r<strong>und</strong> 75 cm Band pro St<strong>und</strong>e ausspuckt!<br />

Für das Lernen <strong>und</strong> den Verkauf<br />

Im Nebenhaus, dem typisch bergischen, verschieferten Fachwerkgebäude,<br />

werden in einem geschmackvoll <strong>und</strong> stilecht gestalteten<br />

Verkaufsraum die Produkte ausgestellt <strong>und</strong> angeboten. Auch viele<br />

tolle Dinge, die man aus den Bändern machen kann, sind hier zu sehen.<br />

Frau Niehage zeigt hier, was man auf den alten Jacquard-Stühle<br />

an schönen Dingen machen kann. Mehrfach pro Monat werden<br />

Workshops angeboten, in denen interessierte Hobby-Schneiderinnen<br />

den Einsatz <strong>und</strong> die Verarbeitung der Bänder erlernen können –<br />

natürlich urgemütlich bei Kaffee <strong>und</strong> Kuchen! In diesen Workshops<br />

zeigt die Truppe um Frau Niehage wie <strong>und</strong> was man mit Bändern<br />

machen kann: vom Kirschkernsäckchen bis zum Hochzeitskleid – es<br />

gibt nichts, was durch ein traditionell gewebtes Band nicht aufgewertet<br />

werden könnte!<br />

Man staunt nicht schlecht, wenn man sieht, was in der heutigen Zeit<br />

unmöglich <strong>sein</strong> müsste: Die Produktion auf 100 Jahre alten Maschinen!<br />

Man erkennt praktisch, was „Bandwirkerei“ war <strong>und</strong> ist. Die<br />

w<strong>und</strong>erschönen Bänder, Etiketten, gewebten Bildchen machen die<br />

Auswahl schwer! Für den, der’s nicht <strong>erlebt</strong> hat, nur schwer vorstellbar,<br />

wie diese Muster <strong>und</strong> Designs gefertigt worden sind.<br />

Fotos: Helmut Harhaus<br />

Kontakt<br />

Firma<br />

Bänderei Kafka<br />

Geschäftsführerin: Christine Niehage<br />

Oehde Straße 47 <strong>und</strong> 49<br />

42289 Wuppertal<br />

Tel.: +49(0)202 602744<br />

Fax.: +49(0)202 6084703<br />

E-Mail: kontakt@baenderei-kafka.de<br />

Internet: www.baenderei-kafka.de<br />

58


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Historische<br />

Senfmühle Cochem<br />

von Udo Mannek<br />

Direkt neben der Moselbrücke in Cochem-Cond liegt die<br />

historische Senfmühle Anno 1810. Sie zählt zu den ältesten<br />

Senfmühlen Europas. Hier <strong>und</strong> in einer weiteren Senfmühle<br />

in Köln stellt Senfmüller Wolfgang Steffens nach ausgesuchten<br />

<strong>und</strong> historischen Rezepturen <strong>und</strong> Verfahren herausragende Gourmet-Senfsorten<br />

her. Wir durften bei der Senfherstellung nach alter<br />

Tradition zuschauen.<br />

Geschichte der historischen Senfmühlen<br />

in Cochem <strong>und</strong> Köln<br />

Die Geschichte der beiden Senfmühlen in Cochem <strong>und</strong> Köln<br />

reicht zurück bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert. Die ehemaligen Standorte der<br />

Mühlen sind heute leider nicht mehr bekannt. Im Jahre 1931 wurden<br />

die Mühlen erstmalig in Belgien restauriert <strong>und</strong> betrieben. Später<br />

wurden sie nach Holland verkauft <strong>und</strong> bis 1993 in Betrieb gehalten.<br />

Senfmüller Wolfgang Steffens konnte diese technischen Denkmäler<br />

1997 erwerben. Beide Mühlen befanden sich in einem sehr schlechten<br />

Zustand. Viel Zeit <strong>und</strong> Mühe kostete die gründliche Restaurierung<br />

<strong>und</strong> technische Generalüberholung einer der beiden Senfmühlen.<br />

Am 1. April 1999 startete Senfmüller Steffens mit <strong>sein</strong>er ersten restaurierten<br />

Mühle in Birgel/Vulkaneifel als Einzelunternehmer. Seit dem<br />

1. Mai 2001 hat die Senfmühle ihren Standort in Cochem-Cond.<br />

Nach der Restauration der zweiten historischen Senfmühle erfolgte<br />

die Inbetriebnahme im Jahre 2009 in Köln am Holzmarkt gegenüber<br />

dem Schokoladenmuseum.<br />

Als Gr<strong>und</strong>lage für den feinsten kalt gemahlenen Gourmet-Senf der in<br />

den beiden alten Senfmühlen hergestellt wird, dienen zwei Originalrezepte.<br />

Eins stammt aus dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert; das andere aus dem<br />

Jahre 1820 – beide sind ein absolutes Betriebsgeheimnis. <strong>Der</strong> Senf<br />

wird so hergestellt, wie dies dem Baujahr der Senfmühlen entspricht.<br />

59


Wolfgang Steffens ist in der Koblenzer <strong>Handwerk</strong>srolle als Senfmüller<br />

eingetragen. Sein Motto „Klasse statt Masse“ steht für Erfolg.<br />

So wurde er für <strong>sein</strong>e Spitzenqualität von der DLG bereits mit fünf<br />

Goldenen <strong>und</strong> einer Silbernen Medaille ausgezeichnet.<br />

Herstellung<br />

Die Tagesproduktion der Originalsenfmühle in Cochem beträgt<br />

lediglich 180 kg. Das ist vergleichsweise wenig, denn in einer mo dernen<br />

Industrieanlage werden bis zu 130 Tonnen täglich produziert.<br />

Für das Kaltmahlverfahren dreht sich der 525 kg schwere Läuferstein<br />

bestehend aus schwarzem Basaltlavastein auf dem unteren ruhenden<br />

Bodenstein. <strong>Der</strong> schwarze Basalt speichert keine Hitze <strong>und</strong> ist sehr<br />

hart. Bis 1964 wurde in Mendig in der Vulkaneifel Basalt abgebaut.<br />

Als Baumaterial fand dieser Stein in den F<strong>und</strong>amenten des Kölner<br />

Doms Verwendung. <strong>Der</strong> Mühlstein in der Cochemer Senfmühle<br />

wird noch gut <strong>und</strong> gerne 180 Jahre halten.<br />

Für die Herstellung der unterschiedlichen Senfsorten verwendet<br />

Wolfgang Steffens gelbe <strong>und</strong> braune Senfsaat. Die braune ist kleiner<br />

aber auch doppelt so scharf wie die gelbe Senfsaat. In Deutschland<br />

ist der gelbe Ackersenf verbreitet, dessen Korn bei geringerem<br />

Öl anteil etwas größer als <strong>sein</strong> kanadischer Verwandter ist. Wegen<br />

diesem höheren Ölanteil wird ausschließlich kanadische Senfsaat<br />

verarbeitet. Die Senfpflanze hat übrigens Ähnlichkeit mit Raps.<br />

Blüte <strong>und</strong> Wuchshöhe sind gleich. Es gibt jedoch Unterscheidungsmerkmale<br />

die an den Blättern deutlich zu erkennen sind. Senf<br />

hat zackige Blätter, Raps dagegen lange schmale <strong>und</strong> ungezackte<br />

Blätter.<br />

Die Senfsaat wird nach der Ernte mit Hilfe eines Luftstroms von<br />

Staub <strong>und</strong> Spelzen getrennt, gebürstet <strong>und</strong> über Zackenwalzen<br />

zerrissen. Dabei trennt sich die Schale ab. Übrig bleibt der ölhaltige<br />

Senfschrot. <strong>Der</strong> Senfschrot wird nun in einem Maischebottich eingemaischt.<br />

Senfmüller Steffens verzichtet auf Aroma- oder Farbstoffe.<br />

Geschmacksverstärker <strong>und</strong> Schwefeldioxyd kommen genau so wenig<br />

in <strong>sein</strong>en Senf. Nach der Zugabe von 11 verschiedenen Gewürzen<br />

wird 3 St<strong>und</strong>en umgerührt. Danach darf der Senf 24 St<strong>und</strong>en ruhen.<br />

Jetzt wird die Maische zwischen die Mühlsteine gepumpt. Durch<br />

Absenken des oberen Mühlsteins kann der Mahldruck eingestellt<br />

werden. Je größer der Druck umso fester wird der Senf. Beim<br />

Mahlvorgang werden auch die ätherischen Öle freigesetzt, die den<br />

Senf über 2 Jahre haltbar machen. Industriell hergestellter Senf wird<br />

mit Kor<strong>und</strong>scheibenmaschinen gemahlen. Jedoch wird der Senf<br />

wegen der schnelllaufenden Kor<strong>und</strong>scheiben über 65 Grad heiß <strong>und</strong><br />

die wertvollen ätherischen Öle verbrennen. <strong>Der</strong> wertvolle Gehalt des<br />

Senfkorns bleibt beim Kaltmahlverfahren mit allen ätherischen Ölen<br />

<strong>und</strong> natürlichen Inhaltsstoffen vollwertig erhalten.<br />

Schon die Römer verwendeten aus zwei Tonmischungen hergestellte<br />

salzglasierte Steintöpfchen. Da die Luft in dem porösen Material<br />

zirkulieren kann, bleibt der Topf immer kühl. Auch in den originalen<br />

salzglasierten Steinguttöpfen der Senfmühle Cochem hat der Senf<br />

eine Haltbarkeit von bis zu zwei Jahren. Die Töpfe können auf<br />

dem Küchenregal aufbewahrt werden <strong>und</strong> müssen nicht in einem<br />

Kühlschrank gelagert werden.<br />

Früher gab es Senf nur flüssiger Form. Dieser wurde in Kannen<br />

aufbewahrt. Da der Senf damals mit Most hergestellt wurde, erhielt<br />

60


er Alkohol. Kinder die man zum Senf holen schickte, wollte man in<br />

guter Absicht vom Alkoholgenuss fernhalten <strong>und</strong> schreckte sie mit<br />

der Lüge „Senf macht dumm“ vor der Versuchung ab.<br />

Neun Senfsorten<br />

Die Senfmühle in Cochem stellt <strong>neu</strong>n verschiedene Senfsorten her:<br />

<strong>Der</strong> historische Senf ist der Klassiker <strong>und</strong> nach einem Originalrezept<br />

aus dem Jahre 1820 hergestellt. <strong>Der</strong> <strong>neu</strong>trale mittelscharfe Senf ist<br />

für alle Speisen nutzbar. Kölner Mostert ist ein sehr aromatischer<br />

Senf der mit Kölschbier (Gaffel Kölsch) hergestellt wird <strong>und</strong> gut zu<br />

Blutwurst oder den Kölner Spezialitäten wie „Halven Hahn“ <strong>und</strong><br />

„Himmel un Äd“ passt. <strong>Der</strong> Mühlensenf nach einem Rezept aus dem<br />

Jahr 1520 ist ein süßlicher Senf der wie bei den Mönchen im Mittelalter<br />

mit Wein hergestellt wird. Dieser Senf schmeckt weihnachtlich<br />

<strong>und</strong> ist zum Verfeinern von Wildgerichten empfehlenswert. Als<br />

weitere Senfsorten sind in der Senfmühle mittelscharfer Knobisenf,<br />

Bärlauchsenf, Wabensenf mit einem 30%igen Honiganteil, mittelscharfer<br />

Indisch Curry Senf, ferner der Rieslingsenf Cochem,<br />

hergestellt mit einem halbtrockenen Rieslingwein <strong>und</strong> der sehr<br />

scharfe Cayenne-Senf zu haben. Alle erhältlichen Senfsorten können<br />

kostenlos probiert werden. Ebenso sind einige Senfnebenprodukte<br />

wie Senfschnaps, Likör, Printen <strong>und</strong> Suppe käuflich zu erwerben.<br />

Spitzenköche der Sternegastronomie verwenden den Senf aus der<br />

Cochemer Senfmühle.<br />

Eigenschaften des Senfes -<br />

Ges<strong>und</strong>heitliche Aspekte<br />

Senf wirkt appetitanregend <strong>und</strong> verdauungsfördernd. Fette Speisen<br />

werden durch Senf verdaulicher. Teilentöltes Senfmehl nutzte man<br />

früher für Senfbäder <strong>und</strong> Senfwickel bei Erkältungen <strong>und</strong> Bronchitis.<br />

Für eine Darmkur eignet sich Braunsenfsaat. Viele ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Eigenschaften sagt man dem Senf nach. So soll kaltgemahlener<br />

Senf die Herzkranzgefäße erweitern <strong>und</strong> Herzinfarkten vorbeugen.<br />

Senf gilt als cholesterin- <strong>und</strong> blutdruckregulierend. Außerdem<br />

hemmt Senf das Wachstum <strong>und</strong> die Vermehrung von Bakterien.<br />

Nur 5 Gramm reichen für den Tagesbedarf eines Menschen aus.<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Kontakt<br />

Historische Senfmühle Anno 1810<br />

Wolfgang Steffens GmbH<br />

Stadionstraße 1<br />

56812 Cochem-Cond<br />

www.senfmuehle.net<br />

Öffnungszeiten:<br />

Mo. - So. von 10.00 bis 18.00 Uhr<br />

Kostenlose Senfprobe <strong>und</strong> Verkauf<br />

Täglich Führungen; Dauer: 0,5 St<strong>und</strong>en<br />

Historische Senfmühle Köln<br />

Kölner Senfmuseum<br />

Holzmarkt 79 - 83<br />

50676 Köln<br />

www.senfmuehle-koeln.de<br />

Täglich geöffnet; täglich 6 Führungen;<br />

geöffnet 10.00 Uhr - 18.00 Uhr<br />

61


Damals<br />

Das deutsche <strong>Handwerk</strong><br />

<strong>sein</strong>e Anfänge, <strong>sein</strong>e Entwicklung<br />

<strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Organisation<br />

von Christian Schwarzer<br />

Das deutsche <strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Organisation genießen<br />

auch heute noch in der ganzen Welt einen besonderen Ruf.<br />

<strong>Der</strong> Begriff „Meister“ ist zu einem Synonym für Könner,<br />

Beherrscher <strong>sein</strong>es <strong>Handwerk</strong>s <strong>und</strong> für Zuverlässigkeit geworden.<br />

Er steht für eine gründliche Ausbildung im praktischen Können<br />

sowie im theoretischen Wissen <strong>sein</strong>es Berufes. Nachgewiesen durch<br />

eine vorgeschriebene Lehrzeit bei einem anderen Meister, Besuch<br />

einer berufsbildenden Schule während der gesamten Lehrzeit <strong>und</strong><br />

Vertiefung <strong>sein</strong>es Wissens während der Vorbereitungszeit zur<br />

Meisterprüfung. Diese Entwicklung des <strong>Handwerk</strong>s <strong>und</strong> <strong>sein</strong>er Organisationsformen<br />

fand in einem Jahrh<strong>und</strong>erte währenden Prozess<br />

statt <strong>und</strong> hinterließ im deutschen Brauchtum <strong>und</strong> in der deutschen<br />

Sprache tiefe Spuren.<br />

Die Anfänge des deutschen <strong>Handwerk</strong>s<br />

Die Wurzeln des berufsmäßigen <strong>Handwerk</strong>s liegen im Hausgewerbe.<br />

Was unsere Urväter zur Wohnung, Nahrung <strong>und</strong> Kleidung<br />

benötigten, was ihnen zum Schutz <strong>und</strong> zur Verteidigung diente,<br />

wurde fast ausnahmslos im eigenen Haus hergestellt. <strong>Der</strong> Hausvater<br />

zimmerte mit <strong>sein</strong>en Knechten das Blockhaus samt dem Hausrat,<br />

die Frauen drehten die Spindel, webten das Garn <strong>und</strong> nähten die<br />

62


auch die Kerzen zogen), Winzer (waren auch Küfer), Schiffer, Jäger,<br />

Fischer <strong>und</strong> Köche.<br />

Während man früher annahm, dass in Deutschland bis ins 10.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert fast der gesamte Bedarf an gewerblichen Artikeln durch<br />

Hauswirtschaft <strong>und</strong> durch Hörige auf Fronhöfen <strong>und</strong> in Klöstern<br />

erzeugt wurde, wissen wir heute, dass es bereits im frühesten Mittelalter<br />

berufsmäßige, selbstständige <strong>Handwerk</strong>er gab. Man glaubt<br />

heute, dass schon unmittelbar nach der Völkerwanderungszeit, im<br />

6. bis 8. Jahrh<strong>und</strong>ert, nachdem sich die deutschen Stämme in den<br />

ehemaligen römischen Provinzen dauernd niedergelassen hatten,<br />

eine gewerblich reine Eigenwirtschaft nicht mehr bestand <strong>und</strong> der<br />

Bedarf zum großen Teil auf dem Markt gedeckt werden musste.<br />

Fürsten, Gr<strong>und</strong>herren, Bischöfe <strong>und</strong> Äbte zogen zum Bau <strong>und</strong><br />

zur Ausstattung der Pfalzen, Fronhöfe, Kirchen <strong>und</strong> Klöster, zur<br />

Ausrüstung des Heeres <strong>und</strong> zur Befriedigung des Bedürfnisses<br />

nach Luxusgegenständen vielfach berufsmäßige <strong>Handwerk</strong>er von<br />

auswärts heran. Diese waren oft nur auf bestimmte Zeit gemietete<br />

Wanderhandwerker. Sie kamen zum Teil aus den wieder aufblühenden<br />

ehemaligen Römerstädten, in denen Gewerbe <strong>und</strong> Handel<br />

niemals ganz erloschen waren. Außerdem kamen sie aus Italien<br />

<strong>und</strong> Gallien. Die Fortdauer des römischen <strong>Handwerk</strong>s <strong>und</strong> dessen<br />

Weiterführung durch freie deutsche <strong>Handwerk</strong>er ist erwiesen für das<br />

Metall-, Ziegel-, Töpfer-, Glaser- <strong>und</strong> Böttchergewerbe in Rhein-,<br />

Main- <strong>und</strong> Donauländern.<br />

Das bürgerliche <strong>Handwerk</strong> im Mittelalter<br />

Kleider. Die Knechte <strong>und</strong> Mägde mahlten auf der Handmühle das<br />

Korn. Sie backten Brot <strong>und</strong> brauten Bier. Nur das Schneidergewerbe,<br />

das schon in vorgeschichtlicher Zeit als Wandergewerbe entstanden<br />

war, entwickelte sich sehr frühzeitig zu einem eigenen Gewerbe.<br />

Feinere Gewebe, Töpfer-, Metall- <strong>und</strong> Schmuckwaren wurden schon<br />

vor Beginn unserer Zeitrechnung größtenteils im Tauschverkehr von<br />

den benachbarten Kelten <strong>und</strong> Römern erworben.<br />

Eine reiche Entfaltung des Gewerbelebens finden wir in den<br />

Römerstädten südlich der Donau (Regensburg, Passau, Augsburg,<br />

Kempten) <strong>und</strong> am Rhein (Köln, Mainz, Worms). In der Zeit der<br />

Völkerwanderung ging das Römische Reich unter <strong>und</strong> mit ihm versank<br />

das Kulturleben in den Städten. Aber die erhaltenen <strong>und</strong> wieder<br />

aufgebauten Römersiedlungen wurden mit den Resten der alten<br />

Bevölkerung zu Ansatz- <strong>und</strong> Ausgangspunkten für die Entwicklung<br />

eines deutschen Gewerbelebens.<br />

In geringerem Umfang finden wir auf den Gutshöfen der Fürsten<br />

<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>herren gewerbliche Betriebe, betrieben durch unfreie<br />

<strong>Handwerk</strong>er, die zunächst nur für ihre Herren, nicht für den Markt<br />

arbeiteten. Auch die immer mehr in Abhängigkeit geratenen Bauern<br />

mussten an die Gr<strong>und</strong>herrschaft gewerbliche Erzeugnisse, zum<br />

Beispiel Tuch, als Abgabe entrichten. Die einheimische Landwirtschaft<br />

erzeugte in der Nebenbeschäftigung große Mengen<br />

Leinen- <strong>und</strong> Wollstoff, dessen Überschuss in den Handel kam.<br />

Pflegestätten des frühmittelalterlichen <strong>Handwerk</strong>s waren auch die<br />

Klosterhöfe. Auf einem Gr<strong>und</strong>riss des Klosters St. Gallen (Bild 1)<br />

finden wir einen besonderen Häuserblock mit Werkstätten für Gerber,<br />

Lederarbeiter, Sattler, Drechsler, Schwertfeger (Schleifer von<br />

Schwertern <strong>und</strong> Messern), Schildmacher, <strong>Schmied</strong>e <strong>und</strong> Tuchwalker<br />

(sie reinigten Kleidungsstücke). Ferner gab es Zeidler (Imker, die<br />

Das Aufblühen des freien <strong>Handwerk</strong>s fällt zusammen mit dem<br />

Aufkommen des deutschen Städtewesens im 10. <strong>und</strong> 11. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

Den ersten Anstoß zur Gründung deutscher Städte gaben<br />

die Königshöfe der Merowinger <strong>und</strong> Karolinger, die Bischofs- <strong>und</strong><br />

Grafensitze, manche Klöster <strong>und</strong> die Vororte der alten Gaue. Sie<br />

bildeten die Kernpunkte deutscher Stadt- <strong>und</strong> Marktsiedlungen<br />

<strong>und</strong> damit des heimischen Gewerbes <strong>und</strong> Handels. Solche bis in die<br />

Franken- <strong>und</strong> Agilolfingerzeit (bayrisches Herzogsgeschlecht, 5. - 8.<br />

Jhdt.) zurückreichenden Städte sind im Norden Hamburg, Bremen,<br />

Magdeburg, Quedlinburg, Fulda <strong>und</strong> im Süden Würzburg, Forchheim,<br />

Straubing, Altötting <strong>und</strong> andere.<br />

Die Entstehung der Gilden <strong>und</strong> Zünfte<br />

<strong>Der</strong> Aufstieg der Gewerbe wurde mächtig gefördert durch die<br />

Vereinigung der <strong>Handwerk</strong>er in den Gilden oder Zünften. Diese<br />

setzten sich zur Aufgabe, ihre Arbeits- <strong>und</strong> Absatzgebiete gegen<br />

auswärtige Fachgenossen <strong>und</strong> Händler zu sichern. Alle Personen<br />

desselben Gewerbes verpflichteten sich zu Beachtung der Zunftregeln,<br />

zur gegenseitigen Unterstützung <strong>und</strong> zur Pflege guter Sitten<br />

<strong>und</strong> Geselligkeit. Die ersten dieser <strong>Handwerk</strong>erverbände sind zwar<br />

erst im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert bezeugt, aber ihre Keime gehen schon in<br />

frühe Zeit zurück. Bereits in spätrömischer Zeit bestanden gewerbliche<br />

Organisationen, die sich wohl in den ehemaligen Römerstädten<br />

auf deutschem Boden fortsetzten. Aus dem 6. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

ist in Frankreich die Ordnung der Gewerbe nach Magisterien oder<br />

Ämter belegt, einer Art Aufsichtsbehörde, die die freien Gewerbetreibenden,<br />

wie zum Beispiel die Wollarbeiter <strong>und</strong> die Müller,<br />

beaufsichtigten, um schlechte Leistungen zu verhindern.<br />

Freie Gilden auf deutschem Boden sind schon im 8. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

nachweisbar <strong>und</strong> im Jahre 897 wird in Worms eine jener Transportgenossenschaften<br />

(mlat. societas parafredorum) für den Verkehr<br />

erwähnt, wie sie schon in römischer Zeit bestanden hatten. In Köln<br />

gab es im 11. Jhdt. eine Gilde der Kaufleute.<br />

63


Die hörigen <strong>Handwerk</strong>er der großen Herrenhöfe bildeten „Bruderschaften“<br />

zur Förderung ihrer Interessen <strong>und</strong> zur Pflege der<br />

Geselligkeit <strong>und</strong> des religiösen Lebens. Die „Geselligkeit“ der<br />

<strong>Handwerk</strong>erverbände artete freilich bald in Trinkgelage aus, so dass<br />

Karl der Große in einem Kapitulare (so hießen die Verordnungen<br />

der fränkischen Könige) gegen das malum ebrietatis, das Laster der<br />

Trunksucht, einschritt <strong>und</strong> schließlich die „eidlichen Verschwörungen“<br />

der <strong>Handwerk</strong>er verbot. Auch kirchliche Synoden eiferten<br />

gegen die Unmäßigkeit in den Gildengelagen, an denen auch Frauen<br />

teilnahmen. Sie gestatteten dagegen religiöse <strong>und</strong> „nützliche“ Gilden.<br />

Die Gilden machten also<br />

ihrem Namen alle Ehre,<br />

denn das Wort Gilde<br />

kommt aus dem altsächsischen<br />

geldan (unser<br />

hochdeutsches „gelten“)<br />

im Sinne von „erstatten,<br />

spenden, opfern“, bedeutet<br />

also ursprünglich<br />

soviel wie Opfer, dann<br />

Opferschmaus, gemeinsame<br />

Mahlzeit, endlich<br />

Festversammlung <strong>und</strong><br />

geschlossene Gesellschaft.<br />

Im Sinne einer<br />

Vereinigung der Kaufleute<br />

<strong>und</strong> <strong>Handwerk</strong>er<br />

wurde es nur am Rhein<br />

<strong>und</strong> in Niederdeutschland<br />

gebraucht, während<br />

in Süddeutschland dafür<br />

„Zunft“ geläufig wurde,<br />

welches Wort zuerst im<br />

8. Jahrh<strong>und</strong>ert als Zunft<br />

in der Bedeutung der gesetzmäßigen<br />

Zusammenkunft<br />

der Klostergenossen<br />

für das lateinische<br />

Wort conventus<br />

er scheint <strong>und</strong> später auf<br />

die Hand werksverbände<br />

übertragen wurde. Zunft<br />

ist abgeleitet von ziemen, d. i. „sich schicken“, „angemessen <strong>sein</strong>“,<br />

bedeutet also eigentlich Schicklichkeit, Regel oder Gesetz. Daraus<br />

wurde: eine nach bestimmten Regeln eingerichtete Genossenschaft.<br />

Auch bei den Zunftfesten ging es oft hoch her, weshalb man noch<br />

heute „zünftig“ für ausgelassene Lustbarkeit gebraucht.<br />

Eine ältere bayrisch-österreichische Bezeichnung der Zunft war<br />

„Zeche“, d.i. ursprünglich „Ordnung nacheinander“, „Einrichtung“,<br />

„Gesamtheit von Personen“ die etwas in bestimmter, zeitlicher<br />

Reihenfolge verrichten (zum Beispiel die Zechen der Bergleute),<br />

dann Genossenschaft, Vereinigung zu bestimmten Zwecken,<br />

schließlich der Geldbeitrag zu einem gemeinsamen Gelage <strong>und</strong> die<br />

Wirtsrechnung. Jüngere Bezeichnungen der Zünfte sind „Innung“<br />

oder „Einung“ (d.h. Vereinigung, Verbindung zu einer Körperschaft),<br />

Gewerk <strong>und</strong> <strong>Handwerk</strong>.<br />

„Das <strong>Handwerk</strong> grüßen“ sagten die <strong>Handwerk</strong>sburschen, wenn sie<br />

bei einem Zunftgenossen vorsprachen.<br />

Die Organisation <strong>und</strong> die Ordnung der Zünfte<br />

Nach den Zunftordnungen gliedern sich die <strong>Handwerk</strong>e in drei<br />

Stufen: Meister, Geselle <strong>und</strong> Lehrling. <strong>Der</strong> Titel Meister wurde<br />

anfangs nur im Baugewerbe gebraucht. Das Wort ist aus dem<br />

Lateinischen magister entlehnt, d. h. Vorsteher, Lehrer, <strong>und</strong> kam in<br />

<strong>sein</strong>er speziellen Anwendung auf die <strong>Handwerk</strong>sleiter im 7. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

nach Deutschland. Wahrscheinlich mit Baumeistern aus der<br />

Gegend um Como, magistri Comacini genannt, die mit ihren Gehilfen<br />

zur Ausführung von Großbauten ins Ausland berufen wurden.<br />

Als Überbleibsel der altrömischen Zünfte wurden sie zum Vorbild<br />

für die deutschen<br />

Gewerbeverbände.<br />

Ein solcher Meister<br />

lebte mit <strong>sein</strong>en Leuten<br />

unter einem Dach in der<br />

Bauhütte. Seine Gehilfen<br />

waren, wie schon<br />

ihr Name collegantes<br />

= Kollegen sagt, mehr<br />

<strong>sein</strong>e Mitarbeiter als<br />

<strong>sein</strong>e Untergebenen.<br />

Dieses patriarchalische<br />

Verhältnis zwischen<br />

Meister <strong>und</strong> Gehilfe<br />

kommt auch in der<br />

deutschen Bezeichnung<br />

„Geselle“ zum Ausdruck,<br />

die für collegantes verwendet<br />

wird <strong>und</strong> eigentl<br />

ich „Saalgenosse“, d. i.<br />

Hausgenosse bedeutet.<br />

<strong>Der</strong> Titel „Gesell“ wurde<br />

anfänglich nur in den<br />

als vornehm geltenden<br />

Gewerben gebraucht,<br />

während für die Gehilfen<br />

der niederen <strong>Handwerk</strong>er,<br />

zum Beispiel der<br />

Müller, Bäcker, Brauer,<br />

Weber, Schuster <strong>und</strong><br />

<strong>Schmied</strong>e die älteren<br />

Namen „Knecht“ <strong>und</strong><br />

„Knappe“ (Bergknappe) zum Teil bis in die Neuzeit andauerten.<br />

<strong>Der</strong> Lehrling hieß in der älteren Sprache „Lern- oder Lehrkind“<br />

oder auch „Kind, Knabe oder Knecht“. Er stand in „hausherrlicher“<br />

Gewalt <strong>und</strong> Zucht des Lehrherrn, der das Züchtigungsrecht über<br />

ihn besaß. Dieses scheint jedoch des öfteren überschritten worden<br />

zu <strong>sein</strong>. Nach dem Münchener Stadtrecht war der Lehrling im Falle<br />

einer Misshandlung berechtigt, aus der Lehre zu laufen. In dem<br />

„Schwabenspiegel“, einem zwischen 1273 <strong>und</strong> 1283 geschriebenen<br />

Rechtsbuch waren die Merkmale einer Misshandlung <strong>und</strong> ihrer<br />

Folgen auch für den Meister genau festgelegt.<br />

Gewisse Vergünstigungen genossen die Meistersöhne: ein Meistersohn,<br />

der das <strong>Handwerk</strong> von <strong>sein</strong>em Vater gleichsam erbte, hatte<br />

keine bestimmten Gesellenjahre, musste keine Wanderpflicht erfüllen<br />

<strong>und</strong> war sogar vom Meisterstück entb<strong>und</strong>en.<br />

Das Wandern der Gesellen, um sich weiter auszubilden, war anfangs<br />

ein freiwilliger Brauch, wurde aber später durch die Zunftordnung<br />

64


zum Zwang gemacht. Die durch Wandern erworbene gesteigerte<br />

Geschicklichkeit kommt auch in der Sprache zum Ausdruck: wer<br />

durch Wandern viel gelernt hat, ist in <strong>sein</strong>er Sache „bewandert“.<br />

<strong>Der</strong> selbstständige Betrieb eines Gewerbes war durch die Zugehörigkeit<br />

zur Zunft bedingt. Nichtzünftige <strong>Handwerk</strong>er, die nicht<br />

in offener Werkstatt, sondern im geheimen, oft auf dem Dachboden<br />

arbeiteten, wurden rücksichtslos verfolgt, oft sogar mit polizeilicher<br />

Hilfe. Es wurde ihnen „das <strong>Handwerk</strong> gelegt“ d. h. untersagt. Für sie<br />

wurden mancherlei Schimpf- <strong>und</strong> Spottnamen geprägt. Weil sie „ins<br />

<strong>Handwerk</strong> pfuschten“, d.h. ohne „zünftige“ Ausbildung <strong>und</strong> daher<br />

schlechter arbeiteten, hießen sie mitteldeutsch „Pfuscher“ d. h. sie<br />

„huschten“ über die Arbeit ohne sie wirklich zu können. Im norddeutschen<br />

wurden sie „Stümper“ genannt von niederdeutsch „Stump“<br />

oder hochdeutsch „Stumpf“, d. i. verstümmelt, unvollkommen. Schneider,<br />

die heimlich auf dem Dachboden arbeiteten, wurden „Bönhasen“<br />

genannt von „bön“, d. i. der Dachboden, die Bühne des Hauses.<br />

Ansiedlung der <strong>Handwerk</strong>er in den Städten<br />

In den mittelalterlichen Städten (Bild 3) wohnten die <strong>Handwerk</strong>er<br />

eines Gewerbes in der Regel nahe beieinander in einer Gasse, die<br />

nach ihnen ihren Namen erhielt. Gewerbe, die durch ihren lärmenden<br />

Betrieb die Ruhe störten (Schäffler <strong>und</strong> <strong>Schmied</strong>e) oder durch<br />

Rauch <strong>und</strong> üblen Geruch lästig fielen (Gerber, Färber, Kerzengießer<br />

<strong>und</strong> Seifensieder) durften nicht im Innern der Stadt betrieben<br />

werden. Darum findet man Schäffler-, Lederer- <strong>und</strong> Färbergassen<br />

meistens an der Stadtmauer oder sogar vor den Toren der Stadt. Es<br />

konnte allerdings auch ein einziger in einer Gasse ansässiger Betrieb<br />

namensgebend für diese Gasse <strong>sein</strong>.<br />

Abschluss <strong>und</strong> Ausblick<br />

<strong>Handwerk</strong> hat einen goldenen Boden. Es wäre ein Irrtum, aus<br />

diesem alten Sprichwort zu folgern, dass die <strong>Handwerk</strong>er in früherer<br />

Zeit meist wohlhabende Leute gewesen seien. Aus alten Zunftrollen<br />

ersehen wir, dass die <strong>Handwerk</strong>er ihr Gewerbe nur in Ausnahmefällen<br />

mit mehr als einem Gesellen <strong>und</strong> einem Lehrling betrieben,<br />

häufig aber allein oder nur mit einem eigenen Sohn. Manche haben<br />

auch mit ihrer Frau zusammen gearbeitet. Damit waren natürlich<br />

keine Reichtümer zu verdienen. <strong>Der</strong> einfache <strong>Handwerk</strong>smann<br />

musste, zumal in schlechten Zeiten, froh <strong>sein</strong>, am Ort eine sichere<br />

K<strong>und</strong>schaft zu haben. Nicht selten war er gezwungen, auf Vorrat zu<br />

arbeiten <strong>und</strong> für <strong>sein</strong>e Fertigwaren außerhalb der Stadt auf Märkten<br />

Absatz zu suchen. Das Beste, was die alte Zeit mit ihren Zünften<br />

einem <strong>Handwerk</strong>er bieten konnte, war eine bescheidene Existenz,<br />

Sicherung gegen Erwerbslosigkeit <strong>und</strong> gegen Unterdrückung durch<br />

Konkurrenten. Und dieser Schutz der Kollegen untereinander führte<br />

zu immer stärkerer Überwachung, zur Gängelung <strong>und</strong> Bewahrung<br />

alter Verfahren. Die Zünfte verhinderten den Zuzug <strong>neu</strong>er Wettbewerber<br />

<strong>und</strong> die Anwendung <strong>neu</strong>er Verfahren. Sie entwickelten sich<br />

immer mehr zu einer Behinderung der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

<strong>und</strong> wurden nach der französischen Revolution in den von Napoleon<br />

dominierten Gebieten eingeschränkt oder ganz aufgehoben. Spätestens<br />

nach der Reichsgründung im Jahre 1871 wurde die Gewerbefreiheit<br />

im Deutschen Reich überall eingeführt.<br />

Die modernen Nachfolger der Zünfte sind die <strong>Handwerk</strong>erinnungen.<br />

An manchen Orten bestehen Zünfte noch als <strong>Handwerk</strong>ervereinigungen<br />

oder als folkloristische Vereine.<br />

Quellen: G. Rehlen, Geschichte der <strong>Handwerk</strong>e <strong>und</strong> Gewerbe, Leipzig 1856;<br />

Internet: A. Böe, Das <strong>Handwerk</strong> im deutschen Mittelalter, 2011; Wikipedia <strong>und</strong><br />

verschiedene Hinweise.<br />

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So. (1.11.- 31.3.) von 10–12 Uhr<br />

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15–17 Uhr) . Jeweils am letzten vollen<br />

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65


66<br />

<strong>Handwerk</strong> im Museum


Unser tägliches Brot<br />

Backtag im Freilichtmuseum<br />

von Manuela Mannek<br />

In den Sommermonaten kann man an jedem Mittwoch ab 12.00<br />

Uhr frisch gebackenes Brot aus der eigenen Backstube an der<br />

Museumskasse des Niederrheinischen Freilichtmuseums in<br />

Grefrath/Kreis Viersen kaufen. An allen anderen Tagen erhalten die<br />

Museumsbesucher das Brot aus dem Steinbackofen des örtlichen<br />

Bäckers im Tante-Emma-Laden auf dem Museumsgelände. Ich<br />

wollte wissen wie das Brot entsteht <strong>und</strong> durfte dem Bäcker bei <strong>sein</strong>er<br />

Arbeit im „Backes“ über die Schulter schauen <strong>und</strong> lernen, was „hart<br />

verdientes Brot“ bedeutet.<br />

Wer heutzutage selber Brot backen möchte schaltet den elektrischen<br />

Backofen ein, knetet den Teig mit der Küchenmaschine <strong>und</strong> legt<br />

diesen auf das Blech oder in eine Form, wartet eine St<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

schon ist das Brot fertig. Oder noch einfacher: man kauft sich einfach<br />

einen Brotbackautomaten.<br />

Früher war das ein wenig anders<br />

Bäcker Schommer vom Museumsverein Dorenburg e.V. gewährte<br />

mir Einblick in die Backstube von damals. Erst einmal muss der<br />

Steinofen mit Holz angeheizt werden. <strong>Der</strong> Anfang ist schnell getan,<br />

aber man muss ständig kontrollieren, ob das Feuer womöglich wegen<br />

Luftmangel wieder ausgegangen ist. Deshalb bleibt der „Schoss“<br />

beim Anheizen immer geöffnet. Das erfordert Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />

Ausdauer. Auch muss immer wieder Holz nachgelegt werden damit<br />

der Ofen die ausreichende Hitze zum Brotbacken entwickeln kann.<br />

Inzwischen werden die rohen Brotlaibe vom örtlichen Bäcker in<br />

Brotkörben am Backhaus angeliefert.<br />

Die Laibe werden auf Regale in der Backstube zum Aufgehen gelegt<br />

<strong>und</strong> abgedeckt. Das Abdecken ist auch nötig, denn der Ofen muss vor<br />

dem Backen wieder sauber gemacht werden. Dabei fliegt die Asche<br />

überall hin <strong>und</strong> es raucht fürchterlich. Dann prüft der Bäcker an den<br />

seitlich von außen eingelassenen Schiefersteinen ob die Backtemperatur<br />

erreicht ist. Um ganz sicher zu <strong>sein</strong>, macht er die Ofentür auf,<br />

hält <strong>sein</strong>en Arm vor die Öffnung <strong>und</strong> betet das „Vater unser“ bis zu<br />

der Stelle „unser tägliches Brot gib uns heute“. Wenn sich dann die<br />

Armhaare von der Hitze kräuseln ist die richtige Temperatur von<br />

250 °C erreicht. <strong>Der</strong> Vorgang des Anheizens kann schon einmal bis zu<br />

2 St<strong>und</strong>en dauern.<br />

67


Jetzt wird die Glut <strong>und</strong> Asche aus dem Ofen entfernt. Zum Ausräumen<br />

wird der Rekelstecken verwendet. Mit der Schubkarre wird die<br />

Asche aus der Backstube befördert. Eine Schweißtreibende Arbeit!<br />

<strong>Der</strong> nächste Arbeitsgang ist das „Ausfeudeln“. So nennt man das<br />

Auswischen mit einem an einer Holzstange befestigtem nassem Kartoffelsack<br />

oder einem in Wasser getauchten Strohbesen. Mit einem<br />

Wasserschlauch entfernt Bäcker Schommer die letzten Aschereste<br />

aus dem Steinofen.<br />

Ich fragte: „Ist der Ofen jetzt nicht wieder kalt?“, der Bäcker lachte<br />

<strong>und</strong> sagte ich solle es mal überprüfen! Das ließ ich besser bleiben!<br />

Unglaublich wie die Schamottesteine die Wärme speichern. Erst<br />

müssen nun die Steine wieder trocknen, damit die Brote nicht<br />

ankleben. Die Brote auf den Regalen sind mittlerweile schön<br />

aufgegangen. Mit einem „Schöttel“ oder auch „Schießer“ werden die<br />

Laibe nach <strong>und</strong> nach in den Ofen geschoben. Immer paarweise <strong>und</strong><br />

schön mit System, damit auch alle ihren nötigen Platz haben <strong>und</strong><br />

gleichmäßig Hitze abbekommen. Wenn alle Laibe im Ofen sind ist<br />

es wichtig, dass die Ofentür zu ist.<br />

Nach ca. einer St<strong>und</strong>e sind die Brote fertig. Bäcker Schommer testet<br />

dies indem er auf die Brote klopft. Wenn sich das Brot hohl anhört<br />

ist es durchgebacken. Es duftet herrlich! Ich kaufe mir gleich eins für<br />

die Lieben daheim.<br />

Das Backhaus im Niederrheinischen<br />

Freilichtmuseum<br />

Das Backhaus im Niederrheinischen Freilichtmuseum stammt aus<br />

dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> stand ursprünglich in der Honschaft Unterbruch<br />

in Willich-Schiefbahn. Unter dem hinteren Dach befindet<br />

sich der gemauerte Ofen. Mit Schanzen (Reisigbündeln) wurde der<br />

Ofen erhitzt. Nach dem Entfernen der Glut backen die aufgeheizten<br />

Steine das Brot aus. Backhäuser dienten früher oft auch als Altersitz.<br />

Fotos: Manuela Mannek<br />

Kontakt<br />

Niederrheinisches Freilichtmuseum<br />

Navigationsadresse:<br />

Stadionstraße 145<br />

Postadresse:<br />

Am Freilichtmuseum 1<br />

47929 Grefrath<br />

Tel.: +49(0)2158/9173-0<br />

Fax: +49(0)2158/9173-16<br />

E-Mail: freilichtmuseum@kreis-viersen.de<br />

Homepage: www.niederrheinisches-freilichtmuseum.de<br />

www.facebook.com/NiederrheinischesFreilichtmuseum<br />

Früher aß man gewöhnlich lang haltbares Schwarzbrot. Es wurde<br />

nur zweimal im Monat gebacken. Schon am Vorabend des Backtages<br />

wurde der Brotteig bestehend aus Roggenschrot, Salz, Sauerteig<br />

<strong>und</strong> Mehl angesetzt. Über Nacht gärte der Teig. Auch der Ofen<br />

wurde schon am Abend mit dicken Ästen vorgeheizt. Backen war<br />

früher üblicherweise Frauenarbeit. Das Kneten des Teiges wurde<br />

jedoch von Männern erledigt.<br />

68


Erleben Sie “<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>”<br />

live vor Ort bei einem Besuch im museum<br />

69


<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />

Tau aus Synthetikmaterial am Poller eines Fischkutters festgemacht<br />

Reepschläger oder Seiler<br />

von Klaus-Uwe Hölscher<br />

ist das niederdeutsche Wort für Seil bzw. Tau.<br />

Reepschläger waren <strong>Handwerk</strong>er, die Seile herstellten.<br />

„Reep“<br />

Bekannt ist die Reeperbahn in Hamburg als Straße der<br />

Bars <strong>und</strong> Nachtlokale. Auch ein Schlager besingt dieses Vergnügungsviertel:<br />

„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ...“ Damit ist<br />

die Straße gemeint, auf der früher Seile <strong>und</strong> Taue gedreht wurden.<br />

Gerade in einer Hafenstadt waren Reepschläger ein wichtiger Beruf.<br />

Aber auch im Binnenland finden sich an Flüssen, Kanälen <strong>und</strong><br />

Häfen noch manchmal Gebäude, in denen früher Seiler tätig waren.<br />

So gibt es in Oldersum (Gemeinde Moormerland Landkreis Leer)<br />

das Museum „Alte Seilerei“. Oldersum liegt an der Ems, die über<br />

den Dollart hinter Emden in die Nordsee mündet. Insofern ist die<br />

Geschichte des Ortes, in dem heute eine Werft ansässig ist, auch von<br />

der Schifffahrt <strong>und</strong> ihren Bedürfnissen geprägt.<br />

Gründer der ehemaligen Reepschlägerei <strong>und</strong> Seilerei Diepen in<br />

Oldersum war kein Einheimischer, sondern Peter Bruns Diepen aus<br />

Jemgum, einem Ort an der gegenüberliegenden Seite der Ems, dem<br />

Rheiderland. 1847 legte er den Gr<strong>und</strong>stein für den Betrieb, der sich<br />

über fünf Generationen im Familienbesitz befand. <strong>Der</strong> Nachfolger<br />

des Firmengründers erweiterte ab 1883 das Angebot <strong>und</strong> fertigte<br />

außer Tauwerk auch komplette Segel für die Schifffahrt <strong>und</strong> Seilerwaren<br />

für die Landwirtschaft. Ab 1924 betrieb die Firma Diepen<br />

einen Großhandel mit Fertigprodukten <strong>und</strong> bot später auch Netze<br />

für die Küstenfischerei an.<br />

Im Jahre 1979 wandelte sich die Firma Diepen vom <strong>Handwerk</strong>sbetrieb<br />

zur Handelsgesellschaft. Schwerpunkt wurde ab 1997 der<br />

Vertrieb von Verpackungsmaterial. Zwei Jahre später wurde das Unternehmen<br />

an den Bremer Dieter H. Wischhusen verkauft. Seit 2008<br />

heißt die Firma W-Pack GmbH & Co.KG mit Sitz in Neermoor am<br />

Borgwardring <strong>und</strong> verkauft Verpackungsmaterial.<br />

70


Rohmaterial Hanf, Kokos, Sisal<br />

Rohmaterial für die Herstellung von Tauen <strong>und</strong> Seilen waren früher<br />

Naturprodukte wie Hanf, Kokos <strong>und</strong> Sisal. Letzteres wird aus<br />

den Blattfasern der Agave gewonnen. Um spinnfähige Fasern zu<br />

erhalten, muss Hanf von holzigen Beimengungen gereinigt werden.<br />

Dazu verwendete man die Hechel, ein Brett mit langen senkrechten<br />

Drahtstiften, durch die Hanfbüschel gezogen wurden. Daher<br />

lautete der Gr<strong>und</strong>satz: „Hechelei ist die Mutter der Seilerei.“ Auch<br />

bei der Flachsbearbeitung wurde die Hechel als kammartiges, mit<br />

Drahtspitzen versehenes Werkzeug benutzt. Die Redewendung:<br />

„jemanden durch die Hechel ziehen“ bedeutet: über jemanden in<br />

spöttischer, boshafter Weise zu reden.<br />

Nach dem Hecheln ist das Verspinnen der Fasern der zweite<br />

wichtige Arbeitsschritt, um Fäden zu erhalten. Man unterscheidet<br />

zwischen Bindfäden = Zusammendrehen zweier Fäden; Schnüren<br />

<strong>und</strong> Kordeln = mindestens zwei Fäden mit stärkerer Drehung; <strong>und</strong><br />

Seil = Zusammendrehen von mindestens zwei Schüren.<br />

Im Museum „Alte Seilerei“ in Oldersum ist die zweih<strong>und</strong>ert Meter<br />

lange Reeperbahn, also das Gebäude zur Herstellung der Seile noch<br />

gut erhalten. Auch die Maschinen, teils in Handarbeit oder durch<br />

Elektromotor mit Transmission betrieben, sind noch vorhanden,<br />

so dass den Besuchern das Flechten von Seilen vorgeführt werden<br />

kann. So können sich Kinder für einen kleinen Unkostenbeitrag ein<br />

Springseil anfertigen lassen <strong>und</strong> dabei selbst die Flechtmaschine<br />

drehen.<br />

Harte Arbeit bei Hitze <strong>und</strong> Kälte<br />

In Wirklichkeit war jedoch die Arbeit in der Seilerei körperlich<br />

anstrengend <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlich problematisch. Bis in die Zeit vor<br />

dem 2. Weltkrieg wurde von Montag bis Samstag je 9 St<strong>und</strong>en pro<br />

Tag gearbeitet für einen St<strong>und</strong>enlohn von nur 15 Pfennig! Deshalb<br />

war meist noch zusätzliche Heimarbeit erforderlich, um die Familie<br />

zu ernähren. Aufgr<strong>und</strong> des nur einschaligen Mauerwerks <strong>und</strong> der<br />

Spulrahmen-Gestelle mit verschiedenen Garnhaspeln<br />

Hanffasern <strong>und</strong> Hechelbrett: die Büschel wurden durch die Drahtstifte gezogen<br />

Arbeitsgeräte in der Alten Seilerei in Oldersum: bis 9<br />

St<strong>und</strong>en pro Tag wurde bei Hitze <strong>und</strong> Kälte gearbeitet<br />

71


einfachen Verglasung der Fenster war es in der Seilerei je nach<br />

Jahreszeit sehr kalt oder auch heiß. So lautet der Ausspruch der<br />

Arbeiter: „Wir zogen dicke Jacken an.“ Zudem belasteten Faserreste<br />

<strong>und</strong> Staub die Atemwege.<br />

Unter den zahlreichen Maschinen in der Seilerei sind zu nennen:<br />

die Litzenmaschine verseilt Garne zu Litzen. Auf einem Spulrahmengestell<br />

sind zahlreiche Haspeln aufgereiht. Die Anzahl<br />

der Spulen bestimmt die Stärke der Litze. Außerdem ist eine<br />

Draht-Spleiß-Auftörnmaschine zu besichtigen. Besonders fallen<br />

die Austreibewagen auf, die sich auf Schienen bis zum Ende der<br />

zweih<strong>und</strong>ert Meter langen Seilerbahn bewegen können. Dazwischen<br />

befindet sich das geflochtene, kräftige Seil.<br />

Heute Kunststoffe<br />

Während früher die Seiler Naturprodukte verarbeiteten <strong>und</strong> sogar<br />

aus Stroh Seile geflochten wurden (ich erinnere mich an meinen<br />

Großvater, der mit Strohseilen das frisch geerntete Heu zu Ballen<br />

bzw. B<strong>und</strong>en zusammenband), dominieren heute Fasern aus<br />

Kunststoffen. Das synthetische Material besitzt wesentlich größere<br />

Haltbarkeit. So sind zum Beispiel die Fangnetze der Fischkutter<br />

aus Kunststoff hergestellt. Das bestätigte mir ein Fischer im Hafen<br />

Ditzum im Rheiderland, wo einige Kutter zum Granat- bzw. Krabbenfang<br />

in der Ems <strong>und</strong> Nordsee beheimatet sind.<br />

Seilherstellung auf der „Reeperbahn“ in Oldersum<br />

Seiler im Ständebuch<br />

Das bekannte Ständebuch von Jost Amman, 1568 in Frankfurt am<br />

Main erschienen, widmet mit <strong>sein</strong>en 133 Holzschnitten der verschiedensten<br />

Berufe ein Bild auch dem Seiler. Auf dem Holzschnitt sind<br />

zwei „Seyler“ mit mehreren Tauen <strong>und</strong> Stricken abgebildet. <strong>Der</strong><br />

zugehörige Text lautet übersetzt unter Verzicht auf die Reime: „Ich<br />

bin ein Seiler, der zum Teil die langen Schiffsseile anfertigen kann.<br />

Auch Seile zum Hausbau, mit denen man Mörtel, Zimmererholz<br />

<strong>und</strong> Steine hochziehen kann. Ich kann auch Garne <strong>und</strong> Netze<br />

machen zur Jagd <strong>und</strong> Tierhatz, außerdem auch Fischernetze, große<br />

<strong>und</strong> kleine, ansonsten auch allerlei normale Stricke. Für „Mörtel“ =<br />

Gemenge aus Kalk <strong>und</strong> Sand zum Mauern von Steinen wird im Text<br />

Bretter mit Bohrungen für verschiedene Seilstärken<br />

Kontakt<br />

Museum „Alte Seilerei“<br />

Hinter der Bleiche 1<br />

26802 Moormerland-Oldersum<br />

Informationen:<br />

Tourist-Info Moormerland<br />

Dr.-Warsing-Straße 79<br />

26802 Moormerland<br />

Tel.: +49(0)4954/937871<br />

E-Mail: info@touristik-moormerland.de<br />

<strong>und</strong> Heimatverein Oldersum<br />

Tel.: +49(0)4924/485<br />

Öffnungszeiten:<br />

Di. <strong>und</strong> Do. mit Führungen<br />

von 15.00 bis 17.00 Uhr<br />

So. ohne Führungen<br />

von 15 bis 17 Uhr weitere<br />

Öffnungszeiten nach<br />

vorheriger Anmeldung.<br />

72


das Wort „Mörder“ verwandt. Dies passt zwar nicht in den Sinnzusammenhang<br />

des Verses, wo vom Baugewerbe gesprochen wird,<br />

aber Stricke bzw. Seile wurden auch verwandt, um Mörder am Galgen<br />

zu erhängen, wenn das Urteil „Tod durch den Strang“ lautete.<br />

Strang <strong>und</strong> Strick in Redensarten<br />

Die Wörter „Strang“ <strong>und</strong> „Strick“ kommen auch in einigen Redensarten<br />

vor. „Wenn alle Stränge/Stricke reißen“ bedeutet: Wenn es<br />

keine andere Möglichkeit mehr gibt, wenn alles andere nicht klappt.<br />

„Wenn alle an einem Strang ziehen“ verfolgen sie das gleiche Ziel,<br />

sind sich also einig bei ihrem Vorgehen. Wer „über die Stränge<br />

schlägt“, überschreitet das Erlaubte. Mit den „Strängen“ sind die<br />

Seile des Pferdegeschirrs gemeint. Schlägt ein Pferd mit den Hinterhufen<br />

nach oben aus, schlägt es über die Stränge. Im schlimmsten<br />

Fall geht es mit dem Fuhrwerk durch <strong>und</strong> bringt den Kutscher in<br />

Lebensgefahr. „Jemanden gehen die Pferde durch“ ist auch eine Redensart,<br />

wenn jemand die Kontrolle über etwas verliert. „Die Pferde<br />

scheu machen“ heißt: unnötig Aufregung verursachen.<br />

Zurück zum Museum „Alte Seilerei“ in Oldersum. Neben dem langgestreckten<br />

Gebäude der Seilerbahn befindet sich der „Appel tuun“<br />

(Apfelgarten). Dabei handelt es sich um eine Streuobstwiese mit<br />

vielen alten Apfelsorten. So luden im September 2011 der Naturschutzb<strong>und</strong><br />

(NABU) <strong>und</strong> die Touristinformation Moormerland<br />

zum schon traditionellen Apfelfest ein, wo eine Vielzahl an Aktionen<br />

<strong>und</strong> Leckereien r<strong>und</strong> um den Apfel angeboten wurde. So ergab<br />

sich eine gelungene Kombination von historischem <strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong><br />

Naturk<strong>und</strong>e.<br />

Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />

Reines Naturprodukt: Rolle mit armdickem Schiffstau<br />

Motorboot „Keerlke“ mit Schiffstau in Schwarz-Rot-Gold<br />

73


Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />

Auffahrt zum Kippboden in der Maschinenziegelei<br />

An den Aktionstagen wird die Maschinenziegelei in Bewegung gesetzt, ein System von Rädern <strong>und</strong> Laufbändern<br />

74


Blick auf die weitläufige Anlage des Ziegeleimuseums Lage, rechts<br />

ein Backofen<br />

Blick vom Kippboden auf die Ziegel-Trocknungsanlage<br />

<strong>Handwerk</strong> der Ziegler<br />

Ziegeleien in Lage/Lippe (NRW),<br />

Bevern <strong>und</strong> Nenndorf<br />

von Klaus-Uwe Hölscher<br />

Die Ziegelei Lage wurde im Jahre 1909 in Sylbach am nördlichen<br />

Stadtrand von Lage (LK Lippe/NRW) von Gustav<br />

Beermann <strong>und</strong> Friedrich Bobe gegründet. Sie blieb bis zur<br />

Stilllegung 1979 im Besitz der Familie Beermann. 1982 übernahm<br />

der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die Anlage. Sie bildet<br />

einen von inzwischen acht Standorten des Westfälischen Industriemuseums.<br />

Zu diesem Verb<strong>und</strong> gehören außer der Ziegelei Lage<br />

die Zeche Zollern II/IV in Dortm<strong>und</strong>, die Zeche Hannover I/II/V in<br />

Bochum-Hordel, die Zeche Nachtigall in Witten, die Henrichshütte<br />

in Hattingen, das Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop,<br />

die Glashütte Gernsheim in Petershagen <strong>und</strong> das Textilmuseum<br />

Bocholt.<br />

Bis zur Erfindung der Dampfmaschine wurden Ziegel in Handarbeit<br />

hergestellt. Das war Schwerstarbeit. <strong>Der</strong> Lehm, ein eisenhaltiges<br />

Gemisch aus Ton <strong>und</strong> Sand, wurde im Tagebau abgegraben <strong>und</strong><br />

musste unter Beigabe von Wasser zu einer zähen, formbaren Masse<br />

aufbereitet werden. Ehe man Kleimühlen mit Pferdeantrieb zur<br />

Verfügung hatte, wurde der Lehm mit den Füßen geknetet. Am<br />

Streichtisch erhielt das Rohmaterial durch Holz- oder Metallformen<br />

<strong>sein</strong>e Quaderform. Dann wurden die Rohlinge zwei bis drei Wochen<br />

an der Luft getrocknet <strong>und</strong> anschließend in Feldbrandöfen oder<br />

gemauerten Öfen gebrannt.<br />

Lippische Wanderziegler<br />

Fast alle Ziegeleien in Lippe waren Saisonbetriebe, die vom Frühjahr<br />

bis zum Herbst arbeiteten. Seit den 1860er Jahren <strong>erlebt</strong>e das<br />

Leinengewerbe einen starken Rückgang. Da die Bevölkerung jedoch<br />

rasch wuchs, herrschte Mangel an Arbeitsplätzen <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />

Not. Dies führte dazu, dass lippische Einwohner als „Wanderziegler“<br />

in auswärtigen Betrieben Arbeit suchten. Das Leben dieser Männer,<br />

die in Norddeutschland, im Ruhrgebiet <strong>und</strong> Rheinland als Ziegler<br />

ihren Lebensunterhalt verdienten <strong>und</strong> jeweils ein dreiviertel Jahr<br />

ihrer Heimat <strong>und</strong> Familie fernbleiben mussten, wird im Ziegeleimuseum<br />

Lage besonders ausführlich dokumentiert. So entsteht neben<br />

der Darstellung der technischen Abläufe ein eindrucksvolles Kapitel<br />

Sozialgeschichte des 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Im Jahre 1922 wurde in der Firma Beermann in Lage-Sylbeck eine<br />

Einzylinder-Dampfmaschine angeschafft, um Lehmaufbereitung <strong>und</strong><br />

-formung maschinell durchzuführen. Diese Maschine ist heute nicht<br />

mehr erhalten, jedoch konnte durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />

eine ähnliche Dampfmaschine für das Ziegeleimuseum<br />

Lage erworden werden. Sie war bis 1981 bei der Lagenser Schreinerei<br />

<strong>und</strong> Sargfabrik Wilhelmi im Dienst. Hier der „Steckbrief“ der<br />

ca. 70 PS starken Maschine: Hersteller Maschinenfabrik Buckau R.<br />

Wolf AG Magdeburg, Fabriknummer 1014, Baujahr 1934, Schwungräder<br />

mit 1,80 <strong>und</strong> 2,50 Meter Durchmesser.<br />

Maschinenziegelei in Aktion<br />

Ein wahres Kraftpaket ist der Zweizylinder-Schweröl-Dieselmotor,<br />

der 1954 die unwirtschaftliche Dampfmaschine in der Ziegelei<br />

Lage-Sylbach ablöste. Hersteller: Motorenfabrik Herford, Typ<br />

HSNB, Leistung 240 PS bei 250 U/Min., Baujahr 1952. <strong>Der</strong><br />

75


Motor wurde 1992 generalüberholt. Im Sinne eines produzierenden<br />

Museums wird er an bestimmten Wochenenden in Betrieb gesetzt<br />

<strong>und</strong> treibt die Maschinen zur Ziegelherstellung an. So können die<br />

Besucher an diesen Aktionstagen die einzelnen Arbeitsschritte bei<br />

der Ziegelproduktion hautnah miterleben. Es war ein Glücksfall,<br />

dass in der Ziegelei Beermann auch nach der Bestriebsstilllegung<br />

alle Origi nalmaschinen erhalten blieben, nach <strong>und</strong> nach restauriert<br />

wurden <strong>und</strong> somit wieder für die Vorführungen funktionsfähig sind.<br />

Etwas schwierig war es, das Herzstück der Maschineziegelei, den<br />

Herford-Diesel an <strong>sein</strong>em originalen Einsatzort zu fotografieren.<br />

Tageslicht dringt nur durch ein kleines Fenster in den knapp bemessenen,<br />

recht dunklen Maschinenraum. Aber mit Weitwinkel-Objektiv,<br />

Blitzlicht <strong>und</strong> einer im Museum ausgeliehenen Trittleiter, die<br />

ich „auf eigene Gefahr“ besteigen durfte, waren doch einigermaßen<br />

aussagekräftige Fotos möglich.<br />

<strong>Der</strong> Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat im Jahre 2001 einen<br />

sehr informativen Museumsführer über die Ziegelei herausgegeben.<br />

Darin wird auch der R<strong>und</strong>weg durch die Maschinenziegelei<br />

beschrieben, der mit dem Maschinenraum beginnt: „<strong>Der</strong> Arbeitstag<br />

des Maschinisten begann um 6 Uhr morgens, eine St<strong>und</strong>e früher als<br />

der <strong>sein</strong>er Kollegen. Zunächst musste er den Motor für den Betrieb<br />

vorbereiten, d.h. die Tanks auffüllen, die Lager schmieren <strong>und</strong> das<br />

Schwungrad in die richtige Startposition bringen. Danach erst konnte<br />

der Motor mit Hilfe von Pressluft gestartet werden. Diese <strong>und</strong><br />

viele weitere Arbeitsschritte können die Museumsbesucher an den<br />

Aktionstagen miterleben.<br />

Museumspädagogische Angebote<br />

Nicht nur wegen <strong>sein</strong>es umfangreichen Maschinenparks ist das<br />

Ziegeleimuseum Lage-Sylbach interessant <strong>und</strong> sehenswert. Es<br />

wird über das ganze Jahr ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm<br />

angeboten, wobei besonders Familien mit Kindern <strong>und</strong> Schulklassen<br />

als Museumsbesucher angesprochen werden. Die Besucher können<br />

selbst Skulpturen, Feuerschalen <strong>und</strong> Schmuck aus Ton angefertigen.<br />

Unter dem Motto „Tiere im Winterschlaf “ werden unter Anleitung<br />

einer Museumspädagogin Feldhamster, Siebenschläfer <strong>und</strong> Bären<br />

modelliert.<br />

Eine besondere Attraktion sind die Fahrten mit der Diesellok-Feldbahn<br />

r<strong>und</strong> um das Gelände der ehemaligen Tongrube <strong>und</strong> die<br />

Aktionstage der Maschinenziegelei. Dann ist der Herford-Diesel<br />

in Aktion <strong>und</strong> treibt die Geräte an, die stündlich mehrere h<strong>und</strong>ert<br />

Ziegel herstellen.<br />

Ein weiteres bedeutendes Industriedenkmal ist die ehemalige<br />

Ziegelei Pape in Bevern bei Bremervörde (Landkreis Rotenburg/<br />

Wümme). Hier arbeiteten zeitweilig auch lippische Wanderziegler.<br />

Insofern besteht auch eine Beziehung zum Ziegeleimuseum in<br />

Lage/Lippe. Laut Preußischer Landesaufnahme von 1890 gab es im<br />

heutigen Landkreis Rotenburg 23 Ziegeleien. Heute ist die Ziegelei<br />

Pape in Bevern der letzte in dieser kompletten Anlage erhaltene<br />

Betrieb, der von ca. 130 ehrenamtlichen Mitgliedern des Fördervereins<br />

betreut wird. Das gesamte Areal mit Ringofen, Schornstein,<br />

Maschinenhaus <strong>und</strong> langgestreckten Trockenschuppen macht einen<br />

sehr gepflegten Eindruck. Davon konnte sich der Verfasser bei<br />

<strong>sein</strong>em Besuch in Bevern am Tag des Denkmals überzeugen. Die<br />

ehemalige Tonkuhle bildet heute einen Weiher, der mit Seerosen<br />

bewachsen ist <strong>und</strong> sich harmonisch in die Landschaft einfügt.<br />

Ringofen von 1912 erhalten<br />

Schon 1535 lässt sich ein Ziegelmeister auf der erzbischöflichen Ziegelei<br />

in Bevern nachweisen. 1840 nutzte der Vollhöfner Johann Pape<br />

Anzeigenwerbung für Ringöfen zum Brennen von „Ziegeln, Kalk, Thonwaaren, Cement <strong>und</strong> Gyps“<br />

76


die auf <strong>sein</strong>en Gr<strong>und</strong>stücken vorhandenen Lehmvorkommen <strong>und</strong><br />

errichtete auf dem ehemaligen erzbischöflichen Gelände eine Ziegelei.<br />

Die Umstellung auf Maschinenbetrieb erfolgte 1902. Ein weiterer<br />

Schritt im Hinblick auf moderne Technik war die Errichtung des<br />

Hoffmannschen Ringofens im Jahre 1912. Während der beiden Weltkriege<br />

ruhte der Betrieb. 1974 stellte Klaus Pape den Betrieb ein, da<br />

die früher so fortschrittliche Ringofentechnik mittlerweile nicht mehr<br />

wirtschaftlich war.<br />

Ein Glücksfall ist, dass nach fast vierzig Jahren seit dem Ende der<br />

Ziegelherstellung in Bevern fast alle Anlagen noch erhalten sind, so<br />

dass den Besuchern der Produktionsablauf gezeigt werden kann. In<br />

der Lehmkuhle wurde der notwendige Rohstoff, der „Lauenburger<br />

Ton“ gewonnen. Dies geschah anfangs in schwerer körperlicher<br />

Handarbeit, bis 1958 Eimerkettenbagger eingesetzt <strong>und</strong> der Ton mit<br />

Loren per Seilzug zum Maschinenhaus gezogen wurde. Hier wurde<br />

die Ziegelerde zu Vollsteinen, Verblendersteinen, Gitterziegeln <strong>und</strong><br />

Drainagerohren gepresst <strong>und</strong> geformt. Anschließend gelangten diese<br />

Rohlinge in die langgestreckten Trockenschuppen, wo sie zwei bis<br />

drei Wochen zum Trocknen abgelegt wurden.<br />

Dann wurden sie bei 1100 Grad im Ringofen gebrannt. In Bevern<br />

ist der mit 16 Kammern ausgestattete Hoffmannsche Ringofen von<br />

1912 noch erhalten <strong>und</strong> kann innen <strong>und</strong> von oben besichtigt werden.<br />

Interessant sind die vielen Einfüllstutzen für die Kohle als Heizmaterial.<br />

Während im Feldbrandofen noch Torf verfeuert wurde, war der<br />

Ring ofen moderner. Er bestand aus einem geschlossenen Brennkanal<br />

mit mehreren Kammern, in welchem das Feuer im Kreis wanderte.<br />

Zu Beginn der Saison im Frühjahr wurde der Ofen angeheizt<br />

<strong>und</strong> blieb dann bis zum Spätherbst in Betrieb.<br />

Herford-Motor betriebsbereit<br />

Vorgeführt wird den Besuchern die Maschinenanlage der Ziegelei.<br />

Eindrucksvoll ist der Herford-Teeröl- bzw. Dieselmotor Typ BS.<br />

Als Langsamläufer mit nur 400 Umdrehungen pro Minute leistet er<br />

40 PS. Er wurde 1957 in der Maschinenfabrik Herford, die für ihre<br />

großen Stationärmotoren bis 650 PS bekannt ist, gebaut. Bis zur<br />

Stilllegung der Ziegelei Pape in Bevern im Jahre 1974 trieb er über<br />

Transmission die Ziegelpresse an. Vorher war er in der Molkerei in<br />

Bremerhaven zum Antrieb eines Generators als Notstromaggregat<br />

stationiert. Während er dort als Reserve für den Notfall bereitgehalten<br />

wurde, hatte er in der Ziegelei in Bevern während der Saison<br />

gut zu tun. Charakteristisch ist das leicht stampfende Geräusch<br />

dieses Langsamläufers, der mit <strong>sein</strong>em großen Schwungrad fast noch<br />

an eine Dampfmaschine erinnert <strong>und</strong> mit Pressluft gestartet wird.<br />

Im Raum nebenan befindet sich noch eine weitere Maschine. Hier<br />

handelt es sich um einen 6-Zylinder-DEMAG-Kämper-Dieselmotor,<br />

der bei 1250 U/Min. 125 PS leistete. Dieses Aggregat wurde als Ersatz<br />

bei Ausfall des Herford-Motors angeschafft <strong>und</strong> provisorisch auf<br />

dem Erdboden des Maschinenhauses montiert, um möglichst schnell<br />

eingesetzt zu werden. Obwohl der Kämper-Motor nicht restauriert<br />

<strong>und</strong> betriebsbereit ist, ist er mit <strong>sein</strong>er „Patina“ ein Stück Geschichte<br />

der Ziegelei in Bevern.<br />

Torfbrandklinker<br />

Während es sich bei den Ziegeleien in Sylbach bei Lage/Lippe <strong>und</strong><br />

Bevern bei Bremervörde um Museen handelt, befindet sich in Nenndorf<br />

bei Westerholt (LK Wittm<strong>und</strong>) ein Betrieb, der in einem Ringofen<br />

aus dem Jahre 1904 Klinker brennt. Eine weitere Besonderheit<br />

ist, dass hier als Brennmaterial Torf verwendet wird, der aus<br />

Wiesmoor stammt. Diese Torfbrandklinker werden 13 Tage lang bei<br />

einer Temperatur von bis zu 1200 Grad gebrannt. Sie fallen in ihrer<br />

Handarbeit; Verladen der gebrannten Klinker in eine Lore<br />

Transport der Rohlinge in die Trockenkammern<br />

Torfbrandklinkerwerk Nenndorf: jeder Klinker ein Unikat<br />

Rohlinge werden vom rechteckigen Strang sauber abgeschnitten<br />

77


Form sehr unterschiedlich aus, so dass jeder Klinker gewissermaßen<br />

ein Unikat ist. Pro Jahr produzieren 27 Mitarbeiter in Nenndorf 3,5<br />

Millionen Klinkersteine, pro Brennvorgang 140 000 Stück.<br />

Früher gab es sieben Ziegeleien, die Wittm<strong>und</strong>er Klinker herstellten,<br />

heute sind es nur noch zwei. Außer in Nenndorf gibt es noch das<br />

Klinkerwerk in Neuschoo. Dort werden die Ziegel statt im Ringofen<br />

im modernen Gastunnelofen produziert. <strong>Der</strong> Absatz der Klinker<br />

beider Betriebe erfolgt durch ein gemeinsames Vertriebsunternehmen.<br />

Alle Steine sind reine Naturprodukte ohne chemische Zusätze<br />

oder Farbbeimischungen. Ihr besonderer Reiz besteht in der Vielfalt<br />

der Farbskala, die von Hellrot bis Blauviolett reicht. <strong>Der</strong> verwendete<br />

Lehm <strong>und</strong> das Brennmaterial Torf stammen selbstverständlich aus<br />

der Region. Auch wenn es sich bei den Wittm<strong>und</strong>er Klinkern nicht<br />

um ein Lebensmittel handelt, könnte man auch hier durchaus als<br />

Resümee feststellen: „Alles Bio!“<br />

Ein R<strong>und</strong>gang durch den laufenden Betrieb zeigt die einzelnen<br />

Arbeitsschritte vom Lehm bis zum fertigen Klinker. Die Rohmasse<br />

wird maschinell zu einem rechteckigen Strang geformt, von dem<br />

Drähte die einzelnen Rohlinge sauber abschneiden. Die Rohlinge<br />

werden in Kammern vorgetrocknet, wobei die Abwärme vom Ringofen<br />

eingesetzt wird. Anschließend werden sie auf Loren zu den 18<br />

Kammern des Ringofens transportiert. Dort werden sie aufgestapelt<br />

<strong>und</strong> durch Quarzsand wobei ein Aneinanderbacken beim Brennen<br />

verhindert wird.<br />

Bis zu 1200 Grad Hitze<br />

Oben auf den Gewölben der Ringofenkammern spürt man noch die<br />

Wärme des Brennvorganges. Durch die Schüttlöcher wird stündlich<br />

r<strong>und</strong> um die Uhr im Schichtdienst Torf in die Brennkammern eingefüllt.<br />

Eindrucksvoll ist der Blick in die bis zu 1200 Grad heiße Glut.<br />

Die Eisendeckel der Schüttlöcher werden mit einem Metallhaken<br />

geöffnet <strong>und</strong> wieder verschlossen, da man sie wegen der großen<br />

Hitze auch nicht mit einem Handschuh anfassen könnte.<br />

Kontakt<br />

Westfälisches Industriemuseum Ziegelei Lage<br />

Sprikernheide 77<br />

32791 Lage,<br />

Tel.: +49(0)5232/9490-0<br />

Fax: +49(0)5232/9490-38;<br />

E-Mail: ziegelei-lage@lwl.org<br />

Homepage: www.ziegelei-lage.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

Dienstag bis Sonntag 10.00 - 18.00 Uhr<br />

Ziegelei Pape, Bevern<br />

27432 Bremervörde<br />

Tel.: +49(0)4767/333600<br />

Uwe Hildebrandt:<br />

Tel.: +49(0)4767/459<br />

Fax: +49(0)4767/484<br />

E-Mail: uwehildebrandt@t-online.de<br />

Besichtigungen von Mai bis September<br />

sonntags von 14.00 - 17.00 Uhr oder jederzeit<br />

mit Führung nach Vereinbarung.<br />

Besondere Veranstaltungen wie Konzerte,<br />

Lesungen, Künstlerforum, Brennerfest sowie<br />

Weihnachtsmarkt werden auf der Hompage<br />

www.ziegelei-bevern.de angekündigt.<br />

Torfbrand-Klinkerwerk J.B. Kaufmann GmbH<br />

26556 Nenndorf bei Westerholt<br />

Tel.: +49(0)4975/295 bzw. /8670<br />

Homepage: www.torfbrandklinker.de<br />

E-Mail: info@torfbrandklinker.de;<br />

Betriebsbesichtigung nur nach Voranmeldung<br />

möglich.<br />

Besonders interessant fallen die Klinkersteine aus, die unmittelbar<br />

unter den Schüttlöchern liegen, in die die Torfstücke eingeworfen<br />

werden, Ihre individuelle Form <strong>und</strong> Farbgebung ist von hohem Reiz.<br />

Auffallend ist der hohe Anteil der Handarbeit bei der Herstellung<br />

der Wittm<strong>und</strong>er Torfbrandklinker, die dadurch ihren unverwechselbaren<br />

Charakter erzielen. Die Mitarbeiter im Betrieb schaffen ein<br />

Produkt, das sich erfolgreich einen Platz in einer Nische geschaffen<br />

hat, in der jeder einzelne Klinker ein Unikat ist.<br />

Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />

Ziegeleimuseum Pape in Bevern: unter dem Schornstein<br />

verbirgt sich der Ringofen<br />

Museumspädagogisches-künstlerisches Angebot:<br />

Formen <strong>und</strong> Brennen von Ziegelskulpturen<br />

78


Damals<br />

<strong>Der</strong> Töpfer<br />

oder Hafner<br />

Eines der ältesten <strong>Handwerk</strong>e<br />

der Menschheit<br />

Den Lehm tret’ ich mit meinem Fuß<br />

Mit Haar gemischt 1 / danach ich muß<br />

Einen Klumpen werfen auf die Scheibe<br />

Die muß ich mit den Füßen treiben/<br />

Mach Krüge / Hafen / Kacheln von Scherben<br />

Tu sie dann glasiern <strong>und</strong> färben/<br />

Danach brenn ich sie in dem Feuer/<br />

Corebus 2 gab die Kunst zu steuern.<br />

Wenn wir uns jetzt dem Hintergr<strong>und</strong> zuwenden, dann werden uns<br />

sämtliche Arbeiten vorgeführt, die vor <strong>und</strong> nach der Arbeit des Töpvon<br />

Christian Schwarzer<br />

Hans Sachs ließ 1568 dieses schöne Bild (Bild 1) eines Töpfers<br />

oder Haf(f)ners bei der Arbeit drucken. Wir blicken in eine<br />

Werkstatt, deren hintere Wand den Blick freigibt auf eine<br />

hügelige Landschaft, in der man in der Ferne ein Dorf erkennt <strong>und</strong><br />

einige Menschen, die ihrem Tagewerk nachgehen. Ein bärtiger<br />

Mann sitzt auf einem Hocker <strong>und</strong> ist dabei, einen Krug oder Hafen<br />

zu formen. Das Werkstück steht auf einer Töpferscheibe. Mit einem<br />

nackten Fuß treibt er die Scheibe an, mit dem anderen stützt er sich<br />

ab. Die Hose hat er über dem Knie geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> darüber trägt er<br />

einen Schurz. Die Ärmel <strong>sein</strong>er Bluse hat er aufgekrempelt <strong>und</strong> auf<br />

dem Kopf trägt er eine einfache Mütze. Das Gefäß mag etwa 25 cm<br />

hoch <strong>sein</strong> mit einer weiten Öffnung.<br />

Hinter dem Arbeitenden liegen einige Ballen Lehm. Man darf annehmen,<br />

dass sie fertig aufbereitet sind <strong>und</strong> sofort verarbeitet werden<br />

sollen. Vor ihm auf dem Fußboden stehen einige Krüge, Schüsseln<br />

<strong>und</strong> Näpfe. Die Krüge haben teilweise Ösen zum Transport mit<br />

einem Seil <strong>und</strong> normale Henkel. <strong>Der</strong> Krug mit Henkel ist mit einem<br />

floralen Motiv bemalt. Auf einem Bock an der Wand stehen einige<br />

Formen für viereckige <strong>und</strong> r<strong>und</strong>e Kacheln <strong>und</strong> für einen viereckigen<br />

Kasten. An einem Pfosten in der Ecke hängt ein Tuch <strong>und</strong><br />

daneben hängt an der Wand außen ein Gefäß mit einem Zapfhahn.<br />

Wahrscheinlich wurde in dem Gefäß Regenwasser aufgefangen, das<br />

beim Arbeiten auf der Töpferscheibe benötigt wurde <strong>und</strong> mit dem<br />

man sich zwischendurch oder nach der Arbeit die Hände reinigte.<br />

Bild 1<br />

79


Bild 2<br />

fers erfolgen. Da ist erst einmal der Gräber, der den benötigten Ton<br />

aus der Erde holt. <strong>Der</strong> bereits ausgegrabene Lehm liegt in Ballen<br />

neben <strong>sein</strong>er Grube. Ganz hinten im Bild sieht man einen Mann, der<br />

mit einer hoch erhobenen Axt Holz spaltet. Zwischen den beiden<br />

sieht man rechts einen Menschen, der die Holzscheite zu dem bereits<br />

qualmenden Ofen am rechten Bildrand bringt. Vielleicht ist es ein<br />

Zufall oder der Holzschneider hat ganz bewusst eine Landschaft<br />

ohne Bäume dargestellt. <strong>Der</strong> Holzverbrauch der verschiedenen<br />

Technologien wie Töpfern, Glasmachen, Erze verhütten <strong>und</strong> Metall<br />

schmelzen war enorm <strong>und</strong> wurde mit zunehmender Industrialisierung<br />

immer größer <strong>und</strong> zerstörte schon im Mittelalter die Landschaft<br />

um die Produktionsstätten herum. Schon damals mussten die<br />

Landesherren Gesetze erlassen, die dem produzierenden Gewerbe<br />

strenge Auflagen machten.<br />

Das Bild <strong>und</strong> die dazu gehörige Beschreibung zeigen uns, dass es<br />

sich bei dieser Tätigkeit um einen komplexen Arbeitsablauf handelt,<br />

bei dem am Ende zuverlässig ein brauchbares Produkt mit vorher<br />

festgelegten Eigenschaften entsteht. Die Männer <strong>und</strong> Frauen in den<br />

Werkstätten arbeiteten nach genau vorgegebenen Anweisungen <strong>und</strong><br />

Rezepten, die fast immer geheim gehalten wurden <strong>und</strong> nur in den<br />

Familien oder Zünften weiter gegeben wurden.<br />

Vor der Entstehung des besprochenen Bildes muss eine lange<br />

Entwicklung stattgef<strong>und</strong>en haben. Und tatsächlich haben wir<br />

Keramikf<strong>und</strong>e, die 14.000 Jahre vor Hans Sachs von chinesischen<br />

<strong>Handwerk</strong>ern hergestellt <strong>und</strong> vertrieben wurden. Und die Ägypter<br />

waren vor 4.000 Jahren in der Lage, hochwertige Keramik in ganz<br />

w<strong>und</strong>erbarer Qualität fast fabrikmäßig herzustellen. In den Zeichnungen<br />

ihrer Häuser sehen wir, dass sie einen riesigen Bedarf an<br />

Keramik hatten, da sie alle Vorräte in Krügen aufbewahrten. Es gab<br />

große Vorratsgefäße für Getreide <strong>und</strong> Getränke <strong>und</strong> kleinste Töpfchen<br />

für Salben <strong>und</strong> kostbare Öle <strong>und</strong> alles w<strong>und</strong>erbar geformt <strong>und</strong><br />

bemalt. Sie stellten aber nicht nur die exquisite Keramik her sondern<br />

sie liebten es, kleine Holzmodelle von ihren Werkstätten, Hau<strong>sein</strong>richtungen,<br />

Jagden <strong>und</strong> Bestattungen auf Totenschiffen für die Reise<br />

in die Unterwelt zu bauen. Eines dieser Modelle stellt eine Keramikwerkstatt<br />

dar (Bild 2). Darauf sehen wir im Vordergr<strong>und</strong> den<br />

Meister. Er dreht mit der linken Hand die Töpferscheibe <strong>und</strong> mit<br />

der rechten formt er ein hohes leicht kegelförmiges Gefäß. Es handelt<br />

sich hier um eine langsam drehende Scheibe. Etwas weiter hinten<br />

sitzt der Helfer. Er hält einen Vorrat von zylindrischen Tonballen bereit.<br />

Neben ihm steht der typisch ägyptische zylindrische, etwa in der<br />

Mitte abgesetzte Brennofen. Die Ägypter besaßen nicht nur reiche<br />

Kenntnisse bei der Verarbeitung ihres Tones, der aus aufbereitetem<br />

80


Bild 3<br />

Nilschlamm bestand, sondern sie besaßen enorme Fertigkeiten in<br />

der Zusammensetzung <strong>und</strong> Herstellung ihrer farbigen Glasuren <strong>und</strong><br />

der dazugehörigen Brenntechnik.<br />

Und noch ein Zeitsprung von etwa 400 Jahren. Wir sehen einen<br />

Töpfer etwa um die Zeit 1900 in Franken (Bild 3). Er sitzt in einer<br />

einfachen Werkstatt auf einer etwas erhöhten Holzbank. Die ganze<br />

Szene erinnert sehr an das Bild von Hans Sachs. Auch hier ein<br />

älterer Mann mit einer einfachen Kopfbedeckung. Dazu ein Hemd<br />

mit aufgekrempelten Ärmeln <strong>und</strong> eine Schürze. Er arbeitet allerdings<br />

nicht barfuß. <strong>Der</strong> Arbeitsfuß trägt einen Pantoffel <strong>und</strong> der zweite<br />

Pantoffel liegt vor der Bank auf dem Fußboden. Mit dem linken Fuß<br />

treibt er die Töpferscheibe an. Das untere Rad besteht aus einer<br />

großen Schwungmasse. Dadurch braucht er das Rad nicht ständig<br />

anzutreiben <strong>und</strong> bekommt eine gleichmäßigere Drehbewegung. Es<br />

handelt sich hier um eine schnell drehende Scheibe. Links neben<br />

ihm liegen einige Batzen Ton <strong>und</strong> auf <strong>sein</strong>er rechten Seite hat er<br />

ein Wassergefäß stehen. Er arbeitet an einer großen Schüssel. Vor<br />

ihm auf einem schmalen Arbeitstisch stehen einige Gefäße mit den<br />

zugehörigern Deckeln. Es sind wahrscheinlich die Produkte dieses<br />

Arbeitstages <strong>und</strong> sie trocknen dort an der Luft bis sie in einen anderen<br />

Trockenraum gebracht werden. Rechts von ihm hängt an der<br />

Wand ein Bord, auf dem eine Schale mit nicht erkennbarem Inhalt<br />

steht. Es könnte sich um Werkzeug handeln, das er nicht ständig<br />

benötigt. Über ihm liegen auf zwei Balken mit unterschiedlicher<br />

Höhe einige Bretter. Sie sehen aus wie ein Zwischenboden oder ein<br />

notdürftiges Dach zum Schutz <strong>sein</strong>es Arbeitsplatzes. Oft standen<br />

auf diesen Brettern die fertigen Töpfe zum Trocknen. Vielleicht<br />

hat es aber auch nur durchgeregnet. Wahrscheinlich gibt es auch<br />

heute noch in Europa solche Arbeitsplätze. Wenn man sich diese<br />

drei Darstellungen ansieht, so spürt man die Ruhe <strong>und</strong> die Gelassenheit,<br />

die den Töpferberuf auszeichnet. Hier paaren sich großes<br />

handwerkliches Können, oft ausgeprägte künstlerische Veranlagung,<br />

Kenntnis einiger wichtiger physikalischer Gesetze, enge Verbindung<br />

mit der Natur über die verwendeten <strong>Werkstoff</strong>e <strong>und</strong> die Bereitschaft<br />

zur Zusammenarbeit (modern: Teamwork). <strong>Der</strong> Töpfer muss erst<br />

einmal Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>sein</strong>es Berufes lernen. Er bezieht <strong>sein</strong>en<br />

Ton von einem Händler, mit dem er <strong>sein</strong>e Wünsche abstimmen<br />

muss. Ebenso die Rohstoffe für <strong>sein</strong>e Glasuren. Diese kauft er fertig<br />

oder mischt sie selbst nach eigenen Rezepten. Dann braucht er<br />

Werkzeuge <strong>und</strong> einen Arbeitsraum, oft mit anderen zusammen oder<br />

als Angestellter einer Firma. Wenn er nicht selber brennt muss er<br />

sich abstimmen mit dem Betreiber des Brennofens über Temperatur,<br />

Dauer <strong>und</strong> Abkühlung <strong>sein</strong>er Produkte. Und schließlich muss<br />

er <strong>sein</strong>e Waren selbst verkaufen oder über einen Händler vertreiben<br />

lassen. Und zu guter Letzt muss auch noch die Kasse stimmen. Das<br />

ist zwar bei einem Hobbytöpfer nicht das entscheidende Kriterium,<br />

aber für einen Berufstöpfer überlebenswichtig. <strong>Der</strong> Spruch „<strong>Handwerk</strong><br />

hat goldenen Boden“ ist mit viel Arbeit <strong>und</strong> Schweiß, aber auch<br />

mit großer Befriedigung verb<strong>und</strong>en.<br />

1<br />

<strong>Der</strong> Töpferlehm wurde mit Haaren gemischt um dem trocknenden<br />

Gefäß eine größere Festigkeit zu geben. Beim Brennen<br />

verbrannten die Haare <strong>und</strong> andere organische Bestandteile <strong>und</strong><br />

sorgten für einen Spannungsabbau in den Gefäßwandungen.<br />

2<br />

<strong>Der</strong> römische Geschichtsschreiber Plinius der Ältere (23 - 79<br />

n. Chr.) gibt den Griechen Corebus aus Athen als den Erfinder<br />

der „Hafnerei“ an.<br />

3<br />

Nach einem ägyptischen Vorbild aus dem „Mittleren Reich“ ,<br />

etwa 2000 vor Ch. gezeichnet.<br />

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„Jan, treck an!“<br />

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Klaus-Uwe Hölscher<br />

Agro<strong>neu</strong>m Alt Schwerin 69<br />

Allgäuer Bergbauernmuseum 69<br />

DampfLandLeute 69<br />

Drechselstube 65<br />

Schnitzschule Geisler-Moroder 16<br />

Inserentenverzeichnis<br />

Stormasches Dampfmuseum 69<br />

Traub 81<br />

Unimog-Museum 69<br />

Wilms 81<br />

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<strong>und</strong> zum persönlichen Gebrauch des Lesers<br />

gestattet.<br />

1. Jahrgang<br />

82


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Journal Dampf & Heißluft<br />

„Dampf auf Tour“<br />

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Die Sonderausgabe „Dampf auf Tour“ der Zeitschrift Journal Dampf & Heißluft hat ihren thematischen<br />

Schwerpunkt auf Dampfmaschinen im musealen Umfeld gelegt. Dabei sind alle Sparten der<br />

Dampftechnik vertreten. Das Spektrum reicht vom Dampf auf der Schiene, über Dampfschiffe <strong>und</strong><br />

stationäre Dampfmaschinen bis hin zum Straßendampf. „Dampf auf Tour“ nimmt die Leser mit auf<br />

große Dampfreise. Auf dieser Reise kommen auch die Dampfmodellbauer nicht zu kurz. So soll<br />

„Dampf auf Tour“ auch zum Nachbau der gezeigten originalen Dampfmaschinen <strong>und</strong> Dampfmodelle<br />

anregen. Die Tour beginnt in der Hauptstadt Berlin, im Deutschen Technikmuseum. Weiter geht die<br />

Reise über die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz <strong>und</strong> über Kuba nach Argentinien.<br />

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