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01<br />
2013<br />
<strong>Altes</strong><br />
<strong>Handwerk</strong><br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
8,90 [D]<br />
9,20 [EU]<br />
15,20 sFr<br />
<strong>Der</strong> <strong>Schmied</strong> <strong>und</strong> <strong>sein</strong> <strong>Werkstoff</strong><br />
Die alte Hettstedter<br />
Druckerei Heise<br />
Naturkäse<br />
aus dem Lechtal<br />
Holz-Bildhauerei<br />
von Tradition bis Moderne<br />
Lechtaler Haussegen<br />
Brennerei aus Leidenschaft
Sonderheft<br />
Journal Dampf & Heißluft<br />
Journal Dampf & Heißluft<br />
Sonderausgabe: Dampf auf Tour 2<br />
ISSN 1616-9298<br />
€ 9,60 [D] € 9,90 [A]<br />
€ 9,90 [EU] sfr 15,90<br />
E 54336<br />
Journal<br />
SONDER-<br />
AUSGABE<br />
Heißluft<br />
Dampf auf Tour<br />
2<br />
Dampf auf Tour<br />
2<br />
Jetzt <strong>neu</strong> im<br />
Zeitschriftenhandel!<br />
Nostalgische<br />
Ausflugsziele, Museen,<br />
Dampfschiffe <strong>und</strong> Bahnen<br />
Mehr Informationen unter www.neckar-verlag.de<br />
Neckar-Verlag<br />
Neckar-Verlag GmbH • Klosterring 1 • 78050 Villingen-Schwenningen<br />
Tel. +49 (0)77 21 / 89 87-38 /-48 (Fax -50)<br />
bestellungen@neckar-verlag.de • www.neckar-verlag.de
<strong>Altes</strong><br />
<strong>Handwerk</strong><br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />
Udo Mannek<br />
Chefredakteur<br />
sie begegnen uns meist noch auf <strong>Handwerk</strong>ermärkten <strong>und</strong> in Freilichtmuseen<br />
<strong>und</strong> es ist egal, ob beim Drechsler die Späne fliegen, der <strong>Schmied</strong><br />
den Hammer klingend auf den Ambos schlägt oder auf der drehenden<br />
Töpferscheibe unter den Händen des Meisters aus einem Klumpen Ton<br />
wohlgeformte Gefäße entstehen: wir bleiben stehen, verweilen <strong>und</strong> schauen<br />
wie gebannt zu. Wir wertschätzen handwerklich geschaffene Dinge oftmals<br />
höher als Produkte die anonym in Großfabriken hergestellt wurden. Wer<br />
sich schon einmal handwerklich betätigt hat wird bestätigen, dass der Stolz<br />
etwas mit <strong>sein</strong>en eigenen Händen geschaffen zu haben regelrecht zu <strong>neu</strong>en<br />
Werken beflügelt. Es ist unbestritten, die alten <strong>Handwerk</strong>e üben eine besondere<br />
Faszination auf uns aus.<br />
Traditionelles <strong>Handwerk</strong> besticht durch Qualität <strong>und</strong> muss nicht zwingend<br />
unwirtschaftlich <strong>sein</strong>, wie es beispielsweise die in dieser Ausgabe vorgestellte<br />
Bandweberei Kafka unter Beweis stellt. Insbesondere bei Lebensmitteln<br />
nimmt die Qualität einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Gerade hier<br />
wird die Stärke der traditionellen Fertigungsmethoden deutlich: hervorragende<br />
Edelbrände entstehen in kleinen familiengeführten Brennereien,<br />
Brote aus dem Holzbackofen verkaufen sich wie „warme Semmeln“ - bevorzugt<br />
belegt mit traditionell hergestelltem <strong>und</strong> gereiften Bergkäse - <strong>und</strong> alles<br />
von hervorragender Qualität, die man gerne genießt.<br />
Mit Sicherheit war die sogenannte gute alte Zeit nicht immer wirklich gut.<br />
Die Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsbedingungen unserer Ahnen waren nicht die besten<br />
<strong>und</strong> sind mit der heutigen Zeit nicht zu vergleichen. Schade wäre es jedoch,<br />
wenn die handwerklichen Kenntnisse <strong>und</strong> Fähigkeiten irgendwann einmal<br />
vollständig verloren <strong>und</strong> vergessen wären. Deshalb sollten die guten alten<br />
<strong>Handwerk</strong>skünste bewahrt werden, weiter Faszination auf uns ausüben <strong>und</strong><br />
Nützliches hervorbringen. Und dazu will die Zeitschrift „<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>“<br />
beitragen!<br />
Ich wünsche Ihnen viele Spaß <strong>und</strong> Freude beim Lesen<br />
Ihr<br />
03
<strong>Altes</strong><br />
<strong>Handwerk</strong><br />
<strong>neu</strong> <strong>erlebt</strong>!<br />
Inhalt<br />
Forum<br />
Termine<br />
Damals<br />
06 Chocolatiers bei der Arbeit<br />
zusehen<br />
Das Geheimnis der<br />
Glockengießer<br />
09 mit Termininformationen zu:<br />
· <strong>Handwerk</strong>ermärkten<br />
· Romantische Weihnachtsmärkten<br />
Selber <strong>Handwerk</strong>en<br />
48 Wie man eine Schublade aus<br />
Blech herstellt<br />
20 Kindheitserinnerungen<br />
31 Kinder <strong>und</strong> die alten<br />
<strong>Handwerk</strong>e<br />
45 <strong>Der</strong> Schriftgießer<br />
62 Das deutsche <strong>Handwerk</strong><br />
79 <strong>Der</strong> Töpfer oder Hafner<br />
Titelseite:<br />
Die mobile Dorfschmiede von Herrn Billen im Einsatz auf einem historischen <strong>Handwerk</strong>ermarkt<br />
Foto: Dennis Mannek<br />
04
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
11 Lechtaler Haussegen<br />
14 Holz-Bildhauerrei<br />
17 Käserei Sojer<br />
22 Wie aus Brennholz Kunst<br />
werden kann<br />
26 Geigenbau in Mittenwald<br />
32 Flachsmarkt auf Burg Linn<br />
34 Die Drasser Türe<br />
38 Altländer Hochzeitsstühle<br />
46 <strong>Schmied</strong>emeister Billen<br />
54 Wie vor 100 Jahren<br />
Bandweberei Kafka<br />
59 Die Senfmühle in Cochem an<br />
der Mosel<br />
74 <strong>Handwerk</strong> der Ziegler<br />
<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />
42 Alte Druckerei Hettstedt<br />
51 Historische Edelschleiferei<br />
Idar-Oberstein<br />
66 Backstube im Freilichtmuseum<br />
Dorenburg<br />
70 Reepschläger/Seiler<br />
05
Forum<br />
Zuschauen bei den Chocolatiers<br />
von Fassbender & Rausch<br />
Törtchen, Pralinen, Trüffel, Konfekt <strong>und</strong> Schokoladen-Schaustücke:<br />
Unter der Leitung von Chef-Chocolatier George Helwig<br />
entstehen in der Schokoladen-Manufaktur von Fassbender &<br />
Rausch jeden Tag die w<strong>und</strong>erbarsten Schokoladen-Köstlichkeiten.<br />
Und das Beste daran ist: Sie können zusehen! In der<br />
gläsernen Fabrikation fertigen die Chocolatiers handwerklich<br />
mehr als 300 Confiserie-Spezialitäten – ausschließlich aus<br />
besten Rohstoffen. Dabei werden wiederentdeckte, teilweise<br />
mehr als 100 Jahre alte Rezepturen der Confiseure Fassbender<br />
& Rausch sowie <strong>neu</strong>e Kreationen hergestellt.<br />
Törtchen <strong>und</strong> mehr im Schokoladen-<br />
Café <strong>und</strong> Restaurant probieren<br />
Die Manufaktur Fassbender & Rausch liefert täglich frische<br />
Törtchen <strong>und</strong> andere Kreationen aus Edelkakao <strong>und</strong> Schokolade<br />
auch direkt in das Schokoladen-Café am Gendarmenmarkt.<br />
Man findet es im ersten Stock direkt über dem Schokoladen-Geschäft.<br />
Unser Tipp: Ein Törtchen im Schokoladen-Café,<br />
dazu eine heiße Trinkschokolade <strong>und</strong> der Blick hinunter auf den<br />
herrlichen Gendarmenmarkt – was kann es Schöneres geben?<br />
14 verschiedene Törtchen stellen die Patissiers frisch in Handarbeit<br />
her. Auch das erste Schokoladen-Restaurant Europas<br />
befindet sich im ersten Stock <strong>und</strong> bietet außergewöhnliche<br />
Gerichte die mit Edelkakaos <strong>und</strong> feinster Rausch Plantagen-Schokolade<br />
veredelt werden an. Titanic <strong>und</strong> Brandenburger<br />
Tor, Gedächtniskirche <strong>und</strong> Funkturm, Reichstag <strong>und</strong> ein<br />
<strong>neu</strong>er Airbus A 380 – all das haben die Chocolatiers von Fassbender<br />
& Rausch aus Schokolade nachgebaut, zum Staunen<br />
<strong>und</strong> Fotografieren.<br />
Serena Bevilaqua, eine der wenigen weiblichen Chocola tiers<br />
in Deutschland kreiert nicht nur imposante Schokola den-<br />
Schaustücke, sondern auch – <strong>und</strong> besonders gern – köstliche<br />
Pralinen <strong>und</strong> Schokoladen. Von montags bis freitags zwischen<br />
12.00 <strong>und</strong> 18.00 Uhr können Sie ihr dabei in ihrer Schokoladen-Schauwerkstatt<br />
zusehen, direkt vor dem Eingang des<br />
Schokoladen-Cafés im ersten Stock. Sie freut sich schon auf<br />
Ihren Besuch <strong>und</strong> Ihre Fragen.<br />
Kontakt<br />
Fassbender & Rausch<br />
Chocolatiers am Gendarmenmarkt<br />
Schokoladen-Geschäft, Schokoladen-Café <strong>und</strong> -Restaurant<br />
sowie Live-Confiserie<br />
Charlottenstraße 60<br />
10117 Berlin<br />
Tel.: +49(0)30/20458443<br />
E-Mail: info@fassbender-rausch.de<br />
Schokoladen-Manufaktur<br />
Wolframstraße 95 - 96<br />
12105 Berlin<br />
Foto: Manuela Mannek<br />
Weitere Informationen sind erhältlich unter:<br />
www.fassbender-rausch.de<br />
www.facebook.de/fassbenderrausch<br />
06
Olivenölmuseum<br />
Cisano di Bardolino<br />
Wer einmal am w<strong>und</strong>erschönen Gardasee unterwegs<br />
ist, sollte einen Abstecher nach Bardolino zum<br />
bekannten Olivenölmuseum einplanen. Hier kann man<br />
gute Ware kaufen <strong>und</strong> sich auch umfassend über die<br />
traditionelle Herstellung von Olivenöl informieren.<br />
Die liebevoll <strong>und</strong> authentisch gestaltete Ausstellung<br />
mit Videovorführungen kann kostenlos besichtigt<br />
werden. Das Betriebsmuseum wurde im Frühjahr<br />
1988 von Umberto Turri eröffnet <strong>und</strong> zählt jährlich<br />
durchschnittlich 50.000 Besucher. Ausgestellt<br />
werden alte Gegenstände <strong>und</strong> Gerätschaften, welche<br />
in Ölmühlen von 1700 bis Anfang 1900 verwendet<br />
wurden. So zum Beispiel eine mächtige Hebelpresse<br />
aus Eichenholz <strong>und</strong> eine einwandfrei funktionierende<br />
Ölmühle mit Wasserantrieb sowie andere sehr originelle<br />
musterhafte Öl-Pressen aus Holz <strong>und</strong> Eisen.<br />
Kontakt<br />
Museum Oleificio Cisano<br />
Via Peschiera, 54<br />
I 37011 Cisano di Bardolino/Verona<br />
Tel. + 39(0)45/6229047<br />
Fax +39(0)45/6229024<br />
Homepage: www.museum.it<br />
Foto: Manuela Mannek<br />
Fotos: Fassbender & Rausch<br />
07
Übernachten im Lechtal<br />
Das Geheimnis der<br />
Glockengiesser<br />
Die Herstellung einer Glocke erfolgt ausschließlich per Handarbeit.<br />
Dafür sind eine Reihe verschiedener Arbeitsschritte<br />
nötig. Zuerst muss eine Form für die spätere Glocke<br />
angefertigt werden. Diese Form besteht ausschließlich aus<br />
Ziegelsteinen <strong>und</strong> Lehm. Dem Lehm werden noch Pferdemist<br />
<strong>und</strong> Rinderhaare zugefügt. Diese Zusätze festigen den Lehm<br />
<strong>und</strong> verhindern Rissbildung beim Trocknen. Die Form wird<br />
mit Hilfe einer vom Glockengießer angefertigten Schablone<br />
aufgeformt. Auf ein Buchenbrett zeichnet er das Profil der<br />
späteren Glocke auf. Schon vor dem Guss der Glocke weiß der<br />
Glockengießer wie groß <strong>und</strong> wie schwer die fertige Glocke wird<br />
<strong>und</strong> vor allem welchen Ton sie erhält. Dieses Wissen ist ein<br />
streng gehütetes Familiengeheimnis <strong>und</strong> wird von Generation<br />
zu Generation weitergetragen.<br />
Wer selber einmal das Lechtal im österreichischen<br />
Tirol erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> eine der zahlreichen Schnitzstuben<br />
besuchen möchte oder gar beabsichtigt an<br />
einem Schnitzkurs in der privat geführten Schnitzschule<br />
Geisler-Moroder teilzunehmen, kann bei<br />
einem mehrtägigen Aufenthalt bequem im Familien-<br />
<strong>und</strong> Wellness-Hotel Alpenrose in Elbingenalp<br />
übernachten. Von hier ist es auch nicht weit bis zum<br />
Holzbildhauer-Atellier von Ernst Schnöller. In unmittelbarer<br />
Nachbarschaft zum Hotel Alpenrose liegt<br />
die Brennerei Lechtaler-Haussegen von Mario Huber<br />
<strong>und</strong> Melanie Haider. Gut mit dem Pkw oder auch mit<br />
dem Bus ist die Käserei Sojer in Steeg erreichbar.<br />
Hier kann bei der traditionellen Käseherstellung<br />
zugeschaut werden. Erzeugnisse aus Käserei <strong>und</strong><br />
Brennerei werden ebenfalls im Hotel Alpenrose zum<br />
Verzehr angeboten.<br />
Wer das <strong>Handwerk</strong> der Glockengießer einmal hautnah miterleben<br />
möchte, kann dies im Rahmen einer Führung durch<br />
die Eifeler Glockengießerei tun. Während der Führungen wird<br />
anschaulich erklärt, welche Arbeiten zur Erstellung einer<br />
Glocke nötig sind. Dabei kann man den Glockengießern <strong>und</strong><br />
Formern bei der Arbeit zusehen. Leider gibt es nicht jeden Tag<br />
einen Glockenguss zu bestaunen. Ein solches Ereignis findet<br />
aufgr<strong>und</strong> der langen Formarbeiten nur 4- bis 5-mal im Jahr<br />
statt. Die Führung dauert etwa eine halbe St<strong>und</strong>e. Termine für<br />
Gruppen <strong>und</strong> Einzelbesucher können auf der Homepage der<br />
Eifeler Glockengießerei oder telefonisch abgefragt werden.<br />
Wichtig: Gruppen müssen sich unbedingt anmelden!<br />
Kontakt<br />
Eifeler Glockengießerei<br />
Glockenstraße 51<br />
54552 Brockscheid<br />
Tel.: +49(0)6573/99033-0<br />
Fax: +49(0)6573/9111<br />
E-Mail: info@glockengiesser.de<br />
Homepage: www.glockengiesser.de<br />
Betriebsbesichtigungen, Andenkenglöckchen,<br />
Geschenkartikel, Garvuren:<br />
Tel: +49(0)6573/99033-14<br />
E-Mail: laden@glockengiesser.de Fotos: Manuela Mannek<br />
Foto: Manuela Mannek<br />
Kontakt<br />
Familien- <strong>und</strong> Wellness Hotel Alpenrose<br />
Familie Baldauf<br />
A 6652 Elbingenalp<br />
Tel.: +43(0)5634/6651<br />
E-Mail: info@alpenrose.net<br />
Homepage: www.alpenrose.net<br />
Weitere Informationen sind beim Tourismusverband<br />
erhältlich:<br />
Tourismusverband Ferienregion Tiroler Lechtal<br />
Untergiblen 23<br />
A 6652 Elbigenalp<br />
Tel.: +43(0)5634/5315<br />
E-Mail: info@lechtal.at<br />
08
Termine<br />
Stand 01.10.2013 – ohne Gewähr-Es wird empfohlen, sich vor Antritt einer<br />
längeren Anfahrt beim jeweiligen Veranstalter über evtl. Änderungen zu informieren!<br />
Oktober<br />
november<br />
Dezember<br />
19. - 20. Oktober 2013<br />
Kommern:<br />
Historischer <strong>Handwerk</strong>ermarkt<br />
Drehorgel, Stelzenläufer <strong>und</strong> Figurentheater<br />
im Ortskern von Kommern.<br />
Historische <strong>Handwerk</strong>er wie <strong>Schmied</strong>,<br />
Drechsler <strong>und</strong> Buchbinder zeigen ihr<br />
<strong>Handwerk</strong>. Keramiken, Schmuck, Holzarbeiten,<br />
Floristik <strong>und</strong> regionale Produkte<br />
können erworben werden.<br />
21. - 24. Oktober 2013<br />
Fehmarn:<br />
Mittelaltermarkt Museum Katharinenhof<br />
Die Geschichte erlebbar machen lautet<br />
die Devise beim großen Mittelalterspektakel<br />
im Freilichtmuseum Katharinenhof.<br />
Das Museumsgelände verwandelt sich in<br />
einen mittelalterlichen Marktplatz. Buntes<br />
Markttreiben <strong>und</strong> eine Vielzahl von<br />
<strong>Handwerk</strong>ern entführen den Besucher in<br />
längst vergessene Zeiten.<br />
www.museum-katharinenhof.de<br />
25. - 27. Oktober 2013<br />
Brühl:<br />
Brühler Hubertusmarkt<br />
<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>, Kunsthandwerk,<br />
verkaufsoffener Sonntag.<br />
www.gaudium.de<br />
09. - 10. November 2013<br />
Köln:<br />
39. Kunsthandwerkermarkt<br />
im Engelshof<br />
130 Aussteller aus allen<br />
kunsthandwerklichen Bereichen.<br />
Seit 15 Jahren. Kölns größter Kunsthandwerkermarkt.<br />
Gutshof Engelshof Bürgerzentrum<br />
Oberstr. 96<br />
51149 Köln.<br />
Veranstalter: Kunst <strong>und</strong> Kultur<br />
www.kunst<strong>und</strong>kulturkoeln.de<br />
29.11. - 01.12. 2013<br />
Hagen:<br />
Romantischer Weihnachtsmarkt<br />
Über 80 ausgesuchte Kunsthandwerker<br />
zeigen ihre handgefertigten Stücke in<br />
den historischen Fachwerkhäusern <strong>und</strong><br />
in kleinen Hütten im bezaubernd<br />
beleuchteten Ambiente,<br />
www.lwl-freilichtmuseum-hagen.de<br />
29.11. - 01.12. 2013<br />
Grefrath/Kreis Viersen:<br />
Romantischer Weihnachtsmarkt im<br />
Niederrheinischen Freilichtmuseum,<br />
Dorenburg<br />
Öffnungszeiten:<br />
Freitag <strong>und</strong> Samstag 13 - 21 Uhr,<br />
Sonntag 11 - 20 Uhr.<br />
www.romantischer-weihnachtsmarkt.net<br />
06. - 08. Dezember 2013<br />
Grefrath/Kreis Viersen:<br />
Romantischer Weihnachtsmarkt im<br />
Niederrheinischen Freilichtmuseum,<br />
Dorenburg<br />
Öffnungszeiten:<br />
Freitag <strong>und</strong> Samstag 13 - 21 Uhr,<br />
Sonntag 11 - 20 Uhr.<br />
www.romantischer-weihnachtsmarkt.net<br />
Foto: Dennis Mannek<br />
03. - 15. Dezember 2013<br />
Solingen-Gräfrath:<br />
Ein Weihnachtstraum auf<br />
Schloss Grünewald<br />
www.romantischer-Weihnachtsmarkt.net<br />
20. - 22. Dezember 2013<br />
Solingen-Gräfrath:<br />
Ein Weihnachtstraum auf<br />
Schloss Grünewald<br />
www.romantischer-Weihnachtsmarkt.net<br />
Juni 2014<br />
07.-09. Juni 2014<br />
Krefeld-Linn:<br />
Flachsmarkt Burg Linn<br />
www.flachsmarkt.de<br />
Fotos: Dirk Jochmann<br />
09
Termine<br />
Romantischer Weihnachtsmarkt –<br />
Die Dorenburg im weihnachtlichen Flammenmeer<br />
Wem das jetzt immer noch nicht reicht,<br />
wird beim Knusperhäuschen basteln,<br />
beim Stockbrotbacken in der Indianerkota<br />
träumen oder in der historischen <strong>Schmied</strong>e<br />
aktiv <strong>sein</strong>es Glückes <strong>Schmied</strong> <strong>sein</strong> <strong>und</strong> nach<br />
Besuch des Tante-Emma-Ladens erkennen<br />
müssen, dass nicht nur im Himmel Jahrmarkt<br />
ist, sondern auch im Freilichtmuseum<br />
am 1. <strong>und</strong> 2. Advent zur Vorweihnachtszeit.<br />
Es ist eigentlich wie in jedem Jahr im<br />
November <strong>und</strong> Dezember. Die Zeit<br />
vor Weihnachten scheint hektisch zu<br />
werden. Alle sind auf der Suche nach dem<br />
besonderen Präsent für ihre Lieben. Aber<br />
wo soll man schon suchen? Und wo findet<br />
man eine Atmosphäre, die einen inspirierend<br />
einfängt <strong>und</strong> dann noch Raum zum Träumen<br />
lässt? Und dazu noch den Einkauf von<br />
Geschenken ermöglicht, mit denen man ganz<br />
weit vorne ist?<br />
<strong>Der</strong> „Romantische Weihnachtsmarkt“ im<br />
Niederrheinischen Freilichtmuseum in<br />
Grefrath/Niederrhein am 1. <strong>und</strong> 2. Advent<br />
ist so ein besonderes <strong>und</strong> emotionales Event,<br />
bei dem man schon mal vergessen kann, dass<br />
es den Weihnachtsmann eigentlich gar nicht<br />
gibt. Knisternde Feuerkörbe, zahlreiche<br />
Fackeln <strong>und</strong> mehrere tausend Lichtquellen<br />
tauchen das Gelände in eine traumhafte<br />
Atmosphäre. Die Künstlerin KiSa hüllt<br />
das Gelände in ein Meer von Fahnen <strong>und</strong><br />
Ölfackeln, am Wassergraben der Dorenburg<br />
modellieren mittelalterliche Feuerkünstler<br />
mit rotierenden Ketten skurrile Feuermuster<br />
in den Abendhimmel <strong>und</strong> das Mäuseroulette<br />
hält die großen <strong>und</strong> kleinen Spieler ebenso<br />
gespannt an der virtuellen Bühne.<br />
Im Mittelpunkt stehen je Wochenende<br />
ca. 100 der besten Designer, Künstler<br />
<strong>und</strong> Kunsthandwerker, die man in solch<br />
einer Qualitätsdichte nur an ganz wenigen<br />
Orten in Deutschland zu sehen bekommt.<br />
Sie bieten ihre ausschließlich filigran <strong>und</strong><br />
selbstgefertigten Produkte in den einzelnen<br />
Fachwerkhöfen zum Kauf an. Ausgefallene<br />
Keramik-Windlichter, zauberhafte Feen,<br />
oder aber ausgefallene Designgoldstücke<br />
<strong>und</strong> vieles andere mehr finden auf diesen<br />
Events oftmals begeisterte <strong>neu</strong>e Besitzer.<br />
Und das schönste ist, das an den beiden<br />
Wochenenden ein Großteil der Aussteller<br />
<strong>und</strong> der programmatische Anteil variiert.<br />
Es duftet nach frisch gebackenem Brot aus<br />
der historischen Bäckerei, heißem Glühwein<br />
<strong>und</strong> frischen Maronen. Lassen Sie sich<br />
französische Crêpes <strong>und</strong> mittelalterliche Ritterspieße<br />
ebenso schmecken wie den original<br />
Flammlachs oder Elsässer Flammkuchen.<br />
Eintritt:<br />
5 Euro, Kinder bis 14 Jahre frei.<br />
Öffnungszeiten:<br />
Freitag <strong>und</strong> Samstag 13.00 bis 21.00 Uhr,<br />
Sonntag 11.00 – 20.00 Uhr.<br />
29. Nov. - 1. Dez (1. Advent) <strong>und</strong><br />
6. - 8. Dez. 2013 (2. Advent).<br />
Anschrift:<br />
Niederrheinisches Freilichtmuseum<br />
Am Freilichtmuseum 1<br />
(Navi: Stadionstr. 145)<br />
47929 Grefrath<br />
Infos unter:<br />
www.romantischer-weihnachtsmarkt.net<br />
oder Tel: +49(0)202/8706418<br />
Veranstalter: OpenMind ManagementService,<br />
www.omms.net<br />
Fotos: Dennis Mannek <strong>und</strong><br />
OpenMind ManagementService<br />
10
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Lechtaler Haussegen<br />
Brennerei aus Leidenschaft<br />
von Udo Mannek<br />
Die Ortschaft Elbigenalp liegt im w<strong>und</strong>erschönen Lechtal<br />
in Tirol. Direkt an der Landstraße B 198 findet man die<br />
Schaubrennerei von Melanie Haider <strong>und</strong> Mario Huber.<br />
Ursprünglich als Hobby betrieben, wurde im Jahre 2011 eine ansehnliche<br />
Schaubrennerei mit gemütlichem Verkostungsraum errichtet.<br />
Auf Voranmeldung werden für Gruppen Verkostungen angeboten.<br />
Heimlich kann hier nicht gebrannt werden. Die Brennblase mit<br />
Kolonne steht hinter einer großen Glasfensterfront direkt an der<br />
Hauptstraße. Auch ist dem Abzweigen der destillierten Köstlichkeit<br />
für private Zwecke mit mehreren Zollplomben ein steuerrechtlicher<br />
Riegel vorgeschoben.<br />
Zur Verwendung kommen nur Ausgangsprodukte bester Qualität.<br />
Die ganze Familie hilft beim Obstsammeln sowie beim Ausgraben<br />
der Blutwurz- <strong>und</strong> Enzianwurzeln. Nicht nur das Graben nach<br />
Wurzeln ist Schwerstarbeit. Auch das traditionelle Reinigen mit der<br />
Bürste ist schweißtreibend <strong>und</strong> zeitintensiv. Heutzutage verwendet<br />
man gerne auch mal den sanften Strahl eines Hochdruckreinigers.<br />
Auf die Qualität des Brandes nimmt dies keinen Einfluss.<br />
Die Brennblase fasst 150 Liter Maische <strong>und</strong> kann direkt aus den im<br />
Keller gelagerten Maischebottichen gefüllt werden. Die Anlage wird<br />
mit Holz befeuert. Dies erfordert eine gute Hand, da beim Brennvorgang<br />
eine konstante Temperatur gehalten werden muss.<br />
In der auf der Brennblase aufgesetzten Kolonne befinden sich<br />
Glockenböden. Hier kondensieren die unterschiedlichen Alkohole<br />
<strong>und</strong> verdampfen er<strong>neu</strong>t. So ist nur ein Brenndurchgang erforderlich.<br />
<strong>Der</strong> destillierte Alkohol wird über das sogenannte Geistrohr in den<br />
Kühler geleitet. Hier kondensiert der Brand <strong>und</strong> läuft zunächst<br />
durch einen Messbehälter. Hier wird mit einem Aräometer der Alkoholgehalt<br />
gemessen. In einem dünnen Strahl fließt schließlich der<br />
edle Brand in einen Auffangbehälter. <strong>Der</strong> Vor- <strong>und</strong> Nachlauf muss<br />
vor Augen des österreichischen Zollbeamten entsorgt werden. Für<br />
den Mittellauf, dem sogenannten Herzstück, sind Steuern fällig.<br />
11
Ein Lob wohl dem, der hat entdeckt,<br />
welch Köstlichkeit im Obste steckt.<br />
Zumal, wenn man´s zur Maische macht,<br />
<strong>und</strong> diese dann, wie man es nennt,<br />
mit viel Geschick im Kessel brennt.<br />
Man weiß, dass man erfahren<br />
darin war schon seit vielen Jahren.<br />
Doch wurd <strong>und</strong> wird gern anerkannt,<br />
ein wirklich echter, edler Brand<br />
<strong>und</strong> dieser schmeckt besonders fein,<br />
ist der dazu noch sortenrein.<br />
Drum´ wird halt Echtheit nicht zuletzt,<br />
an unsren Bränden sehr geschätzt.<br />
Kontakt<br />
Mario Huber & Melanie Haider<br />
Dorf 52<br />
A 6652 Elbigenalp<br />
Tel.: +43(0)676 344 3422<br />
E-Mail: info@lechtaler-haussegen.at<br />
Home: www.lechtaler-haussegen.at<br />
Verschlussbrennerei<br />
Edelbrände aus heimischer Erzeugung<br />
Und gerade beim Herzstück wird nur das Beste verwendet. Davon<br />
konnten wir uns persönlich überzeugen, denn die Redaktion durfte<br />
beim Schnapsbrennen dabei <strong>sein</strong>. „Wir setzen auf Qualität <strong>und</strong> Nachhaltigkeit<br />
<strong>und</strong> nicht auf Menge“, erklärt uns Melanie Haider, die<br />
eine Ausbildung zum Edelbrandsommolier absolviert hat. Nach dem<br />
Füllen der Blase mit Maische der Muskattraube wurde angeheizt<br />
<strong>und</strong> der genau kontrollierte Brennvorgang begann. Nach einer<br />
Wartezeit, die uns mit dem Probieren diverser Brände sensationell<br />
verkürzt wurde, begann der Vorlauf mit einem Alkoholgehalt von<br />
über 90 Volumenprozent. Bei etwa 84 vol. % konnten wir etwas, mit<br />
Wasser auf Trinkstärke gebracht, vom Mittellauf kosten.<br />
Durch Kreativität <strong>und</strong> Experimentierfreude entstehen immer wieder<br />
<strong>neu</strong>e edle Brände. Das umfangreiche <strong>und</strong> mit mehreren Auszeichnungen<br />
gekrönte Sortiment der Edelbrände umfasst Rubinette-Apfelbrand,<br />
Golden Delicious-Apfelbrand <strong>und</strong> Apfelbrand in Eiche<br />
gelagert. Außerdem führen Melanie Haider <strong>und</strong> Mario Huber<br />
Williams Christ-Birne, Zwetschken, Blutwurz, Meisterwurz, Quitte<br />
<strong>und</strong> Enzian-Apfel. In fruchtreichen Jahren wird Vogelbeere zu Brand<br />
verarbeitet. <strong>Der</strong> Klassiker schlechthin ist der Original Lechtaler<br />
Berg heubrand-Apfel. Im Sortiment der Liköre führt die Elbigenalper<br />
Brennerei Orangenlikör, Zwetschkenlikör <strong>und</strong> Williams-Birnenlikör.<br />
Besonders beliebt, gerade bei den Lechtalern, ist der reine Enzian-Brand.<br />
Von Melanie Haider lernen wir, dass diese Spirituose<br />
nicht aus der Blüte des Blauen Enzians – so wie meist Abbildungen<br />
auf Flaschenetiketten glauben machen wollen – sondern aus der<br />
Wurzel des wesentlich größeren <strong>und</strong> ergiebigeren Gelben Enzians<br />
gebrannt wird.<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Als Verschlussbrennerei wird ein Produktionsbetrieb von Spirituosen bezeichnet, dessen Brenngeräte während<br />
des Herstellungsprozesses vollständig unter zollbehördlichem Verschluss stehen. Alle Verbindungen <strong>und</strong> Flansche<br />
der Destillationsanlage sind vom Zoll verplombt. Die tatsächlich entstandene Alkoholmenge wird entweder<br />
durch ein geeichtes Zählwerk oder durch ein verschlossenes Sammelgefäß ermittelt.<br />
13
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Holz-Bildhauerei<br />
von Tradition bis Moderne<br />
von Udo Mannek<br />
Schnitzen hat im Lechtal eine lange Tradition. In früheren<br />
Zeiten besserten sich die Lechtaler aus der Not geboren mit<br />
dieser <strong>Handwerk</strong>skunst das tägliche Einkommen auf. Bis<br />
heute haben sich zahlreiche Schnitzstuben gehalten. Nur in wenigen<br />
Regionen Österreichs ist das Schnitzhandwerk so stark verbreitet<br />
wie im Lechtal.<br />
Einer der dieses w<strong>und</strong>erschöne <strong>Handwerk</strong> eindrucksvoll praktiziert<br />
ist Schnitzer <strong>und</strong> Holzbildhauer Ernst Schnöller – genannt Schnully<br />
– aus Bach. Direkt an der B 198 befindet sich <strong>sein</strong> Atelier. In der<br />
Winterzeit werden zum Teil lebensgroße Figuren unter anderem aus<br />
Zirbe auf traditionelle Weise geschnitzt. Lebensgroß heißt hier 193<br />
cm – so groß wie Ernst Schnöller selber.<br />
Seit <strong>sein</strong>em 10. Lebensjahr schnitzt Ernst Schnöller in der väterlichen<br />
Werkstatt. Am Anfang waren es Wurzeln, Äste <strong>und</strong> einfache<br />
Schnittmuster-Schwerter die bearbeitet wurden. Mit der Zeit<br />
entwickelte sich <strong>sein</strong> Talent <strong>und</strong> schließlich besuchte er die renommierte<br />
Fachschule für gewerbliche Holzbildhauerei. Seine Lehrer<br />
unterstützten ihn bei der Verwirklichung <strong>sein</strong>e Ideen. Auf diese<br />
Weise konnte Ernst Schnöller <strong>sein</strong>en persönlichen Stil entwickeln.<br />
Inzwischen verarbeitet er jede Holzsorte aber auch Polystyrol,<br />
Schnee, Eis, Gips, Beton <strong>und</strong> Eisen. Die Bandbreite des Schaffens<br />
reicht von christlichen Figuren <strong>und</strong> Reliefs über traditionelle<br />
Motive – wie zum Beispiel die Darstellung der über die Grenzen<br />
des Lechtals hinaus bekannt gewordenen Romanfigur der Geierwally<br />
– bis hin zu moderne Bildern. Im Atelier Schnully werden auch<br />
Reparaturen ausgeführt <strong>und</strong> Hobbyschnitzkurse angeboten.<br />
Im Sommer <strong>erlebt</strong>en wir Ernst Schnöller auf der Wiese neben <strong>sein</strong>er<br />
Werkstatt in Aktion. Das sommerliche Freiluftatelier liegt an der<br />
nahen B<strong>und</strong>esstraße gut positioniert. Zahlreiche Kraftfahrer reduzieren<br />
deutlich das Tempo, manche halten <strong>und</strong> schauen interessiert<br />
dem handwerklichen Treiben zu. Hier arbeitet Ernst Schnöller<br />
mit Kettensäge <strong>und</strong> Winkelschleifer an spektakulären Skulpturen.<br />
Gerade ist ein fast 3,5 m großer Steinbock fertig geworden. Eine<br />
imposante Erscheinung! Die Oberfläche wurde geflämmt, anschließend<br />
gebürstet <strong>und</strong> schließlich eingeölt. Alle zwei Jahre sollte<br />
eine so oberflächenbehandelte Skulptur gereinigt <strong>und</strong> er<strong>neu</strong>t geölt<br />
werden. Ernst Schnöller: „Die Pflege ist das Wichtigste bei Holz“.<br />
Heute arbeitet „Schnully“ an einer <strong>neu</strong>en Skulptur. Die Vorlage hat<br />
der Bildhauer von einem Plakat der Tirol-Werbung: Eine Kuh, die<br />
aus dem Stall schaut.<br />
„Jede Kuh schaut anders aus“<br />
„Als Kind habe ich mich gefragt, wie die Hirten zum Teil 150 Kühe<br />
au<strong>sein</strong>anderhalten können. Heute, wo ich mich selber mit dem Aus-<br />
14
sehen einer Kuh befasse, kann ich die Hirten verstehen, denn jede<br />
Kuh schaut anders aus,“ erklärt uns Ernst Schnöller.<br />
Kontakt<br />
Atelier Schnully<br />
Holz-Bildhauerei<br />
Ernst Schnöller<br />
Obergilben 4<br />
A-6653 Bach<br />
Telefon +43(0)5634/6497<br />
Handy +43(0)676/6231423<br />
E-Mail: ernst@schnully.at<br />
Home: www.schnully.at<br />
Aus dem 200 Jahre alten Stamm einer Lerche entsteht in wenigen<br />
St<strong>und</strong>en ein gewaltiges Kunstwerk. Die Lerche wuchs einmal in<br />
der Nähe von Bschlabs in einem Seitental des Lechtals. Wegen der<br />
starken Verästelung dieses Baumstückes ist es für eine konventionelle<br />
Nutzung z.B. als Bauholz nicht geeignet. Jedoch für Ernst<br />
Schnöller ein idealer Rohling. Die großen Stücke werden mit der<br />
Kettensäge heraus gearbeitet. <strong>Der</strong> Winkelschleifer kommt für die<br />
feineren Konturen zum Einsatz. „Wenn sie damals diese modernen<br />
Werkzeuge schon gehabt hätten, hätten sie diese auch verwendet“<br />
sagt Ernst Schnöller <strong>und</strong> meint damit die alten Schnitzer, welche<br />
noch keine Baumärkte kannten. Es kommen aber auch die traditionellen<br />
Werkzeuge zum Einsatz. Zahlreiche Stechbeitel zur Ausarbeitung<br />
besonders filigraner Details – wie die Augen der Kuh – liegen<br />
griffbereit. Dem Aussehen einer Skulptur kommt eine große künstlerische<br />
Bedeutung zu. „Wenn man zum Beispiel einen Steinbock<br />
so schnitzen würde wie er in Natura aussieht, würde die Skulptur<br />
hässlich aussehen“, so Ernst Schnöller. Deshalb wird das Aussehen<br />
einer Skulptur von Schnitzerhand gerne idealisiert. Und es sieht in<br />
der Tat schön aus!<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Kontakt<br />
Schnitzschule Geisler-Moroder<br />
A-6652 Elbigenalp 63<br />
Telefon: +43(0)5634/6215<br />
Telefax: +43(0)5634/6128<br />
E-Mail: geisler-moroder@aon.at<br />
Internet: www.schnitzschule.com<br />
Schnitzschule Elbigenalp<br />
A-6652 Elbigenalp 57<br />
Internet: www.schnitzschule.at<br />
Schnitzen lernen<br />
In Elbigenalp im österreichischen Lechtal gibt es<br />
eine private <strong>und</strong> eine öffentliche Schnitzschule.<br />
Die öffentliche Schnitzschule mit hervorragendem<br />
Ruf stellt hohe Anforderungen an die jungen<br />
Schüler, welche das Schnitzen oder einen artverwandten<br />
Beruf erlernen möchten. Die privat<br />
geführte Schnitzschule Geisler-Moroder, unweit<br />
von der Geierwally Freilichtbühne gelegen,<br />
bietet Interessierten alles zum Hobby Schnitzen.<br />
Vom Schnupper-Schnitzen für junge Leute ab<br />
12 Jahren, das Schnitzen mit der Kettensäge,<br />
bis zum Steinbildhauen <strong>und</strong> das Gestalten von<br />
Betonskulpturen reicht das Angebot. Weitere<br />
Lechtaler Schnitzer bieten Kurse an <strong>und</strong> tragen<br />
so die alte <strong>Handwerk</strong>skunst weiter. Wer nicht<br />
selber schnitzen lernen möchte, kann sich in den<br />
zahlreichen Lechtaler Schnitzstuben umsehen<br />
<strong>und</strong> w<strong>und</strong>erschöne handgefertigte Skulpturen als<br />
Andenken käuflich erwerben.<br />
16
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Naturkäse aus dem<br />
Lechtal<br />
Heumilch von der Hochalm<br />
von Udo Mannek<br />
Morgens um 8.30 Uhr wird der Käserei Sojer eine Fuhre<br />
Milch angeliefert. Auf der Ladefläche eines Pritschenwagens<br />
stehen ein Edelstahltank <strong>und</strong> einige Milchkannen<br />
mit zusammen etwa 500 Litern frischer Milch von der Hochalm.<br />
Die gemolkene Milch mit einem Fettanteil von 4,5 - 5 % stammt<br />
vom Vorabend <strong>und</strong> vom Morgen. Auf der Alm leben die Kühe im<br />
Sommer auf 1.800 Meter Seehöhe <strong>und</strong> verbringen eine glückliche<br />
Zeit bei frischer Luft <strong>und</strong> klarem Wasser. Die Milch wird nach dem<br />
Melken auf der Alm in einem mit Quellwasser gekühlten Edelstahltank<br />
zwischengelagert. Über eine über 400 lange Milchpipeline wird<br />
die Milch nach vorheriger telefonischer Absprache auf 1.600 Meter<br />
Seehöhe gepumpt, denn eine Fahrstraße bis hinauf zur Alm gibt es<br />
nicht. Hier wartet schon der Milchwagen. Erst 10 Minuten später<br />
kommen die ersten Liter beim Pritschenwagen an. Solange braucht<br />
die Milch vom Berg durch das Rohr bis auf 1.600 m Höhe.<br />
Verfüttert wird dem Braunvieh Heu <strong>und</strong> bis zu 50 verschiedene<br />
Gräser <strong>und</strong> Kräuter. Auch im Winter bekommen die Kühe nur<br />
sonnengetrocknetes Heu <strong>und</strong> mineralstoffreiches Getreideschrot.<br />
Auf Silage, also gärende Futtermittel, wird vollständig verzichtet.<br />
Die Kühe werden dadurch besser ernährt <strong>und</strong> geben hochwertige<br />
Heumilch mit besonders hohem Fettsäureanteil. Das gibt der Milch<br />
<strong>und</strong> später dem Käse einen besonders guten Geschmack. Heute gibt<br />
es noch 25 Bergbauern <strong>und</strong> im Sommer 9 Almbetriebe, die im Winter<br />
täglich zwischen etwa 2.500 Liter <strong>und</strong> im Sommer um die 5.000<br />
Liter Milch in die Käserei liefern. So kommen jährlich ca. 900.000<br />
Liter Milch zusammen, um zu reinen Naturkäse verarbeitet zu<br />
werden. Für ein Kilogramm Käse braucht man ungefähr 11 - 12 Liter<br />
Milch. Für einen Laib mit 35 Kilogramm Gewicht werden etwa 400<br />
Liter Milch benötigt. Die Milch wird täglich frisch verarbeitet.<br />
Die einzige Käserei im Lechtal<br />
Die über Grenzen hinaus bekannte Naturkäserei Sojer ist die einzige<br />
im ganzen Lechtal <strong>und</strong> ist deshalb auch sehr wichtig für die Erhaltung<br />
der Landwirtschaft <strong>und</strong> der Bauern in der Region. Die Käserei<br />
befindet sich mitten im Ortszentrum von Steeg, einem kleinen,<br />
romantischen Gebirgsdorf am Fuße des Arlbergs. Hier wird die von<br />
den Almen angelieferte Naturmilch zu einem besonders schmackhaften<br />
reinen Naturkäse verarbeitet. <strong>Der</strong> ganztägig geöffnete Schau<br />
17
aum ermöglicht auch außerhalb von Führungen einen Einblick in<br />
die Käserei. Das angeschlossene Ladengeschäft <strong>und</strong> die Milchstube<br />
laden zum Genuß diverser Hart-, Schnitt- <strong>und</strong> Weichkäsesorten bei<br />
einer deftigen Lechtaler Brotzeit ein.<br />
Erbaut wurde die Käserei im Jahre 1903 von den Bauern der<br />
Gemeinde Steeg/Hägerau. Ab 1934 wurde sie genossenschaftlich<br />
geführt, bis sie 1955 vom Milchkäufer Michael Sojer gepachtet<br />
wurde. Seitdem wird die Käserei privat von der Familie Sojer bewirtschaftet.<br />
Am 20. Februar 1962 geschah ein Unglück – die Käserei<br />
brannte ab. Mit viel Mühe, Fleiß <strong>und</strong> Unterstützung der örtlichen<br />
Bauern konnte die Käserei wieder aufgebaut, <strong>und</strong> etwa zwei Monate<br />
nach dem Brand der Betrieb wieder aufgenommen werden. Im Jahre<br />
1980 übernahm der Molker- <strong>und</strong> Käsermeister Bruno Sojer, Sohn<br />
von Michael Sojer, den Betrieb. Noch im gleichen Jahr wurde die<br />
Käserei renoviert <strong>und</strong> um die Milchtrinkstube erweitert. Im Jahre<br />
1990 wurde die Käserei nochmals renoviert <strong>und</strong> 1992 endgültig auf<br />
den <strong>neu</strong>esten technischen Stand gebracht. 1996 zog die Käserei ins<br />
angrenzende Gebäude um. So wurde mehr Platz für einen größeren<br />
Verkaufsraum <strong>und</strong> eine Terrasse für die Milchtrinkstube geschaffen.<br />
Käserei <strong>und</strong> Milchtrinkstube werden heute von Kurt Sojer geführt.<br />
<strong>Der</strong>zeit wird dort auch ein Lehrling ausgebildet.<br />
Erzeugt werden bei Sojer reine Naturprodukte. Die hausgemach ten<br />
Käse- <strong>und</strong> Joghurtspezialitäten, Butter <strong>und</strong> Topfen (= Quark oder<br />
Weißkäse) werden im Verkaufsraum angeboten. Einmal wöchentlich<br />
beliefert die Käserei Hotels, Pensionen, Geschäfte <strong>und</strong> Bauernmärkte<br />
im Tal. Auch tirolweit werden die verschiedensten Käsesorten<br />
über einen Händler vertrieben. <strong>Der</strong> Käse wird nach altem Verfahren<br />
hergestellt <strong>und</strong> nach alter Tradition behandelt. Von der Produktion<br />
bis zur Käsepflege erfolgt vieles noch in Handarbeit. Die Lagerung<br />
des Bergkäses erfolgt in den alt bewährten Holzstellagen, welche<br />
die Fähigkeit besitzen, jene Feuchtigkeit aufzunehmen <strong>und</strong> wieder<br />
abzugeben, die der Käse benötigt. Diese Art der Lagerung erfordert<br />
zwar wesentlich mehr Arbeit, da der Käse jeden zweiten Tag gepflegt<br />
werden muss. Aber sie hat den Vorteil, dass der Käse viel geschmeidiger<br />
<strong>und</strong> geschmackvoller wird. Die Pflege des Käses ist ganz<br />
besonders wichtig, so wird der Käse jeden 2. Tag mit Salzwasser geschmiert,<br />
es dauert beim Bergkäse ein halbes Jahr lang, bis er richtig<br />
ausgereift ist. Ein auf natürliche Art ausgereifter Käse zeichnet sich<br />
durch lange Haltbarkeit aus. Schnittkäse reift in ca. 12 Wochen,<br />
Weichkäse benötigt 8 Wochen zur Reife. So wird der Naturkäse<br />
sehr bekömmlich <strong>und</strong> erhält <strong>sein</strong>en intensiven <strong>und</strong> kraftvollen Geschmack.<br />
Aber auch hier gilt: Probieren geht über Studieren!<br />
Wie aus Milch Käse wird<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
Schon seit der frühen Jungsteinzeit ist in Mitteleuropa das Prinzip der Käseherstellung bekannt. Wenn Milch sauer<br />
wird <strong>und</strong> sich die festen Bestandteile Eiweiß, Fett, Milchzucker <strong>und</strong> Mineralstoffe von der flüssigen Molke getrennt<br />
haben, entsteht Käse. Bei der Herstellung von Käse in Käsereien wird dieser natürliche Vorgang beschleunigt.<br />
Vorbereitung<br />
Zuerst wird die Milch auf ihre bakteriologische Beschaffenheit überprüft. Dann wird die Milch gefiltert bzw. abgeseiht<br />
<strong>und</strong> – außer es soll Rohmilchkäse hergestellt werden – pasteurisiert. Zur Einstellung des gewünschten Fettgehaltes<br />
mischt der Käsemeister entweder Magermilch oder Rahm in die Milch.<br />
Dicklegung<br />
Das Milchgemisch wird mit Hilfe von Starterkulturen bestehend aus Milchsäurebakterien vorgereift <strong>und</strong> anschließend<br />
mit Lab aus Kälbermagen zum Gerinnen gebracht. Dieser Vorgang wird Dicklegen genannt <strong>und</strong> dauert je<br />
nach herzustellendem Käse zwischen 30 Minuten <strong>und</strong> mehreren St<strong>und</strong>en.<br />
Schneiden<br />
Hat die dickgelegte Masse – auch Dickete genannt – die richtige Festigkeit erlangt, wird sie mit einer Käseharfe in<br />
Stücke gebrochen. Den richtigen Zeitpunkt zum Schneiden legt der Käsemeister nach manueller Prüfung fest. Je<br />
feiner der Käsebruch, desto mehr Molke kann sich absetzen. <strong>Der</strong> fertige Käse wird dann entsprechend härter. Aus<br />
gröberem Käsebruch wird Weichkäse produziert. Als „Brennen des Käsebruchs“ wird der Vorgang bezeichnet, bei<br />
dem der Käsebruch vorsichtig erhitzt wird. Dadurch zieht sich das Bruchkorn weiter zusammen, weitere Molke tritt<br />
aus <strong>und</strong> die Trockenmasse erhöht sich.<br />
Formen<br />
Durch Abtropfen, Pressen <strong>und</strong> Wenden wird die restliche Molke vom Käsebruch getrennt. Hat der Käsebruch richtige<br />
Konsistenz erreicht wird er in sortentypischen Formen gefüllt. So entstehen die Käselaibe.<br />
Baden in Salzlake<br />
Außer bei Frischkäse wird bei allen Käsesorten durch Baden in Salzlake mit einem Salzgehalt weiteres Wasser<br />
entzogen. Dadurch werden schädliche Bakterien ferngehalten <strong>und</strong> die Bildung der Rinde gefördert. Es gelangt dabei<br />
auch Salz in den Käse. Die Salzlake beeinflusst somit auch den Geschmack des Käses.<br />
Reifen<br />
Die Reifung erfolgt aufgr<strong>und</strong> einer Veränderung der Käsemasse durch natürliche Milchenzyme. Je nach Sorte muss<br />
der Käse im Reifekeller unterschiedlich lange reifen. Dabei bestimmen bei einigen Standard-Käsesorten gesetzliche<br />
Vorschriften die Reifezeit. Bei der tage-, wochen- oder monatelange Reifung entwickelt sich das sortentypische<br />
Aroma. Die Laibe werden regelmäßig gewendet, bestrichen <strong>und</strong> je nach Sorte gebürstet, gewaschen <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />
mit Edelschimmel oder Kräutern behandelt. <strong>Der</strong> Käse erhält so <strong>sein</strong>en ganz besonderen Charakter. Eine<br />
bemerkenswerte Vielfalt an köstlichen Käsesorten entsteht.<br />
18
Wie entstehen die Löcher im Käse<br />
Die Löcher im Käse entstehen durch den Reifeprozess. Bei diesem Prozess entsteht unter anderem CO 2<br />
.<br />
Im Anfangsstadium des Milchsäureabbaus bindet sich das CO 2<br />
mit dem im Käse vorhandenen Wasser bis<br />
zur Sättigung.<br />
Danach bildet sich gasförmiges CO 2<br />
im Käse, das aufgr<strong>und</strong> der Rindenbildung jedoch nicht entweichen kann.<br />
Es sammelt sich an den schlecht verwachsenen Stellen im Käseteig <strong>und</strong> es entstehen Hohlräume, also<br />
die Löcher im Käse. Die Anzahl <strong>und</strong> Größe der Löcher ist von der Menge an Bakterien sowie von der<br />
Lagerung des Käses abhängig. Anhand der Größe, Form <strong>und</strong> Verteilung der Löcher lässt sich der<br />
Verlauf der Reifung <strong>und</strong> somit die Qualität des Käses sehr gut ablesen. Hier sei als Beispiel für<br />
große Löcher im Käse der Emmentaler genannt. Abweichend vom Emmentaler entstehen<br />
die kleineren Löcher beispielsweise beim Tilsiter herstellungsbedingt bereits vor der<br />
Reifung. <strong>Der</strong> Käse wird in Formen nur leicht angepresst. Im locker geschichteten Käsebruch<br />
können dann die kleinen Löcher entstehen.<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Kontakt<br />
Lechtaler Naturkäserei<br />
Käserei <strong>und</strong> Milchtrinkstube Sojer<br />
Haus Nr. 16<br />
A 6655 Steeg<br />
Tel. +43(0)5633/5636<br />
E-Mail: b.sojer@aon.at<br />
Home: www.kaesereisojer.at<br />
Öffnungszeiten:<br />
Geschäft <strong>und</strong> Milchtrinkstube<br />
Täglich: 8.00 - 18.00 Uhr<br />
Sonntags: 8.30 - 18.00 Uhr<br />
Führungen nach Anmeldung.<br />
19
Damals<br />
Meine<br />
Kindheitserinnerungen<br />
von Richard Planitz<br />
Aufgewachsen bin ich im Haus<br />
Dettingerstraße 53, einem schmalen,<br />
frech dastehenden Haus, in dem<br />
meine Mutter seit 1950 ein Einzelhandelsgeschäft,<br />
welches von einem Herrn Treyz<br />
übernommen wurde, bis 1987 betrieben hat.<br />
Die Dettingerstraße war jahrh<strong>und</strong>ertelang<br />
Hauptschlagader, über sie wurden Güter aller<br />
Art stadtein- <strong>und</strong> auswärts transportiert.<br />
In nahezu jedem Haus war <strong>und</strong> ist bis<br />
heute ein Geschäft untergebracht. So habe<br />
ich (Jahrgang 1949) meine Nachbarschaft<br />
sehr intensiv <strong>erlebt</strong> <strong>und</strong><br />
erforscht. 1953 kam ich<br />
in den Traubschen Kindergarten<br />
zur Schwester<br />
Lydia <strong>und</strong> ihrer Kollegin<br />
Schwester Gertrud.<br />
Dort war ein riesiger,<br />
reich verzierter guss eiser<br />
ner Ofen aufgestellt,<br />
um den ein richtiger<br />
Schutzzaun gebaut war,<br />
damit die Kinder in der<br />
kalten Jahreszeit dem<br />
oft glühenden Ungetüm<br />
nicht zu nahe kamen. In<br />
der warmen Jahreszeit<br />
durften wir im Freien<br />
spielen <strong>und</strong> im Garten<br />
stand ein großer Baum,<br />
um den herum ein Sandkasten<br />
angelegt war. In<br />
dem Zeitraum wurde<br />
die Hindenburgstraße<br />
repariert <strong>und</strong> da war eine<br />
Dampfwalze damit beschäftigt, den Unterbau,<br />
also die Schottervorlage einzuwalzen.<br />
Da war natürlich der Sandkasten uninteressant<br />
<strong>und</strong> wenn ich hätte können, wäre ich in<br />
die Dampfwalze hineingeschlüpft. Das hat<br />
mich schon fasziniert. Auf der anderen Seite<br />
des Kindergartens, in der Dettingerstraße,<br />
war die Färberei Geiger angesiedelt. Auf<br />
deren Anwesen stand ein Kesselhaus mit<br />
einem aus Backsteinen gemauerten Kamin,<br />
aus dem regelmäßig schwarzer Rauch quoll.<br />
Damit war für mich klar, da wo ein Kamin<br />
Das Bild vom Haus Dettingerstraße 53 in Kirchheim Teck. Leider ist die Postkarte <strong>und</strong>atiert,<br />
aber aus meiner Sicht stammt die Aufnahme aus der Zeit zw.1950 bis 1955.<br />
rauchte, musste auch eine Dampfmaschine<br />
<strong>sein</strong>! Und so war es. Wenn nämlich der<br />
Kindergarten Feierabend machte, ging der<br />
kleine Richard nicht gleich heim, sondern<br />
auf die andere Straßenseite <strong>und</strong> warf durch<br />
die stets einen Spalt offene Türe einen Blick<br />
ins Maschinenhaus! Da roch es zuerst nach<br />
heißem Öl <strong>und</strong> in der Mitte des hohen,<br />
gekachelten Raumes stand ein dröhnender<br />
Dampfmotor, welcher direkt mit einem<br />
gewaltigen Generator gekuppelt war, um<br />
die Fabrik mit elektrischer Energie zu versorgen.<br />
Diese Energie musste ja irgendwo<br />
herkommen. Des Rätsels Lösung war<br />
ein Dampfkessel, welcher mit Steinkohle<br />
beheizt wurde. Diese kam, das fand ich<br />
schnell heraus, ein- bis zweimal pro Woche<br />
in zwei vollbeladenen Anhängern dort an.<br />
Die ganze Geräuschkulisse, zu der auch<br />
die dumpfen, gewaltigen Töne der <strong>Schmied</strong>ehämmer<br />
aus der Flanschenfabrik Weise<br />
ihren Beitrag leisteten, wurde dominiert<br />
von einer Zugmaschine, die schon längst<br />
weltweit verbreitet war: Ein Lanz-Bulldog<br />
mit über 10 Litern Hubraum von der<br />
Spedition Karl Schmid mit <strong>sein</strong>em nach<br />
oben gerichteten kegelförmigen Auspuffrohr<br />
zog die schweren Anhänger laut knallend<br />
die Dettingerstraße hinauf. Dabei klirrten in<br />
meinem Elternhaus nicht nur die Fensterscheiben,<br />
sondern auch im Stubenbuffet die<br />
Gläser <strong>und</strong> Tassen. Diese Töne sind mir<br />
bis heute im Gedächtnis. Je nach Wetterlage<br />
war die im Garten aufgehängte Wäsche<br />
am nächsten Tag mit kleinen, schwarzen<br />
Rußflöckchen überzogen, welche aus<br />
dem Kamin der Färberei<br />
herübergeweht wurden.<br />
Das war völlig normal<br />
<strong>und</strong> hat niemand gestört.<br />
Bevor sich am Südbahnhof<br />
am frühen Morgen der<br />
Dampfzug in Bewegung<br />
setzte, wurde ein Signalpfiff<br />
abgegeben <strong>und</strong> wenn<br />
sich der Ton überschlug,<br />
war schlechtes Wetter<br />
angesagt. Gegenüber<br />
meinem Elternhaus war<br />
der Friseur Maier <strong>und</strong><br />
darunter der Pferdehändler<br />
<strong>und</strong> -metzger Strobel,<br />
dort wurden alte <strong>und</strong><br />
verbrauchte Pferde verar<br />
beitet. Frau Strobel<br />
verkaufte in ihrem Laden<br />
wohlschmeckende<br />
Erzeugnisse aus Pferdefleisch.<br />
Friseur wollte ich<br />
nicht werden, schon eher<br />
<strong>Schmied</strong>, weil ich dem <strong>Schmied</strong>-Eberle <strong>und</strong><br />
dem <strong>Schmied</strong>-Schlatter recht oft einen Besuch<br />
abstattete <strong>und</strong> zuhause Bemerkungen<br />
machte, ob ich nicht anstatt in die Schule<br />
gleich zum <strong>Schmied</strong>-Eberle in die Lehre<br />
gehen könne! Viele Männer gingen abends<br />
ins Wirtshaus <strong>und</strong> zusammen mit meiner<br />
Mutter beobachtete ich einen Mann, der zu<br />
später St<strong>und</strong>e aus dem Rössle herauskam<br />
<strong>und</strong> schwankend auf einen vor unserem<br />
Haus gepflanzten Vogelbeerbaum zusteuerte,<br />
um sich dort zu übergeben. Entsetzt<br />
20
Das Bild zeigt die Gesamtansicht von Kirchheim-Teck: etwa in der Mitte die Martinskirche, links<br />
davon das Rathaus <strong>und</strong> auf dem Berggipfel befindet sich die Burg Teck. Hinter den 3 Kaminen<br />
ist die A 8, Stuttgart-München, erkennbar, die 1937 eingeweiht wurde. Heute hat Kirchheim-Teck<br />
r<strong>und</strong> 40.000 Einwohner <strong>und</strong> darf sich seit 1956 „Große Kreisstadt“ nennen. Seit<br />
1973 gehört Kirchheim zum Landkreis Esslingen.<br />
öffnete meine Mutter das Fenster <strong>und</strong> rief<br />
hinunter: „Ja Herr Heilig, hots nemme<br />
hoimglangt?“ Darauf derselbe: „Desch blos<br />
Mooscht!“ Mit einem Eimer Wasser hat<br />
sie dann den „Most“ samt Zubehör in den<br />
Kandel geschwenkt.<br />
In der Ziegelstraße hatte Erich Fiebig,<br />
der ein lustiger Mann war, eine Scheune<br />
an ge mietet <strong>und</strong> handelte mit allem, was ihm<br />
in die Finger kam. Einmal hatte er einen<br />
alten Opel P4, der sogar noch lief. Auch mit<br />
Schnecken hat er gehandelt. An der tiefsten<br />
Stelle in der Ziegelstraße war die Herrenmühle<br />
von Christian Ehni am Triebwerkskanal<br />
angesiedelt. Dort wurde zur Erntezeit<br />
eine riesige Dreschmaschine aufgestellt,<br />
welche über eine Transmissions welle, die<br />
durch das Mauerwerk ins Freie reichte <strong>und</strong><br />
mit einer Riemenscheibe versehen war, per<br />
Wasserkraft angetrieben wurde. Sobald die<br />
Maschine in Betrieb war, gab sie einen Ton<br />
von sich, der sich etwa „huuu“, aber richtig<br />
laut, anhörte, dabei war sie in eine gewaltige<br />
Staubwolke eingehüllt. Jetzt war es nicht<br />
mehr weit zur Firma Ski-Dietrich. Dort<br />
wurde eine Dampfmaschine betrieben, die<br />
ich mir auch angesehen habe. Zu meinem<br />
Erstaunen lief sie annähernd geräuschlos.<br />
Die Gaisgasse ging ich auch hinunter <strong>und</strong><br />
in der Kunstmühle Röhm war eine Mosterei<br />
installiert, dort herrschte im Herbst<br />
Hochbetrieb weil der Apfelmost zu der Zeit<br />
(um 1955) ein beliebtes <strong>und</strong> verhältnismäßig<br />
billiges Getränk war. Nun wieder zurück<br />
in die Dettinger Straße: Im Haus Nr. 57<br />
war die Weinstube <strong>und</strong> Bäckerei Xander<br />
ansässig, dort wurden seit Generationen<br />
Schweine gehalten, die mit Speiseresten <strong>und</strong><br />
Tropfbier aus dem Lokal <strong>und</strong> Bodenmehl<br />
aus der Backstube gefüttert wurden. Dabei<br />
gediehen sie prächtig <strong>und</strong> zur richtigen Zeit<br />
kam der Metzger-Neuffer, um die Hausschlachtung<br />
durchzuführen. <strong>Der</strong> Mann<br />
verstand offensichtlich <strong>sein</strong> <strong>Handwerk</strong>, weil<br />
mir schon das Brät im Wurstkessel super<br />
schmeckte.<br />
Unvergessen bleibt mir auch der „Marquardts-Gottlieb“,<br />
der mit <strong>sein</strong>er Automobil-Bandsäge<br />
den Leuten das Brennholz<br />
ofengerecht zusägte. Wenn er zum bestellten<br />
Termin pünktlich erschien, war er ein<br />
angesehener Mann, der ein gutes Geld verdiente,<br />
doch leider war er auch ein Fre<strong>und</strong><br />
alkoholischer Getränke. An einem schönen<br />
Morgen fand man ihn in <strong>sein</strong>em Schärfraum<br />
stöhnend vor, weil er in die messerscharfen<br />
Sägebänder hineingefallen war <strong>und</strong> sich<br />
das ganze Gesicht zerschnitten hatte. Jetzt<br />
musste schnell der „Sau-Hoyler“ geholt<br />
werden, welcher beim Weise schaffte <strong>und</strong><br />
eine Rot-Kreuz-Ausbildung hatte, um den<br />
Gottlieb zu versorgen.<br />
Allmählich machte sich jetzt das<br />
„Wirtschaftsw<strong>und</strong>er“ bemerkbar, welches<br />
ein erhöhtes Verkehrsaufkommen in der<br />
Det tingerstraße mit sich brachte <strong>und</strong> so<br />
die Kassen aller ansässigen Betriebe <strong>und</strong><br />
Wirtschaften füllte. So kam es, dass die noch<br />
von vor dem Krieg stammenden Zug- <strong>und</strong><br />
Dampfmaschinen durch modernere Anlagen<br />
ersetzt werden konnten. Es ging sicht- <strong>und</strong><br />
spürbar aufwärts. Die Auspuffschläge des<br />
legendären Lanz-Bulldogs <strong>und</strong> die Pfiffe der<br />
Dampflokomotive waren verklungen. Eine<br />
Brezel kostete jetzt 6 Pfennige <strong>und</strong> für einen<br />
Haarschnitt beim Friseur-Maier waren 2<br />
Mark fällig. Man schreibt jetzt das Jahr 1956,<br />
als ich im April schulpflichtig wurde <strong>und</strong> in<br />
die Raunerschule kam. <strong>Der</strong> Weg dorthin war<br />
nicht ungefährlich, musste ich doch zweimal<br />
täglich die jetzt auch stärker befahrene<br />
Hin denburgstraße überqueren. Ein <strong>neu</strong>es<br />
Zeitalter wurde nun buchstäblich eingeläutet,<br />
weil an einem schönen Sommer tag alle<br />
Schüler der Raunerschule frei bekamen, um<br />
sich zur Kreuzkirche zu begeben. Da durften<br />
wir zuschauen, wie die <strong>neu</strong>en Glocken per<br />
Seilwinde in den Glockenstuhl hinaufgezogen<br />
wurden, das war auch sehr beeindruckend<br />
<strong>und</strong> somit beende ich diesen Artikel, der<br />
einen für mich recht interessanten Lebensabschnitt<br />
darstellt.<br />
Fotos: Verlag Foto Karsten, München<br />
21
22<br />
Lebendiges <strong>Handwerk</strong>
Wie auch aus „Brennholz“<br />
Kunst werden kann ...<br />
von Helmut Harhaus<br />
Drechsler sind immer auf der Jagd nach dem besonderen Stück<br />
Holz. Und auch hier spielt die „Mode“ eine große Rolle.<br />
Mal sind tropische Hölzer „in“, mal tendiert der Geschmack<br />
mehr zu dezenteren, heimischen Arten. Egal was gerade im Trend<br />
liegt, jeder Kreativ-Drechsler sucht gr<strong>und</strong>sätzlich die ausgefallenen<br />
Stücke. Die Kunst liegt ja gerade darin, in Einklang zu bringen, was<br />
die Natur erschaffen hat <strong>und</strong> was formgebend auf der Drechselbank<br />
möglich ist. So entstehen die Holz-Objekte, die eben aus dieser<br />
Symbiose „Material“ <strong>und</strong> „Form“ entstanden sind – einzigartig, nicht<br />
kopier- <strong>und</strong> nicht reproduzierbar.<br />
Auf der Kunsthandwerker-Ausstellung der IHK Düsseldorf trafen<br />
wir den Tischlermeister Josef Kemp <strong>und</strong> hatten die Gelegenheit,<br />
<strong>sein</strong>e Objekte, <strong>sein</strong>e Philosophie <strong>und</strong> auch <strong>sein</strong>e handwerkliche<br />
Methodik kennenzulernen. Das, was Kemp auf diesem Forum<br />
präsentierte, hob sich auffallend vom Üblichen ab – ein Gr<strong>und</strong>,<br />
näher hinzusehen. Und da Kemp sich weniger als „Künstler“, mehr<br />
als „<strong>Handwerk</strong>er“ sieht, machte er auch kein Geheimnis daraus,<br />
wie <strong>sein</strong>e Werke entstanden sind. Ein Besuch in <strong>sein</strong>er Werkstatt<br />
war sehr interessant <strong>und</strong> könnte sicherlich manchem Hinweise <strong>und</strong><br />
Motivationen vermitteln.<br />
Die Kemp-Philosophie<br />
Sie ist eigentlich ganz einfach: „Nehmen, was die Natur geschaffen<br />
hat <strong>und</strong> die Form den Gegebenheiten anpassen“. Er suchte also<br />
nicht nach Hölzern, die in völlig anderen Hemisphären gewachsen<br />
sind, er sucht mit offenen Augen in heimischer Natur, was diese<br />
hervorgebracht hat. Es sind auch nicht die edlen, geraden, glatten<br />
oder ebenmäßigen Stücke, die ihn reizen; vielmehr haben es ihm die<br />
„Sonderlinge“ angetan. Hölzer, die kein Tischler zur Herstellung<br />
von Möbeln oder Innenausbau verwenden könnte, kein Drechsler<br />
für Gebrauchsgegenstände aussuchen würde. Zum Teil wählt Kemp<br />
nun wirklich Hölzer für <strong>sein</strong>e Arbeit aus, die üblicherweise im Ofen<br />
enden würden ...<br />
Aus Astgabeln werden Vasen, aus wurmstichigen Obstbaumhölzern<br />
werden Becher <strong>und</strong> Holz mit Stockflecken mutiert zu schmuckvollen<br />
Schalen. Natürlich gilt auch hier die Regel, dass das Holz alt <strong>sein</strong><br />
muss, gut abgelagert <strong>und</strong> der Feuchtigkeitsgehalt unter 8 % liegen<br />
soll. Nur in besonderen Fällen wird „grünes“ Holz verwendet, wenn<br />
die dann einsetzende Holz-Eigendynamik – Reißen, Verwinden,<br />
Schrumpfen – zum wesentlichen Teil des Objektes werden soll.<br />
Wenn der Klotz bearbeitet wird, ist natürlich der Wurm längst aus<br />
dem Holz ausgezogen. Und auch die stockige Buche ist in einem<br />
Stadium, in dem die stockigen Partien noch genügend Festigkeit<br />
haben <strong>und</strong> noch nicht schwammig <strong>und</strong> bröselig sind, der Pilzbefall<br />
jedoch schon <strong>sein</strong>e Arbeit aufgenommen <strong>und</strong> für eine flammende<br />
Marmorierung gesorgt hat. Solches Holz – üblicherweise mit<br />
Mißachtung bedacht – hat in der Kemp’schen Werkstatt eine echte<br />
Chance. Schauen wir dem Meister einmal über die Schulter:<br />
Vom Klotz zur Schale<br />
Wände sieht man in der Werkstatt kaum, denn r<strong>und</strong>um stehen<br />
Regale davor, in denen sich Holz stapelt. Wie die Flaschen im<br />
Weinkeller auf das „Gut-werden“ warten, so warten hier die unterschiedlichen<br />
Hölzer auf ihre Bestimmung: Material genug, um Ideen<br />
zu Objekten werden zu lassen. Und auch dieses „Werden“ drängt uns<br />
in <strong>sein</strong>er anfänglichen Banalität den Vergleich zum Wein auf. Mit<br />
nackten Füßen stampfte man die Trauben zu Matsch, um daraus<br />
so manchen edlen Tropfen zu machen. Mit Kettensäge, Bandsäge<br />
oder ähnlichem rückt man dem Stamm zuleibe, um daraus ein edles<br />
Holzgefäß entstehen zu lassen ...<br />
Erster Schritt: R<strong>und</strong> muss es werden. Natürlich hat der Drechsler<br />
schon die grobe Form im Kopf, wenn er zum Holzklotz greift. Im<br />
Gegensatz zum Bildhauer, der alles ausschließlich manuell bearbeitet,<br />
nutzt der Drechsler die Rotation, damit ist die Symmetrie der<br />
Formgebung vorgegeben. Das Holz muss also aufspannbar <strong>sein</strong>,<br />
was eine grobe Vorbereitung erfordert. Je besser der Holzklotz<br />
auf die r<strong>und</strong>e Form vorbereitet wird, desto sauberer läuft er auf<br />
der Maschine, ohne durch massive Unwucht in Schwingung zu<br />
geraten oder gar von der Maschine zu fliegen (= Lebensgefahr!).<br />
Mit einer einfachen, aber sinnvolle Vorrichtung auf der Bandsäge,<br />
bringt man den Klotz auf annähernd gleichen Radius. Auf dem<br />
Sägetisch, geführt durch die Längsnuten, liegt ein Brett mit einem<br />
Zapfen. <strong>Der</strong> Holzklotz wird mittig mit einer Bohrung versehen. Mit<br />
dieser Bohrung zentriert sich der Klotz auf dem Brett <strong>und</strong> kann auf<br />
dem Brett horizontal gedreht werden, wobei der Abstand Zapfen/<br />
Bohrung zum Sägeblatt immer gleich bleibt. So werden die Ecken<br />
des Klotzes abgesägt, Segment für Segment, bis der Rohling eine<br />
annähernd r<strong>und</strong>e Form hat <strong>und</strong> gleiche Radien aufweist.<br />
Dann kann der Rohling auf der Drechselbank aufgespannt werden.<br />
In diesem Fall – <strong>und</strong> das ist für nahezu alle Hohlformen anwendbar<br />
– ist die Spindel der Drechselbank mit einem soliden Schraubenfutter<br />
(wie: Holzgewinde/Stockschraube) ausgestattet. Um genügend<br />
Stabilität zu haben, das Werkstück auch noch im unr<strong>und</strong>en – also<br />
ungewuchtetem – Zustand tragen zu können, sollte die Holzgewindeaufnahme<br />
nicht unter 10 mm Durchmesser <strong>und</strong> 50 mm Länge<br />
liegen. Das Werkstück wird nun aufgeschraubt <strong>und</strong> ist automatisch<br />
vorzentriert <strong>und</strong> grob gewuchtet. Das, was nun bearbeitet wird, ist<br />
die Außenform des Objekts. Also muß man sich nun schon mit der<br />
Form explizid au<strong>sein</strong>andersetzen, die Form den Materialgegebenheiten<br />
anpassen.<br />
Sehr praktisch, wenn die Maschine stufenlos in der Drehzahl<br />
regelbar ist <strong>und</strong> auch bei langsamen Drehzahlen das volle Drehmoment<br />
entwickelt. Empfehlenswert also der Drehstromantrieb mit<br />
Phasenanschnittsteuerung. Eine langsame, angepasste Drehzahl<br />
ist in dieser Bearbeitungs-Phase wichtig, denn so lässt sich exakt<br />
die Drehzahl finden, in der das Werkstück noch nicht durch die<br />
23
Unwucht die Drechselbank ins Schütteln bringt. Mit der Schrupp-<br />
Röhre (siehe: Bemerkungen zu Werkzeugen) wird nun der Holzklotz<br />
auf die gewünschte Form grob bearbeitet. Dieser Arbeits schritt<br />
ist Gefühlssache. <strong>Der</strong> lange Griff des Werkzeugs bietet gute Handhabung<br />
<strong>und</strong> Führung, denn besonders im Anfang, wenn der Klotz<br />
noch die Säge-Kanten aufweist, ruckelt es doch erheblich – also gut<br />
festhalten <strong>und</strong> kraftvoll führen!<br />
<strong>Der</strong> Anstellwinkel des Werkzeugs zum Holz ist ausschlaggebend<br />
für die erzielte Oberflächengüte des Werkstücks. Man braucht nicht<br />
eine Vielzahl von Drechselbeiteln, Drehröhren oder Hohlmeißel – im<br />
Minimalfall reicht eine Röhre, wie hier demonstriert. Führt man die<br />
Röhre in einem größeren Winkel ans Holz, ist die Spanabnahme<br />
größer <strong>und</strong> grober – das Schruppen mit großer Materialabnahme<br />
ist schnell erledigt. Wenn man dann die Röhre – siehe Skizze – in<br />
kleinerem Winkel ansetzt, schneidet der Stahl dünnere Späne.<br />
Die Materialabnahme wird geringer <strong>und</strong> die Oberfläche glatter.<br />
Im Extremfall setzt man die Röhre so flach an, daß der „Popo“ des<br />
Anschliffs (Freiwinkel) auf dem Holz flächig aufliegt (es erfolgt keine<br />
Materialabnahme) <strong>und</strong> neigt dann den Stahl nur wenige Grad vom<br />
Holz weg, der Stahl schabt mehr als er schneidet, so erzielt man eine<br />
Oberfläche „wie geschliffen“. Letzter Arbeitsgang ist das Anstechen<br />
der Aufnahme für die Innenbearbeitung.<br />
Übung macht den Meister – besonders beim<br />
Drechseln ist das Gefühl in den Händen des<br />
Meisters gefragt!<br />
Ist die Außenform gefertigt, muss umgespannt werden. Jetzt kommt<br />
ein wesentlicher Unterschied des „Drechselns“ zum „Drehen“: Die<br />
Materialfestigkeit. Beim Drehen wird erstlinig Metall verarbeitet.<br />
Metalle sind – von Stahl bis Alu – erheblich druckfester als Hölzer.<br />
Daher lassen sich Werkstücke aus Metall problemlos in einem Dreibackenfutter<br />
spannen, das Spannen erfolgt auf recht kleiner Fläche<br />
– fast punktförmig. Das ist bei Holz nicht möglich. Die punktförmige<br />
Belastung beim Spannen mit Dreibackenfutter verursacht<br />
„Beulen“ im Holz, das Material gibt unter dem Spanndruck nach. Ist<br />
die Spannfläche nur knapp bemessen, gibt Holz sogar soweit nach,<br />
dass das Werkstück bei kleinster Belastung „steigen geht“, d.h. aus<br />
dem Futter fliegt. Ganz wichtig also, daß Holz immer großflächig<br />
gespannt wird. Dafür gibt es spezielle Spannvorrichtungen, die auf<br />
das übliche Spindelgewinde von M33 aufgeschraubt werden können.<br />
Flanschartig umfassen sie das Werkstück <strong>und</strong> spannen auf dem<br />
ge sam ten Umfang. Außerdem spannen sie mit leichter Hinterschneidung<br />
(= Schwalbenschwanz-Zapfen) <strong>und</strong> halten so auch weiche Hölzer<br />
sicher <strong>und</strong> fest. Ein solches Spannwerkzeug verlangt natürlich<br />
einen exakten, ihm angepassten B<strong>und</strong>. Dieser muss bei der Herstellung<br />
der Außenform als letztes mit angestochen werden.<br />
Nun wird also das Werkstück von der Spindel genommen, die<br />
Aufnahme mit der Holzschraube wird gegen den Flanschteller<br />
ausgetauscht <strong>und</strong> das Werkzeug in der Spannvorrichtung aufgenommen<br />
– dabei gut festziehen <strong>und</strong> fixieren! Beim Drechseln haben wir<br />
es in der Regel mit Werkstücken großen Durchmessers zu tun – da<br />
treten gewaltige Kräfte in Form von exzentrischen Unwuchten oder<br />
auch Hebelkräfte durch das Ansetzen des Werkzeugs auf. Und ein<br />
Werkstück, das sich selbstständig macht, ist höchst bedenklich!<br />
Das gleiche Vorgehen gilt auch für die Außenbearbeitung: Schruppen,<br />
Schlichten <strong>und</strong> gefühlvoll auf Form bringen. Jetzt ist natürlich<br />
darauf zu achten, das die Wandstärke/Materialstärke gleichförmig<br />
bleibt. Die Wandstärke kann ein erfahrener Drechsler mit Daumen<br />
<strong>und</strong> Mittelfinger abtasten – dem Anfänger würde ich schon lieber<br />
einen Dickentaster empfehlen. Natürlich ist die Wandstärke auch<br />
ein Ausdrucksmittel, das das Objekt beeinflusst, sie ist aber auch<br />
der materialbedingten Statik unterworfen. Zu dünne Wandung bei<br />
trockenem Holz neigt zum Reißen bei der Eigendynamik durch<br />
trockene / feuchte Umgebung. Beim Nassholzdrechseln wählt man<br />
24
gerne dünne Wandungen, damit sich die Spannungen ausgleichen<br />
können. Dicke Wandung erzeugt eher einen klobigen, schweren<br />
Gesamteindruck ohne Leichtigkeit <strong>und</strong> Eleganz. Die Kunst ist der<br />
Kompromiss!<br />
Nächster wichtiger Arbeitsschritt ist die Oberflächenbearbeitung.<br />
Beim Drechseln, wie beim Schreinern im allgemeinen, gilt, dass in<br />
die Oberflächenbearbeitung in etwa die gleiche Zeit investiert werden<br />
sollte, wie für den „Rohbau“. Zu deutsch: Schleifen ist angesagt. Die<br />
gedrechselte Rotationsform erlaubt auch das maschinelle Schleifen.<br />
Passende Schleifteller, Ronden oder andere Aufnahmen werden in<br />
eine Bohrmaschine gespannt <strong>und</strong> damit gefühlvoll die Oberfläche<br />
vergütet. Dabei muss – wichtig(!) – das Schleifwerkzeug entgegen<br />
der Drehbewegung des Werkstücks auf der Drechselbank rotieren.<br />
Das bei der Holzbearbeitung übliche Procedere gilt auch hier: von<br />
mittleren Schleifkörnungen (100er) zu feinen Körnungen (bis 300er)<br />
verwenden. Zwischendurch das Holz anfeuchten, damit sich die<br />
Fa sern aufstellen <strong>und</strong> so durch Feinschleifen abnehmbar werden.<br />
Statt mit Wasser anzufeuchten, kann man bei Objekten, die nicht<br />
lackiert werden sollen, auch gleich das geeignete Holzöl auftragen.<br />
So wiederholen sich die Arbeitsgänge: Ölen (anfeuchten), schleifen<br />
mit immer feinerer Körnung in 5 bis 10 Durchläufen, bis die Sensorik<br />
unseres Sinnesorgan Fingerkuppe das gewünschte „gut“ signalisiert.<br />
Fotos: Helmut Harhaus<br />
Kontakt<br />
Josef Kemp<br />
Holzemer Str. 4<br />
53343 Wachtberg-Villip<br />
Tel.: +49(0)9228/321274<br />
E-Mail: Info@DrehArtKemp.de<br />
Internet: http://www.drehartkemp.de<br />
Spezialisierte Werkzeughersteller/<br />
-händler sind z.B.<br />
„CHWO“<br />
Carl Heidtmann Werkzeuge GmbH<br />
Langenhaus 37<br />
42369 Wuppertal<br />
Tel.: +49(0)202/4698626<br />
www.carl-heidtmann.de<br />
„Kirschen“<br />
Wilh. Schmitt & Co<br />
Postfach 130428<br />
42819 Remscheid<br />
Tel.: +49(0)2191/7820410<br />
www.kirschen.de<br />
„dns“<br />
Drechselstube Neckarsteinach<br />
Finkenweg 11<br />
69239 Neckarsteinach<br />
Tel.: +49(0)6229/2047<br />
www.drechselkurse.de<br />
Werkzeuge<br />
Drechseln ist eine Art der Formgebung<br />
durch Spanabnahme. Und wie bei<br />
jeder spanenden Materialabnahme ist<br />
geeignetes <strong>und</strong> scharfes Werkzeug von<br />
größter Wichtigkeit. Die Werkzeughersteller<br />
bieten dazu spezielle Meißel /<br />
Beitel an, die – im Gegensatz zum Bildhauerwerkzeug<br />
– mit auffallend langen<br />
Heften ausgerüstet sind. Das ist wichtig,<br />
denn so hat man das Werkzeug besser<br />
im Griff <strong>und</strong> kann es präziser führen.<br />
Ein langes Heft ist eben auch ein langer<br />
Hebelarm. Man sollte also nicht mit dem<br />
Stechbeitel der Schreiner <strong>und</strong> Zimmerleute<br />
an die Drechselbank treten.<br />
Neben der Handhabung ist das Material<br />
des Werkzeugs von großer Wichtigkeit<br />
– denn Stahl ist nicht gleich Stahl! Gutes<br />
Schneidwerkzeug ist von Hand geschmiedet,<br />
geformt <strong>und</strong> geschliffen <strong>und</strong><br />
besteht aus einer kohlenstoffhaltigen<br />
Stahllegierung. Es wird dabei unterschieden:<br />
zum einen der hochkohlenstoffhaltige<br />
Werk zeugstahl für weiche Hölzer<br />
oder nur gelegentliche Nutzung <strong>und</strong><br />
zum anderen der hochwertige HSS-Stahl<br />
(Hochleistungsschnellschnittstahl) mit<br />
ca. 2,06 % Kohlenstoffgehalt <strong>und</strong> bis zu<br />
30% Legierungszusätzen wie Kobalt,<br />
Wolfram, Molybdän, Nickel, Vanadium<br />
oder Titan zur Bearbeitung von besonders<br />
harten Hölzern <strong>und</strong> verbesserter<br />
die Standzeit im Dauereinsatz.<br />
Zum Drechseln werden Werkzeuge in<br />
unterschiedlichen Formen angeboten,<br />
gängig sind die hohlförmigen Schalenröhren<br />
<strong>und</strong> die Spindelröhren. Die<br />
Schalenröhren sind besonders zum<br />
Schruppen (für große Materialabnahme)<br />
<strong>und</strong> zum Arbeiten in tiefen Hohlformen,<br />
also mit großem Abstand von Auflage<br />
zum Schnitt, geeignet. Ein flacheres Profil<br />
weisen die Drechselröhren auf, die in<br />
einem breiten Größensortiment (von ca.<br />
8 mm bis 40 mm Breite) zu haben sind<br />
<strong>und</strong> wohl zu den vielseitigsten Werkzeugen<br />
gehören.<br />
Zur Formgebung von Profilen gibt es<br />
Sonderdrehmeißel mit geraden Schneiden,<br />
mit ellipsenförmigen, konischen<br />
oder dreikantförmigen Schneiden, die<br />
beidseitig angeschliffen sind. Spezielle<br />
Ausdrehstähle zum Innenausdrehen von<br />
Schalen, Hinterschnitte etc. r<strong>und</strong>en das<br />
Werkzeugprogramm ab.<br />
Es reicht aber nicht, sich eine Sammlung<br />
von Stählen anzuschaffen, zwingend<br />
gehören auch die passende Schärfmittel<br />
dazu. Im Regelfall wird man auf Abziehsteine<br />
zurückgreifen, arbeitet man<br />
viel mit dem Werkzeug, kann man auch<br />
Schleifmaschinen mit passenden Scheiben<br />
einsetzen. Die Pflege des Werkzeugs<br />
ist entscheidend für den Erfolg <strong>und</strong> die<br />
Qualität. Nur flammscharfe Werkzeuge<br />
sind brauchbar! <strong>Der</strong> Test zeigt, was vom<br />
Werkzeug zu halten ist: Ein zwischen<br />
Daumen <strong>und</strong> Zeigefinger gehaltenes<br />
Haar muss mit dem Drechselstahl mit<br />
einem Schnitt gekappt <strong>sein</strong> – nur so<br />
geht’s!<br />
25
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Geigenbau in Mittenwald<br />
Die bedeutende Instrumentensammlung zeigt Meisterwerke<br />
der Familie Klotz <strong>und</strong> anderer berühmter Mittenwalder Geivon<br />
Klaus-Uwe Hölscher<br />
Kunsthandwerk früher <strong>und</strong> heute<br />
Die Marktgemeinde Mittenwald (7000 Einwohner) liegt am<br />
Fuße des Karwendelmassivs (2385 Meter) zwischen Garmisch-Partenkirchen<br />
in Oberbayern <strong>und</strong> Innsbruck in Tirol.<br />
Noch heute spielt im Ort neben dem Fremdenverkehr der<br />
Instrumentenbau eine wichtige Rolle. Insgesamt <strong>neu</strong>n Geigenbaumeister<br />
üben mit ihren Firmen als Familienbetriebe<br />
ihr <strong>Handwerk</strong> bzw. Kunstgewerbe aus. Außerdem gibt es<br />
in Mittenwald zwei Zupfinstrumentenbaumeister <strong>und</strong> drei<br />
Firmen, die als <strong>Werkstoff</strong> für den Instrumentenbau Tonholz<br />
anbieten. Somit ist es auch heute noch durchaus faszinierend<br />
<strong>und</strong> lehrreich zugleich, den Kunsthandwerkern bei ihrer Arbeit<br />
zuzuschauen.<br />
Wie kam jedoch die Kunst des Geigenbaus nach Mittenwald?<br />
Dazu muss man einige Jahrh<strong>und</strong>erte in die Geschichte des Ortes<br />
zurückblicken. An die Besiedlung durch die Römer erinnert<br />
noch heute die Porta Claudia bei Scharnitz südlich von Mittenwald.<br />
Zwischen 1096 <strong>und</strong> 1098 wird Mittenwald erstmals<br />
in Urk<strong>und</strong>en erwähnt. Es gehörte zur Grafschaft Werdenfels<br />
<strong>und</strong> zum Hochstift Freising. 1305 wird Mittenwald erstmals als<br />
Markt bezeichnet <strong>und</strong> profitiert von <strong>sein</strong>er günstigen Lage an<br />
der transalpinen Handelsstraße.<br />
Matthias Klotz als Begründer<br />
Um 1685 begründete Matthias Klotz (1653 - 1743) als Lauten-<br />
<strong>und</strong> Geigenmacher den Instrumentenbau in <strong>sein</strong>er Heimatgemeinde<br />
Mittenwald. Er erlernte das <strong>Handwerk</strong> eines<br />
Lautenmachers wohl in einer Werkstatt, die in der Füssener<br />
Lautenbau-Tradition stand. Anschließend verbrachte er von<br />
1672 bis 1678 in Padua <strong>sein</strong>e Gesellenjahre. Nach <strong>sein</strong>er Rückkehr<br />
nach Mittenwald eröffnete Matthias Klotz um den Jahreswechsel<br />
1685/86 eine eigene Werkstatt <strong>und</strong> wurde so zum<br />
Begründer des Mittenwalder Geigenbaus.<br />
Seine Instrumente orientierten sich an dem großen Vorbild<br />
Jacob Stainer (um 1617 - 1683), der den barocken Geigenbau<br />
in Süddeutschland verkörperte. In der Werkstatt des Matthias<br />
Klotz erhielten drei <strong>sein</strong>er Söhne <strong>und</strong> mehrere andere Mittenwalder<br />
ihre Ausbildung im Instrumentenbau. Sebastian Klotz<br />
(1696 - 1775), der älteste Sohn des Matthias Klotz, prägte mit<br />
<strong>sein</strong>em Klotz-Modell, das stilistisch den Vorbildern Amatis <strong>und</strong><br />
Stainers folgt, den Mittenwalder Geigenbau lange Zeit über das<br />
18. Jahrh<strong>und</strong>ert hinaus.<br />
Matthias Klotz <strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Söhne waren nicht nur die ersten<br />
Instrumentenbauer in Mittenwald, ihre Familie gehört auch<br />
zahlenmäßig zu den großen Geigenmacher-Dynastien. In acht<br />
Generationen gingen daraus bis in die Gegenwart mehr als 25<br />
Instrumentenbauer hervor.<br />
Schon im Verlauf des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts entwickelte sich in Mittenwald<br />
ein arbeitsteiliges, aber enges Zusammenwirken von<br />
<strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> Handel. <strong>Der</strong> Geigenbauer stellte vor Ort Geigen<br />
her <strong>und</strong> der Geigenhändler verkaufte sie auf auswärtigen<br />
Märkten in ganz Europa. Sobald ein Händler über den Vertrieb<br />
hinaus die unternehmerische Initiative übernahm, Bestellungen<br />
besorgte <strong>und</strong> den <strong>Handwerk</strong>er in eigener Verantwortung<br />
produzieren ließ, entstand ein Verlag. Dieses System, das bei<br />
Zeitschriften, Büchern oder auch beim Bier bekannt ist, war<br />
auch bei Geigen ebenso verbreitet.<br />
Mit dem Ende der Barockzeit ging die Nachfrage nach Geigen<br />
allgemein zurück <strong>und</strong> die Mittenwalder Produktion schrumpfte.<br />
Um dem Rückgang Einhalt zu gebieten, veranlasste die<br />
bayerische Regierung unter König Maximilian II. im Jahre 1853<br />
die Initiative zur Gründung der Mittenwalder Geigenbauschule,<br />
die noch heute besteht. Mit der Einführung des Grammophons,<br />
des Kinos <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funks war im frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert die<br />
Nachfrage nach Geigen wiederum rückläufig. Das Mittenwalder<br />
Traditionshandwerk <strong>erlebt</strong>e jedoch einen <strong>neu</strong>en Aufschwung,<br />
indem es sich auf den individuellen Kunstgeigenbau konzentrierte.<br />
An der Südseite der Mittenwalder Pfarrkirche St. Peter <strong>und</strong><br />
Paul, 1749 im schmuckvollen, aber nicht überladenen Barockstil<br />
erbaut, befindet sich ein Denkmal mit der Darstellung<br />
des Geigenbauers Matthias Klotz. Von hier sind es nur wenige<br />
Schritte um den Chor der Pfarrkirche <strong>und</strong> man gelangt in die<br />
Ballenhausgasse zum Geigenbaumuseum Mittenwald, das<br />
1930 gegründet wurde. Hier werden Mittenwalder Ortsgeschichte<br />
<strong>und</strong> der Alltag des Geigenmacher-<strong>Handwerk</strong>s<br />
lebendig: Holzproben zum Fühlen, Lacke zum Riechen, Musik<br />
zum Hören <strong>und</strong> historische Filme zum Anschauen. Die Schauwerkstatt<br />
gibt Einblick in den Arbeitsplatz eines Mittenwalder<br />
Geigenbauers des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> wird bei Führungen mit<br />
Leben erfüllt.<br />
26
Schmuckvolles Hinweisschild am Geigenbaumuseum in der Ballenhausgasse<br />
Zwei kleine Bassgeigen: links von 1920; rechts um<br />
1800 im Geigenbaumuseum Arbeitsplatz des Geigenbaumeisters im Geigenbaumuseum<br />
27
genbauer. Aber auch Violoncelli, Kontrabässe,<br />
Gamben <strong>und</strong> Violen d`Amore, Gitarren <strong>und</strong><br />
Zithern werden im Museum präsentiert. Sogar<br />
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791) spielte<br />
eine Geige aus der Werkstatt von Sebastian<br />
Klotz, der die herausragende Persönlichkeit des<br />
Mittenwalder barocken Geigenbaus war. In einer<br />
Vitrine im Obergeschoss des Geigenbaumuseums<br />
sind autographe Notenhandschriften von<br />
Mozart mit kolorierten Zeichnungen ausgestellt.<br />
Griffbrett<br />
Schemazeichnung einer Geige<br />
Wirbel<br />
Wirbelkasten<br />
Griffbrett<br />
Schnecke<br />
Hals<br />
Viele Arbeitsschritte notwendig<br />
<strong>Der</strong> Bau einer Geige soll hier nur in den wesentlichen<br />
Arbeitsschritten beschrieben werden.<br />
Das Holz sollte ungefähr 15 Jahre optimal<br />
gelagert <strong>sein</strong>. Einige Geigenbauer achten darauf,<br />
nur Holz einzukaufen <strong>und</strong> zu verarbeiten, das<br />
zur richtigen Mondphase geschlagen wurde. Für<br />
die Decke einer Geige verwendet man Fichte,<br />
Ahorn für den Boden, die Zargen <strong>und</strong> den Hals.<br />
Ebenholz wird für das Griffbrett, die Wirbel <strong>und</strong><br />
den Saitenhalter verwendet. Die Instrumente<br />
werden über eine Innenform gebaut, an die<br />
sechs Fichtenklötze angeleimt werden: einen<br />
Ober- <strong>und</strong> einen Unterklotz sowie vier Eckklötze.<br />
Dann wird die endgültige Form der Klötze<br />
mit einer Schablone aufgezeichnet <strong>und</strong> mit<br />
einem speziellen Eisen gestochen.<br />
Einlage<br />
Schall-<br />
Steg<br />
Decke<br />
-löcher<br />
Seitenhalter<br />
Untersattel<br />
Zarge<br />
Boden<br />
Stimmstock<br />
Die Zargen werden auf die richtige Stärke gehobelt,<br />
um ein heißes Biegeeisen in die gewünschte<br />
Form gebogen <strong>und</strong> an die Form geleimt.<br />
Mit Hilfe des fertigen Zargenkranzes werden die<br />
genauen Umrisse des Bodens <strong>und</strong> der Decke<br />
festgelegt. <strong>Der</strong> Umriss wird jetzt ausgesägt, die<br />
Wölbung grob abgestochen <strong>und</strong> später glatt gehobelt.<br />
Mit speziellen Ziehklingen werden Boden<br />
<strong>und</strong> Decke fertig geputzt. Die Innenwölbung des<br />
Bodens <strong>und</strong> der Decke wird genauso wie außen<br />
bearbeitet <strong>und</strong> geglättet.<br />
Die Stärke des Resonanzbodens ist abhängig<br />
von der Härte des Holzes. Jetzt wird der Boden<br />
auf den Zargenkranz geleimt, die Klötze vorsichtig<br />
gelöst <strong>und</strong> die Innenform herausgenommen.<br />
Nun schneidet man in die Decke die<br />
F-Löcher, danach wird der Bassbalken<br />
eingepasst <strong>und</strong> eingeleimt. <strong>Der</strong> Korpus wird<br />
geschlossen durch Aufleimen der Decke auf<br />
die Zargen. Die letzten Arbeiten am Korpus sind<br />
das Einleimen der Einlage <strong>und</strong> das Fertigstellen<br />
des Randes. Die Einlagen, zwei Ebenholzspäne<br />
<strong>und</strong> in der Mitte ein Ahornspan, werden wie eine<br />
Intarsie eingelegt. Ihr schöner Verlauf ist nicht<br />
nur Zierde, sondern schützt das Instrument vor<br />
Rissen.<br />
„Weiße Geige“ noch unlackiert<br />
Anschließend wird das Modell des Halses auf<br />
einen glatten Block Ahorn gezeichnet. Er wird<br />
Kinnhalter<br />
Draufsicht<br />
Seitenansicht<br />
ausgesägt <strong>und</strong> mit speziellen Eisen zur Schnecke geschnitzt.<br />
Eine Aussparung wird in den Oberklotz des Korpus geschnitten<br />
<strong>und</strong> der Hals aufgeleimt. Das Ebenholz-Griffbrett wird in Form<br />
gehobelt <strong>und</strong> aufgepasst. Somit erhalten wir die „weiße Geige“.<br />
Das Instrument wird jetzt mit Öl- oder Spirituslack, der nach<br />
einem eigenen Rezept gemischt ist, mehrfach lackiert. Vor Verschmutzung<br />
<strong>und</strong> Feuchtigkeit schützen, schön aussehen <strong>und</strong><br />
die Schwingungen nicht behindern, das sind die Anforderungen<br />
an einen guten Lack. Gemischt aus verschiedenen Harzen, in Öl<br />
oder Spiritus gelöst, wird in drei bis zwölf Anstrichen der Lack<br />
mit dem Pinsel auf die Geige gebracht <strong>und</strong> nach einer Trocknungszeit<br />
glatt poliert. Wirbel, Stimmstock <strong>und</strong> Steg werden<br />
angepasst. Die letzte Arbeit ist das Aufziehen <strong>und</strong> Stimmen der<br />
Saiten, die früher aus Schafdarm bestanden, heute aus metallumsponnenem<br />
Nylon. Nach all diesen recht zeitaufwändigen<br />
Arbeitsgängen erhält man die spielfertige Geige.<br />
Im Geigenbaumuseum finden zwar auch Vorführungen statt,<br />
aber noch realistischer sind die Arbeitsschritte in einem produzierenden<br />
Betrieb. Obwohl mein Besuch bei einem Mittenwalder<br />
Geigenbauer spontan <strong>und</strong> ohne Voranmeldung stattfand,<br />
hatte ich Gelegenheit, bei der Arbeit zuzuschauen <strong>und</strong><br />
Fragen zu stellen. Die Firma besteht mittlerweile in der dritten<br />
Generation, besitzt ein umfangreiches Tonholzlager, mehrere<br />
Arbeitsräume <strong>und</strong> einen einladenden Präsentationsraum mit<br />
einem reichhaltigen Angebot an erlesenen Instrumenten: Violinen,<br />
Bratschen <strong>und</strong> Cellis warten auf anspruchsvolle K<strong>und</strong>en.<br />
28
Geigen-Stillleben: markant die Schalllöcher<br />
Ein Geigenbauer bei der Arbeit in der Firma Leonhardt<br />
<strong>Der</strong> gute Ton beginnt beim Holz<br />
Präsentation der fertigen Saiteninstrumente bei der<br />
Firma Rainer W. Leonhardt<br />
Die gastliche Firma stellte mir eine geschmackvolle Broschüre<br />
zur Verfügung. Darin heißt es über den Inhaber: „Das Geigenbauhandwerk<br />
erlernte ich an der Fachschule für Geigenbau in<br />
Mittenwald. Nachdem ich 1983 die Gesellenprüfung erfolgreich<br />
absolvierte, folgten mehrere Gesellenjahre bei verschiedenen<br />
namhaften Bogen- <strong>und</strong> Geigenbaumeistern. Hier konnte ich<br />
meine Kenntnisse in Neubau, Reparatur, klanglicher Justierung,<br />
Bogenbau <strong>und</strong> Bogenreparatur erweitern. 1990 legte ich<br />
mit Erfolg die Meisterprüfung bei der <strong>Handwerk</strong>skammer in<br />
München ab – erfreulicherweise sogar als Innungssieger.“<br />
Ein weiteres Kapitel der Broschüre trägt die Überschrift: „<strong>Der</strong><br />
gute Ton beginnt beim Holz: Für meine Instrumente verwende<br />
ich ausschließlich alt abgelagerte, naturgetrocknete Fichten<strong>und</strong><br />
Ahornhölzer aus einheimischen Wäldern sowie aus<br />
Bosnien, Österreich <strong>und</strong> Italien. Fre<strong>und</strong>e vergleichen unser<br />
Holzlager oft mit einem französischen Weingut – aus gutem<br />
Gr<strong>und</strong>, denn auch Tonholz muss in Ruhe reifen – genauso wie<br />
ein alter Bordeaux.“<br />
Jede Geige ist ein individuelles Kunstwerk, so dass man über<br />
Preise eigentlich gar nicht sprechen mag. Aber auch ein Laie<br />
kann in etwa ausrechnen, was ein komplettes Instrument<br />
kosten dürfte. Bei ungefähr 150 Arbeitsst<strong>und</strong>en inklusive Lackieren<br />
<strong>und</strong> Materialkosten für Tonholz <strong>und</strong> Besaitung können<br />
sicherlich schnell 8.000 bis 10. 000 Euro zusammenkommen.<br />
<strong>Der</strong> Preis für Sonderanfertigungen wie zum Beispiel Löwen-<br />
29
kopf-Schnitzereien, 7/8 Größe, Intarsien aller Art, ausgefallene<br />
Lackfarben oder Holzmaserungen dürfte dann noch wesentlich<br />
höher anzusetzen <strong>sein</strong>. Für den Liebhaber erlesener Streichinstrumente<br />
sicherlich keine Überraschung!<br />
Im Juni 2014 findet wieder der internationale Geigenbau-Wettbewerb<br />
in Mittenwald statt. Meister ihres Fachs aus aller Welt<br />
treffen sich hier an der „Wiege des Geigenbaus“. Das Rahmenprogramm<br />
mit öffentlicher Klangprobe, Vorträgen, Konzerten<br />
<strong>und</strong> Instrumenten-Ausstellung findet nicht nur bei Fachleuten<br />
<strong>und</strong> Insidern immer größeren Anklang.<br />
Verschiedene Geigen-Exponate im Geigenbaumuseum Mittenwald<br />
Geigen in Sprichwörtern,<br />
Redensarten, Liedern <strong>und</strong> Literatur<br />
◆ Bittet man jemanden, spontan ein Musikinstrument zu<br />
nennen, erhält man in der Regel „Geige“ als Antwort. Das<br />
zeigt, wie tief dies Instrument im allgemeinen Bewusst<strong>sein</strong><br />
verankert ist.<br />
◆ Bekannt ist die Redewendung „die erste Geige spielen“.<br />
Jemand will eine führende Rolle spielen bzw. tonangebend<br />
<strong>sein</strong>. Wer will dann schon „die zweite Geige spielen“, d.h.<br />
eine untergeordnete Rolle spielen oder gar nebensächlich<br />
<strong>sein</strong>?<br />
◆ Besser ist dann schon, wenn „einem der Himmel voller<br />
Geigen hängt“! Dann ist man überaus glücklich <strong>und</strong> sieht<br />
erwartungsvoll in die Zukunft.<br />
◆ Weniger angenehm dürfte es <strong>sein</strong>, wenn man „nach<br />
jemandes Geige tanzen muss“ oder „die Meinung gegeigt<br />
bekommt“ oder man „etwas vergeigt hat“. Dann wäre der<br />
totale Misserfolg zu beklagen.<br />
◆ Wer „zart besaitet“ ist, ist empfindsam <strong>und</strong> sensibel.<br />
Bei ihm sollte man vorsichtig <strong>sein</strong>, „andere bzw. strengere<br />
Saiten aufzuziehen“. Wahrscheinlich ist in diesem Falle<br />
das strenge Vorgehen gar nicht erforderlich.<br />
◆ Folgender Vers eines alten Kinderliedes bezieht sich auf<br />
die Geige: „Fiedelhänschen, geig` einmal, unser Kind will<br />
tanzen, hat ein buntes Röcklein an, r<strong>und</strong>herum mit<br />
Fransen.“<br />
◆ Friedrich Schiller lässt in <strong>sein</strong>em Trauerspiel „Kabale <strong>und</strong><br />
Liebe“ den bürgerlichen Hofmusikus Miller heftig toben.<br />
Er ist erbost über die Naivität <strong>sein</strong>er Frau, die sich von<br />
der Welt des Adels blenden lässt <strong>und</strong> nicht wahrhaben<br />
will, dass ihre Tochter Luise eines Tages das unschuldige<br />
Opfer <strong>sein</strong> könnte. Miller (aufgebracht, springt nach <strong>sein</strong>er<br />
Geige): „Willst du dein Maul halten? Willst das Violoncello<br />
am Hirnkasten wissen? … Marsch du, in deine Küche.“<br />
(1. Akt, 2. Szene)<br />
◆ Zu den berühmtesten Geigenbauern dürften die Stradivari<br />
zählen. Antonio Stradivarius (1644 - 1737) war der Schüler<br />
von Nicola Amati (1596 - 1684) <strong>und</strong> baute mit <strong>sein</strong>en<br />
Söhnen Francesco <strong>und</strong> Omobono die höchst vollendeten<br />
Cremoneser Geigen, Bratschen <strong>und</strong> Celli.<br />
Geigenbaumeister Anton Maller beim Lackieren einer Geige<br />
Kontakt<br />
Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />
Infos unter: www.geigenbauwettbewerb-mittenwald.de<br />
<strong>Der</strong> Dank des Verfassers für die fre<strong>und</strong>liche Bereitstellung<br />
von Informationen gilt:<br />
Geigenbaumuseum Mittenwald<br />
Ballenhausgasse 3<br />
82481 Mittenwald<br />
Tel. +49(0)8823/2511<br />
Homepage: www.geigenbaumuseum-mittenwald.de<br />
E-Mail: geigenbaumuseum@markt-mittenwald.de<br />
Rainer W. Leonhardt<br />
Geigenbaumeister<br />
Mühlenweg 53<br />
82481 Mittenwald<br />
Tel. +49(0)8823/8010<br />
Fax +49(0)8823/2079<br />
Homepage: www.violin-leonhardt.de<br />
E-Mail: leonhardt@mittenwald.de<br />
Anton Maller Geigenbaumeister<br />
Stainergasse 14<br />
82481 Mittenwald<br />
Tel. +49(0)8823/5865<br />
Fax: +49(0)8823/5871<br />
Homepage: www.violin-maller.de<br />
E-Mail: info@maller.de<br />
30
Damals<br />
Kinder <strong>und</strong> die alten<br />
<strong>Handwerk</strong>e<br />
von Christian Schwarzer<br />
Schon als Kinder kamen wir mit den alten <strong>Handwerk</strong>en in<br />
Berührung. Wir lebten in einem kleinen Bauerndorf bei<br />
Cuxhaven an der Nordsee <strong>und</strong> stromerten in unserer Freizeit<br />
oder in den Ferien überall herum <strong>und</strong> suchten nach „Sachen“ die<br />
wir „organisieren“ konnten. Dabei kamen wir an der <strong>Schmied</strong>e<br />
unseres Dorfes vorbei <strong>und</strong> schauten st<strong>und</strong>enlang zu, wie ein Pferd<br />
beschlagen wurde. Ich werde niemals<br />
den Geruch nach verbranntem Horn<br />
vergessen, der entstand, wenn das<br />
glühende Hufeisen kurz an den Huf<br />
des Pferdes gepresst wurde um es<br />
genau anzupassen <strong>und</strong> die Nagellöcher<br />
auf dem Huf zu markieren. Eine kleine<br />
Rauchwolke stieg jedes Mal auf <strong>und</strong><br />
wir warteten gespannt, ob das Pferd<br />
vielleicht ausschlagen würde. Aber es<br />
tat nichts dergleichen. Offensichtlich<br />
verspürte es keinen Schmerz. Dann<br />
wurde das Eisen mit speziellen Hufnägeln<br />
angenagelt. Auch hier schien<br />
das Pferd nichts zu spüren. Danach<br />
wurden die Spitzen einiger Nägel, die<br />
an der Oberseite des Hufes heraus<br />
schauten, abgekniffen <strong>und</strong> der überstehende<br />
Rest mit ein paar Hammerschlägen<br />
im Huf versenkt. Dann griff<br />
der <strong>Schmied</strong> nach einem schwarzen<br />
Topf, nahm einen Pinsel heraus <strong>und</strong> strich den fertigen Huf schwarz<br />
an. Das <strong>neu</strong> „besohlte“ Pferd setzte vorsichtig <strong>sein</strong>en Huf auf <strong>und</strong><br />
scharrte ein paarmal, wechselte <strong>sein</strong> Standbein <strong>und</strong> hob den anderen<br />
Huf. Ich bew<strong>und</strong>erte die <strong>Schmied</strong>e für ihr Können <strong>und</strong> ihren Mut,<br />
denn ich wusste aus Erfahrung, dass ein Pferd auch schon mal kräftig<br />
ausschlagen kann.<br />
Ein weiteres großes Ereignis war die Herstellung eines hölzernen<br />
Wagenrades. Hier schaute ich so gebannt zu, dass der <strong>Schmied</strong> oder<br />
einer <strong>sein</strong>er Gesellen mich immer wieder wegscheuchen musste.<br />
Ich ließ mich aber nicht vertreiben <strong>und</strong> kann heute noch, einige<br />
Jahrzehnte später, jeden Handgriff der schwitzenden Männer beschreiben.<br />
Das hölzerne Rad war vom Wagner geliefert worden <strong>und</strong><br />
stand fertig zusammengesteckt neben dem großen Tor der <strong>Schmied</strong>e.<br />
Heute weiß ich, dass die einzelnen Teile aus Rüster (Ulme)<br />
gefertigt wurden. Es bestand aus der Nabe, etwa einem Dutzend<br />
Speichen <strong>und</strong> vier oder fünf Felgenteilen. Die <strong>Schmied</strong>e nahmen das<br />
Rad auf <strong>und</strong> legten es vorsichtig waagerecht auf eine Vorrichtung,<br />
die das Rad fixierte. Währenddessen hantierten zwei andere am<br />
Feuer <strong>und</strong> machten den großen Felgenring glühend. Sein Durchmesser<br />
war schon vorher festgelegt worden. Als er die richtige Temperatur<br />
hatte, wurde er von vier Männern mit Zangen angehoben<br />
<strong>und</strong> eilig gingen sie nach draußen zu dem wartenden Rad. Sie hielten<br />
die glühende Felge über die zusammengefügten Holzteile <strong>und</strong> auf<br />
ein Kommando senkten sie die Felge<br />
ab. Sie passte auch tatsächlich knapp<br />
darüber. Die Männer legten schnell die<br />
Zangen aus der Hand, griffen ein paar<br />
spezielle Hebel <strong>und</strong> sorgten dafür, dass<br />
der Felgenring auch wirklich überall<br />
genau auf der Holzfelge saß. Kleine<br />
blaue Rauchwolken stiegen auf <strong>und</strong><br />
es roch angenehm nach brennendem<br />
Holz. Eine kurze Kontrolle <strong>und</strong> jeder<br />
griff nach einem schon bereit gestellten<br />
Eimer mit Wasser <strong>und</strong> goss es<br />
vorsichtig über den heißen Felgenring.<br />
Jetzt stiegen zischend Dampfwolken<br />
auf <strong>und</strong> vermischten sich mit den<br />
letzten Wölkchen des Holzrauches.<br />
<strong>Der</strong> Eisenring zog sich zusammen <strong>und</strong><br />
aus den einzelnen Teilen wurde ein<br />
„ ganzes“ Rad. Das fertige Rad wurde<br />
dann über eine schmale, mit Wasser<br />
gefüllte Grube gehängt <strong>und</strong> langsam<br />
um <strong>sein</strong>e Achse herum im Wasser gedreht. Das Holz quoll auf <strong>und</strong><br />
die Teile wurden immer fester ineinander verkeilt. Selbst als Kind<br />
war mir der hohe Symbolgehalt des Vorganges bewusst. Es war alles<br />
da, was jeden jungen Menschen fasziniert: gemeinsame Arbeit für ein<br />
sofort erkennbares Ziel, jeder hat eine wichtige Aufgabe, Anleitung<br />
durch einen erfahrenen Erwachsenen, Rauch, Feuer, Dampf, laute<br />
Kommandos <strong>und</strong> schließlich zufriedene Gesichter <strong>und</strong> Stolz auf ein<br />
gelungenes Werk.<br />
So wurden wir schon sehr früh mit verschiedenen alten <strong>Handwerk</strong>en<br />
vertraut. Dazu kam noch der Schrankenwärter, der gleichzeitig<br />
Schuster war <strong>und</strong> dem wir gerne bei der Arbeit zusahen, die Maurer,<br />
die in der Nachbarschaft Stein für Stein ein Haus bauten <strong>und</strong> die<br />
Pflasterer, die die Straße vor unserem Haus mit groben Pflastersteinen<br />
pflasterten. Begleitet vom Klingeln ihrer Hämmer <strong>und</strong> dem<br />
metallischen Klacken der Handrammen. Ist es da ein W<strong>und</strong>er, dass<br />
viele von meinen Klassenkameraden einen <strong>Handwerk</strong>sberuf erlernen<br />
wollten?<br />
31
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
<strong>Handwerk</strong>er, Gaukler <strong>und</strong> Rittersleut’<br />
Flachsmarkt auf Burg Linn<br />
von Udo Mannek<br />
Jedes Jahr zu Pfingsten findet r<strong>und</strong> um die altwürdige Burg<br />
Linn in Krefeld der traditionelle <strong>und</strong> beliebte Flachsmarkt statt.<br />
Vor der historischen Kulisse mit den schönen Fassaden der<br />
alten Bürgerhäuser, der Vorburg <strong>und</strong> der Burg aus dem Mittelalter<br />
werden hier handwerkliche Traditionen durch 300 <strong>Handwerk</strong>er<br />
wieder lebendig <strong>und</strong> begreifbar. Darunter befinden sich auch<br />
Vertreter von Berufen, die mittlerweile fast ausgestorben sind. Die<br />
Besucher haben die Gelegenheit, unter anderem einem Flachsspinner,<br />
einer Strohflechterin, einem Handweber, einem Lehmbauer,<br />
einem Zylindermacher <strong>und</strong> einem Rüstungsschmied sowie einer<br />
Perückenmacherin bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Viele<br />
Zunftvertreter wie ein Marionettenbauer, eine Textildesignerin, eine<br />
Gewandschneiderin sowie ein Spezialist für prähistorische Steinbearbeitung,<br />
ein Kettenhemdmacher <strong>und</strong> ein Zigarrenmacher waren<br />
2013 erstmals mit dabei. Alle Produkte werden von den <strong>Handwerk</strong>ern<br />
selbst hergestellt <strong>und</strong> zum Verkauf angeboten.<br />
„Wir legen Jahr für Jahr besonderen Wert darauf, qualitativ hervorragende<br />
<strong>Handwerk</strong>er zu präsentieren <strong>und</strong> dabei immer wieder <strong>neu</strong>e<br />
Gäste in der Burg Linn zu begrüßen“, so der Ehrenvorsitzende der<br />
Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt Linn, Helmer Raitz von Frentz.<br />
Mit mehreren h<strong>und</strong>ert Helfern organisierte der ehrenamtlich tätige<br />
Verein in diesem Jahr bereits zum 38. Mal den Flachsmarkt.<br />
32
<strong>Der</strong> Kurfürst<br />
<strong>Der</strong> Flachsmarkt wurde am Pfingstsamstag durch Aufzug des<br />
Kurfürsten mit großem Gefolge eröffnet. Rittergruppen, Reiterzug,<br />
historische Gruppen, Falknerinnen, Musikanten sowie Jagdhornbläser<br />
gehörten zur Begleitung. An allen drei Tagen durchstreifte<br />
der Kurfürst das Marktgelände <strong>und</strong> unterhielt sich gern mit den<br />
<strong>Handwerk</strong>ern <strong>und</strong> Besuchern. An allen drei Veranstaltungstagen<br />
durchstreiften Musikantengruppen sowie Gaukler das Flachsmarktgelände.<br />
Ritterlager<br />
Ein echter Anziehungspunkt ist jedes Jahr das große Ritterlager.<br />
Die Rittersleut´ zeigen beim Ringstechen, Helmschlagen, bei der<br />
Sauhatz <strong>und</strong> anderen Geschicklichkeitstournieren ihr Können.<br />
Die Burgmannen messen sich im Lanzen- <strong>und</strong> Axtwerfen. Edeldamen<br />
<strong>und</strong> Burgfräulein verfolgen das Schauspiel mit Interesse.<br />
Ein Herold stellt dem Publikum die Personen vor <strong>und</strong> erklärt die<br />
Waffengänge. Während der Turnierpausen können die Besucher das<br />
Ritterlager <strong>und</strong> -leben aus nächster Nähe erleben. Hier wird nach<br />
mittelalterlichen Rezepten gekocht <strong>und</strong> in der <strong>Schmied</strong>e Gebrauchsgegenstände<br />
geschmiedet.<br />
Die Historie des Flachsmarktes<br />
<strong>Der</strong> Flachsmarkt entstand um 1315 als Linn zur Stadt erhoben<br />
wurde. Mittelpunkt des damaligen Linn war der Andreasmarkt.<br />
Hierhin brachten die Bauern ihren Flachs <strong>und</strong> tauschten ihn gegen<br />
Dinge des Alltages ein. Pferdegeschirr, Töpfe, Pfannen <strong>und</strong> andere<br />
Haushaltswaren waren die gebräuchlichsten Tauschobjekte jener<br />
Zeit. <strong>Der</strong> Flachsmarkt entwickelt sich schnell zu einem Jahrmarkt,<br />
der außer regen Tauschgeschäften zwischen den Bauern sowie den<br />
Händlern <strong>und</strong> <strong>Handwerk</strong>ern auch der Volksbelustigung diente. Bald<br />
war der Flachsmarkt in Linn so beliebt, dass er in den vergangenen<br />
Jahrh<strong>und</strong>erten viermal im Jahr stattfand.<br />
Abwechslungsreiches<br />
Rahmenprogramm für Kinder<br />
Früh übt sich, denn Kinder haben die Möglichkeit<br />
sich mit dem <strong>Handwerk</strong> vertraut zu machen.<br />
In verschiedenen Workshops unter dem Motto<br />
„Mitmachen <strong>und</strong> Ausprobieren“ dürfen die Kleinen<br />
drechseln, töpfern, filzen, schmieden <strong>und</strong> vieles<br />
mehr. Beim Kinderprogramm kommt nie Langeweile<br />
auf!<br />
Als die Linner Bauern keinen Flachs mehr anbauten, war das Schicksal<br />
des Flachsmarktes in <strong>sein</strong>er ursprünglichen Bedeutung für immer<br />
besiegelt. So fand der letzte Flachsmarkt 1903 statt <strong>und</strong> geriet in<br />
Vergessenheit. Doch 1974 ergriffen einige heimatverb<strong>und</strong>ene Linner<br />
Bürger die Initiative zu einem Neuanfang. Heute liegt die Organisation<br />
der Veranstaltung bei dem gemeinnützigen Verein „Arbeitsgemeinschaft<br />
Flachsmarkt“. Dessen Anliegen ist es, handwerkliche<br />
Traditionen durch Vorführungen lebendig zu erhalten <strong>und</strong> in unsere<br />
Zeit hinüberzuretten.<br />
Adresse <strong>und</strong> Informationen<br />
Auf dem weitläufigen Gelände gibt es sehr viel zu sehen <strong>und</strong> zu<br />
erleben. Besucher sollten genügend Zeit für Ihren Besuch auf dem<br />
Flachsmarkt einplanen. Es wird empfohlen einen ganzen Tag<br />
auf dem Flachsmarkt zu verbringen. Ausführliche Programmhinweise<br />
<strong>und</strong> alle wichtigen Informationen liefert die Homepage des<br />
Flachsmarktes. <strong>Der</strong> nächste Flachsmarkt findet Pfingsten 2014 statt.<br />
Fotos: Dirk Jochmann<br />
Kontakt<br />
Arbeitsgemeinschaft Flachsmarkt<br />
Gemeinnütziger Verein e.V.<br />
Rheinbabenstraße 144<br />
47809 Krefeld<br />
Homepage: www.flachsmarkt.de<br />
33
34<br />
Lebendiges <strong>Handwerk</strong>
Die Darsser Türe<br />
– handgemacht –<br />
von Helmut Harhaus<br />
Es war Jahrh<strong>und</strong>erte ein Piratennest, der unzugängliche Darss<br />
in der Ostsee. Wälle <strong>und</strong> die Reste alter Burgen zeugen von<br />
einem finsteren Mittelalter. Damals fristeten Fischer ihr<br />
karges Leben auf der Landzunge zwischen Fischland <strong>und</strong> Zingst.<br />
Die Ostsee wie auch das Boddengewässer zur Landseite waren zwar<br />
fischreich, aber tückisch. Es war nicht die Oase, die „Perle der Ostsee“,<br />
wie wir heute die schlanke Halbinsel in Gestalt einer Nehrung<br />
kennen!<br />
Erst mit Beginn der 2. Hälfte des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts, als die Seefahrt<br />
zum prägenden Wirtschaftszweig auch auf dem Darss wurde,<br />
begann der Aufschwung in dieser Region. Die Bevölkerungszahl<br />
wuchs stetig, die damit verb<strong>und</strong>ene Bautätigkeit boomte. Viele<br />
Reedereien ließen sich hier nieder, zahlreiche Werften belieferten<br />
den baltischen <strong>und</strong> skandinavischen Raum mit moderner Tonnage.<br />
In Barth war die zweitgrößte Flotte Preußens beheimatet; allein<br />
in Barth gab es zwei große Werften. Gleichzeitig kamen mit den<br />
Seefahrern <strong>neu</strong>e Eindrücke <strong>und</strong> Einflüsse aus fernen Ländern – wozu<br />
damals z.B. England <strong>und</strong> Schweden gehörten, auf das Eiland.<br />
Für die landwirtschaftliche Nutzung war das „niederdeutsche<br />
Hallenhaus“ ideal. Wohnen, wirtschaften, Erntespeicherung, Viehhaltung<br />
konnten unter einem Dach realisiert werden. Spätestens<br />
mit dem Umschwung durch die verschiedenen Schiffbau- <strong>und</strong><br />
Seefahrtssparten änderte sich auch gr<strong>und</strong>legend der Häusertyp <strong>und</strong><br />
ersetzte das Hallenhaus. Repräsentativer wurden die Gebäude. Die<br />
Breite des Hauses, die Traufseite des Walmdaches zeigte nun zur<br />
Straßenseite. Mittig war eine Diele angeordnet, von der die Zimmer<br />
begehbar waren. Bei diesen Häusern kam der Haustüre, der Straße<br />
zugewandt, eine besondere Bedeutung zu. Was lag näher, als diese<br />
„Visitenkarte des Hauses“ besonders aufwändig zu gestalten – hiermit<br />
ließ sich der Wohlstand des Eigentümers bestens vermitteln!<br />
Häuser dieser Bauart wurden auf dem Darss seit dem 18. Jhdt.<br />
<strong>und</strong> noch bis kurz nach 1900 in kaum veränderter Form errichtet.<br />
Bedingt durch den Schiffbau standen in der Region <strong>Handwerk</strong>er<br />
zur Verfügung, die in aufwändiger Holzbearbeitung geschult <strong>und</strong><br />
geübt waren sowie über das nötige Werkzeug/Werkstattausrüstung<br />
verfügten. Die Bedingungen waren gut, die Haustüre zum Schmuckstück<br />
werden zu lassen.<br />
Dann ging der Schiffbau zum Eisenschiffbau über; die Stahlverarbeitung<br />
hat auf dem Darss nie Fuss fassen können (die Bedingungen für<br />
eine Stahlschiffswerft sind eben deutlich anders). Erster <strong>und</strong> Zweiter<br />
Weltkrieg waren für die Region sehr belastend. Die DDR-Zeit<br />
brachte auch keinen Reichtum auf den Darss. Das Militär nutzte die<br />
zentrale Ostseeinsel stark, so dass für Tourismus wenig Platz blieb.<br />
Rügen <strong>und</strong> Usedom konnten touristisch besser bereist werden. Soll<br />
heissen, von den alten <strong>Handwerk</strong>ern <strong>und</strong> ihrer Kunst blieb nicht viel<br />
übrig ...<br />
Die Brüder Roloff<br />
Eigentlich hat nur ein Betrieb den Sprung in unsere Zeit geschafft:<br />
Die Kunst-Tischlerei Roloff in Prerow. Heute wird der Betrieb von<br />
den Brüdern René <strong>und</strong> Dirk geführt <strong>und</strong> kann sich auf 6 Generationen<br />
<strong>und</strong> 170 Jahre <strong>Handwerk</strong>stradition stützen. Eigentlich reicht<br />
die holzbezogene Tradition noch weiter zurück, denn der erste<br />
Roloff, Johann, heiratete in die Familie Belke ein, die aus Schweden<br />
stammten <strong>und</strong> mit dem Zimmermannshandwerk zu tun hatten.<br />
Aber bereits dessen Vater, von dem man nicht mehr viel weiss, war<br />
„Zimmeramtsmeister“, wie es die alten Analen ausweisen. Belegbar<br />
ist der Familienbetrieb seit Anfang des 1900 Jahrh<strong>und</strong>erts, 1832 findet<br />
man Johann Roloffs Eheschließung im Trauregister, bei der er als<br />
Tischlermeister genannt wird. Ebenfalls gibt es noch Zeichnungen<br />
<strong>und</strong> Bauanträge für eine Haus-/Werkstatterweiterung.<br />
Profilhobel sind wie ein Fingerabdruck<br />
Die Werkstattgrößen der Tischler waren im 19. Jhdt. in der Regel<br />
eher bescheiden. Eine Stube des Hauses reichte dazu; selten wurde<br />
mit mehr als drei Personen zusammen gearbeitet. Aber jede Werkstatt<br />
arbeitete mit individuellen Werkzeugen. Besonders die Profilhobel<br />
waren Anfertigungen <strong>und</strong> somit Unterscheidungsmerkmale<br />
eines jeden Betriebes. „Die alten Haustüren sind auch heute noch<br />
eindeutig der Herstellungswerkstatt zuzuordnen,“ erklärt uns René<br />
Roloff anhand der Werkzeuge-Sammlung, „wenn eine Türe Leisten<br />
hat, die zu einem unserer Profilhobel passt, dann hat einer unserer<br />
Vorfahren diese Türe gebaut. Die Leisten-Profile sind wie der Fingerabdruck<br />
des Tischlers – unverwechselbar.“ Im Laufe der 170 Jahre<br />
hat sich eine stattliche Sammlung von diesen Spezial werkzeugen<br />
angesammelt. Diese Profilhobel werden wie Kostbarkeiten gehütet,<br />
sind sie es ja, die eindeutige Rückblicke bis in die ferne Vergangenheit<br />
ermöglichen. Es sind aber keine musealen Werkzeuge! Jeder aus<br />
der Hobelsammlung ist flammscharf geschliffen <strong>und</strong> sofort einsetzbar.<br />
Das muss auch so <strong>sein</strong>, will man die alten, historischen Türen<br />
authentisch reparieren oder renovieren.<br />
Die Generationen haben aber nicht nur Werkzeuge gut aufbewahrt,<br />
auch die Geschäftsbücher finden sich im F<strong>und</strong>us. Da ist es schon<br />
spannend nachzulesen, was eine Türe z.B. im Jahre 1898 gekostet<br />
hat: mit 50.- Mark ist sie verbucht; der St<strong>und</strong>ensatz belief sich auf 35<br />
Pfennig, die Materialkosten auf 8 Mark. Das läßt den Rückschluss<br />
zu, dass 120 Arbeitsst<strong>und</strong>en für diese Türe notwendig waren ...<br />
Zeiten waren das!<br />
Aber auch von anderen Zeiten erzählen diese Unterlagen: der<br />
Währungsreform. 1,5 Millionen Mark betrugen die Materialkosten,<br />
die Milliarde wurde für eine Türe weit überschritten ...<br />
35
Viele dieser Türen sind heute noch eingebaut. Die Geschäftsbücher<br />
könnten mit aktuellen Bildern von heute ergänzt werden. Interessant<br />
die Liste mit Türen von Roloff, bzw. mit solchen, die noch älter sind<br />
<strong>und</strong> von Roloff restauriert wurden.<br />
Jede Türe ist anders<br />
Aufwändige Konstruktionen sind diese Tischlerarbeiten. Man kennt<br />
Rahmentüren mit Füllung, meistens sind es jedoch „aufgedoppelte“<br />
Türen. Eine Verleimung der Füllungen wurde bei den Darsser<br />
Türen nicht vorgenommen, damit sich die Holzelemente gegeneinander<br />
bewegen <strong>und</strong> – z.B. durch Temperatur- oder Feuchtigkeit<strong>sein</strong>flüsse<br />
– nicht reissen konnten. Stets sind aufwändig geschnitzte<br />
Ornamente aufgesetzt <strong>und</strong> farblich abgesetzt. Man geht davon aus,<br />
dass früher die Türen naturholzfarben waren. Später wurden sie<br />
bunter <strong>und</strong> die Ornamentik wurde bewusst hervorgehoben. Denn<br />
ursprünglich hatten die Ornamente wohl symbolische Bedeutungen:<br />
heidnischen, christlichen oder naturbezogenen Sinn. Diese symbolische<br />
Bedeutung wurde mehr <strong>und</strong> mehr als optisches, schmückendes<br />
Element hervorgehoben. Stets gehen die Türen nach innen<br />
auf, tragen aufgesetzte Kastenschlösser, ältere auch noch Riegel <strong>und</strong><br />
Klinkgeschirr. Mit Langbändern <strong>und</strong> Stützhaken sind sie innen am<br />
Fachwerkständer oder an der umlaufenden Zarge angeschlagen.<br />
Immer finden sich groß dimensionierte Wasserschenkel unten <strong>und</strong><br />
oben – was auf viel Regen <strong>und</strong> Sturm in der Region schließen läßt.<br />
Und jede Türe ist ein Unikat. Eine unglaubliche Vielfalt in Form<br />
<strong>und</strong> Ausführung findet sich auf dem Darss!<br />
<strong>Der</strong> Betrieb Roloff baut heute Türen in handwerklicher Tradition<br />
natürlich auch für den gesamten norddeutschen Bereich. In Abstimmung<br />
mit den Auftraggebern werden die Entwürfe vom Tischlermeister<br />
René oder Dirk erarbeitet – fast immer sind es Ideen <strong>und</strong><br />
Konstruktionen aus dem Hause Roloff. Selten, fast nie, gehen die<br />
kreativen Entwürfe auf Architekten/Innenarchitekten zurück. Steht<br />
der Entwurf, werden die Türen heute auch aus Meranti, nicht mehr<br />
ausschließlich aus Kiefer oder Eiche gebaut.<br />
Auch zahlreiche Urlauber haben diese <strong>Handwerk</strong>sarbeiten schätzen<br />
gelernt <strong>und</strong> lassen sich – bis Bayern <strong>und</strong> Schwaben – getischlerte<br />
Türen machen <strong>und</strong> liefern. Jährlich werden r<strong>und</strong> 10 Neuanfertigungen<br />
gebaut <strong>und</strong> viele alte Türen renoviert oder repariert. Nicht<br />
selten kommen Türen in die Werkstatt, die 200 Jahre alt sind <strong>und</strong> 10<br />
Farbschichten auf dem Buckel haben – das ist dann immer eine spannende<br />
Sache! Auf Wunsch können auch Ornamente einzeln gefertigt<br />
<strong>und</strong> geliefert werden. Man muss aber schon feststellen, dass eine<br />
moderne Kunststoff-Haustüre, selbst wenn sie mit echten Roloff-Ornamente<br />
aufgepeppt wurde, weit entfernt ist von der getischlerten<br />
Türe!<br />
Darsser Türen von Roloff<br />
in (Auswahl) :<br />
Prerow<br />
Kurverwaltung Gemeindeplatz 1<br />
Kulturkaten Waldstraße 42<br />
Darss-Museum Waldstraße 48<br />
Ahrenshoop<br />
Kurbetrieb<br />
Kirchnersgang<br />
36
Aber nicht nur Türen werden im Betrieb hergestellt. Neben jede<br />
Haustüre gehört traditionsgemäß eine Bank. So werden auch Bänke<br />
Darsser Art <strong>und</strong> dazu passende Gartenmöbel gebaut. Die Darsser<br />
Bänke haben in Form <strong>und</strong> Ausführung eine eigene Tradition.<br />
Natürlich gehört das übliche Repertoire zum Werkstattangebot:<br />
Stühle reparieren, Regale bauen, Schränke ändern – alles, was ein<br />
Tischlereibetrieb heute macht. In der Werkstatt stehen somit auch<br />
moderne Holzbearbeitungsmaschinen – es ist ja kein Museum <strong>und</strong><br />
die Berufsgenossenschaft hat wenig Sinn für Traditionen! Aber<br />
neben dem modernen Werkzeugpark stehen eben auch noch alte<br />
Maschinen aus fernen Tagen; Abrichte, Dickenhobel, Bandsäge von<br />
musealem Aussehen.<br />
<strong>Der</strong> kostbarste F<strong>und</strong>us sind aber die alten, individuellen<br />
Hand-Werkzeuge, speziell die Hobel. Nur mit diesen Werkzeugen,<br />
<strong>und</strong> mit dem notwendigen handwerklichen Geschick, Können <strong>und</strong><br />
Erfahrung, lassen sich heute Tischlerarbeiten ausführen, die zu 100<br />
Jahre alten Möbelstücken <strong>und</strong> Türen passen. Damit hat sich die<br />
Tischlerei Roloff die Möglichkeiten bewahrt, Arbeiten auszuführen,<br />
die andere in heutiger Zeit der CNC-Maschinen nicht mehr leisten<br />
können. Dazu kommt natürlich auch der Sinn für die große Tradition<br />
<strong>und</strong> die Liebe zu den historischen Objekten. Die Roloff-Brüder<br />
sind in der Tradition tief verwurzelt <strong>und</strong> leben sie. Das, was sie tun,<br />
ist eigentlich keine „Arbeit“ für sie, sondern eine große Liebhaberei<br />
<strong>und</strong> Freude. Und das merkt man, diesen Geist spürt man in jedem<br />
Werkzeug, das die Tischlerei zu bieten hat!<br />
Fotos: Helmut Harhaus<br />
Kontakt<br />
Kunst-Tischlerei<br />
Roloff<br />
René <strong>und</strong> Dirk Roloff<br />
Lange Straße 30<br />
18375 Prerow<br />
Tel.: +49(0)38233/465<br />
Fax: +49(0)38233/70181<br />
E-Mail: kunsttischlerei@aol.com<br />
Internet: www.kunsttischlerei-roloff.de<br />
37
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Altländer Hochzeitsstühle<br />
Kunsthandwerk aus Finkenwerder<br />
von Rolf Hoffmann<br />
Initialen <strong>und</strong> Namen dienten Symbole wie die Sonne, Herzen,<br />
Engel, Kronen, Blumen, Ähren <strong>und</strong> Ranken zur Verzierung, in<br />
verschiedenen Teilen des Alten Landes unterschiedlich verwendet.<br />
Beide Stühle gehörten also zusammen, sie waren für sich auch ein<br />
Paar. Die Sitzflächen lagen recht hoch, höher als die damals bei den<br />
Bauern üblichen Bänke <strong>und</strong> Schemel. Wer auf so einem Hochzeitsstuhl<br />
saß, stellte etwas dar. Manchmal hatten die Armlehnen ein<br />
sehr feines Muster im Holz an der Oberseite. Sie waren „gepunzt“.<br />
Wer weiß heute noch, dass dies das Einschlagen eines Schmuckmusters<br />
in eine glatte Oberfläche (aus Metall oder Holz) bedeutet?<br />
Hochzeitsstühle waren zu keiner Zeit billig. Diese Tradition wurde<br />
nur in Regionen gepflegt, wo es die Bauern zu Wohlstand gebracht<br />
hatten. Dafür ist sehr guter Boden eine Voraussetzung, sowie<br />
die Nähe einer möglichst großen Stadt, wo man die geernteten<br />
Feldfrüchte, aber auch Tiere mit gutem Gewinn verkaufen konnte.<br />
<strong>Der</strong> Hochzeitsstuhlbrauch existierte deshalb außerhalb des Alten<br />
Landes nur noch in den „Vierlanden“, (Hamburg-Südost), in der holsteinischen<br />
Probstei <strong>und</strong> in einigen Dörfern um Husum. Die fetten<br />
Marschböden machten viele Bauern so wohlhabend, dass sie ihren<br />
Frauen schwere Silberketten kaufen konnten, die mit zur Festtagskleidung<br />
der Bäuerinnen getragen wurden. Es ist überliefert, dass<br />
ein solcher Silberschmuck 5 bis 8 Kilogramm wiegen konnte (Bild 1)!<br />
Historie<br />
Bild 1 // Hochzeitsstuhl mit Bäuerin<br />
im Sonntagsstaat<br />
Im Hamburger Alten Land war es in Bauernfamilien etwa ab<br />
dem beginnenden 18. Jahrh<strong>und</strong>ert Brauch, dass bei Hochzeiten<br />
zur Aus steuer der Braut unter anderem zwei wertvolle Stühle<br />
gehörten. Diese wurden im Auftrag der Brauteltern fast komplett<br />
aus gedrechselten Teilen hergestellt. Zurückverfolgen lässt sich das<br />
Erscheinungsbild dieser traditionellen „R<strong>und</strong>pfostenstühle“ bis ins<br />
12. Jahrh<strong>und</strong>ert. Die Sitzfläche bildete ein Brett aus Nadelholz,<br />
ein zum Stuhl gehörendes, aufwändig besticktes Kissen mit dicken<br />
Quasten an allen vier Ecken diente als Polster. Die wichtigste Besonderheit<br />
der Hochzeitsstühle aber waren die geschnitzten Rückenbretter.<br />
Hier finden sich stets das Jahr der Hochzeit, der Name<br />
des Bräutigams auf dessen Rückenbrett <strong>und</strong> der Mädchenname der<br />
Braut auf der Rückenlehne ihres Sitzmöbels. Vor dem Brautnamen<br />
war immer ein „ J “ eingeschnitzt. Dieses „ J “ steht für „Jungfer“,<br />
symbolisch oder tatsächlich, aber unabdingbar zur Hochzeit. Außer<br />
In den meisten Haushalten existierte noch ein Stuhl in der Bauweise<br />
der Hochzeitsstühle. Gedrechselt, gebaut <strong>und</strong> geschmückt wie ein<br />
Hochzeitsstuhl, hatte er aber keine Armlehnen <strong>und</strong> war deutlich<br />
niedriger. Die heutige Vermutung: „Kinder“-Stuhl ist falsch. Kinderstühle<br />
gibt es erst seit etwa 1920. Die Kinder der Bauern (auch die<br />
der Städter) hatten keine eigenen Stühle. Kinder waren „kleine<br />
Erwachsene“. Zu sagen hatten sie nichts, beim Essen mussten sie am<br />
Tisch stehen. <strong>Der</strong> niedrige Stuhl der Bäuerin sollte die waagerechte<br />
Haltung der Oberschenkel beim Sitzen sicherstellen, bei allen<br />
Verrichtungen, bei denen nichts herabfallen durfte. Für Tätigkeiten<br />
wie Kleidung ausbessern <strong>und</strong> Nahrungsmittel verarbeiten spielte<br />
dies eine Rolle, aber auch beim Stillen eines Kleinkindes ist eine<br />
bequeme <strong>und</strong> sichere Haltung wichtig. Stuhl zum Stillen war wohl<br />
die vornehme Bezeichnung, „Titten-Geber“ sagte der Volksm<strong>und</strong><br />
dazu (Bild 2 <strong>und</strong> 3).<br />
Das <strong>Handwerk</strong>, Material <strong>und</strong> Fertigung<br />
Die Einzelteile des Hochzeitsstuhls entstanden beim Drechsler, dem<br />
„Dreier“ (niederdeutsche Bezeichnung um 1800). Nur die Rückenbretter<br />
wurden von Zimmerleuten geschnitzt. Zimmerer waren in<br />
der kalten Jahreszeit arbeitslos <strong>und</strong> besserten sich mit Schnitzwerk<br />
38
Bild 4// Stuhl von 1852, Monogramm als Spiegelbild<br />
Bild 13// Stuhl für einen Seefahrer<br />
Bild 14// Rosie <strong>und</strong> Klaus, zwei haben sich gef<strong>und</strong>en...<br />
Bild 12// Modern: 2004, Leuchtturm Falshöft Bild 9// Rückenbrett, Stuhl von 1886<br />
39
Bild 2// Stuhl zum Stillen der Kleinkinder<br />
Bild 5// Peter Baron vor <strong>sein</strong>er Werkstatt<br />
Bild 7//Schnitzmesser<br />
ihr Einkommen etwas auf. Andere Möglichkeiten zum Geldverdienen<br />
gab es kaum. Die Zünfte hatten seit dem Mittelalter im<br />
<strong>Handwerk</strong> nach heutigen Maßstäben extrem pingelige <strong>und</strong> genaue<br />
Regelungen für bestimmte Arbeiten eingeführt. <strong>Der</strong> Drechsler<br />
durfte nicht tischlern, der Tischler nicht zimmern <strong>und</strong> dem Zimmermann<br />
war wiederum das Drechseln verboten. Böttcher <strong>und</strong><br />
Stellmacher waren auch eigenständige Berufsgruppen. Eifersüchtig<br />
wurde die Einhaltung der Zunftbestimmungen überwacht. <strong>Der</strong><br />
Drechsler verwendete für <strong>sein</strong>e Teile am Stuhl Esche, ein festes, aber<br />
gleichzeitig sehr elastisches Holz. Deshalb wurden auch Kutschen<br />
aus Esche gebaut. <strong>Der</strong> gute Axtstiel ist aus Esche, der schlechte<br />
aus Buche. Bis etwa um 1900 gab es keinen Kaltleim, Möbelklebstellen<br />
wurden heiß verleimt. Wie verleimt man gleichzeitig zehn<br />
Verbindungen mit Heißleim? Es geht nicht. Also wurden Zapfen mit<br />
Übermaß hergestellt <strong>und</strong> die Teile eingeschlagen. Oder ein Holzteil<br />
mit Bohrung war nicht ganz so trocken, wie das Gegenstück mit<br />
Zapfen. Nach dem Zusammenfügen trocknete das gebohrte Teil aus<br />
<strong>und</strong> „schrumpfte“ fest. Die Hauptverbindungen am Stuhl wurden<br />
außerdem verkeilt <strong>und</strong> mit Holznägeln gesichert. Die Farbgebung<br />
der Stühle war immer der gerade aktuellen Mode unterworfen, es<br />
Bild 8// Schreibfehler von 1793, das “A” von Jungfer CATRIN fehlt<br />
Bild 10// Auch Puppensammler brauchen Hochzeitsstühle!<br />
40
Bild 6// In der Werkstatt<br />
Bild 11// Hochzeitsstuhl von Peter Baron<br />
gab helle Blautöne (Bild 4), aber auch das aus Skandinavien bekannte<br />
„Ochsenblutrot“ wurde verwendet. Am Ende des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
überwogen Naturtöne des Holzes, wobei man bewusst schöne<br />
Maserungen hervorhob.<br />
Mit Vorliebe wurde „schlankes“ Holz genommen. „Schlank“ heißt,<br />
dass die Faserstruktur einer Stange vom Anfang bis zum Ende gleichmäßig<br />
durchläuft <strong>und</strong> nicht etwa abbiegt <strong>und</strong> verschwindet. Nur so<br />
lassen sich beim Drechseln gleichmäßige, sehr schöne Hell-Dunkel-Effekte<br />
erzielen.<br />
Gegenwart<br />
Einer kann noch Hochzeitsstühle bauen. Er heißt Peter Baron,<br />
wohnt in Kappeln <strong>und</strong> arbeitet in <strong>sein</strong>er Werkstatt in Hamburg-Finkenwerder<br />
(Bild 5 u. 6).<br />
Seit 1983 stellt der gelernte Modelltischler wieder <strong>neu</strong>e Hochzeitsstühle<br />
her, oder repariert <strong>und</strong> restauriert alte. Sein Wissen über<br />
die Stühle hat er sich selbst angeeignet, durch intensives Studieren<br />
alter „Erbstücke“, Befragung ihrer Besitzer, Auswertung <strong>und</strong> Zusammenfassung<br />
aller greifbaren Informationen. Er kennt alle erforderlichen<br />
alten Techniken <strong>und</strong> wendet sie an (Bild 7).<br />
Peter Baron sieht, ob an einem alten Stuhl ein guter oder weniger<br />
guter Mann am Werke war. Bei einem Rückenbrett aus dem Jahre<br />
1793 kritisiert er den Schnitzer, weil die vorhandenen Blumen nicht<br />
plastisch herausgearbeitet wurden <strong>und</strong> ein Buchstabe des Vornamens<br />
fehlt (Bild 8). Lesen <strong>und</strong> Schreiben war damals im <strong>Handwerk</strong><br />
wohl keine Vorbedingung. In einer Art Lexikon hat Peter<br />
Baron Fotos von Rückenbrettern (Bild 9) der Stühle um Hochzeitsdaten<br />
aus alten Kirchenbüchern ergänzt, ein Wissensschatz, der ohne<br />
ihn nicht existieren würde. Stühle in Mini kann er auch (Bild 10).<br />
Hochzeitsstühle als Mitgift sind aus der Mode gekommen. Heute<br />
gibt es Bestellungen aus Anlässen wie Geburt, Taufe, Konfirmation,<br />
Abitur, Silberhochzeit oder Verabschiedung in den Ruhestand.<br />
Verzierungen <strong>und</strong> Schnitzereien werden individuell abgesprochen<br />
<strong>und</strong> genau wie vor zweih<strong>und</strong>ert Jahren in Handarbeit gefertigt. Auch<br />
heute sind Sitzmöbel vom Kunsthandwerker nicht billig. R<strong>und</strong> 50<br />
Arbeitsst<strong>und</strong>en für ebenfalls etwa 50 Einzelteile haben ihren Preis.<br />
Hier der Vergleich einer zufriedenen Bäuerin, die einen für ihren<br />
Mann bestellten Stuhl abholte <strong>und</strong> die Rechnung sah. Sie sagte:<br />
„Dat hebb ick mi dacht, dat dat so veel as een Koh kost!“<br />
Peter Baron hat in 30 Jahren circa 800 Stühle hergestellt. Reich ist er<br />
dabei nicht geworden. Inzwischen ist er über 70 Jahre alt. Nachfolger<br />
sind nicht in Sicht. Wenn er aufhört, geht im Alten Land eine<br />
lange Tradition zu Ende.<br />
Fotos: Rolf Hoffmann<br />
Bild 3// Rückenschild, Stuhl der Jungfer Catharina Stehr<br />
Kontakt<br />
Weitere Informationen:<br />
www.finkenwerder-kunsthandwerkstatt.de<br />
41
<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />
Die alte Hettstedter<br />
Druckerei Heise<br />
von Udo Mannek<br />
Wenn man die alte Druckerei in Hettstedt betritt, macht<br />
man einen gewaltigen Schritt in die Vergangenheit. Es<br />
wirkt so, als ob die Drucker <strong>und</strong> Setzer gerade in die Mittagspause<br />
gegangen sind <strong>und</strong> bald wieder zur Tür hineinkommen.<br />
Alles ist noch so „wie früher“. Doch in Wirklichkeit befindet man sich<br />
in einem w<strong>und</strong>erschönen Baudenkmal <strong>und</strong> technischem Museum<br />
eines historischen <strong>Handwerk</strong>sbetriebes mit Setzerei, Druckerei <strong>und</strong><br />
Stereotypie. Ein wahrer Kraftakt <strong>und</strong> glückliche Zufälle haben es<br />
ermöglicht, dass die Druckerei Hettstedt mit ihren einmaligen Flair<br />
<strong>und</strong> bewegter Geschichte am originalen Standort erhalten geblieben<br />
ist. Aber der Reihe nach!<br />
Wiedergeburt eines technischen Denkmals<br />
Im Jahre 1889 gründete Ernst Freyberg die in dem 1698 als Pferdestall<br />
<strong>und</strong> Gesindehaus errichteten Gebäude die Druckerei <strong>und</strong><br />
gab die „Hettstedter Zeitung“ heraus. Im Jahre 1909 wurde Wilhelm<br />
Hohnbaum-Hornschuh verantwortlicher Redakteur der Zeitung.<br />
Im gleichen Jahr übergab ihm Ernst Freyberg die Druckerei aus<br />
ges<strong>und</strong>heitlichen Gründen. Die „Hettstedter Zeitung“ erschien zu<br />
dieser Zeit sechsmal wöchentlich <strong>und</strong> hatte einen Umfang von 6<br />
Seiten. Im Jahre 1936, zur Blütezeit der Druckerei mit 16 Angestellten<br />
<strong>und</strong> 15 Zeitungsausträgerinnen verstarb Wilhelm Hohnbaum-Hornschuh<br />
<strong>und</strong> tragischerweise auch <strong>sein</strong> Sohn Erhard. In den folgenden<br />
drei Jahren leitete Wilhems Witwe Elisabeth den Betrieb weiter.<br />
Später heiratete diese den Buchrevisor Albert Heise. Am 31. Mai 1941<br />
erschien die „Hettstedter Zeitung“ zum letzten Mal. Auf Anweisung<br />
der Reichspressekammer wurden mehr als die Hälfte der deutschen<br />
Heimatzeitungen eingestellt. Die Buchdruckerei Heise wurde fortan<br />
als Akzidenzdruckerei weitergeführt. Bis zum Kriegsende druckte<br />
man in der Hettstedter Druckerei überwiegend Lebensmittelkarten.<br />
Nach dem Tod von Albert Heise im Jahr 1960 führte Elisabeth Heise<br />
den Betrieb weiter. Bis 1989 wurden noch Formulare, Grußkarten,<br />
Broschüren <strong>und</strong> Dokumente gedruckt. Doch im Jahre 1990 war<br />
endgültig Schluß; die Druckerei wurde stillgelegt. Vier Jahre später<br />
starb Elisabeth Heise. Ihre Tochter, Friedel Hohnbaum-Hornschuh<br />
zog im Jahre 1995 von Berlin nach Hettstedt um sich über die weitere<br />
Zukunft der Druckerei zu kümmern. Zum „Tag des offenen Denkmals“<br />
im Jahre 2000 wurde die Druckerei erstmals der Öffentlichkeit<br />
zugänglich gemacht. Schon am 15. Februar 2001 wurde der Verein<br />
„Alte Hettstedter Druckei Heise“ gegründet <strong>und</strong> die Druckerei an die<br />
Stadt Hettstedt verkauft. Schon ein Jahr später begann die denkmalgerechte<br />
Sanierung des Gebäudes durch junge <strong>Handwerk</strong>er der<br />
Kommunalen Ökologischen Sanierungsgesellschaft. Die Maschinen<br />
aus Druckerei <strong>und</strong> Setzerei wurden im Betrieb der Hettstedter<br />
Spezialschweißerei Posselt zwischengelagert, restauriert <strong>und</strong> im Jahr<br />
2005 nach Abschluss der Sanierungsarbeiten an ihren ursprünglichen<br />
Standplätzen wieder aufgestellt.<br />
42
Mit Gutenberg fing alles an<br />
Mit Erfindung des Buchdruckes durch Johannes Gutenberg (1400 -<br />
1468) wurde der Gr<strong>und</strong>stein zur Entwicklung zahlreicher Druckereimaschinen<br />
gelegt. An dieser Stelle sei der Hinweis auf das Gutenberg<br />
Museum in Mainz gestattet.<br />
Drucksaal<br />
Die Vielfalt <strong>und</strong> Besonderheit der in der alten Hettstedter Druckerei<br />
ausgestellten Druckmaschinen sucht ihresgleichen. In die Rotationsmaschine<br />
von der Schnellpressenfabrik Frankenthal Albert & Cie.<br />
Act. Ges. aus dem Jahre 1899 ist eine Papierbahn eingespannt. Die<br />
Maschine faltete die Zeitungsseiten nach dem Drucken automatisch.<br />
„Dabei habe ich früher als Kind immer fasziniert zugeschaut“,<br />
erinnert sich Friedel Hohnbaum-Hornschuh. <strong>Der</strong> Zähler dieser<br />
Maschine besteht aus fünf kreisr<strong>und</strong>en Messingscheiben, auf denen<br />
die Ziffern 0 bis 9 eingraviert sind. Diese Maschine ist das wertvollste<br />
Objekt des Museums, da es sich hierbei vermutlich um das<br />
einzige original erhaltende Stück in Deutschland handelt. Auf ihr<br />
wurde von 1899 bis zum 31. Mai 1941 täglich außer Sonntags die<br />
„Hettstedter Zeitung“ gedruckt.<br />
Die Schnellpresse Accidenz Nr. VII von Bohn & Herber ist<br />
ebenfalls ein seltenes Ausstellungsexponat. Ebenso selten <strong>und</strong> für<br />
historisch interessierte Mechaniker <strong>und</strong> Drucker bedeutungsvoll ist<br />
die Schnellpresse von Kleinforst & Bohn, Nachfolger, Johannisberg<br />
am Rhein aus dem Jahre 1890. Ein Handtiegel von Vicum & Co.<br />
Maschinenfabrik Erfurt von etwa 1890 ergänzt das in Deutschland<br />
einmalige komplette Druckereiensemble aus der Zeit vor 1900.<br />
Diverse typische Ausstattungsgegenstände vervollständigen den<br />
Drucksaal dieses historischen <strong>Handwerk</strong>betriebes.<br />
Setzerei<br />
Hier lagern in großen Setzschränken mit Setzkästen gut sortiert<br />
tausende Buchstaben der verschiedensten Schriftarten in den<br />
unterschiedlichsten Größen. <strong>Der</strong> noch funktionstüchige Standart Ultra-Heidelberger<br />
Tiegelautomat aus dem Jahre 1940 ist die jüngste in<br />
der Setzerei ausgestellte Maschine.<br />
Am meisten beeindruckt aber die Linotype Zeilensatz- <strong>und</strong><br />
Gießmaschine aus dem Jahre 1930. Erf<strong>und</strong>en wurde die Maschine<br />
von Ottmar Mergentahler bereits in der zweiten Hälfte des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert. Über eine Tastatur, ähnlich einer Schreibmaschine,<br />
wird eine kleine Buchstabengießform aus Messing, die Matrize, aus<br />
dem Magazin ausgelöst. Nach <strong>und</strong> nach ordnen sich die Matrizen<br />
bis eine Zeile voll ist. Dann wird die Zeile mit flüssigem Blei<br />
ausgegossen <strong>und</strong> Zeile für Zeile im Schiff zu einer Zeitungsspalte<br />
abgelegt. Anschließend werden die Matrizen wieder automatisch in<br />
ihre Ausgangsposition im Magazin zurückgeführt.<br />
Stereotypie<br />
In der Stereotypie befindet sich ein Bleischmelzofen von Albert<br />
& Co., Frankenthal. Vermutlich ist er der einzige in Deutschland<br />
erhalten gebliebene Ofen <strong>sein</strong>er Art. Er diente zum Schmelzen von<br />
Blei, welches zur Herstellung der erforderlichen Druckplatten für<br />
die Rotationsmaschine benötigt wurde. Auf einem Kalander werden<br />
in feuchte Pappe gepresste Druckformen die sogenannten Matern<br />
43
angefertigt <strong>und</strong> anschließend mit flüssigem Blei ausgegossen <strong>und</strong> als<br />
halbr<strong>und</strong>e Druckplatten gefertigt. <strong>Der</strong> Bleiofen wurde mit Kohle<br />
befeuert.<br />
Verein <strong>und</strong> Museum<br />
<strong>Der</strong> rührige Verein „Alte Hettstedter Druckerei Heise“ bietet seit<br />
2009 unter anderem einen Sütterlinkurs zum Erlernen der deut schen<br />
Schreibschrift an. Dieser Kurs wird vor allem von der jün geren Generation<br />
besucht, die schriftliche Überlieferungen ihrer Großeltern lesen<br />
möchten.<br />
Kontakt<br />
Alte Hettstedter Druckerei Heise<br />
<strong>und</strong> Kontaktadresse des Hettstedter Vereins<br />
„Alte Hettstedter Druckerei Heise e.V.“,<br />
Wilhelmstr. 2,<br />
06333 Hettstedt<br />
Öffnungszeiten:<br />
montags bis freitags von<br />
9.00 bis 14.00 Uhr geöffnet<br />
Absprachen zu Führungen unter<br />
Telefon: +49(0)3476/800176<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Akzidenzdruck<br />
Als Akzidenzdruck wird die Druckarbeit eines Satzes von üblicherweise geringem Umfang bezeichnet.<br />
Akzidenzen sind Gelegenheitsdrucksachen wie beispielsweise Visitenkarten, Flugblätter, Broschüren,<br />
Speisekarten, Familiendrucksachen, Eintrittskarten, Fahrpläne, Briefe, Einladungen sowie amtliche <strong>und</strong><br />
nichtamtliche Formulare. Anfänglich waren Akzidenzdrucksachen neben den periodisch wiederkehrenden<br />
Aufträgen eine zusätzliche Erwerbsquelle für Druckereien. Akzidenzen wurden zur Zeit des Bleisatzes<br />
hauptsächlich von Akzidenzschriftsetzern mit Akzidenzschriften <strong>und</strong> nicht mit den üblichen sogenannten<br />
Brotschriften gestaltet. Die Gestaltung der Drucksachen lag oftmals in den Händen der Schriftsetzer. Das<br />
Erlernen der Gestaltung war Bestandteil der Ausbildung <strong>und</strong> Gesellenprüfung der Schriftsetzer.<br />
44
Damals<br />
von Christian Schwarzer<br />
<strong>Der</strong> berühmte Schuhmachermeister <strong>und</strong> begnadete Dichter Hans Sachs wurde 1494 in Nürnberg geboren <strong>und</strong> starb dort auch nach<br />
einem langen erfolgreichen Leben. In <strong>sein</strong>em Werk „Eygentliche Beschreibung Aller Stände Auf Erden….“, das 1568 gedruckt wurde,<br />
beschreibt er die Berufe vom Höchsten bis zum Niedrigsten, vom Papst bis zum Narren in 114 Blättern.<br />
Die oft schwer lesbaren Texte wurden sinngemäß übertragen. Unbekannte Worte werden erklärt. cs<br />
<strong>Der</strong><br />
Schriftgießer<br />
Ich gieß die Schrift für die Druckerei<br />
Gemacht aus Wismut, Zinn <strong>und</strong> Blei<br />
Die Buchstaben zusammenstellen<br />
In lateinischer <strong>und</strong> deutscher Schrift<br />
Was auch das Griechisch anbetrifft.<br />
Mit Initialen 1 , Punkten <strong>und</strong> Zügen 2<br />
Dass sie zur Druckerei sich eignen.<br />
1<br />
Großbuchstaben, oft verziert<br />
2<br />
Züge=verzierte Linien<br />
45
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
<strong>Schmied</strong>emeister Heinz Billen<br />
<strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Dorfschmiede<br />
von Udo Mannek<br />
Verfehlen kann man die schöne Dorfschmiede auf dem<br />
<strong>Handwerk</strong>ermarkt nicht: schon von weitem zu hören am hellen<br />
Klang des Hammers auf dem Amboss. Wenn Heinz Billen<br />
einem Laien <strong>sein</strong> <strong>Handwerk</strong> erklärt ist er in <strong>sein</strong>em Element. Die<br />
Augen leuchten <strong>und</strong> geradezu liebevoll behandelt er <strong>sein</strong>e Werkzeuge.<br />
Die Zange ist der verlängerte Arm des <strong>Schmied</strong>es, erklärt er. Sie<br />
muss so geformt <strong>sein</strong>, dass sich das Eisen, das gerade bearbeitet<br />
wird, keinen Millimeter bewegen kann. Deshalb verfügt die<br />
<strong>Schmied</strong>e über unzählige Zangen. Dazu kommen die verschiedenen<br />
Setzhämmer. Jeder Kopf ist anders geformt: der eine spitz zulaufend,<br />
der andere flach, ein weiterer halbkreisförmig. Heinz Billen <strong>und</strong><br />
<strong>sein</strong>e Mitarbeiter zeigen, worauf es bei der <strong>Schmied</strong>ekunst an kommt<br />
– Schritt für Schritt wird es dem Publikum genauestens erläutert.<br />
Das Ergebnis, ob filigrane Blume oder geschmiedete Hausnummer,<br />
gerät dabei fast schon zur Nebensache.<br />
Die voll funktionsfähige <strong>Schmied</strong>e misst fünf mal sieben Meter.<br />
Platz genug für Amboss <strong>und</strong> Werkzeuge, für eine Werkbank mit<br />
Schraubstock sowie eine Esse mit Kohlenkasten <strong>und</strong> einen auf drei<br />
Meter Höhe ausfahrbaren Kamin. Was man nicht auf den ersten<br />
Blick sieht: Es handelt sich um eine mobile Dorfschmiede. Eine ausgeklügelte<br />
Eigenkonstruktion von <strong>Schmied</strong>emeister Heinz Billen.<br />
Zusammengeklappt ist sie gerade mal 1,4 Meter breit <strong>und</strong> drei Meter<br />
lang <strong>und</strong> lässt sich problemlos an einen Zugwagen anhängen.<br />
Zuschauer dürfen in der Dorfschmiede auch selbst Hand anlegen<br />
<strong>und</strong> können gegen einen Obulus das „kleine <strong>Schmied</strong>ediplom”<br />
erwerben. Dazu bekommen sie zunächst eine Lederschürze verpasst.<br />
Nicht nur der Optik wegen. Denn wenn sich am Amboss oder<br />
Hammer ein Metallsplitter löst, kann er zum gefährlichen Geschoss<br />
werden. Unter fachk<strong>und</strong>iger Anleitung können sie vor glühender<br />
Esse dann selbst ein <strong>Schmied</strong>estück anfertigen. Mangelt es jedoch an<br />
Tatendrang, während der Bedarf an einer Streitaxt groß ist, so kann<br />
der Besucher diese oder anderes wie Schwerter, filigrane Rosen <strong>und</strong><br />
Hausnummern aus Hufeisen beim <strong>Schmied</strong> käuflich erwerben.<br />
Fotos: Dennis Mannek<br />
Kontakt<br />
Homepage:<br />
www.schmiedevorfuehrung.de<br />
Quelle: Gaudium<br />
46
<strong>Der</strong> <strong>Schmied</strong> <strong>und</strong> <strong>sein</strong> <strong>Werkstoff</strong><br />
von Richard Planitz<br />
Die Erfindung, das Eisen aus <strong>sein</strong>en Erzen zu schmelzen,<br />
schreibt die moderne Forschung einem Volk im westlichen Innerasien<br />
zu. Von hier aus soll diese Kunst zu den im Kaukasus<br />
ansässigen Chabylern gekommen <strong>sein</strong>, die durch das ganze<br />
Altertum ob ihrer Eisenschmelzereien <strong>und</strong> ihrer Eisentechnik<br />
berühmt wurden. Bei den Griechen blühte dieses <strong>Handwerk</strong><br />
etwa ab dem siebten Jahrh<strong>und</strong>ert vor Christi auf. Sie verstanden,<br />
Eisen zu schmelzen <strong>und</strong> die Kunst, es zu härten.<br />
Auch die Römer bauten um diese Zeit Waffen <strong>und</strong> Werkzeuge<br />
aus Eisen statt aus Bronze. Als ihre Lehrmeister sind die<br />
Etrusker anzusehen. Geliefert wurden die Erze meist von der<br />
Insel Elba. Nach dem Tod von Julius Cäsar hatten die Gallier<br />
große Eisenbergwerke. Aus den Eisenerzen wurde mit Hilfe<br />
des Renn(Rinn)-Verfahrens nur bedingt schmiedbares Eisen<br />
gewonnen. Die erforderliche Gebläseluft wurde dem Feuer zuerst<br />
mit menschlicher Kraft zugeführt, jedoch ersannen findige<br />
Köpfe bald den Blasebalg, der per Wasserkraft angetrieben<br />
wurde. Zum Schmelzen der Erze wurden riesige Mengen von<br />
Holzkohle benötigt, um die nötige Schmelztemperatur von ca.<br />
1100 °C zu erreichen. Um ein kg Eisen herzustellen, wurden<br />
r<strong>und</strong> 30 kg Holzkohle verbraucht. Mit der Zeit trat an die Stelle<br />
des Rennfeuers der Stückofen, aus dem sich etwa ein Kilogramm<br />
schwere Rohlinge erzeugen ließen, die aber noch durch<br />
weiteres Bearbeiten <strong>und</strong> mehrmaliges Umschmelzen dem erforderlichen<br />
Verwendungszweck zugeführt werden mussten.<br />
<strong>Der</strong> ursprünglich aus Damaskus stammende Damaszenerstahl<br />
war eine Entwicklung aus der Not, scharfe <strong>und</strong> doch unzerbrechliche<br />
Werkzeuge, sowie Waffen, also Schwerter <strong>und</strong><br />
Läufe von Gewehren, die dem starken Explosionsdruck standzuhalten<br />
hatten, zu entwickeln. Das Augenmerk der <strong>Schmied</strong>e<br />
war dabei auf die Steuerung des Kohlenstoffgehaltes gerichtet,<br />
der maximal ein Prozent betragen durfte, um einen harten,<br />
jedoch zähen Stahl zu erzeugen, der allen Anforderungen<br />
entsprach. Dabei wurden Stähle aus verschiedenen Erzen in<br />
glühendem Zustand zusammengefaltet <strong>und</strong> verschmiedet,<br />
womit ein hochwertiges Produkt entstand, das den allgemeinen<br />
bis dahin hergestellten Stahl bei weitem übertraf. Einen<br />
gewaltigen Rückschlag brachte der Dreißigjährige Krieg (1618<br />
- 1648), in welchem das lange angesammelte Wissen zu einem<br />
großen Teil unterging. Um das Jahr 1784 wurde der Puddelofen<br />
eingeführt, dabei wurde die glühende Schmelze mit langen<br />
Stangen von Hand umgerührt, um unerwünschte Bestandteile<br />
durch den Kontakt mit dem Luftsauerstoff zu verbrennen.<br />
Im Jahr 1855 erwarb der Engländer Bessemer ein Patent<br />
für ein Verfahren, flüssiges Roheisen durch hindurchblasen<br />
von Luft in Stahl zu verwandeln. Dieses Verfahren wurde für<br />
Deutschland erst durch die Erfindung von Thomas im Jahr<br />
1878 von außerordentlicher Bedeutung, weil er die Bessemerbirne<br />
mit einem basischen Futter auszukleiden verstand <strong>und</strong><br />
es dadurch ermöglichte, auch aus phosphorhaltigem Roheisen<br />
brauchbaren Stahl von guter Qualität zu gewinnen. Durch das<br />
Siemens-Martin-Verfahren gelang es ab 1865, aus Roheisen<br />
<strong>und</strong> Stahlschrott einen noch reineren Stahl zu gewinnen, den<br />
der <strong>Schmied</strong> dankbar annahm, weil er aus diesem <strong>Werkstoff</strong><br />
hochwertige Werkzeuge, wie Beile, Hacken, Sensen, Sicheln,<br />
Hufeisen, Pflüge, Truhenwagen <strong>und</strong> vieles mehr herzustellen<br />
im Stande war.<br />
So sind wir nun beim Berufsbild des <strong>Schmied</strong>es angelangt.<br />
Seine gr<strong>und</strong>sätzliche Aufgabe bestand nicht darin, schmiedbares<br />
Eisen, also Stahl herzustellen, sondern diesen <strong>Werkstoff</strong><br />
gekonnt <strong>und</strong> kreativ handwerklich zu verarbeiten. Zu <strong>sein</strong>er<br />
Gr<strong>und</strong>ausstattung gehörte die Esse mit Lösche samt einem<br />
ledernen Blasebalg, dem Amboss, <strong>Schmied</strong>ehämmer verschiedener<br />
Größe <strong>und</strong> Form, <strong>Schmied</strong>ezangen aller Art sowie<br />
eine stählerne Lochplatte, welche mit Bohrungen verschiedener<br />
Größe versehen war. So war der <strong>Schmied</strong> eine angesehene<br />
Persönlichkeit, welchem auch Aufgaben außerhalb <strong>sein</strong>es Berufes<br />
anvertraut wurden. Es ist nachgewiesen, dass man den<br />
Dorfschmied auch in den Stall holte, wenn eine Kuh bei der<br />
Geburt ihres Kalbes Schwierigkeiten hatte. In jedem Ort <strong>und</strong><br />
jeder Stadt war zumindest ein Dorfschmied angesiedelt, was<br />
sich dadurch leicht nachweisen läßt, dass die <strong>Schmied</strong>gasse<br />
oder die <strong>Schmied</strong>straße in annähernd jeder Gemeinde bis heute<br />
existiert. In Onstmettingen, einem Teilort von Albstadt im<br />
Landkreis Balingen waren im 18. <strong>und</strong> 19.Jahrh<strong>und</strong>ert auffallend<br />
viele <strong>Schmied</strong>e angesiedelt, die sich motiviert durch den<br />
Mechaniker-Pfarrer Philipp-Matthäus Hahn iauf den Waagenbau<br />
spezialisierten <strong>und</strong> eine bis heute unglaubliche Präzision<br />
im Bau von Waagen aller Art an den Tag legten. Im Zuge der<br />
Industiealisierung trat das reine <strong>Schmied</strong>ehandwerk etwas<br />
zurück, weil es durch die Einführung von elektrisch angetriebenen<br />
<strong>Schmied</strong>ehämmern, Werkzeugmaschinen <strong>und</strong> hydraulischen<br />
Pressen möglich wurde, geschmiedete Produkte in<br />
großen Serien rationell herzustellen. Jedoch stehen bis heute<br />
vor allem in Freilichtmuseen abgehaltene <strong>Schmied</strong>evorführungen<br />
ganz hoch im Kurs.<br />
Quelle: Berufsk<strong>und</strong>e für <strong>Schmied</strong>e aus dem Jahr 1929<br />
47
Selber <strong>Handwerk</strong>en<br />
Foto 2: Übungsschublade aus Papier, mit offenen,<br />
unfertigen Ecken.<br />
Foto 4: Vorbereitung zum Falten der Ecken: Linie A wird an allen vier Ecken nach<br />
innen eingeknickt. Linie B wird an allen vier Ecken nach außen eingeknickt.<br />
Die Geschichte einer verlorengegangenen Schublade<br />
Wie man eine Schublade<br />
aus Blech herstellt<br />
Eine Schülerarbeit, entstanden im Fach Arbeitslehre<br />
von Jens Johannsen<br />
Eine Geschichte über den 15-jährigen Hauke<br />
Vorgeschichte<br />
Zu meinem 15. Geburtstag bekam ich ein Werkzeugschränkchen<br />
(Foto 1) mit einer verlorengegangenen Schublade augenzwinkernd<br />
von meinem Vater mit dem Hinweis geschenkt, dass dieses „Museumsstück“<br />
von meinem Ur-Ur-Großvater vor etwa 75 Jahren in der<br />
Lehrlingsausbildung hergestellt worden sei. Das war für mich ganz<br />
offensichtlich ein Geschenk mit einem Hintergedanken, denn mein<br />
Vater wollte mich herausfordern, die fehlende Schublade zu ersetzen,<br />
besser gesagt, nachzubauen, denn meine Entscheidung, bald eine<br />
Lehre als Werkzeugmacher anzutreten, war bereits bekannt <strong>und</strong> war<br />
ganz offensichtlich das Motiv für dieses Ansinnen.<br />
So entstand nach einigem Nachdenken <strong>und</strong> Ausprobieren zuerst<br />
eine Abwicklung, dann zur Probe eine Schublade aus Papier, <strong>und</strong><br />
schließlich konnte ich die fehlende Schublade durch eine Neuanfertigung<br />
ersetzen; zugegebenermaßen mit kleinen Hilfen, natürlich von<br />
einem „Besserwisser“, meinem Vater.<br />
Foto 1: Das Schränkchen mit der fehlenden Schublade. Dieses<br />
nostalgische Schränkchen, gebaut vor vierGenerationen, gab<br />
die Anregung für einen Nachbau der fehlenden Schublade.<br />
48
Foto 3: Gleichzeitig! mit dem Umbiegen der vier Seitenwände über<br />
einen passgenauen Biegeklotz (nicht abgebildet) werden die vier<br />
Ecken in ihre endgültige Form gefaltet.<br />
Die Abwicklung<br />
Als erstes wird von der Schublade eine Abwicklung mit allen<br />
wichtigen Maßen <strong>und</strong> Biegelinien gezeichnet (Zeichnung 1). Das<br />
ist mit einem Zeichenprogramm, z.B. mit Draw von OpenOffice,<br />
kein besonderes Problem. Jedenfalls viel einfacher als am Reißbrett,<br />
wie es früher üblich war. Die ausgedruckte Zeichnung ist eine<br />
Supervorlage, um alle notwendigen Anrisslinien auf das vorbereitete<br />
Blech zu übertragen. Die Linien werden mit einer Reissnadel auf das<br />
Blech gezeichnet. Dann kann die Abwicklung mit einer Blechschere<br />
ausgeschnitten werden. Die Hauptmaße der rechteckigen Abwicklung<br />
ergeben sich wie unschwer erkennbar ist, durch eine einfache<br />
Addition der bekannten Schubladenabmessungen L, B <strong>und</strong> H<br />
(Zeichnung 1). Sie betragen für die kleinere Schublade 162 mm <strong>und</strong><br />
152 mm.<br />
Berechnung der Abwicklungs-Hauptmaße H1 <strong>und</strong> H2 (für die<br />
kleinere Schublade):<br />
H1 = L + 2 x H + 2 x D<br />
H1 = 70 mm + 2 x 40 mm + 2 x 6 mm = 162 mm<br />
H2 = B + 2 x H + 2 x D<br />
H2 = 60 mm + 2 x 40 mm + 2 x 6 mm = 152 mm<br />
Zur Kontrolle, bevor die ersten Blecharbeiten beginnen, ist es<br />
ratsam, die Schublade aus einer Papiervorlage zuzuschneiden <strong>und</strong> zu<br />
falten. Sollen lediglich die Proportionen geprüft <strong>und</strong> die Maße kontrolliert<br />
werden, genügt es, ein Kästchen aus Papier <strong>und</strong> nur mit den<br />
Seitenwänden, also ohne die vier Ecken, die die Seitenwändemiteinander<br />
verbinden, zu falten. In diesem Fall entsteht die maßhaltig korrekte<br />
Form, allerdings sind die vier Ecken des Kästchens offen, <strong>und</strong><br />
weniger stabil (Foto 2). Eine dieser vier Ecken ist in der Zeichnung 1<br />
zur Veranschaulichung grau ausgefärbt.<br />
<strong>Der</strong> Biegevorgang<br />
Da die Schublade vollständig geschlossen (wasserdicht) <strong>sein</strong> soll,<br />
werden die vier Ecken nicht ausgeklinkt, sondern wie im Foto 3+4<br />
gezeigt, eingeknickt bzw. gefaltet <strong>und</strong> anschließend auf die Schmal-<br />
Zeichnung 1: Abwicklung der kleinen Schublade<br />
seite des Kästchens umgebogen. Ein komplizierter Biegevorgang,<br />
der etwas Übung bedarf, besonders, da keine Vorrichtung außer einem<br />
einfachen Biegeklotz aus Holz zur Verfügung steht. Damit das<br />
Falten der Blechecken überhaupt möglich wird, werden die Linien<br />
A <strong>und</strong> B der Abwicklung über eine scharfe Kante (in gegenläufige<br />
Richtung!) vorsichtig – aber deutlich erkennbar – vorgebogen,<br />
49
Um Fehler beim Blechzuschnitt zu vermeiden, kontrolliert Hauke<br />
die Zuschnittmaße <strong>und</strong> Biegelinien an einem Papiermuster. Auch die<br />
Abfolgen beim Biegen werden noch einmal überprüft.<br />
ohne dabei den Boden <strong>und</strong> die Seitenwände einzuknicken oder zu<br />
beschädigen. Jetzt, da im Blech die Biegerichtung der Ecken vorgegeben<br />
ist, können die Seitenwände mit der Biegelinie C über einen<br />
maßhaltigen Biegeklotz mit den Innenmaßen des Kästchens hochgebogen<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig die Ecken wie abgebildet gefaltet werden.<br />
Die endgültigen, scharfkantigen Außenformen werden im Schraubstock<br />
bei Verwendung geeigneter Holzschutzbacken gedrückt. Abschließend,<br />
wenn auch die seitlichen Überstände (in der Abwicklung<br />
mit „D“ gekennzeichnet) der vier Außenwände umgebogen sind <strong>und</strong><br />
dadurch der obere Schubladenrand erzeugt <strong>und</strong> stabilisiert ist, wird<br />
der Biegeklotz aus der Schublade entfernt. Im vorliegenden Fall<br />
wurde ein 0,4 mm Aluminiumblech verarbeitet. Dieses Material <strong>und</strong><br />
diese Blechdicke lassen sich problemlos schneiden <strong>und</strong> biegen.<br />
<strong>Der</strong> Handgriff der Schublade<br />
Erst die Fertigung eines geeigneten Handgriffes läßt die Schublade<br />
(Foto 5) perfekt werden. Deshalb einige Überlegungen zu <strong>sein</strong>er<br />
Herstellung. <strong>Der</strong> abgebildete Ringgriff, mit einem äußeren Ringdurchmesser<br />
von 30 mm bei einem Drahtdurchmesser von 3 mm, ist<br />
ursprünglich der Kopf einer Ösenschraube. Die abgesägte Öse hat<br />
bereits die perfekte Kreisform, die ansonsten schwierig zu biegen<br />
wäre. An der Schnittstelle, also am Übergang von der Öse zur<br />
Schraube, wird der Drahtdurchmesser auf 2,5 mm verringert <strong>und</strong><br />
auf die Maße der Biegelasche abgestimmt, die durch einen dünnen<br />
Schlitz in die Schublade eingeführt <strong>und</strong> innen umgebogen wird.<br />
Jetzt kann die Öse frei nach oben <strong>und</strong> unten schwenken, ohne seitlich<br />
auszuwandern. Die Trennfuge der Öse bleibt somit immer abgedeckt.<br />
Foto 5<br />
50
<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />
Historische Weiherschleife<br />
in Idar-Oberstein<br />
von Udo Mannek<br />
Von den einstmals 56 Schleifmühlen ist die Kallwiesweiherschleife<br />
die letzte erhaltene mit Wasserrad angetriebene<br />
Achat schleifmühle am Idarbach. Hier in der Weiherschleife –<br />
wie sie im Volksm<strong>und</strong> genannt wird – zeigen heute Edelsteinschleifer<br />
wie in alten Zeiten an großen Sandstein-Schleifrädern die einzelnen<br />
Arbeitsgänge des Edelsteinschleifens.<br />
Die Bearbeitung der heimischen Edelsteinvorkommen reicht zurück<br />
bis in das 15. Jahrh<strong>und</strong>ert. Früher standen am Idarbach, an der<br />
Nahe <strong>und</strong> anderen Bachläufen r<strong>und</strong> um Idar-Oberstein einmal 183<br />
Schleifmühlen. Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts wurden die Bachschleifen<br />
nach <strong>und</strong> nach stillgelegt. Ein rascher Zerfall sorgte dafür, dass<br />
die Schleifen schon bald aus dem Landschaftsbild verschwanden.<br />
Die Kallwiesweiherschleife<br />
Die „Historische Weiherschleife“ in Idar-Oberstein wurde im Jahr<br />
1754 direkt am Idarbach erbaut. 1866 wurde eine Genossenschaft<br />
gegründet um oberhalb der Schleife einen Weiher anzulegen. Dies<br />
schaffte eine gewisse Unabhängigkeit von den häufig wechselnden<br />
Wasserständen der Idar. Die Weiherschleife war mit Unterbrechungen<br />
bis 1945 in Betrieb. Dann drohte der Zerfall. Jedoch erfolgte in<br />
den Jahren 1953 <strong>und</strong> 1954 die rettende Restaurierung. Die Gesamte<br />
Anlage ist seit 1953 im Besitz der Stadt Idar-Oberstein. Schon seit<br />
1954 wird die Schleife als Gewerbemuseum betrieben.<br />
Es folgte eine weitere Renovierung in den Jahren 1996 <strong>und</strong> 1997.<br />
Seit dem 10. Mai 1997 ist die Schleife wieder für Besichtigungen<br />
geöffnet. Neben den Führungen durch fachk<strong>und</strong>ige Edelsteinschleifer<br />
informiert eine Multimedia-Schau die Besucher unter dem Motto<br />
„Das Geheimnis der Edelsteine“. Ferner kann eine interessante<br />
Ausstellung im Mineralienraum besichtigt werden. Zeitgenössische<br />
Bilder verdeutlichen eindrucksvoll die Arbeit in der Schleifmühle.<br />
Charakteristisch für Schleifmühlen waren an der Giebelfront die bis<br />
hoch ans Dach reichenden Fenster, um möglichst viel Tageslicht<br />
auszunutzen.<br />
51
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
Die vier Arbeitsgänge beim<br />
Edelsteinschleifen<br />
Sägen oder Schneiden der Rohsteine<br />
Das Schneiden der rohen Steine muss genau<br />
geplant <strong>sein</strong>, damit möglichst viel von der<br />
Rohsubstanz erhalten bleibt <strong>und</strong> Bruchlinien<br />
sowie Einschlüsse im Kristall nicht zum<br />
Bruch bei der weiteren Verarbeitung führen.<br />
Ebouchieren<br />
Beim Ebouchieren werden die Steine auf<br />
Schleifrädern in Rohform gebracht.<br />
Schleifen oder Facettieren<br />
Beim Schleifen werden die Facetten auf den<br />
Stein gebracht. Die Genauigkeit des Schliffs<br />
entscheidet darüber wie der Edelstein<br />
später die Lichtstrahlen bricht. Bekannt ist<br />
der sogenannte Brillantschliff beim Diamanten.<br />
Schmirgeln <strong>und</strong> Polieren<br />
Polieren ist der letzte Arbeitsgang. <strong>Der</strong><br />
Lapidär oder Polierer muss bei diesem<br />
Arbeitsvorgang genau die geschliffenen<br />
Flächen treffen. Anderenfalls war alle Mühe<br />
vergebens. Nicht selten sind Steinraritäten<br />
beim Polieren zu Bruch gegangen.<br />
Harte Arbeitsbedingungen<br />
Da die Härte des Schleifsteins <strong>und</strong> der zu schleifenden Edelsteine<br />
nahezu gleich ist, mussten sich die Schleifer mit aller Kraft gegen<br />
den Schleifstein stemmen. Dabei verrichteten sie die schwere Arbeit<br />
überwiegend auf dem Bauch liegend <strong>und</strong> mit den Füßen abstoßend<br />
auf sogenannten Schleifkippstühlen. Zur Kühlung wurde Wasser<br />
aus dem Weiher auf den Schleifstein geleitet. Im Winter waren die<br />
Schleifer dem 2 °C kaltem Wasser ausgesetzt. Rheuma war oftmals<br />
die Folge. Lange Arbeitszeiten, Staubbelastung <strong>und</strong> Kontakt mit<br />
Klebstoffen <strong>und</strong> anderen Chemikalien belasteten die Schleifer<br />
ebenso. Kleinere Edelsteine wurden auf Holzstäbe geklebt um die<br />
Handhabe beim Schleifen zu verbessern. Es wurden auch kleine<br />
Schüsseln <strong>und</strong> Schalen aus Achat oder Jaspis hergestellt. Je dünner<br />
diese geschliffen waren, umso wertvoller war die Arbeit. Doch wochenlange<br />
Arbeit war jäh zunichte, wenn ein Teil zerbrach. Es gab<br />
dafür dann keinen Lohn!<br />
Edelsteinschürfplatz für Kinder<br />
Für Kinder ist neben der historischen Weiherschleife ein Edelsteinschürfplatz<br />
eingerichtet. Hier können Kinder, Jugendliche<br />
<strong>und</strong> Erwachsene mit Schaufel <strong>und</strong> großen Sieben nach Mineralien<br />
schürfen. Anschließend wird eine Edelsteingeode mit einem<br />
Steinbrecher mittig aufgebrochen <strong>und</strong> die Schönheit der Druse oder<br />
Mandel sichtbar. Alle auf dem Schürfplatz gef<strong>und</strong>enen Stücke <strong>und</strong><br />
die zerteilte Geode darf der „Schürfer“ behalten. An großen handgetriebenen<br />
Sandstein-Schleifrädern kann dann der letzte Schliff an den<br />
Edelstein vorgenommen werden. Ein altes Polierrad kann ebenfalls<br />
benutzt werden.<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Informatives <strong>und</strong> Kontakt<br />
Vom Bahnhof aus ist die Weiherschleife<br />
mit Stadtbussen erreichbar. Die Weiherschleife<br />
ist behindertengerecht ausgebaut.<br />
Parkplätze für Busse <strong>und</strong> Pkw<br />
stehen ausreichend zur Verfügung. Eine<br />
vorherige Anmeldung für Gruppen ab<br />
20 Personen ist zweckmäßig. Weitere<br />
Auskünfte sind bei der Betriebsverwaltung<br />
der Weiherschleife erhältlich.<br />
Öffnungszeiten: 15.03. - 15.11. täglich<br />
von 10.00 - 18.00 Uhr.<br />
Führungen: 10.00 - 12.00 Uhr/<br />
12.30 - 14.30 Uhr <strong>und</strong> 15.00 - 17.00 Uhr<br />
Historische Weiherschleife<br />
Tiefensteiner Straße 87<br />
55743 Idar-Oberstein<br />
Tel.: +40(0)6781/901918<br />
<strong>und</strong> +49(0)6781/31513<br />
E-Mail:<br />
edelsteinminen-idar-oberstein@t-online.de<br />
Homepage:<br />
www.edelsteinminen-idar-oberstein.de<br />
53
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Wie vor 100 Jahren<br />
Die Bandweberei Kafka – ein Relikt aus<br />
längst vergangener Zeit<br />
Schauen wir zurück, zurück ins vorige Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> in die Szene<br />
der Bandwirkerei im Bergischen Land. Im Tal der Wupper sowie<br />
den Nebentälern hatte sich die Herstellung von Textilien <strong>und</strong> Bändern<br />
zu einem industriellen Schwerpunkt konzentriert. Wuppertal,<br />
Lennep, Lüttringhausen, Ronsdorf waren Tuch- <strong>und</strong> Bandwirkerstädte<br />
ersten Ranges. Zuerst war die Bandweberei eine rein private<br />
Arbeit als Nebenerwerb zur Landwirtschaft. Fast jede Familie hatte<br />
in der Wohnküche einen Webstuhl, auf dem in Handarbeit, erstlinig<br />
in den Wintermonaten, textile Produkte gewebt wurden. Um 1850<br />
wurden die Webstühle mechanisiert <strong>und</strong> die Produktionsleistung um<br />
ein Vielfaches gesteigert. Ein Weber, der weiterhin tätig <strong>sein</strong> wollte,<br />
musste gewaltig investieren, um z.B. mit Dampfkraft am Fortschritt<br />
weiterhin teilhaben zu können. Das war nur wenigen möglich.<br />
So entstanden im Tal der Wupper die Mietfabriken. Es wurden<br />
Gebäude errichtet, in denen die „Einzelunternehmer“ ihren Bandvon<br />
Helmut Harhaus<br />
Heute findet man hier kaum noch einen Baum. Mit Straßen <strong>und</strong><br />
Bahnlinie wurde das Tal erschlossen. Es reihen sich riesige Industriekomplexe<br />
aneinander – wie die Perlen auf der Schnur. Und inmitten<br />
dieser gigantischen Hallen findet man die Bänderei, die heute<br />
noch wie vor h<strong>und</strong>ert Jahren die Schiffchen flitzen läßt.<br />
Ein Backsteingebäude (Bandfabrik Emil Kikuth), ein altbergisches<br />
Schieferhaus <strong>und</strong> daneben das Fachwerkgebäude der alten Bleicherei<br />
(Bleicherhaus Tönnies) bilden das Ensemble, in dem die Zeit<br />
stehen geblieben ist. Ein paar Stufen führen hinauf zu einer alten<br />
Eisen türe, denn die Wupper trat früher oft über ihre Ufer, deshalb<br />
legte man vorsorglich die erste Etage höher. Hinter dieser Türe<br />
taucht man ein in die Anfangszeiten der Industrialisierung. Das<br />
„Office“ heißt noch „Kontor“, die Treppen sind nicht aus Marmor <strong>und</strong><br />
nicht mit Teppichboden belegt. Die „Empfangshalle“ ist nur ein Flur<br />
von vielleicht 4 Quadratmetern, hier das „Schwarze Brett“ mit den<br />
Infos, wer, was zu tun hat.<br />
... betriebsinternes Intranet ... hier funktioniert es mit Kreide statt mit<br />
Strom! Und das ist seit 1887 so, seit das Haus gebaut wurde.<br />
Für einen Besuch braucht man schon etwas Wagemut, höllisch laut<br />
ist es <strong>und</strong> alles bebt im Hause, einem Erdbeben gleich, wenn die<br />
Bandstühle im Parterre <strong>und</strong> im ersten Stock in Betrieb sind. <strong>Der</strong> alte<br />
Fußboden schwingt <strong>und</strong> schlingert im Takt der Arbeit. Das tut er<br />
nun aber schon über 100 Jahre ...<br />
Wir sind in einem „produzierenden Museum“ oder – treffender<br />
– in einer „musealen Produktion“ – voll ausgelastet <strong>und</strong> betriebswirtschaftlich<br />
profitabel.<br />
Einst stand hier ein dichter Wald, urwaldähnlich <strong>und</strong> nahezu<br />
<strong>und</strong>urchdringlich. Das enge Tal der Wupper war abgelegen,<br />
die damaligen Handelswege führten durch einfacher begehbares,<br />
befahrbares Terrain. Doch die wachsende Industrialisierung<br />
brauchte im 18./19. Jahrh<strong>und</strong>ert Energie, viel Energie. So rückte<br />
man in die Täler vor, der Wasserkraft der Wupper folgend. Eng an<br />
den Felswänden wurden die ersten Kotten errichtet, das Wasser<br />
der Wupper gestaut <strong>und</strong> so die Kraft über unzählige Wasserräder<br />
genutzt. Ob Metallverarbeitung, also <strong>Schmied</strong>en <strong>und</strong> Schleifereien,<br />
oder die Textilindustrie, beide siedelten sich im Wupper-Tal an. Und<br />
das, obwohl meistens die Produkte nur zu Fuß heran <strong>und</strong> weggebracht<br />
werden konnten – so eng <strong>und</strong> schlecht war das Wegenetz im<br />
Tal. Umso ergiebiger jedoch war die nutzbare Wasserkraft.<br />
Wie es begann<br />
54
stuhl aufstellen konnten <strong>und</strong> in denen über eine zentrale Energieversorgung<br />
über Transmissionen die Stühle angetrieben wurden. Viele<br />
Einzelweber fanden sich so zu „Genossenschaften“ zusammen. Sie<br />
konnten ihre Selbständigkeit behalten, konnten größere Bandstühle<br />
aufstellen als bislang in den Räumen der Wohnung <strong>und</strong> diese mit<br />
mechanischem Antrieb betreiben.<br />
Es war damals jedoch nicht anders als heute. Das Bessere ist des<br />
Guten Feind. Die Industrialisierung revolutionierte den Markt ebenso<br />
heftig <strong>und</strong> schnell, wie es heute die Globalisierung tut. Die Mietfabriken<br />
wurden auch schnell „zum alten Eisen“. Die umständliche<br />
Energieversorgung mittels Transmissionen wurde bald vom Elektromotor<br />
abgelöst. Die Bandstühle wurden größer <strong>und</strong> schneller<br />
– das ließ sich in den Mietfabriken nicht so schnell nachvollziehen,<br />
wie ein Handeln nötig gewesen wäre. Erschwerend kam hier hinzu,<br />
dass man sich im Wuppertal sehr auf Massenware spezialisiert hatte.<br />
Es gab sehr viele, sehr ähnliche Produkte, die einfach austauschbar<br />
waren. Damit wurde die Konkurrenzsituation immer schwieriger.<br />
Ergo, auch das System der Mietfabriken war recht bald am Ende der<br />
wirtschaftlichen Rentabilität. Die Mieter, die als Einzelunternehmer<br />
tätig waren, gaben auf.<br />
Die Bänderei Kafka entstand<br />
Die Firma Mardey hat dann sukzessive die Bandstühle übernommen<br />
<strong>und</strong> in eigener Regie weiterhin betrieben. Aber auch in dieser Form<br />
war dem Betrieb nicht viel Erfolg beschieden, denn man produzierte<br />
weiterhin „Massenware“: Etiketten für Kleidung, für Schuhe usw.<br />
Diese Ware war bald sehr viel schneller <strong>und</strong> damit sehr viel billiger<br />
auf den modernen Webautomaten herstellbar. Die Automaten schaffen<br />
das 100fache, was der klassische Webstuhl produzieren kann!<br />
So wurde in der Beyeroehde 14 (wo der Betrieb r<strong>und</strong> h<strong>und</strong>ert Jahre<br />
ansässig war) zwar immer produziert – aber eigentlich nie so viel<br />
erwirtschaftet, um gr<strong>und</strong>legend modernisiert <strong>und</strong> dem Stand der<br />
Technik angepasst werden zu können. Ein Dilemma, aus dem man<br />
sich knapp 100 Jahre nicht befreien konnte – ein Glücksfall aus heutiger<br />
Sicht! 1990 wurde der Mardey-Betrieb geschlossen.<br />
Am 1.7.1991 übernahm Frau Kafka den Betrieb im Zustand, wie zum<br />
Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Frau Kafka kam aus der Branche, hatte<br />
nicht nur das Wissen um die Bandweberei, sondern auch eine Vision.<br />
Ihre Pläne lösten in der Branche nur Mitleid <strong>und</strong> Kopfschütteln<br />
aus – sie wollte beweisen, was eigentlich unmöglich <strong>sein</strong> müsste: den<br />
profitablen Betrieb auf 100 Jahre alten Maschinen. Ihre Idee war<br />
einfach <strong>und</strong> genial: Weg von der üblichen Massenware, nur noch das<br />
produzieren, was heute auf den modernen Maschinen nicht mehr<br />
möglich ist!<br />
Dinge machen, die andere nicht mehr können<br />
Die heutigen Webautomaten sind zwar 100 bis 400fach schneller<br />
<strong>und</strong>, besonders wenn sie im Ausland stehen, unschlagbar in Preis<br />
<strong>und</strong> Masse. Auf ihnen lassen sich aber auch nur Massenartikel fertigen!<br />
Aufwändige Muster oder zum Beispiel Bänder mit hervorstehenden<br />
Ösen, sind auf den Webautomaten nicht mehr herstellbar.<br />
Die Steigerung der Produktionsgeschwindigkeit ging auf Kosten<br />
der Vielfalt. Und darauf hat sich Frau Kafka besonnen!<br />
Im Haus standen noch 25 Webstühle, funktionsfähig <strong>und</strong> in Betrieb.<br />
Auf ihnen wurden – wie vor 100 Jahren – in liebevoller handwerklicher<br />
Arbeit die Bänder in hochwertiger Ausführung gewebt. Man<br />
hat die alten, klassischen Muster wieder aufgelegt. Die schmuckvollen<br />
Bänder mit Vergißmeinicht, Maiglöckchen oder Rose gehören<br />
ebenso zur Produkt-Palette wie Bänder mit Namen <strong>und</strong> Schriften.<br />
Diese Designs sind aber nicht, wie bei fast allen preiswerten Bändern<br />
aus heutiger Massenproduktion, aufgedruckt, nein, die Muster<br />
sind aus bis zu 7 Farben eingewebt. Weit über 400 Artikel sind<br />
derzeit im Angebot – <strong>und</strong> es werden immer mehr. Die Liebhaber<br />
dieser edlen Bänder finden sich inzwischen über den ganzen Erdball<br />
verteilt. Besonders in Japan schätzt man diese für Applikationen<br />
auf hochwertiger Damen-Oberbekleidung. Aber auch für Taschen,<br />
Kissen sind die strapazierfähigen, gewebten Bänder gefragt.<br />
Die Designs werden auch heute noch in traditioneller Art <strong>und</strong><br />
Weise entworfen <strong>und</strong> für die Produktion vorbereitet. Zum Mitarbeiter-Team,<br />
das derzeit 5 Fachleute umfasst, gehören die<br />
56
alten, traditionellen Berufsbilder: <strong>Der</strong>/die<br />
Musterzeichner(in) entwirft mit Blei- <strong>und</strong><br />
Buntstift das Design. Dieses wird von<br />
der Patro<strong>neu</strong>rin auf ein Raster übertragen<br />
<strong>und</strong> so der Fadenlauf für jeden Webschlag<br />
festgelegt. Ist dieser Vorgang abgeschlossen,<br />
kann die Muster karte geschlagen<br />
werden. Auf den alten Originalmaschinen<br />
wird eine Lochkarte ge stanzt <strong>und</strong> auf der<br />
alten Karten-Nähmaschine zum Endlosband<br />
zusammengesetzt. Das wird alles<br />
gänzlich ohne Computer-Unterstützung<br />
gefertigt. Die Jacquard-Karte kann nun auf<br />
den Webstühlen eingesetzt werden, das<br />
Lochmuster der Karte steuert die Mechanik<br />
der Webstühle.<br />
Die Webstühle sind alle nach dem System<br />
von Joseph Maria Jacquard (1752 - 1834) gebaut.<br />
Das Arbeiten mit dem Jacquard-Stuhl<br />
war <strong>sein</strong>erzeit die „Königsdisziplin“ in der<br />
Webtechnik. <strong>Der</strong> Franzose, der in einer<br />
Weberei groß geworden war, hatte mit<br />
<strong>sein</strong>er Erfindung die Webtechnik <strong>und</strong> den<br />
Webstuhlbau gr<strong>und</strong>legend revolutioniert.<br />
Seine Erfindung war so bahnbrechend, dass<br />
im Jahre 1834, <strong>sein</strong>em Todesjahr, schon<br />
30.000 Maschinen nach <strong>sein</strong>em System in<br />
Betrieb waren! Alle Webstühle in der Kafkaschen<br />
Bänderei arbeiten auch nach diesem<br />
Prinzip. Das bedeutet natürlich, dass es<br />
auch noch Mitarbeiter – vom Musterzeichner,<br />
über Patro<strong>neu</strong>r, Kartenschläger bis zum<br />
Weber – geben muss, die dieses komplizierte<br />
Verfahren kennen <strong>und</strong> beherrschen! Außerdem<br />
sind die rein mechanischen Webstühle<br />
natürlich dem normalen Verschleiß ausgesetzt<br />
<strong>und</strong> müssen von Webstuhlschreinern<br />
gewartet werden. Diese Berufsbilder sind<br />
rar, fast ausgestorben. In Wuppertal gibt<br />
es nur noch wenige Betriebe, die dieses<br />
Können <strong>und</strong> Wissen vermitteln, pflegen <strong>und</strong><br />
nutzen.<br />
Ein denkwürdiges Denkmal<br />
Aus diesem Gr<strong>und</strong>e wurde der Betrieb auch<br />
als „Denkmal“ eingestuft. Kein Geringerer<br />
als Wolfgang Clement stellte die<br />
Urk<strong>und</strong>e aus <strong>und</strong> dokumentierte somit die<br />
Wichtigkeit dieses letzten Dinos der Weber-Zunft,<br />
das üb<strong>erlebt</strong> hat. <strong>und</strong> das ist dem<br />
Wagemut <strong>und</strong> der „verrückten“ Idee Frau<br />
57
Kafkas zu verdanken. Ihr Interesse galt den Bändern, den schönen,<br />
hochwertigen Webartikeln – nicht der musealen Aufgabe. So ist dieser<br />
Betrieb nur ganz nebensächlich ein „Museum“ – aber vor allem ein<br />
aktiver <strong>Handwerk</strong>sbetrieb, der sich <strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Mitarbeiter ernähren<br />
kann, dem es inzwischen kaum noch gelingt, so viel zu produzieren,<br />
wie die K<strong>und</strong>schaft gerne hätte!<br />
Verschiedene Gründe machten einen Umzug in 2010 notwendig.<br />
<strong>Der</strong> alte Betrieb wurde „eingepackt“: alle Webstühle wurden zerlegt<br />
<strong>und</strong> zum <strong>neu</strong>en Standort transportiert. Stück für Stück wieder aufgestellt<br />
<strong>und</strong> in Betrieb genommen. Das Haus an der Öhder Straße<br />
war schon 1887 für die Weberei Kikuth gebaut worden. Einige Jahre<br />
hatte ein Dachdeckerbetrieb hier ein Lager. Doch nun rumpeln<br />
hier wieder die Webstühle – laut <strong>und</strong> mächtig – wie einst im ganzen<br />
Wuppertal. Mit dem Umzug hat sich Frau Kafka zur Ruhe gesetzt<br />
<strong>und</strong> sich auf eine beratende Tätigkeit reduziert. Mit Christine Niehage<br />
konnte eine Geschäftsführerin gewonnen werden, die ebenfalls<br />
aus der Branche stammt <strong>und</strong> mit gleichem Elan die Bänderei Kafka<br />
weiterführt. Hier werden noch lange die Fäden verwebt!<br />
Die Produktion läuft hier an 5 Tagen der Woche mit 40 Wochenst<strong>und</strong>en.<br />
Am zweiten Samstag im Monat ist das Haus von 10 bis 16<br />
Uhr für Besucher geöffnet – dann wird die Bänderei zum „produzierenden<br />
Museum“. Dort können Besucher sehen <strong>und</strong> erleben, wie<br />
die alten Schiffchen in endloser Folge hin <strong>und</strong> her flitzen <strong>und</strong> der<br />
Webstuhl im Takt der Jacquard-Steuerung <strong>sein</strong>e Arbeit verrichtet<br />
<strong>und</strong> dabei r<strong>und</strong> 75 cm Band pro St<strong>und</strong>e ausspuckt!<br />
Für das Lernen <strong>und</strong> den Verkauf<br />
Im Nebenhaus, dem typisch bergischen, verschieferten Fachwerkgebäude,<br />
werden in einem geschmackvoll <strong>und</strong> stilecht gestalteten<br />
Verkaufsraum die Produkte ausgestellt <strong>und</strong> angeboten. Auch viele<br />
tolle Dinge, die man aus den Bändern machen kann, sind hier zu sehen.<br />
Frau Niehage zeigt hier, was man auf den alten Jacquard-Stühle<br />
an schönen Dingen machen kann. Mehrfach pro Monat werden<br />
Workshops angeboten, in denen interessierte Hobby-Schneiderinnen<br />
den Einsatz <strong>und</strong> die Verarbeitung der Bänder erlernen können –<br />
natürlich urgemütlich bei Kaffee <strong>und</strong> Kuchen! In diesen Workshops<br />
zeigt die Truppe um Frau Niehage wie <strong>und</strong> was man mit Bändern<br />
machen kann: vom Kirschkernsäckchen bis zum Hochzeitskleid – es<br />
gibt nichts, was durch ein traditionell gewebtes Band nicht aufgewertet<br />
werden könnte!<br />
Man staunt nicht schlecht, wenn man sieht, was in der heutigen Zeit<br />
unmöglich <strong>sein</strong> müsste: Die Produktion auf 100 Jahre alten Maschinen!<br />
Man erkennt praktisch, was „Bandwirkerei“ war <strong>und</strong> ist. Die<br />
w<strong>und</strong>erschönen Bänder, Etiketten, gewebten Bildchen machen die<br />
Auswahl schwer! Für den, der’s nicht <strong>erlebt</strong> hat, nur schwer vorstellbar,<br />
wie diese Muster <strong>und</strong> Designs gefertigt worden sind.<br />
Fotos: Helmut Harhaus<br />
Kontakt<br />
Firma<br />
Bänderei Kafka<br />
Geschäftsführerin: Christine Niehage<br />
Oehde Straße 47 <strong>und</strong> 49<br />
42289 Wuppertal<br />
Tel.: +49(0)202 602744<br />
Fax.: +49(0)202 6084703<br />
E-Mail: kontakt@baenderei-kafka.de<br />
Internet: www.baenderei-kafka.de<br />
58
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Historische<br />
Senfmühle Cochem<br />
von Udo Mannek<br />
Direkt neben der Moselbrücke in Cochem-Cond liegt die<br />
historische Senfmühle Anno 1810. Sie zählt zu den ältesten<br />
Senfmühlen Europas. Hier <strong>und</strong> in einer weiteren Senfmühle<br />
in Köln stellt Senfmüller Wolfgang Steffens nach ausgesuchten<br />
<strong>und</strong> historischen Rezepturen <strong>und</strong> Verfahren herausragende Gourmet-Senfsorten<br />
her. Wir durften bei der Senfherstellung nach alter<br />
Tradition zuschauen.<br />
Geschichte der historischen Senfmühlen<br />
in Cochem <strong>und</strong> Köln<br />
Die Geschichte der beiden Senfmühlen in Cochem <strong>und</strong> Köln<br />
reicht zurück bis ins 18. Jahrh<strong>und</strong>ert. Die ehemaligen Standorte der<br />
Mühlen sind heute leider nicht mehr bekannt. Im Jahre 1931 wurden<br />
die Mühlen erstmalig in Belgien restauriert <strong>und</strong> betrieben. Später<br />
wurden sie nach Holland verkauft <strong>und</strong> bis 1993 in Betrieb gehalten.<br />
Senfmüller Wolfgang Steffens konnte diese technischen Denkmäler<br />
1997 erwerben. Beide Mühlen befanden sich in einem sehr schlechten<br />
Zustand. Viel Zeit <strong>und</strong> Mühe kostete die gründliche Restaurierung<br />
<strong>und</strong> technische Generalüberholung einer der beiden Senfmühlen.<br />
Am 1. April 1999 startete Senfmüller Steffens mit <strong>sein</strong>er ersten restaurierten<br />
Mühle in Birgel/Vulkaneifel als Einzelunternehmer. Seit dem<br />
1. Mai 2001 hat die Senfmühle ihren Standort in Cochem-Cond.<br />
Nach der Restauration der zweiten historischen Senfmühle erfolgte<br />
die Inbetriebnahme im Jahre 2009 in Köln am Holzmarkt gegenüber<br />
dem Schokoladenmuseum.<br />
Als Gr<strong>und</strong>lage für den feinsten kalt gemahlenen Gourmet-Senf der in<br />
den beiden alten Senfmühlen hergestellt wird, dienen zwei Originalrezepte.<br />
Eins stammt aus dem 15. Jahrh<strong>und</strong>ert; das andere aus dem<br />
Jahre 1820 – beide sind ein absolutes Betriebsgeheimnis. <strong>Der</strong> Senf<br />
wird so hergestellt, wie dies dem Baujahr der Senfmühlen entspricht.<br />
59
Wolfgang Steffens ist in der Koblenzer <strong>Handwerk</strong>srolle als Senfmüller<br />
eingetragen. Sein Motto „Klasse statt Masse“ steht für Erfolg.<br />
So wurde er für <strong>sein</strong>e Spitzenqualität von der DLG bereits mit fünf<br />
Goldenen <strong>und</strong> einer Silbernen Medaille ausgezeichnet.<br />
Herstellung<br />
Die Tagesproduktion der Originalsenfmühle in Cochem beträgt<br />
lediglich 180 kg. Das ist vergleichsweise wenig, denn in einer mo dernen<br />
Industrieanlage werden bis zu 130 Tonnen täglich produziert.<br />
Für das Kaltmahlverfahren dreht sich der 525 kg schwere Läuferstein<br />
bestehend aus schwarzem Basaltlavastein auf dem unteren ruhenden<br />
Bodenstein. <strong>Der</strong> schwarze Basalt speichert keine Hitze <strong>und</strong> ist sehr<br />
hart. Bis 1964 wurde in Mendig in der Vulkaneifel Basalt abgebaut.<br />
Als Baumaterial fand dieser Stein in den F<strong>und</strong>amenten des Kölner<br />
Doms Verwendung. <strong>Der</strong> Mühlstein in der Cochemer Senfmühle<br />
wird noch gut <strong>und</strong> gerne 180 Jahre halten.<br />
Für die Herstellung der unterschiedlichen Senfsorten verwendet<br />
Wolfgang Steffens gelbe <strong>und</strong> braune Senfsaat. Die braune ist kleiner<br />
aber auch doppelt so scharf wie die gelbe Senfsaat. In Deutschland<br />
ist der gelbe Ackersenf verbreitet, dessen Korn bei geringerem<br />
Öl anteil etwas größer als <strong>sein</strong> kanadischer Verwandter ist. Wegen<br />
diesem höheren Ölanteil wird ausschließlich kanadische Senfsaat<br />
verarbeitet. Die Senfpflanze hat übrigens Ähnlichkeit mit Raps.<br />
Blüte <strong>und</strong> Wuchshöhe sind gleich. Es gibt jedoch Unterscheidungsmerkmale<br />
die an den Blättern deutlich zu erkennen sind. Senf<br />
hat zackige Blätter, Raps dagegen lange schmale <strong>und</strong> ungezackte<br />
Blätter.<br />
Die Senfsaat wird nach der Ernte mit Hilfe eines Luftstroms von<br />
Staub <strong>und</strong> Spelzen getrennt, gebürstet <strong>und</strong> über Zackenwalzen<br />
zerrissen. Dabei trennt sich die Schale ab. Übrig bleibt der ölhaltige<br />
Senfschrot. <strong>Der</strong> Senfschrot wird nun in einem Maischebottich eingemaischt.<br />
Senfmüller Steffens verzichtet auf Aroma- oder Farbstoffe.<br />
Geschmacksverstärker <strong>und</strong> Schwefeldioxyd kommen genau so wenig<br />
in <strong>sein</strong>en Senf. Nach der Zugabe von 11 verschiedenen Gewürzen<br />
wird 3 St<strong>und</strong>en umgerührt. Danach darf der Senf 24 St<strong>und</strong>en ruhen.<br />
Jetzt wird die Maische zwischen die Mühlsteine gepumpt. Durch<br />
Absenken des oberen Mühlsteins kann der Mahldruck eingestellt<br />
werden. Je größer der Druck umso fester wird der Senf. Beim<br />
Mahlvorgang werden auch die ätherischen Öle freigesetzt, die den<br />
Senf über 2 Jahre haltbar machen. Industriell hergestellter Senf wird<br />
mit Kor<strong>und</strong>scheibenmaschinen gemahlen. Jedoch wird der Senf<br />
wegen der schnelllaufenden Kor<strong>und</strong>scheiben über 65 Grad heiß <strong>und</strong><br />
die wertvollen ätherischen Öle verbrennen. <strong>Der</strong> wertvolle Gehalt des<br />
Senfkorns bleibt beim Kaltmahlverfahren mit allen ätherischen Ölen<br />
<strong>und</strong> natürlichen Inhaltsstoffen vollwertig erhalten.<br />
Schon die Römer verwendeten aus zwei Tonmischungen hergestellte<br />
salzglasierte Steintöpfchen. Da die Luft in dem porösen Material<br />
zirkulieren kann, bleibt der Topf immer kühl. Auch in den originalen<br />
salzglasierten Steinguttöpfen der Senfmühle Cochem hat der Senf<br />
eine Haltbarkeit von bis zu zwei Jahren. Die Töpfe können auf<br />
dem Küchenregal aufbewahrt werden <strong>und</strong> müssen nicht in einem<br />
Kühlschrank gelagert werden.<br />
Früher gab es Senf nur flüssiger Form. Dieser wurde in Kannen<br />
aufbewahrt. Da der Senf damals mit Most hergestellt wurde, erhielt<br />
60
er Alkohol. Kinder die man zum Senf holen schickte, wollte man in<br />
guter Absicht vom Alkoholgenuss fernhalten <strong>und</strong> schreckte sie mit<br />
der Lüge „Senf macht dumm“ vor der Versuchung ab.<br />
Neun Senfsorten<br />
Die Senfmühle in Cochem stellt <strong>neu</strong>n verschiedene Senfsorten her:<br />
<strong>Der</strong> historische Senf ist der Klassiker <strong>und</strong> nach einem Originalrezept<br />
aus dem Jahre 1820 hergestellt. <strong>Der</strong> <strong>neu</strong>trale mittelscharfe Senf ist<br />
für alle Speisen nutzbar. Kölner Mostert ist ein sehr aromatischer<br />
Senf der mit Kölschbier (Gaffel Kölsch) hergestellt wird <strong>und</strong> gut zu<br />
Blutwurst oder den Kölner Spezialitäten wie „Halven Hahn“ <strong>und</strong><br />
„Himmel un Äd“ passt. <strong>Der</strong> Mühlensenf nach einem Rezept aus dem<br />
Jahr 1520 ist ein süßlicher Senf der wie bei den Mönchen im Mittelalter<br />
mit Wein hergestellt wird. Dieser Senf schmeckt weihnachtlich<br />
<strong>und</strong> ist zum Verfeinern von Wildgerichten empfehlenswert. Als<br />
weitere Senfsorten sind in der Senfmühle mittelscharfer Knobisenf,<br />
Bärlauchsenf, Wabensenf mit einem 30%igen Honiganteil, mittelscharfer<br />
Indisch Curry Senf, ferner der Rieslingsenf Cochem,<br />
hergestellt mit einem halbtrockenen Rieslingwein <strong>und</strong> der sehr<br />
scharfe Cayenne-Senf zu haben. Alle erhältlichen Senfsorten können<br />
kostenlos probiert werden. Ebenso sind einige Senfnebenprodukte<br />
wie Senfschnaps, Likör, Printen <strong>und</strong> Suppe käuflich zu erwerben.<br />
Spitzenköche der Sternegastronomie verwenden den Senf aus der<br />
Cochemer Senfmühle.<br />
Eigenschaften des Senfes -<br />
Ges<strong>und</strong>heitliche Aspekte<br />
Senf wirkt appetitanregend <strong>und</strong> verdauungsfördernd. Fette Speisen<br />
werden durch Senf verdaulicher. Teilentöltes Senfmehl nutzte man<br />
früher für Senfbäder <strong>und</strong> Senfwickel bei Erkältungen <strong>und</strong> Bronchitis.<br />
Für eine Darmkur eignet sich Braunsenfsaat. Viele ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Eigenschaften sagt man dem Senf nach. So soll kaltgemahlener<br />
Senf die Herzkranzgefäße erweitern <strong>und</strong> Herzinfarkten vorbeugen.<br />
Senf gilt als cholesterin- <strong>und</strong> blutdruckregulierend. Außerdem<br />
hemmt Senf das Wachstum <strong>und</strong> die Vermehrung von Bakterien.<br />
Nur 5 Gramm reichen für den Tagesbedarf eines Menschen aus.<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Kontakt<br />
Historische Senfmühle Anno 1810<br />
Wolfgang Steffens GmbH<br />
Stadionstraße 1<br />
56812 Cochem-Cond<br />
www.senfmuehle.net<br />
Öffnungszeiten:<br />
Mo. - So. von 10.00 bis 18.00 Uhr<br />
Kostenlose Senfprobe <strong>und</strong> Verkauf<br />
Täglich Führungen; Dauer: 0,5 St<strong>und</strong>en<br />
Historische Senfmühle Köln<br />
Kölner Senfmuseum<br />
Holzmarkt 79 - 83<br />
50676 Köln<br />
www.senfmuehle-koeln.de<br />
Täglich geöffnet; täglich 6 Führungen;<br />
geöffnet 10.00 Uhr - 18.00 Uhr<br />
61
Damals<br />
Das deutsche <strong>Handwerk</strong><br />
<strong>sein</strong>e Anfänge, <strong>sein</strong>e Entwicklung<br />
<strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Organisation<br />
von Christian Schwarzer<br />
Das deutsche <strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong> <strong>sein</strong>e Organisation genießen<br />
auch heute noch in der ganzen Welt einen besonderen Ruf.<br />
<strong>Der</strong> Begriff „Meister“ ist zu einem Synonym für Könner,<br />
Beherrscher <strong>sein</strong>es <strong>Handwerk</strong>s <strong>und</strong> für Zuverlässigkeit geworden.<br />
Er steht für eine gründliche Ausbildung im praktischen Können<br />
sowie im theoretischen Wissen <strong>sein</strong>es Berufes. Nachgewiesen durch<br />
eine vorgeschriebene Lehrzeit bei einem anderen Meister, Besuch<br />
einer berufsbildenden Schule während der gesamten Lehrzeit <strong>und</strong><br />
Vertiefung <strong>sein</strong>es Wissens während der Vorbereitungszeit zur<br />
Meisterprüfung. Diese Entwicklung des <strong>Handwerk</strong>s <strong>und</strong> <strong>sein</strong>er Organisationsformen<br />
fand in einem Jahrh<strong>und</strong>erte währenden Prozess<br />
statt <strong>und</strong> hinterließ im deutschen Brauchtum <strong>und</strong> in der deutschen<br />
Sprache tiefe Spuren.<br />
Die Anfänge des deutschen <strong>Handwerk</strong>s<br />
Die Wurzeln des berufsmäßigen <strong>Handwerk</strong>s liegen im Hausgewerbe.<br />
Was unsere Urväter zur Wohnung, Nahrung <strong>und</strong> Kleidung<br />
benötigten, was ihnen zum Schutz <strong>und</strong> zur Verteidigung diente,<br />
wurde fast ausnahmslos im eigenen Haus hergestellt. <strong>Der</strong> Hausvater<br />
zimmerte mit <strong>sein</strong>en Knechten das Blockhaus samt dem Hausrat,<br />
die Frauen drehten die Spindel, webten das Garn <strong>und</strong> nähten die<br />
62
auch die Kerzen zogen), Winzer (waren auch Küfer), Schiffer, Jäger,<br />
Fischer <strong>und</strong> Köche.<br />
Während man früher annahm, dass in Deutschland bis ins 10.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert fast der gesamte Bedarf an gewerblichen Artikeln durch<br />
Hauswirtschaft <strong>und</strong> durch Hörige auf Fronhöfen <strong>und</strong> in Klöstern<br />
erzeugt wurde, wissen wir heute, dass es bereits im frühesten Mittelalter<br />
berufsmäßige, selbstständige <strong>Handwerk</strong>er gab. Man glaubt<br />
heute, dass schon unmittelbar nach der Völkerwanderungszeit, im<br />
6. bis 8. Jahrh<strong>und</strong>ert, nachdem sich die deutschen Stämme in den<br />
ehemaligen römischen Provinzen dauernd niedergelassen hatten,<br />
eine gewerblich reine Eigenwirtschaft nicht mehr bestand <strong>und</strong> der<br />
Bedarf zum großen Teil auf dem Markt gedeckt werden musste.<br />
Fürsten, Gr<strong>und</strong>herren, Bischöfe <strong>und</strong> Äbte zogen zum Bau <strong>und</strong><br />
zur Ausstattung der Pfalzen, Fronhöfe, Kirchen <strong>und</strong> Klöster, zur<br />
Ausrüstung des Heeres <strong>und</strong> zur Befriedigung des Bedürfnisses<br />
nach Luxusgegenständen vielfach berufsmäßige <strong>Handwerk</strong>er von<br />
auswärts heran. Diese waren oft nur auf bestimmte Zeit gemietete<br />
Wanderhandwerker. Sie kamen zum Teil aus den wieder aufblühenden<br />
ehemaligen Römerstädten, in denen Gewerbe <strong>und</strong> Handel<br />
niemals ganz erloschen waren. Außerdem kamen sie aus Italien<br />
<strong>und</strong> Gallien. Die Fortdauer des römischen <strong>Handwerk</strong>s <strong>und</strong> dessen<br />
Weiterführung durch freie deutsche <strong>Handwerk</strong>er ist erwiesen für das<br />
Metall-, Ziegel-, Töpfer-, Glaser- <strong>und</strong> Böttchergewerbe in Rhein-,<br />
Main- <strong>und</strong> Donauländern.<br />
Das bürgerliche <strong>Handwerk</strong> im Mittelalter<br />
Kleider. Die Knechte <strong>und</strong> Mägde mahlten auf der Handmühle das<br />
Korn. Sie backten Brot <strong>und</strong> brauten Bier. Nur das Schneidergewerbe,<br />
das schon in vorgeschichtlicher Zeit als Wandergewerbe entstanden<br />
war, entwickelte sich sehr frühzeitig zu einem eigenen Gewerbe.<br />
Feinere Gewebe, Töpfer-, Metall- <strong>und</strong> Schmuckwaren wurden schon<br />
vor Beginn unserer Zeitrechnung größtenteils im Tauschverkehr von<br />
den benachbarten Kelten <strong>und</strong> Römern erworben.<br />
Eine reiche Entfaltung des Gewerbelebens finden wir in den<br />
Römerstädten südlich der Donau (Regensburg, Passau, Augsburg,<br />
Kempten) <strong>und</strong> am Rhein (Köln, Mainz, Worms). In der Zeit der<br />
Völkerwanderung ging das Römische Reich unter <strong>und</strong> mit ihm versank<br />
das Kulturleben in den Städten. Aber die erhaltenen <strong>und</strong> wieder<br />
aufgebauten Römersiedlungen wurden mit den Resten der alten<br />
Bevölkerung zu Ansatz- <strong>und</strong> Ausgangspunkten für die Entwicklung<br />
eines deutschen Gewerbelebens.<br />
In geringerem Umfang finden wir auf den Gutshöfen der Fürsten<br />
<strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>herren gewerbliche Betriebe, betrieben durch unfreie<br />
<strong>Handwerk</strong>er, die zunächst nur für ihre Herren, nicht für den Markt<br />
arbeiteten. Auch die immer mehr in Abhängigkeit geratenen Bauern<br />
mussten an die Gr<strong>und</strong>herrschaft gewerbliche Erzeugnisse, zum<br />
Beispiel Tuch, als Abgabe entrichten. Die einheimische Landwirtschaft<br />
erzeugte in der Nebenbeschäftigung große Mengen<br />
Leinen- <strong>und</strong> Wollstoff, dessen Überschuss in den Handel kam.<br />
Pflegestätten des frühmittelalterlichen <strong>Handwerk</strong>s waren auch die<br />
Klosterhöfe. Auf einem Gr<strong>und</strong>riss des Klosters St. Gallen (Bild 1)<br />
finden wir einen besonderen Häuserblock mit Werkstätten für Gerber,<br />
Lederarbeiter, Sattler, Drechsler, Schwertfeger (Schleifer von<br />
Schwertern <strong>und</strong> Messern), Schildmacher, <strong>Schmied</strong>e <strong>und</strong> Tuchwalker<br />
(sie reinigten Kleidungsstücke). Ferner gab es Zeidler (Imker, die<br />
Das Aufblühen des freien <strong>Handwerk</strong>s fällt zusammen mit dem<br />
Aufkommen des deutschen Städtewesens im 10. <strong>und</strong> 11. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Den ersten Anstoß zur Gründung deutscher Städte gaben<br />
die Königshöfe der Merowinger <strong>und</strong> Karolinger, die Bischofs- <strong>und</strong><br />
Grafensitze, manche Klöster <strong>und</strong> die Vororte der alten Gaue. Sie<br />
bildeten die Kernpunkte deutscher Stadt- <strong>und</strong> Marktsiedlungen<br />
<strong>und</strong> damit des heimischen Gewerbes <strong>und</strong> Handels. Solche bis in die<br />
Franken- <strong>und</strong> Agilolfingerzeit (bayrisches Herzogsgeschlecht, 5. - 8.<br />
Jhdt.) zurückreichenden Städte sind im Norden Hamburg, Bremen,<br />
Magdeburg, Quedlinburg, Fulda <strong>und</strong> im Süden Würzburg, Forchheim,<br />
Straubing, Altötting <strong>und</strong> andere.<br />
Die Entstehung der Gilden <strong>und</strong> Zünfte<br />
<strong>Der</strong> Aufstieg der Gewerbe wurde mächtig gefördert durch die<br />
Vereinigung der <strong>Handwerk</strong>er in den Gilden oder Zünften. Diese<br />
setzten sich zur Aufgabe, ihre Arbeits- <strong>und</strong> Absatzgebiete gegen<br />
auswärtige Fachgenossen <strong>und</strong> Händler zu sichern. Alle Personen<br />
desselben Gewerbes verpflichteten sich zu Beachtung der Zunftregeln,<br />
zur gegenseitigen Unterstützung <strong>und</strong> zur Pflege guter Sitten<br />
<strong>und</strong> Geselligkeit. Die ersten dieser <strong>Handwerk</strong>erverbände sind zwar<br />
erst im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert bezeugt, aber ihre Keime gehen schon in<br />
frühe Zeit zurück. Bereits in spätrömischer Zeit bestanden gewerbliche<br />
Organisationen, die sich wohl in den ehemaligen Römerstädten<br />
auf deutschem Boden fortsetzten. Aus dem 6. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
ist in Frankreich die Ordnung der Gewerbe nach Magisterien oder<br />
Ämter belegt, einer Art Aufsichtsbehörde, die die freien Gewerbetreibenden,<br />
wie zum Beispiel die Wollarbeiter <strong>und</strong> die Müller,<br />
beaufsichtigten, um schlechte Leistungen zu verhindern.<br />
Freie Gilden auf deutschem Boden sind schon im 8. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
nachweisbar <strong>und</strong> im Jahre 897 wird in Worms eine jener Transportgenossenschaften<br />
(mlat. societas parafredorum) für den Verkehr<br />
erwähnt, wie sie schon in römischer Zeit bestanden hatten. In Köln<br />
gab es im 11. Jhdt. eine Gilde der Kaufleute.<br />
63
Die hörigen <strong>Handwerk</strong>er der großen Herrenhöfe bildeten „Bruderschaften“<br />
zur Förderung ihrer Interessen <strong>und</strong> zur Pflege der<br />
Geselligkeit <strong>und</strong> des religiösen Lebens. Die „Geselligkeit“ der<br />
<strong>Handwerk</strong>erverbände artete freilich bald in Trinkgelage aus, so dass<br />
Karl der Große in einem Kapitulare (so hießen die Verordnungen<br />
der fränkischen Könige) gegen das malum ebrietatis, das Laster der<br />
Trunksucht, einschritt <strong>und</strong> schließlich die „eidlichen Verschwörungen“<br />
der <strong>Handwerk</strong>er verbot. Auch kirchliche Synoden eiferten<br />
gegen die Unmäßigkeit in den Gildengelagen, an denen auch Frauen<br />
teilnahmen. Sie gestatteten dagegen religiöse <strong>und</strong> „nützliche“ Gilden.<br />
Die Gilden machten also<br />
ihrem Namen alle Ehre,<br />
denn das Wort Gilde<br />
kommt aus dem altsächsischen<br />
geldan (unser<br />
hochdeutsches „gelten“)<br />
im Sinne von „erstatten,<br />
spenden, opfern“, bedeutet<br />
also ursprünglich<br />
soviel wie Opfer, dann<br />
Opferschmaus, gemeinsame<br />
Mahlzeit, endlich<br />
Festversammlung <strong>und</strong><br />
geschlossene Gesellschaft.<br />
Im Sinne einer<br />
Vereinigung der Kaufleute<br />
<strong>und</strong> <strong>Handwerk</strong>er<br />
wurde es nur am Rhein<br />
<strong>und</strong> in Niederdeutschland<br />
gebraucht, während<br />
in Süddeutschland dafür<br />
„Zunft“ geläufig wurde,<br />
welches Wort zuerst im<br />
8. Jahrh<strong>und</strong>ert als Zunft<br />
in der Bedeutung der gesetzmäßigen<br />
Zusammenkunft<br />
der Klostergenossen<br />
für das lateinische<br />
Wort conventus<br />
er scheint <strong>und</strong> später auf<br />
die Hand werksverbände<br />
übertragen wurde. Zunft<br />
ist abgeleitet von ziemen, d. i. „sich schicken“, „angemessen <strong>sein</strong>“,<br />
bedeutet also eigentlich Schicklichkeit, Regel oder Gesetz. Daraus<br />
wurde: eine nach bestimmten Regeln eingerichtete Genossenschaft.<br />
Auch bei den Zunftfesten ging es oft hoch her, weshalb man noch<br />
heute „zünftig“ für ausgelassene Lustbarkeit gebraucht.<br />
Eine ältere bayrisch-österreichische Bezeichnung der Zunft war<br />
„Zeche“, d.i. ursprünglich „Ordnung nacheinander“, „Einrichtung“,<br />
„Gesamtheit von Personen“ die etwas in bestimmter, zeitlicher<br />
Reihenfolge verrichten (zum Beispiel die Zechen der Bergleute),<br />
dann Genossenschaft, Vereinigung zu bestimmten Zwecken,<br />
schließlich der Geldbeitrag zu einem gemeinsamen Gelage <strong>und</strong> die<br />
Wirtsrechnung. Jüngere Bezeichnungen der Zünfte sind „Innung“<br />
oder „Einung“ (d.h. Vereinigung, Verbindung zu einer Körperschaft),<br />
Gewerk <strong>und</strong> <strong>Handwerk</strong>.<br />
„Das <strong>Handwerk</strong> grüßen“ sagten die <strong>Handwerk</strong>sburschen, wenn sie<br />
bei einem Zunftgenossen vorsprachen.<br />
Die Organisation <strong>und</strong> die Ordnung der Zünfte<br />
Nach den Zunftordnungen gliedern sich die <strong>Handwerk</strong>e in drei<br />
Stufen: Meister, Geselle <strong>und</strong> Lehrling. <strong>Der</strong> Titel Meister wurde<br />
anfangs nur im Baugewerbe gebraucht. Das Wort ist aus dem<br />
Lateinischen magister entlehnt, d. h. Vorsteher, Lehrer, <strong>und</strong> kam in<br />
<strong>sein</strong>er speziellen Anwendung auf die <strong>Handwerk</strong>sleiter im 7. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
nach Deutschland. Wahrscheinlich mit Baumeistern aus der<br />
Gegend um Como, magistri Comacini genannt, die mit ihren Gehilfen<br />
zur Ausführung von Großbauten ins Ausland berufen wurden.<br />
Als Überbleibsel der altrömischen Zünfte wurden sie zum Vorbild<br />
für die deutschen<br />
Gewerbeverbände.<br />
Ein solcher Meister<br />
lebte mit <strong>sein</strong>en Leuten<br />
unter einem Dach in der<br />
Bauhütte. Seine Gehilfen<br />
waren, wie schon<br />
ihr Name collegantes<br />
= Kollegen sagt, mehr<br />
<strong>sein</strong>e Mitarbeiter als<br />
<strong>sein</strong>e Untergebenen.<br />
Dieses patriarchalische<br />
Verhältnis zwischen<br />
Meister <strong>und</strong> Gehilfe<br />
kommt auch in der<br />
deutschen Bezeichnung<br />
„Geselle“ zum Ausdruck,<br />
die für collegantes verwendet<br />
wird <strong>und</strong> eigentl<br />
ich „Saalgenosse“, d. i.<br />
Hausgenosse bedeutet.<br />
<strong>Der</strong> Titel „Gesell“ wurde<br />
anfänglich nur in den<br />
als vornehm geltenden<br />
Gewerben gebraucht,<br />
während für die Gehilfen<br />
der niederen <strong>Handwerk</strong>er,<br />
zum Beispiel der<br />
Müller, Bäcker, Brauer,<br />
Weber, Schuster <strong>und</strong><br />
<strong>Schmied</strong>e die älteren<br />
Namen „Knecht“ <strong>und</strong><br />
„Knappe“ (Bergknappe) zum Teil bis in die Neuzeit andauerten.<br />
<strong>Der</strong> Lehrling hieß in der älteren Sprache „Lern- oder Lehrkind“<br />
oder auch „Kind, Knabe oder Knecht“. Er stand in „hausherrlicher“<br />
Gewalt <strong>und</strong> Zucht des Lehrherrn, der das Züchtigungsrecht über<br />
ihn besaß. Dieses scheint jedoch des öfteren überschritten worden<br />
zu <strong>sein</strong>. Nach dem Münchener Stadtrecht war der Lehrling im Falle<br />
einer Misshandlung berechtigt, aus der Lehre zu laufen. In dem<br />
„Schwabenspiegel“, einem zwischen 1273 <strong>und</strong> 1283 geschriebenen<br />
Rechtsbuch waren die Merkmale einer Misshandlung <strong>und</strong> ihrer<br />
Folgen auch für den Meister genau festgelegt.<br />
Gewisse Vergünstigungen genossen die Meistersöhne: ein Meistersohn,<br />
der das <strong>Handwerk</strong> von <strong>sein</strong>em Vater gleichsam erbte, hatte<br />
keine bestimmten Gesellenjahre, musste keine Wanderpflicht erfüllen<br />
<strong>und</strong> war sogar vom Meisterstück entb<strong>und</strong>en.<br />
Das Wandern der Gesellen, um sich weiter auszubilden, war anfangs<br />
ein freiwilliger Brauch, wurde aber später durch die Zunftordnung<br />
64
zum Zwang gemacht. Die durch Wandern erworbene gesteigerte<br />
Geschicklichkeit kommt auch in der Sprache zum Ausdruck: wer<br />
durch Wandern viel gelernt hat, ist in <strong>sein</strong>er Sache „bewandert“.<br />
<strong>Der</strong> selbstständige Betrieb eines Gewerbes war durch die Zugehörigkeit<br />
zur Zunft bedingt. Nichtzünftige <strong>Handwerk</strong>er, die nicht<br />
in offener Werkstatt, sondern im geheimen, oft auf dem Dachboden<br />
arbeiteten, wurden rücksichtslos verfolgt, oft sogar mit polizeilicher<br />
Hilfe. Es wurde ihnen „das <strong>Handwerk</strong> gelegt“ d. h. untersagt. Für sie<br />
wurden mancherlei Schimpf- <strong>und</strong> Spottnamen geprägt. Weil sie „ins<br />
<strong>Handwerk</strong> pfuschten“, d.h. ohne „zünftige“ Ausbildung <strong>und</strong> daher<br />
schlechter arbeiteten, hießen sie mitteldeutsch „Pfuscher“ d. h. sie<br />
„huschten“ über die Arbeit ohne sie wirklich zu können. Im norddeutschen<br />
wurden sie „Stümper“ genannt von niederdeutsch „Stump“<br />
oder hochdeutsch „Stumpf“, d. i. verstümmelt, unvollkommen. Schneider,<br />
die heimlich auf dem Dachboden arbeiteten, wurden „Bönhasen“<br />
genannt von „bön“, d. i. der Dachboden, die Bühne des Hauses.<br />
Ansiedlung der <strong>Handwerk</strong>er in den Städten<br />
In den mittelalterlichen Städten (Bild 3) wohnten die <strong>Handwerk</strong>er<br />
eines Gewerbes in der Regel nahe beieinander in einer Gasse, die<br />
nach ihnen ihren Namen erhielt. Gewerbe, die durch ihren lärmenden<br />
Betrieb die Ruhe störten (Schäffler <strong>und</strong> <strong>Schmied</strong>e) oder durch<br />
Rauch <strong>und</strong> üblen Geruch lästig fielen (Gerber, Färber, Kerzengießer<br />
<strong>und</strong> Seifensieder) durften nicht im Innern der Stadt betrieben<br />
werden. Darum findet man Schäffler-, Lederer- <strong>und</strong> Färbergassen<br />
meistens an der Stadtmauer oder sogar vor den Toren der Stadt. Es<br />
konnte allerdings auch ein einziger in einer Gasse ansässiger Betrieb<br />
namensgebend für diese Gasse <strong>sein</strong>.<br />
Abschluss <strong>und</strong> Ausblick<br />
<strong>Handwerk</strong> hat einen goldenen Boden. Es wäre ein Irrtum, aus<br />
diesem alten Sprichwort zu folgern, dass die <strong>Handwerk</strong>er in früherer<br />
Zeit meist wohlhabende Leute gewesen seien. Aus alten Zunftrollen<br />
ersehen wir, dass die <strong>Handwerk</strong>er ihr Gewerbe nur in Ausnahmefällen<br />
mit mehr als einem Gesellen <strong>und</strong> einem Lehrling betrieben,<br />
häufig aber allein oder nur mit einem eigenen Sohn. Manche haben<br />
auch mit ihrer Frau zusammen gearbeitet. Damit waren natürlich<br />
keine Reichtümer zu verdienen. <strong>Der</strong> einfache <strong>Handwerk</strong>smann<br />
musste, zumal in schlechten Zeiten, froh <strong>sein</strong>, am Ort eine sichere<br />
K<strong>und</strong>schaft zu haben. Nicht selten war er gezwungen, auf Vorrat zu<br />
arbeiten <strong>und</strong> für <strong>sein</strong>e Fertigwaren außerhalb der Stadt auf Märkten<br />
Absatz zu suchen. Das Beste, was die alte Zeit mit ihren Zünften<br />
einem <strong>Handwerk</strong>er bieten konnte, war eine bescheidene Existenz,<br />
Sicherung gegen Erwerbslosigkeit <strong>und</strong> gegen Unterdrückung durch<br />
Konkurrenten. Und dieser Schutz der Kollegen untereinander führte<br />
zu immer stärkerer Überwachung, zur Gängelung <strong>und</strong> Bewahrung<br />
alter Verfahren. Die Zünfte verhinderten den Zuzug <strong>neu</strong>er Wettbewerber<br />
<strong>und</strong> die Anwendung <strong>neu</strong>er Verfahren. Sie entwickelten sich<br />
immer mehr zu einer Behinderung der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
<strong>und</strong> wurden nach der französischen Revolution in den von Napoleon<br />
dominierten Gebieten eingeschränkt oder ganz aufgehoben. Spätestens<br />
nach der Reichsgründung im Jahre 1871 wurde die Gewerbefreiheit<br />
im Deutschen Reich überall eingeführt.<br />
Die modernen Nachfolger der Zünfte sind die <strong>Handwerk</strong>erinnungen.<br />
An manchen Orten bestehen Zünfte noch als <strong>Handwerk</strong>ervereinigungen<br />
oder als folkloristische Vereine.<br />
Quellen: G. Rehlen, Geschichte der <strong>Handwerk</strong>e <strong>und</strong> Gewerbe, Leipzig 1856;<br />
Internet: A. Böe, Das <strong>Handwerk</strong> im deutschen Mittelalter, 2011; Wikipedia <strong>und</strong><br />
verschiedene Hinweise.<br />
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65
66<br />
<strong>Handwerk</strong> im Museum
Unser tägliches Brot<br />
Backtag im Freilichtmuseum<br />
von Manuela Mannek<br />
In den Sommermonaten kann man an jedem Mittwoch ab 12.00<br />
Uhr frisch gebackenes Brot aus der eigenen Backstube an der<br />
Museumskasse des Niederrheinischen Freilichtmuseums in<br />
Grefrath/Kreis Viersen kaufen. An allen anderen Tagen erhalten die<br />
Museumsbesucher das Brot aus dem Steinbackofen des örtlichen<br />
Bäckers im Tante-Emma-Laden auf dem Museumsgelände. Ich<br />
wollte wissen wie das Brot entsteht <strong>und</strong> durfte dem Bäcker bei <strong>sein</strong>er<br />
Arbeit im „Backes“ über die Schulter schauen <strong>und</strong> lernen, was „hart<br />
verdientes Brot“ bedeutet.<br />
Wer heutzutage selber Brot backen möchte schaltet den elektrischen<br />
Backofen ein, knetet den Teig mit der Küchenmaschine <strong>und</strong> legt<br />
diesen auf das Blech oder in eine Form, wartet eine St<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />
schon ist das Brot fertig. Oder noch einfacher: man kauft sich einfach<br />
einen Brotbackautomaten.<br />
Früher war das ein wenig anders<br />
Bäcker Schommer vom Museumsverein Dorenburg e.V. gewährte<br />
mir Einblick in die Backstube von damals. Erst einmal muss der<br />
Steinofen mit Holz angeheizt werden. <strong>Der</strong> Anfang ist schnell getan,<br />
aber man muss ständig kontrollieren, ob das Feuer womöglich wegen<br />
Luftmangel wieder ausgegangen ist. Deshalb bleibt der „Schoss“<br />
beim Anheizen immer geöffnet. Das erfordert Aufmerksamkeit <strong>und</strong><br />
Ausdauer. Auch muss immer wieder Holz nachgelegt werden damit<br />
der Ofen die ausreichende Hitze zum Brotbacken entwickeln kann.<br />
Inzwischen werden die rohen Brotlaibe vom örtlichen Bäcker in<br />
Brotkörben am Backhaus angeliefert.<br />
Die Laibe werden auf Regale in der Backstube zum Aufgehen gelegt<br />
<strong>und</strong> abgedeckt. Das Abdecken ist auch nötig, denn der Ofen muss vor<br />
dem Backen wieder sauber gemacht werden. Dabei fliegt die Asche<br />
überall hin <strong>und</strong> es raucht fürchterlich. Dann prüft der Bäcker an den<br />
seitlich von außen eingelassenen Schiefersteinen ob die Backtemperatur<br />
erreicht ist. Um ganz sicher zu <strong>sein</strong>, macht er die Ofentür auf,<br />
hält <strong>sein</strong>en Arm vor die Öffnung <strong>und</strong> betet das „Vater unser“ bis zu<br />
der Stelle „unser tägliches Brot gib uns heute“. Wenn sich dann die<br />
Armhaare von der Hitze kräuseln ist die richtige Temperatur von<br />
250 °C erreicht. <strong>Der</strong> Vorgang des Anheizens kann schon einmal bis zu<br />
2 St<strong>und</strong>en dauern.<br />
67
Jetzt wird die Glut <strong>und</strong> Asche aus dem Ofen entfernt. Zum Ausräumen<br />
wird der Rekelstecken verwendet. Mit der Schubkarre wird die<br />
Asche aus der Backstube befördert. Eine Schweißtreibende Arbeit!<br />
<strong>Der</strong> nächste Arbeitsgang ist das „Ausfeudeln“. So nennt man das<br />
Auswischen mit einem an einer Holzstange befestigtem nassem Kartoffelsack<br />
oder einem in Wasser getauchten Strohbesen. Mit einem<br />
Wasserschlauch entfernt Bäcker Schommer die letzten Aschereste<br />
aus dem Steinofen.<br />
Ich fragte: „Ist der Ofen jetzt nicht wieder kalt?“, der Bäcker lachte<br />
<strong>und</strong> sagte ich solle es mal überprüfen! Das ließ ich besser bleiben!<br />
Unglaublich wie die Schamottesteine die Wärme speichern. Erst<br />
müssen nun die Steine wieder trocknen, damit die Brote nicht<br />
ankleben. Die Brote auf den Regalen sind mittlerweile schön<br />
aufgegangen. Mit einem „Schöttel“ oder auch „Schießer“ werden die<br />
Laibe nach <strong>und</strong> nach in den Ofen geschoben. Immer paarweise <strong>und</strong><br />
schön mit System, damit auch alle ihren nötigen Platz haben <strong>und</strong><br />
gleichmäßig Hitze abbekommen. Wenn alle Laibe im Ofen sind ist<br />
es wichtig, dass die Ofentür zu ist.<br />
Nach ca. einer St<strong>und</strong>e sind die Brote fertig. Bäcker Schommer testet<br />
dies indem er auf die Brote klopft. Wenn sich das Brot hohl anhört<br />
ist es durchgebacken. Es duftet herrlich! Ich kaufe mir gleich eins für<br />
die Lieben daheim.<br />
Das Backhaus im Niederrheinischen<br />
Freilichtmuseum<br />
Das Backhaus im Niederrheinischen Freilichtmuseum stammt aus<br />
dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> stand ursprünglich in der Honschaft Unterbruch<br />
in Willich-Schiefbahn. Unter dem hinteren Dach befindet<br />
sich der gemauerte Ofen. Mit Schanzen (Reisigbündeln) wurde der<br />
Ofen erhitzt. Nach dem Entfernen der Glut backen die aufgeheizten<br />
Steine das Brot aus. Backhäuser dienten früher oft auch als Altersitz.<br />
Fotos: Manuela Mannek<br />
Kontakt<br />
Niederrheinisches Freilichtmuseum<br />
Navigationsadresse:<br />
Stadionstraße 145<br />
Postadresse:<br />
Am Freilichtmuseum 1<br />
47929 Grefrath<br />
Tel.: +49(0)2158/9173-0<br />
Fax: +49(0)2158/9173-16<br />
E-Mail: freilichtmuseum@kreis-viersen.de<br />
Homepage: www.niederrheinisches-freilichtmuseum.de<br />
www.facebook.com/NiederrheinischesFreilichtmuseum<br />
Früher aß man gewöhnlich lang haltbares Schwarzbrot. Es wurde<br />
nur zweimal im Monat gebacken. Schon am Vorabend des Backtages<br />
wurde der Brotteig bestehend aus Roggenschrot, Salz, Sauerteig<br />
<strong>und</strong> Mehl angesetzt. Über Nacht gärte der Teig. Auch der Ofen<br />
wurde schon am Abend mit dicken Ästen vorgeheizt. Backen war<br />
früher üblicherweise Frauenarbeit. Das Kneten des Teiges wurde<br />
jedoch von Männern erledigt.<br />
68
Erleben Sie “<strong>Altes</strong> <strong>Handwerk</strong>”<br />
live vor Ort bei einem Besuch im museum<br />
69
<strong>Handwerk</strong> im Museum<br />
Tau aus Synthetikmaterial am Poller eines Fischkutters festgemacht<br />
Reepschläger oder Seiler<br />
von Klaus-Uwe Hölscher<br />
ist das niederdeutsche Wort für Seil bzw. Tau.<br />
Reepschläger waren <strong>Handwerk</strong>er, die Seile herstellten.<br />
„Reep“<br />
Bekannt ist die Reeperbahn in Hamburg als Straße der<br />
Bars <strong>und</strong> Nachtlokale. Auch ein Schlager besingt dieses Vergnügungsviertel:<br />
„Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ...“ Damit ist<br />
die Straße gemeint, auf der früher Seile <strong>und</strong> Taue gedreht wurden.<br />
Gerade in einer Hafenstadt waren Reepschläger ein wichtiger Beruf.<br />
Aber auch im Binnenland finden sich an Flüssen, Kanälen <strong>und</strong><br />
Häfen noch manchmal Gebäude, in denen früher Seiler tätig waren.<br />
So gibt es in Oldersum (Gemeinde Moormerland Landkreis Leer)<br />
das Museum „Alte Seilerei“. Oldersum liegt an der Ems, die über<br />
den Dollart hinter Emden in die Nordsee mündet. Insofern ist die<br />
Geschichte des Ortes, in dem heute eine Werft ansässig ist, auch von<br />
der Schifffahrt <strong>und</strong> ihren Bedürfnissen geprägt.<br />
Gründer der ehemaligen Reepschlägerei <strong>und</strong> Seilerei Diepen in<br />
Oldersum war kein Einheimischer, sondern Peter Bruns Diepen aus<br />
Jemgum, einem Ort an der gegenüberliegenden Seite der Ems, dem<br />
Rheiderland. 1847 legte er den Gr<strong>und</strong>stein für den Betrieb, der sich<br />
über fünf Generationen im Familienbesitz befand. <strong>Der</strong> Nachfolger<br />
des Firmengründers erweiterte ab 1883 das Angebot <strong>und</strong> fertigte<br />
außer Tauwerk auch komplette Segel für die Schifffahrt <strong>und</strong> Seilerwaren<br />
für die Landwirtschaft. Ab 1924 betrieb die Firma Diepen<br />
einen Großhandel mit Fertigprodukten <strong>und</strong> bot später auch Netze<br />
für die Küstenfischerei an.<br />
Im Jahre 1979 wandelte sich die Firma Diepen vom <strong>Handwerk</strong>sbetrieb<br />
zur Handelsgesellschaft. Schwerpunkt wurde ab 1997 der<br />
Vertrieb von Verpackungsmaterial. Zwei Jahre später wurde das Unternehmen<br />
an den Bremer Dieter H. Wischhusen verkauft. Seit 2008<br />
heißt die Firma W-Pack GmbH & Co.KG mit Sitz in Neermoor am<br />
Borgwardring <strong>und</strong> verkauft Verpackungsmaterial.<br />
70
Rohmaterial Hanf, Kokos, Sisal<br />
Rohmaterial für die Herstellung von Tauen <strong>und</strong> Seilen waren früher<br />
Naturprodukte wie Hanf, Kokos <strong>und</strong> Sisal. Letzteres wird aus<br />
den Blattfasern der Agave gewonnen. Um spinnfähige Fasern zu<br />
erhalten, muss Hanf von holzigen Beimengungen gereinigt werden.<br />
Dazu verwendete man die Hechel, ein Brett mit langen senkrechten<br />
Drahtstiften, durch die Hanfbüschel gezogen wurden. Daher<br />
lautete der Gr<strong>und</strong>satz: „Hechelei ist die Mutter der Seilerei.“ Auch<br />
bei der Flachsbearbeitung wurde die Hechel als kammartiges, mit<br />
Drahtspitzen versehenes Werkzeug benutzt. Die Redewendung:<br />
„jemanden durch die Hechel ziehen“ bedeutet: über jemanden in<br />
spöttischer, boshafter Weise zu reden.<br />
Nach dem Hecheln ist das Verspinnen der Fasern der zweite<br />
wichtige Arbeitsschritt, um Fäden zu erhalten. Man unterscheidet<br />
zwischen Bindfäden = Zusammendrehen zweier Fäden; Schnüren<br />
<strong>und</strong> Kordeln = mindestens zwei Fäden mit stärkerer Drehung; <strong>und</strong><br />
Seil = Zusammendrehen von mindestens zwei Schüren.<br />
Im Museum „Alte Seilerei“ in Oldersum ist die zweih<strong>und</strong>ert Meter<br />
lange Reeperbahn, also das Gebäude zur Herstellung der Seile noch<br />
gut erhalten. Auch die Maschinen, teils in Handarbeit oder durch<br />
Elektromotor mit Transmission betrieben, sind noch vorhanden,<br />
so dass den Besuchern das Flechten von Seilen vorgeführt werden<br />
kann. So können sich Kinder für einen kleinen Unkostenbeitrag ein<br />
Springseil anfertigen lassen <strong>und</strong> dabei selbst die Flechtmaschine<br />
drehen.<br />
Harte Arbeit bei Hitze <strong>und</strong> Kälte<br />
In Wirklichkeit war jedoch die Arbeit in der Seilerei körperlich<br />
anstrengend <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlich problematisch. Bis in die Zeit vor<br />
dem 2. Weltkrieg wurde von Montag bis Samstag je 9 St<strong>und</strong>en pro<br />
Tag gearbeitet für einen St<strong>und</strong>enlohn von nur 15 Pfennig! Deshalb<br />
war meist noch zusätzliche Heimarbeit erforderlich, um die Familie<br />
zu ernähren. Aufgr<strong>und</strong> des nur einschaligen Mauerwerks <strong>und</strong> der<br />
Spulrahmen-Gestelle mit verschiedenen Garnhaspeln<br />
Hanffasern <strong>und</strong> Hechelbrett: die Büschel wurden durch die Drahtstifte gezogen<br />
Arbeitsgeräte in der Alten Seilerei in Oldersum: bis 9<br />
St<strong>und</strong>en pro Tag wurde bei Hitze <strong>und</strong> Kälte gearbeitet<br />
71
einfachen Verglasung der Fenster war es in der Seilerei je nach<br />
Jahreszeit sehr kalt oder auch heiß. So lautet der Ausspruch der<br />
Arbeiter: „Wir zogen dicke Jacken an.“ Zudem belasteten Faserreste<br />
<strong>und</strong> Staub die Atemwege.<br />
Unter den zahlreichen Maschinen in der Seilerei sind zu nennen:<br />
die Litzenmaschine verseilt Garne zu Litzen. Auf einem Spulrahmengestell<br />
sind zahlreiche Haspeln aufgereiht. Die Anzahl<br />
der Spulen bestimmt die Stärke der Litze. Außerdem ist eine<br />
Draht-Spleiß-Auftörnmaschine zu besichtigen. Besonders fallen<br />
die Austreibewagen auf, die sich auf Schienen bis zum Ende der<br />
zweih<strong>und</strong>ert Meter langen Seilerbahn bewegen können. Dazwischen<br />
befindet sich das geflochtene, kräftige Seil.<br />
Heute Kunststoffe<br />
Während früher die Seiler Naturprodukte verarbeiteten <strong>und</strong> sogar<br />
aus Stroh Seile geflochten wurden (ich erinnere mich an meinen<br />
Großvater, der mit Strohseilen das frisch geerntete Heu zu Ballen<br />
bzw. B<strong>und</strong>en zusammenband), dominieren heute Fasern aus<br />
Kunststoffen. Das synthetische Material besitzt wesentlich größere<br />
Haltbarkeit. So sind zum Beispiel die Fangnetze der Fischkutter<br />
aus Kunststoff hergestellt. Das bestätigte mir ein Fischer im Hafen<br />
Ditzum im Rheiderland, wo einige Kutter zum Granat- bzw. Krabbenfang<br />
in der Ems <strong>und</strong> Nordsee beheimatet sind.<br />
Seilherstellung auf der „Reeperbahn“ in Oldersum<br />
Seiler im Ständebuch<br />
Das bekannte Ständebuch von Jost Amman, 1568 in Frankfurt am<br />
Main erschienen, widmet mit <strong>sein</strong>en 133 Holzschnitten der verschiedensten<br />
Berufe ein Bild auch dem Seiler. Auf dem Holzschnitt sind<br />
zwei „Seyler“ mit mehreren Tauen <strong>und</strong> Stricken abgebildet. <strong>Der</strong><br />
zugehörige Text lautet übersetzt unter Verzicht auf die Reime: „Ich<br />
bin ein Seiler, der zum Teil die langen Schiffsseile anfertigen kann.<br />
Auch Seile zum Hausbau, mit denen man Mörtel, Zimmererholz<br />
<strong>und</strong> Steine hochziehen kann. Ich kann auch Garne <strong>und</strong> Netze<br />
machen zur Jagd <strong>und</strong> Tierhatz, außerdem auch Fischernetze, große<br />
<strong>und</strong> kleine, ansonsten auch allerlei normale Stricke. Für „Mörtel“ =<br />
Gemenge aus Kalk <strong>und</strong> Sand zum Mauern von Steinen wird im Text<br />
Bretter mit Bohrungen für verschiedene Seilstärken<br />
Kontakt<br />
Museum „Alte Seilerei“<br />
Hinter der Bleiche 1<br />
26802 Moormerland-Oldersum<br />
Informationen:<br />
Tourist-Info Moormerland<br />
Dr.-Warsing-Straße 79<br />
26802 Moormerland<br />
Tel.: +49(0)4954/937871<br />
E-Mail: info@touristik-moormerland.de<br />
<strong>und</strong> Heimatverein Oldersum<br />
Tel.: +49(0)4924/485<br />
Öffnungszeiten:<br />
Di. <strong>und</strong> Do. mit Führungen<br />
von 15.00 bis 17.00 Uhr<br />
So. ohne Führungen<br />
von 15 bis 17 Uhr weitere<br />
Öffnungszeiten nach<br />
vorheriger Anmeldung.<br />
72
das Wort „Mörder“ verwandt. Dies passt zwar nicht in den Sinnzusammenhang<br />
des Verses, wo vom Baugewerbe gesprochen wird,<br />
aber Stricke bzw. Seile wurden auch verwandt, um Mörder am Galgen<br />
zu erhängen, wenn das Urteil „Tod durch den Strang“ lautete.<br />
Strang <strong>und</strong> Strick in Redensarten<br />
Die Wörter „Strang“ <strong>und</strong> „Strick“ kommen auch in einigen Redensarten<br />
vor. „Wenn alle Stränge/Stricke reißen“ bedeutet: Wenn es<br />
keine andere Möglichkeit mehr gibt, wenn alles andere nicht klappt.<br />
„Wenn alle an einem Strang ziehen“ verfolgen sie das gleiche Ziel,<br />
sind sich also einig bei ihrem Vorgehen. Wer „über die Stränge<br />
schlägt“, überschreitet das Erlaubte. Mit den „Strängen“ sind die<br />
Seile des Pferdegeschirrs gemeint. Schlägt ein Pferd mit den Hinterhufen<br />
nach oben aus, schlägt es über die Stränge. Im schlimmsten<br />
Fall geht es mit dem Fuhrwerk durch <strong>und</strong> bringt den Kutscher in<br />
Lebensgefahr. „Jemanden gehen die Pferde durch“ ist auch eine Redensart,<br />
wenn jemand die Kontrolle über etwas verliert. „Die Pferde<br />
scheu machen“ heißt: unnötig Aufregung verursachen.<br />
Zurück zum Museum „Alte Seilerei“ in Oldersum. Neben dem langgestreckten<br />
Gebäude der Seilerbahn befindet sich der „Appel tuun“<br />
(Apfelgarten). Dabei handelt es sich um eine Streuobstwiese mit<br />
vielen alten Apfelsorten. So luden im September 2011 der Naturschutzb<strong>und</strong><br />
(NABU) <strong>und</strong> die Touristinformation Moormerland<br />
zum schon traditionellen Apfelfest ein, wo eine Vielzahl an Aktionen<br />
<strong>und</strong> Leckereien r<strong>und</strong> um den Apfel angeboten wurde. So ergab<br />
sich eine gelungene Kombination von historischem <strong>Handwerk</strong> <strong>und</strong><br />
Naturk<strong>und</strong>e.<br />
Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />
Reines Naturprodukt: Rolle mit armdickem Schiffstau<br />
Motorboot „Keerlke“ mit Schiffstau in Schwarz-Rot-Gold<br />
73
Lebendiges <strong>Handwerk</strong><br />
Auffahrt zum Kippboden in der Maschinenziegelei<br />
An den Aktionstagen wird die Maschinenziegelei in Bewegung gesetzt, ein System von Rädern <strong>und</strong> Laufbändern<br />
74
Blick auf die weitläufige Anlage des Ziegeleimuseums Lage, rechts<br />
ein Backofen<br />
Blick vom Kippboden auf die Ziegel-Trocknungsanlage<br />
<strong>Handwerk</strong> der Ziegler<br />
Ziegeleien in Lage/Lippe (NRW),<br />
Bevern <strong>und</strong> Nenndorf<br />
von Klaus-Uwe Hölscher<br />
Die Ziegelei Lage wurde im Jahre 1909 in Sylbach am nördlichen<br />
Stadtrand von Lage (LK Lippe/NRW) von Gustav<br />
Beermann <strong>und</strong> Friedrich Bobe gegründet. Sie blieb bis zur<br />
Stilllegung 1979 im Besitz der Familie Beermann. 1982 übernahm<br />
der Landschaftsverband Westfalen-Lippe die Anlage. Sie bildet<br />
einen von inzwischen acht Standorten des Westfälischen Industriemuseums.<br />
Zu diesem Verb<strong>und</strong> gehören außer der Ziegelei Lage<br />
die Zeche Zollern II/IV in Dortm<strong>und</strong>, die Zeche Hannover I/II/V in<br />
Bochum-Hordel, die Zeche Nachtigall in Witten, die Henrichshütte<br />
in Hattingen, das Schiffshebewerk Henrichenburg in Waltrop,<br />
die Glashütte Gernsheim in Petershagen <strong>und</strong> das Textilmuseum<br />
Bocholt.<br />
Bis zur Erfindung der Dampfmaschine wurden Ziegel in Handarbeit<br />
hergestellt. Das war Schwerstarbeit. <strong>Der</strong> Lehm, ein eisenhaltiges<br />
Gemisch aus Ton <strong>und</strong> Sand, wurde im Tagebau abgegraben <strong>und</strong><br />
musste unter Beigabe von Wasser zu einer zähen, formbaren Masse<br />
aufbereitet werden. Ehe man Kleimühlen mit Pferdeantrieb zur<br />
Verfügung hatte, wurde der Lehm mit den Füßen geknetet. Am<br />
Streichtisch erhielt das Rohmaterial durch Holz- oder Metallformen<br />
<strong>sein</strong>e Quaderform. Dann wurden die Rohlinge zwei bis drei Wochen<br />
an der Luft getrocknet <strong>und</strong> anschließend in Feldbrandöfen oder<br />
gemauerten Öfen gebrannt.<br />
Lippische Wanderziegler<br />
Fast alle Ziegeleien in Lippe waren Saisonbetriebe, die vom Frühjahr<br />
bis zum Herbst arbeiteten. Seit den 1860er Jahren <strong>erlebt</strong>e das<br />
Leinengewerbe einen starken Rückgang. Da die Bevölkerung jedoch<br />
rasch wuchs, herrschte Mangel an Arbeitsplätzen <strong>und</strong> wirtschaftliche<br />
Not. Dies führte dazu, dass lippische Einwohner als „Wanderziegler“<br />
in auswärtigen Betrieben Arbeit suchten. Das Leben dieser Männer,<br />
die in Norddeutschland, im Ruhrgebiet <strong>und</strong> Rheinland als Ziegler<br />
ihren Lebensunterhalt verdienten <strong>und</strong> jeweils ein dreiviertel Jahr<br />
ihrer Heimat <strong>und</strong> Familie fernbleiben mussten, wird im Ziegeleimuseum<br />
Lage besonders ausführlich dokumentiert. So entsteht neben<br />
der Darstellung der technischen Abläufe ein eindrucksvolles Kapitel<br />
Sozialgeschichte des 19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Im Jahre 1922 wurde in der Firma Beermann in Lage-Sylbeck eine<br />
Einzylinder-Dampfmaschine angeschafft, um Lehmaufbereitung <strong>und</strong><br />
-formung maschinell durchzuführen. Diese Maschine ist heute nicht<br />
mehr erhalten, jedoch konnte durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe<br />
eine ähnliche Dampfmaschine für das Ziegeleimuseum<br />
Lage erworden werden. Sie war bis 1981 bei der Lagenser Schreinerei<br />
<strong>und</strong> Sargfabrik Wilhelmi im Dienst. Hier der „Steckbrief“ der<br />
ca. 70 PS starken Maschine: Hersteller Maschinenfabrik Buckau R.<br />
Wolf AG Magdeburg, Fabriknummer 1014, Baujahr 1934, Schwungräder<br />
mit 1,80 <strong>und</strong> 2,50 Meter Durchmesser.<br />
Maschinenziegelei in Aktion<br />
Ein wahres Kraftpaket ist der Zweizylinder-Schweröl-Dieselmotor,<br />
der 1954 die unwirtschaftliche Dampfmaschine in der Ziegelei<br />
Lage-Sylbach ablöste. Hersteller: Motorenfabrik Herford, Typ<br />
HSNB, Leistung 240 PS bei 250 U/Min., Baujahr 1952. <strong>Der</strong><br />
75
Motor wurde 1992 generalüberholt. Im Sinne eines produzierenden<br />
Museums wird er an bestimmten Wochenenden in Betrieb gesetzt<br />
<strong>und</strong> treibt die Maschinen zur Ziegelherstellung an. So können die<br />
Besucher an diesen Aktionstagen die einzelnen Arbeitsschritte bei<br />
der Ziegelproduktion hautnah miterleben. Es war ein Glücksfall,<br />
dass in der Ziegelei Beermann auch nach der Bestriebsstilllegung<br />
alle Origi nalmaschinen erhalten blieben, nach <strong>und</strong> nach restauriert<br />
wurden <strong>und</strong> somit wieder für die Vorführungen funktionsfähig sind.<br />
Etwas schwierig war es, das Herzstück der Maschineziegelei, den<br />
Herford-Diesel an <strong>sein</strong>em originalen Einsatzort zu fotografieren.<br />
Tageslicht dringt nur durch ein kleines Fenster in den knapp bemessenen,<br />
recht dunklen Maschinenraum. Aber mit Weitwinkel-Objektiv,<br />
Blitzlicht <strong>und</strong> einer im Museum ausgeliehenen Trittleiter, die<br />
ich „auf eigene Gefahr“ besteigen durfte, waren doch einigermaßen<br />
aussagekräftige Fotos möglich.<br />
<strong>Der</strong> Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat im Jahre 2001 einen<br />
sehr informativen Museumsführer über die Ziegelei herausgegeben.<br />
Darin wird auch der R<strong>und</strong>weg durch die Maschinenziegelei<br />
beschrieben, der mit dem Maschinenraum beginnt: „<strong>Der</strong> Arbeitstag<br />
des Maschinisten begann um 6 Uhr morgens, eine St<strong>und</strong>e früher als<br />
der <strong>sein</strong>er Kollegen. Zunächst musste er den Motor für den Betrieb<br />
vorbereiten, d.h. die Tanks auffüllen, die Lager schmieren <strong>und</strong> das<br />
Schwungrad in die richtige Startposition bringen. Danach erst konnte<br />
der Motor mit Hilfe von Pressluft gestartet werden. Diese <strong>und</strong><br />
viele weitere Arbeitsschritte können die Museumsbesucher an den<br />
Aktionstagen miterleben.<br />
Museumspädagogische Angebote<br />
Nicht nur wegen <strong>sein</strong>es umfangreichen Maschinenparks ist das<br />
Ziegeleimuseum Lage-Sylbach interessant <strong>und</strong> sehenswert. Es<br />
wird über das ganze Jahr ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm<br />
angeboten, wobei besonders Familien mit Kindern <strong>und</strong> Schulklassen<br />
als Museumsbesucher angesprochen werden. Die Besucher können<br />
selbst Skulpturen, Feuerschalen <strong>und</strong> Schmuck aus Ton angefertigen.<br />
Unter dem Motto „Tiere im Winterschlaf “ werden unter Anleitung<br />
einer Museumspädagogin Feldhamster, Siebenschläfer <strong>und</strong> Bären<br />
modelliert.<br />
Eine besondere Attraktion sind die Fahrten mit der Diesellok-Feldbahn<br />
r<strong>und</strong> um das Gelände der ehemaligen Tongrube <strong>und</strong> die<br />
Aktionstage der Maschinenziegelei. Dann ist der Herford-Diesel<br />
in Aktion <strong>und</strong> treibt die Geräte an, die stündlich mehrere h<strong>und</strong>ert<br />
Ziegel herstellen.<br />
Ein weiteres bedeutendes Industriedenkmal ist die ehemalige<br />
Ziegelei Pape in Bevern bei Bremervörde (Landkreis Rotenburg/<br />
Wümme). Hier arbeiteten zeitweilig auch lippische Wanderziegler.<br />
Insofern besteht auch eine Beziehung zum Ziegeleimuseum in<br />
Lage/Lippe. Laut Preußischer Landesaufnahme von 1890 gab es im<br />
heutigen Landkreis Rotenburg 23 Ziegeleien. Heute ist die Ziegelei<br />
Pape in Bevern der letzte in dieser kompletten Anlage erhaltene<br />
Betrieb, der von ca. 130 ehrenamtlichen Mitgliedern des Fördervereins<br />
betreut wird. Das gesamte Areal mit Ringofen, Schornstein,<br />
Maschinenhaus <strong>und</strong> langgestreckten Trockenschuppen macht einen<br />
sehr gepflegten Eindruck. Davon konnte sich der Verfasser bei<br />
<strong>sein</strong>em Besuch in Bevern am Tag des Denkmals überzeugen. Die<br />
ehemalige Tonkuhle bildet heute einen Weiher, der mit Seerosen<br />
bewachsen ist <strong>und</strong> sich harmonisch in die Landschaft einfügt.<br />
Ringofen von 1912 erhalten<br />
Schon 1535 lässt sich ein Ziegelmeister auf der erzbischöflichen Ziegelei<br />
in Bevern nachweisen. 1840 nutzte der Vollhöfner Johann Pape<br />
Anzeigenwerbung für Ringöfen zum Brennen von „Ziegeln, Kalk, Thonwaaren, Cement <strong>und</strong> Gyps“<br />
76
die auf <strong>sein</strong>en Gr<strong>und</strong>stücken vorhandenen Lehmvorkommen <strong>und</strong><br />
errichtete auf dem ehemaligen erzbischöflichen Gelände eine Ziegelei.<br />
Die Umstellung auf Maschinenbetrieb erfolgte 1902. Ein weiterer<br />
Schritt im Hinblick auf moderne Technik war die Errichtung des<br />
Hoffmannschen Ringofens im Jahre 1912. Während der beiden Weltkriege<br />
ruhte der Betrieb. 1974 stellte Klaus Pape den Betrieb ein, da<br />
die früher so fortschrittliche Ringofentechnik mittlerweile nicht mehr<br />
wirtschaftlich war.<br />
Ein Glücksfall ist, dass nach fast vierzig Jahren seit dem Ende der<br />
Ziegelherstellung in Bevern fast alle Anlagen noch erhalten sind, so<br />
dass den Besuchern der Produktionsablauf gezeigt werden kann. In<br />
der Lehmkuhle wurde der notwendige Rohstoff, der „Lauenburger<br />
Ton“ gewonnen. Dies geschah anfangs in schwerer körperlicher<br />
Handarbeit, bis 1958 Eimerkettenbagger eingesetzt <strong>und</strong> der Ton mit<br />
Loren per Seilzug zum Maschinenhaus gezogen wurde. Hier wurde<br />
die Ziegelerde zu Vollsteinen, Verblendersteinen, Gitterziegeln <strong>und</strong><br />
Drainagerohren gepresst <strong>und</strong> geformt. Anschließend gelangten diese<br />
Rohlinge in die langgestreckten Trockenschuppen, wo sie zwei bis<br />
drei Wochen zum Trocknen abgelegt wurden.<br />
Dann wurden sie bei 1100 Grad im Ringofen gebrannt. In Bevern<br />
ist der mit 16 Kammern ausgestattete Hoffmannsche Ringofen von<br />
1912 noch erhalten <strong>und</strong> kann innen <strong>und</strong> von oben besichtigt werden.<br />
Interessant sind die vielen Einfüllstutzen für die Kohle als Heizmaterial.<br />
Während im Feldbrandofen noch Torf verfeuert wurde, war der<br />
Ring ofen moderner. Er bestand aus einem geschlossenen Brennkanal<br />
mit mehreren Kammern, in welchem das Feuer im Kreis wanderte.<br />
Zu Beginn der Saison im Frühjahr wurde der Ofen angeheizt<br />
<strong>und</strong> blieb dann bis zum Spätherbst in Betrieb.<br />
Herford-Motor betriebsbereit<br />
Vorgeführt wird den Besuchern die Maschinenanlage der Ziegelei.<br />
Eindrucksvoll ist der Herford-Teeröl- bzw. Dieselmotor Typ BS.<br />
Als Langsamläufer mit nur 400 Umdrehungen pro Minute leistet er<br />
40 PS. Er wurde 1957 in der Maschinenfabrik Herford, die für ihre<br />
großen Stationärmotoren bis 650 PS bekannt ist, gebaut. Bis zur<br />
Stilllegung der Ziegelei Pape in Bevern im Jahre 1974 trieb er über<br />
Transmission die Ziegelpresse an. Vorher war er in der Molkerei in<br />
Bremerhaven zum Antrieb eines Generators als Notstromaggregat<br />
stationiert. Während er dort als Reserve für den Notfall bereitgehalten<br />
wurde, hatte er in der Ziegelei in Bevern während der Saison<br />
gut zu tun. Charakteristisch ist das leicht stampfende Geräusch<br />
dieses Langsamläufers, der mit <strong>sein</strong>em großen Schwungrad fast noch<br />
an eine Dampfmaschine erinnert <strong>und</strong> mit Pressluft gestartet wird.<br />
Im Raum nebenan befindet sich noch eine weitere Maschine. Hier<br />
handelt es sich um einen 6-Zylinder-DEMAG-Kämper-Dieselmotor,<br />
der bei 1250 U/Min. 125 PS leistete. Dieses Aggregat wurde als Ersatz<br />
bei Ausfall des Herford-Motors angeschafft <strong>und</strong> provisorisch auf<br />
dem Erdboden des Maschinenhauses montiert, um möglichst schnell<br />
eingesetzt zu werden. Obwohl der Kämper-Motor nicht restauriert<br />
<strong>und</strong> betriebsbereit ist, ist er mit <strong>sein</strong>er „Patina“ ein Stück Geschichte<br />
der Ziegelei in Bevern.<br />
Torfbrandklinker<br />
Während es sich bei den Ziegeleien in Sylbach bei Lage/Lippe <strong>und</strong><br />
Bevern bei Bremervörde um Museen handelt, befindet sich in Nenndorf<br />
bei Westerholt (LK Wittm<strong>und</strong>) ein Betrieb, der in einem Ringofen<br />
aus dem Jahre 1904 Klinker brennt. Eine weitere Besonderheit<br />
ist, dass hier als Brennmaterial Torf verwendet wird, der aus<br />
Wiesmoor stammt. Diese Torfbrandklinker werden 13 Tage lang bei<br />
einer Temperatur von bis zu 1200 Grad gebrannt. Sie fallen in ihrer<br />
Handarbeit; Verladen der gebrannten Klinker in eine Lore<br />
Transport der Rohlinge in die Trockenkammern<br />
Torfbrandklinkerwerk Nenndorf: jeder Klinker ein Unikat<br />
Rohlinge werden vom rechteckigen Strang sauber abgeschnitten<br />
77
Form sehr unterschiedlich aus, so dass jeder Klinker gewissermaßen<br />
ein Unikat ist. Pro Jahr produzieren 27 Mitarbeiter in Nenndorf 3,5<br />
Millionen Klinkersteine, pro Brennvorgang 140 000 Stück.<br />
Früher gab es sieben Ziegeleien, die Wittm<strong>und</strong>er Klinker herstellten,<br />
heute sind es nur noch zwei. Außer in Nenndorf gibt es noch das<br />
Klinkerwerk in Neuschoo. Dort werden die Ziegel statt im Ringofen<br />
im modernen Gastunnelofen produziert. <strong>Der</strong> Absatz der Klinker<br />
beider Betriebe erfolgt durch ein gemeinsames Vertriebsunternehmen.<br />
Alle Steine sind reine Naturprodukte ohne chemische Zusätze<br />
oder Farbbeimischungen. Ihr besonderer Reiz besteht in der Vielfalt<br />
der Farbskala, die von Hellrot bis Blauviolett reicht. <strong>Der</strong> verwendete<br />
Lehm <strong>und</strong> das Brennmaterial Torf stammen selbstverständlich aus<br />
der Region. Auch wenn es sich bei den Wittm<strong>und</strong>er Klinkern nicht<br />
um ein Lebensmittel handelt, könnte man auch hier durchaus als<br />
Resümee feststellen: „Alles Bio!“<br />
Ein R<strong>und</strong>gang durch den laufenden Betrieb zeigt die einzelnen<br />
Arbeitsschritte vom Lehm bis zum fertigen Klinker. Die Rohmasse<br />
wird maschinell zu einem rechteckigen Strang geformt, von dem<br />
Drähte die einzelnen Rohlinge sauber abschneiden. Die Rohlinge<br />
werden in Kammern vorgetrocknet, wobei die Abwärme vom Ringofen<br />
eingesetzt wird. Anschließend werden sie auf Loren zu den 18<br />
Kammern des Ringofens transportiert. Dort werden sie aufgestapelt<br />
<strong>und</strong> durch Quarzsand wobei ein Aneinanderbacken beim Brennen<br />
verhindert wird.<br />
Bis zu 1200 Grad Hitze<br />
Oben auf den Gewölben der Ringofenkammern spürt man noch die<br />
Wärme des Brennvorganges. Durch die Schüttlöcher wird stündlich<br />
r<strong>und</strong> um die Uhr im Schichtdienst Torf in die Brennkammern eingefüllt.<br />
Eindrucksvoll ist der Blick in die bis zu 1200 Grad heiße Glut.<br />
Die Eisendeckel der Schüttlöcher werden mit einem Metallhaken<br />
geöffnet <strong>und</strong> wieder verschlossen, da man sie wegen der großen<br />
Hitze auch nicht mit einem Handschuh anfassen könnte.<br />
Kontakt<br />
Westfälisches Industriemuseum Ziegelei Lage<br />
Sprikernheide 77<br />
32791 Lage,<br />
Tel.: +49(0)5232/9490-0<br />
Fax: +49(0)5232/9490-38;<br />
E-Mail: ziegelei-lage@lwl.org<br />
Homepage: www.ziegelei-lage.de<br />
Öffnungszeiten:<br />
Dienstag bis Sonntag 10.00 - 18.00 Uhr<br />
Ziegelei Pape, Bevern<br />
27432 Bremervörde<br />
Tel.: +49(0)4767/333600<br />
Uwe Hildebrandt:<br />
Tel.: +49(0)4767/459<br />
Fax: +49(0)4767/484<br />
E-Mail: uwehildebrandt@t-online.de<br />
Besichtigungen von Mai bis September<br />
sonntags von 14.00 - 17.00 Uhr oder jederzeit<br />
mit Führung nach Vereinbarung.<br />
Besondere Veranstaltungen wie Konzerte,<br />
Lesungen, Künstlerforum, Brennerfest sowie<br />
Weihnachtsmarkt werden auf der Hompage<br />
www.ziegelei-bevern.de angekündigt.<br />
Torfbrand-Klinkerwerk J.B. Kaufmann GmbH<br />
26556 Nenndorf bei Westerholt<br />
Tel.: +49(0)4975/295 bzw. /8670<br />
Homepage: www.torfbrandklinker.de<br />
E-Mail: info@torfbrandklinker.de;<br />
Betriebsbesichtigung nur nach Voranmeldung<br />
möglich.<br />
Besonders interessant fallen die Klinkersteine aus, die unmittelbar<br />
unter den Schüttlöchern liegen, in die die Torfstücke eingeworfen<br />
werden, Ihre individuelle Form <strong>und</strong> Farbgebung ist von hohem Reiz.<br />
Auffallend ist der hohe Anteil der Handarbeit bei der Herstellung<br />
der Wittm<strong>und</strong>er Torfbrandklinker, die dadurch ihren unverwechselbaren<br />
Charakter erzielen. Die Mitarbeiter im Betrieb schaffen ein<br />
Produkt, das sich erfolgreich einen Platz in einer Nische geschaffen<br />
hat, in der jeder einzelne Klinker ein Unikat ist.<br />
Fotos: Klaus-Uwe Hölscher<br />
Ziegeleimuseum Pape in Bevern: unter dem Schornstein<br />
verbirgt sich der Ringofen<br />
Museumspädagogisches-künstlerisches Angebot:<br />
Formen <strong>und</strong> Brennen von Ziegelskulpturen<br />
78
Damals<br />
<strong>Der</strong> Töpfer<br />
oder Hafner<br />
Eines der ältesten <strong>Handwerk</strong>e<br />
der Menschheit<br />
Den Lehm tret’ ich mit meinem Fuß<br />
Mit Haar gemischt 1 / danach ich muß<br />
Einen Klumpen werfen auf die Scheibe<br />
Die muß ich mit den Füßen treiben/<br />
Mach Krüge / Hafen / Kacheln von Scherben<br />
Tu sie dann glasiern <strong>und</strong> färben/<br />
Danach brenn ich sie in dem Feuer/<br />
Corebus 2 gab die Kunst zu steuern.<br />
Wenn wir uns jetzt dem Hintergr<strong>und</strong> zuwenden, dann werden uns<br />
sämtliche Arbeiten vorgeführt, die vor <strong>und</strong> nach der Arbeit des Töpvon<br />
Christian Schwarzer<br />
Hans Sachs ließ 1568 dieses schöne Bild (Bild 1) eines Töpfers<br />
oder Haf(f)ners bei der Arbeit drucken. Wir blicken in eine<br />
Werkstatt, deren hintere Wand den Blick freigibt auf eine<br />
hügelige Landschaft, in der man in der Ferne ein Dorf erkennt <strong>und</strong><br />
einige Menschen, die ihrem Tagewerk nachgehen. Ein bärtiger<br />
Mann sitzt auf einem Hocker <strong>und</strong> ist dabei, einen Krug oder Hafen<br />
zu formen. Das Werkstück steht auf einer Töpferscheibe. Mit einem<br />
nackten Fuß treibt er die Scheibe an, mit dem anderen stützt er sich<br />
ab. Die Hose hat er über dem Knie geb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> darüber trägt er<br />
einen Schurz. Die Ärmel <strong>sein</strong>er Bluse hat er aufgekrempelt <strong>und</strong> auf<br />
dem Kopf trägt er eine einfache Mütze. Das Gefäß mag etwa 25 cm<br />
hoch <strong>sein</strong> mit einer weiten Öffnung.<br />
Hinter dem Arbeitenden liegen einige Ballen Lehm. Man darf annehmen,<br />
dass sie fertig aufbereitet sind <strong>und</strong> sofort verarbeitet werden<br />
sollen. Vor ihm auf dem Fußboden stehen einige Krüge, Schüsseln<br />
<strong>und</strong> Näpfe. Die Krüge haben teilweise Ösen zum Transport mit<br />
einem Seil <strong>und</strong> normale Henkel. <strong>Der</strong> Krug mit Henkel ist mit einem<br />
floralen Motiv bemalt. Auf einem Bock an der Wand stehen einige<br />
Formen für viereckige <strong>und</strong> r<strong>und</strong>e Kacheln <strong>und</strong> für einen viereckigen<br />
Kasten. An einem Pfosten in der Ecke hängt ein Tuch <strong>und</strong><br />
daneben hängt an der Wand außen ein Gefäß mit einem Zapfhahn.<br />
Wahrscheinlich wurde in dem Gefäß Regenwasser aufgefangen, das<br />
beim Arbeiten auf der Töpferscheibe benötigt wurde <strong>und</strong> mit dem<br />
man sich zwischendurch oder nach der Arbeit die Hände reinigte.<br />
Bild 1<br />
79
Bild 2<br />
fers erfolgen. Da ist erst einmal der Gräber, der den benötigten Ton<br />
aus der Erde holt. <strong>Der</strong> bereits ausgegrabene Lehm liegt in Ballen<br />
neben <strong>sein</strong>er Grube. Ganz hinten im Bild sieht man einen Mann, der<br />
mit einer hoch erhobenen Axt Holz spaltet. Zwischen den beiden<br />
sieht man rechts einen Menschen, der die Holzscheite zu dem bereits<br />
qualmenden Ofen am rechten Bildrand bringt. Vielleicht ist es ein<br />
Zufall oder der Holzschneider hat ganz bewusst eine Landschaft<br />
ohne Bäume dargestellt. <strong>Der</strong> Holzverbrauch der verschiedenen<br />
Technologien wie Töpfern, Glasmachen, Erze verhütten <strong>und</strong> Metall<br />
schmelzen war enorm <strong>und</strong> wurde mit zunehmender Industrialisierung<br />
immer größer <strong>und</strong> zerstörte schon im Mittelalter die Landschaft<br />
um die Produktionsstätten herum. Schon damals mussten die<br />
Landesherren Gesetze erlassen, die dem produzierenden Gewerbe<br />
strenge Auflagen machten.<br />
Das Bild <strong>und</strong> die dazu gehörige Beschreibung zeigen uns, dass es<br />
sich bei dieser Tätigkeit um einen komplexen Arbeitsablauf handelt,<br />
bei dem am Ende zuverlässig ein brauchbares Produkt mit vorher<br />
festgelegten Eigenschaften entsteht. Die Männer <strong>und</strong> Frauen in den<br />
Werkstätten arbeiteten nach genau vorgegebenen Anweisungen <strong>und</strong><br />
Rezepten, die fast immer geheim gehalten wurden <strong>und</strong> nur in den<br />
Familien oder Zünften weiter gegeben wurden.<br />
Vor der Entstehung des besprochenen Bildes muss eine lange<br />
Entwicklung stattgef<strong>und</strong>en haben. Und tatsächlich haben wir<br />
Keramikf<strong>und</strong>e, die 14.000 Jahre vor Hans Sachs von chinesischen<br />
<strong>Handwerk</strong>ern hergestellt <strong>und</strong> vertrieben wurden. Und die Ägypter<br />
waren vor 4.000 Jahren in der Lage, hochwertige Keramik in ganz<br />
w<strong>und</strong>erbarer Qualität fast fabrikmäßig herzustellen. In den Zeichnungen<br />
ihrer Häuser sehen wir, dass sie einen riesigen Bedarf an<br />
Keramik hatten, da sie alle Vorräte in Krügen aufbewahrten. Es gab<br />
große Vorratsgefäße für Getreide <strong>und</strong> Getränke <strong>und</strong> kleinste Töpfchen<br />
für Salben <strong>und</strong> kostbare Öle <strong>und</strong> alles w<strong>und</strong>erbar geformt <strong>und</strong><br />
bemalt. Sie stellten aber nicht nur die exquisite Keramik her sondern<br />
sie liebten es, kleine Holzmodelle von ihren Werkstätten, Hau<strong>sein</strong>richtungen,<br />
Jagden <strong>und</strong> Bestattungen auf Totenschiffen für die Reise<br />
in die Unterwelt zu bauen. Eines dieser Modelle stellt eine Keramikwerkstatt<br />
dar (Bild 2). Darauf sehen wir im Vordergr<strong>und</strong> den<br />
Meister. Er dreht mit der linken Hand die Töpferscheibe <strong>und</strong> mit<br />
der rechten formt er ein hohes leicht kegelförmiges Gefäß. Es handelt<br />
sich hier um eine langsam drehende Scheibe. Etwas weiter hinten<br />
sitzt der Helfer. Er hält einen Vorrat von zylindrischen Tonballen bereit.<br />
Neben ihm steht der typisch ägyptische zylindrische, etwa in der<br />
Mitte abgesetzte Brennofen. Die Ägypter besaßen nicht nur reiche<br />
Kenntnisse bei der Verarbeitung ihres Tones, der aus aufbereitetem<br />
80
Bild 3<br />
Nilschlamm bestand, sondern sie besaßen enorme Fertigkeiten in<br />
der Zusammensetzung <strong>und</strong> Herstellung ihrer farbigen Glasuren <strong>und</strong><br />
der dazugehörigen Brenntechnik.<br />
Und noch ein Zeitsprung von etwa 400 Jahren. Wir sehen einen<br />
Töpfer etwa um die Zeit 1900 in Franken (Bild 3). Er sitzt in einer<br />
einfachen Werkstatt auf einer etwas erhöhten Holzbank. Die ganze<br />
Szene erinnert sehr an das Bild von Hans Sachs. Auch hier ein<br />
älterer Mann mit einer einfachen Kopfbedeckung. Dazu ein Hemd<br />
mit aufgekrempelten Ärmeln <strong>und</strong> eine Schürze. Er arbeitet allerdings<br />
nicht barfuß. <strong>Der</strong> Arbeitsfuß trägt einen Pantoffel <strong>und</strong> der zweite<br />
Pantoffel liegt vor der Bank auf dem Fußboden. Mit dem linken Fuß<br />
treibt er die Töpferscheibe an. Das untere Rad besteht aus einer<br />
großen Schwungmasse. Dadurch braucht er das Rad nicht ständig<br />
anzutreiben <strong>und</strong> bekommt eine gleichmäßigere Drehbewegung. Es<br />
handelt sich hier um eine schnell drehende Scheibe. Links neben<br />
ihm liegen einige Batzen Ton <strong>und</strong> auf <strong>sein</strong>er rechten Seite hat er<br />
ein Wassergefäß stehen. Er arbeitet an einer großen Schüssel. Vor<br />
ihm auf einem schmalen Arbeitstisch stehen einige Gefäße mit den<br />
zugehörigern Deckeln. Es sind wahrscheinlich die Produkte dieses<br />
Arbeitstages <strong>und</strong> sie trocknen dort an der Luft bis sie in einen anderen<br />
Trockenraum gebracht werden. Rechts von ihm hängt an der<br />
Wand ein Bord, auf dem eine Schale mit nicht erkennbarem Inhalt<br />
steht. Es könnte sich um Werkzeug handeln, das er nicht ständig<br />
benötigt. Über ihm liegen auf zwei Balken mit unterschiedlicher<br />
Höhe einige Bretter. Sie sehen aus wie ein Zwischenboden oder ein<br />
notdürftiges Dach zum Schutz <strong>sein</strong>es Arbeitsplatzes. Oft standen<br />
auf diesen Brettern die fertigen Töpfe zum Trocknen. Vielleicht<br />
hat es aber auch nur durchgeregnet. Wahrscheinlich gibt es auch<br />
heute noch in Europa solche Arbeitsplätze. Wenn man sich diese<br />
drei Darstellungen ansieht, so spürt man die Ruhe <strong>und</strong> die Gelassenheit,<br />
die den Töpferberuf auszeichnet. Hier paaren sich großes<br />
handwerkliches Können, oft ausgeprägte künstlerische Veranlagung,<br />
Kenntnis einiger wichtiger physikalischer Gesetze, enge Verbindung<br />
mit der Natur über die verwendeten <strong>Werkstoff</strong>e <strong>und</strong> die Bereitschaft<br />
zur Zusammenarbeit (modern: Teamwork). <strong>Der</strong> Töpfer muss erst<br />
einmal Theorie <strong>und</strong> Praxis <strong>sein</strong>es Berufes lernen. Er bezieht <strong>sein</strong>en<br />
Ton von einem Händler, mit dem er <strong>sein</strong>e Wünsche abstimmen<br />
muss. Ebenso die Rohstoffe für <strong>sein</strong>e Glasuren. Diese kauft er fertig<br />
oder mischt sie selbst nach eigenen Rezepten. Dann braucht er<br />
Werkzeuge <strong>und</strong> einen Arbeitsraum, oft mit anderen zusammen oder<br />
als Angestellter einer Firma. Wenn er nicht selber brennt muss er<br />
sich abstimmen mit dem Betreiber des Brennofens über Temperatur,<br />
Dauer <strong>und</strong> Abkühlung <strong>sein</strong>er Produkte. Und schließlich muss<br />
er <strong>sein</strong>e Waren selbst verkaufen oder über einen Händler vertreiben<br />
lassen. Und zu guter Letzt muss auch noch die Kasse stimmen. Das<br />
ist zwar bei einem Hobbytöpfer nicht das entscheidende Kriterium,<br />
aber für einen Berufstöpfer überlebenswichtig. <strong>Der</strong> Spruch „<strong>Handwerk</strong><br />
hat goldenen Boden“ ist mit viel Arbeit <strong>und</strong> Schweiß, aber auch<br />
mit großer Befriedigung verb<strong>und</strong>en.<br />
1<br />
<strong>Der</strong> Töpferlehm wurde mit Haaren gemischt um dem trocknenden<br />
Gefäß eine größere Festigkeit zu geben. Beim Brennen<br />
verbrannten die Haare <strong>und</strong> andere organische Bestandteile <strong>und</strong><br />
sorgten für einen Spannungsabbau in den Gefäßwandungen.<br />
2<br />
<strong>Der</strong> römische Geschichtsschreiber Plinius der Ältere (23 - 79<br />
n. Chr.) gibt den Griechen Corebus aus Athen als den Erfinder<br />
der „Hafnerei“ an.<br />
3<br />
Nach einem ägyptischen Vorbild aus dem „Mittleren Reich“ ,<br />
etwa 2000 vor Ch. gezeichnet.<br />
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1. Jahrgang<br />
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stationäre Dampfmaschinen bis hin zum Straßendampf. „Dampf auf Tour“ nimmt die Leser mit auf<br />
große Dampfreise. Auf dieser Reise kommen auch die Dampfmodellbauer nicht zu kurz. So soll<br />
„Dampf auf Tour“ auch zum Nachbau der gezeigten originalen Dampfmaschinen <strong>und</strong> Dampfmodelle<br />
anregen. Die Tour beginnt in der Hauptstadt Berlin, im Deutschen Technikmuseum. Weiter geht die<br />
Reise über die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz <strong>und</strong> über Kuba nach Argentinien.<br />
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