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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)

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Politik&Weltwirtschaft<br />

Auf die Barrikaden!<br />

Demonstranten in der Bretagne<br />

Die Schnauze voll<br />

FRANKREICH | Staatschef François Hollande hat das Land gegen<br />

sich aufgebracht. Das muss auch die Regierung in Berlin sorgen.<br />

Eine Konsens-Republik wollte François<br />

Hollande führen, widerstreitende<br />

Interessengruppen unter seiner<br />

Vermittlung dazu bringen, an einem Strang<br />

zu ziehen. Das ist ihm gelungen – jedoch<br />

ganz anders als geplant.<br />

Anderthalb Jahre nach seinem Wahlsieg<br />

im Mai 2012 sind sich Unternehmer und<br />

Arbeitnehmer, Groß- und Geringverdiener<br />

einig im Zorn auf den französischen Staatschef<br />

und seine Regierung. Ein Autoritätsverlust<br />

mit Folgen: Beobachter fürchten<br />

um die ohnehin zaghafte wirtschaftliche<br />

Erholung, da wirtschaftspolitische Reformen<br />

kaum noch durchsetzbar erscheinen<br />

und Investoren sich zurückziehen. Bei<br />

wichtigen Entscheidungen in der EU kann<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Hollande<br />

kaum noch zählen.<br />

Der Konsens dieses Herbstes lautet „rasle-bol“:<br />

Die Franzosen haben „die Schnauze<br />

voll“ von Politikern, die im Kampf gegen<br />

die zunehmende Staatsverschuldung nur<br />

ein Mittel zu kennen scheinen: Steuererhöhungen.<br />

Besonders deutlich wurde dies<br />

in den vergangenen Tagen in der Bretagne,<br />

einer Region, die für ihre zu plötzlicher<br />

Sturmstärke aufdrehenden Winde bekannt<br />

ist.<br />

Aus einem vergleichsweise nichtigen<br />

Anlass – der geplanten Einführung einer<br />

Ökosteuer für Lastwagen, die noch zu Zeiten<br />

der konservativen Regierung unter<br />

Präsident Nicolas Sarkozy beschlossen<br />

Schwere Bürde<br />

Schuldenstand undHaushaltsdefizit in<br />

Frankreich(in Prozent desBruttoinlandsprodukts)*<br />

100<br />

90<br />

80<br />

öffentliche<br />

Gesamtverschuldung<br />

–7,5 –7,1 –5,3 –4,8 –4,1 –3,8 –3,7<br />

Haushaltsdefizit<br />

2009 10 <strong>11</strong> 12 13 14 15<br />

*ab<strong>2013</strong>Prognose; Quelle:EU-Kommission<br />

wurde – kam es dort zu Proteststürmen,<br />

die nicht nur die Ökosteuer hinwegfegten.<br />

„Die Regierung steckt in einer Sackgasse,<br />

was das Vertrauen der Verbraucher und<br />

der Unternehmer schwer belastet und damit<br />

auch das ohnehin geringe Wachstum“,<br />

sagt Anthony Benhamou, Volkswirt an der<br />

Universität Paris Dauphine. Schlimmer<br />

noch: „Es scheint von nun an unmöglich,<br />

das Land zu reformieren, ohne eine Revolte<br />

fürchten zu müssen.“<br />

WEIT GESTRECKTE ZIELE<br />

Das sind fatale Aussichten für ein Land,<br />

das sogar die bereits weit gestreckten Ziele<br />

zu verfehlen droht. Vorige Woche schlug<br />

die EU-Kommission in ihrem Herbstgutachten<br />

Alarm, Frankreichs Haushaltsdefizit<br />

werde auch im Jahr 2015 noch 3,7 Prozent<br />

des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen,<br />

wenn es seine derzeitige Politik beibehält<br />

(siehe Grafik). Und das, obwohl sie<br />

die Prognose der französischen Regierung<br />

für ein Wirtschaftswachstum um 1,7 Prozent<br />

für realistisch hält. Drei Prozent Neuverschuldung<br />

sind das Maximum, das den<br />

Euro-Staaten erlaubt ist.<br />

Die Kommission hatte Paris bereits im<br />

Frühjahr einen Aufschub von zwei Jahren<br />

bis 2015 gewährt. Verbunden mit dieser<br />

Gnadenfrist war die Mahnung, zügig Reformen<br />

anzupacken und die Staatsverschuldung<br />

in den Griff zu bekommen. „Ich<br />

möchte daran erinnern, dass die Prognose<br />

der Kommission auf einer konventionellen<br />

Rechnung beruht, die von keinerlei zusätzlichen<br />

Maßnahmen für eine Verbesserung<br />

ausgeht“, kommentierte Wirtschaftsund<br />

Finanzminister Pierre Moscovici<br />

schmallippig. In seinem Ministerium hält<br />

man die Kritik, die Sozialisten ließen es an<br />

Reformeifer mangeln, für zutiefst ungerecht:<br />

„Die Vorurteile über unsere Reformen<br />

sind absurd.“<br />

Aus Furcht vor dem Druck der Straße haben<br />

die Sozialisten ihre Rentenreform<br />

schon abgespeckt. Der Mehrheit im Senat<br />

ging sie daraufhin nicht weit genug und<br />

nun hat die zweite Kammer das vorhaben<br />

gleich ganz gekippt. Die Reform sah vor,<br />

zwischen 2020 und 2035 die Beitragsjahre<br />

schrittweise und homöopathisch dosiert<br />

von 41,5 auf 43 Jahre zu erhöhen. Jetzt hat<br />

die Nationalversammlung das letzte Wort,<br />

doch wegen der aufgeheizten Stimmung<br />

könnte die Abstimmung im Dezember in<br />

einem Debakel enden.<br />

»<br />

FOTO: ACTION PRESS/ABACA/ERMINE JULIEN<br />

38 Nr. 46 <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />

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