Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)
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DENKFABRIK | Die Immobilienpreise in Deutschland sind kräftig gestiegen. Von einer<br />
drohenden Preisblase kann jedoch noch keine Rede sein. Im internationalen Vergleich<br />
ist der deutsche Häusermarkt nicht überbewertet. Und solange die EZB ihre Niedrigzinspolitik<br />
fortsetzt, bleiben Immobilien ein gutes Anlageobjekt. Von Hans-Werner Sinn<br />
Höheres Plateau<br />
FOTOS: ROBERT BREMBECK FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, PICTURE-ALLIANCE/DPA/MURAT<br />
Im Mai und Juni 2010, auf<br />
dem vorläufigen Höhepunkt<br />
der Euro-Krise, habe<br />
ich in meinen Kolumnen<br />
für die WirtschaftsWoche einen<br />
Bauboom in Deutschland prognostiziert<br />
– weil sich das Anlagekapital<br />
nicht mehr aus<br />
Deutschland heraustrauen<br />
werde. Kaum jemand hat mir<br />
damals geglaubt. Es dauerte<br />
Monate, bis auch andere Stimmen<br />
zu vernehmen waren, die<br />
Ähnliches sagten.<br />
Jetzt zeigt sich: Es ist tatsächlich<br />
zu diesem Boom gekommen.<br />
Von Mitte 2010 bis Mitte<br />
<strong>2013</strong> stiegen die Immobilienpreise<br />
um neun Prozent. Die Beschäftigung<br />
im Baugewerbe<br />
wuchs um 1,5 Prozent, die realen<br />
Bauinvestitionen nahmen<br />
um 4,2 Prozent zu. Die Auftragseingänge<br />
im Wohnungsbau<br />
erhöhten sich in diesem Zeitraum<br />
sogar um 36 Prozent. Die<br />
Zahl der fertiggestellten Wohnungen<br />
war 2012 um ein Viertel<br />
höher als 2010.<br />
Besonders in den Großstädten<br />
zogen die Neubaupreise an.<br />
In Berlin stiegen sie in diesen<br />
drei Jahren um knapp 40 Prozent,<br />
in Hamburg je nach Typ<br />
um 17 bis 40 Prozent, in Stuttgart<br />
um etwa 25 Prozent, in<br />
München zwischen 20 und 35<br />
Prozent und in Köln um 14 bis<br />
17 Prozent.<br />
BUNDESBANK WARNT<br />
Nun warnt die Deutsche Bundesbank<br />
vor einer Überhitzung<br />
der Märkte. Die Preissteigerungsraten<br />
besonders in den<br />
Ballungsräumen ließen sich<br />
„nur noch schwer rechtfertigen“,<br />
schreibt sie in ihrem Monatsbericht<br />
von Oktober und<br />
warnt vor „empfindlichen Ver-<br />
mögensverlusten“, obwohl sie<br />
beim Immobilienmarkt als Ganzem<br />
noch keine Überbewertungen<br />
feststellt.<br />
Geht der Bauboom also schon<br />
wieder zu Ende? War das Ganze<br />
nur ein temporäres Aufflackern?<br />
Ich glaube das nicht. Es gibt verschiedene<br />
Indikatoren dafür,<br />
dass der Boom weitergeht. Einer<br />
der wichtigsten besteht in den<br />
Auftragsbeständen der Architekten,<br />
die das ifo Institut im vierteljährlichen<br />
Rhythmus erfragt. Sie<br />
liegen heute schon wieder auf<br />
dem Niveau von 1994/95. Damals<br />
ließ der Vereinigungsboom<br />
gerade nach, war aber noch kräftig.<br />
So viel wie derzeit hatten die<br />
»Besonders in<br />
den Großstädten<br />
stiegen die<br />
Neubaupreise in<br />
den vergangenen<br />
Jahren stark an«<br />
Architekten 18 Jahre lang nicht<br />
zu tun.<br />
Ich glaube an ein baldiges Ende<br />
des Baubooms auch deshalb<br />
nicht, weil sich Immobilienblasen<br />
in der Regel etwa anderthalb Jahrzehnte<br />
aufbauen, bevor sie platzen.<br />
Der letzte deutsche Immobilienboom<br />
dauerte von Anfang der<br />
Achtzigerjahre bis Mitte des darauffolgenden<br />
Jahrzehnts. Der<br />
letzte US-amerikanische Immobilienboom<br />
erstreckte sich von Ende<br />
der Neunzigerjahre bis 2007.<br />
Die spanische Immobilienhausse<br />
zog sich von Mitte der Neunzigerjahre<br />
bis zur Lehman-Krise im<br />
Jahr 2008 hin.<br />
Ohnehin muss nicht jeder<br />
Boom zur platzenden Blase werden.<br />
Häufig gehen die Preise auf<br />
ein höheres Plateau und verharren<br />
dort für eine Weile. Selbst<br />
wenn es zum Schluss dann doch<br />
steil nach unten geht, so sind die<br />
ersten zehn Jahre der Blasenbildung<br />
meistens ganz angenehm.<br />
Hinzu kommt: Die Steigerung<br />
der Immobilienpreise war in<br />
Deutschland in den vergangenen<br />
Jahren wesentlich schwächer als<br />
in den meisten heutigen Krisenländern.<br />
Von 1997 bis 2000 nahmen<br />
die Preise zum Beginn des<br />
durch die Euro-Ankündigung ausgelösten<br />
Booms in Frankreich um<br />
19 Prozent zu, in Spanien um 24<br />
Prozent und in Irland sogar um 82<br />
Prozent.<br />
In der Zeit davor, in den Jahren<br />
2000 bis 2007, sind die deutschen<br />
Immobilienpreise – mit<br />
Schwankungen – sogar permanent<br />
gefallen, während sie in vielen<br />
anderen europäischen Ländern<br />
geradezu explodierten. Das<br />
hat einen erheblichen Nachholbedarf<br />
begründet. Noch immer sind<br />
die deutschen Preise im internationalen<br />
Vergleich nicht sonderlich<br />
hoch. So sind zum Beispiel<br />
die Preise der Wohnimmobilien in<br />
einer Metropole wie Frankfurt<br />
eher niedriger als in Barcelona,<br />
und natürlich hält keine deutsche<br />
Stadt dem Vergleich mit Paris<br />
oder London stand.<br />
Dies sind Anhaltspunkte, die<br />
sich Immobilienkäufer vor Augen<br />
führen sollten. Die Chancen<br />
auf ein Schnäppchen sind zwar<br />
heute nicht mehr so groß wie<br />
noch vor zwei Jahren. Dennoch<br />
bieten klug ausgewählte Objekte<br />
in Zuzugsgebieten auf absehbare<br />
Zeit weiterhin Chancen auf<br />
Wertsteigerungsgewinne.<br />
KEINE TRENDWENDE<br />
Natürlich sollten wir die Warnungen<br />
der Bundesbank ernst nehmen.<br />
Aber es handelt sich dabei<br />
wohl eher um den psychologischen<br />
Versuch, rechtzeitig zu<br />
bremsen. Das ist zu respektieren.<br />
Als eine privatwirtschaftlich<br />
optimale Anlageempfehlung sollte<br />
man den Bundesbankbericht<br />
aber lieber nicht interpretieren.<br />
Eine Trendwende erwarte ich<br />
erst, wenn die Europäische Zentralbank<br />
(EZB) ihre Niedrigzinspolitik<br />
beendet. Steigende Finanzierungskosten<br />
könnten den<br />
Boom jäh beenden. Aber solange<br />
der Euro existiert, ist das<br />
nicht zu erwarten – denn die<br />
Bauherren haben mit den Zentralbank-Gouverneuren<br />
der<br />
überschuldeten Südländer<br />
mächtige politische Verbündete.<br />
Diese Gouverneure sitzen allesamt<br />
im EZB-Rat und werden<br />
schon dafür sorgen, dass die<br />
monetäre Druckerpresse weiter<br />
auf Hochtouren läuft. Insofern<br />
braucht man um den Wert seiner<br />
Immobilien keine Angst zu<br />
haben, solange sich die Südländer<br />
im Euro-Verbund befinden.<br />
Hans-Werner Sinn ist Präsident<br />
des ifo Instituts und Ordinarius<br />
an der Ludwig-Maximilians-<br />
Universität in München.<br />
WirtschaftsWoche <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2013</strong> Nr. 46 47<br />
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