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kult! Formel Eins (Vorschau)

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<strong>kult</strong>!<br />

www.goodtimes-magazin.de<br />

60er · 70er · 80er<br />

D: € 6,50<br />

Österreich € 7,50<br />

Luxemburg € 7,50<br />

Schweiz CHF 12,70<br />

Ausgabe 2/2013 (Nr. 8)<br />

mit<br />

Poster<br />

Heimatfil<br />

Heimatfilme<br />

Mode<br />

Poesie-<br />

Album<br />

Romy Schneider · Marlene Dietrich · Marie Versini · Das Jahr 1963 · Nino de Angelo · Volker Lechtenbrink · 300


The legendary<br />

music TV show - now with<br />

restored and remastered sound + vision!<br />

Double value:<br />

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(in practical standard<br />

2CD size pack)<br />

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viewing pleasure<br />

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Region free.<br />

Audio selection of<br />

Mono, Stereo and<br />

5.1 Surround Sound<br />

THE BLUES BAND:<br />

‘Live At Rockpalast’ 1980<br />

REP 5283<br />

Just for A Thrill<br />

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Live<br />

REP 5247 Digipak<br />

ALVIN LEE &<br />

TEN YEARS LATER:<br />

‘Live At Rockpalast’ 1978<br />

REP 5285<br />

MICKEY JUPP:<br />

‘Live At Rockpalast’ 1979<br />

REP 5284<br />

Expertly remastered. Superb vision.<br />

Outstanding sound. The best in the business!<br />

CLIMAX BLUES BAND:<br />

‘Live At Rockpalast’ 1976<br />

REP 5282<br />

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IMPRESSUM<br />

Anschrift:<br />

NikMa Verlag<br />

Fabian Leibfried<br />

Eberdinger Straße 37<br />

71665 Vaihingen/Enz<br />

Tel: 0 70 42/37660-160<br />

Fax: 0 70 42/37660-188<br />

email: goodtimes@nikma.de<br />

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Herausgeber und Chefredakteur:<br />

Fabian Leibfried<br />

Mitarbeiter:<br />

Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Lothar<br />

Brandt, Michael Fuchs-Gamböck, Hans-<br />

Jürgen Günther, Peter Henning, Christian<br />

Hentschel, Teddy Hoersch, Hugo Kastner,<br />

Frank Küster, Bernd Matheja, Helmut Ölschlegel,<br />

Thorsten Pöttger, Philipp Roser, Roland<br />

Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz, Eckhard<br />

Schwettmann, Christian Simon, Alan Tepper,<br />

Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit, Uli Twelker,<br />

Peter Verhoff, Thomas Wachter, Jürgen Wolff<br />

Abonnements, Shop:<br />

Andrea Leibfried<br />

Grafische Gestaltung:<br />

Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />

Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Petra Czerny, anzeigen@nikma.de<br />

Vertrieb:<br />

IPS Pressevertrieb GmbH<br />

Postfach 1211<br />

53334 Meckenheim<br />

Tel: 0 22 25/88 01-0<br />

Druckerei:<br />

Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG<br />

Frankfurter Str. 168<br />

34121 Kassel<br />

Erscheinungsweise:<br />

2x jährlich<br />

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Einzelheft: 6,50 € (Preis inkl. 7% MwSt.)<br />

Abonnement:<br />

siehe Seite 89<br />

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Titelfoto:<br />

Marilyn Monroe: © Interfoto/Friedrich<br />

Der Verlag hat sich bemüht, alle Rechte -<br />

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Leider ist dies nicht in allen Fällen gelungen.<br />

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ihre Ansprüche geltend machen. GoodTimes<br />

<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />

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aller in GoodTimes <strong>kult</strong>! erschienenen<br />

Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc.<br />

nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />

gestattet.<br />

Gerichtsstand: Stuttgart<br />

Willkommen bei<br />

<strong>kult</strong>!<br />

Fabian Leibfried<br />

-Herausgeber/Chefredakteur-<br />

Das 30-jährige Jubiläum der TV-Musiksendung <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />

"<br />

spielt in dieser <strong>kult</strong>!-Ausgabe eine wichtige Rolle, symbolisierte<br />

sie doch Anfang der 80er Jahre eine wichtige Zeitenwende in der<br />

Musikwelt. Diese neuartige Präsentation von Liedern mit Hilfe<br />

von Videoclips hatte ein Jahr zuvor mit dem Start von MTV auf fbreiter Front tbe-<br />

gonnen, war über die bis dahin nur gelegentliche Form der Visualisierung von Songs<br />

hinausgegangen. In Deutschland trat sie dank <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" und Moderator Peter<br />

"<br />

Illmann – die Bezeichnung VJ (Video-Jockey) kam erst später auf – ihren Siegeszug<br />

an. In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende spielten Videos dann eine immer<br />

geringere Rolle, sie gewannen erst wieder mit dem Erfolg von youtube wieder an<br />

Bedeutung. Was aber eine ganz andere Geschichte wäre ...<br />

Anfang der 80er Jahre veränderten Videos die Wahrnehmung von Songs radikal.<br />

"Video Killed The Radio Star" war der Song, den die Buggles (Geoff Downes, Trevor<br />

Horn) bereits 1979 kreiert hatten und der zum Sendestart von MTV am 1. August<br />

1981 um 0.01 Uhr als Videoclip über die Bildschirme flimmerte. Dieses Stück brachte<br />

(bei aller Übertreibung des Titels) die Entwicklung metaphorisch auf den Punkt:<br />

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man Lieder im Radio gehört, in der eigenen Fantasie<br />

Bilder dazu entwickelt. Man verband bestimmte persönliche Jugenderlebnisse (erster<br />

Kuss, wilde oder sanfte Party-Erlebnisse und dergleichen) mit bestimmten Liedern.<br />

Santanas Schmuse-Instrumental "Samba Pa Ti" beispielsweise dürfte für viele Heranwachsende<br />

in den 70er Jahren unvergesslich bleiben ...<br />

Doch mit dem Aufkommen von Videos hörte man Lieder nicht mehr, man sah" sie. "<br />

Hast du schon die oder jene Nummer gesehen" gehörte damals schnell zur Alltagssprache.<br />

Man hatte nicht mehr die selbst entworfenen Bilder vor dem geistigen Auge,<br />

"<br />

sondern diejenigen, die mehr oder weniger einfallsreiche Videokünstler mit den Tönen<br />

mitlieferten. Wie dies zu bewerten ist, müssen Sie, liebe Leserinnen und Leser,<br />

für sich selbst beurteilen – aber darüber kurz mal nachzudenken, ist die Sache wert.<br />

Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der neuen <strong>kult</strong>!-Ausgabe viel Vergnügen, Schwelgen<br />

in Erinnerungen – und lassen Sie uns wissen, welche Themen Sie in einem der<br />

nächsten Hefte gerne aufgegriffen sähen!<br />

mit<br />

Poster<br />

<strong>kult</strong>! Nr. 9 erscheint<br />

am 18.10.2013<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 3


Ausgabe April 2013<br />

2/2013 (Nr. 8)<br />

INHALT<br />

<strong>kult</strong>!<br />

60er · 70er · 80er<br />

RUBRIKEN<br />

3 Editorial/Impressum<br />

4 Inhaltsverzeichnis<br />

5 Top 5: <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>-Hits<br />

Mitarbeiter<br />

6 News from the past<br />

Altes neu ausgepackt<br />

13 <strong>kult</strong>! Shop<br />

89 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />

47 Marilyn Monroe/<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong><br />

Riesenposter<br />

Seite 14<br />

Seite 21<br />

Seite 26<br />

Seite 24<br />

14 Tarzan<br />

Der Unsterbliche aus dem Dschungel<br />

18 Hugo Kastner<br />

Der Mann, der dem Wilden Westen Gesichter gab<br />

21 ZDF-Hitparade<br />

Heck und die Hitparade: spartanisch, aber live<br />

23 Dieter Thomas Heck<br />

Interview<br />

24 Buck Danny<br />

Seit 65 Jahren am Steuerknüppel und kein<br />

bisschen grauer<br />

26 <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong><br />

Jede Woche Clips aus einer Anarcho-Kulisse<br />

28 Peter Illmann<br />

Interview<br />

30 Alfa Romeo<br />

Als der Autofahrer sein Herz an Giulia" verlor<br />

"<br />

32 Nino de Angelo<br />

Interview<br />

34 Kultbücher<br />

Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

36 Marlene Dietrich & Romy Schneider<br />

Deutschlands größte Filmdiven –<br />

Als Marlene Romys Dealer wurde<br />

40<br />

" 300" und Der Löwe von Sparta"<br />

"<br />

Auf den Spuren von König Leonidas<br />

44 U-Comix<br />

Der Underground mischt die Superhelden auf<br />

70er<br />

TV-Serien<br />

Seite 56<br />

Seite 30<br />

Seite 72<br />

Seite 82 Seite 36<br />

Mode<br />

Seite 44<br />

Seite 40<br />

56 TV-Krimi-Serien der 70er (Teil 2)<br />

Fernsehen mit Suchtgefahr<br />

60 Marie Versini<br />

Interview<br />

62 Heimatfilme<br />

Verschmäht und geliebt<br />

68 Spaghetti-Western<br />

Als Spaniens Süden der Wilde Westen war<br />

72 Sennheiser<br />

Generation Gelb:<br />

Der Siegeszug eines Kopfhörers<br />

74 Das Jahr 1963<br />

Postraub, Buli, JFK<br />

78 Sammelbilder<br />

Vom Kaufanreiz zum Objekt der Begierde<br />

80 Volker Lechtenbrink<br />

Interview<br />

82 Mode-Serie – 50er Jahre (Teil 1)<br />

Petticoat & Pomade wieder heiß begehrt<br />

86 The Beat Generation<br />

Provokation – Umwälzung – Freiheit<br />

90 Die Geschichte des Poesiealbums<br />

Edel sei der Mensch, hilfreich und gut"<br />

"<br />

92 Mission: Impossible<br />

Unmöglicher Auftrag:<br />

Seit 46 Jahren wird ermittelt<br />

94 Caroline Munro<br />

Die Schöne und die Biester<br />

96 Ronnie Scott's Jazz Club<br />

Frühbucher haben die besten Karten<br />

98 Alfred Biolek<br />

Interview<br />

Seite 4 ■ GoodTimes 2/2013


TOP 5<br />

<strong>kult</strong>!<br />

HITS<br />

1. Billy Idol – White Wedding<br />

2. Flash & The Pan – Early Morning Wake Up Call<br />

3. New Order – Blue Monday<br />

4. Slade – My Oh My<br />

5. Alice Cooper – Poison<br />

Fabian Leibfried<br />

1. Ray Parker Jr. – Ghostbusters<br />

2. Jennifer Warnes & Joe Cocker – Up Where We Belong<br />

3. Billy Ocean – When The Going Gets Tough The Tough Gets Going<br />

4. Michael Jackson – Thriller<br />

5. Berlin – Take My Breath Away<br />

Roland Schäfli<br />

1. Queen – I Want It All<br />

2. <strong>Eins</strong>türzende Neubauten – Engel der Vernichtung<br />

3. W.A.S.P. – Blind In Texas<br />

4. REO Speedwagon – Can't Fight This Feeling<br />

5. Ixi – Detlef<br />

Jens-Uwe Berndt<br />

1. Chris Isaak – Dancin'<br />

2. Jimmy Nail – Love Don't Live Here Anymore<br />

3. Pasadenas – Riding On A Train<br />

4. Will Downing – A Love Supreme<br />

5. Cure – Lullaby<br />

Oliver Schuh<br />

1. Rolling Stones – She Was Hot<br />

2. Pete Townshend – Face To Face<br />

3. Honeydrippers – Good Rocking At Midnight<br />

4. B.B. King – Into The Night<br />

5. Rio Reiser – König von Deutschland<br />

Horst Berner<br />

1. Wall Of Voodoo – Mexican Radio<br />

2. Tears For Fears – Mad World<br />

3. Whodini – The Haunted House Of Rock<br />

4. Righeira – Vamos A La Playa<br />

5. VOF. de Kunst (The Art Company) – Susanna<br />

Ulrich Schwartz<br />

1. Chris Isaak – Wicked Game<br />

2. Vaya Con Dios – Nah Neh Nah<br />

3. George Michael – Freedom<br />

4. Prince – Bat Dance<br />

5. Ärzte – Bitte Bitte<br />

Lothar Brandt<br />

1. Pat Benatar – Love Is A Battlefield<br />

2. Herbie Hancock – Rockit<br />

3. Elvis Costello – Everyday I Write A Book<br />

4. Geier Sturzflug – Bruttosozialprodukt<br />

5. Billy Idol – White Wedding<br />

Eckhard Schwettmann<br />

1. America – The Last Unicorn<br />

2. Joachim Witt – Märchenblau<br />

3. Kraftwerk – Tour De France<br />

4. Police – Wrapped Around Your Finger<br />

5. Spandau Ballet – Only When You Leave<br />

Michael F.-Gamböck<br />

1. Righteous Brothers – Unchained Melody<br />

2. Dire Straits – Money For Nothing<br />

3. Tina Turner – Steamy Windows<br />

4. Elton John – Club At The End Of The Street<br />

5. Paul McCartney – Happy Birthday<br />

Christian Simon<br />

1. Joe Jackson – Steppin' Out<br />

2. Spandau Ballet – Gold<br />

3. Cyndi Lauper – Time After Time<br />

4. Sade – Smooth Operator<br />

5. Sister Sledge – Lost In Music<br />

Peter Henning<br />

1. Cure – Pictures Of You<br />

2. John Lee Hooker – The Healer<br />

3. Tracey Ullman – Breakaway<br />

4. Bill Withers – Ain’t No Sunshine<br />

5. Paul McCartney – Figure Of Eight<br />

Alan Tepper<br />

1. Michael Jackson – Beat It<br />

2. David Bowie – Fame 90<br />

3. Was (Not Was) – Papa Was A Rolling Stone<br />

4. Robert Palmer – You're In My System<br />

5. David Bowie – China Girl<br />

Teddy Hoersch<br />

1. Mike Oldfield – Moonlight Shadow<br />

2. Van Halen – Jump<br />

3. Kraftwerk – Musique Non Stop<br />

4. Pet Shop Boys – It's A Sin<br />

5. Murray Head – One Night In Bangkok<br />

Jörg Trüdinger<br />

1. Erasure – Ship Of Fools<br />

2. Frankie Goes To Hollywood – The Power Of Love<br />

3. Foreigner – I Wanna Know What Love Is<br />

4. Pet Shop Boys – West End Girls<br />

5. Patrick Swayze – She's Like The Wind<br />

Andrea Leibfried<br />

1. Falco – Jeanny<br />

2. Madonna – Like A Virgin<br />

3. David Bowie – Let's Dance<br />

4. Patrick Swayze – She's Like The Wind<br />

5. Vanessa Paradis – Joe Le Taxi<br />

Claudia Tupeit<br />

1. Black – Everything's Coming Up Roses<br />

2. Cutting Crew – (I Just) Died In Your Arms<br />

3. Billy Joel – The Downeaster Alexa' '<br />

4. T'Pau – Heart And Soul<br />

5. Duran Duran – The Wild Boys<br />

Thorsten Pöttger<br />

1. Robert Palmer & UB 40 – I'll Be Your Baby Tonight<br />

2. Hollies – Stop! In The Name Of Love<br />

3. Linda Ronstadt & Aaron Neville – Don't Know Much<br />

4. Agnetha Fältskog – Wrap Your Arms Around Me<br />

5. Roger Chapman & The Shortlist – How How How<br />

Uli Twelker<br />

1. Whitesnake – Here I Go Again<br />

2. Pretenders – Back On The Chain Gang<br />

3. Geier Sturzflug – Bruttosozialprodukt<br />

4. Sigue Sigue Sputnik – Love Missile F1-11<br />

5. Robert Palmer – Addicted To Love<br />

Philipp Roser<br />

1. Jennifer Warnes & Joe Cocker – Up Where We Belong<br />

2. Geier Sturzflug – Besuchen Sie Europa<br />

3. Tracey Ullman – My Guy<br />

4. Wolf Maahn & Die Deserteure – Fieber<br />

5. Die Toten Hosen – Hier kommt Alex<br />

Jürgen Wolff<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 5


from the past<br />

1001 COMICS, DIE SIE<br />

LESEN SOLLTEN, BEVOR<br />

DAS LEBEN VORBEI IST<br />

Von Paul Gravett<br />

2012, Edition Olms<br />

ISBN 978-3-28301-157-4<br />

960 Seiten; 29,95 Ð<br />

In der vorzüglichen 1001"-Reihe sind bislang<br />

"<br />

unter anderem Bände über Filme, Alben, Gemälde<br />

oder Bücher erscheinen. Mit der aktuellen<br />

Publikation, für<br />

die 68 Experten aus<br />

verschiedenen Ländern<br />

Texte verfassten, wird<br />

ein Medium geehrt, das<br />

sich trotz aller Trends<br />

einen beständigen Fankreis<br />

bewahrt hat – die<br />

wunderschöne, meist<br />

kunterbunte Welt der<br />

Comics. Von den allerfrühesten Anfängen bis in<br />

das Jahr 2011 führt die Reise, bei der tatsächlich<br />

1001 Comics vorgestellt werden. Da es sich um<br />

eine britische Publikation handelt, die übersetzt<br />

wurde, liegt der Schwerpunkt natürlich bei den<br />

anglo-amerikanischen Titeln, wobei aber nicht<br />

die belgisch-französische Szene, Japan oder<br />

Deutschland vergessen werden. Neben einem<br />

umfangreichen Text zu jedem Titel begeistern<br />

die exakten Quellenangaben. Die Fantastischen<br />

Vier, Nick Knatterton, Fritz The Cat, Asterix,<br />

Marvel und DC – sie alle werden hier gewürdigt.<br />

SHERLOCK HOLMES<br />

FÄLLE 1–3<br />

Mit Christian Rode als<br />

Sherlock Holmes und Peter<br />

Groeger als Doctor Watson<br />

sind diese Hörspiele aus<br />

dem Hause Romantruhe sozusagen<br />

die Weiterführung<br />

der Maritim"-Krimireihe, die sich von 2003<br />

"<br />

bis 2011 auf Top-Niveau den klassischen Abenteuern<br />

der beiden Kult-Detektiven widmete.<br />

Beim ersten Fall, Besuche eines Gehenkten",<br />

"<br />

bittet der ehrbare Buchdrucker Alan Fenwick<br />

die beiden Kriminalisten um Hilfe, weil er<br />

nachts von einem ruchlosen Raubmörder, der<br />

allerdings schon vor Jahren hingerichtet wurde,<br />

heimgesucht wird. Fall zwei, Die Gesellschaft<br />

des Schreckens",<br />

führt Holmes und Watson<br />

mitten hinein in eine ebenso<br />

geheimnisvolle wie mörderische<br />

Vereinigung. Um die<br />

" tödlichen Rätsel rund um<br />

diese Gesellschaft aufzulösen,<br />

müssen die beiden<br />

ihr eigenes Leben aufs<br />

Spiel setzen. Der neueste<br />

Fall, Die betrogenen<br />

" Titanic-Passagiere", spielt<br />

DAS GROSSE LEGO BUCH<br />

in Southhampton. Hier soll einmal der Stolz<br />

" Neukolorierte Ausgabe 2013" im Impressum. Sergeant Dennis Becker,<br />

der White-Star-Reederei, die Titanic, zu ihrer<br />

Jungfernfahrt auslaufen. Noch ist das Schiff<br />

nicht fertiggebaut, da scheinen einige Familien<br />

aus armen Verhältnissen einem gewieften und<br />

gewissenlosen Schwindler auf den Leim gegangen<br />

zu sein, hat der sich ihr mühsam Erspartes<br />

Von Joachim Klang und Oliver Albrecht<br />

2012, Heel Verlag<br />

ISBN 978-3-86852-542-7<br />

400 Seiten; 19,99 Ð<br />

Legosteine gehören auch heute noch zum Inventar<br />

jedes Kinderzimmers. Und selbst so<br />

– und damit ihr Startkapital für ein Leben in mancher Erwachsene<br />

der neuen Welt – dreist unter den Nagel gerissen.<br />

Doch natürlich hat er seine Rechnung ohne<br />

Sherlock Holmes und Doctor Watson gemacht!<br />

(Romantruhe/Rough Trade, 95 Min. +<br />

100 Min. + 70 Min.)<br />

ist den bunten Steinen<br />

immer noch verfallen<br />

und lässt sich von seinen<br />

Kindern oder Enkeln<br />

zum kreativen Bauen animieren.<br />

Doch landen die<br />

ASTERIX<br />

ALLE BÄNDE NEU KOLORIERT<br />

Von René Goscinny und Albert Uderzo<br />

2013, Egmont Ehapa Verlag<br />

je 48 Seiten; 6,50 Ð<br />

Steine beim Aufräumen<br />

irgendwann mal in der<br />

großen Kiste, dann fehlt<br />

meist das, was die beiden Lego-Experten Joachim<br />

Klang und Oliver Albrecht in ihrem umfangreichen<br />

Buch zusammengetragen haben:<br />

Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz<br />

"<br />

Gallien ist von den Römern besetzt ... Ganz Ideen! So liefert Das große Lego Buch" eine<br />

"<br />

Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern Fülle von Vorschlägen, um aus dem zusammengewürfelten<br />

bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling<br />

Widerstand zu<br />

leisten. Und das Leben<br />

ist nicht leicht für die römischen<br />

Legionäre, die<br />

als Besatzung in den befestigten<br />

Lagern Babaorum,<br />

Aquarium, Laudanum<br />

und Kleinbonum<br />

liegen": So beginnen<br />

seit 1968 (im französischen<br />

Original seit 1961) alle Asterix-Bände.<br />

Zahllose Abenteuer hat der clevere Gallier<br />

seither bestanden, tatkräftig unterstützt von<br />

Freunden wie dem Hinkelstein-Fabrikanten<br />

Obelix, dem Dorfchef Majestix, Miraculix<br />

(der für den Zaubertrank verantwortlich ist)<br />

Sammelsurium eine völlig neue<br />

Welt entstehen zu lassen. Mit Hilfe detaillierter<br />

Aufbauanleitungen (inkl. Stückliste) widmen<br />

sich die Autoren zunächst kleinen Modellen wie<br />

Autos, Bagger, Lastwagen oder E-Loks, zeigen,<br />

wie man das notwendige Beiwerk wie Laubund<br />

Nadelbäume zusammenbaut, um dann<br />

bei den richtig großen Gebäuden – wie einem<br />

pompösen Kaufhaus oder einem Bahnhof – zu<br />

landen. Keine Frage, dass hier mit etwas Erfindungsreichtum<br />

der Fantasie keine Grenzen<br />

gesetzt sind. Die Königsdisziplin für alle Lego-<br />

Baumeister wartet dann am Ende des dicken<br />

Wälzers. Dort kann man seine Fähigkeiten an<br />

den Step-by-Step-Anleitungen zahlreicher Profimodelle<br />

erproben – vom Ferrari Testarossa<br />

über einen Monstertruck mit verchromtem Tank<br />

oder der (seit dem Band Tour de France") und voluminösen Auspuffrohren, ein charakteristisches,<br />

gelb-schwarzes New Yorker Taxi<br />

"<br />

unverzichtbaren Mithilfe des Hündchens<br />

Idefix. Sie besuchten dabei ferne Länder wie<br />

Ägypten, Griechenland, Spanien, Korsika<br />

bis zu einem wunderschönen amerikanischen<br />

Cabrio aus den 50er Jahren.<br />

oder das Morgenland, wagten in einer großen<br />

Überfahrt sogar den Sprung nach Amerika,<br />

nur um am Ende jedes Bandes wieder glücklich<br />

zu Hause anzukommen und das gerade<br />

bestandene Abenteuer mit einem rauschenden<br />

Bankett – Hauptspeise: Wildschwein am Spieß<br />

– zu feiern. Nun hat der Egmont Ehapa Verlag<br />

alle 35 Bände neu aufgelegt. Neben der<br />

Umstellung auf digitale Drucktechnik wurden<br />

manche Farben angepasst, einige sogar neu<br />

koloriert und die Umschlagbilder der Bände<br />

1,5 und 9 von Uderzo neu gestaltet. Das Buchstabenbild<br />

wurde dem französischen Original<br />

angeglichen, die Übersetzung 1:1 von den<br />

ursprünglichen Bänden übernommen. Insgesamt<br />

wirken die neukolorierten Alben farblich<br />

wesentlich frischer und moderner. Die neukolorierten<br />

Hefte erkennt man an dem Zusatz<br />

DETEKTIV ROCKFORD<br />

THE ORIGINAL MOVIES 1+2<br />

James Scott Rockford, meist nur kurz Jim genannt,<br />

verbrachte fünf Jahre unschuldig im<br />

Knast in San Quentin. Nach seiner Entlassung<br />

verdient er sich seine Brötchen als Privatdetektiv.<br />

Er wohnt am Strand von Malibu, Paradise<br />

Cove Road 29, in einem Wohnwagen –<br />

gleichzeitig auch sein Büro.<br />

Bei seinen Ermittlungen<br />

unterstützen ihn sein Vater<br />

Rocky, seine Freundin<br />

(und Rechtsanwältin) Beth<br />

und sein ehemaliger Mithäftling<br />

Angel. Sein alter<br />

Freund, der stets überarbeitete<br />

und genervte Polizist<br />

Seite 6 ■ GoodTimes 2/2013


hilft – obwohl ständig um seinen<br />

Job besorgt – Rockford<br />

immer wieder, lässt ihn zur<br />

Not auch mal einen Blick in<br />

die polizeilichen Ermittlungsakten<br />

werfen. Für ein Honorar<br />

von 200 Dollar pro Tag plus<br />

Spesen hilft Rockford seinen<br />

Klienten – doch oft können<br />

seine Kunden ihm nicht einmal<br />

diesen Betrag bezahlen. Das ist der Plot, um<br />

den Mitte der 70er in den USA die Krimiserie<br />

The Rockford Files" ausgestrahlt wurde, in<br />

"<br />

Deutschland lief die Serie unter dem Titel Detektiv<br />

Rockford – Anruf genügt". Mit James "<br />

Garner (Rockford), Joe Santos (Becker), Stuart<br />

Margolin (Angel) und Gretchen Corbett<br />

(Beth) war diese Serie mit tollen Charakteren<br />

besetzt. In zwei separaten Boxen (mit jeweils<br />

vier einzeln verpackten DVDs) erscheinen<br />

jetzt die acht Serien-Specials in Spielfilmlänge,<br />

die zwischen 1994 und 1999 in der Originalbesetzung<br />

(bis auf den verstorbenen Noah<br />

Beery, der Rockfords Vater spielte) entstanden<br />

sind. Natürlich bietet diese längere Spielzeit<br />

pro Folge wesentlich größere Möglichkeiten,<br />

die Kriminalfälle zu entwickeln, ein Potenzial,<br />

das James Garner & Co. hervorragend<br />

ausnutzten ...<br />

(Explosive Media/Alive, Spr.: Deutsch,<br />

Englisch, 349 Min. + 348 Min.)<br />

DER SCHATZ IM SILBERSEE<br />

EINE ERFOLGSGESCHICHTE DES<br />

DEUTSCHEN FILMS<br />

Von Reinhard Weber und Solveig Wrage<br />

2012, Reinhard Weber Fachverlag<br />

ISBN 978-3-94312-701-0<br />

98 Seiten; 21,00 Ð<br />

Gewohnt ausführlich,<br />

fachlich fundiert und<br />

kurzweilig widmet sich<br />

der Fachverlag für Filmliteratur<br />

der Erfolgsgeschichte<br />

eines der berühmtesten<br />

deutschen<br />

Filme der Nachkriegszeit,<br />

dem Schatz im Silbersee".<br />

Mit dem Schöpfer der Romanvorlage,<br />

mit einem Kapitel zu Karl May, beginnt dieses<br />

"<br />

Buch. Führt dann über den Produktionsvorlauf,<br />

in dessen Zuge man erfährt, dass es nicht wenige<br />

gab, die diesem Projekt ein glorreiches Scheitern<br />

vorhersagten, über die Auswahl der Schauspieler,<br />

die Dreharbeiten in Jugoslawien bis zur<br />

Filmanalyse. Also bis zu jener riesigen Erfolgswelle,<br />

die Der Schatz im Silbersee" verdientermaßen<br />

auslöste. Neben der puren Faktenfülle<br />

"<br />

dieses Buches sind es die äußerst lesenswerten,<br />

oft nebensächlichen Anekdoten, die einen von<br />

Beginn an fesseln: Wie Horst Wendlandts Sohn<br />

Matthias seinen Papa dazu auffordert, mit Karl<br />

May "<br />

endlich mal was anderes als die ewigen<br />

Edgar-Wallace-Filme" zu drehen, wie sich in<br />

den ersten Drehtagen herausstellt, dass Pierre<br />

Price (Winnetou) nicht reiten kann, wie Lex<br />

Barker sich darüber beschwert, dass seine Filmfigur<br />

Old Shatterhand viel zu viel spricht, welche<br />

weiteren Auswirkungen sich Ralf Wolter<br />

von seiner Rolle als Sam Hawkens verspricht ...<br />

Kurz und knapp: ein tolles Buch!<br />

KILLING KENNEDY<br />

DAS ENDE DES AMERIKANISCHEN<br />

TRAUMS<br />

Von Bill O’Reilly mit Martin Dugard<br />

2013, Droemer<br />

ISBN 978-3-42627-612-9<br />

400 Seiten; 19,99 Ð<br />

J.F. Kennedy galt als die amerikanische<br />

Hoffung und stand für ein modernes und offenes<br />

Amerika. Das am<br />

22. November 1963 in<br />

Dallas auf ihn verübte<br />

Attentat hat die USA in<br />

ihren Grundfesten erschüttert<br />

und wird auch<br />

heute noch von mehr<br />

oder weniger glaubwürdigen<br />

Verschwö -<br />

rungstheorien umrankt.<br />

Der Doku-Thriller schildert<br />

die darauf zulaufenden Ereignisse, beginnend<br />

im Zweiten Weltkrieg, dokumentiert<br />

die Kuba-Krise und beschreibt die politischen<br />

Verhältnisse im letzen Lebensjahr Kennedys.<br />

Die gelungene Verflechtung von Fakten, Originaltönen,<br />

Fotomaterial, Landkarten und dem<br />

erzählend angelegten Text lässt die damalige<br />

Zeit plastisch wiederauferstehen. Ein spannendes<br />

Kapitel der modernen Geschichte, das<br />

eigentlich jeder kennen muss, um das aktuelle<br />

Zeitgeschehen zu verstehen.<br />

DIE DUCKS IN<br />

DEUTSCHLAND<br />

2013, Egmont Ehapa Verlag<br />

ISBN 978-3-7704-3720-7<br />

130 Seiten; 9,99 Ð<br />

Quer durch Deutschland führt die Familie<br />

Duck die Suche nach dem sagenumwobenen<br />

Schatz der Gräfin von Tarn und Tuxis. Die<br />

Spur führt sie in acht Kapiteln von Berlin über<br />

Hamburg, das Ruhrgebiet, et, München, Frankfurt,<br />

Köln, Stuttgart und<br />

Dresden wieder zurück<br />

nach Berlin. Wird sie<br />

das Wettrennen gegen<br />

den Dauerrivalen Klaas<br />

Klever gewinnen? Im<br />

August 2012 startete<br />

die Serie Die Ducks<br />

"<br />

in Deutschland" im<br />

Micky-Maus-Magazin.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 7<br />

Die Entenfamilie reis te durchs Land – und<br />

ihre Fans reisten mit! Jetzt gibt es das komplette<br />

Abenteuer erstmals in einem Band,<br />

aufgestockt um zusätzliches Comic-Material<br />

und exklusive Einblicke in die Entstehungsgeschichte<br />

dieser Comicserie.<br />

DRECKIGE SPAGHETTI<br />

DIE GLORREICHE GESCHICHTE DES<br />

ITALO-WESTERN<br />

Von Uwe Lilling<br />

2012, Hannibal Verlag<br />

ISBN 978-3-85445-382-6<br />

245 Seiten; 49,99 Ð<br />

Clint Eastwood, Lee Van Cleef, Charles Bronson,<br />

Henry Fonda, Franco Nero, Sergio Leone, Duccio<br />

Tessari, Sergio Corbucci, Quentin Tarrantino<br />

– der Sound von Ennio Morricone. Der Italo-Western<br />

ist und war weit mehr als nur eine kurzzeitige<br />

Randnotiz der Kinogeschichte, er hat überall<br />

seine Brandzeichen in unserer populären Kultur<br />

hinterlassen. Natürlich in stilechtem Breitwandformat<br />

ist dieses herrliche Buch die wohl schönste<br />

– und noch dazu eine äußerst umfangreiche –<br />

Hommage an Filme wie Spiel mir das Lied vom<br />

"<br />

Tod", Für eine Handvoll Dollar" oder Django".<br />

" "<br />

Rund 500 Filme entstanden in der Blütezeit des<br />

Spaghetti-Westerns, ein fast unüberschaubares<br />

Panorama an Klassikern, aber auch bizarren Außenseitern<br />

– raue Bastarde, mutige Experimente<br />

und zahllose, verborgene Perlen. Über die Historie,<br />

den Stil,<br />

den Helden und<br />

Frauen geht es<br />

bis zum Mythos<br />

dieser Filme,<br />

im umfangreichen<br />

Lexikon<br />

werden die<br />

wichtigsten Personen und Begriffe, aber auch<br />

Phänomene und Randgeschichten aufgelistet.<br />

In einem Interview erzählt Regisseur Quentin<br />

Tarrantino über seine (Italo-Western-)Vorbilder,<br />

eine herrlich anzusehende Bildergalerie liefert<br />

Szenenbilder, Plakate und Raritäten. Eine tolle<br />

Idee auch der beiliegende Nachdruck des historischen<br />

Programmheftes Illustrierter Film-<br />

"<br />

Kurier", das 1965 zur Deutschland-Premiere von<br />

Für ein paar Dollar mehr" erschienen ist. Eine<br />

"<br />

großartige Hommage!<br />

INVASION VON DER WEGA<br />

Im ZDF wurde diese Serie ( "<br />

The Invaders")<br />

von Larry Cohen zwischen April 1970 und Januar<br />

1971 jeweils dienstags um 21.05 Uhr ausgestrahlt.<br />

Im amerikanischen Original bestand<br />

sie aus 43 Folgen, für die damals knapp die<br />

Hälfte – 20 Stück – fürs deutsche Fernsehen<br />

synchronisiert wurde. Diese Folgen gibt es<br />

nun zusammengefasst auf sechs DVDs in einer<br />

Box, deren 16-seitiges, deutsches Booklet<br />

mit der ausführlichen Geschichte hinter die-


from the past<br />

ser Serie sowie kurzen Zusammenfassungen<br />

zu jeder Folge aufwartet. Dabei geht es um<br />

den Architekten David Vincent (gespielt von<br />

Roy Thinnes), der auf<br />

der Heimfahrt von einer<br />

Geschäftsreise dazu gezwungen<br />

ist, in einer abgelegen<br />

Gegend im Auto<br />

zu übernachten. Diese<br />

Nacht ist der Auftakt<br />

eines Alptraumes, den<br />

er nie vergessen wird:<br />

Von blinkenden Lichtern<br />

aus dem Schlaf gerissen, wird er Zeuge, wie<br />

ein fremdartiges, scheibenförmiges Objekt<br />

aus dem All auf der Erde landet. Als er dies<br />

am nächsten Morgen bei der Polizei meldet,<br />

sind alle Spuren verschwunden, und selbst<br />

die mysteriösen Ereignisse, die kurz darauf<br />

beginnen, führen nicht dazu, dass die Behörden<br />

ihm Glauben schenken. Als dann auch<br />

noch Vincents Freund und Geschäftspartner<br />

Alan Landers von den vermeintlichen Aliens<br />

getötet wird, schwört er sich, keine Sekunde<br />

zu ruhen, bis er Beweise für die Invasion der<br />

Außerirdischen findet. Neben den 20 Folgen<br />

(nicht synchronisierte Szenen wurden mit Untertiteln<br />

versehen) gibt es mit US-TV-Trailer,<br />

einer Langfassung der Pilotfolge, Audiokommentar<br />

von Larry Cohen und einem Interview<br />

mit Hauptdarsteller Roy Thinnes noch reichhaltiges<br />

Bonus-Material.<br />

(Spelling Entertainment/Alive, 1000 Min.)<br />

GANGSTER SQUAD<br />

KNALLHARTE COPS, DIE MAFIA<br />

UND DIE SCHLACHT UM L.A.<br />

Von Paul Lieberman<br />

2013, Hannibal Verlag<br />

ISBN 978-3-85445-405-2<br />

496 Seiten; 19,99 Ð<br />

Anfang dieses Jahres<br />

lief in allen Kinos der<br />

Film Gangster Squad",<br />

"<br />

der auf der akribischen<br />

Recherche des Journalisten<br />

Paul Lieberman<br />

basierte. Allerdings<br />

wurde – wie bei fast<br />

allen Hollywoodstreifen<br />

– die Realität kräftig<br />

zurechtgebogen. Das Buch hhingegen ist ein<br />

ungemein spannender True-Crime-Reißer,<br />

gespickt mit Wissen. Er schildert die illegal<br />

operierende Gangster Squad in den 40er und<br />

50er Jahren des letzten Jahrhunderts, insgesamt<br />

acht Cops, die dem berüchtigten Mafioso<br />

Mickey Cohen das Handwerk legten – wofür<br />

sie allerdings einige Jahre brauchten. Die Geschichte<br />

der Stadt der Engel", der berühmten<br />

"<br />

Filmstudios und des organisierten Verbrechens<br />

wurde bislang noch nie so detailgetreu,<br />

aber trotzdem unterhaltsam präsentiert.<br />

Eigens für Maschinengewehre hergestellte<br />

Geigenkoffer (gab es tatsächlich), Auftragsmorde<br />

der Mafia zu Beginn des Jahrhunderts,<br />

verübt auf einem Fahrrad (so geschehen) oder<br />

korrupte Beamte, die ihre Puffmutter besser<br />

kennen als die eigene Frau (da gab es einige)<br />

tragen zu einem schillernden Bild bei. Ein<br />

künftiger Klassiker!<br />

LEE MARVIN<br />

Von Robert J. Lentz<br />

2012, Reinhard Weber Fachverlag<br />

ISBN 978-3-94312-702-7<br />

192 Seiten; 29,00 Ð<br />

35 Jahre lang war Lee Marvin als Schauspieler<br />

tätig (bei seiner ersten Hauptrolle war er<br />

schon 40 Jahre alt!) und drehte 60 Filme.<br />

Einige davon sind Klassiker, die meisten<br />

wenigstens qualitativ<br />

gut, und nur wenige<br />

sind ziemlich dürftig.<br />

Als Schauspieler<br />

war Marvin bei seinen<br />

Kollegen und beim Publikum<br />

gleichermaßen<br />

hochgeachtet, denn<br />

wenngleich man ihn oft<br />

mit der Aussage zitiert,<br />

dass<br />

" Schauspielern<br />

eine alberne Art ist, sich seinen Lebensunterhalt<br />

zu verdienen", nahm er jede Rolle ernst<br />

und hatte ein untrügliches Gespür dafür, was<br />

man vor der Kamera zeigen und was man besser<br />

lassen sollte. Wie von den hervorragenden<br />

Büchern aus dieser Reihe gewohnt, begibt<br />

sich auch der Lee-Marvin-Band zunächst auf<br />

eine chronologische Reise durch alle Filme<br />

Marvins. Inklusive aller Beteiligten vor und<br />

hinter der Kamera, ausführlicher Filmstory<br />

sowie Kritiker- und Publikumsresonanz. Er<br />

begann seine Karriere in einer Militärrolle,<br />

in seinem zweiten Film Teresa" ist er genau<br />

"<br />

fünf Sekunden im Bild zu sehen, im dritten<br />

Film Hongkong" dürfte die Sequenz sogar<br />

"<br />

noch etwas kürzer sein! Doch dann ging es<br />

über Spionagethriller, erste Western, Krimis<br />

und Kriegsfilme steil bergauf mit seiner Karriere.<br />

Immer öfter wurde Marvin für Rollen<br />

in den ganz großen Hollywood-Produktionen<br />

wie Die Caine war ihr Schicksal", Der<br />

" "<br />

Mann, der Liberty Wallace erschoss" oder<br />

Cat Balou – Hängen sollst du in Wyoming"<br />

"<br />

ausgewählt. Bis er dann in Filmen wie Lawinenexpress",<br />

Gorky Park" oder Yukon"<br />

" "<br />

"<br />

mit seinem charakteristischen, unspektakulären<br />

Stil ganze Filme dominierte. Mit zahlreichen<br />

Szenebildern und Filmplakaten, einer<br />

detaillierten Auflistung seiner Bühnen- und<br />

Fernsehauftritte und umfangreichem Personenregister<br />

wird dieses äußerst informative<br />

Buch hochwertig abgerundet.<br />

DER TOD KOMMT NACH<br />

PEMBERLEY<br />

Von P.D. James<br />

2013, Droemer<br />

ISBN 978-3-42619-962-6<br />

384 Seiten; 19,99 Ð<br />

P.D. James zählt zu den eher<br />

konservativen britischen<br />

Krimi-Autoren, was bei der<br />

aktuellen Blutrünstigkeit<br />

des Genres durchaus positive<br />

Aspekte hat. Nun hat<br />

sie, basierend auf dem Klassiker Stolz und "<br />

Vorurteil" von Jane Austen, einen historischen<br />

Roman verfasst, bei dem die Personen ihrer<br />

Lieblingsschriftstellerin wieder auftauchen<br />

und deren Geschichte weitergeführt wird. Darcy<br />

und Elizabeth sind mittlerweile verheiratet<br />

und haben zwei Söhne. Vor dem Herbstball<br />

geschieht ein Unglück. Elizabeths Schwager<br />

wird blutüberströmt im Wald gefunden, neben<br />

sich eine Leiche. Plötzlich gerät die gutbürgerliche<br />

Welt ins Wanken. Eine originelle Idee,<br />

verknüpft mit James’ Schreibkunst, steht für<br />

ein spannendes und unvorhersehbares Werk,<br />

das fesselt – auch wenn die Autorin den historischen<br />

Aspekt ein wenig stärker hätte betonen<br />

können.<br />

KULTSPASS.DE<br />

KULTIGES IM INTERNET<br />

Eines Tages, so besingt es Asaf Avidan in seinem<br />

Hit "One Day", werden wir alt sein und<br />

uns an die Geschichten erinnern, die wir hätten<br />

erzählen können. Diese Tatsache hat sich<br />

ein unterhaltsamer Blog im Internet zum Motto<br />

gemacht. Auf www.<strong>kult</strong>spass.de gibt es jede<br />

Menge Kultiges von einst. Und natürlich von<br />

jetzt, denn Kultiges findet man überall und<br />

immer. Weil, so die Macher: Heute ist die Zeit,<br />

von der unsere Kinder irgendwann als die "<br />

gute alte" schwärmen werden! Aber was Kult<br />

ist<br />

(oder<br />

im Begriff<br />

ist, es zu<br />

werden),<br />

beschäftigt<br />

die Menschen, unterhält sie. Und allein das<br />

ist aller Ehren wert. Und das – das Unterhalten<br />

– ist letztendlich auch Ziel von <strong>kult</strong>spass.de.<br />

Da geht es um Bonanza" wie ums Dschungelcamp",<br />

um den Eurovision Song Contest<br />

" "<br />

und die Oscar-Verleihung wie um Deutschland<br />

sucht den Superstar". Um 50 Jahre Bun-<br />

"<br />

desliga, 50 Jahre Rolling Stones oder 50 Jahre<br />

James Bond ebenso wie um Dallas", Stirb<br />

" "<br />

Langsam", die Simpsons, Roy Black oder Krümel-Gate",<br />

den Keksdiebstahl von Hannover, "<br />

der das Krümelmonster ins Zwielicht rückte.<br />

Und selbst die Rücktrittsankündigungen von<br />

Königin Beatrix (mit Nachfolger-Vorschlag!)<br />

und von Papst Benedikt (mit Buchtipps zum<br />

Seite 8 ■ GoodTimes 2/2013


Thema Papsttum) wurden ironisch-kreativ<br />

aufgegriffen. Witziges, Verrücktes, Polarisierendes<br />

– und Nützliches: Buchempfehlungen<br />

ebenso wie Hinweise auf <strong>kult</strong>ige DVDs, Fernsehserien<br />

oder Zeitschriften – ja, auch <strong>kult</strong>!<br />

haben – natürlich – ihre Hommage abbekommen.<br />

Mit viel Herzblut geschrieben, mit vielen<br />

persönlichen Erinnerungen und legendären<br />

Video-<strong>Eins</strong>pielungen gewürzt. Ein Leser (oder<br />

muss man User sagen?) brachte es via Facebook<br />

(www.facebook.com/Kultspass.de) auf<br />

den – von den Machern um Werner Jünzig,<br />

Kind der 60er Jahre – erhofften Punkt: "<br />

Tolle<br />

Artikel, man erinnert sich gerne an die schönen<br />

alten Zeiten zurück."<br />

STUKENBROK<br />

HAUPT KATALOG 1915+1931<br />

VON JOHN WILCOCK<br />

2012, Olms Presse, Hildesheim<br />

ISBN 978-3-487-08399-5 /<br />

978-3-487-08305-6<br />

178 / 238 Seiten; je 15,80 Ð<br />

Die Firma August Stukenbrok Einbeck wurde<br />

1888 als zweiter Versandhandel Deutschlands<br />

gegründet. Zunächst beschränkte sich die junge<br />

Firma auf Fahrräder (mit dem Markennamen<br />

Deutschland-Fahrrad"), nach und nach<br />

"<br />

wurde das erhältliche<br />

Warensortiment erweitert.<br />

Wie groß der Hunger<br />

der wirtschaftlich aufstrebenden<br />

Bevölkerung<br />

auf die verschiedensten<br />

Waren damals war, zeigt<br />

sich an den vielen unterschiedlichen<br />

Produkten,<br />

die es in den dicken<br />

Stukenbrok-Hauptkatalogen<br />

zu sehen<br />

und zu bestellen gab.<br />

Neben einem breiten<br />

Sortiment an Zweiradzubehör<br />

(von Klingeln<br />

über Gaslaternen bis<br />

zu Hundepeitschen<br />

für Radfahrer) gab es<br />

Nähmaschinen, Haushaltswerkzeug, Damen-<br />

Handtaschen, hochfeine Parfüms, Ausrüstungsgegenstände<br />

für Wandervögel, Pfadfinder,<br />

Jugendwehren, Waschmaschinen, zusammenklappbare<br />

Kindersportwagen, Tennis-Rackets,<br />

Rodelschlitten und Skier, Taschenuhren,<br />

echt goldene Damen- und Herrenringe in feiner<br />

Ausführung, Schallplatten, Guitarre- und Harfenzithern,<br />

Trommeln, Pfeifen und Trompeten,<br />

Revolver, Puppenstuben, Schaukelpferde<br />

sowie Spielkarten, Brettspiele, Würfelspiele<br />

und Roulettes – und das ist nur eine kleine<br />

Auswahl! Das alles mit entsprechenden Abbildungen,<br />

wortreichen Erläuterungen, Preisen<br />

und Bestellnummern – kurz und knapp: eine<br />

äußerst fesselnde Lektüre, die einen, hat man<br />

einmal mit dem Blättern begonnen, nicht mehr<br />

so schnell loslässt ...<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

NARRENSCHLAGER 2<br />

Das waren noch Zeiten, als man Nachbarn,<br />

Freunde und Bekannte zur Faschingsparty zu<br />

sich nach Hause einlud. Die Männer wahlweise<br />

mit geringeltem Seemanns-T-Shirt<br />

oder mit<br />

aufgemaltem Bärtchen,<br />

Halstuch und Cowboyhut,<br />

die Damenwelt in<br />

exotischen Fantasie-Gewändern<br />

oder im französischen<br />

Can-Can-Outfit, das Wohnzimmer<br />

mit Girlanden und Luftschlangen geschmückt:<br />

So feierte man Anfang der 70er Jahre in vielen<br />

Haushalten die närrischen Tage. Auf dem Plattenteller<br />

drehten dabei die üblichen Verdächtigen<br />

ihre Runden, doch statt "Ich bin verliebt<br />

in die Liebe" verteilte Chris Roberts "Kesse<br />

Küsse", statt "Merci Chérie" widmete sich Udo<br />

Jürgens "Cara-Caramel, Choco-Chocolat",<br />

statt "Deine Spuren im Sand" besang Howard<br />

Carpendale "Das schöne Mädchen von Seite<br />

1". Dazu France Gall mit "A Banda (Zwei Apfelsinen<br />

im Haar)", Bill Ramsey mit dem unverwüstlichen<br />

"Pigalle", Caterina Valente feierte<br />

mit "Fiesta Cubana", Gus Backus mit "Da<br />

sprach der alte Häuptling der Indianer", Ralf<br />

Bendix mit dem "Babysitter-Boogie", Dorthe<br />

schmetterte ihr unvergessliches "Wärst du doch<br />

in Düsseldorf geblieben". NARRENSCHLA-<br />

GER 2, eine CD voller herrlicher Erinnerungen<br />

an (aus heutiger Sicht) unbeschwerte Tage – ob<br />

man heute auch noch solche Partys auf die Beine<br />

stellen könnte?<br />

(Koch/Universal, 22/55:41)<br />

NEW YORK EXPRESS<br />

Mit Rock Hudson, Claudia Cardinale, Jack<br />

Warden und Anne Seymour klasse besetzt,<br />

liefert dieser Film ein weiteres Beispiel dafür,<br />

wie populär Mitte der<br />

60er Jahre die Hollywood-<br />

Verbindung aus Spionage,<br />

James Bond und Liebeskomödie<br />

war. Dabei wird<br />

ein friedlich lebender<br />

Psychiater urplötzlich in<br />

eine geheime Staatsaffäre<br />

verwickelt, will nur seine<br />

staatsbürgerliche Pflicht<br />

erfüllen und wird auf einmal von allen Seiten<br />

aller möglichen Verbrechen verdächtigt. Als<br />

dann auch noch echte Gangster auftauchen und<br />

sich die temperamentvolle Vicky (Paraderolle<br />

für Claudia Cardinale) partout nicht davon abhalten<br />

lässt, nach der Wahrheit zu suchen, muss<br />

der Psychiater all seine Gewitztheit und seinen<br />

Mut aufbringen, um Geheimdienst, Gauner und<br />

verliebte Frauen in Schach zu halten. Extras:<br />

umfangreiche Fotogalerie sowie Kino-Trailer.<br />

(Explosive Media/Alive, 98 Min.)<br />

PERRY RHODAN ILLUSTRA-<br />

TOR JOHNNY BRUCK<br />

Von Frank G. Gerigk<br />

2013, Joh. Brendow & Sohn Verlag<br />

ISBN 978-3-94317-218-8<br />

318 Seiten; 39,95 Ð<br />

Der gigantische Erfolg der Perry Rhodan"-<br />

"<br />

Serie ist ohne Frage auch sein Verdienst:<br />

Johnny Brucks lebendige und faszinierende<br />

Illustrationen stellten oft den ersten Kontakt<br />

des Lesers zu diesen Science-Fiction-<br />

Abenteuern her. Auf mehr als 5000 farbige<br />

Arbeiten schätzt man Brucks Gesamtwerk, er<br />

war verantwortlich für unterschiedlichste Titelbilder,<br />

von Felix Graf Luckners Seeteufel<br />

über Tarzan, Conan und Billy Jenkins bis zu<br />

den Serien Utopia", Terra" und Atlan". Sein<br />

" " " Hauptwerk aber ist die<br />

wöchentliche<br />

" Perry-<br />

Rhodan"-Romanserie,<br />

die er 35 Jahre lang illustrierte.<br />

Schon zu Lebzeiten<br />

war der 1995 bei<br />

einem Verkehrsunfall<br />

ums Leben gekommene<br />

Zeichner eine Legende,<br />

zwischenzeitlich haben<br />

seine Zeitgeist-geprägten und retrofuturistischen<br />

Darstellungen Kult-Status erreicht.<br />

Natürlich bilden unzählige Abbildungen dieser<br />

Titelbilder den Kern dieses großformatigen<br />

Buches, höchst interessant aber auch die Erläuterungen<br />

dazu, die Kurzbiografie, die Einführung<br />

in die künstlerischen Wurzeln Brucks,<br />

Erinnerungen von Autoren, mit denen er zusammengearbeitet<br />

hat, sowie zahlreiche Statistiken<br />

über Schauplätze, Hauptpersonen und<br />

Hintergründe. Am Ende des Buches widmet<br />

sich dann sogar noch ein komplettes Kapitel<br />

dem Erbe" Johnny Brucks. Anhand von nach<br />

"<br />

1995 entstandenen Titelbildern lässt sich dabei<br />

ersehen, wie stark seine Nachfolger immer<br />

noch vom Brucks Stil beeinflusst sind, wie sein<br />

Werk auch über den Tod hinaus Bestand hat.<br />

KITTY UND DIE GROSSE<br />

WELT<br />

Kitty und die große Welt" gilt bis heute als<br />

"<br />

rarster aller Romy-Schneider-Filme. Jahrzehntelang<br />

war sein Verbleib<br />

unklar, erst vor kurzem<br />

wurde eine vollständig<br />

erhaltene s/w-Kopie des<br />

Filmmaterials entdeckt.<br />

Am Rande der Weltgeschichte<br />

spielt diese zauberhafte<br />

Liebesromanze,<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 9


from the past<br />

die 1956 unter der Regie von Alfred Weidemann<br />

(Drehbuch: Herbert Reinecker) frei nach dem<br />

Theaterstück "<br />

Kitty und die große Weltkonferenz"<br />

entstand. Romy Schneider spielt darin<br />

Kitty, eine moderne junge Dame, die durch ihre<br />

Bekanntschaft mit einem Minister (O. E. Hasse)<br />

plötzlich in die "<br />

große Welt" gelangt. Dabei verliebt<br />

sie sich in den jungen, gut aussehenden<br />

Diplomaten Robert Ashlin, dargestellt von Karlheinz<br />

Böhm. Alles in allem ein typischer 50er-<br />

Jahre-Liebesfilm, bei dem sich die beiden Liebenden<br />

erst mit allerlei Irrungen und Wirrungen<br />

auseinandersetzen müssen, bevor sie sich am<br />

Ende glücklich in den Armen liegen dürfen ...<br />

(Hoppe Entertainment, 90 Min.)<br />

WESTERN HIGHLIGHTS<br />

In frisch restauriertem Bild und Ton sowie<br />

mit neuem Booklet versehen erscheinen<br />

nun vier Wiederveröffentlichungen<br />

von klassischen<br />

Western-Filmen<br />

aus den 60/70er Jahren.<br />

1967 drehte Regisseur<br />

Sergio Sollima den Film<br />

Der Gehetzte der Sierra<br />

"<br />

Madre" (106 Min.), in<br />

dem Lee Van Cleef als<br />

Kopfgeldjäger Jonathan<br />

Corbett den mexikanischen Herumtreiber<br />

Cuchillo Sanchez – gespielt von Tomas Milian<br />

– praktisch über die gesamte Filmlänge<br />

durch die Sierra Madre hetzt. Wie so oft passen<br />

Bilder und Filmmusik<br />

hier genial zusammen,<br />

kein Wunder, war doch<br />

Ennio Morricone dafür<br />

verantwortlich. Auch bei<br />

Von Angesicht zu Angesicht"<br />

(107 Min.) stand<br />

"<br />

im selben Jahr das nahezu<br />

identische Team vor und<br />

hinter der Kamera, bis auf<br />

Lee Van Cleef, dessen Hauptrolle diesesmal<br />

von Gian Maria Volonté übernommen wurde.<br />

1968 entstand unter der Regie von Andrew<br />

McLaglen der Film Bandolero" (106 Min.).<br />

" Mit James Stewart, Dean<br />

Martin und Raquel Welch<br />

stand hier die erste Riege<br />

an Hollywood-Stars zur<br />

Verfügung, die aber nicht<br />

verhindern konnte, dass<br />

der Mischung aus klassischem<br />

US-Western und<br />

Italo-Western öfter mal<br />

die Puste ausgeht. Definitiv<br />

Kult-Status hat<br />

inzwischen der 1971<br />

entstandene Film Hannie<br />

Caulder – In einem "<br />

Sattel mit dem Tod" (85<br />

Min.) erreicht. Raquel Welch zeigt sich hier<br />

als laszive Rächerin – legendär das Hochschlagen<br />

ihres Ponchos, wenn sie ihren Colt<br />

zieht –, die zusammen mit einem Kopfgeldjäger<br />

(gespielt von Robert Culp) und unter<br />

der Mithilfe eines Büchsenmachers (Christopher<br />

Lee) die drei Clemens-Brüder (Ernest<br />

Borgnine, Jack Elam, Strother Martin), die<br />

ihren Mann getötet haben, bis zum bleischweren<br />

Ende verfolgt.<br />

(Explosive Media/Alive)<br />

DON CAMILLO<br />

ALLE FILME AUF BLU-RAY<br />

Es war eine andere Welt: sowohl die beschriebene<br />

als auch die Art, sie zu beschreiben.<br />

Das Norditalien der<br />

späten 40er Jahre mit<br />

seinen kaltkriegsgeprägten<br />

Gegensatz<br />

zwischen christlichem<br />

Konservatismus und<br />

utopischem Kommunismus<br />

haben wohl<br />

kaum jemals wieder<br />

solch eigensinnige,<br />

verrückte, sympathische he Dickköpfe verkör-<br />

pert wie Giovanni Guareschis Roman-Streithammel,<br />

der leidenschaftliche Priester Don<br />

Camillo und der etwas aufgeblasene kommunistische<br />

Bürgermeister Potazzi alias Peppone.<br />

Insgesamt fünf wunderschöne Schwarzweißfilme<br />

wurden 1951 bis 1965 Jahren um das so<br />

schlagkräftige wie herzensgute Duo gedreht:<br />

" Don Camillo & Peppone", Don Camillos<br />

"<br />

Rückkehr", Die große Schlacht des Don<br />

"<br />

Camillo", Hochwürden Don Camillo" und<br />

"<br />

Genosse Don Camillo". Die liebevoll inszenierten<br />

Geschichten leben von der Extraklasse<br />

"<br />

der Hautpdarsteller Fernandel (Don Camillo)<br />

und Gino Cervi, bei denen man hinter jedem<br />

cholerischen Ausbruch doch immer das Herz<br />

auf dem rechten Fleck durchsieht, egal ob es<br />

für die Liebe Gottes oder die kommunistische<br />

Partei schlägt. Die spätere Haudrauf-Adaption<br />

mit Terence Hill als Don Camillo wirkt dagegen<br />

wie eindimensionales Dumpfbacken-Kintopp.<br />

Alle fünf Originale – die ersten beiden<br />

noch im 4:3-Format – sind aufwändig restauriert<br />

und in voller Länge auf Blu-ray in einer<br />

preisgünstigen Box erschienen. Die wenigen<br />

Schnitte der alten deutschen Synchronfassungen<br />

wurden wieder eingefügt, so dass man<br />

in diesen untertitelten Kurzpassagen auch die<br />

Originalstimmen von Peppone, Don Camillo<br />

und Jesus, mit dem der Herr Pfarrer regelmäßig<br />

Zwiesprache hält, hören kann, natürlich<br />

in zeittypischem Mono. Als Extras gibt es die<br />

Trailer und kleine Fotogalerien. Fünf Komödienklassiker,<br />

die eine kleine und womöglich<br />

bessere Welt heraufbeschwören.<br />

(Studiocanal, 5 Blu-rays, etwa 524 Min.)<br />

VINTAGE STYLE<br />

Von Sarah Kennedy<br />

2012, Schwarzkopf & Schwarzkopf<br />

ISBN 978-3-86265-157-3<br />

188 Seiten; 24,95 Ð<br />

Marilyn Monroe, Audrey<br />

Hepburn, Jackie O und<br />

Debbie Harry waren Stil-<br />

Ikonen ihrer Zeit und<br />

inspirieren Designer bis<br />

heute; 25 dieser unvergesslichen<br />

Stil-Ikonen des<br />

20. Jahrhunderts werden<br />

in diesem Buch vorgestellt.<br />

Dabei wird jedem<br />

dieser faszinierenden<br />

Looks, von Grace Kellys kühler Schönheit"<br />

"<br />

über Twiggys Stil der Swinging Sixties" bis<br />

"<br />

zur Extravaganz" von Kate Bush, in einem<br />

"<br />

eigenen Kapitel voller Bilder, Style-Guides,<br />

Beauty-Tipps und allerlei weiterer Infos ausführlich<br />

Platz eingeräumt. Wertvolle Tipps für<br />

das Stöbern in Second-Hand-Läden, die passenden<br />

Accessoires zum Outfit sowie leicht<br />

verständliche Anleitungen für Frisuren und<br />

Make-up machen das Nachstylen des Vintage-<br />

Lieblingslooks ganz einfach. Das ideale Nachschlagewerk<br />

für alle, die den Glanz vergangener<br />

Epochen und großer Stars mit dem eigenen<br />

Stil verbinden wollen.<br />

THE BRADY BUNCH<br />

Unter dem Titel 3 Mädchen und 3 Jungen" begeisterte<br />

The Brady Bunch auch in Deutschland<br />

"<br />

das jugendliche Fernsehpublikum. Begonnen<br />

hatte die Erfolgsgeschichte der zusammengewürfelten<br />

Großfamilie bereits Ende der 60er<br />

Jahre in den USA. Drei Jungs bringt der verwitwete<br />

Architekt Mike Brady mit, heiratet die<br />

ebenfalls alleinerziehende Carol Martin mit ihren<br />

drei Töchtern – Haushälterin Alice und Hund<br />

Tiger vervollständigen den bunten Haufen.<br />

Liebevoll erzählt und voller Situationskomik<br />

sorgt diese Familienserie nicht nur für haufenweise<br />

Spaß, sondern gibt<br />

auch einen (nostalgischen)<br />

Einblick in die Art und<br />

Weise, wie sich Sitcoms<br />

dieser Art seither, bis hin<br />

zu Serien wie The Bill " Cosby Show" oder Two " And A Half Men", entwickelt<br />

haben. 25 Folgen, in<br />

deutscher Synchron- oder<br />

englischer Originalfassung, Booklet mit Folgenguide,<br />

deutsche Vor- und Abspänne sowie<br />

ein Original-Feature ( Coming Together Under<br />

"<br />

One Roof") liefert diese schöne 4-DVD-Box,<br />

deren Cover noch dazu mit den sich abwechselnd<br />

anschauenden, sich bewegenden Köpfen<br />

(wie im Originalvorspann) glänzt.<br />

(CBS/Alive, 625 Min.)<br />

Seite 10 ■ GoodTimes 2/2013


DEMIS ROUSSOS + TONY<br />

FOREVER AND EVER + MÄDCHEN<br />

MIT ROTEN HAAREN<br />

1973 erschien die LP FOREVER AND EVER<br />

im Original, die darauf versammelten hymnischen<br />

Popsongs in englischer Sprache – exotisch<br />

garniert mit griechischer Folklore – wurden<br />

schnell zum Markenzeichen von Demis<br />

Roussos, zusammen mit<br />

dem Keyboarder Vangelis<br />

Ende der 60er Gründer der<br />

griechischen Rockband<br />

Aphrodite's Child. Auch<br />

heute noch begeistert sein<br />

Stilmix mit zeitlosem<br />

Charme, allen voran<br />

das bittersüße "Goodbye<br />

My Love Goodbye". Für<br />

seine eigene Sangeskarriere<br />

verpasste sich der<br />

Hamburger Produzent,<br />

Komponist und Texter Manfred Oberdörffer<br />

den Künstlernamen Tony, unter dem er 1972<br />

die LP MÄDCHEN MIT ROTEN HAAREN<br />

veröffentlichte. Neben typischen 70er-Jahre<br />

Schlagern wagte es sich aber auch an Cover-<br />

Versionen von John Fogerty ("Hey, heut<br />

Nacht"), Doug Sahm ("Nuevo Laredo"), Jimmy<br />

Cliff ("Reise ins Märchenland") oder Herb<br />

Alpert ("Jerusalem"), die natürlich in krassem<br />

Gegensatz zu seinen Eigenkreationen wie<br />

"Dschungelmann", "Renata" oder "Mamma<br />

Magdalena" stehen. Eine höchst lohnenswerte<br />

(Wieder-)Entdeckung ...<br />

(Koch/Universal, 15/55:01 + 15/45:32)<br />

WAS GIBT’S ZU SEHEN<br />

Von Will Gompertz<br />

2013, DuMont<br />

ISBN 978-3-83219-710-0<br />

448 Seiten; 25,00 Ð<br />

Der Untertitel 150 Jahre moderne Kunst auf<br />

"<br />

einen Blick" könnte den Inhalt dieses hervorragenden<br />

Bandes kaum trefflicher zusammenfassen.<br />

Will Gompertz, BBC-Korres pondent und<br />

Leiter der Abteilung Medien der Londoner Tate<br />

Gallery, lädt zu einer kurzweiligen und spannenden<br />

Reise durch die<br />

jüngste Kunstgeschichte<br />

ein, wobei er die Essenz<br />

der verschiedenen Stile<br />

(zum Beispiel Impressionismus,<br />

Surrealismus,<br />

Symbolismus oder Pop<br />

Art) am Beispiel der<br />

wichtigsten Vertreter und<br />

ihrer Kreationen erläutert.<br />

Gegenüber akademischen<br />

Lehrwerken, die meist<br />

am übermäßigen Gebrauch möglichst vieler<br />

Fremdwörter leiden, schreibt er unterhaltsam<br />

und leicht verständlich. Das Buch eignet sich<br />

als fundiertes Nachschlagewerk, kann aber<br />

auch in einem Rutsch gelesen werden. Selten<br />

hat Bildung so viel Spaß gemacht.<br />

MECKI<br />

GESAMMELTE ABENTEUER<br />

JAHRGANG 1956<br />

2012, Esslinger Verlag<br />

ISBN 978-3-48022-919-2<br />

72 Seiten; 14,90 Ð<br />

Mecki – wer kennt ihn<br />

nicht? 1949 tauchte<br />

der verschmitzte Igel<br />

zum ersten Mal in der<br />

Programmzeitschrift<br />

Hörzu" auf. Es dauerte<br />

"<br />

nicht lange, bis die Leser<br />

dieses Magazins seinen n<br />

wöchentlichen Abenteuergeschichten<br />

entgegenfieberten; der sympathische<br />

Held und seine Freunde – allen voran<br />

Charly Pinguin und der Schrat – eroberten<br />

die Herzen der kleinen und großen Leser im<br />

Sturm. Die Erlebnisse der stacheligen Kultfigur<br />

wurden zu einer der beliebtesten und<br />

erfolgreichsten Comicserien und begeistern<br />

auch heute noch Jung und Alt. Zum ersten<br />

Mal gibt es nun alle Mecki-Geschichten aus<br />

VERLOSUNG<br />

GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />

Stichwort: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />

(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

<strong>Eins</strong>endeschluss ist der 15. Juli 2013<br />

NikMa Verlag<br />

Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />

Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />

3x Heft<br />

je 1x DVD<br />

Detektiv Rockford Teil 1+2<br />

3x DVD-Box<br />

5x DVD<br />

3x DVD-Box<br />

inkl. 4 Doppel-CDs<br />

3x Buch<br />

5x DVD<br />

Kitty und die große Welt<br />

3x Buch<br />

3x DVD<br />

10x <strong>kult</strong> – CD-Box:<br />

3x Hörbuch<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 11<br />

Unsere Gewinner der Verlosung<br />

aus <strong>kult</strong>! Heft 7 – 1/2013:<br />

– Günter Klemm, Münster<br />

– Eckhard Kohnke, München<br />

– Udo Mischke, Stuttgart<br />

– Annemarie Lange, Ulm<br />

– Victoria Mc Evilly, Hameln<br />

– Volker Klein, Neunkirchen<br />

– Werner Hartmann, Herborn<br />

– Jürgen Brückner, Bottrop<br />

– Manfred Segelken, Bremen<br />

– Udo Schwärig, Feldkirchen<br />

Herzlichen<br />

Glückwunsch!<br />

Stichwort "<br />

<strong>kult</strong>!-Verlosung"<br />

– Sharon-Sara Heße, Hamburg<br />

– Stefan Speck, Hildesheim<br />

– Rainer Schuran, Hannover<br />

– Sylvia Röhrs, Walsrode<br />

– Gregor Mensing, Metelen<br />

– Rolf Klinger, Witten<br />

– Gerd Welke, Walsrode<br />

– Peter Liegau, Greifswald<br />

– Wolfgang Schönfeldt, Hamburg<br />

– Mike Olsen, Neundorf<br />

– Heino Oje, Bordesholm<br />

– Claudia Rolfsmeyer, Spenge<br />

– Igor Sobczak, Hamburg<br />

– Frank Winterhalter, Marbach<br />

– Rainer Resch, Wesseling


from the past<br />

dem Jahr 1956 versammelt in einem Band,<br />

von Mecki und die Hamsterchen" bis zu<br />

"<br />

Das Bastelwunder". Die Geschichten dieses<br />

"<br />

Bandes entstanden in einer Zeit, die geprägt<br />

war vom Wirtschaftswunder und dem damit<br />

verbundenen Wohlstand. Neben dem wirtschaftlichen<br />

Aufschwung waren es aber auch<br />

Ereignisse aus der Welt des Sports, der Musik<br />

und der Mode, die diese Kurzgeschichten entscheidend<br />

beeinflussten, was sie aus heutiger<br />

Sicht weit über den Horizont simpler Comics<br />

hinauswachsen lässt, was sie zu einem Stück<br />

Zeitgeschichte macht.<br />

YPS<br />

AUSGABE 1/2013<br />

2013, Egmont Ehapa Verlag, Berlin<br />

98 Seiten; 5,90 Ð<br />

Yps" ist wieder da! Innerhalb kürzester Zeit war<br />

"<br />

Ende letzten Jahres die erste Ausgabe des neuen<br />

Yps" vergriffen, na klar, gibt es jetzt die nächste<br />

Fortsetzung des <strong>kult</strong>igen Magazins. Wie ge-<br />

"<br />

wohnt ist der Themenmix äußerst bunt und vielschichtig,<br />

von <strong>Formel</strong>-1"-Held Peter Illmann<br />

"<br />

über eine tolle Autogalerie<br />

(vom 1974er Opel Manta<br />

über den 80er Jahre Audi<br />

Quattro bis zum Lancia<br />

Delta HF Integrale) und<br />

einen Rückblick auf die<br />

Materialschlacht zwischen<br />

Sega und Nintendo<br />

bis zu einem ausführlichen<br />

Feature über Roboter aller Art. Klasse<br />

auch, wie die Autoren in diesen Beiträgen immer<br />

wieder Bezüge zu den alten Yps"-Heften<br />

"<br />

herstellen. Und natürlich wäre Yps" nicht Yps",<br />

" "<br />

wenn es auf das obligatorische Quiz, zahlreiche<br />

unterschiedliche Comics oder auf den typischen<br />

Üps-Humor" verzichten würde. Ach ja, selbstverständlich<br />

wartet auch die neueste Ausgabe<br />

"<br />

mit einem Gimmick auf, nach den Urzeitkrebsen<br />

der letzten Ausgabe gibt es dieses Mal, man<br />

glaubt es kaum, Die Maschine, die viereckige<br />

"<br />

Eier macht"!<br />

DIE KLASSISCHE WELT<br />

Von Robin Lane Fox<br />

2013, Klett Cotta<br />

ISBN 978-3-60894-842-4<br />

730 Seiten; 19,99 Ð<br />

Erinnert man sich noch<br />

gerne an die Geschichtsstunden,<br />

in denen der<br />

Lehrer mit monotoner<br />

Stimme Daten herunterrasselte<br />

und von längst<br />

vergangenen Ereignissen<br />

berichtete, die kaum jemanden<br />

interessierten?<br />

Wohl kaum. Allerdings hat man leider auch<br />

viel verpasst! Robin Lane Fox unterrichtet an<br />

der Universität von Oxford und weiß zu begeistern<br />

– trotz der hohen Faktendichte, die<br />

manchmal ein wenig den Lesefluss stört. Die<br />

griechische Welt, hellenistische Welten, die<br />

römische Republik und der daraus resultierende<br />

Imperialismus sind die Themenschwerpunkte,<br />

die sachkundig vermittelt werden,<br />

wobei der Autor nie den Bezug zur Moderne<br />

vergisst. Besonders die Beschreibung der<br />

Glaubenswelten und Götter verdient hohe<br />

Anerkennung, denn dieser Aspekt kommt in<br />

der heutigen "<br />

Schwuppdiwupp"-Bildung viel<br />

zu kurz.<br />

PETZI TRIFFT MUTTER<br />

BARSCH<br />

Von Carla und Vilhelm Hansen<br />

2012, Esslinger Verlag<br />

ISBN 978-3-48023-012-9<br />

40 Seiten; 12,90 Ð<br />

Seit Generationen begeistern die Petzi"-Bücher<br />

Kinder (und deren Eltern und Großeltern). "<br />

In der gleichen<br />

Ausstattung wie<br />

in der deutschen<br />

Erstausgabe aus<br />

dem Jahr 1954<br />

gibt es jetzt den<br />

dritten Band der<br />

Klassiker-Reihe,<br />

Petzi trifft Mutter Barsch". Ideal für alle, die<br />

"<br />

mit Petzi groß geworden sind oder die den<br />

drolligen Bären samt seinen Freunden – dem<br />

klugen Pelikan Pelle, dem fleißigen Pinguin<br />

Pingo, dem faulen Seebären, dem Froschmännchen<br />

und der lustigen Schildkröte – jetzt<br />

neu kennen lernen möchten.<br />

EIN KULT FÜR ALLE FÄLLE<br />

Von Niklas Hofmann und Klaus Raab<br />

2013, Suhrkamp<br />

ISBN 978-3-51846-423-6<br />

206 Seiten; 7,99 Ð<br />

Kultig und preiswert<br />

– was will man mehr?<br />

Niklas Hofmann und<br />

Klaus Raab, beides junge<br />

Autoren, die die Fernsehwelt<br />

der Achtziger<br />

nur als Kinder erlebten,<br />

haben mit "<br />

Ein Kult für<br />

alle Fälle" eine informatives,<br />

mit vielen Details<br />

gespicktes Buch verfasst,<br />

das an die Zeiten erinnert, in denen sprechende<br />

Autos, Technik-Freaks und Hawaiihemden-<br />

Träger (mit Oberlippenbart) noch zum guten<br />

Stil gehörten. Von Beschreibungen der insgesamt<br />

zwölf ausgewählten Serien über Zitatensammlungen<br />

und eine Dokumentation der<br />

Drehorte reicht das von den Autoren sorgfältig<br />

recherchierte Sammelsurium. Und die Serien?<br />

"<br />

Airwolf", Das "<br />

A-Team", "<br />

MacGyver",<br />

" Magnum"!!!, " Trio mit vier Fäusten", " Miami<br />

Vice" oder "<br />

Ein Colt für alle Fälle" sind nur einige<br />

der <strong>kult</strong>verdächtigen 80er-Knüller. Witzig,<br />

informativ und humorvoll. Da stellt sich schnell<br />

eine dringende Frage: Wann kommen die Siebziger<br />

und die Sechziger an die Reihe mit den<br />

unvergesslichen "<br />

Drei Engel für Charlie", "<br />

Die<br />

Straßen von San Francisco" bis hin zu "<br />

Flipper"<br />

oder "<br />

Daktari"? Mega-Kult.<br />

VARIOUS ARTISTS<br />

12 POINTS VOL. 2<br />

Ein Volltreffer war die letztes Jahr erschienene<br />

CD 12 POINTS, auf der zahlreiche Songs aus<br />

der langen Geschichte des<br />

Eurovision Song Contests in<br />

ihren deutschen Versionen zu<br />

hören waren. Mit der Anfang<br />

Mai erscheinenden zweiten<br />

Ausgabe (12 POINTS VOL. 2)<br />

dieser Reihe wird dieser <strong>kult</strong>ige<br />

Rückblick fortgeführt, hört man die eingedeutschten<br />

ESC-Lieder von Originalinterpreten<br />

wie Cliff Richard, Vicky Leandros oder Nana<br />

Mouskouri neben längst in Vergessenheit geratenen<br />

Cover-Songs von Künstlern wie Maggie<br />

Mae, Waterloo & Robinson, Mary Roos, Peter<br />

Alexander, Severine, Wolfgang Ziegler oder<br />

Ireen Sheer.<br />

(Koch/Universal, 2013)<br />

ALLERLEIRAUH<br />

In diesem weniger bekannten Märchen der<br />

Gebrüder Grimm geht es um das Schicksal der<br />

Prinzessin Lotte, deren verwitweter Vater seiner<br />

Gemahlin versprochen hatte, erst dann wieder<br />

zu heiraten, wenn er eine<br />

Frau findet, die genauso<br />

schön ist wie sie – und die<br />

einzige Person, die diese<br />

Bedingung erfüllt ist – Lotte!<br />

Fassungslos versucht<br />

die Prinzessin alles, um<br />

den König von seinem Plan<br />

abzubringen, stellt ihn vor<br />

unlösbare Aufgaben, doch<br />

erst nach Flucht und nachdem sie in einem den Wald einen jungen König kennengelernt hat,<br />

frem-<br />

bahnt sich langsam ein Happy End an. Mit erstklassigen<br />

Schauspielern (u.a. Henriette Confurius,<br />

Ulrich Noethen und Fritz Karl), wunderschönen<br />

Drehorten und Kostümen sowie wunderbar<br />

dazu passender Filmmusik von Peter W. Schmitt<br />

gehört dieses Märchen zu den Highlights dieses<br />

Genres. Die Erstausstrahlung von Allerleihrauh"<br />

fand am zweiten Weihnachtsfeiertag "<br />

2012 in der ARD statt. Als Extra gibt es noch das<br />

15-minütige Feature Wie ein Rauhtierchen zur<br />

"<br />

Prinzessin wird".<br />

(Telepool/KNM Home Entertainment,<br />

60 Min.)<br />

Seite 12 ■ GoodTimes 2/2013


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GoodTimes 2/2013 ■ Seite 13


Der Unsterbliche aus dem Dschungel<br />

Foto<br />

:DA<br />

VIDS<br />

/<br />

Bild<br />

arch<br />

iv H<br />

allh<br />

lh uber<br />

Als Johnny Weissmüller am Ende seines<br />

Lebens fotografi ert wurde, auf die<br />

Knochen abgemagert, an den Rollstuhl<br />

gefesselt, da sorgte das Bild für weltweite<br />

Betroffenheit: Wie konnte dieser<br />

Körper dem Mann den Dienst versagen,<br />

ein Körper, der stets wie eine gemeißelte<br />

Marmorstatue war, kräftig, strahlend, strotzend<br />

vor Gesundheit? Die fiktive Figur des<br />

Tarzan hatte sich im kollektiven Bewusstsein<br />

komplett über jene des Schauspielers gelegt,<br />

der lediglich eine Rolle – im wahrsten Sinne –<br />

verkörpert hatte. Johnny Weissmüller konnte<br />

sterben wie jeder Mensch, Tarzans Tod hingegen<br />

steht noch immer aus. 100 Jahre<br />

dauert die Regentschaft des Königs des<br />

Dschungels nun schon.<br />

Von Roland Schäfli<br />

Obwohl der Tod ihm im Filmtitel manchmal sogar<br />

direkt gegenüberstand – „Tarzans Kampf ums<br />

Leben" oder „Tarzans Todesduell", um nur zwei<br />

zu nennen – war uns, dem Publikum, doch bei jedem<br />

Abenteuer klar: Tarzan würde<br />

nicht sterben. Auf uns wartete<br />

ein Happy End, auf ihn seine<br />

Jane. Und Cheetah würde wie<br />

immer kurz vor der Abblende<br />

einen Purzelbaum schlagen. In<br />

26 Romanen und über 30 Filmen<br />

ist Tarzan nicht nur alterslos geblieben.<br />

Er ist auch unverwundbar<br />

geworden. Seine Unsterblichkeit<br />

als Heldenfigur rührt von der<br />

Fähigkeit, sich im Zeitenwechsel<br />

anzupassen. An neue Geschmäcker,<br />

an<br />

neue Generationen. Wie kaum<br />

eine Filmfigur hat Tarzan überlebt –<br />

nicht nur Treibsand, böse weiße Männer oder den Zauber eines<br />

fanatischen Medizinmanns – nein, Tarzan hat<br />

den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm<br />

überlebt (was damals manchen Star die<br />

Karriere kostete), den Übergang vom<br />

Kino- zum Fernsehzeitalter (was<br />

wiederum zahlreiche Kinohelden<br />

arbeitslos machte), er hat sogar<br />

zahllose Parodisten schadlos überstanden,<br />

die aus dem Mythos<br />

Kapital schlugen.<br />

Jeder Generation ein eigener<br />

Tarzan<br />

Jede Generation entdeckt den Herrn des Dschungels<br />

neu. Während die Kinoserie mehr als ein Dutzend<br />

Darsteller verschliss, kamen die Produzenten mit schöner<br />

Regelmäßigkeit auf die ursprüngliche Genesis zurück<br />

– sein Debüt in „Tarzan Of The Apes". Und als Disney<br />

schließlich 1999 Tarzan endlich in sein Universum<br />

beliebter Zeichentrick-Figuren aufnahm, erschloss der<br />

Mäusekonzern den Urwaldmenschen einer weiteren neu<br />

heranwachsenden Generation, just zur Jahrtausendwende.<br />

Für die Jugend war der „Sohn<br />

der Affen" seit jeher Symbol<br />

der Selbstverwirklichung. Denn n<br />

Tarzan ist unabhängig (trotz<br />

Eheweib), gescheit (trotz fehlender<br />

Schulbildung), von adliger Geburt<br />

(trotzdem im Baumhaus hausend),<br />

und mit Bestimmtheit zahlt er auch<br />

keine Steuern.<br />

Im Laufe der Jahrzehnte ist Tarzan<br />

so zur Projektionsfläche des Zeitgeists<br />

geworden. Das äußerte sich nicht nur<br />

in der Länge seines Lendenschurzes, der<br />

kürzer oder länger wurde, je nachdem,<br />

welche moralische Instanz gerade das<br />

Sagen hatte. Das zeigte sich auch in den Handlungen. n In den 30er<br />

Jahren, zur Zeit der großen Depression, als Safaris tatsächlich ein Sport<br />

der Reichen waren, kam kaum ein Tarzan-Film ohne die „verschollene<br />

Tarzan-Abb.: Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 14 ■ GoodTimes 2/2013


Safari" aus, deren weiße Jäger stetst<br />

von der Lust nach Gold und Elfenbein ein<br />

getrieben waren. In den 40er Jahren<br />

meldete sich Tarzan – ein amerikanischer r<br />

Star, obwohl „gebürtiger" Engländer –<br />

natürlich zum Militärdienst: In „Tarzan’s<br />

Desert Mystery" (1943) bekommt es<br />

der Affenmensch doch tatsächlich<br />

mit den Herrenmenschen<br />

zu tun. In der Wüste<br />

Sahara gilt es, Nazis<br />

zu bezwingen (Jahre<br />

später dann auch<br />

in Deutschland<br />

unter dem Titel Patchwork-Familie mit Adoptivsohn und<br />

Haustier: die Tarzans.<br />

„Tarzan, Bezwinger<br />

der Wüste" herausgebracht). Und als im<br />

konservativen Amerika kirchliche Kreise e<br />

monierten, dass Tarzan und Jane in wilder<br />

Ehe zusammenlebten, die sogar einen<br />

unehelichen Sohn hervorbrachte (in den<br />

Romanen „Korak" genannt, im Film<br />

einfach „Boy"), sorgte dieser Sturm im<br />

Wasserglas für eine landesweite Debatte<br />

(obwohl der Autor seinen Helden tatsächlich<br />

schon im zweiten Roman verehelicht<br />

ht<br />

hatte, um<br />

Sitten und Anstand<br />

im Dschungel zu<br />

wahren). Als endlich<br />

in den 60ern<br />

das Zeitalter der<br />

sexuellen Befreiung<br />

Bo Derek machte Jane zur Hauptfi gur und<br />

anbrach, da war<br />

Tarzan zum bloßen Sexobjekt.<br />

Tarzan plötzlich<br />

nicht mehr monogam, da wurde Jane flugs aus der Handlung und<br />

dem Muskelmann wechselnde Damen zur Seite geschrieben. Es<br />

passte also gewissermaßen zum natürlichen Lauf der Dinge,<br />

dass Tarzan-Darsteller Nr. 16 im Jahr 1981 dann endlich<br />

den Sex entdeckte: Mit „Tarzan, Herr des Dschungels"<br />

kam ein Erotikabenteuer in die Kinos, was auch in<br />

deutschen Landen eine aufgeregte Diskussion über die<br />

Altersfreigabe auslöste. Denn erstmals war der Titelheld<br />

nicht die Hauptfigur – alle Augen ruhten auf Bo Derek als<br />

Jane, die Tarzan zum bloßen Sexsymbol degradierte.<br />

Tarzan, der Analphabet<br />

Im Lauf der Jahre durfte auch Tarzans Intellekt<br />

zunehmen. War Johnny Weissmüller zu Anfang<br />

noch auf den wilden Primitiven abonniert, so<br />

interpretierte sein Nachfolger Lex Barker<br />

den Tarzan schon als artikulierten<br />

Aristokraten.<br />

Doch Barker hatte verbissen<br />

um die Anzahl<br />

seiner Dialogzeilen zu<br />

streiten. Als er in einem<br />

Film 137 Mal sprechen durfte,<br />

strich sein Produzent die<br />

Anzahl der Sätze für den nächsten<br />

prompt auf 83 zusammen, „weil er sich sonst<br />

zu Tode quatscht". Und als Weissmüller<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Lex<br />

Barker<br />

einmal<br />

den Satz „Jane go!" spontan auf „Jane<br />

go<br />

fast!" erweiterte, da brach der Regisseur die<br />

Aufnahme ab, um seinem Star zu erklären,<br />

dass Tarzan nicht so viel reden sollte. Erst<br />

Mike Henry durfte ab Mitte der 60er Jahre<br />

den Herrn des Dschungels als Herrn von Welt<br />

interpretieren: In „Tarzan am großen Fluss"<br />

kommt der Titelheld per Flugzeug und im<br />

eleganten Anzug in Acapulco an und spricht<br />

selbst im Busch noch wie ein englischer<br />

Gentleman. Doch stets, wenn die Tarzan-Saga<br />

sich<br />

weit von ihrem Ursprung entfernt hatte,<br />

fand der Herr des Urwalds wieder auf alte Pfade<br />

zurück:<br />

Mit „Greystoke"<br />

folgte 1984 die<br />

Verfi lmung, die der<br />

literarischen Vorlage<br />

am nächsten kam.<br />

Gleichzeitig führte sie<br />

mit Christopher Lambert<br />

den vorläufig letzten<br />

Tarzan ins Feld. Nun<br />

harrt die Urwald-Saga<br />

ihrer Wiederentdeckung.<br />

Wenn Tarzan erneut Nur als Highlander" noch unsterblicher<br />

das Licht der Leinwand als Tarzan: "<br />

Christopher Lambert.<br />

erblicken wird, dürfte er eine weitere Metamorphose durchlebt<br />

haben. Für eine Generation, die der Zivilisation müde geworden<br />

ist<br />

und sich nach der ursprünglichen Natur sehnt, wäre Tarzan<br />

der<br />

geradezu ideale Prototyp. Bio-Essen direkt im Dschungelladen<br />

inklusive.<br />

Evolution eines Helden<br />

Im Oktober 1912 war erstmals in gedruck-<br />

ten Lettern der Name „Tarzan" zu lesen –<br />

in einem Groschenroman, Pulp Fiction mit<br />

dem Titel „A Romance Of The Dschungle".<br />

Besonders romantisch stimmte das Titelbild<br />

aber nicht; es zeigt den frischgebackenen<br />

Helden (mit Stirnband) im Kampf gegen<br />

g<br />

einen zähnefletschenden<br />

n<br />

Löwen. 700 Dollar strich ein gewisser<br />

Edgar Rice Burroughs für die Story<br />

ein – und ahnte nicht, dass er damit<br />

den Grundstein für ein literarisches s<br />

Imperium legte, das heute noch –<br />

vom Hauptsitz Tarzana aus – weltweite<br />

Lizenzrechte verwaltet. Einen<br />

literarischen Anspruch<br />

hatte der Autor nicht:<br />

„Ich schreibe, um zu<br />

entfliehen – um der<br />

Armut zu entfliehen."<br />

Burroughs<br />

war weitsichtig<br />

genug, sich im ersten Vertrag die alleinigen<br />

i<br />

Rechte zu sichern und Tarzan bereits 1913 als<br />

Markennamen einzutragen. Dass sich seine<br />

Figur stark an Mogli anlehnte – das Kind,<br />

das in Kiplings „Dschungelbuch" ebenfalls von<br />

Tieren des Urwalds aufgezogen wird –, schien<br />

keine Plagiatsklagen zu motivieren. Stattdessen<br />

klopfte Hollywood an seine Tür. Nur vier Jahre nach<br />

der Erstveröffentlichung lief am Broadway die erste<br />

Verfilmung: „Tarzan Of The Apes". Erster Träger<br />

des legendären Lendenschurzes war ein Mann ohne<br />

Schauspielerfahrung, Elmo Lincoln, womit er auch<br />

Foto: DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 15


gleich eine Tradition<br />

begründete:<br />

Im<br />

Casting<br />

sollten stets<br />

Aussehen<br />

und sportliche<br />

Qualitäten<br />

wichtiger sein als<br />

Ausdruckskraft.<br />

Dass<br />

Elmo<br />

Lincoln<br />

als<br />

erster Tarzan in die<br />

Filmgeschichte<br />

eingehen<br />

durfte, hatte er dem Ersten Weltkrieg<br />

zu verdanken. Denn es stand bereits<br />

seit<br />

mehreren Drehtagen ein anderer<br />

Elmo Lincoln<br />

Schauspieler vor der Kamera, als der<br />

Kriegszustand ausgerufen wurde, und dieser sich in einem Anfall von<br />

Patriotismus freiwillig zum Militär meldete.<br />

Tarzan vergrößert sein Revier<br />

1931 erweiterte Tarzan sein Territorium: Burroughs produzierte eine<br />

Reihe von Schallplatten; fürs Radio wurden 364 Episoden von 15<br />

Minuten Länge hergestellt, und so kam der Urwaldmensch erstmals<br />

flächendeckend in die Wohnstuben der Amerikaner. Und schon im Jahr<br />

darauf lancierte der umtriebige<br />

Burroughs Tarzan in Comicform:<br />

Er schloss einen Vertrag mit<br />

United Feature Syndicate, die<br />

Comicstrips, also Bilderfolgen<br />

in Streifen, international vertrieben.<br />

So kam Tarzan in<br />

141 Tageszeitungen auch<br />

auf den amerikanischen<br />

Frühstückstisch,<br />

als<br />

Fortsetzungsgeschichten<br />

mit<br />

Suchtpotenzial.<br />

Zeichner wie Hal Foster,<br />

der später mit<br />

seinem<br />

„Prinz<br />

Eisenherz" selbst<br />

zu<br />

Weltruhm<br />

kommen sollte,<br />

machten<br />

den<br />

Abenteurer<br />

zum Helden<br />

der<br />

Sonntagsblätter;<br />

insgesamt 156 sonntägliche<br />

Zeitungen<br />

brachten<br />

Tarzan<br />

ganzseitig und farbig.<br />

1947 spreng-<br />

te Tarzan den<br />

engen Rahmen der<br />

Zeitungsabenteuer,<br />

als er seine eigene<br />

Comicserie<br />

Gordon<br />

erhielt. Ab 1951<br />

Scott<br />

erschien monatlich<br />

ein neuer<br />

Comicband.<br />

Die<br />

Bilderge schichten wurden ab<br />

den 50er Jahren auch von deutschen<br />

Verlagen übernommen,<br />

etwa vom Stuttgarter Ehapa-<br />

Verlag. Da Tarzan als Comic-<br />

Held nicht gerade zimperlich mit seinen<br />

Antagonisten umging, die Zeichner das<br />

Blut großzügig fließen und gern auch<br />

leichtbekleidete Amazonen auftreten ließen, war das Heft den<br />

Sittenwächtern ein Dorn im Auge. 1954 setzte die neugeschaffene<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften<br />

als erstes einen Tarzan-Comic auf den Index.<br />

Seit den 30er Jahren<br />

flossen allein durch die<br />

Comics monatlich gute<br />

5000 Dollar in Burroughs’<br />

Kasse. Wann immer<br />

Tarzan erwähnt wurde,<br />

Burroughs erhielt seinen<br />

Anteil. Er lizenzierte<br />

an mehrere<br />

hundert Hersteller, die Merchandise<br />

produzierten, vom einfachen T-Shirt<br />

über die Tarzan-Armbanduhr bis zum<br />

Tarzan-Kaugummi. 1939 gründete<br />

Burroughs sogar einen Kinderclub,<br />

von dem er hoffte, den Pfadfindern<br />

Konkurrenz zu machen, den „Tarzan<br />

Clan Of America". Eintrittsgebühr:<br />

1 Dollar. Bis zu seinem Tod 1950<br />

hatte Burroughs 26 Tarzan-<br />

Romane verfasst, die in 31<br />

Sprachen übersetzt wurden<br />

und sich 36 Millionen Mal<br />

verkauften. Er hatte mit einer<br />

Hatte in jedem Film eine<br />

andere Jane: Lex Barker<br />

Dynastie von Kindern und dem Aufbau eines wahren Imperiums dafür<br />

gesorgt, dass Tarzan seinen geistigen Vater überleben würde.<br />

Akkordarbeiter im Lendenschurz<br />

Mit dem Tonfilm kam der Tarzan-Schrei, und mit Johnny<br />

Weissmüller der erste Ton-Tarzan. Er sollte 1932 als Erster die<br />

weltberühmten Erkennungsworte sprechen „Tarzan – Jane".<br />

Weissmüller, bis heute mit zwölf Filmen in 15 Jahren der<br />

Langlebigste der Filmdarsteller, war ein Glücksfall: Er logierte<br />

im selben Hotel wie der Drehbuchautor, der dort das Script<br />

des geplanten nächsten Streifens in die Schreibmaschine<br />

hämmerte und am Pool zufällig beobachten konnte,<br />

wie der Gewinner von fünfmal Olympia-Gold<br />

und 67 Weltmeister-Titeln seine Bahnen kraulte.<br />

Die Produzenten engagierten ihn ohne Probe-<br />

Aufnahmen vom Fleck weg, so wurde der Sportler<br />

hauptberuflicher Lianen-Schwinger. Johnny<br />

unterschrieb einen Sieben-Jahres-Vertrag, der<br />

ihm 500 Dollar wöchentlich einbrachte, was auf<br />

2000 die Woche gesteigert wurde. Nach zähen<br />

Lohnverhandlungen wurde Weissmüller schließlich<br />

im 43. Lebensjahr, als er als jugendlicher Held<br />

schon nicht mehr vollends überzeugen konnte,<br />

vom 29-jährigen Lex Barker abgelöst. Den hatte der<br />

Produzent – wiederum zufällig – in der Polo-Lounge<br />

des Beverly Hills Hotels angetroffen. Erneut war die<br />

athletische Figur maßgebend: Der arbeitslose Barker bekam<br />

den Job dank einer Fotografie in Badehose am Strand. Er sollte<br />

seine Wahl zum König des Dschungels jedoch bald bedauern.<br />

Als ambitionierter Schauspieler wollte Barker auch andere Rollen<br />

spielen. Doch wer einmal Tarzan ist, der bleibt Tarzan – so<br />

will es ein ungeschriebenes Hollywood-Gesetz. Barker dankte<br />

als Dschungelfürst nach fünf Abenteuern ab, um in Europa<br />

sein berufliches Glück zu suchen – und sich wiederum als<br />

Serienheld in den Euro-Western zu verdingen.<br />

Mit Gordon Scott wird’s bunt<br />

Auf der Suche nach Tarzan Nummer elf wurden die<br />

Produzenten einmal mehr an einem Pool fündig: Gordon Scott<br />

war Bademeister eines Las-Vegas-Hotels. Auch er sollte den<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 16 ■ GoodTimes 2/2013


darchiv Hallhuber<br />

DA VIDS<br />

/<br />

Lendenschurz für genau fünf Filme überstreifen und der erste Farbfilm-<br />

Tarzan werden. So lange blieb keiner der nachfolgenden<br />

Darsteller noch, und keiner blieb dem Publikum lange im<br />

Gedächtnis. Als Mike Henry vom Affen ins Gesicht gebissen<br />

wurde, quittierte der letzte Kino-Tarzan den Dienst.<br />

Doch zu diesem Zeitpunkt liefen bereits mit Hochdruck die<br />

Vorbereitungen zur Eroberung jenes Mediums, das für den barfüßigen<br />

Waldläufer noch Neuland darstellte: das Fernsehen.<br />

1966<br />

bekam<br />

Ron Ely<br />

als Tarzan<br />

Nummer<br />

15 seine Chance,<br />

im Lenden schurz zu<br />

reüssieren. Dieser schlaksigste<br />

aller Tarzane<br />

sprach, dem Zeitgeist<br />

entsprechend, eher wie<br />

ein<br />

hipper kalifornischer<br />

Surfer denn wie ein<br />

Affenmensch. f<br />

Burroughs<br />

Erben hatten allerdings<br />

ihre<br />

Freude daran, denn<br />

der<br />

Autor hatte sich seine<br />

Figur nie als Analphabeten<br />

im<br />

Stil eines unartikulierten<br />

Johnny<br />

Weissmüller vorgestellt.<br />

Bis<br />

1968 wurden<br />

über<br />

40<br />

TV-<br />

Folgen mit<br />

respektabler<br />

<strong>Eins</strong>chalt quote<br />

ausgestrahlt,<br />

bis Tarzan wieder<br />

vom Äther<br />

verschwand.<br />

Jedoch nicht<br />

für lange:<br />

1976 lief<br />

auf CBS die<br />

erste Zeichentrick-Adaption<br />

des Stoffs,<br />

die<br />

1978 unter<br />

dem<br />

Titel<br />

„Tarzan – Herr<br />

des<br />

Dschungels" auch im<br />

deutschen ZDF gesendet<br />

wurde und die Saga<br />

immerhin um psychedelische<br />

Themen und die<br />

Begegnung mit UFOs<br />

bereicherte. Immerhin<br />

vier Staffeln und 36<br />

Folgen währte das kunterbunte<br />

Glück der Fans.<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Tarzan, der<br />

Sparsame<br />

Die Filme waren in der<br />

Regel einträglich, wenn<br />

man sie auch nicht als<br />

Kassenschlager bezeichnen<br />

könnte. Sie galten<br />

in Hollywood als<br />

B-Movies, als zweitklassige<br />

Produktionen,<br />

und ihre Regisseure mussten mit<br />

moderaten Budgets auskommen.<br />

Tatsächlich folgten die Tarzan-Filme<br />

jenem legendären Ausspruch eines<br />

Hollywood-Produzenten: „A tree is a tree,<br />

shoot it in Griffith Park", übersetzt etwa: ein<br />

Baum ist ein Baum, das Kinopublikum wird<br />

den Unterschied nicht merken, ob in Afrika<br />

oder im Park von Los Angeles gedreht wurde.<br />

Während der Reihe mit Lex Barker wurde ein<br />

kläglich scheiternder Versuch unternommen,<br />

tatsächlich am Fuße des Mount Kenia zu<br />

filmen. Niemand hatte einberechnet, dass<br />

dort unter dem Äquator Regenzeit herrschte.<br />

Das Filmteam flüchtete sich alsbald ins<br />

kalifornische Klima zurück, wo Tarzan weiter<br />

den Retter des Urwalds vor künstlicher<br />

Botanik mimte und lediglich kostengünstige<br />

Rückprojektionen den Darsteller in den<br />

Dschungel versetzten. Erst die Reihe der<br />

Farbfilme mit Gordon Scott wagte Jahre später<br />

nochmals den Sprung auf den schwarzen<br />

Kontinent, weil der Regenwald<br />

sich in Farbe nicht überzeugend<br />

rekonstruieren ließ. Davor hatten<br />

die Produzenten diese<br />

„Atmosphäre" mehr oder<br />

weniger erfolgreich vermittelt,<br />

indem sie<br />

einfach Tier- und<br />

Naturaufnahmen aus<br />

dem Archiv in die<br />

Handlung einbauten,<br />

was aufgrund unterschiedlicher<br />

Filmkörnung doch recht augenscheinlich<br />

war. Der Geiz gewisser<br />

Produzenten ging so weit, dass<br />

eine Unterwasser aufnahme eines<br />

Kampfs zwischen Weissmüller<br />

und einem Krokodil in insgesamt<br />

fünf Tarzan-Filmen Verwendung<br />

fand – selbst in einen Farbfilm<br />

schnitt man die Schwarzweiß-<br />

Szene kurzerhand hinein, blau<br />

eingefärbt.<br />

Die Fans haben den Tarzan-Filmen<br />

derart lachhafte Tricks, hölzerne<br />

Schauspieler und Statisten in<br />

Affenkostümen immer wieder verziehen.<br />

Anders als die Reihe jenes anderen<br />

langlebigen Filmhelden, James Bond,<br />

war die Tarzan-Serie nie darauf aus,<br />

sich selbst stets von Neuem mit noch aufwändigeren<br />

Knüllern zu übertreffen. Tarzan war Fließbandware.<br />

Die als solche aber vom Publikum hüben wie drüben<br />

im höchsten Maß goutiert wurde.<br />

Johnny<br />

Weissmüller<br />

Foto: DAVIDS/Bil<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 17


Hugo Kastner<br />

Das uramerikanische Genre des Western ist<br />

seit den 50er Jahren ein Massenphänomen.<br />

Kinofilme wurden in Hollywood am Fließband<br />

gedreht, zahlreiche TV-Serien kamen hinzu,<br />

von denen viele im deutschen Fernsehen<br />

gezeigt wurden. Und es gab Westernromane<br />

als Groschenhefte oder Leihbücher in riesigen<br />

Auflagen. Hugo Kastner hat mehr als 1000<br />

Illustrationen für die Titelbilder von Serien<br />

wie G.F. Unger, „Lassiter , „Rauchende Colts<br />

oder „Santana gemalt und die Bildsprache<br />

mehr als 30 Jahre lang maßgeblich mitgeprägt.<br />

Von Hugo Kastner jr.<br />

Der Mann der dem Wilden<br />

Westen Gesichter gab<br />

Titelbildentwürfe waren bis Ende der 60er Jahre sehr gut bezahlt,<br />

ebenso Westerngeschichten. Die meist männlichen Leser faszinierte<br />

offenbar die träumerische Ferne des Wilden Westens.<br />

Der Western war gleichsam ein Spiegelbild der verklärten,<br />

fast romantischen Sicht des durch Fort, Saloon, Indianer und weite<br />

Landschaften geprägten Lebens der amerikanischen Pionierzeit. Der<br />

tapfere Cowboy, der einsame Sheriff, der skrupellose Gangsterboss,<br />

die unschuldige Frau – die Klischeefiguren dieses Genres sind Legion.<br />

Und Hugo Kastner prägte als Pionier der deutschsprachigen Western-<br />

Titelbildillustrationen dieses Zeitalter mit.<br />

Als Sohn des „Zeichners", dessen Schaffenszeit das volle Leihbuchzeitalter<br />

umfasste, dann noch die großen Jahre des Western-Heftromans,<br />

betrachte ich mich gleichzeitig als Nachlassverwalter seines gewaltigen<br />

Oeuvres. Und ich habe die Entstehung von Westernillustrationen in jungen<br />

Jahren hautnah erlebt. Seit Anfang der 50er Jahre hat Hugo Kastner<br />

fast 1000 Titelbilder für Leihbücher<br />

bei der C.S. Dörner-Verlagsanstalt,<br />

beim Hermann Borgsmüller-Verlag<br />

und beim Hugo Alfred Kastner Mülbüsch- 1958<br />

Verlag entworfen. Weitere circa<br />

500 Originalbilder folgten für die<br />

Western-Heftromane des Mülbüsch-<br />

Verlags, dazu gab es mehr als 1000<br />

Nachdrucke früherer Titelbilder für<br />

diverse Romanheft-Reihen. Ab Ende<br />

der 70er Jahre entstanden dann<br />

noch einmal über 100 Original-<br />

Illustrationen für Bastei und Kelter.<br />

Hugo Kastner wurde am 5. Mai<br />

1921 in Kärnten geboren, lebte aber<br />

mit seiner Frau sowie den beiden<br />

Söhnen Hugo und Ronny in Wien.<br />

Seite 18 ■ GoodTimes 2/2013


Am 27. April 2004 verstarb er. Hugo Kastner<br />

war<br />

zeitlebens Hugo Kastner 1972<br />

freischaffender<br />

Graphiker,<br />

der<br />

nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg neben<br />

einem<br />

begonnenen<br />

Englischund<br />

Geschichtestudium<br />

Porträtzeichnungen<br />

und<br />

diverse<br />

Auftragsarbeiten<br />

für Galerien<br />

annahm. Ab Mitte<br />

der 50er Jahre schuf er erste Titelbilder<br />

für den Isabella-Verlag (Wien-Berlin) und<br />

den Falken-Verlag für die Serien „American<br />

Stories", „Blitz", „Kibi Williams" und „Colt<br />

Story". Warum Western? Seine ganz persönliche<br />

Antwort: „Der Western hat mir immer<br />

Platz zum Träumen gelassen. Es macht einfach<br />

Spaß, diese Bilder zu malen. Und der<br />

Western kommt meinem Zeichenstil stark<br />

entgegen."<br />

g<br />

Im<br />

Herbst 1954 begann für Hugo Kastner<br />

beim Verlag C.S. Dörner eine Mehrfachkarriere<br />

als Autor, Zeichner und Übersetzer. Drei<br />

Westernromane („Alles oder nichts", „Das<br />

Ende der Circle C", „Der Unbezwingliche")<br />

und zwei Übersetzungen aus dem<br />

Amerikanischen in der Reihe „Classic<br />

Western" („Eine harte Zeit",<br />

„Silver City") wurden bereits<br />

1955 als Leihbücher unter dem<br />

Pseudonym Emery Scott auf<br />

ben bis acht Ölbilder im Format A0, also<br />

in Plakat-Größe. Üblicherweise kamen von<br />

Verlagsseite extrem kurze Anweisungen:<br />

„… Männer sitzen um ein Feuer", „… berittene<br />

Pferde unter Sternenhimmel", manchmal<br />

– vor allem bei neuen Aufträgen für<br />

Bastei oder Kelter – auch detaillierte<br />

Angaben: „… links oben auf einem<br />

Pferd, groß abgebildet, ein junger<br />

Nordstaatler. Unten, klein abgebildet,<br />

ein ehemals prächtiges Herrenhaus<br />

den Markt gebracht. Das<br />

der Südstaaten, inzwischen<br />

Pseudonym lehnt sich an<br />

die Straße an, in der er<br />

geplündert. Auf der Veranda<br />

ein toter alter Mann im<br />

damals mit seiner Familie lebte.<br />

Schaukelstuhl." Um die<br />

Alle Titelbild-Illustrationen zu<br />

diesen Büchern schuf Hugo<br />

Bewegungsstudien korrekt<br />

skizzieren zu können,<br />

Kastner gleich selbst. Anfang<br />

verwendete er<br />

der 60er Jahre folgte mit „Der<br />

meist Bilder aus den<br />

Gehetzte" ein letztes<br />

damals in österreichischen<br />

Leihbuch als „Roman aus<br />

Kinos<br />

dem Wilden Westen" aus<br />

der Feder Emery Scotts.<br />

Für das Verlagshaus<br />

Pabel/Zauberkreis<br />

(Serien Pabel-Western,<br />

ausgegebenen<br />

Heftchen „Illustrierter<br />

Film-Kurier" oder „Neues<br />

Film-Programm". Manchmal<br />

behalf er sich sogar mit<br />

Silber-Western<br />

und<br />

selbst zusammengeklebten<br />

Western-King) sowie<br />

Collagen aus diver-<br />

für Merceda, den<br />

sen Illustrierten und<br />

Indra-Verlag, Hallberg/Schälter und Conny<br />

Cöll fertige Hugo Kastner ebenfalls einige<br />

Titelbilder an. Hugo Kastners zeichneri-<br />

Zeitungsbeilagen. In einzelnen Entwürfen<br />

verstecken sich auch die Gesichtszüge damaliger Hollywood-Größen,<br />

wie etwa die John Waynes, später bei Kelter der in den 70ern allge-<br />

sches Talent und die daraus resultierenden<br />

Verdienstmöglichkeiten<br />

führten<br />

aber sehr bald<br />

dazu, dass er sich auf<br />

Titelbildillustrationen<br />

konzentrierte.<br />

Kastner kam bei seinen<br />

Illustrationen,<br />

bei denen naive, ikonenhafte<br />

Figuren und<br />

Kopfporträts dominierten, n,<br />

auch die in der damaligen<br />

Zeit Zit ungeheuer kritische Sichtweise e<br />

gegenüber jeder Art von „jugendgefährdender"<br />

Trivialliteratur entgegen. Nicht<br />

Revolverduelle oder blutrünstige Szenen n<br />

zierten die Titelbilder, sondern vielmehr<br />

waren ruhige Landschaften mit dem<br />

„schwebenden" Porträt des Cowboys<br />

oder seiner Liebsten gefragt. In seinem<br />

nur neun Quadratmeter kleinen<br />

Arbeitszimmer entstanden monatlich sie-<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 19


genwärtige Winnetou, verkörpert von<br />

Pierre Brice. Für die Vermarktung waren<br />

Ähnlichkeiten mit Filmhelden durchaus<br />

erwünscht.<br />

Die Umrisse der Figuren wurden mit Hilfe<br />

eines Pantographen (Storchenschnabel)<br />

auf ein großes Zeichenblatt übertragen,<br />

lose angedeutet und als Hilfslinien für<br />

die eigentliche Zeichnung. Für manche<br />

Bildmotive, für die keine passenden<br />

Filmfiguren vorlagen, fertigte er<br />

auch Bleistiftzeichnungen im A4-Format<br />

an, meist mit kleinen Kritzeleien am<br />

Bildrand versehen, die sich auf den<br />

Schriftzug bezogen. Der Normalfall war<br />

jedoch eine Kohlevorzeichnung, die<br />

dann mit „Fixativ" vor Abrieb ge schützt<br />

wurde. Danach<br />

erfolgte zunächst<br />

mit der Technik<br />

der Ölmalerei eine Durcharbeitung<br />

der Haupt figur, gefolgt von der<br />

Hintergrundskizzierung. Dieser<br />

Prozess zog sich in mehreren<br />

Arbeitsgängen direkt an der<br />

Staffelei über einen Zeitraum<br />

von circa drei bis vier Tagen<br />

hin. Zuletzt fügte er den Titel<br />

(besser: das Schriftbild) ein.<br />

Bei der Endkontrolle musste<br />

wegen der langen Trockenzeit<br />

der Ölfarben immer wieder einmal<br />

ein letzter Strich mit dem<br />

Plakatpinsel ausgebessert werden.<br />

Der Versand erfolgte dann<br />

in langen Rollen, in die jeweils<br />

vier Entwürfe gepackt wurden.<br />

Um die Produktivität möglichst<br />

hoch zu halten, erfolgten alle<br />

Arbeitsschritte mehr oder weniger<br />

gleichzeitig.<br />

Mit Hilfe meines Sammlerfreundes<br />

Jörg Hoeßle ist es in monatelanger<br />

Kleinarbeit gelungen,<br />

auf der Homepage<br />

www.hugo-kastner.at<br />

eine e<br />

relativ exakte zeitliche Zuordnung<br />

sämtlicher Illustrationen, Umtitelungen und<br />

Neuauflagen zu machen, insgesamt ein weit über<br />

2800 Daten umfassendes Werksverzeichnis.<br />

Die meisten Bilder des während des Leihbuchzeitalters<br />

vermutlich<br />

ak tivsten<br />

Western-Titelbild<br />

illus trators<br />

entstanden<br />

für den Verlag<br />

Alfred Mülbüsch<br />

in<br />

Castrop-<br />

Rauxel.<br />

Über<br />

einen Zeitraum<br />

von<br />

zwei<br />

Jahrzehnten,<br />

von 1955 bis<br />

Herbst 1977,<br />

insgesamt 679<br />

Illustrationen:<br />

Pro<br />

Monat<br />

zunächst bis in<br />

die frühen 60er<br />

Jahre<br />

jeweils<br />

vier Werke für<br />

Leihbücher,<br />

danach sporadische<br />

Arbeiten,<br />

bis zur endgültigen<br />

<strong>Eins</strong>tellung<br />

der Leihbuchproduktion<br />

im<br />

Februar 1976.<br />

Ab dem Jahr<br />

1962 wurden<br />

parallel<br />

neue<br />

Illustrationen<br />

sowie<br />

seit<br />

circa 1970<br />

überwiegend<br />

Umtitelungen<br />

für die Heftserien Top Western<br />

und Western Express (beide<br />

auch im Vertrieb Rodeo, Pabel<br />

und Indra) angefertigt. Beide<br />

Heftreihen erreichten immerhin<br />

eine Rekordzahl von über<br />

1000 Romanen. 1974 wurde in<br />

einem bereits engen Markt mit<br />

„Weiter Westen" nochmals eine<br />

neue Mülbüsch-Reihe gestartet,<br />

zunächst mit Originalzeichnungen,<br />

dann mit Zweit- und Drittauflagen<br />

älterer Arbeiten. Anfang der<br />

60er Jahre schuf er nebenher<br />

auch einige Titelbildillustrationen n<br />

für die Hermann Borgsmüller r<br />

Verlagswestern.<br />

Am Ende seiner aktiven Zeit, zwischen<br />

1978 und 1983 – Dörner<br />

und Mülbüsch waren inzwischen<br />

bereits vom Markt verdrängt –<br />

machte Hugo Kastner an die<br />

fünfzig<br />

Titelillustrationen<br />

für den Westernbereich des<br />

Bastei-Verlags (G.F. Unger,<br />

„Lassiter", „Rauchende Colts",<br />

Robert Ullmann, „Santana", Texas-Western,<br />

Western-Hit, Wildwest-Roman) und zeitlich<br />

parallel zwischen 1980 und 1984 eine ähnliche<br />

Anzahl Titelbilder für die verschiedenen<br />

Westernserien des Kelter-Verlags („Apache Cochise", Axel<br />

Berger, „Die Blauröcke", Die großen<br />

Western, „Die harten Vier", Classic<br />

Western, „Ferner Westen", G.F. Barner,<br />

G.F. Waco, „Halleluja Reverend", „Major<br />

Carson", U.S.Western). Die meisten<br />

dieser Titelbilder wurden aus Kostenund<br />

Zeitgründen mit Ölkreiden und<br />

Wasserfarben im mittlerweile viel kleineren<br />

Format A1 erstellt und im Falle des<br />

Bastei-Verlags teilweise als Fotorepros<br />

ausgeliefert. Serienname und Hefttitel<br />

wurden längst nicht mehr gemalt, sondern<br />

in Kopf- und Fußzeilen gedruckt.<br />

Alles in allem umspannt die Schaffenszeit<br />

von Hugo Kastner eine Periode von<br />

ungefähr 30 Jahren – die goldene Zeit<br />

des Westernromans.<br />

Seite 20 ■ GoodTimes 2/2013


Von Jens-Uwe Berndt<br />

Die ZDF-Hitparade"<br />

"<br />

war eine Institution.<br />

In den 70er Jahren dürfte<br />

sie mal locker die populärste<br />

Unterhaltungssendung im deutschen<br />

TV gewesen sein – erst recht,<br />

wenn man den Beliebtheitsgrad in<br />

der DDR hinzurechnet. Denn wer<br />

die Schlagersause im Osten empfangen<br />

konnte, verpasste keine<br />

Folge. Und zu Dieter Thomas<br />

Heck in das Studio 4 der Berliner<br />

Union Film kam alles, was im<br />

deutschsprachigen Sektor<br />

der leichten Muse Rang<br />

und Namen hatte.<br />

Man kann es drehen und wenden wie man will: Die „ZDF-<br />

Hitparade" mit Dieter Thomas Heck als Moderator ist Kult.<br />

Selbst heute, wo der Fernsehzuschauer gewöhnt ist, in einer<br />

Unterhaltungsshow im 30-Sekunden-Takt mit immer wieder neuen<br />

Eindrücken bespaßt zu werden, zieht einen die geradezu spartanisch<br />

Nicht nur auf dem Foto: Stars und Moderator<br />

waren in der Hitparade wie eine große Familie.<br />

arrangierte Wertungssendung in den Bann. Die Kulisse beschränkte<br />

sich auf Publikum und Anzeigetafel, die Sänger boten bar jeglicher<br />

Showeffekte zum Halbplayback live gesungene Lieder dar, und Heck<br />

ratterte durch knappe Ansagen. Das war’s. Und eben auch nicht.<br />

Beginnen wir mit dem Moderator. Der war gerade 31 Jahre alt<br />

geworden, als er mit sonorer Stimme am 18. Januar 1969 die erste<br />

Hitparade ankündigte. Sein „Hier ist Berlin!" ging in den Fundus geflügelter<br />

Worte ein, das geschmetterte „Zett Deeh Äff" avancierte zur am<br />

häufigsten imitierten oder parodierten Buchstabenaneinanderreihung.<br />

Dieter Thomas Heck sah aus wie jemand, den man heute als Nerd<br />

bezeichnen würde. Dessen ungeachtet führte der erfahrene Radiosprecher<br />

von der ersten Hitparade an forsch durch die Sendungen. Meist charmant,<br />

manchmal frech, provozierte er Sekunden-Dialoge mit den Stars oder<br />

reagierte fix auf Regungen im Publikum. Selbst die Interaktion mit den<br />

Leuten hinter der Kamera wusste er zu <strong>kult</strong>ivieren. Heck wirkte immer<br />

gehetzt. Es schien, als wollte er den Sendestoff einer Stunde unter allen<br />

Umständen in die zur Verfügung stehenden 45 Minuten quetschen. Und<br />

von Zeit zu Zeit tat er das wohl auch. Allerdings musste Dieter Thomas<br />

Heck dem enormen Tempo seiner Show auch ab und an Tribut zollen.<br />

Mal sagte er Titel falsch an, verwechselte Orte und Daten oder verhaspelte<br />

sich und redete einfach mal ein bisschen Blödsinn. Geschenkt. Selbst,<br />

dass er Nena bei ihrem<br />

Sieg in der 162. Sendung<br />

am 28. Februar 1983<br />

mit "99 Luftballons" als<br />

„Nicole und Band" aufrief,<br />

nahm ihm niemand<br />

übel. Außer vielleicht<br />

Nena, die den sympathischen<br />

Irrtum Hecks mit<br />

hochnäsigem Gekicher<br />

beantwortete.<br />

Wo wir bei den Stars<br />

sind. Die rekrutierten<br />

sich bis circa 1982 fast<br />

ausschließlich aus der<br />

Rex Gildo (r.) hatte nach 1972 in der<br />

Hitparade keinen Hit mehr.<br />

Schlagerszene. Und Interpreten wie Roy Black, Rex Gildo, Karel Gott, Bata<br />

Illic, Siw Malmkvist oder Peter Orloff, die bei der Premiere auftraten, stan-<br />

Fotos: © DAVIDIS/Bildarchiv Hallhuber/Zill<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 21


den zehn Jahre<br />

Nase vorbeihuschte, während<br />

später immer<br />

er gerade moderierte.<br />

noch mehr oder<br />

weniger regelmäßig<br />

auf der<br />

Programmliste.<br />

Sein Umgang mit den<br />

Hitparaden-Besuchern<br />

wurde mit den Jahren<br />

zurückhaltender. Diese<br />

Die Live-<br />

Veränderung ging einher<br />

Atmosphäre<br />

mit einem wachsen-<br />

sorgte für<br />

den Selbstbe wusstsein der<br />

die nötige<br />

Fans, die im Studio längst die<br />

Spannung.<br />

Hoheit über den Raum erobert<br />

Nicht jeder<br />

hatten. Wer sein Idol bestürmen<br />

wollte, der tat es. Auch<br />

Sangeskünstler<br />

Chris Roberts<br />

war der<br />

Heck fand sich ein ums<br />

Drucksituation gewachsen. Während Ricky Shayne Textunsicherheiten<br />

hatte, rutschte Milva das Mikrofon aus der Hand und gewährten vor allem<br />

Neulinge unter ihren Achseln Blicke auf landkartenartige Schweißflecke.<br />

Im Allgemeinen regierte allerdings ein hoher Qualitätslevel. Chris Roberts<br />

– eigenartigerweise einer der Wenigen mit einer eher bescheidenen<br />

Stimme – war allein bis 1977 mit acht Nummer-eins-Hits (zum Teil<br />

mehrfach) der König unter den Schlagerhelden. Jürgen Marcus brachte<br />

im selben Zeitraum fünf Titel auf die Spitzenposition, und Michael Holm<br />

schaffte es mit vier Nummern nach ganz oben, ebenso wie Howard<br />

Carpendale (bis 1979). Für den omnipräsenten Rex Gildo war mit "Fiesta<br />

Mexicana" schon im Dezember 1972 Schicht im Schacht. Danach gab es<br />

für ihn nie wieder ein Siegerlied.<br />

Mit den wechselnden Moderatoren änderte sich später eklatant das<br />

andere Mal von Anhängern mit kleinen<br />

Geschenken oder Schnittblumen<br />

bedacht.<br />

Auch wurden die Reaktionen differenzierter.<br />

Wurden in den frühen<br />

Hitparaden-Jahren alle Auftretenden<br />

mit der gleichen Intensität beklatscht<br />

(zumindest gab es keine Ausreißer nach<br />

unten), konnte der TV-Zuschauer mit Einzug<br />

der deutschen Popwelt schon am Applaus erkennen,<br />

wie die Sympathien im Studio verteilt<br />

waren. Hubert Kah wurde nach seinem<br />

Sieg mit "Sternenhim mel" in der<br />

Konzept der Sendung. Unter Viktor<br />

Worms (1985 bis 1990) wurden<br />

159. im<br />

Sendung<br />

November<br />

englischsprachige Produktionen aus<br />

Deutschland und das Vollplayback<br />

1982 Beispiel<br />

zum<br />

heftig<br />

eingeführt, und mit Uwe Hübner<br />

ausgebuht.<br />

(1990 bis 2000) wurde die<br />

Nena<br />

wiederfuhr<br />

Hitparade zu einer ausufernden<br />

Unterhaltungsshow mit Interviews,<br />

Quiz, Rückblenden, Porträts usw.<br />

Allerdings wandte sich die TV-Reihe<br />

im Februar<br />

1984 Ähnliches, als<br />

sie mit "Fragezeichen"<br />

gewann, ihren Auftritt<br />

wieder dem deutschen Schlager zu.<br />

wegen<br />

technischer<br />

Und ab 1992 mussten die eingeladenen<br />

Künstler erneut live singen.<br />

Probleme aber in<br />

den Sand gesetzt<br />

Das Publikum machte einen wesentlichen<br />

Teil des Charmes der „ZDF-<br />

Hitparade" aus. Natürlich wurde in<br />

den 70ern noch vor allem brav applaudiert. Allerdings sorgten die Fans<br />

einzelner Künstler von Anfang an für reichlich Kuddelmuddel, wenn sie<br />

ihren Liebling mit Blumen beglückten. Da wurde dann nicht nur manchmal<br />

der Singende aus seinem Vortrag gerissen, auch der Gang „durch die<br />

Kamera" gehörte zu den ungeplanten Ereignissen. Dieter Thomas Heck<br />

reagierte darauf zwischenzeitlich durchaus etwas genervt,<br />

vor allem wenn jemand an seiner<br />

Heck und Howard Carpendale: Dialoge<br />

waren in der Show kurz und bündig.<br />

hatte. Heck reagierte<br />

auf diese<br />

Unmutsbekundungen<br />

nicht. Überhaupt wirkte<br />

er zu Zeiten der NDW inmitten der<br />

ausgeflippten Jungspunde deplatziert.<br />

Vermutlich spürte er das selbst, weshalb<br />

er 1984 die Segel strich.<br />

Howard<br />

Carpendale<br />

Michael Holm<br />

Katja Ebstein<br />

Roy Black<br />

Jürgen<br />

Marcus<br />

Christian<br />

Anders<br />

Lena<br />

Valaitis<br />

Seite 22 ■ GoodTimes 2/2013<br />

Ricky<br />

Shayne


DIETER THOMAS HECK<br />

Ohne Zweit- und<br />

Drittligisten wär’s<br />

langweilig gewesen<br />

Dieter Thomas Heck ist der Vater der "<br />

ZDF-Hitparade" und moderierte die TV-Sendung<br />

fast 16 Jahre lang. Ende des vergangenen Jahres feierte er seinen 75. Geburtstag. Jens-<br />

Uwe Berndt nahm das Jubiläum zum Anlass, mit Dieter Thomas Heck auf die Hitparade<br />

zurückzuschauen.<br />

Die Hitparade ist praktisch Ihr Kind. War Ihnen mit Beginn der<br />

Showreihe bewusst, dass sich die Hitparade zu einer der wichtigsten,<br />

wenn nicht gar zur bedeutendsten Musiksendung im<br />

deutschen Fernsehen entwickeln würde?<br />

Natürlich war allen Beteiligten, mich eingeschlossen, am Anfang nicht<br />

klar, dass sich diese Sendung zu einem langjährigen Dauerbrenner<br />

entwickeln würde. Meine Erwartungen an dieses Format bestanden<br />

zunächst darin, dem deutschsprachigen Schlager eine Plattform<br />

im Fernsehen zu verschaffen. Dass sich daraus so schnell eine der<br />

beliebtes ten Sendungen bei den Zuschauern entwickeln würde, hatte –<br />

glaube ich – keiner in der Form vorausgesehen.<br />

Wenn Sie die Sendung präsentierten, vermittelten Sie den<br />

Eindruck, mit Leib und Seele Schlagerfan zu sein. Welche musikalischen<br />

Präferenzen hatten Sie tatsächlich?<br />

Natürlich war ich mit Leib und Seele Schlagerfan. Sonst wäre es sicherlich<br />

auch nicht so glaubwürdig beim Zuschauer angekommen. Sicherlich<br />

haben mir die vorgestellten Titel mal besser, aber auch mal weniger gut<br />

gefallen. Das liegt in der Natur der Dinge. Aber ich habe mich immer<br />

bemüht, allen Künstlern die gleiche gute Plattform zu bieten. Meine<br />

musikalischen Präferenzen waren in etwa identisch mit der Musik, die in<br />

der Sendung vorgestellt wurde – nur wesentlich weitgefächerter.<br />

Was war für den deutschen Schlager die beste und kreativste Zeit?<br />

Der deutsche Schlager hat immer wieder eine kreative und erfolgreiche<br />

Zeit. Ändern tun sich lediglich durch Zeitgeist<br />

der musikalische Stil und die Texte. Wenn Sie<br />

zum Beispiel jetzt einmal die Charts anschauen,<br />

werden Sie feststellen, dass immer mehr deutsche<br />

Produktionen in den Vordergrund rücken.<br />

Darüber freue ich mich sehr.<br />

Über die Jahre wurden die unterschiedlichsten<br />

Methoden ausprobiert, das Publikum<br />

mitentscheiden zu lassen: Postkarte, angeforderte<br />

Stimmkarte oder TED. Welche<br />

Variante war für Sie die repräsentativste,<br />

welche hat am meisten Spaß gemacht?<br />

Das beste und sicherste – und vor allem spannendste – Wertungssystem<br />

war der TED. Vor allem dadurch, dass am Ende der Sendung die ersten<br />

Drei bereits feststanden.<br />

Ende der 70er Jahre bekam man als Hitparaden-Zuschauer<br />

den Eindruck, dass die Schlagerszene bestenfalls aus vier, fünf<br />

Flaggschiffen bestand. Trog dieses Bild, oder vermittelte die<br />

Sendung den tatsächlichen Zustand der Branche?<br />

Die Gegenfrage. Was verstehen Sie unter Flaggschiffen? Das wäre für<br />

meine Begriffe die „Königsklasse". Wie man beim Fußball sagen würde.<br />

Aber ohne die Zweit- und Drittligisten wäre es langweilig. Auch Ende<br />

der 70er Jahre waren immer wieder Neuentdeckungen in der Sendung,<br />

die dann populär wurden. Eine der populärsten Künstlerinnen hat uns<br />

immerhin als Teenager die Nummer eins beim Grand Prix beschert:<br />

Nicole mit "Ein bisschen Frieden". Und ich könnte davon noch eine<br />

ganze Menge nennen.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 23<br />

Als die NDW aufkam, wurde<br />

die Hitparade mehr zu<br />

einer Popshow. War diese<br />

Veränderung Ihr Ding?<br />

Die NDW – also die Neue Deutsche<br />

Welle – hat, wie Wellen das tun,<br />

eine ganze Menge musikalisch an<br />

den Strand gespült. Das Gute ist geblieben, der Rest wanderte zurück ins<br />

Meer. Ich empfand die NDW als eine gute Bereicherung der deutschen<br />

Musikszene. Man darf dabei aber auch nicht vergessen, dass zur selben<br />

Zeit ein Andy Borg mit mehreren Hits in die Oberliga kam, dass ein Nino<br />

de Angelo mit "Jenseits von Eden" einen Jahrhunderthit startete und<br />

Roland Kaiser, von dem ich von den vielen Hits nur einen herausgreifen<br />

will, "Santa Maria" zur selben Zeit ein großes Publikum eroberte.<br />

Der "<br />

Musikladen" wurde 1984 eingestellt, Sie nahmen im selben<br />

Jahr Abschied von der Hitparade. Das wirkte wie ein<br />

Großreinemachen der Öffentlich-Rechtlichen. Warum sind Sie<br />

damals gegangen?<br />

Der Grund meines Abschiedes nach 15 Jahren und elf Monaten war<br />

ein ganz einfacher: Ich machte damals schon seit Ende der 70er<br />

neben der Hitparade auch die „Pyramide", und auf meine Anfrage<br />

nach einer großen Abendshow mit Musik antwortete mir der damalige<br />

Hauptabteilungsleiter Show: „Herr Heck, was wollen Sie denn<br />

noch alles machen? Dann müssen Sie sich<br />

von einer Sendung trennen." Und da die<br />

Hitparade ein wohlgestalteter Teenie war, der<br />

die Fürsorgepflicht des Vaters nicht mehr benötigte,<br />

habe ich mich von ihr getrennt.<br />

Nach Ihnen erlebte die Hitparade ein<br />

ständiges Hin und Her. Plötzlich sangen<br />

immer mehr Interpreten englisch,<br />

wurde zum Playback gemimt, gab es<br />

Studiogäste. Hat Ihnen die Entwicklung<br />

Ihres Kindes noch gefallen? Was hätten<br />

Sie anders gemacht?<br />

Mir hat die musikalische Entwicklung der Hitparade insofern nicht<br />

mehr so gut gefallen, weil auf einmal zwar „deutsche" Copyrights im<br />

Mittelpunkt standen, die englisch gesungen wurden – wie übrigens alle<br />

Produktionen von Frank Farian oder Dieter Bohlen. Für den Zuschauer<br />

waren sie als deutsche Produkte nicht mehr nachvollziehbar. Ich wäre<br />

dabei geblieben, weiterhin – für den Zuschauer verständlich – nur<br />

deutschsprachige Titel zuzulassen.<br />

Der deutsche Schlager ist immer noch da und hat zum Teil<br />

hervorragende Vertreter. Hätte eine Sendung wie die Hitparade<br />

Ihrer Meinung nach heute noch eine Chance im TV?<br />

Natürlich ist die deutschsprachige Musikszene immer noch da, und<br />

ich finde, erfolgreicher denn je, nur im aktuellen Gewand des neuen<br />

Jahrzehnts. Das gefällt mir unendlich gut, und aus diesem Grunde wäre<br />

es wunderbar, wenn es für diese musikalische Vielfalt eine Plattform<br />

gäbe. Das hätte sicherlich eine gute Chance.<br />

Fotos:© Bildarchiv Hallhuber/Zill


Von Roland Schäfli<br />

Seit 65 Jahren am Steuerknüppel<br />

und kein bisschen grauer<br />

Es war ein schulfreier Donnerstag in Belgien, und<br />

das Jahr 1947 war noch ganz neu. An diesem<br />

2. Januar fanden die Leseratten in ihrem<br />

Comic-Magazin "<br />

Spirou" einen amerikanischen<br />

Helden par excellence. Ausgestattet<br />

mit einem Granitkinn, den Schultern eines<br />

Möbelpackers und einem ausgesprochen<br />

männlichen Namen: Buck. Buck Danny.<br />

Ein untadeliger Pilot, so amerikanisch wie<br />

Apfelkuchen, aus der Feder eines belgischen<br />

Comic-Teams? Nicht so abwegig,<br />

wenn man bedenkt – erst der Einmarsch<br />

der Amerikaner beendete die Entbehrungen n<br />

der belgischen Bevölkerung. Kaum ein Junge,<br />

der nicht davon träumte, als todesmutiger Pilot<br />

durch die Wolken zu rauschen. Texter Jean-<br />

Michel Charlier und Zeichner Victor Hubinon<br />

ließen ihren Buck Danny die damals noch allen<br />

präsenten Kriegsjahre erneut durchleben. Das<br />

erste Abenteuer setzt 1941 ein. „Wir brauchen<br />

einen fähigen Mann für unsere Werft in Pearl lHarbor", sagt tjemand,<br />

worauf Buck sich pflichteifrig meldet, und natürlich war damals jedem<br />

Leser klar, mit dieser Destination würde Danny unmittelbar den Angriff<br />

der Japaner erleben. Auf den folgenden Seiten sollte er erstmals eine<br />

Maschine schrotten, „Bruch machen", wie es im Pilotenjargon on heißt, ein<br />

Flugzeug bruchlanden – es sollte nicht das letzte bleiben.<br />

Im Zeitgeist der 40er Jahre<br />

Schon auf Bild neun steckt unser Idol sich seine erste<br />

Zigarette an – die erste von vielen. Und noch etwas lässt sich<br />

für heutige Leser nur mit dem damaligen Zeitgeist erklären:<br />

Buck Danny ist Rassist. Zumindest, wenn es um „die Japsen"<br />

geht. Die Gelben sind tatsächlich so gelb, wie die Farbe aus<br />

der Tube kommt. In jenen Zeiten mussten die Guten besonders<br />

gut, die Bösen daher besonders schlecht sein, und diese<br />

undankbare Rolle kam den Japanern zu. Das Hassbild blieb<br />

auch nach dem Sieg erhalten, nicht zuletzt durch solche Publikationen.<br />

Buck schimpft die Gegner „Mondgesichter", „Zitronenfratzen" und<br />

„verdammte Zwerge". Charlier hat später einmal ausgeführt,<br />

dass der Massenmord von Hiroshima<br />

damals noch niemanden belastete.<br />

Die Väter von Buck Danny scheuten<br />

sich nicht, amerikanisches Heldentum<br />

zu verklären und den jungen Verehrern<br />

zur Nachahmung zu empfehlen, auf manchen<br />

Sonderseiten auch „Abzeichen der amerikanischen<br />

Luftwaffe" darzustellen. Eigentlich<br />

Propaganda der billigen Sorte, nur mit dem<br />

Unterschied, dass keine Regierung sie dazu<br />

angestiftet hatte. Es war nur so: Hubinon und<br />

Charlier verehrten selbst die US-Piloten über alle<br />

Maßen. Vom ersten Geld, das Buck Danny ihnen einbrachte, absolvierten<br />

die beiden ihre Pilotenscheine für Sportflugzeuge. Als Amateurpiloten<br />

schafften sie es bis zur Berufslizenz. Einige Jahre arbeiteten sie im<br />

richtigen Leben als Piloten und in der Fantasiewelt an Buck Dannys<br />

Geschichten – die Kunst imitierte das Leben. Und wie ihre Figuren blieben<br />

auch sie vor Bruchlandungen nicht verschont.<br />

Berufssoldat von ganzem Herzen<br />

Nach dem japanischen Angriff meldet sich Buck als aufrechter Patriot<br />

ohne Umschweife zur Air Force. Und da wird er Zeit seines Comic-<br />

Lebens auch<br />

bleiben, alters- und anspruchslos, was sein Privatleben<br />

angeht. Nur einmal wird er seinen<br />

Abschied nehmen, allerdings<br />

nur so lange, um sich davon zu<br />

überzeugen, dass er im Zivilleben<br />

nicht glücklich wird und sich eine<br />

Seite später schon wieder auf der<br />

Rekrutierungsstelle wiederfindet.<br />

Buck Danny ist Berufssoldat, er<br />

kann nicht ohne die Air Force.<br />

Glücklicherweise geht bei der<br />

Air Force auch nichts ohne Buck<br />

Danny.<br />

Seite 24 ■ GoodTimes 2/2013


In deutschen Landen hob Danny erstmals 1973 im Bastei-Verlag ab.<br />

Der traute dem Vornamen „Buck" offenbar<br />

nicht und benannte die Serie flugs<br />

in „Rex Danny" um (außerdem verzichtete<br />

Bastei auf die Veröffentlichung einiger<br />

Nummern mit Kriegshandlungen).<br />

Chronologisch korrekt brachte das erst<br />

der Carlsen-Verlag auf die Reihe. Zur Zeit<br />

der deutschen Erstveröffentlichung waren<br />

Überschallflieger freilich schon ein alter Hut.<br />

Als Buck Danny in Belgien die Bühne<br />

betrat, brach das Jet-Age gerade an, das<br />

Zeitalter des Düsenflugzeugs machte aus<br />

den Männern, die die Schallmauer durchbrachen,<br />

die Helden der Stunde, und schon bald sollten am Himmel über<br />

Korea Düsenflieger gegeneinander antreten. Der aus heutiger Sicht interessanteste<br />

Zyklus der Comic-Reihe beginnt erst bei Album 10 im Jahr<br />

1952 (was der Bastei-Verlag seinerzeit wohl auch so empfunden haben<br />

muss und seine Serie erst mit dieser Nummer startete): Buck meldet sich<br />

als Testpilot, um neue Prototypen zu fliegen. Mit dieser Ausgabe war die<br />

Handlung nicht mehr in der Vergangenheit angesiedelt, sondern in der<br />

Gegenwart angekommen. Die aufgeregten Leser hatten den Eindruck,<br />

mitten ins aktuelle Geschehen der amerikanischen Navy und Air Force<br />

gezogen zu werden.<br />

Realismus bis ins kleinste Detail<br />

Dabei zeichnet sich die Serie stets durch eine akribische, fast schon<br />

besessene Liebe zum Detail aus, was umso erstaunlicher ist, da den<br />

Autoren diese technischen Informationen nicht einfach zugänglich<br />

waren. Charlier hat seine Dokumentationen aus den Mülleimern der in<br />

Belgien stationierten US-Army gerettet oder sich „vor den Toren der<br />

Kasernen herumgedrückt, um ein paar Militärzeitungen zu ergattern".<br />

Doch sind es gerade diese technischen Einzelheiten, die die<br />

authentische Atmosphäre der Storys ausmachen. Wenn die<br />

abenteuerlichen Fabeln die Grenzen der Glaubwürdigkeit<br />

überschreiten, was ein Buck Danny alles erleben und überleben<br />

kann, so verleiht die genaue Abbildung der Maschinen<br />

der Erzählung ihre Wahrhaftigkeit.<br />

Auch Buck selbst, der in den ersten Bildern noch ganz<br />

unfertig wirkte, ja grobschlächtig, hatte nun dreidimensionalere<br />

Züge angenommen. Die Erzählform der ersten Person<br />

hatte man schnell wieder aufgegeben, die Abenteuer von<br />

Buck Danny sollten nicht in der Ich-Form, sondern aus der<br />

Perspektive des gespannten Zuschauers erlebt werden. Dafür htt hatten die<br />

Autoren Buck seine Weggefährten zur Seite gestellt: Tumbler, einfach<br />

„Tumb" genannt, und Sonny Tuckson. Dem kleingewachsenen Sonny<br />

kam dabei der Part des komischen Sidekicks zu, für immer und ewig für<br />

die Erheiterung der Leser zuständig. Die Drei waren die besten Freunde<br />

der Welt und standen an vorderster Front, wenn ein Admiral Freiwillige<br />

suchte. Zum Teufel mit dem Risiko! Darin sahen die Jungen, aus der sich<br />

die Leserschaft vor allem zusammensetzte,<br />

das Erstrebenswerteste überhaupt.<br />

In ihren Anfängen lebten Hubinon und Charlier r<br />

in einer Baracke, die davor allen Armeen, die<br />

durch Belgien gezogen waren, als Unterkunft t<br />

gedient hatte. Sie ernährten sich hauptsächlich<br />

von Nudeln, „weil das ungefähr alles war,<br />

was wir uns leisten konnten", erinnerte sich<br />

Charlier an diese heroische Epoche. Fast ein<br />

bisschen so, wie wenn ihre Comic-Figuren allen<br />

Entbehrungen zum Trotz die freie Welt retten<br />

wollen, egal ob sie dabei am Nordpol stationiert i t sind oder auf einem<br />

Flugzeugträger fern der Heimat, die ihnen als Privatpersonen eigentlich<br />

nicht viel bedeutet – außer, dass sie für sie ihr Leben aufs Spiel setzen.<br />

Nicht einmal der Tod kann ihn stoppen<br />

Selbst Frauen konnten das eingeschworene Trio nicht auseinanderbringen<br />

(nur Sonny erwärmte sich ab und zu für einen Flirt, was aber stets in<br />

einer Peinlichkeit endete). Die einzige weibliche Figur, die Buck je hätte<br />

„gefährlich" werden können, und dies in doppeltem Sinn, ist „Lady X",<br />

eine auffällig attraktive Fliegerin, die aber als Spionin für die Gegenseite<br />

arbeitet und darum Bucks geschworene Erzfeindin werden muss. Keine<br />

Frau hätte einen Kerl wie Buck je von seiner Pflicht abhalten können.<br />

Eines der Abenteuer endet mit seinen Worten: „Ich will meine Mutter<br />

besuchen. Denn gleich nach dem Urlaub erwartet mich ein wichtiger<br />

<strong>Eins</strong>atz." Was gäbe es da schon mehr zu sagen?<br />

Nicht einmal der Tod von Zeichner Hubinon 1979 konnte<br />

Buck Danny am Boden halten. Charlier legte den Zeichenstift<br />

in die Hände von Francis Bergèse. Als der berühmte Texter<br />

(der auch den „Leutnant Blueberry" ins Leben gerufen hatte)<br />

selbst 1989 verstarb, sollte es zwar vier Jahre dauern, bis mit<br />

Jacques de Douhet ein neuer Szenarist gefunden war, doch<br />

Buck Dannys Überleben war gesichert. Mit dem Tod des<br />

früheren Herausgebers Georges Troisfontaines 2007 endete<br />

auch ein jahrelanger Rechtsstreit um den Abdruck der ersten<br />

Abenteuer. So hat Buck Danny in bisher 52 Bänden nicht nur<br />

einen Weltkrieg, den Koreakrieg, den Kalten Krieg sowie alle<br />

<strong>Eins</strong>ätze in gegenwärtigen Kriegsregionen wie Afghanistan<br />

unbeschadet überlebt, sondern auch alle seine Väter. Nur er selbst bleibt<br />

immer alterslos, während seine Maschinen immer moderner und immer<br />

schneller werden.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 25


Jede Woche<br />

Clips aus<br />

einer<br />

Anarcho<br />

I<br />

Jedem Jahrzehnt seine TV-Musik-Show: Der Beat-Club" revolutionierte<br />

die 60er, Musikladen" und Disco" beherrschten die Dekade<br />

" "<br />

"<br />

danach, und die quietschig-schrillen 80er wurden von <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />

"<br />

geprägt. Vor genau 30 Jahren wurde die erste deutsche Videoclip-<br />

Sendung in den Münchener Bavaria Studios produziert – und sie sollte<br />

fortan das Lebensgefühl einer neuen Generation repräsentieren.<br />

Kulisse<br />

Von Jens-Uwe Berndt<br />

Was mit puren Werbefilmchen begann, hatte sich in der Duran oder Pink Floyd wurde diese Ehre zuerkannt. Die Zeit, diesen<br />

zweiten Hälfte der 70er Jahre zu einer ernstzunehmenden<br />

Form der<br />

niemand genommen. Denn<br />

Fakt tatsächlich einmal zu recherchieren, hat sich bisher allerdings<br />

Präsentation von Musik<br />

auch das Beatles-Filmchen<br />

entwickelt. Der Videoclip<br />

zeigte oft nicht mehr nur<br />

war damals nicht das erste<br />

seiner Art.<br />

die bei einem imaginären<br />

D<br />

Auftritt abgelichtete Gruppe.<br />

ie Macher der damals<br />

Manchmal wurden in einem<br />

für Deutschland bahnbrechenden<br />

Kurzfilm Geschichten<br />

Sendung hatten<br />

erzählt, dann wieder expressionistische<br />

Bilder zu ungewöhnlichen<br />

Klängen erfunden.<br />

Es ist amüsant zu sehen<br />

kaum Vorbilder für „<strong>Formel</strong><br />

<strong>Eins</strong>". Sicher, es gab seit<br />

1981 bereits den amerikanischen<br />

MTV-Kanal, für die<br />

oder zu lesen, wie sich in<br />

deutschen TV-Zuschauer<br />

den Medien seit Jahren die<br />

Schlaumeier darin überbieten,<br />

dem Publikum weiszu-<br />

musste allerdings ein neues<br />

Konzept gestrickt werden,<br />

sollten in nur 45 Minuten<br />

machen, wer denn nun mit<br />

doch die Entwicklungen auf<br />

Vier auf einen Streich: die Moderatoren-Gilde von <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />

dem ersten echten Videoclip<br />

" mehreren en<br />

um die Ecke kam. Die berühmtesten und damit am häufigsten<br />

genannten angeblichen Pioniere des Genres sind die Beatles mit<br />

"Strawberry Fields Forever" (läge nahe) und Queen mit "Bohemian<br />

Rhapsody" (eher unwahrscheinlich). Aber auch schon Abba, Duran<br />

relevanten Musikmärkten untergebracht werden.<br />

Produzent wurde der im Musikgeschäft erfahrene<br />

Andreas Thiesmeyer. Als Regisseur trat der<br />

versierte Michael Bentele auf – mit Vorlieben<br />

Seite 26 ■ GoodTimes 2/2013


© Pressefotos<br />

für deutsche Avantgarde-Acts. Und als erster Moderator<br />

ging Peter Illmann aus einem Casting hervor. Wenngleich<br />

der junge Mann manchmal etwas verkniffen rüberkam<br />

und die Ansagen dann eher steif statt jugendlich frisch<br />

(siehe Interview) abspulte, gilt Illmann als das „<strong>Formel</strong><br />

<strong>Eins</strong>"-Gesicht schlechthin.<br />

Das mag zum einen<br />

Peter Illmann<br />

daran liegen, dass sich<br />

mit ihm die Show etablierte<br />

(April 1983 bis<br />

Dezember 1984), es wird<br />

aber auch nicht unwesentlich<br />

davon beeinflusst<br />

worden sein,<br />

Ingolf Lück<br />

dass der gebürtige<br />

Dortmunder<br />

durchweg<br />

mit<br />

einem<br />

enormen<br />

Wissen über<br />

Bands,<br />

Stile,<br />

Szenen<br />

und<br />

Branche punkten<br />

konnte.<br />

Ähnliche Qualitäts merkmale gingen<br />

seinen Nachfolgern ab.<br />

Ingolf Lück (1985) gab von Anfang<br />

an den Clown. Im Gegensatz zu<br />

seinem Vorgänger schien der<br />

hyperaktive Lück von der<br />

Tarantel gestochen zu<br />

sein, was er mit allerlei<br />

Aktionen zu kompensieren<br />

versuchte. Dazu<br />

Stefanie Tücking<br />

gehörten<br />

auch<br />

seine<br />

Parodien<br />

internationaler<br />

Künstler, was nicht<br />

nur Freunde fand.<br />

Stefanie Tücking (1986<br />

und 1987) wollte zwar<br />

immer musikalisches Fachwissen<br />

raushängen lassen, fiel aber vor<br />

allem durch ihr in der Sendung<br />

Kai Böcking ständig wechselndes Outfit auf.<br />

Meist lustig: Ingolf Lück parodierte die Stars<br />

Und Kai Böcking (1988 bis 1990) gilt den meisten als der<br />

„schleichende Tod" einer vormals maßgeblichen TV-Sendung. Der<br />

Niedergang des einst Subversiven setzte allerdings schon unter<br />

Tücking ein – spätestens als am 4. November 1986 Bundespräsident<br />

Richard von Weizsäcker Ehrengast der Sendung war. Mit dem<br />

Anarcho-Image der ersten Jahre hatte das nichts mehr zu tun.<br />

Videoclips zu präsentieren hätte so einfach sein können. Die<br />

TV-Musikkanäle bewiesen dies später, als sie ihre Moderatoren<br />

vor langweilig gestalteten Deko-Wänden die Beiträge anmoderieren<br />

ließen. Die jeweiligen 45 Minuten „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" hatten<br />

hingegen eine Produktionszeit von fast einer Woche.<br />

Gedreht wurde in der Halle 10 der Bavaria Studios,<br />

wo die Ausstattung nicht nur von Show zu Show<br />

wechselte. Selbst innerhalb einer Sendung machte<br />

man sich manchmal die Mühe, das gesamte<br />

Drumherum völlig auf den Kopf zu stellen. Und<br />

da ging es dann nicht etwa<br />

um das Verschieben<br />

von bunt bemalten<br />

Pappwänden: Die<br />

„<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"-Kulisse<br />

gab es praktisch in 3D. Mal<br />

Schrottplatz, mal Hinterhof, dann<br />

wieder Autowerkstatt, Künstleratelier<br />

oder Probenraum – an irgendetwas<br />

dieser Art erinnerte die scheinba-<br />

re<br />

Unordnung immer. Nicht<br />

Nena<br />

selten war die Ausstattung den<br />

ins Studio eingeladenen Künstlern<br />

angepasst.<br />

Dabei ging es vor allem<br />

darum, den jugendlichen<br />

Zuschauern per<br />

Videoclips die aktuellen<br />

Charts aus den USA,<br />

Großbritannien<br />

und<br />

Deutschland zu präsentieren.<br />

Logisch, dass sich dadurch Falco<br />

eine immense Stilvielfalt entwickelte.<br />

Schlager konnte man bei<br />

„<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" ebenso erleben<br />

wie brachialen Heavy Metal.<br />

Von 1983 bis 1987 lief die<br />

Sendereihe wöchentlich auf<br />

Kim Wilde<br />

Modeikone und Kind ihrer Zeit: Stefanie Tücking<br />

allen dritten Programmen<br />

meist zwischen 18.30 und<br />

21 Uhr. Ab 1988 bekam „<strong>Formel</strong><br />

<strong>Eins</strong>" einen Stammplatz in der ARD<br />

zur „besten Sendezeit": immer sonnabends<br />

um 15 Uhr.<br />

Roxette


Peter Illma n n<br />

Sie war schnell, laut und aufregend: Die<br />

"<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" machte als erste Videoclip-<br />

Show im deutschen Fernsehen ihrem Namen<br />

alle Ehre. Vor 30 Jahren ging sie auf Sendung,<br />

etablierte neue Gesichter und machte einen<br />

neuen, manchmal schrillen Moderationsstil<br />

salonfähig. "<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" wurde die Mutter<br />

sämtlicher Chart-Shows, die heute geradezu<br />

inflationär die Abendprogramme der<br />

Privaten bereichern. Mit dem ersten VJ des<br />

deutschen TV, Peter Illmann, sprach Jens-<br />

Uwe Berndt über die Show, den Anspruch<br />

von Videoclips und die wahren 80er Jahre.<br />

Foto: © Monique Wüstenhagen<br />

Sie haben im Fernsehen und im Radio eine Menge<br />

gemacht. Erinnert sei da nur an "<br />

P.I.T. – Peter Illmann<br />

Treff" oder "<br />

Peters Pop-Show". Stört es Sie, scheinbar<br />

nur auf "<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" reduziert zu werden?<br />

Das bleibt nicht aus. Immerhin war „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" eine aufsehenerregende<br />

Sendung. Auch ein Dieter-Thomas Heck wird immer zuallererst<br />

mit der „ZDF-Hitparade" in Verbindung gebracht. Insofern<br />

stört es mich nicht, wenn man bei meinem Namen vor allem an<br />

„<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" denkt.<br />

Waren Sie für die Moderation von<br />

Anfang an die erste Wahl?<br />

Oh, es wurden zig Leute gecastet. Nur hieß<br />

das damals noch nicht so. Dass man sich für<br />

mich entschied, hing vermutlich vor allem<br />

mit meiner Radio-Erfahrung zusammen,<br />

die ich damals schon hatte. Es wurde ein<br />

Moderator benötigt, der auch ohne vorgegebenen<br />

Text schnell und spontan reagieren<br />

konnte.<br />

Wer gestaltete das jeweilige Konzept<br />

Peter Illmann in der ersten<br />

"<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"-Sendung<br />

einer Sendung?<br />

Dafür war das gesamte Redaktionsteam verantwortlich.<br />

Einige Elemente waren festgelegt,<br />

wie die aktuellen Charts zum Beispiel. Neuvorstellungen und<br />

Tipps brachte jeder individuell ein. Ich stand mehr für den soliden<br />

Bereich. Regisseur Michael Bentele war extremer, der holte einige<br />

Seite 28 ■ GoodTimes 2/2013<br />

obskure deutsche Bands ins Studio, die lediglich mit Ketten rasselten,<br />

was man kaum noch als Musik bezeichnen konnte.<br />

Die erste Sendung begann ausgerechnet mit Rainhard<br />

Fendrich und "Es lebe der Sport". Für ein neues Format,<br />

das den Zeitgeist bedienen wollte, vielleicht etwas öde?…<br />

Echt, war das so? Das lag wohl daran, dass es sich um eine Chart-<br />

Platzierung in Deutschland handelte, einen Neuzugang in den Hot<br />

100. Wir wollten die erste Sendung nicht mit einem Tipp, sondern<br />

mit den Charts anfangen. Und es gab damals wirklich Schlimmeres<br />

als Rainhard Fendrich. Von den deutschsprachigen<br />

Sängern war er noch einer der guten.<br />

In einer Rückschau auf <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />

im Internet ist sinngemäß " zu lesen, dass<br />

das, was damals eine Sensation gewesen<br />

sei, nämlich Videoclips zu zeigen, heute<br />

total langweile. Sind Clip-Shows heutzutage<br />

wirklich ein Garant für öde Nachmittage?<br />

Das glaube ich nicht. Das Problem sind die Clips<br />

selbst. Aktuell werden die meisten längst nicht<br />

mehr so aufwändig produziert wie damals. Gut<br />

gemachte Clips sieht man heute noch gern, wenn<br />

ich da nur an "Wild Boys" von Duran Duran<br />

denke – oder "Thriller" von Michael Jackson.<br />

Außerdem fehlen TV-Sendungen, die so etwas zeigen.<br />

Mit dem Computer kann mittlerweile eine Menge gemacht<br />

werden, was die Videomacher reichlich nutzen. Und nicht


selten sehen diese Kurzfilme dann recht opulent aus.<br />

Diese Computertricks nutzen sich ab. Wir haben uns längst an<br />

diese Bilder gewöhnt, sie sind Standard geworden. Heute möchte<br />

man wieder überrascht<br />

werden. Nicht Effekte e<br />

zählen, sondern Ideen.<br />

Wenn es davon wieder<br />

mehr gäbe, wären die<br />

Clips auch wieder interessanter.<br />

Von daher ist es<br />

im Moment doch schon<br />

irgendwie<br />

langweilig,<br />

eine Videoclip-Sendung<br />

zu sehen.<br />

MTV und selbst Viva<br />

hatten über Jahre<br />

großartige Sendekonzepte. Warum, glauben<br />

Sie, gibt es dort kaum noch Clip-Shows?<br />

Skurrile Übergabe: Illmann geht zum ZDF<br />

und Lück kommt zur Clip-Show<br />

Vielleicht dachte man dort, mit all dem anderen Kram wie Reality-<br />

Shows und Trickfilmen mehr Leute zu erreichen. Ich bin mir sicher,<br />

dass heute ein Sender mit einer gut gestalteten Video-Hitparade eine<br />

echte Chance hätte.<br />

1983 ging <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" auf Sendung. Nachdem sich Ilja<br />

Richters Disco" " 1982 verabschiedet hatte, wurde 1984<br />

auch der " Musikladen" eingestellt. Waren Videos und dann<br />

"<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" als neues Format aus der Konserve mitverantwortlich<br />

dafür, dass die großen TV-Live-Shows von der<br />

"<br />

Mattscheibe verschwanden?<br />

Nein, das glaube ich nicht. Es wurde den Sendern einfach zu teuer,<br />

all die großen Künstler zu holen. Im kleinen Format haben die Live-<br />

Shows ja noch funktioniert. Meine „Pop-Show" lief zum Beispiel<br />

noch bis in die 90er Jahre. Es bleibt etwas Besonderes, den Künstler<br />

auf der Bühne zu sehen. Damals haben sich solche Auftritte mit<br />

den Videoclips ergänzt. Manch ein Musiker entfaltete erst auf<br />

der<br />

Bühne seine ganze<br />

Ausstrahlung. Anderen,<br />

die live nicht so gut<br />

waren, haben die<br />

Videos enorm geholfen.<br />

Was waren Ihre<br />

aufregendsten<br />

Momente<br />

bei<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" ?<br />

" Divine<br />

"Di<br />

zu begegnen.<br />

Auf der Bühne war<br />

sie diese korpulente,<br />

ausladende Dame, privat<br />

war er der nette<br />

ältere Herr. Diese<br />

Verwandlung mitzuerleben,<br />

war sehr<br />

interessant. t Und<br />

dann der Auftritt der Toten<br />

Hosen mit "Eisgekühlter Bommerlunder". Die Band brachte eine<br />

ganze Horde Punk-Kinder mit, die haben im Studio die Wände<br />

beschmiert. Alkohol spielte da auch eine große Rolle. Damals<br />

waren die Toten Hosen noch richtig wild, was sie heute ja nicht<br />

mehr sind.<br />

Und die größte Herausforderung?<br />

Die Technik. Manchmal musste ich bei einer Moderation<br />

fast unbeweglich an einer Stelle stehen, nur weil das<br />

Licht genau richtig fiel. Das war überhaupt nicht mein<br />

Ding, da ich beim Reden lieber herumgestikulierte.<br />

Warum haben Sie 1985 "<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" verlassen?<br />

Ich wollte eine Live-Sendung. Ich war mit Thomas<br />

Gottschalk befreundet und habe mit seiner Hilfe die<br />

Möglichkeit bekommen, im ZDF „P.I.T." zu machen. Der<br />

ARD hat das überhaupt nicht gefallen, dass ich zum ZDF<br />

gegangen bin. Und im Nachhinein sage ich mir, dass ich<br />

das auch hätte eleganter lösen können.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 29<br />

Was war die Ursache für das Ende von "<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" 1990?<br />

Es gibt mehrere Gründe. Natürlich MTV, wo ständig Videos liefen.<br />

Außerdem wollte die ARD kein Geld mehr in die Sendung investieren,<br />

die mittlerweile mit Sonnabend nachmittag auf einem unmöglichen<br />

Sendeplatz versauerte. Auch war „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" zu einer<br />

unsäglichen Reisesendung verkommen. Kai Böcking moderierte<br />

aus Fantasialand oder Disneyland und konnte die Clips nicht<br />

mehr direkt ansagen, weil er bei der Aufzeichnung der Show gar<br />

nicht wusste, welche Songs sich wo platziert hatten. Also hieß<br />

es<br />

zum Beispiel lediglich: Und jetzt Platz zwei der Charts. Dafür<br />

konnte Kai Böcking nichts. Das war das neue Konzept. Und das<br />

hat mir überhaupt nicht mehr gefallen.<br />

In Chart-Shows oder Lifestyle-Sendungen ergehen sich<br />

Halb-Promis und Moderatoren derzeit darin, die 80er<br />

als tristes, bestenfalls kitschiges Jahrzehnt zu beschreiben.<br />

Ich wundere mich, was über die 80er gesagt und geschrieben<br />

wird. Es wurden irgendwann Klischees aufgebaut, die regelmäßig<br />

wiedergegeben werden. Dabei hatten wir es mit einem bunten<br />

Jahrzehnt zu tun, in dem alles erlaubt war. Es war eine optimistische<br />

Zeit des Aufbruchs. Ich fand auch in der Mode nicht alles peinlich.<br />

Wer weiß, wie man in einigen Jahren über die großen schwarzen<br />

Brillen lachen wird, mit denen jetzt so viele herumlaufen. Es gab<br />

musikalisch gesehen sehr viele gute Sachen. Nicht umsonst sind die<br />

Songs der 80er heute noch gefragt. Auch neue Bands orientieren<br />

sich daran. Nehmen wir die Killers – die klingen praktisch wie eine<br />

Band aus den 80ern.<br />

Würde man heute eine Sendung wie "<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" im TV<br />

platzieren – wie müsste die aussehen?<br />

Eigentlich ähnlich wie damals. Wir haben damals TV-Geschichte<br />

geschrieben, indem wir nicht aus einem sauberen Studio, sondern aus<br />

einer Schrotthalle sendeten. Das war eine andere Art von TV. Auch<br />

heute müsste solch eine Sendung jung sein. Sie wäre schon wegen<br />

des reichhaltigen musikalischen Angebots vielfältiger. Sie sollte<br />

sich aber an den Charts orientieren. Dann müsste das<br />

klappen. Aber natürlich würde die Produktion nicht mehr<br />

so aufwändig sein, denn dafür ist kein Geld mehr da.<br />

Jubiläen und runde Geburtstage geben Anlass zu<br />

besonderen Aktionen. Was erwartet die Fans der<br />

Sendung "<br />

<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" in diesem Jahr?<br />

Wir – das sind Verantwortliche von Sony Music und<br />

ich – denken über eine „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"-Tour nach.<br />

Wir müssen mit Tourneeveranstaltern reden, uns<br />

die Hallen raussuchen und vor allem die Künstler<br />

auswählen. Es darf nicht peinlich sein. Wir wollen<br />

keine Leute auf die Bühne stellen, die<br />

nicht mehr können und wollen. Es sollen aber<br />

auch keine Cover-Bands auftreten. Dieses<br />

Jahr wird für die Vorbereitungen draufgehen.<br />

Darüber hinaus werde ich bei Lanz und bei<br />

Raab sein, um über „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" zu reden.<br />

Und wenn es zu der Tour kommt, muss die<br />

Atmosphäre stimmen. Wir wollen etwas qualitativ<br />

sehr Hochwertiges auf die Beine stellen.<br />

Foto: © Monique Wüstenhagen


Giulia Coupe TZ 1963-1967<br />

Als der Autofahrer<br />

Von Jürgen Wolff<br />

sein Herz an „Giulia“ verlor<br />

1962 .<br />

Giulia Coupe 1300 GTA Junior Corsa 1968-1972<br />

In England formieren sich die Rolling Stones, die<br />

Beatles nehmen ihre erste Single "Love Me Do" auf. Im Münchner<br />

Stadtteil Schwabing gibt es erste Jugendkrawalle und in der ARD die<br />

erste Folge von „Bonanza". Jon Bongiovi (Bon Jovi) wird geboren<br />

und Max Raabe. William Faulkner stirbt im Juli und Marilyn Monroe<br />

im August. Georges Pompidou wird Premierminister Frankreichs, und<br />

in Augsburg wird die erste e Autowaschanlage zum<br />

Patent angemeldet. Vor allem aber: In Italien lädt<br />

Alfa Romeo die Fachpresse in den königlichen<br />

Park von Monza, um den jüngsten<br />

Wurf der Autoschmiede<br />

zu präsentieren – die Giulia<br />

1600 TI, eine Kreuzung aus<br />

Mittelklasse-Limousine<br />

und Sportwagen. Sie ist<br />

Nachfolgerin der Giulietta, von<br />

der sie den Namen übernimmt<br />

– ohne die Verniedlichungsform.<br />

Giulia Spider 1962-1965<br />

Ob als Rennwagen, Familienkutsche oder als <strong>Eins</strong>atzfahrzeug der Polizei:<br />

Alfa Romeos Giulia hat überall eine „bella figura“ gemacht. 16 Jahre<br />

lang lief das Modell in zahlreichen Varianten vom Band.<br />

Die Giulietta, von ihren deutschen Besitzern meist liebevoll<br />

„Julchen" genannt, war in den 50ern die erste auf Großserie ausgelegte<br />

Modellreihe von Alfa Romeo – und gleich ein großer Erfolg: Sie<br />

war als erster Alfa auch für größere Bevölkerungskreise erschwinglich.<br />

Ab 1962 wurde die Giulietta nach und nach durch die Giulia abgelöst.<br />

Das erste Giulia-Coupé ist nicht viel mehr als eine Giulietta mit größerem<br />

Motor. Das Cabrio bekommt eine Lufthutze auf der Motorhaube<br />

und wird verlängert.<br />

„Julia" kommt sportlich knackig daher: Mit seinen 68 kW/92 PS<br />

liegt der Wagen leistungsmäßig auf dem Niveau eines Porsche<br />

356. Mit ihren vier Türen, zwei durchgehenden Sitzbänken und<br />

Platz für sechs Passagiere gibt sich die Giulia dabei aber auch<br />

durchaus familientauglich. Die Karosserie des neuen Produkts aus<br />

der Mailänder Autoschmiede mutet dabei auf den ersten Blick gar<br />

nicht besonders windschnittig an. Aber Alfas Aerodynamiker haben<br />

lange an Giulias Blechkleid getüftelt und gefeilt und es im Windkanal<br />

optimiert.<br />

Mit einer breiten Sicke bildet der Kofferraum ein so genanntes<br />

Kamm-Heck, benannt nach dem Kraftfahrzeugforscher und<br />

Aerodynamik-Pionier Wunibald Kamm, der in den 30er und 40er<br />

Jahren Versuchswagen für BMW entwickelt hatte. Die Alfa-Ingenieure<br />

konnten den Cw-Wert auf 0,34 minimieren. Anfang der 60er ist das<br />

eine Sensation, die den Hersteller veranlasst, sein neues Modell mit<br />

dem Slogan „Vom Wind modelliert" zu bewerben.<br />

Das Triebwerk unter Giulias Haube hat seinen<br />

Ursprung im Motorsport. Block<br />

und Zylinderkopf sind<br />

aus Aluminium gegossen.<br />

Zwei von einer<br />

Doppel kette angetriebene<br />

Nockenwellen<br />

steuern die Ventile.<br />

Ein Doppelvergaser<br />

sorgt für ein heiser röchelndes<br />

Ansauggeräusch, das den Alfisti<br />

jener Jahre wohlige Schauer über den<br />

Rücken jagt und auch heute noch für Verzückung sorgt.<br />

Das Fahrwerk entspricht weitgehend dem der Vorgängerin Alfa Romeo<br />

Giulietta, der Baureihe 101 aus der Alfa-Schmiede. Doch etliche Details<br />

wurden verbessert. So kommen an der Vorderachse zusätzliche obere<br />

Querlenker zum <strong>Eins</strong>atz. Die Hinterachse wird von neugestalteten<br />

Seite 30 ■ GoodTimes 2/2013


Längslenkern und einem T-förmigen Reaktionsdreieck wirkungsvoller<br />

unterstützt.<br />

Es dauerte nicht lange, da tauchte die Mailänder<br />

Schönheit auf den ersten Rennstrecken n auf.<br />

Ein Jahr nach der Premiere stellte Alfa<br />

Romeo eine Sportversion vor, die<br />

Giulia 1600 TI Super mit einem von<br />

zwei Doppelvergasern auf 113 PS<br />

gepeitschten Motor, sie fuhr bis zu<br />

190<br />

km/h schnell. Lenkradschaltung<br />

und die vordere Sitzbank mussten einem<br />

auf dem<br />

Mitteltunnel positioniertem Schalthebel<br />

und zwei<br />

getrennten Schalensitzen weichen. Die<br />

Felgen waren aus einer extraleichten Magnesium-<br />

Aluminiumlegierung, die<br />

aus dem Flugzeugbau<br />

stammte. Insgesamt war<br />

die Sportversion 100<br />

Kilogramm leichter als<br />

die zivilere Version – und<br />

kostete mehr als doppelt<br />

so viel. „Auto Motor und<br />

Sport" notierte verschreckt<br />

eine „Überlegenheit, die<br />

man nur mit Maßen ausnutzen<br />

darf, wenn man nicht die übrigen Verkehrsteilnehmer ängstigen<br />

will". Die Giulia 1600 TI Super wurde in überschaubarer Stückzahl produziert.<br />

Exakt 501 Exemplare liefen vom Montageband. Heute werden<br />

für gut erhaltene Exemplare Preise bis zu 50.000 Euro gezahlt.<br />

1964 ging die Giulia 1300 an den Start und rundete die Baureihe 105<br />

nach unten ab. Das 78 PS starke Herz erwies sich allerdings als etwas<br />

zu schwach. Ab dem folgenden<br />

Jahr wurde ein<br />

82-PS-Aggregat unter die<br />

Haube der 1300er Version<br />

gesteckt. Die „Giulia<br />

Super" kam 1965 und<br />

beeinflusste maßgeblich<br />

die Legende der rassigen<br />

Giulia. Mit einem Doppelnockenwellenmotor<br />

leistete<br />

sie dank zweier Flachstromvergaser 98 PS – genug für eine Spitze<br />

von 175 km/h. Da sie darüber hinaus deutlich an Chromschmuck<br />

zugelegt hatte und einen edleren Innenraum bekam, verkaufte sie<br />

sich vom Start weg glänzend. Von 1970 an lieferte ein 88 PS starkes<br />

Triebwerk in der Giulia 1300 Super überzeugende Antriebskraft. Ab<br />

1976 boten die Italiener ihre Giulia auf dem heimischen Markt erstmals<br />

auch mit einem allerdings wenig spritzigen 50-PS-Dieselmotor<br />

des britischen Herstellers Perkins an.<br />

Die technische Basis des Modells war so variabel, dass auf dem Chassis<br />

der Limousine etliche weitere Ableger entstanden. Das Designstudio<br />

Bertone etwa entwickelte das Coupé Sprint GT – einen rassigen<br />

Zweitürer, der heute in der Oldtimerszene schlicht als „Bertone" bekannt<br />

ist. Die Ingenieure der Motorsportabteilung Autodelta konstruierten eine<br />

Ultraleichtbau-Version, für deren Karosserie eine Aluminiumlegierung<br />

verwendet wurde und die als GTA Tourenwagen Rennkarriere machte.<br />

Ausdem Giulia-Baukasten stammte auch die auf einem Gitterrohrrahmen<br />

basierende Giulia TZ, die für die Rennpiste ausgelegt und nur noch<br />

bedingt straßentauglich war. Nicht bei Alfa, sondern in der Schmiede<br />

des Karosserie- und Designspezialisten Pininfarina wurde ab 1966 der<br />

Alfa Romeo Spider gebaut. Der offene Zweisitzer, dessen Urversion im<br />

Film „Die Reifeprüfung" als Auto von Jungstar Dustin Hoffmann zur<br />

Legende wurde, ist ein Giulia-Ableger.<br />

Aus dem italienischen Straßenbild der 60er und 70er Jahre war<br />

die Limousine mit den sportlichen Genen schon bald nach ihrem<br />

Erscheinen nicht mehr wegzudenken. Familienväter schätzen den<br />

dynamischen Untersatz. Polizei und Carabinieri machten ebenfalls gern<br />

mit der weiß-blau lackierten Giulia mobil.<br />

Die starke Nachfrage nach dem Modell überforderte die Kapazitäten<br />

des 1906 eröffneten Alfa-Stammwerks in Portobello. In Arese, nördlich<br />

von Mailand, brachte der Autobauer deshalb eine neue Fabrik an den<br />

Start. Innerhalb von 16 Jahren rollten hier knapp 300.000 Exemplare<br />

verschiedener Giulia-1300-Versionen vom Band, dazu kamen rund<br />

260.000 Exemplare mit 1600er Motor. 1978 war dennoch Schluss mit<br />

Giulia: Nach 572.646 Fahrzeugen lief die Produktion aus. Eine weitere<br />

Giulietta trat die Nachfolge des variantenreichen Erfolgsmodells an.<br />

Doch wie bei vielen lebenslangen Liebesgeschichten war auch das nur<br />

ein Abschied auf Zeit: 2013/2014 soll eine neue Giulia den Alfa Romeo<br />

159 ablösen. Die Geschichte geht also weiter. Und mal ehrlich: Was<br />

wäre Romeo ohne Giulia?<br />

Giulia Coupe GT Junior Z 1969-1975<br />

Giulia 1600 GTC<br />

Cabriolet 1964-1966<br />

Giulia Coupe 1300 GTA Junior 1968-1975<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 31


NINO DE ANGELO<br />

Von Christian Simon<br />

Wenn Gott eine Tür<br />

zuschlägt, öffnet<br />

er ein Fenster<br />

Nino de Angelo (48) heißt eigentlich Domenico Gerhard<br />

Gorgoglione. Er wurde bereits mit 18 Jahren zum Schlagerstar.<br />

Sein größter Erfolg: "Jenseits von Eden". Er erkrankte zweimal<br />

an Krebs, ging 2005 wegen 1,5 Millionen Euro Schulden<br />

in die Privatinsolvenz, unternahm drei Selbstmordversuche.<br />

De Angelo war dreimal verheiratet, lebt jetzt in Scheidung und<br />

hat zwei Kinder: Louisa-Marie (24) und Luca (20). Vergangenes<br />

Jahr erschien das neue Album von Nino de Angelo: DAS LEBEN<br />

IST SCHÖN.<br />

FÜR DICH WAR DAS LEBEN NICHT<br />

IMMER SCHÖN. ES WAR VON SCHULDEN,<br />

TRENNUNGEN UND KRANKHEITEN<br />

BESTIMMT. ZULETZT GAB ES EINE SIE-<br />

BENJÄHRIGE ZWANGSPAUSE ...<br />

Das ist richtig. Die letzten sieben Jahre zu<br />

überstehen, war eine schwere<br />

Phase. Mein Album heißt ja nicht<br />

umsonst DAS LEBEN IST SCHÖN.<br />

Ich war schon ziemlich weit unten.<br />

Sonst wäre ich in den letzten<br />

Jahren auch nicht krank<br />

gewesen. Aber das ist vorbei.<br />

Ich bin ein Mensch,<br />

der nach vorne sieht<br />

und im Hier und Jetzt<br />

lebt, der Visionen von<br />

der Zukunft hat. Wenn<br />

ich mich betrachte<br />

und sehe, was aus mir<br />

geworden ist nach all<br />

der Scheiße, bin ich froh.<br />

WAS SIND DEINE VORSTELLUNGEN VON<br />

DER ZUKUNFT?<br />

Ich bin sehr glücklich, dass ich wieder singen<br />

kann. Nach der Stimmbandlähmung, einer<br />

Vorstufe von Kehlkopfkrebs, haben die<br />

Ärzte gesagt: Man weiß nicht, wie viel<br />

Stimme Sie zurückkriegen. 90 Prozent<br />

des Stimmvolumens ist zurückgekommen.<br />

Deshalb bin ich sehr, sehr glücklich,<br />

denn das ist die Voraussetzung, dass ich meinen<br />

musikalischen Weg weitergehen kann. Solche<br />

Schicksalsschläge muss man als Chance nutzen,<br />

um neu anzufangen. Irgendwie bedeutet jedes<br />

Ende einen neuen Anfang. Wenn der liebe Gott<br />

einem die Tür zumacht, macht er einem das<br />

Fenster auf. Er sperrt dich nicht ein.<br />

S<br />

SEIT 30 JAHREN STEHST DU NUN<br />

SCHON AUF DER BÜHNE ...<br />

Vor 30 Jahren fing meine Karriere als Nino de<br />

Angelo an. Davor habe ich mit 14 Jahren in<br />

einer Pianobar in Köln Songs von Elvis Presley<br />

und Adriano Celentano gesungen. Es dauerte<br />

nicht lange, da wurde ich entdeckt. Den ersten<br />

Plattenvertrag muss te noch meine Mutter<br />

unterschreiben. So begann die Karriere. Ich<br />

habe erst mal zwei Singles als Nino gemacht.<br />

Das war weniger erfolgreich. Aus Nino wurde<br />

Nino de Angelo. Die erste Platte war sofort ein<br />

Erfolg. Keine Ahnung, es wurden 50.000 Stück<br />

verkauft. Das war damals ein Achtungserfolg.<br />

Nino de Angelo bei <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" 1984<br />

" Dann kam Drafi Deutscher in mein Leben: "Ich<br />

sterbe nicht noch mal." Und ab "Jenseits von Eden" weiß jeder, wer<br />

Nino de Angelo ist.<br />

1989 war ich mit Dieter Bohlen im Studio<br />

und habe zwei Alben gemacht: FLIEGER<br />

und SAMURAI waren sehr erfolgreich. Nach<br />

dieser Zeit, als ich mich von Dieter getrennt<br />

hatte, habe ich versucht, etwas Rockigeres zu<br />

machen, was aber nicht funktioniert hat. Der<br />

Erfolg blieb aus. Es fing die Orientierungssuche<br />

Foto<br />

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l<br />

Seite 32 ■ GoodTimes 2/2013<br />

201


an. 1996 bin ich das<br />

erste Mal an Krebs<br />

erkrankt. Seitdem<br />

sind 14 Jahre vergangen.<br />

In den<br />

Jahren<br />

danach<br />

ging es ständig<br />

weiter<br />

bergab.<br />

Als ich dachte,<br />

ich bin weit genug<br />

unten angekommen,<br />

stand da einer mit der<br />

Schaufel und sagte:<br />

Weitergraben! 14<br />

Jahre Talfahrt.<br />

W<br />

WELCHE ROLLE<br />

SPIELTE PETER<br />

MAFFAY AY IN DEINEM EM LEBEN?<br />

Der war sehr wichtig. 1996 durfte ich mit<br />

auf seine Tabaluga-Tournee. Ich war immer<br />

schon ein Fan von Peter Maffay. Ich mag<br />

seine Musik und seine Ernsthaftigkeit als<br />

Künstler. Als ich angefangen habe, Rockmusik<br />

zu machen, habe ich die mit seinen Musikern<br />

aufgenommen. Die Band hat mich dann für<br />

Tabaluga vorgeschlagen. Ich sang bei Peter<br />

Maffay vor und war dabei. Wir haben bis<br />

heute ein herzliches Verhältnis.<br />

WELCHE GEDANKEN MACHT MAN<br />

SICH NACH SO HARTEN SCHICKSALS-<br />

SCHLÄGEN? UND FRAGT MAN NACH<br />

DEM WARUM?<br />

Ja, schon. Ich glaube, dass jeder auf die Welt<br />

kommt, um eine Mission zu erfüllen. Um zu<br />

lernen, um auf den richtigen Weg zu kommen.<br />

Das<br />

Ziel ist, gegen en<br />

Ende des Lebens<br />

anzukommen. Das ist meine Überzeugung.<br />

Ich bin auf vielen Wegen gewandelt, ich<br />

habe mich oft verirrt. Aber alles war<br />

sehr wichtig und hat seinen Sinn n<br />

gehabt. Ich musste durch gewisse e<br />

Täler, um das Leben auch schätzen<br />

zu können. Man erfährt Ehrfurcht<br />

und Dankbarkeit, wenn man so viele<br />

schwere Dinge hinter sich hat. Man<br />

sieht dann plötzlich alles anders. Erst<br />

im Laufe des Lebens lernt man zu<br />

erkennen, was einen belastet. Das Leben ist<br />

ein Lernprozess. Man darf nicht aufgeben,<br />

muss an das Gute und auch an sich selber<br />

glauben. Im Evangelium des Matthäus heißt<br />

es: Gehet hinein durch die enge Pforte. Der<br />

Weg, der zum Leben führt, ist schmal. Das<br />

ist die Aufgabe des Lebens.<br />

WOVON HAST DU GELEBT IN DER ZEIT,<br />

ALS DU KRANK WARST?<br />

Vom Eingemachten. 1996, beim ersten<br />

Krebs, vor der ersten Scheidung, habe ich<br />

gelebt von dem, was da war. Wenn das nicht<br />

mehr geht – deswegen musste ich Insolvenz<br />

anmelden –, dann lebt man davon, was man<br />

zugeteilt kriegt. Ich habe sieben Jahre hinter<br />

mir, wo ich ganz bescheiden gelebt habe.<br />

OBWOHL DU IN DER INSOLVENZ WARST,<br />

HAST DU WEITERHIN OBDACHLOSE<br />

UNTERSTÜTZT.<br />

Ja, das habe ich immer. Ich fühle mich<br />

verpflichtet. Ich kann nicht jedem Geld<br />

geben, sonst kann ich bald wieder Insolvenz<br />

anmelden. Aber es ist ganz wichtig, dass<br />

man Menschen, die sich selbst nicht helfen<br />

können, unterstützt, so gut man kann. Das<br />

ist unsere Pflicht.<br />

DEN ERSTEN DURCHBRUCH HAT-<br />

TEST DU 1983 MIT "JENSEITS VON<br />

EDEN". DU SAGST ABER, DER WAHRE<br />

DURCHBRUCH KÄME ERST NOCH?<br />

Richtig. Ab jetzt quasi, weil Nino da ist,<br />

wo er immer hin wollte. 1983 war ich nur<br />

zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich war<br />

ein junger Sänger, der eine tolle Stimme<br />

hatte und einen Song<br />

interpretiert hat –<br />

mit Leichtigkeit. Das<br />

war mein Erfolg.<br />

Letztendlich war es<br />

dann eine Entwicklung<br />

bis heute. Der wahre<br />

Durchbruch kann erst<br />

jetzt kommen, der des<br />

erwachsen<br />

gewordenen<br />

Künstlers Nino de<br />

Angelo.<br />

D<br />

DU WOLLTEST DOCH<br />

EINE AUTOBIOGRAFIE<br />

SCHREIBEN.<br />

WIE<br />

IST DA DER STAND<br />

DER DINGE?<br />

Abgehakt, weil die<br />

Verlage immer nur<br />

irgendwelchen<br />

Mist<br />

wollen. Da<br />

müsste st<br />

ich vielen, vielen<br />

Menschen auf die Füße treten. Die wollen<br />

kein Buch haben, in dem niemand<br />

namentlich verletzt wird.<br />

Das kann man abhaken.<br />

Ich schreibe kein<br />

Buch, und ich brauche<br />

auch kein Buch schreiben.<br />

Mein Album DAS<br />

LEBEN IST SCHÖN ist wie<br />

eines. Jeder Song hat mit<br />

meinem Leben zu tun.<br />

Foto: © 7daysmusic<br />

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<strong>kult</strong>! Bücher<br />

Von Alan Tepper<br />

In den letzten Monaten hat sich der Trend der "<br />

Political<br />

Correctness" und des Regulierungswahnsinns<br />

auch in den Verlagshäusern manifestiert. Fieberhaft<br />

suchen Lektoren nach Wörtern, die in irgendeiner<br />

Weise und in irgendeinem Zusammenhang eine<br />

Minorität verunglimpfen könnten. Ottfried Preußler<br />

wurde "<br />

gesäubert", und ihm werden wahrscheinlich<br />

Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />

noch viele folgen. Sind Bücher plötzlich nicht mehr<br />

wertvolle zeithistorische Dokumente? Müssen sie<br />

den jeweiligen Befindlichkeiten ständig angepasst<br />

werden? Nein! Es sollte der Intelligenz und dem<br />

Einfühlungsvermögen der Leser überlassen bleiben,<br />

sich davon ein eigenes Bild zu machen, statt<br />

von oberster Stelle zu lenken.<br />

Cordwainer Smith –<br />

" Hadschi Halef Omar im Wilden Westen" Das Geisterhaus"<br />

Was aus den Menschen wurde"<br />

I Ging –<br />

Das Buch der Wandlungen<br />

Karl Hohenthal –<br />

Isabel Allende –<br />

C" ordwainer Smith ist das Pseudonym von Paul Myron Anthony<br />

Linebarger (11.<br />

Juli 1931 – 6. August 1966), der zu den<br />

Ausnahmeerscheinungen in der Science-Fiction-<br />

Literatur zählt. In einer Zeit, in der die technische<br />

Komponente noch eine große Rolle in dem Genre<br />

spielte, entwarf Smith eine Reihe von Kurz geschichten,<br />

in denen er 15.000 Jahre Menschheitsgeschichte<br />

beschreibt – beginnend<br />

in der Zukunft bis in<br />

die ferne Zukunft. Der in der<br />

Reihe „Meisterwerke der Science<br />

Fiction" veröffentlichte Band<br />

enthält 27 Kurzgeschichten, bei denen psychologische,<br />

soziale, <strong>kult</strong>urelle und religiöse Themen<br />

angeschnitten werden. Doch es zieht sich ein roter Faden durch<br />

die Erzählungen. Es ist die so genannte Instrumentalität, ein kaltes<br />

Herrschaftssystem, das sich auf das Verhältnis der Menschen zu<br />

anderen Lebewesen auswirkt und dieses unberechenbar beeinflusst.<br />

Anspruchsvoll? Ja! Aber gerade in dem hypothetischen Fabulieren liegt<br />

einer der größten Reize dieser Literatur, die allzu häufig mit billigen<br />

„Raketengeschichten" verwechselt wird.<br />

Ein deutscher Ghostwriter, der aber unerkannt bleiben wollte und<br />

sich so eines der vielen Pseudonyme Karl Mays zulegt, verfasste<br />

einen Roman im Stil des beliebten Schriftstellers und fabuliert drauflos.<br />

Kann so etwas funktionieren? Ja, aber mit einer <strong>Eins</strong>chränkung,<br />

denn „Karl Hohenthal" schreibt in einigen Passagen etwas langatmig<br />

und lässt Hadschi Halef Omar erst nach über<br />

der Hälfte des Romans in die USA reisen, dabei<br />

ignorierend, dass die Geschichten aus dem<br />

„Wilden Westen" viel höher in der Gunst des<br />

Lesers stehen als die „Orient"-Erzählungen.<br />

Insgesamt hat der Autor aber ein Buch verfasst,<br />

das sprachlich dem Ausdruck Mays sehr nahe<br />

kommt.<br />

Auch<br />

die Story fesselt,<br />

denn<br />

Hadschi<br />

Halef Omar muss<br />

nach zahlreichen<br />

Abenteuern in seiner Heimat Kara Ben<br />

Nemsi in Amerika suchen, der dort<br />

unter den Namen Old Shatterhand<br />

bekannt ist. Dabei trifft er natürlich<br />

auch Winnetou und begleitet beide auf einer Expedition durch die<br />

Rocky Mountains. Überleben die drei die Angriffe der blutrünstigen<br />

Schoschonen?<br />

Das aus China stammende I Ging zählt zu den bedeutendsten Werken<br />

der Weltliteratur. Sein Alter wird auf circa 3000 Jahre geschätzt,<br />

und es gilt als Basis für den Konfuzianismus und<br />

den Taoismus. Viele Leser interpretieren es als<br />

Weisheitsbuch, aber gleichzeitig auch als Orakel.<br />

Mit Hilfe von Schafgarben oder Münzen werden<br />

die so genannten Hexagramme ermittelt, die<br />

Entwicklungsmöglichkeiten,<br />

Zustände oder Wandlungen andeuten.<br />

Insgesamt 64 Hexagramme<br />

beschreiben den Weg vom<br />

Schöpferischen bis zur Vollendung<br />

und alle erdenklichen Facetten und Nuancen. Seit der<br />

meisterhaften Übersetzung des Buches von Richard<br />

Wilhelm aus dem Jahr 1924 (im anglo-amerikanischen Sprachraum war<br />

das Buch erst ab den 50ern erhältlich) wird es auf Grund der Einführung<br />

in das zyklische Denken geschätzt, das den westlichen und kausalen<br />

Denkmustern teilweise widerspricht. Psychologen wie C.G. Jung, Autoren<br />

wie Hermann Hesse oder Musiker schätzen das Werk, aber auch Leser,<br />

die sich auf eine neue Sinnsuche begeben und alte Denkmuster ablegen<br />

wollen.<br />

I" sabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima als Tochter eines<br />

chilenischen Diplomaten geboren. In ihrer Heimat engagierte sie<br />

sich für Frauenrechte, verfasste Kindergeschichten und war für die<br />

Welthungerhilfe tätig. Kurz nachdem der Diktator General Augusto<br />

Pinochet an die<br />

Macht gelangt war<br />

und dabei ihren<br />

Onkel Salvador<br />

Allende ermordet<br />

hatte, ging<br />

sie ins Exil und<br />

schrieb ab 1980<br />

den 1993 verfilmten<br />

Roman „Das Geisterhaus" (unter anderem<br />

mit Meryl Streep und Winona Ryder). In dem<br />

Buch schildert sie das Schicksal der Familie<br />

des Patriarchen Esteban Trueba und seiner Frau Clara über vier<br />

Generationen parallel zu den politisch-gesellschaftlichen Ereignissen<br />

in Chile. Besonders der Kontrast zwischen Stadt- und Landleben, die<br />

poetische Charakterisierung der Hauptfiguren, feministische Untertöne,<br />

Elemente des Märchens und die dramatischen Wendungen machen<br />

„Das Geisterhaus" zu einem bewegenden Buch und widersprechen den<br />

Vorwürfen, dass Allende lediglich eine „Light-Version" von Gabriel<br />

García Márquez sei.<br />

Seite 34 ■ GoodTimes 2/2013


Oliver Sacks –<br />

Mark Twain –<br />

" Drachen, Doppelgänger und Dämonen" "<br />

Tom Sawyer & Huckleberry Finn"<br />

W y<br />

Der in London geborene Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks<br />

(9. Juli 1933) zählt neben Paul Watzlawick zu den in Deutschland<br />

beliebten Vertretern des Infotainments mit dem Wissensschwerpunkt<br />

Psychologie. Während Watzlawick<br />

(„Anleitung zum Unglücklichsein") im<br />

lockeren Plauderton hauptsächlich individualpsychologische<br />

Themen behandelt, ist<br />

das Interesse von Sacks breiter gestreut.<br />

Titel wie „Der Mann, der seine Frau mit<br />

einem Hut verwechselte", „Migräne", „Das<br />

innere Auge", „Awakenings – Zeit des<br />

Erwachens" (wurde mit Robin Williams und<br />

Robert De Niro verfilmt) oder „Der einarmige<br />

Pianist" sprechen für sich. Eine wichtige<br />

Gemeinsamkeit beider Schriftsteller<br />

besteht in der gelungenen Gratwanderung,<br />

schwierige Sachverhalte plastisch und<br />

leicht verständlich darzustellen und nie den Humor bei den jeweiligen<br />

Fallgeschichten zu vergessen, ohne dabei aber die Würde der Betroffenen<br />

zu verletzen oder sie der<br />

Lächerlichkeit preiszugeben –<br />

und das sind Charakteristika,<br />

die immer seltener anzutreffen<br />

sind. In seinem neuesten<br />

Buch beschäftigt sich<br />

der in New York lebende<br />

Autor mit den mannigfaltigen<br />

Erscheinungsformen der<br />

Halluzination. Natürlich geht<br />

er dabei auch auf bewusstseinsverändernde<br />

Drogen wie Cannabis, Mescalin oder LSD ein, doch<br />

im Vordergrund stehen die individuell erlebten Sinnestäuschungen,<br />

und die kommen in mannigfaltigen Ausprägungen vor. Fast jeder<br />

hat schon Erfahrungen mit visuellen Halluzinationen gemacht, doch<br />

Geruchshalluzinationen, sensorische Gespenster, Doppelgänger, akustische<br />

Halluzinationen, bei denen die Betroffenen zusätzlich die korrekten<br />

Noten vor ihrem geistigen Auge sehen, muten schon aberwitzig an.<br />

Neben Fallbeispielen aus seiner alltäglichen Praxis schildert Sacks auch<br />

klassische Fälle bekannter Persönlichkeiten wie Aldous Huxley, Robert<br />

Hughes oder Siri Hustvedt. Sacks aktuelles Werk bietet ein Füllhorn<br />

interessanten Wissens auf hohem Niveau, das sowohl den Psychologie-<br />

Interessierten begeistern wird wie auch den ganz normalen Leser.<br />

er hat nicht als Kind oder Jugendlicher die Abenteuer von<br />

Tom Sawyer und Huck Finn mit Begeisterung verschlungen?<br />

Es waren klassische – man nannte sie<br />

früher noch „Lausbubengeschichten" –<br />

mit viel Humor, Wortwitz und einer<br />

dichten Stimmung, die das Leben am<br />

Mississippi in die Neuzeit transportierte.<br />

Aber heute? Kann man diese beiden<br />

Bücher, die bei dtv in einer meisterhaft<br />

neu übersetzten Ausgabe erhältlich<br />

sind, überhaupt noch lesen? Ja, denn es<br />

sind eben nicht nur Kinderbücher, sondern<br />

Bücher voller Sozialkritik, Angriffe<br />

auf das herrschende System und die<br />

Behandlung der Schwarzen in den USA,<br />

Initiationsromane und Werke, in denen<br />

Mark Twain seine nicht zu unterschätzen-<br />

de Lebensweisheit eisheit verarbeitete. Der als Samuel Langhorne Clemens (30.<br />

November 1835 – 21. April 1910) geborene<br />

Schriftsteller führte vor seiner eigentlichen<br />

Karriere ein buntes Leben und<br />

verdiente sich den Lebensunterhalt als<br />

Steuermann eines Mississippidampfers,<br />

Goldgräber und Journalist, bis ihn die<br />

Heirat mit Olivia Langdon aus finanziellen<br />

Schwierigkeiten erlöste. Von diesem<br />

Zeitpunkt an konzentrierte er sich vornehmlich<br />

auf das Schreiben. Sein wohl<br />

populärstes Werk „Die Abenteuer von<br />

Tom Sawyer" erschien 1876. Der Roman<br />

spielt im fiktiven Ort St. Petersburg in Missouri und erzählt von den<br />

täglichen Erlebnissen des Jungen Tom Sawyer. In den Nebenrollen<br />

Tante Polly, der gefürchtete Indianer-Joe, seine Jugendliebe Becky<br />

und – in der zweiten Hauptrolle Huck Finn. Unvergessen die Szene,<br />

als Tom zur Strafe einen Zaun anstreichen muss und sich so geschickt<br />

„vermarktet", dass andere Kinder für die Arbeit bezahlen wollen. „Die<br />

Abenteuer des Huckleberry Finn" erschienen in den USA 1885 und<br />

sind als Fortsetzung zu verstehen, jedoch mit anderer Intention. Hier<br />

wird das Leben eines Außenseiters porträtiert, der mit einem Sklaven<br />

auf dem Mississippi flüchtet (und natürlich viele Abenteuer erlebt)<br />

und dabei eine neue Weltanschauung kennen lernt. Meisterwerke der<br />

amerikanischen Literatur, die nichts an Ausstrahlung verloren haben.<br />

DAVID BOWIE - ALADDIN SANE<br />

40th Anniversary Limited Edition Remaster<br />

Als CD, Download und Stream!<br />

www.davidbowie.com


Deutschlands größte Filmdiven<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Als Marlene<br />

Romys Dealer wurde<br />

„Neben Marlene Dietrich gehört sie international zu<br />

den größten Kinostars, den der deutschsprachige<br />

Raum hervorgebracht hat.“ So oder so ähnlich fangen<br />

Berichte in den Medien über Romy Schneider oft an.<br />

Sie wird nicht mit der Dietrich verglichen, sondern<br />

auf eine Stufe mit ihr gestellt. Zwei Diven des Filmund<br />

Showbusiness, die mehr als nur die beinah 40<br />

Jahre Altersunterschied trennte. Romy, die Sanfte,<br />

die Sensible, die ihr wahres Leben in scheinbar<br />

jeder Leinwandsequenz darstellte. Und Marlene, die<br />

Kühle, die selbst erschaffene Legende, die vor der<br />

Kamera ihre vom Regisseur zugedachte Rolle spielte.<br />

Zwei Frauen, so unterschiedlich und doch mit so<br />

vielen Parallelen. Eine Spurensuche.<br />

Romy Schneider dreht „Das alte Gewehr" („Le Vieux<br />

1975: Fusil") mit Philippe Noiret. Ein Film, der mit drei<br />

Millionen Zuschauern ihr bis dahin größter Erfolg werden sollte.<br />

Außerdem kommt am 21. Februar ihre Meisterleistung in „Nachtblende"<br />

(„L'important, c'est d'aimer") an der Seite von Jacques Dutronc, Fabio<br />

Testi und dem deutschen Enfant terrible Klaus Kinski in die Kinos.<br />

La Schneider, wie sie in Ehrfurcht vor<br />

ihrer wunderschönen, charismatischen<br />

Erscheinung genannt Romy Schneider<br />

wird, mimt Nadine Chevalier, eine<br />

Schauspielerin, die – ganz entgegen<br />

der realen Situation der Aktrice – auf<br />

dem absteigenden Karriere-Ast ist<br />

und sich mit Softpornos über Wasser<br />

halten muss. Dieses Wesen zwischen<br />

Tristesse und Stärke stellt Schneider<br />

so eindrucksvoll dar, dass sie ein Jahr<br />

später den César, den nach wie vor<br />

wichtigsten französischen Filmpreis,<br />

als beste Schauspielerin erhält. Es<br />

ist ein wichtiges Jahr für Rosemarie<br />

Magdalena Albach, so ihr vollständiger<br />

Name, den schon bald nach ihrer<br />

Geburt am 23. September 1938 in<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 36 ■ GoodTimes 2/2013


Wien kaum noch jemand ruft. Doch es wäre falsch, es als Schneiders<br />

Höhepunkt zu bezeichnen. Die vielen weiteren herausragenden<br />

Leistungen vor und nach dieser Zeit würde der Begriff sonst in den<br />

Schatten stellen. Aber es war ein sehr glückliches Jahr. Es endete mit<br />

ihrer zweiten Eheschließung am 18. Dezember in Berlin, wo sie ihrem<br />

einstigen Sekretär Daniel Biasini das Ja-Wort gab.<br />

Auf der gegenüberliegenden Seite des Erdballs, in Sydney, Australien,<br />

steht die andere international so erfolgreiche Filmgöttin aus dem<br />

deutschsprachigen Raum auf der Bühne<br />

und schreit: „Vorhang runter! Runter!"<br />

Nein, es waren nicht die Abschiedsworte<br />

der Dietrich an ihr Publikum. Es war der<br />

– ungeplante – Beginn, ihren Mythos<br />

der Grande Dame vor der Öffentlichkeit<br />

zu konservieren. Im Orchestergraben<br />

beendete Marlene Dietrich im September<br />

ihre Karriere. Mit einem schlimmen<br />

Oberschenkelbruch nach einem<br />

Alkoholabsturz – im wahrsten Wortsinn:<br />

In den 70er Jahren war sie dem Gesöff<br />

bereits sehr zugeneigt und mit ihren 73<br />

Jahren schaffte es die torkelnde Diva<br />

zwar nicht mehr, sich zu stützen, dafür<br />

aber, sich zu schützen. Vor den Klicks<br />

der Paparazzi, vor den Augen der Fans,<br />

sicher auch vor dem Mitleid. Im Dunst des<br />

Marlene Dietrich in<br />

Hochprozentigen hilflos da liegend, so<br />

„Schöner Gigolo, armer Gigolo“<br />

sollte sie niemand sehen. Abrupt trat die<br />

Dietrich ab. Und kehrte nur noch einmal vor die Kameras zurück. 1978<br />

elle Weise verführt haben soll.<br />

In ihrer Garderobe habe er sie<br />

nach der Uhrzeit gefragt. Lasziv<br />

habe sie ihr Kleid hochgezogen,<br />

am Bein ein Strumpfband mit<br />

befestigter Uhr präsentiert und<br />

ihm angeboten, dort nach seiner<br />

Antwort zu suchen.<br />

Noch viele mehr und min-<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 37<br />

Marlene Dietrich<br />

in „Der große Bluff“<br />

der<br />

intensive<br />

Beziehungen,<br />

Liebeleien und<br />

Schwärmereien<br />

folgen.<br />

Nur<br />

einem<br />

Mann<br />

bleibt Marlene<br />

Zeit ihres Lebens treu – auf dem Papier. Mit dem<br />

Tod von Rudi Sieber 1976 wird Marlene gar zur<br />

Witwe. Wenn sie in den 53 verheirateten Jahren auch<br />

nur kurz Liebe und Leidenschaft verbunden haben<br />

mögen, so war die Ehe neben ihrer heute 88-jährigen<br />

Tochter die einzige Konstante im bewegten Leben der<br />

Schauspielerin, Sängerin und Autorin.<br />

Mit ihrer Geburt am 27. Dezember 1901 in<br />

Schöneberg verlängert Marie Magdalene Dietrich<br />

ihrer Mutter die Weihnachtsfreude. Die gut bürgerliche<br />

Frau, nun mit zwei Töchtern gesegnet, aber bald<br />

schon ohne Mann, hat sicherlich nicht im Traum daran<br />

gedacht, was aus ihrem pummeligen, dunkelhaarigen Mädel einst<br />

in „Schöner Gigolo, armer Gigolo" an David Bowies Seite. Gedemütigt werden sollte. Anders als das Mädel selbst. Mit zwölf Jahren kritzelt<br />

von den Kritikern zog sie sich anschließend wie einst Heinrich Heine in sie neben deutscher Grammatik und Rechenaufgaben den Namen<br />

ihre Pariser Matratzengruft zurück.<br />

„Marlene" und beschließt,<br />

A<br />

sich fortan so zu nennen.<br />

Die Signatur übt<br />

ls „Der blaue Engel" sang, tanzte, spielte sich<br />

Marlene Dietrich 1930 in die Herzen des deutschen<br />

Publikums und in das ihres Regisseurs Josef<br />

in ihren Schulheften. Bis<br />

Marlene mit der Feder<br />

von Sternberg gleich mit dazu. Von Kopf bis Fuß auf<br />

zur Perfektion. So war<br />

Liebe eingestellt ist sie, als sie ihre Liaison mit „Jo"<br />

sie eben schon damals.<br />

beginnt. Doch wie die „fesche Lola" aus dem Film<br />

„Preußisch" beschreibt es<br />

mag sich die Schauspielerin nicht auf einen Mann<br />

ihre eigene Tochter Maria<br />

festlegen. Sie ist noch mit Rudolf „Rudi" Sieber<br />

Riva Jahrzehnte später.<br />

verheiratet, dem Vater ihrer im Dezember 1924<br />

Diese von Kindheit anerzogene<br />

Lebenseinstellung<br />

geborenen Tochter Maria, als sie mit von Sternberg<br />

zu Beginn der 30er Jahre in die USA geht. Nur<br />

– stets alles exakt zu<br />

Marlene Dietrich in „Der blaue Engel“<br />

mit einer Unterbrechung dreht sie ihre ersten<br />

machen, ehrgeizig und<br />

Tonfilme mit ihm. Neben dem blauen Engel unter anderem<br />

arbeitsam zu sein, aber vor allem folgsam – beeinflusst die Arbeit<br />

„Die scharlachrote Kaiserin" („The Scarlett Empress", 1934), der Dietrich an den Filmsets dieser Erde. In der Dokumentation von<br />

den „Shanghai-Express" 1932 und „Marokko" („Morocco"), ihr<br />

Maximilian Schell, „Marlene", die er trotz widriger Umstände – Marlene<br />

verweigerte kurz vor Beginn der Dreharbeiten die zugesagten<br />

Aufnahmen – 1983 vorstellen konnte, sagt eine<br />

stark gealterte Marlene Dietrich mit rauer Stimme: „Ich<br />

war eine folgsame Schauspielerin. Ich habe immer das<br />

getan, was der Regisseur wollte." Auf Schells Nachfrage,<br />

ob sie nie improvisiert habe, reagiert sie empört. „Alles<br />

Quatsch!", herrscht ihn die Diva nicht nur bei diesem<br />

Dialog an. Aber Schell, der an ihrer Seite im „Urteil<br />

von Nürnberg" („Judgment At Nuremberg", 1961) eine<br />

solche Meisterleistung als Staatsanwalt hingelegt hatte,<br />

dass er einen Oscar als bester Hauptdarsteller bekam,<br />

verteidigt das Gespür eines Schauspielers, Drehbücher<br />

auch interpretieren zu können.<br />

Vielleicht eine Generationenfrage, denn Romy Schneider<br />

mimt ihre großen Rollen in den 60er und 70er Jahren<br />

Marlene Dietrich und<br />

Regisseur Josef von Sternberg<br />

mit einer Intensität, einer Wahrhaftigkeit, dass der<br />

Zuschauer förmlich spürt, wie sich dieses zarte Wesen<br />

erster Hollywoodfilm und die einzige i Rolle, die mit allem, was es hat, in die jeweilige Rolle hineinbegibt. Natürlich<br />

ihr eine Nominierung für den Oscar einbringt. wollte Schneider ihren Regisseuren gefallen und setzte Anweisungen<br />

Ihr Partner ist Gary Cooper, den sie nach um. Aber der Rolle etwas von der eigenen Persönlichkeit verleihen, ein<br />

Erzählungen von Vertrauten auf sehr spezi-<br />

bisschen improvisieren, ist ja nicht gleichzusetzen mit einer Rebellion<br />

Foto: © DAVIDS/<br />

Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber


Reif und gelöst:<br />

Romy Schneider zu Frankreich-Zeiten<br />

am Set. Es lässt sich<br />

ganz gut so beschreiben:<br />

Schneider hätte wohl<br />

nach jedem abgeschlossenen<br />

Film einen Urlaub<br />

gebrauchen können, weil<br />

sie sich unglaublich verausgabte,<br />

um eine Figur<br />

darzustellen. Marlene<br />

nicht. Die Dietrich verließ<br />

sich zusehends<br />

auf ihre Erfahrungen,<br />

auf Altbewährtes. Der<br />

Schlafzimmerblick funktionierte<br />

schließlich in<br />

jeder romantisch-knisternden<br />

Szene. Und<br />

irgendwann war es derselbe<br />

Blick, die gleiche<br />

Spielart – nur für<br />

unterschiedliche Filme.<br />

Als sie das erste Mal<br />

bewusst ihre schauspielerischen<br />

Fähigkeiten<br />

reflektieren, über ihre<br />

Leinwandpräsenz nachdenken<br />

muss, ist sie<br />

als Kassengift an den<br />

US-Kinos (und bei den<br />

Produzenten) verschrien.<br />

Sie vollzieht einen<br />

Imagewandel. Erfolgreich.<br />

Es ist 1938. Dietrich hat<br />

keinen Vertrag mehr<br />

bei Paramount. Sie ist zurück in Europa, aber nicht, um Ufa-Star zu<br />

werden. Nach Berlin, zu Hitler – das will sie nicht. An der französischen<br />

Riviera urlaubt sie mit ihrem Gefolge – bestehend aus Tochter Maria,<br />

Ehemann Rudi, dem aktuellen Liebhaber und Schriftsteller Erich Maria<br />

Remarque und später sogar noch der Ex-Geliebte Jo von Sternberg<br />

– genießt sie die Augustsonne im Hôtel du Cap. Der „Dietrich-Clan",<br />

wie ihn Cari Beauchamp in ihrem „Vanity Fair"-Beitrag „It Happened<br />

at the Hôtel du Cap" liebevoll-ironisch nennt, sorgt bei den anderen<br />

Gästen für hochgezogene o ene Augenbrauen. Einen interessiert der unangepasste<br />

Lebensstil des<br />

Hollywoodstars<br />

auf<br />

besondere Weise: Joseph<br />

P. Kennedy, der Vater<br />

von JFK und Bobby –<br />

beide bekanntlich in<br />

den 60ern erschossen<br />

–, ist von der schönen<br />

Dietrich<br />

beeindruckt<br />

und beginnt mit ihr laut<br />

Cari Beauchamp eine<br />

Affäre. Obwohl er ebenfalls<br />

seine Familie dabei<br />

hat. Und wer weiß, vielleicht<br />

gab ihr diese neue<br />

Liaison einen Antrieb,<br />

Marlene Dietrich und<br />

der sie an der Seite von<br />

Tyrone Power 1957 in<br />

„Zeugin der Anklage“<br />

James Stewart in der<br />

coolen Westernkomödie<br />

„Der große Bluff" („Destry Rides Again", 1939) eine neue, eine frische<br />

Marlene Dietrich sein lässt. Ausgelassen, schlagfertig, im Cowgirl-Look<br />

tritt die mittlerweile 38-Jährige auf. Unvergessen, als „Frenchy" auf dem<br />

Saloontresen tanzt und bei „Boys In The Backroom" im Refrainteil die<br />

Haut an ihrem Kehlkopf hin- und herzieht, um eine natürliche Vibration<br />

in der Stimme zu erzeugen. Marlene ist wieder da. Bei Universal feiert<br />

sie ihr Comeback.<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Rund 20 Jahre später muss eine andere Schauspielerin ebenfalls<br />

einen Imagewandel vollziehen. Allerdings nicht, weil sie als<br />

Kassengift verschrien ist. Vielmehr, weil sie ähnlich wie Marlene als<br />

der ewig „blaue Engel" nicht länger als die ewige „Sissi" abgestempelt<br />

werden will, sondern wahrgenommen als das, was sie nun mal ist:<br />

die großartige, vielseitige, mondäne und zerbrechliche Schauspielerin<br />

Romy Schneider. Sie war ihr Schicksal, diese Rolle der österreichischen<br />

Kaiserin. Dreimal gespielt, dreimal gelitten, dreimal eine etwa sieben<br />

Kilo schwere Perücke auf dem kleinen Kopf. Ein Schicksal, das ihr<br />

auferlegt wurde. Denn Schneider stammt aus einer Schauspielerfamilie,<br />

und ihre Mutter hat Ambitionen, seit die Tochter auf der Welt ist.<br />

Die Eltern, das Schau spielerpaar<br />

Magda Schneider<br />

und Wolf Albach-Retty,<br />

werden Romy nicht lange<br />

als Duo erhalten bleiben.<br />

Ihr „Papili" hat bei der<br />

Erziehung spätestens nach<br />

der Trennung von Romys<br />

ehrgeiziger Mutter 1943<br />

wenig zu melden – und versucht<br />

es wohl auch nicht.<br />

Ihr Vater, er fehlt Romy.<br />

Der schmierige, kontrollverrückte<br />

Geschäftsmann<br />

Hans Herbert Blatzheim,<br />

den Magda Schneider<br />

1953 heiratet, ist keine Willy Fritsch, Magda Schneider<br />

Alternative, sondern eine<br />

und Romy Schneider in<br />

„Wenn der weiße Flieder wieder blüht“<br />

Qual. Er will mit Romy<br />

Geld scheffeln, die Mutter will durch hdie Tochter weiter Engagements<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

erhalten. Am Anfang, 1953 in Romys erstem Kinofilm „Wenn der weiße<br />

Flieder wieder blüht" und danach an der Seite der großen Lilli Palmer in<br />

„Feuerwerk", ist Romy die Unbekannte. Spätestens mit dem ersten Teil<br />

als Kaiserin von Österreich läuft Romy ihrer Mutter den Rang ab. Sie<br />

ist der Star. Aber Mutter und Stiefvater wachen über Romy – „wie über<br />

eine Henne, die goldene Eier<br />

legt", beschreibt es der französische<br />

Journalist Jean-Pierre re<br />

Lavoignat in seinem 2012 bei<br />

Edel erschienenen Bildband<br />

mit dem schlichten Titel<br />

„Romy". Wunderschöne Fotos<br />

zeigen die große Schauspielerin eri<br />

– weitab von der zuckersüßen<br />

Sissi –, wie sie gern gesehen en werden<br />

wollte: facettenreich. Gemeinsam mit Romys<br />

Tochter Sarah Biasini ist es ihm gelungen, gen, auch<br />

die Traurigkeit und Zerrissenheit der Filmikone<br />

darzustellen.<br />

Letztere Gefühlsstände zeigen sich<br />

bei<br />

Schneider schon Ende der 50er Jahre.<br />

Das<br />

Publikum in Deutschland, aber auch in anderen<br />

Ländern, Filmleute, Mutter, Stiefvater und selbst<br />

der Bildungsminister drängen n auf<br />

weitere<br />

Sissi-<br />

s Teile. Zu einem dritten Part muss die 19-Jährige<br />

bereits gezwungen werden. Immerhin hatte sie<br />

zu<br />

diesem Zeitpunkt längst Klassiker siker wie „Monpti"<br />

mit Horst Buchholz und „Scampolo" mit<br />

Paul Hubschmid abgedreht – alle 1957.<br />

Gebraucht hat sie Sissi nicht mehr. Aber die<br />

weiterhin kriegsgebeutelten Menschen<br />

und die Produzenten, die brauchten<br />

diese heile Welt. Sie war ja rentabel.<br />

Romys Widerstand gegen einen<br />

n<br />

geforderten vierten „Sissi"-<br />

s Teil trägt Früchte. Aus Sicht der<br />

Deutschen verschmäht sie ihre Fans.<br />

Auch, weil sie nach Paris geht. Sie will<br />

Romy Schneider<br />

Seite 38 ■ GoodTimes 2/2013


leben, spielen, lernen und lieben. Und das<br />

so weit<br />

weg<br />

wie möglich, weg von der Mutter und vor allem<br />

von deren Mann, der den jungen, schönen<br />

Filmstar sexuell bedrängt haben soll. Bei<br />

den Dreharbeiten zu „Christine" lernt<br />

sie 1958 Monsieur Alain Delon kennen.<br />

Einen schnittigen Typen, der<br />

vor Lässigkeit strotzt, ein charmanter<br />

Rebell, erst angehender Star in<br />

Mutter. Harry Meyen heißt der Glückliche, mit dem<br />

sie 1966 den vermeintlichen Bund fürs Leben<br />

schließt. Er ist der Vater ihres im Dezember des<br />

gleichen<br />

en Jahres geborenen Sohns David.<br />

Für die Kamera – und offiziell auch nur<br />

für sie – werden Romy und Alain noch<br />

einmal zum Liebespaar. Es knistert, es<br />

gibt Sexszenen – bis der Regisseur<br />

„Cut" ruft. Und laut Schneiders<br />

seinem Land – Frankreich. Er ist<br />

Tagebuchaufzeichnungen habe<br />

das Gegenteil von dem, was Romy<br />

kennt. Anders als ein 22 Jahre<br />

älterer, gestandener und ohne<br />

Frage attraktiver Curd Jürgens. Im<br />

sie nichts mehr empfunden für<br />

die einst große Liebe. Es sei so<br />

gewesen, als ob sie eine Mauer<br />

umarme.<br />

Fokus hat dessen Nachlassverwalter r<br />

N<br />

Gunter Fette eine „kurze, aber<br />

ach Dietrichs letzten großen<br />

intensive Liebesbeziehung" (im<br />

Rollen, „Zeugin der Anklage"<br />

Sommer 1957) zwischen den beiden<br />

enthüllt. Mit ihrer naiven Art habe<br />

er aber nichts anfangen können. n. Der<br />

junge Delon dafür umso mehr, nachdem<br />

anfängliche Vorurteile – sie fand ihn arrogant, roga<br />

er hielt sie für ein dummes Gänschen – über Bord<br />

geworfen waren.<br />

Romy Schneider in „Sissi“<br />

(„Witness For The Prosecution", 1957)<br />

sowie „Urteil von Nürnberg", glänzt<br />

die Diva Anfang der 70er Jahre mit wei-<br />

ßem Pelz<br />

und Paillettenrobe als gefeierte<br />

Sängerin auf großen Bühnen. Während es<br />

für Marlene das<br />

Jahrzehnt ihres Karriereendes ist,<br />

ist es für Romy das bedeutendste ihres Filmlebens. Sie<br />

G<br />

überzeugt in Frankreich r mit Frauenrollen, für die sie ernstgenommen<br />

wird und Anerkennung erhält. Als Prostituierte in „Das Mädchen<br />

enau wie Marlene Dietrich in den 40er Jahren mit Jean Gabin hat<br />

auch Romy Schneider in Frankreich mit einem Franzosen ihre große und der Kommissar" („Max et les Ferrailleurs", 1970), als in einer<br />

Liebe gefunden. Sie kann ihre schauspielerischen Leistungen voll aus sich<br />

herausholen, er entwickelt seine Fähigkeiten und wird zum Star. Und was<br />

Marlene bereits knapp 30 Jahre zuvor getan hat, macht nun auch Romy:<br />

Sie verlässt Deutschland, will nicht mehr in Konventionen passen müssen.<br />

Dreiecksbeziehung zwischen Yves Montand und Sami Frey gefangenen<br />

Rosalie in „César und Rosalie" von 1972, als „Wildes Schaf" 1973 oder in<br />

Claude Sautets „Eine einfache Geschichte" („Une histoire simple", 1978),<br />

wofür sie ihren zweiten César einheimst.<br />

Und wie Marlene wird Romy als Vaterlandsverräterin beschimpft.<br />

D<br />

Nur dass es bei der einen um die Unterstützung amerikanischer Soldaten ie 70er sind auch das Jahrzehnt, in dem sich die beiden großen<br />

ging, und bei der anderen wieder einmal um „Sissi". Jean-Pierre Schauspielerinnen persönlich begegnen. So beschreibt Cathrin<br />

Lavoignat beschreibt es im Bildband „Romy" so:<br />

„Es<br />

dürstet sie nach<br />

Kahlweit in ihrem Buch „Jahrhundert-Frauen" von 2001 eine Szene in<br />

dem Absoluten." Das findet<br />

Schneider zwar bereits<br />

den Star auf dem Karrierehöhepunkt, trifft. Die Schneider<br />

der Pariser Orangerie, wo der scheidende Star auf Romy,<br />

Romy Schneider<br />

in der sehr anspruchsvollen<br />

Rolle der gespaltenen,<br />

sich in ihre Lehrerin verliebenden<br />

Internatsschülerin<br />

Manuela von Meinhardis<br />

in „Mädchen in Uniform"<br />

(1958), wieder an der Seite<br />

der von ihr so verehrten Lilli<br />

Palmer. Und nach einem<br />

lässt der Dietrich über einen Kellner eine Kette überreichen,<br />

und laut Daniel Biasini, Romys zweitem Ehemann, sind die<br />

Diven ins Gespräch gekommen – mit ungeahnten Folgen.<br />

Marlene erweist sich später als Nachschublieferantin für<br />

Romys Medikamentensucht. Da Romys Lebenspartner sie<br />

diesbezüglich überwachen, kommt sie nicht ohne weiteres<br />

an Pillen. Die erfinderische Dietrich höhlt Bücher aus, legt<br />

Packungen hinein und lässt die „Präsente" per Boten bei<br />

Romy abgeben.<br />

kurzen Ausflug zurück<br />

S<br />

in die Reifröcke – wobei<br />

chneider macht in den 70ern nicht mehr nur mit tollen<br />

Rollen von sich reden. Private Schicksalsschläge,<br />

„Katja, die ungekrönte<br />

Kaiserin" („Katia", 1959)<br />

an der Seite des einsti-<br />

etwa die Scheidung von Harry Meyen 1975 mit dem<br />

einhergehenden Verlust ihres halben Vermögens, um sich<br />

gen Kurzzeitliebhabers<br />

damit das Sorgerecht für David zu erkaufen, machen<br />

Curd Jürgens rein gar<br />

ebenso Schlagzeilen wie ihre zunehmende Tabletten- und<br />

nichts gemein hat mit der<br />

Puderzuckerwelt von „Sissi"<br />

– darf sich Schneider im<br />

Alkoholsucht. Ein Lichtblick ist die Geburt von Tochter<br />

Sarah im Juli 1977. Doch das Jahrzehnt endet genauso<br />

schwarz (Romys zweite Ehe scheitert, Ex-Mann Harry<br />

Episodenwerk „Boccacio<br />

Meyen erhängt sich 1979), wie das nächste beginnt. Ihr<br />

70" (1961) als erwachsene<br />

Frau auf der Leinwand präsentieren.<br />

Aber ihr richtiges schauspielerisches h Vermögen offenbart sich in den<br />

späten 60er und vor allem 70er Jahren. Nachdem sich Delon 1963<br />

von Romy, wie einst Gabin von der Dietrich (übrigens der einzige ihrer<br />

Liebhaber, der diesen Schritt wagte) während ihres Ausflugs nach<br />

Hollywood getrennt hat, ist sie zwar am Boden zerstört, doch nach<br />

einem versuchten Selbstmord erscheint sie stärker denn je. Selbst als<br />

sie 1968 wieder auf Delon trifft. Wie schon für die Dreharbeiten zu<br />

„Christine" holt er sie zehn Jahre später für den Erotikthriller „Der<br />

Swimmingpool" („La Piscine") vom Flughafen ab. Romy ist eine wunderschöne,<br />

fast 30-jährige Frau, Ehefrau um genauer zu sein. Und<br />

Körper macht nicht mehr mit, und so muss ihr 1981 eine<br />

Niere entfernt werden. Noch in der Erholungsphase und<br />

mit neuer Rolle als „Spaziergängerin von Sans-Souci" auf<br />

Halde, erleidet Romy den größten Schicksalsschlag, den eine Mutter<br />

erleiden kann: Sohn David spießt sich am 5. Juli 1981 an einem spitzen<br />

Zaun auf und stirbt. Der einzige Halt ist der Film, von dem zu<br />

diesem Zeitpunkt keiner ahnt, dass es ihr letzter werden sollte. Am 29.<br />

Mai 1982, Pfingstsonnabend, findet Romy Schneiders Lebenspartner<br />

Laurent Pétin sie zusammengesunken am Schreibtisch vor. Ihr gebeuteltes<br />

Herz konnte dieser erst 43 Jahre jungen Mimin einfach keine<br />

Kraft mehr geben. Es hörte auf zu schlagen – wie genau zehn Jahre<br />

später in derselben Stadt bei Marlene Dietrich am 6. Mai 1992.<br />

Claudia Tupeit<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 39<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber


Auf den Spuren von König Leonidas<br />

300" UND<br />

Der Lowe<br />

..<br />

von Sparta"<br />

"<br />

"<br />

Schädel bersten unter Schwerthieben,<br />

aus klaffenden Wunden<br />

ergießen sich Ströme von Blut,<br />

mit einem Streich trennen blitzende<br />

Stahlklingen Häupter von<br />

den Rümpfen – 300 Griechen<br />

kämpfen heldenmütig gegen<br />

ein persisches Millionenheer<br />

und halten diesem stand. Erst<br />

feiger Verrat kann die Tapferen<br />

bezwingen, die sehenden Auges<br />

stolz in den Tod gehen.<br />

Von Jens-Uwe Berndt<br />

So will es die Legende. Und genau so erzählt der<br />

Hollywood-Streifen „300" die Geschichte von König<br />

Leonidas, der 480 vor Christus mit 300 Spartanern<br />

bei den Thermopylen zwischen dem Kallidromos-<br />

Gebirge und dem Malischen Golf einer zigfach überlegenen<br />

Streitmacht die Stirn bot. Für ein freies<br />

Sparta, für die Ehre der Hellenen.<br />

Noch heute, 2500 Jahre später, ist dieses<br />

Ereignis vor allem in Mittel- und Südgriechenland<br />

allgegenwärtig. Ob man in Souvenirläden<br />

auf gusseiserne Miniaturausgaben des<br />

Speer werfenden Leonidas trifft, sich<br />

in Spielzeuggeschäften mit den aus<br />

Kunststoff nachgebildeten Helmen der<br />

Spartanern schmücken kann oder vom<br />

kindgerechten Bildband bis zur historisch fundiert anmutenden<br />

Abhandlung Literatur in diversen Buchläden<br />

ersteht e – Leonidas und die Schlacht bei den Thermopylen<br />

sind ein Verkaufsschlager bei den Touristen. Das 2007 in die<br />

Kinos gekommene und zu einem der erfolgreichsten Filme<br />

des Jahres avancierte Schlachtengemälde „300" mit Gerard<br />

Butler in der Hauptrolle hat der Popularität dieses an sich<br />

schon denkwürdigen Moments griechischer Geschichte<br />

durchaus Vorschub geleistet. Denn mittlerweile bieten<br />

Händler T-Shirts und Pullover mit den unterschiedlichsten<br />

Sparta- und Leonidas-Motiven an, bei denen historischer<br />

Hintergrund und filmische Symbolik verschmelzen.<br />

Das war 1961 noch ganz anders. Da ging die Leinwand-<br />

Adaption des Stoffes nicht nur an der Kinokasse unter.<br />

Wenngleich der Streifen „Der Löwe von Sparta" („The 300<br />

Spartans") sich tatsächlich um historische Genauigkeit<br />

bemühte. Aber dazu später mehr. Bleiben wir vorerst bei<br />

„300" und starten eine Spurensuche in jenem Land,<br />

dem man die Erfindung der Demokratie zuschreibt.<br />

Ein Blick auf die Karte Griechenlands offenbart<br />

zwischen Sparta und den Thermopylen eine beträchtliche<br />

Entfernung. Mit dem Auto muss man – je nachdem,<br />

ob sich der Fahrer für die kostenfreie Landstraße<br />

oder die gebührenpflichtige Autobahn entscheidet<br />

– zwischen 350 und 450 Kilometer zurücklegen.<br />

Leonidas wird mit seinen Männern einst Wochen<br />

gebraucht haben, um über Land jenen Engpass zu<br />

erreichen, an dem man das feindliche Heer aufhalten<br />

wollte. Und was dem Herrscher Spartas ein strapaziöser<br />

Fußmarsch war, gestaltet sich für den Griechenland-<br />

Urlauber heute als entspannte Entdeckungstour, für die<br />

man sich allerdings Zeit nehmen sollte.<br />

Sparta, Hauptstadt Lakoniens und im Süden der<br />

Peloponnes-Halbinsel gelegen, hält nichts von dem,<br />

was der klangvolle Name dem historisch interessierten<br />

Reisenden verspricht. Die mit Palmen bestandene<br />

Hauptstraße ist hübsch anzuschauen und vermittelt<br />

den Eindruck einer geschäftigen Kleinstadt, in den


parallel angelegten Nebengassen tut sich allerdings herzlich<br />

wenig. Die ältesten Gebäude Spartas datieren aus den 30er<br />

Jahren des 19. Jahrhunderts, als die Stadt neu gegründet<br />

worden war. Trotzdem wird der Leonidas-Suchende<br />

fündig: Am Ende der breiten Ladenmeile trifft man auf<br />

das Denkmal des heroischen Königs. Den Schild vorm<br />

Körper, ist er mit dem Kurzschwert in der Rechten<br />

bereit zuzustoßen. Die Augen muten puppenhaft<br />

an, sorgen allerdings dafür, dass selbst von dieser<br />

steinernen Maske eine hypnotische Wirkung ausgeht.<br />

Hält man sich vor der Statue stehend links, gelangt<br />

man nach wenigen Metern an eine Hinweistafel, die<br />

einem das „Alte Sparta" verkündet. Davon sind allerdings<br />

nur noch Fundamentfragmente geblieben. Es<br />

ist eine immense Vorstellungskraft vonnöten, um in<br />

diesem Ruinenfeld Atmosphäre zu tanken.<br />

Das Leonidas-Denkmal an den Thermopylen.<br />

Die Spartaner werden ihre Heimat gen Norden verlassen haben. In<br />

diese Richtung geht es ohne Umwege nach Tripolis. Die Straße führt zum<br />

Teil durch Gebirgswelten erhabener Weite. Typisch sind Serpentinen,<br />

die den ungeübten Kraftfahrer vor enorme Herausforderungen stellen.<br />

Die Griechen sind diese Strecken gewöhnt und scheinen jede noch so<br />

unübersichtliche 180-Grad-Kurve zu kennen. Wer sich allerdings von<br />

Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />

der filigransten Art feilgeboten und stoßen Souvenirjäger r auf<br />

Mitbringsel, die es so woanders vermutlich nicht zu finden gibt.<br />

In den Abendstunden erklingen an der stimmungsvoll ausgeleuch-<br />

u teten Hafenpromenade typisch griechische Weisen, en,<br />

laden unzählige<br />

Gaststätten zum Verweilen ein.<br />

Wollte sich Leonidas vom Orakel in Delphi ein<br />

gutes Omen<br />

für die Schlacht gegen die Perser ausstellen lassen sen oder<br />

nicht? Die Überlie ferung jedenfalls sieht den König den einstigen<br />

„Mittel-<br />

punkt<br />

der Welt"<br />

aufsuchen.<br />

Die<br />

Weissag<br />

ung soll<br />

schlecht<br />

ausgefallen<br />

sein, was den<br />

Krieger allerdings<br />

nicht<br />

daran hinderte,<br />

mit seinen<br />

Männern<br />

Das Schlachtfeld an den Thermopylen,<br />

wie es heute aussieht.<br />

trotzdem gegen die Eindringlinge zu ziehen. Heute ist Delphi – von<br />

Korinth weiter gen Norden zweieinhalb Autostunden entfernt – eine<br />

der meistbesuchten antiken Stätten Griechenlands überhaupt. Man<br />

spricht von jährlich über einer Million Gäste, die es zum Apollon-<br />

Heiligtum zieht. Der Tourist wird an diesem Ort geradezu einer Flut<br />

von Eindrücken und Bildern ausgesetzt, die an einem Tag kaum aufzunehmen<br />

sind.<br />

Bis zu den Thermopylen sind es von hier aus noch gute 70 Kilometer.<br />

Sicher wären die in eineinhalb Stunden mit dem Pkw locker zu schaffen.<br />

Allerdings bieten sich dem Reisenden gerade entlang der Straße<br />

zum Malischen Golf über Amfissa die wundervollsten Landschaftsbilder,<br />

dass Stopps am Wegesrand zwangsläufig eingelegt werden müssen.<br />

In Bilderbuchtälern,<br />

zwischen<br />

Bergen,<br />

deren Ausläufer<br />

wie<br />

erstarrte<br />

Lavaströme<br />

in<br />

die Senke reichen,<br />

liegen<br />

winzige weiße<br />

Dörfer. Manche<br />

sind<br />

von<br />

Olivenplantagen<br />

Serpentinen<br />

unweit Nafplion<br />

Der Berg, der zum Schicksal der Kämpfer aus Sparta wurde.<br />

Über ihn umgingen die Perser Leonidas Streitmacht.<br />

aufblitzenden Scheinwerfern oder ungeduldigem Hupen aus der Ruhe<br />

bringen lässt, lebt angesichts manch steilen Abhangs gefährlich.<br />

Auf dem Weg zur Landenge<br />

Korinth, die Peloponnes und<br />

umschlossen, andere leuchten – auf einem Plateau errichtet t – über die<br />

Ebene hinweg. In diesen Orten findet der Tourist selten Zerstreuung.<br />

So wie die Natur schweigt, geht<br />

auch von den<br />

Restgriechenland verbindet,<br />

Dörfern eine<br />

locken Nafplion – als „schönste<br />

Stadt Griechenlands" – am<br />

tiefe<br />

aus.<br />

Stille<br />

Argologischen Golf und die antike<br />

Zirka 15 Kilo-<br />

Ausgrab ungsstätte Mykene,<br />

meter<br />

südlich<br />

zirka 25 Kilometer nördlich.<br />

Lamias<br />

befinden<br />

Während die Festungsreste durchaus<br />

sich die<br />

dem Charakter der Leonidas-<br />

Tour entsprechen, entführt das<br />

Thermopylen.<br />

Als Leonidas und<br />

Hafenstädtchen Nafplion eher in<br />

seine<br />

Truppen<br />

die Welt der größten Griechenland-<br />

Klischees. In bezaubernden Gassen,<br />

480 vor Christus<br />

für drei Tage den<br />

von Blumenbögen gekrönt, reiht<br />

Soldaten<br />

von<br />

sich ein Schmuckgeschäft an<br />

Xerxes I. verlustreiche<br />

Kämpfe<br />

Das alte Sparta - ein Ruinenfeld<br />

das nächste, wird Kunstgewerbe<br />

bescher-<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 41


ten, waren zwischen<br />

den hart aufsteigenden<br />

Bergen und dem Steilufer<br />

im Durchschnitt gerade<br />

mal 15 Meter Platz.<br />

Der Historiograf und<br />

Völkerkundler Herodot<br />

hinterließ in seinen<br />

„Historien" die umfassendste<br />

Schilderung der<br />

legendären Schlacht.<br />

Zwar erfährt man<br />

schon bei Herodot, dass<br />

Leonidas’ Streitmacht<br />

inklusive aller verbündeter Mannschaften um die 4500 Soldaten<br />

gezählt habe, Xerxes Armee bläst er jedoch zu einem 2,5-Millionen-<br />

Ungetüm auf, was die Leistung der Spartaner vermutlich ins<br />

Übermenschliche steigern sollte. Aktuelle Militärhistoriker sprechen<br />

allerdings von einem Kräfteverhältnis von zirka 5000 bis 7000<br />

Mann auf der Seite der Verteidiger und 50.000 bis<br />

120.000 unter dem Kommando des Perserkönigs.<br />

Die<br />

heroische Tat des Sparta-Königs, der nach<br />

einer Umgehung durch die Perser mit seinen<br />

300 Auserwählten den Rückzug der<br />

Griechen deckte, schmälert das nicht. Das ihm<br />

unweit des Kampfplatzes gewidmete großflächige<br />

Denkmal wird mittlerweile selbst in<br />

der Vor- und Nachsaison von Reisegruppen<br />

im<br />

15-Minuten-Takt frequentiert. Den meis-<br />

ten<br />

Rundfahrt-Touristen bleibt tatsächlich nur<br />

diese knappe Viertelstunde, um von dem<br />

einen Speer schleudernden, muskelbepackten<br />

Superhelden Fotos zu schießen. Die seitlich<br />

angebrachten Schautafeln, die den historischen<br />

Hintergrund erläutern und den Verlauf<br />

der Schlacht dokumentieren, finden nur wenige. Und die, die es bis<br />

dahin schaffen, fotografieren die Aufsteller schnell, um sich das Ganze<br />

eventuell zu Hause am Computer durchzulesen.<br />

Ohne Reisegruppenzwang bietet der mythische<br />

Ort weit mehr als lediglich die toten Steine<br />

der Gedenkstätte. Sicher, aus den 15 Metern von<br />

vor 2500 Jahren sind durch Versandung bis zu<br />

den Ufern des Malischen Golfs mehrere Kilometer<br />

geworden, eine Vorstellung von den landschaftlichen<br />

Gegebenheiten von einst bekommt allerdings<br />

jeder, der am Fuße der Berge die unmittelbare<br />

Gegend erkundet.<br />

Angesichts des gigantischen Gebirgsmassivs,<br />

mit dem zu Stein gewordenen Ebenbild des Königs<br />

im Rücken, sind die Bilder aus dem Hollywood-<br />

Hit „300" wieder da. Man sieht Schauspieler<br />

Gerard Butler als personifizierten Leonidas reihenweise<br />

Perser niedermachen, hört das lärmende<br />

Kriegsgetümmel. Gleichzeitig wird einem bewusst,<br />

dass es hier um Größeres geht, als nur an ein blutiges<br />

Gemetzel zu erinnern. Die Griechen setzten<br />

Heldenmut, Opferbereitschaft und Freiheitswillen<br />

ein Denkmal.<br />

Die Comic-Verfilmung „300", die vor allem mit einer Flut an<br />

überwältigenden Bildern wuchert und fast ausschließlich auf<br />

Szenen vor<br />

green<br />

en<br />

und<br />

blue screens basiert, ist<br />

von einer er historischen<br />

i Genauigkeit – so diese<br />

bei diesem eher mythologischen<br />

Thema überhaupt<br />

möglich ist – weit<br />

entfernt. Dem Erfolg<br />

des Blockbusters, der<br />

bei 65 Millionen Dollar<br />

Produktionskosten weltweit<br />

über 450 Millionen<br />

Dollar einspielte, tat dieser<br />

Fakt keinen Abbruch.<br />

Leonidas verabschiedet sich von Frau und Sohn.<br />

Um Geschichts unterricht auf der Leinwand waren vorher<br />

bereits andere bemüht. Unter Rudolph Maté entstand 1961 der<br />

Monumentalfilm „Der Löwe von Sparta". Richard Egan (er spielte<br />

in „Love Me Tender" an der Seite von Elvis Presley dessen älteren<br />

Bruder Vance Reno) verkörperte König Leonidas. Gegenspieler<br />

Xerxes wurde von David Farrar dargestellt, der mit dem Griechen-<br />

Die Mitglieder des Rates von Sparta lassen ihren<br />

König im Stich.<br />

Epos seine Schauspielerkarriere beendete. Auch bei Maté stehen<br />

die 300 Spartaner im Mittelpunkt, allerdings bekommen die verbündeten<br />

Griechen – unter anderem die Thespier – weit mehr<br />

Raum, so dass das Schlachtengemälde nicht<br />

wie in „300" einer Superhelden-Mär gleicht,<br />

sondern als Wiedergabe einer bedeutenden<br />

Episode der Weltgeschichte rüberkommt.<br />

Auch wird den politischen Hintergründen jene<br />

Aufmerksamkeit zuerkannt, die nötig ist, um<br />

die Zusammenhänge zu verstehen, die die<br />

damaligen Ereignisse forcierten.<br />

Richard Egan, per se eine stattliche<br />

Erscheinung, macht als Leonidas eine gute<br />

Figur. Interessanterweise hatte der Mime für<br />

„Der Löwe von Sparta" doch glatt die Seiten<br />

gewechselt, denn nur knapp zwei Jahre zuvor<br />

war er für den von Italien produzierten<br />

Historienschinken „Das Schwert von Persien"<br />

(„Esther And The King") neben Joan Collins in<br />

der Rolle der titelgebenden Esther als Xerxes I.<br />

vor der Kamera gestanden.<br />

„Der Löwe von Sparta" bietet ein Heer<br />

von Statisten auf, schwelgt in bezaubernden<br />

n<br />

Landschaftsaufnahmen, n, ist verschwitzt t und<br />

staubig. Die USA-Produktion passte in den Spät-50ern und 60ern<br />

vorherrschenden Boom der Monumentalfilme, me, war aber nur mäßig<br />

erfolgreich. Heute ist der Streifen weitestgehend ehend vergessen,<br />

wenn-<br />

n-<br />

Seite 42 ■ GoodTimes 2/2013


gleich er für die<br />

Entstehung des<br />

Hollywood-Hits<br />

„300" eine maßgebliche<br />

Rolle<br />

spielte:<br />

Frank<br />

Miller ließ sich durch<br />

„The 300 Spartans" zu<br />

seinem 1998 entstande-<br />

nen Comic-Roman „300" inspirieren.<br />

Hier schließt sich der Kreis.<br />

Angesichts des äußerst spartanischen(!)<br />

Umgangs mit dem Thema in der Welt<br />

des Films ist es durchaus bemerkenswert,<br />

dass „300" in den USA ebenso wie in<br />

Europa massenweise das Kinopublikum<br />

begeisterte. Mit diesem Erfolg ändert sich<br />

nun offenbar auch die zurückhaltende<br />

Betrachtung der Figur des Leonidas: Wie<br />

seit einem Jahr durch einschlägige<br />

ge<br />

Kinoportale geistert, wird an einem<br />

„300"-Prequel gearbeitet, das den<br />

Titel „300: Battle of Artemisia" tragen<br />

soll. Gerard Butler hat seine<br />

Teilnahme bereits abgesagt. Angeblich<br />

soll ihm das Drehbuch nicht gefallen<br />

haben.<br />

© Pressefotos<br />

Eleonas bei Amfissa. Ein typisches Bild auf dem<br />

Weg zu den Thermopylen.


Der Under -<br />

ground mischt<br />

die Superhelden<br />

auf<br />

U- Comix<br />

Von Jörg Trüdinger<br />

In unserer heutigen, so schnelllebigen, vom<br />

Takt des Internets und der Globalisierung<br />

bestimmten Zeit sind anderthalb Jahre eine<br />

kleine Ewigkeit. Die Zeit reicht, dass mehrere<br />

Trends ihren Weg rund um den Globus zurücklegen<br />

und wieder abebben. In den 60er Jahren<br />

dagegen benötigte ein Trend, der in den USA<br />

entstanden war, fast die gleiche Zeit, nur um nach<br />

Deutschland zu kommen und wahrgenommen zu werden:<br />

der Underground-Comic.<br />

Anlässlich eines Straßenfestes am 23. Februar 1968 an<br />

der legendären Ecke Haight Street/Ashbury Street in San<br />

Francisco verkaufte Robert Crumb „Zap Comix Nr. 1”. Das<br />

war eine neue Art von Comic, das sich nicht an die alten<br />

Regeln hielt, nicht immer jugendfrei war und politische Botschaften<br />

jenseits des „amerikanischen Traums" verkündete. Dieses eine Heft<br />

löste geradezu eine Lawine an Nachahmern aus, so dass es in den USA<br />

bald jede Menge junger Comic-Zeichner und unglaublich viele Comics<br />

nach Crumbs Vorbild gab, womit eine neue Comic-Gattung geschaffen<br />

war: die Underground-Comics oder kurz U-Comix.<br />

Als sich Mitte der 60er in San Francisco<br />

und Umgebung die Flower-Power-<br />

Bewegung entwickelte, kamen mit ihr<br />

Ideen auf, die zum Teil bis heute auf viele<br />

gesellschaftliche Bereiche wirken. Warum<br />

die jungen Leute, darunter sehr viele<br />

Studenten, nicht mehr so leben wollten<br />

wie ihre Eltern, hatte unzählige Gründe.<br />

Ein ganz wichtiger Auslöser für den neuen<br />

Generationenkonflikt war sicherlich der<br />

Vietnamkrieg, auch spielte vermutlich der<br />

Kampf um die Gleichberechtigung der<br />

Frauen und der Farbigen eine große<br />

Rolle sowie die Erkenntnis, dass 20 Jahre<br />

nach Ende des Zweiten Weltkrieges der<br />

Wirtschaftsboom abebbte. Das Leben der<br />

Jugendlichen der 60er Jahre wurde geprägt<br />

durch den Kalten Krieg, die Kubakrise<br />

und so genannte Stellvertreterkriege auf<br />

der halben Welt. Sie waren umgeben<br />

von politischen und gesellschaftlichen<br />

Konflikten, was sie nach einem alles vereinnahmenden<br />

Frieden suchen ließ. Das<br />

neue Lebensgefühl durchdrang sämtliche<br />

vorherrschenden Kunstformen, beeinflusste<br />

sie oder stellte sie gleich mal ganz auf<br />

den Kopf.<br />

In diesem spannenden und äußerst anregenden<br />

Umfeld entstanden die ersten<br />

U-Comix als Reaktion auf die heile Welt<br />

der anderen amerikanischen Comic-Serien,<br />

die damals wie heute von den moralisch<br />

einwandfreien und für die amerikanischen<br />

Ideale stehenden Superhelden dominiert<br />

wurden. Superhelden, die stellvertretend<br />

für die USA stets gegen das Böse kämpften<br />

und am Ende immer als strahlende Sieger<br />

da standen. Ganz bewusst wurde das x im<br />

Namen der Comix eingeführt, um sich von<br />

all den anderen Comics schon im Namen<br />

deutlich zu unterscheiden.<br />

Wichtige und bis heute bekannte<br />

Zeichner der frühen U-Comix waren<br />

Gilbert Shelton, dessen „Freakbrothers"<br />

nach wie vor fast weltweit verkauft werden,<br />

Robert Crumb, Herausgeber und<br />

Zeichner von „Zap Comix Nr. 1", S. Clay<br />

Wilson oder Vaughn Bodé.<br />

Die ersten deutschen U-Comix<br />

erschienen über ein Jahr nach „Zap<br />

Comix". Deutscher U-Comix-Pionier<br />

war Raymond Martin aus Nürnberg, in<br />

dessen Verlag UPN – „Undefinierbare<br />

Produktionen aus Nürnberg" – 1969 das<br />

deutsche „U-Comix Nr. 1" erschien. Auf<br />

billigem Papier und in schlechter Qualität<br />

druckte Martin amerikanische Serien unter<br />

anderem von Gilbert Shelton und S. Clay<br />

Seite 44 ■ GoodTimes 2/2013


Wilson sowie einige<br />

Eigenproduktionen<br />

von eher zweifelhaftem<br />

künstlerischem<br />

Wert.<br />

Interessanterweise<br />

war die deutsche<br />

Szene sehr viel politischer<br />

geprägt als<br />

die Bewegung in den<br />

USA, und viele der im Bereich U-Comix aktiven Personen kamen<br />

aus der Studentenbewegung. Da gerade in diesen Kreisen eine Art<br />

Allgemeingutmentalität herrschte, ähnlich der heutigen Diskussion<br />

über Urheberrechte im Internet, war es gewissermaßen nur konsequent,<br />

dass man die amerikanischen Serien abdruckte, ohne Lizenzen<br />

zu bezahlen. In den folgenden 15 Jahren war Raymond Martin eine<br />

der schillerndsten Figuren der deutschen Comic-Szene und hatte mit<br />

seinem aus den UPN hervorgegangenen Volksverlag über längere Zeit<br />

durchaus wirtschaftlichen Erfolg. Vor allem sind seine Verdienste im<br />

Bereich der Erstveröffentlichung amerikanischer und franco-belgischer<br />

Serien für erwachsene Comic-Leser unumstritten. Viele dieser Serien<br />

erschienen in deutscher Sprache erstmals im Volksverlag, und wer weiß,<br />

ob sich heute Menschen jenseits des Grundschulalters trauen würden,<br />

Comics zu lesen, wenn es nicht Wegbereiter wie den Volksverlag in den<br />

70er Jahren gegeben g hätte.<br />

Es war aber nicht nur<br />

Raymond Martin, der<br />

Ende der 60er Jahre auf<br />

die amerikanischen U-Comix<br />

aufmerksam wurde. Im<br />

Frankfurter März Verlag<br />

erschien 1970 „Head Comix"<br />

von Robert Crumb, ein absoluter<br />

U-Comix-Klassiker und<br />

bereits damals in erstaunlich<br />

guter Qualität gefertigt.<br />

Herausgeber und<br />

Übersetzer war Bernd Brummbär, der wirklich so hieß<br />

und nicht für die noch etwas<br />

schmuddeligen Comics einen<br />

Künstlernamen angenommen<br />

hatte. Im Jahr darauf<br />

erschien bei Brumm Comix<br />

„Die Militanten Panthertanten",<br />

ein Comicreader mit deutschen<br />

Erstveröffentlichungen vieler<br />

amerikanischer Serien. Für diesen<br />

Band war ebenfalls Bernd<br />

Brummbär zusammen mit Herbert<br />

Grenzwart verantwortlich.<br />

Aufgrund des nicht immer jugendfreien Materials,<br />

das in den U-Comix abgedruckt wurde, war die<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ständig<br />

aktiv und setzte viele der frühen Hefte auf den Index.<br />

Damit war es nicht mehr erlaubt, die Hefte an Jugendliche<br />

zu verkaufen. Um Ärger mit der Bundesprüfstelle zu vermeiden,<br />

findet sich in den frühen Ausgaben darum nur<br />

sehr selten ein konkreter Hinweis auf den Verlag. Ein<br />

Verlagsname und eventuell ein Ort mussten reichen, eine<br />

konkrete Adresse gab es nicht. Da der Verkauf meist über<br />

Headshops und Flohmärkte lief, war es nicht so wichtig,<br />

eine Adresse im Heft zu haben. Um den Behörden aus dem<br />

Weg zu gehen, war es sehr gut, einigermaßen anonym zu<br />

bleiben.<br />

Es wurden aber nicht nur in den Hochburgen Frankfurt<br />

und Nürnberg U-Comix verlegt, auch im hohen<br />

Norden war man aktiv. Im Bremer Verlag Schoengeist<br />

erschien 1971 der Sammelband „Gung-ho", auch in diesem dominierten<br />

wieder die Nachdrucke amerikanischer Comix das Heft. Dass<br />

man ständig Comix von Zeichnern wie<br />

S. Clay Wilson, Robert Crumb oder<br />

Gilbert Shelton in Heften<br />

verschiedener Verlage findet,<br />

die fast zeitgleich<br />

gedruckt wurden, zeigt,<br />

wie locker man es mit den<br />

Urheberrechten nahm. Nach<br />

und nach entwickelten sich<br />

dann auch einige recht gute<br />

einheimische Künstler. Ganz<br />

wichtige deutsche Texter<br />

und Zeichner der Frühzeit<br />

der U-Comix sind Mali und<br />

Werner, Bernd Reiche, Erich Rauschenbach und<br />

Peter<br />

Pfarr. Das erste Heft deutscher Underground-Zeichner<br />

war „AF Comix", das bereits 1970 herauskam und<br />

Arbeiten unter anderem von Mali und Werner sowie Erich<br />

Rauschenbach enthielt, allerdings wurde das Heft bereits<br />

nach drei Ausgaben wieder eingestellt.<br />

Auch heute, über 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung,<br />

sind viele U-Comix nach wie vor inhaltlich aktuell<br />

und brisant, vor allem Themen wie Emanzipation<br />

oder Unterdrückung Andersdenkender<br />

oder Andersaussehender<br />

beschäftigen unsere<br />

Gesellschaft nach wie vor.<br />

Andererseits hat sich die Welt<br />

seither doch sehr stark verändert,<br />

und die Zeit der Hippies<br />

ist längst vorbei, eine Pilgerreise e<br />

nach Indien löst bei den meisten<br />

Menschen nur noch ein<br />

müdes Lächeln aus, und bei den<br />

Jugendlichen haben Smartphone<br />

und Spielkonsole die Comics<br />

aller Art längst verdrängt. Wer<br />

sich aber für die Zeit der 68er<br />

interessiert und diese prägenden<br />

Jahre auch in der Gesamtschau<br />

verstehen möchte, sollte neben<br />

der Musik und der Politik ruhig<br />

auch die U-Comix analysieren. Für alle anderen gilt:<br />

Setzen Sie sich ganz gemütlich in einen Sessel, öffnen<br />

Sie ein kaltes Bier, drehen Sie die Grateful Dead auf volle<br />

Lautstärke auf und fangen Sie an, die „Freakbrothers" zu<br />

lesen – mehr Entspannung geht nicht.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 45


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TV - K<br />

Krim -<br />

i i S<br />

i - er en<br />

Serien e<br />

der70 e r<br />

Teil 2<br />

Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Fernsehen mit Suchtgefahr<br />

Die bewegten 70er Jahre hatten Krimistars, die<br />

Charakter besaßen: Da waren der Kommissar aller<br />

Kommissare, Erik Ode, der unruhige Jungspund<br />

Inspector Steve Keller (Michael Douglas) und der<br />

stets zerknautschte aber weise Vorgesetzte, Detective<br />

Lieutenant Mike Stone (Karl Malden) aus "<br />

Die Straßen<br />

von San Francisco" und viele andere, die uns vor der<br />

Mattscheibe fesselten.<br />

kernden Fingerzeigen wird beim Wiedersehen mit diesem Highlight<br />

deutscher TV-Krimikunst eines klar: In jeder Folge, in jedem Profil<br />

– seien es die von Akteuren, Tätern oder Opfern – hat sich ein Stück<br />

Bundesrepublik verkapselt wie die berühmte Fliege im Bernstein.<br />

So geht Fernsehnostalgie heute: Als ich unlängst einem Freund von<br />

diesem zweiten Teil über 70er-Jahre-Kult-Krimi-Fernsehserien<br />

erzählte, tischte er mir sofort folgende Anekdote auf. Erik Ode –<br />

mit bürgerlichem Namen Fritz Erik Signy Odemar – musste in seiner<br />

Rolle als Kommissar Herbert Keller einmal spät nachts raus. Es goss wie<br />

aus Kannen. Odes Serienweib Franziska (Rosemarie Fendel) gestattete<br />

sich die Bemerkung, er solle doch seine Galoschen überziehen. Keller<br />

beugte sich zu ihr runter, küsste<br />

die zu Füßen Kniende und<br />

sagte in etwa: „Du bist lieb, aber<br />

dumm." Die Passage ist sehr<br />

bezeichnend für diese Krimireihe<br />

in Schwarzweiß, deren erste<br />

Folge im Januar 1969 im damals<br />

bereits farbigen ZDF ausgestrahlt<br />

wurde. 96 weitere Episoden sollten<br />

bis 1975 folgen, und sie<br />

zeigen bis heute nicht nur, dass<br />

die Kriminaler halbwegs liebenswerte<br />

Machos waren, sondern<br />

auch, dass die Herren Ermittler<br />

soffen und qualmten, was Assistentin it ti Rhbi Rehbein (von<br />

Keller verniedlichend Rehbeinchen genannt) kredenzte<br />

und die Tabakindustrie offerierte. Wer will, kann sich<br />

auf der amüsanten Website www.kommissar-keller.de<br />

genaues tens über den heute undenkbar gedankenlosen<br />

Umgang mit Alkohol und Nikotin informieren. Dort wird<br />

unter anderem statistisch genau aufgedröselt, wer wie<br />

viel schluckte, welche Sendung die hochprozentigste<br />

war, und wer sich was in welcher Folge hinter die Binde<br />

gekippt hat. Abgesehen von solchen eher augenzwin-<br />

Fangen wir mal mit der zentralen Figur an: Kommissar Keller. Er ist<br />

unbestritten der Boss, obwohl man seinerzeit wohl eher Chef sagte.<br />

Der<br />

kleinwüchsige<br />

Ode hatte was<br />

von einer Vaterfigur.<br />

Streng, aber gerecht.<br />

Ein Geläuterter, der<br />

nie die Contenance<br />

verliert und eigentlich<br />

auch nicht laut<br />

wird, sondern –<br />

wenn es sein muss<br />

– bestimmt, nachdrücklich.<br />

Seine<br />

Meinung ist Gesetz.<br />

Ein Mann, der jeglichen Experimenten und unabwägbaren<br />

Abenteuern abgeneigt ist, im Privaten<br />

wie im Beruf. Keller ist seit elf Jahren mit der<br />

jüngeren Franziska verheiratet. Die Ehe ist kinderlos<br />

und das Verhalten der Partner von stiller<br />

Übereinkunft geprägt. Man kommt gar nicht auf<br />

die Idee, dass die beiden noch Sex haben könnten.<br />

Alles ist geregelt und genauso langweilig, wie<br />

sich die Wirtschaftswunder-Generation ein friedliches<br />

Zusammenleben vorstellt. Sie<br />

wohnen in einem bürgerlich eingerichteten<br />

Reihenhaus mit Resopal-Sekretär,<br />

Ohrensessel und Bügelmaschine. Er<br />

trägt in der Freizeit – genau wie<br />

mein Vater – bevorzugt gemütliche<br />

Strickjacken, sammelt Briefmarken und<br />

hat im Büro ein Aquarium. Er fährt<br />

einen Opel Rekord (noch eine Parallele<br />

zu meinem Erzeuger) und raucht Kette.<br />

Der Mann, der seinen Kollegen meist<br />

einen Gedankenschritt voraus ist, hat<br />

Seite 56 ■ GoodTimes 2/2013


nicht die wanstige, rundgefressene „Wir sind wieder wer"-Wirtschaftswunder-Physiognomie<br />

eines Heinz oder Ludwig Erhardt, aber in den<br />

bewegten Spätsechzigern verkörpert er alles, was bald gestrig sein<br />

wird – eine fest gefügte Männergesellschaft, in der es keinen herrschaftsfreien<br />

Dialog, keine Widerworte und keine Andersdenkenden<br />

gibt. Seine Frau Franziska verschwindet nach gut 20 Folgen ebenso<br />

wie die Kriminalassistentin Helga Lauer. Danach sind die Herren wieder<br />

ganz unter sich. Keller ist, im Merkel'schen Sinne, alternativlos, zwar<br />

mausoid grau und eigentlich langweilig wie ein Leitz-Aktenordner.<br />

Aber man kann bei den mit hochkarätigen Kollegen (Curd Jürgens,<br />

Lilli Palmer, Götz George, Maria Schell usw.) besetzten und von ebenso<br />

hochkarätigen Regisseuren (Wolfgang Staudte, Helmut Käutner<br />

usw.) inszenierten Mordgeschichten stets auf ihn zählen. Und wenn<br />

durch eine Gewalttat der bürgerliche Frieden gestört wurde – egal<br />

ob an sozialen Brennpunkten wie in den seinerzeit noch exotischen<br />

Beatschuppen oder im großbürgerlichen Ambiente –, dann löst Keller<br />

den Fall, macht die Mörder dingfest und stellt die Ordnung wieder her.<br />

Dass man alle 97 Folgen in dem heute so nostalgisch anmutenden<br />

Schwarzweiß abdrehte und keine Zugeständnisse an die immer bunter<br />

werdende Breitwand-Rock’n’Roll-Gesellschaft machte, spricht für die<br />

Qualität dieser Serie. Horst Tappert übernahm 1974 den Stab von<br />

Serienkommissar Keller/Ode und wurde, wie man weiß, als „Derrick" bis<br />

nach Japan glubschäugiger Krimi-Kult.<br />

Eine Art amerikanischer Kommissar Keller war Karl Malden, der al s<br />

Lieutenant Mike Stone zusammen mit Inspector<br />

Steve Heller (man machte wegen oben genanntem<br />

Herbert Keller, und um Verwechslungen<br />

vorzubeugen, aus Steve Keller [Michael<br />

Douglas] hier zu Lande einen Heller) von 1972<br />

bis 1977 in den „Straßen von San Francisco"<br />

ermittelte. Stone hatte ein Gesicht wie eine<br />

Kampfzone, eine wuchernde Ex-Boxer-Nase,<br />

großporige Haut, pastoralen Dackelblick. Wenn<br />

Heller übers Ziel hinausschoss – und das<br />

war eine seiner hervorstechendsten<br />

Eigenschaften –, holte Stone den<br />

hyperaktiven Jungspund zurück<br />

auf den Boden der Tatsachen<br />

und Gesetze. Stone war für Heller eine Vaterfigur, ebenso wie der<br />

deutsche Herbert K. für seine Ermittler. Nur dass in Amerika ein<br />

anderer Wind, ein anderes Tempo vorherrschten. Hier gab’s und gibt’s<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

eine Golden Gate Bridge, die Bay Area und die für Verfolgungsjagden<br />

bestens geeigneten steilen Straßen. Hier war – im Gegensatz zum<br />

beschaulichen München – eine echte Metropole der Backdrop für die<br />

Verbrechensbekämpfung. Und dieses urbane Umfeld und die dort agierenden<br />

Gangster sorgten für coole Stories und authentische Spannung.<br />

Malden und Douglas haben, so wird’s zumindest kolportiert, einige Zeit<br />

beim echten San Francisco Police Department (SFPD) hospitiert, um der<br />

an Originalschauplätzen gedrehten Drama-Serie die realistische Note zu<br />

geben. Und die „Kollegen" mochten die Fernsehdarsteller und halfen,<br />

wo sie konnten. Heute undenkbar: Damals wurden ganze Straßenzüge<br />

von SF für die Dreharbeiten abgeriegelt. Einer der Hauptgründe für<br />

den Erfolg der Serie, von der das ZDF 100, teilweise unsinnig gekürzte<br />

Folgen ausstrahlte, war<br />

das Zusammenspiel der<br />

beiden Protagonisten,<br />

die eine Art Vater-<br />

Sohn-Verhältnis hatten,<br />

im Leben wie auch<br />

auf der Leinwand.<br />

Malden, ein altgedienter<br />

Hollywood-<br />

Veteran, der alle<br />

Gefühlsregungen des<br />

Zerknirschtseins oder<br />

Zornes mimisch drauf<br />

hatte, spielte den<br />

damals noch relativ<br />

unbekannten Partner Michael Douglas perfekt an. „Die Straßen von<br />

San Francisco", basierend auf der Detektivromanvorlage „Poor Poor<br />

Ophelia" von Carolyn Weston, markierte den Durchbruch für Michael<br />

Douglas, dessen nervöser Sex-Appeal besonders auf pubertierende<br />

Zuschauerinnen großen Eindruck machte.<br />

Als er in der zweiten Episode der fünften<br />

Staffel angeschossen wurde und aus dem<br />

aktiven Polizeidienst ausschied, um an<br />

der Polizeiakademie zu unterrichten,<br />

war die Magie dahin. Mit<br />

seinem Ersatz Richard Hatch als<br />

Inspector Dan Robbins begann die<br />

Erosion der Zuschauerzahlen, und aufgrund<br />

von „low ratings" war nach der<br />

fünften Staffel dann auch Schluss.<br />

Aber an guten Plots und guten<br />

Typen herrschte im amerikanischen<br />

Fernsehen nie Mangel. Eine meiner<br />

Lieblingsfiguren, weil positiv chaotisch<br />

und so ganz anders als die<br />

in der strengen Hierarchie des Polizeiapparats agierenden Cops, ist<br />

der Privatdetektiv. Oft agiert er ja im Graubereich der Gesetze und scheut<br />

hie und da auch nicht vor illegalen Methoden zurück. Im Gegensatz<br />

zu den bestellten und stets schwer bewaffneten Exekutiv-Vertretern,<br />

die ständig mit ihren goldenen Dienstmarken herumfuchteln und aus<br />

der gesicherten Deckung des Polizeiapparates ermitteln, muss der<br />

Privatdetektiv charmieren, antichambrieren, seine Fantasie einsetzen,<br />

geschickt sein, trickreich improvisieren. Das macht ihn so sympathisch<br />

und menschlich. Ganz weit vorne auf der Liste dieser schlamperten<br />

Helden steht Jim, eigentlich James Scott, Rockford, der von 1974 bis<br />

1980 in Malibu für ein Tageshonorar von 200 Dollar plus Spesen sein<br />

(Un-)Wesen trieb. Der von James Garner schmissig gespielte Detektiv<br />

(Originaltitel: „The Rockford Files") konnte per Telefon („Detektiv<br />

Rockford – Anruf<br />

genügt") aktiviert<br />

werden.<br />

Diese nervigen<br />

Maschinen waren<br />

seinerzeit noch<br />

eine Seltenheit,<br />

besonders in<br />

Deutschland.<br />

Wohl auch deswegen<br />

wurde<br />

der Anrufbeantworter<br />

während der Eröffnungssequenz in Großaufnahme gezeigt. Die<br />

Ansage, die man hörte, lautete: „Hier ist Jim Rockford. Bitte nennen<br />

Sie Ihren Namen, Ihre Nummer, ich rufe zurück …" Das Besondere an<br />

Rockford war nicht nur seine Laidback-Lässigkeit, sondern auch seine<br />

Historie. Er hatte fünf Jahre unschuldig im Knast von San Quentin<br />

gesessen und sich nach seiner Entlassung am Strand von Malibu als<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 57


Detektiv niedergelassen. Niedergelassen ist vielleicht ein bisschen zu<br />

viel, denn Rockford hauste in einem Wohnwagen, den er auch als<br />

Büro nutzte. Man durfte also<br />

getrost davon ausgehen, dass<br />

Rockford nicht gerade ein linientreuer<br />

Verfechter von „law<br />

&<br />

order" war. Im Gegenteil. Er<br />

war ein Schlawiner, der sich<br />

auch mal gerne mit getürkten<br />

Businesscards eine falsche<br />

Identität zulegte, wenn er so<br />

den Fall lösen konnte. Klar,<br />

dass auch Rockfords „Personal" nicht den üblichen Crime-Kriterien<br />

entsprach. Die Rechtsanwältin Beth, zugleich auch Jims Freundin,<br />

sein Dad Rocky, sein Ex-Mithäftling Angel und der dauergenervte und<br />

gestresste Polizist Dennis Becker helfen der cleveren Spürnase bei seiner<br />

Arbeit. Oft widerwillig, wie Cop-Freund Becker, der aber Jim letztlich<br />

immer die Polizei-Infos<br />

zukommen lässt, die der<br />

gerade braucht. Denn,<br />

das wird durch diese<br />

Figur in jeder Minute<br />

klar, Rockford ist einen<br />

Tick klüger und findiger<br />

als die meisten<br />

Berufspolizisten.<br />

Aufgehübscht durch<br />

zahlreiche prominente<br />

Gaststars – unter anderen<br />

Lauren Bacall, Isaac<br />

Hayes, James Woods –,<br />

vorangetrieben durch<br />

kluge Plots und eine<br />

coole Inszenierung, aber vor allem durch die schauspielerischen<br />

i h<br />

Fähigkeiten von James Garner, wurde „Detektiv Rockford – Anruf<br />

genügt" zu einem Highlight der 70er-Jahre-Serien-Unterhaltung.<br />

Selbst heute beim Wiedersehen gibt’s wenig Grund zum Fremdschämen<br />

wie bei anderen so genannten Kult-Klassikern. Rockford, der seine<br />

Knarre – um sie vor der Unbill des salzigen Meerwasser-Klimas zu<br />

schützen – in einer Kaffeedose aufbewahrte und selten mitnahm, wirkt<br />

auch heute noch charmant, pfiffig, zeitgenössisch.<br />

Eine andere beliebte Figur im Detektivkosmos ist der Anwalt.<br />

Er kämpft für die Unschuld seiner Mandanten und nutzt dazu,<br />

man denke zum Beispiel an „Ein<br />

Fall für zwei", gerne die Dienste<br />

eines Privatermittlers. Wenn der<br />

Rechtsanwalt gut ist, kann er die<br />

Charme, lebt mit seiner Frau in einem Wohnwagen in der Wüste am<br />

Rande von San Remo und arbeitet leider oft genug pro bono. Also für<br />

Nullinger, denn seine Klienten entstammen – ebenso wie er – meist<br />

aus einfachen Verhältnissen, wo Geld Mangelware ist. Petrocelli, in den<br />

nur 45 Folgen dargestellt von Barry Newman, ist kein Staranwalt in<br />

feinem Zwirn und mit einer Kanzlei, wo tiefflorige Teppiche die Schritte<br />

dämpfen. Er ist das ganze Gegenteil. Er poltert. Er ist laut. Er ist leidenschaftlich<br />

und oft<br />

auch nicht gerade<br />

zimperlich. Dass<br />

er die ganze Serie<br />

hindurch ein festes<br />

Haus bauen will,<br />

mit der Betonung<br />

auf „will", und<br />

das nie schafft,<br />

zeigt, dass in dieser<br />

Anwaltsserie<br />

nichts schöngezeichnet<br />

und aufgehübscht<br />

wurde.<br />

Keine Frage: „Petrocelli" steht heute nicht so glanzvoll ll da wie andere<br />

70er-Jahre-Produktionen –, aber die Dramareihe brachte ein gerüttelt<br />

Maß an Realität auf den Bildschirm. Vielleicht war auch deswegen nach<br />

nur zwei Staffeln Schluss mit so viel unlustiger Wirklichkeit. Fußnote<br />

am Rande: Die Musik für „Petrocelli" verantwortete niemand Geringerer<br />

als Lalo Schifrin.<br />

Auf fünf Jahre,<br />

118 Folgen<br />

und weit mehr<br />

Ruhm und<br />

Ehre (Golden<br />

Globes, Emmys)<br />

brachten es<br />

dagegen der<br />

Lollis lutschende<br />

Glatzkopf<br />

Kojak und sein<br />

„<strong>Eins</strong>atz in<br />

Manhattan".<br />

Von 1973 bis<br />

1978 ermittelte<br />

der griechisch-<br />

Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Unschuld seines Klienten beweisen<br />

und den Rechtsfrieden wiederherstellen.<br />

Ein solcher Typ<br />

ist der von fast missionarischem<br />

Eifer beseelte Petrocelli,<br />

eine Gestalt, die dem Film<br />

„The Lawyer" entstammte. Der<br />

nicht wirklich gut aussehende<br />

Petrocelli, wie der Name schon<br />

zeigt ein Italo-Amerikaner,<br />

agiert mit zerknautschtem<br />

stämmige New Yorker Lieutenant t Theodoros Kojak<br />

gegen das Böse, wo immer es sich auf seiner Insel<br />

zeigte. Für den kahlköpfigen Telly Savalas, der bereits<br />

in hochkarätig besetzten Hollywoodstreifen sein<br />

schauspielerisches<br />

Können<br />

unter<br />

Beweis<br />

gestellt<br />

hatte,<br />

bedeutete<br />

Kojak die<br />

Rolle seines Lebens, Weltruhm.<br />

Sein viriler Sex-Appeal und sein<br />

schnoddriger, zuweilen zynischer<br />

No-Bullshit-Humor machten die<br />

Kojak-Figur zu einer festen Größe<br />

in der Fernsehwelt. Savalas wirkte<br />

wie ein linksgedrehter, etwas grober<br />

Wiedergänger von Yul Brynner,<br />

zumindest was seine Ausstrahlung<br />

auf Frauen anging. Die Mixtur aus aufreizend schlechtem ht Geschmack<br />

in punkto Dresscode, zuckriger Lollis, der frech-sympathischen, in<br />

Seite 58 ■ GoodTimes 2/2013


den kollektiven<br />

Sprachgebrauch<br />

eingehenden<br />

Sprüche erhob<br />

Savalas in den<br />

Rang eines<br />

Stars. Die<br />

Tatsache, dass<br />

der New Yorker<br />

Cop auch vor<br />

den Reichen<br />

und Schönen<br />

Manhattans nie haltmachte, ht wenn sie das Gesetz gebrochen hatten,<br />

brachte zusätzliche Bonuspunkte. Wenn man heute, fast 40 Jahre<br />

nach Serienstart, in „Kojak" reinschaut, wirkt vieles übertrieben,<br />

pomadig und gestelzt. Aber eins fällt auf: Viele spätere Zelluloid-<br />

Helden – unter ihnen Richard Gere, Harvey Keitel, Christopher Walken,<br />

Sylvester Stallone – gaben hier ihre Visitenkarten ab. Und unterhaltsam<br />

war’s, lustig, 45 Minuten Auszeit vom Alltag.<br />

Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Schwere Kost dagegen kredenzte<br />

acht Jahre lang, von 1967 bis 1975,<br />

Robert T. Ironside, in Deutschland<br />

als „Der Chef" bekannt, den<br />

Krimi-besessenen Zuschauern.<br />

Raymond Burr verkörperte<br />

darin den Polizisten<br />

Ironside, der seit einer<br />

Schussverletzung<br />

an den Rollstuhl<br />

gefesselt ist. Aber<br />

mit Hilfe seiner<br />

Mitarbeiter –<br />

Detective Sergeant<br />

Ed Brown (Don<br />

Galloway) und<br />

Officer Eve Whitfield<br />

(Barbara Anderson),<br />

später Officer Fran<br />

Belding (Elizabeth<br />

Baur) – bleibt Chief<br />

Ironside der Schrecken<br />

aller Gangster in und<br />

um San Francisco. Mit einem speziell für ihn umgerüsteten Van und<br />

betreut von Mark Sanger (Don Mitchell), den Ironside einst ins Gefängnis<br />

brachte, nur um ihn später für die gute Sache zu begeistern, gelangt<br />

der Chef an die Tatorte<br />

und leitet umsichtig und<br />

nicht nur aufgrund seiner<br />

Behinderung mit<br />

Sondervollmachten ausgestattet<br />

die Verbr echens<br />

bekämpfung. Ironside<br />

ist, wiewohl ein<br />

Konservativer, der Denker<br />

unter den Cops. Einer, der<br />

die Ermittlungen wie ein<br />

gigantisches Schachspiel<br />

antizipiert und seine<br />

Spiele gegen die Bösen<br />

und das Böse dann stets<br />

bravourös gewinnt. Bei<br />

aller raumgreifenden<br />

Wucht, mit der dieser<br />

Behinderte „auftritt", bleibt dem Mann etwas Fragiles. Der Schuss, der<br />

ihn traf und zum Querschnittsgelähmten, zum Krüppel machte, reduziert<br />

ihn auf ein menschliches Maß. <strong>Eins</strong>icht: Auch ein Ironside ist eben<br />

verletzlich, aber er erträgt sein Schicksal mit stoischem Gleichmut. So<br />

gehört er, lange bevor es politisch korrekt war, eine behindertengerechte<br />

Welt zu erschaffen, auch in die Ahnengalerie der Sonderfälle, der freakigen<br />

Privatdetektive, engagierten Rechtsanwälte und Andersartigen. Der<br />

Chef gibt dem Zuschauer, ebenso wie es Kommissar Keller immer tat, die<br />

Gewissheit, dass das Gute erreichbar, machbar und wert ist, erhalten zu<br />

werden. Und er wirkt wuchtig in seinem Rollstuhl, mit breiten Schultern<br />

und stets korrekt gekleidet – ein Garant dafür, dass Recht und Ordnung<br />

gottgegeben sind und von den Menschen nicht gestört werden dürfen.<br />

Manchmal vergaß man beim Schauen glatt, dass der Mann im Rollstuhl<br />

saß, so erhaben und aufrecht wirkte er.<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

Eine Gruppe, die nicht ganz ins Krimi-Konzept passt, sondern dies<br />

trans zendiert, sind die Geheimagenten. Nicht wirklich Kriminaler,<br />

sondern eben Agenten im Auftrag eines Geheimdienstes, haben<br />

sie den Nimbus unbesiegbarer Cartoon-Helden, ein wenig unwirklich<br />

und immer siegreich. Männer mit<br />

<strong>Eins</strong>tecktuch und guten Manieren, die<br />

trotz diplomatischen Schliffs gerne<br />

austeilen und allesamt Abklatsch sind<br />

von dem berühmtesten Vertreter dieses<br />

Genres, Martini-Trinker James „Shaken,<br />

not stirred" Bond. Von 1968 bis 1970<br />

hatte Al Mundy – mit dem Goodlooker<br />

Robert Wagner als<br />

Hauptfigur – seinen<br />

Auftritt. Im Original<br />

hieß die Serie „It<br />

Takes A Thief",<br />

und folgerichtig<br />

mimt<br />

Wagner einen<br />

fingerflinken,<br />

listenreichen<br />

Dieb, der meist<br />

ohne Waffe,<br />

aber mit lustigen Tricks und schrulligem Mummenschanz seine<br />

Aufträge erledigt. Der elegante Bonvivant und Berufslangfinger<br />

wird dabei ab und an von Papi (Fred Astaire) unterstützt, was<br />

zu dem operettenhaften Flair der Serie stark beitrug. Obwohl<br />

eingestuft als Drama und nicht ohne Spannung, konnte man<br />

Al nie so richtig ernstnehmen.<br />

Mithin die berühmteste Titelmelodie hat „Kobra, übernehmen<br />

Sie", die Serien-Vorlage für die mit Tom Cruise<br />

so erfolgreich aufgelegte Blockbuster-<br />

Reihe „Mission: Impossible" (siehe extra<br />

Story in diesem Heft). Sie, die<br />

Musik, stammt aus der Feder<br />

von Lalo Schifrin, der uns ja<br />

schon häufiger begegnet ist; die<br />

Idee zu dieser Actionreihe<br />

kam von Bruce Geller. Es<br />

geht um schier unmöglich<br />

anmutende Aufträge, die<br />

ein Expertenteam, eben die<br />

„Impossible Missions Force",<br />

übernimmt und entgegen<br />

jeder Wahrscheinlichkeit<br />

auch erledigt. Daniel<br />

Briggs (erste Staffel) und<br />

danach Jim Phelps erhalten<br />

sich selbst zerstörende<br />

Tonband-Nachrichten mit<br />

dem Hinweis, dass man<br />

nichts von dem Auftrag<br />

wisse, wenn irgendetwas schiefgeht. „Viel Glück, Jim. Kobra, übernehmen<br />

Sie!" Das Team, das Jim dann zusammenstellt, ist super-intelligent,<br />

super-smart, super-gutaussehend, super-sportlich und supererfolgreich.<br />

Und das ist ja letztlich das Schöne an dieser Fernsehwelt:<br />

Nichts ist unmöglich, der Mensch ist eigentlich gut, Lügen haben kurze<br />

Beine, und Verbrechen zahlt sich nicht aus. In diesem Sinne ...<br />

Teddy Hoersch<br />

Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 59


Marie Versini<br />

Ich habe mir etwas von<br />

Nscho-Tschi bewahrt<br />

Beginnen wir aktuell. Was machen<br />

Sie heute?<br />

Diese Frage ist für mich die wichtigste.<br />

Mein Mann, Pierre Viallet, und ich<br />

haben ein Buch veröffentlicht: „Puck – eine e<br />

Hündin erzählt." Das sind wunderschöne e<br />

Hundegeschichten, geschrieben von einem<br />

Hund. Das ist wirklich mal etwas Neues.<br />

Und Puck hat so viel zu erzählen… Als Kind<br />

wohnte ich mit meinen Eltern mitten in<br />

Paris, und da war es unmöglich, einen Hund<br />

zu halten. Aber später hatten mein Mann n<br />

und ich dann vier Irish Setter – Puck war der<br />

letzte. Er ist der Autor. Von jedem verkauften<br />

Buch geht ein Betrag direkt an den Tierschutz. Dazu geben Pierre und<br />

ich 25 Prozent unserer Tantiemen. Wir wollen mit diesem Buch den<br />

Tieren helfen. Wir wollen sie schützen und den Menschen deutlich<br />

machen, wie unendlich reich die Tierwelt ist, da sie aus Liebe besteht.<br />

Und das gilt es zu erhalten. Nicht nur durch Spenden, sondern durch<br />

ein umfassendes Verständnis für nötige Hilfe und Liebe zur Tierwelt.<br />

Das ist in unserer heutigen Zeit sehr, sehr wichtig!<br />

Wie kamen Sie auf den Namen Puck?<br />

Puck ist der kleine Kobold in Shakespeares „Sommernachtstraum",<br />

den ich 1969 an der Comédie Francaise in Paris gespielt habe.<br />

Bleiben wir noch bei den aktuellen Dingen. 2010 0 haben Sie in einem Film Ihres Mannes über Clara<br />

a<br />

Schumann mitgewirkt ...<br />

Zu dieser Rolle und zu diesem Film habe ich eine ganz besondere<br />

Beziehung. Die wunderbare Liebesgeschichte zwischen Clara und<br />

Robert Schumann fasziniert mich. Das ist wie bei Pierre<br />

und mir. Ich habe meinen Mann vor 50 Jahren kennen<br />

gelernt und bin mit ihm 38 Jahre verheiratet. Zu<br />

der Zeit machte er eine Filmserie über die großen<br />

Komponisten wie Bach oder Beethoven. Und ein<br />

Porträt drehte er über Robert Schumann, aber aus<br />

der Sicht von Clara. Clara war für Robert alles, Clara<br />

war sein Leben. Ich spielte die Clara und bin die einzige<br />

Darstellerin in diesem Film, der übrigens damals<br />

beim Filmfestival in Venedig mit einem Preis ausgezeichnet<br />

wurde. Zum 200. Geburtstag von Robert<br />

Schumann wurde mein Mann dann gebeten, erneut<br />

einen Film über ihn zu machen. Er hat da raufhin<br />

einen sehr originellen Film im Stil von Jean Cocteau gedreht,<br />

mit dem er viel gearbeitet hat. Die Übersetzung der großen<br />

Liebe von Robert und Clara mit all ihren Problemen, die<br />

Krankheit von Robert bis hin zum Wahnsinn. Und er<br />

tat es unter Verwendung des alten Filmmaterials aus<br />

den 60er Jahren, in dem ich die Clara spiele. Im<br />

neuen Film lese ich nun auch Briefe der<br />

Foto: © Roelen/Bildarchiv Hallhuber<br />

Schumanns und aus den Tagebüchern. Clara ist<br />

von<br />

ihrem Charakter her für mich eine wichtige<br />

Persönlichkeit, und ich bewundere sie<br />

als<br />

Frau und Pianistin. Als Martin Böttcher<br />

den Film gesehen hat, rief er mich sofort an:<br />

„Meine arme Marie, mit solchem wunderschönen<br />

Film wirst du Schwierigkeiten mit<br />

den Musiklobbys bekommen!" Und er hatte<br />

leider vollkommen Recht. Clara und Nscho-<br />

Tschi sind meine liebsten Rollen.<br />

Nun zu Karl May – Sie kannten seine<br />

Bücher schon in Ihrer Kindheit?<br />

Ja, mein Vater war Germanist und hat in<br />

Deutschland die Werke von Karl May ent-<br />

deckt, die<br />

in Frankreich niemand kannte. Er hat uns<br />

jeden Abend<br />

die Geschichten von Winnetou und Old<br />

Shatterhand vorgelesen. Schon damals habe ich Nscho-<br />

Tschi geliebt und<br />

wollte immer die Schwester von Winnetou<br />

sein. Mit sieben<br />

Jahren hatte ich ein Nscho-Tschi-Kostüm<br />

und habe mit meinem Bruder am Strand in der Normandie<br />

Winnetou gespielt.<br />

Aber bis zum Kinofilm hat es dann noch<br />

einige Jahre gedauert. Meine erste Filmrolle spielte ich mit 16<br />

in „Der Schatten" und wurde dann für sieben Jahre an<br />

der Comédie Francaise engagiert.<br />

Foto: © Roelen/Bildarchiv Hallhuber


Sie haben sehr viele Filme gedreht. Stört es Sie, dass Sie<br />

meist nur auf Ihre Rolle als Nscho-Tschi angesprochen<br />

werden?<br />

Wenn Orson Welles irgendwohin ging, spielte man immer die Musik<br />

von „Der dritte Mann". Wenn man über Romy Schneider<br />

spricht, redet man immer von Sissi, obwohl sie die tollsten<br />

Filme in aller Welt gedreht hat. Und in Deutschland bin ich<br />

eben die Nscho-Tschi. Und das ist gut für mich. Natürlich<br />

möchte man manchmal auch über all die anderen Filme sprechen,<br />

die ich gedreht habe. Über meine Arbeit mit Curd Jürgens oder Jean<br />

Paul Belmondo. „Bebel" ist für mich der schönste Mann der Welt, ein<br />

exzellenter Schauspieler und ein sehr guter Freund. Er ist der netteste<br />

Mensch, den ich kenne. Aber es ist doch etwas Besonderes, nach den<br />

vielen Jahren immer noch als Nscho-Tschi bekannt zu sein, und das<br />

in einer Zeit, in der die Leute vieles schnell wieder vergessen.<br />

Haben Hb Sie noch Kontakt zu den älteren Kollegen?<br />

Immer weniger. Da ich mit 15 angefangen habe, waren die Kollegen<br />

meist etwa 20 Jahre älter. Viele von ihnen sind leider nicht mehr unter<br />

und sie war im Kasten. Das<br />

lag wohl auch mit daran,<br />

dass mein Mann mir vor<br />

Drehbeginn gesagt hat:<br />

„Du darfst Nscho-Tschi<br />

nicht spielen, du musst sie<br />

sein! Du musst Treue und<br />

Liebe verkörpern, dann<br />

hast du gewonnen." Und<br />

er hat Recht behalten. Was<br />

ich damals natürlich nicht<br />

realisiert habe, ist, dass<br />

diese Filme für so lange<br />

Zeit einen so großen Erfolg<br />

haben würden. Ich hatte in<br />

Deutschland „Das schwarzweiß-rosa<br />

Himmelbett" mit<br />

Thomas Fritsch gedreht,<br />

und ich bekam daraufhin<br />

das Angebot Nscho-Tschi<br />

zu spielen. Ich habe mich<br />

darüber sehr gefreut, auch auf die Arbeit mit Pierre Brice und Lex<br />

Barker. Aber niemand dachte auch nur im Traum daran, dass die Filme<br />

50 Jahre später immer noch laufen und zum Kult werden würden.<br />

Autogrammkarte: Norbert Arndt<br />

Wie waren denn Pierre Brice und Lex Barker zu Ihnen?<br />

Haben Sie sich mal in einen oder beide verliebt?<br />

Oh, die waren sehr nett zu mir. Wissen Sie, wenn man eine Liebesszene<br />

spielt, ist es für mich normal, dass man zum Filmpartner eine gewisse<br />

Beziehung aufbaut. Ich habe gelernt, „echt" zu sein, nicht zu spielen.<br />

Ich muss auch im Film ich selber sein.<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

uns. Mit Pierre Brice treffen en wir uns ab und zu. Mein Mann<br />

und ich wohnen nicht nur in Paris. Wir haben auch<br />

ein Haus auf einer kleinen en Insel im Atlantik, und oft<br />

sind wir in New York. Da lebt eine Enkelin meines<br />

Mannes und arbeitet dort als bekannte Malerin. Wir<br />

sind sehr gerne in Amerika. Da bleibt dann nicht<br />

viel Zeit für andere Verabredungen.<br />

Zurück zu den Karl-May-Filmen. Ihr<br />

allererster Drehtag zu „Winnetou I" war<br />

etwas spektakulär ....<br />

Oh ja! Es waren eigentlich nur ein paar Reitszenen<br />

vorgesehen. Doch dann kam der Regisseur, Harald<br />

Reinl, zu mir und sagte: „Marie, es tut mir leid,<br />

aber ich habe ein Problem mit deinem Pferd.<br />

Wir drehen jetzt zuerst deinen Tod." Ich war<br />

total überrascht. Reinl sagte: „Santer (Anm.<br />

d. Autors: Mario Adorf) hat dich schon<br />

erschossen und du liegst in den Armen<br />

von Lex Barker, öffnest noch einmal<br />

die Augen und sagst ihm auf indianisch<br />

‚Du weißt, ich liebe e dich'. Ok,<br />

können wir … wir können nen …<br />

Klappe!" Dann haben wir die<br />

Szene nur einmal gedreht,<br />

Foto: © Roelen/Bildarchiv Hallhuber<br />

Nun gab es nach „Winnetou I" auch die Orient-Filme.<br />

Waren die für Sie von gleicher Wertigkeit?<br />

Nach „Winnetou" kam erst einmal „Kennwort Reiher" mit Peter van<br />

Eyck. Eine schwierige Rolle, aber ein sehr guter Film. Es folgte „Der<br />

Schut", und ich spielte die Rolle der Tschita. Danach „Durchs wilde<br />

Kurdistan" und „Im Reiche des silbernen Löwen". Da habe ich die<br />

indische Prinzessin Ingdscha gespielt. Nach Nscho-Tschi war das etwas<br />

komisch, und es war ganz anders – da war viel Action, viel Reiten … Es<br />

war auch sehr schön und hat Spaß gemacht, aber in meinem Inneren<br />

werde ich mir immer etwas von der kleinen Nscho-Tschi bewahren, die<br />

so voller Liebe war.<br />

Möchten Sie den <strong>kult</strong>!-Lesern noch etwas sagen?<br />

Ja. Bereits 1964 hat mein Mann Pierre Viallet für das fran-<br />

zösische Fernsehen eine Indianerserie gedreht – „Mato,<br />

der Indianer". 1965 liefen die Filme auch in der ARD.<br />

Im Gegensatz zu Karl May, der seine Geschichten<br />

„erträumt" hat, ist die<br />

Story von Mato sehr<br />

nah an der Realität,<br />

und die Geschichten<br />

sind wahr und nacherzählt.<br />

Dazu noch<br />

etwas Privates: In der<br />

Serie spielt das Pferd<br />

„Pastis" eine wichti-<br />

ge Rolle, und dieses<br />

Pferd war wirklich ein<br />

Schauspieler … Nach<br />

den<br />

Dreharbeiten hat<br />

mein Mann „Pastis"<br />

gekauft, und es<br />

lebte noch zwölf<br />

Jahre mit uns. „Mato, der Indianer" war ein großer<br />

Erfolg, und nun gibt es die komplette Serie<br />

auf drei DVDs, erschienen bei Pidax Western-<br />

Klassiker. Das ist auch echter Kult!<br />

Christian Simon<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 61


Seite 62 ■ GoodTimes 2/2013


GoodTimes 2/2013 ■ Seite 63


Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 64 ■ GoodTimes 2/2013


Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 65


Sehen Sie nun den großen deutschen Film des einstigen Traumpaares Sonja<br />

"<br />

Ziemann und Rudolf Prack zum ersten Mal im Fernsehen." So kündigte Ansagerin<br />

Beate Menner am 12. September 1980 gegen 20.20 Uhr in der ARD den größten deutschen<br />

Kino-Erfolg der 50er Jahre" an. Grün ist die Heide" eröffnete zur besten Sendezeit<br />

"<br />

"<br />

die Reihe Heimatfilme" – und bescherte dem Ersten Deutschen Fernsehen 15 Millionen<br />

"<br />

Zuschauer.<br />

Von Thorsten Pöttger<br />

Fünf Minuten zuvor war ein Werbespot der Unionsparteien zur Bundestagswahl<br />

gesendet worden – mit dem bayerischen Ministerpräsidenten<br />

Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidaten. Ob das Zufall war oder ein<br />

Zusammenhang zum anschließenden Programm bestand, mag jeder<br />

für sich entscheiden. Wie sonst hätte jedenfalls ein Film mit dem Titel<br />

„Grün ist die Heide" eingeläutet werden sollen als mit einem Lied aus<br />

der Feder des deutschen Heimatschriftstellers Hermann Löns, dem<br />

Heidedichter schlechthin? Dass sein Roman „Der Wehrwolf" als geistiger<br />

Nährboden des Nationalsozialismus<br />

gilt, interessierte 1951, als „Grün<br />

ist die Heide" in die Kinos kam,<br />

keinen Beteiligten – auch nicht die<br />

drei lustigen Musikanten, die nach<br />

dem Vorspann des Films an einer<br />

Herde possierlicher Heidschnucken<br />

vorbei ins Bild marschierten. Durch<br />

ihre gesungenen Worte „Auf der<br />

Lüneburger Heide, in dem wunderschönen<br />

Land, ging ich auf<br />

und ging ich unter …" wusste<br />

jeder Zuschauer sofort über den<br />

Handlungsort Bescheid. Und die<br />

Lüneburger Heide war farbenfroh und unbeschädigt, im Gegensatz ensa<br />

zu den<br />

zertrümmerten Städten, sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs.<br />

Aber konnte dieser Wohlfühlfaktor allein ausreichen, um in den 50ern 19<br />

Millionen Kinobesucher in die Lichtspielhäuser für ein Remake zu locken,<br />

20 Jahre nach der Produktion einer gleichnamigen ersten Version?<br />

Regisseur Hans Deppe und sein Drehbuchautor Bobby E. Lüthge, der<br />

bereits 1932 für das Skript des weitgehend unbekannten Originals verantwortlich<br />

gezeichnet hatte, änderten für ihre Variante der „grünen Heide"<br />

die Ursprungsmotive von<br />

Hermann Löns ab. Ihre<br />

Maßnahme dürfte nicht<br />

unwesentlich für den<br />

Erfolg des Films in der<br />

Nachkriegszeit verantwortlich<br />

gewesen sein.<br />

Indem sie die Person des<br />

verwitweten Vaters der weiblichen ic<br />

Hauptfigur ur als<br />

Heimatvertriebenen ertr<br />

trie<br />

iebe<br />

schilderten,<br />

wurde ein aktueller Zeitbezug hergestellt. Auf diese Art und Weise<br />

baute „Grün ist die Heide" stärker als die meisten anderen Heimatfilme<br />

auf den politischen und sozialen Zuständen in Nachkriegsdeutschland auf.<br />

Lüder Lüdersen (Hans Stüwe) ist ein vertriebener Gutsherr aus Schlesien,<br />

der zusammen mit seiner Tochter Helga (dargestellt von Sonja Ziemann)<br />

in der Lüneburger Heide bei Verwandten in einem Schloss wohnt und sich<br />

dort höchstens geduldet fühlt. Seine melancholischen Gefühle aufgrund<br />

der erlittenen Verluste versucht er zu bewältigen, indem er im Heidewald<br />

wildert. Nach Abschuss eines Tieres wird er vom Gemeindeförster Walter<br />

Rainer (Rudolf Prack) verfolgt, der lediglich wahrnehmen kann, wie der<br />

Wilddieb ins Wasserschloss flieht. Dort begegnet dem Förster Helga<br />

Bild<br />

arch<br />

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Lüdersen, die ihm gegenüber vehement abstreitet, dass an diesem<br />

Ort ein Krimineller wohnen könnte.<br />

Zu diesem Zeitpunkt des Filmes trafen vor den Augen der Zuschauer<br />

uer<br />

ein Jahr nach ihrem Überraschungserfolg mit „Schwarzwaldmädel", de<br />

l", der<br />

ebenfalls unter Deppes Leitung gestanden hatte, erneut zwei Stars des<br />

deutschen Nachkriegsfilms aufeinander: Sonja Ziemann und Rudolf Prack,<br />

beide jeweils – wie passend in diesem Zusammenhang – mit einem Bambi<br />

ausgezeichnet. Während der Dreharbeiten zu „Grün ist die Heide" waren<br />

sie bundesweites Gesprächsthema geworden. Dass Prack<br />

20 Jahre älter als seine Kollegin war, wurde allerdings<br />

nicht thematisiert. Die schwierigen Verhältnisse in der<br />

Familie Lüdersen hin oder her, im Mittelpunkt steht die<br />

Liebesgeschichte zwischen der Tochter und dem Förster,<br />

unterstützt von einer Liaison zwischen dem ortsansässigen<br />

Amtsrichter (Willy Fritsch) und der Zirkusreiterin<br />

Nora (Maria Holst), die nach Amerika will. Dies wird<br />

deutlich in einer rührseligen Szene, als während eines<br />

Heidespaziergangs von Helga und Walter Rainer die drei<br />

umherstreifenden Künstler vom Filmbeginn (Zitat: „Wir<br />

schlafen im Moos und decken uns mit dem Himmel zu")<br />

hinter einem Baum hervortreten und das Titellied spielen,<br />

angestimmt vom Sänger mit dem bezeichnenden Namen<br />

Nachtigall. Der im<br />

Text heraufbeschworene Kuss muss warten, denn noch<br />

ist Helga Lüdersen hin- und hergerissen zwischen der Zuneigung zum<br />

Weidmann und der Loyalität zu ihrem Vater. Dessen illegalen Aktivitäten<br />

sind ihr erst klar geworden, nachdem die drei Musikanten, die ihn bei seiner<br />

letzten Untat erkannten, ihr das Gewehr ausgehändigt haben, das er<br />

auf seiner Flucht abgelegt hatte. Getreu den drei Affen sehen, hören und<br />

sagen die Vagabunden aber nichts. Und als es mit dem Kuss dann doch<br />

fast so weit ist, fällt erneut ein Schuss: Ein Gendarm ist erschossen worden.<br />

Lüder Lüdersen gerät<br />

unter Mordverdacht, wird<br />

vom Förster wegen dessen<br />

Zuneigung zu seiner<br />

Tochter aber nicht angezeigt.<br />

Um Schlimmeres zu<br />

verhindern, plant Helga<br />

den gemeinsamen Umzug<br />

mit ihrem Vater in die<br />

Stadt. Die Verabschiedung findet auf einem<br />

Schützenfest statt. Lüder Lüdersen möchte ein letztes Mal durch den<br />

Wald gehen, stellt dabei den wahren Mörder r<br />

und wird dadurch rehabilitiert. Die endgültige e<br />

Versöhnung zwischen Walter und Helga findet<br />

unter Ausschluss des vom Gangster angeschossenen<br />

Herrn Lüdersen vor seiner Krankenzimmertür r<br />

statt. Das gestaltet das Happy End zwar nicht<br />

perfekt, aber nicht so unvollkommen wie eine<br />

erneute Verfilmung von „Grün ist die Heide"<br />

weitere 20 Jahre später, mit Roy Black in der<br />

männlichen Hauptrolle.<br />

Foto<br />

: Bildar<br />

chiv Hallhub<br />

uber<br />

Seite 66 ■ GoodTimes odTi<br />

2/2013<br />

201


Die Silberwald-Serie<br />

Hauptrollen spielen<br />

Flora und Fauna<br />

Die der Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland vom österreichischen Team 1978<br />

bei der Fußball-WM zugefügte "<br />

Schmach von Córdoba" ist allgegenwärtig. Aber wer<br />

hat schon mal einen Österreicher erlebt, der sich darüber lustig gemacht hätte, dass<br />

es sich bei dem mutmaßlich publikumsträchtigsten Kinofilm in Deutschland aller<br />

Zeiten um eine Produktion aus der Alpenrepublik im Jahr 1954 handelt?<br />

Fotos: Bildarchiv Hallhuber<br />

Weit über 20 Millionen Menschen haben bis 1958 in deutschsprachigen<br />

Lichtspielhäusern Der Förster vom Silberwald"<br />

"<br />

gesehen. Auf diese Weise fand auch Österreich (dort lief der Streifen<br />

unter dem Titel „Echo der Berge") in Anita Gutwell und Rudolf Lenz<br />

sein Traumpaar des Nachkriegsfilms.<br />

Dabei wird „die limonadensüße<br />

Liebeshandlung" (Zitat Kurzkritik der<br />

Katholischen Filmkommission) zwischen<br />

der Wiener Künstlerin Liesl<br />

und einem Jäger von eindrucksvollen<br />

Natur- und Tieraufnahmen in<br />

den Hintergrund gerückt: Da lugt<br />

der Dachs aus seinem Bau hervor,<br />

grüßt der Auerhahn die Morgenröte<br />

und huschen die Rehe über eine fast jungfräuliche<br />

Schneedecke. Wären diese Szenen zusammengeschnitten<br />

und statt mit schmetternden Hörnerfanfaren und<br />

umschmeichelnder Streichermusik mit erläuternden<br />

Worten von Professor Grzimek unterlegt worden, hätte<br />

das Ganze eine gelungene Dokumentation abgeben<br />

können – und zu einem solchen Film hatte ursprünglich<br />

die Idee bestanden. Österreichs Landschaften sollten als<br />

ein schützenswertes Biotop aufgezeigt werden. „Mein<br />

Ball ist draußen im Revier", lässt dementsprechend konsequent<br />

Weidmann Gerold auf einer<br />

Tanzveranstaltung durchblicken. Somit<br />

übte „Der Förster vom Silberwald"<br />

einen starken Einfluss auf die Machart<br />

späterer Heimatfilme aus. Es lässt sich<br />

durchaus voller Naturverbundenheit<br />

von einer Lawine sprechen.<br />

In bewusster Anlehnung an den<br />

„Silberwald" entstand erneut mit<br />

Gutwell und Lenz ein Jahr später Die "<br />

Sennerin von St. Kathrein". Denn<br />

dort gibt es nicht nur Schnaps, wie Mitte der 80er von Stephan Remmler<br />

in einem seiner Schlager beobachtet, sondern auch bildhafte Bekenntnisse<br />

zur Heimat. Die ortsfremde Sennerin Liesl (Filmemacher nahmen damals<br />

sehr viel Rücksicht aufs Namensgedächtnis des Publikums) ist<br />

Feuer und Flamme für einen Gestütsbesitzer, der aber wiederum<br />

ins Beuteschema der reichen Wirtstochter fällt. Bis diese<br />

sich zurückzieht, wird das Gedeihen der Liebe zusätzlich durch<br />

Liesls wildernden Bruder erschwert.<br />

Allein dass 1956 das Liebespaar für Die Försterliesel"<br />

"<br />

ein weiteres Mal mit dem österreichischen Traumpaar besetzt<br />

wurde (es handelte sich im Übrigen um eine deutsche<br />

Produktion), verdeutlicht<br />

seine<br />

Verwandtschaft zum<br />

Vorbild. Blenden wir<br />

uns einfach in die<br />

letzte Szene ein:<br />

Die Sennerein von<br />

St. Kathrein<br />

Liesl: "<br />

Der eine wollt’ mich zur<br />

Großbäuerin machen, der andere in<br />

die Stadt mitnehmen – aber ich<br />

bleib' hier, da, wo ich hingehör’..."<br />

Entgegnung Toni: "<br />

...im Silberwald!"<br />

GoodTimes 1/2013 ■ Seite 67<br />

Ist es nicht schön, wenn<br />

sich<br />

die Handlung eines Films<br />

mit<br />

seinen letzten Worten zusammenfassen<br />

lässt?<br />

Auch Johannisnacht" von<br />

" Harald Reinl (genau, der „Winnetou"-<br />

Regisseur) stellte 1956 durch sentimen-<br />

e tale Landschaftsdarstellungen ein Tribut<br />

an<br />

den „Silberwald" dar. Ein Schlossbesitzer versteckt aus Kränkung seine<br />

fünfjährige Tochter auf einer Almhütte, weil<br />

seine Frau ihn verlassen<br />

hat. Als das Kind heimlichen Besuch bekommt, weiß es nicht, dass es<br />

sich um seine Mutter handelt. Die Katholische Filmkommission hegte<br />

Vorbehalte „wegen liberaler Eheauffassung, die mit Scheidung und<br />

Wiederverheiratung zu selbstverständlich umgeht".<br />

Im selben Jahr konnte der später ebenso<br />

Karl-May-erprobte Regisseur Harald Philipp<br />

noch so sehr beteuern, abgesehen vom Titel<br />

habe sein Debüt „Das alte Försterhaus"<br />

nichts mit dem Heimatfilm zu tun – selbst<br />

ungeachtet des gleichnamigen erfolgreichen<br />

Schlagers lag das besagte, zu sanierende<br />

Haus nun mal mitten in einem<br />

Wald. Es wird mit Hilfe einer Fernsehshow<br />

durch die Werbeleiterin einer Plattenfirma<br />

gerettet, die nebenbei das große Los mit<br />

dem Inhaber des Wirtshauses zieht. Drei<br />

vagabundierende Musikanten (siehe Schwarzwald- und Heidefilme)<br />

packen mit an.<br />

Wo die alten Wälder rauschen", da übernehmen über weite<br />

" Strecken Wald und Landschaft die eigentliche Hauptrolle, statt „nur"<br />

den schmückenden Hintergrund<br />

zu bilden. Auf diese Art und Weise<br />

kann ein Baustellenleiter gleichzeitig<br />

ein begeisterter Tierfotograf<br />

sein. Die unvollständige Familie<br />

besteht hier ausnahmsweise<br />

statt Vater und Tochter aus dem<br />

Vater, einem vielbeschäftigten<br />

Hamburger Unternehmer, und<br />

einem Sohn, der wenigstens in<br />

Wo die<br />

den Bergen Urlaub machen soll, wenn der Herr<br />

alten<br />

Papa denn schon keine Zeit für ihn hat.<br />

Wälder<br />

rauschen Im Lustspiel Dort in der Wachau" unternahmen<br />

1957 zwei Journalisten einen Streifzug<br />

entlang der Donau: die Dame zu Schiff, auf<br />

dem sie ihren bislang unbekannten Vater trifft,<br />

und der Herr auf dem Motorroller am Ufer<br />

entlang, wo schon die Liebe seines Lebens auf<br />

ihn wartet, deren Sohn Bumsi (!) sich unterdes-<br />

" sen als blinder Passagier auf dem Donaudampfer übt. Anlass zu der<br />

Geschichte war und ist jedoch die Landschaft der Wachau.<br />

Thorsten Pöttger


Von Roland Schäfli<br />

Bevor Spanien zum europäischen Problemfall<br />

wurde, war Almeria ein Glücksfall für die<br />

Filmemacher. Als die Billiglöhne noch nicht<br />

in Euro ausbezahlt wurden, sondern "<br />

für<br />

ein paar Dollar mehr", kamen Regisseure<br />

wie Sergio Leone und David Lean. Noch<br />

heute kommen Touristen – nicht wegen<br />

des Klimas, sondern wegen des Kinos.<br />

A ls Clint Eastwood an einem<br />

em Apriltag 1964 in<br />

Spanien eintraf, glich der ausgewählte Drehort,<br />

Almeria, eher einer Geisterstadt. Die spanische Crew<br />

hatte nämlich gerade beschlossen, für eine Handvoll<br />

Pesetas zu streiken. Der aus Hollywood importierte<br />

Amerikaner sollte bald merken, dass die Europäer<br />

eine gänzlich andere Vorstellung vom Filmemachen<br />

hatten. Der Streifen, für den Eastwood sich für die<br />

moderate Gage von 14.000 Dollar vor die Kamera<br />

stellte: Für eine Handvoll Dollar". Der Grund,<br />

"<br />

warum er ihn machte: ein Gratis-Trip nach Spanien.<br />

Das Resultat: ein nicht vorherzusehender Kult. Das<br />

Western-Genre sollte nach diesem Film nie mehr<br />

sein, was es vorher war. Und das spanische Almeria<br />

auch nicht.<br />

Eine Stadt, die alles sein kann<br />

Wer heute ins andalusische Almeria reist, vor dem dehnt<br />

sich die Stadt von der Küste aus bis hinauf zu den steinigen<br />

Hügeln aus. Der nordafrikanisch geprägte Ort wurde im<br />

Lauf der Jahrhunderte wegen seiner strategisch günstig gelegenen<br />

Mittelmeerbucht immer wieder gern von Neuem erobert. Die vielfältigen<br />

Einflüsse der verschiedenen Regenten sind der Grund dafür,<br />

dass ein mittelalterlicher „Conan" vor derselben maurischen Festung<br />

Alcazaba agieren konnte wie ein Indiana Jones, der sich im Marokko<br />

gerne, er sei der einzige<br />

männliche Schauspieler,<br />

der je mit Eastwood<br />

geschlafen habe). Als<br />

Broadway-Schauspieler<br />

In diesem<br />

Hotel<br />

nächt<br />

chtigt<br />

igte Clin<br />

lint East<br />

astwoo<br />

wood für ein paar<br />

Dolla<br />

llar mehr<br />

ehr".<br />

Die Zahl<br />

der Logie<br />

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rklich<br />

zurüc<br />

rückge<br />

kgegan<br />

gangen<br />

gen.<br />

der 30er Jahre wähnte.<br />

Als in diesem Hafen<br />

erstmals nicht Krieger,<br />

sondern Schauspieler<br />

landeten, war<br />

Almeria freilich<br />

nicht mehr als ein<br />

Hafenstädtchen.<br />

Verhätschelte<br />

Stars, die gegen die grelle spanische<br />

Sonne blinzelnd nach den üblichen<br />

Annehmlichkeiten Ausschau hielten,<br />

fanden lediglich rudimentäre<br />

Unterbringungsmöglichkeiten. Als<br />

Eli Wallach und Clint Eastwood<br />

ankamen, gab es kein einziges<br />

passables Hotel. Sie teilten sich<br />

schließlich irgendwo ein Bett<br />

(und bis heute berichtet Wallach<br />

Foto: © Roland Schäfli<br />

Seite 68 ■ GoodTimes 2/2013<br />

Für eine handvoll Dollar"<br />

"


Foto: © Roland Schäfli<br />

Aus einer mittelalterlichen Burg-Ruine machte Sergio Leone<br />

eine verfallene Kirche. Der Kirchturm ging schon lange beim<br />

Dynamit-Anschlag drauf.<br />

Wallach seinen<br />

Regisseur Sergio<br />

Leone fragte, wo<br />

denn die Toiletten<br />

zu finden seien,<br />

deutete der nur<br />

vage auf die Wüste<br />

und sagte: „Da!"<br />

Das Gran Hotel<br />

macht heute damit<br />

für sich Reklame,<br />

Die Wüstengegend des spanischen Tabernas als<br />

dass Schauspieler<br />

Äquivalent zur amerikanischen Prärie.<br />

von Charles<br />

Bronson bis<br />

Stewart Granger<br />

und Regisseure<br />

von David Lean bis<br />

Steven Spielberg<br />

hier abstiegen. Die<br />

Spanier nehmen es<br />

nicht so genau mit<br />

der Filmgeschichte.<br />

Das Gran Hotel<br />

wurde tatsächlich erst erbaut, als Eastwood schon seinen dritten und<br />

letzten Italo-Western hier abdrehte. Und doch ist Almeria aus denselben<br />

Gründen als Filmdrehort ausgewählt<br />

worden wie seinerzeit Hollywood:<br />

knapp 3000 Sonnenstunden pro Jahr,<br />

mehr Sonnentage als irgendwo im<br />

Land. Und vor allem: Lokationen in<br />

erreichbarer Nähe, die geologisch beinahe<br />

alles darstellen können – die<br />

Sahara, eine Piratenküste und eben<br />

auch den Wilden Westen Amerikas.<br />

Foto: © Roland Schäfli Foto: © Roland Schäfli<br />

Wie eine Fata<br />

Fantasien .. eines<br />

Morgana .. in der<br />

RöOmers<br />

Dass einem im Kintopp ausgerechnet<br />

amerikanische Heimaterde manchmal<br />

spanisch vorkommt, liegt an einem Italiener: Sergio Leone. Durch seine<br />

dicke Brille sah der Römer nicht spanische Steppe, sondern amerikanische<br />

Prärie. In seiner Fantasie wurden spanische Statisten zu mexikanischen<br />

Banditen, wurden Pferde der spanischen Hofreitschule zu indianischen<br />

Broncos. Er hatte drei europäischen Produktionsfirmen 200.000<br />

Dollar abgeschwatzt, sich auf eine zweifelhafte Westernproduktion<br />

einzulassen, und einen Seriendarsteller namens Eastwood überredet,<br />

sich als einsilbiger Fremder zu verdingen. Wortkarg waren die beiden<br />

auch im täglichen Umgang, g da Leone auf Englisch maximal „Good<br />

Der Tatort des blutigen Massakers aus "<br />

Spiel mir das Lied vom Tod":<br />

Heute werden hier nur noch Fliegen gekillt, die versehentlich ins Bier fallen.<br />

Morning" parlieren und Eastwood höchstens h mit „Arrivederci" i" parieren<br />

konnte. Das spielte keine Rolle, da die tolldreisten italienischen<br />

Filmproduktionen den Ton ohnehin nicht aufzeichneten. Denn in<br />

diesem ethnischen Potpourri sprach jeder so, wie ihm der Schnabel<br />

gewachsen war. Im Tonstudio wurden nachträglich die verschiedenen<br />

Landesfassungen synchronisiert. Sprachbarrieren hinderten Leone<br />

nicht, seinen Darstellern pantomimisch vorzuspielen, was sie zu tun<br />

hatten. Kein Wunder, dass Eastwood nach getaner Arbeit im festen<br />

Glauben abreiste, in einem unmöglichen<br />

Streifen mitgewirkt zu haben, der<br />

schnell in der Versenkung verschwinden<br />

würde.<br />

Erst ein Jahr später hörte er von<br />

einem italienischen Filmphänomen.<br />

Die Produzenten, ebenfalls nicht ans<br />

Potenzial dieses Anti-Westerns glaubend,<br />

hatten „Für eine Handvoll Dollar"<br />

in einem Florentiner Hinterhofkino<br />

gestartet. Doch von dort aus breitete<br />

sich der Ruf des Streifens per<br />

Mund-zu-Mund-Propaganda wie ein<br />

Flächenbrand aus. Der Spaghetti-<br />

Western hatte seinen ersten Klassiker<br />

und sollte in dieser Form hundertfach<br />

kopiert werden. Die Regisseure<br />

der Plagiate tauchten umgehend in<br />

Almeria auf, um sich dieselben natürlichen<br />

Kulissen zunutze zu machen.<br />

Was das Dreamteam Leone/Eastwood<br />

nicht ahnen konnte: Sie hatten den<br />

Schatten spendet um High Noon<br />

nur der Vorbau der windschiefen<br />

Wildwestkulisse.<br />

Grundstein für einen neuen Tourismuszweig gelegt. Der Kult war geboren.<br />

Die Fans sollten bis heute wiederkehren.<br />

Und die Filmemacher auch. Zuletzt hat hier Bully Herbig den "<br />

Schuh<br />

des Manitu" zum Leben erweckt.<br />

Denn die dortigen Ramblas, ausgetrocknete<br />

Flussbette nämlich, sind<br />

kinematografisch perfekt, da sie tiefer<br />

liegen als ihre Umgebung: Die Kamera<br />

kann sich um 360 Grad drehen, ohne<br />

dass Straßen oder Elektromasten ins<br />

Blickfeld geraten.<br />

WUüste<br />

" Schuh des Manitu" In halbstündiger Autofahrt ist das<br />

Dorf Tabernas zu erreichen, wo – 50<br />

Jahre, nachdem der hier beständig wehende Wind Leones Fußspuren<br />

verweht hat – der Westen noch immer wild ist. Am Straßenrand steht<br />

ein verwegen aussehender, unrasierter Banditendarsteller als lebende<br />

Werbesäule: Er lockt Autos von der Schnellstraße auf einen Schotterweg,<br />

der zur Kulissenstadt „Mini Hollywood" führt. Die quer über die Brust<br />

geschnallten Patronengurte sind der mexikanischen Revolution entlehnt;<br />

sein langer beiger Regenmantel ist von der Sorte, die 1968 durch<br />

„Spiel mir das Lied vom Tod" sogar kurzzeitig zur Fashion wurde.<br />

Hier, in der brütenden Hitze, scheint ein Mantel freilich absurd. Hätte<br />

er die Tugenden eines<br />

Westernhelden besessen<br />

und geschwiegen, man<br />

hätte dem Kleindarsteller<br />

die Maskerade abgenommen.<br />

Doch macht<br />

er den Mund auf, ist es<br />

mit der Illusion vorbei –<br />

kaum jemand spricht hier<br />

Englisch.<br />

In<br />

„Mini-Hollywood"<br />

gibt es die übli-<br />

Spiel mir das Lied vom Tod"<br />

" chen Attraktionen:<br />

eine Stuntshow, in der<br />

ein bemitleidenswerter id Desperado vom Vordach geschossen wird<br />

und glücklicherweise auf einer Matratze landen darf, dann das<br />

Fotostudio, in dem man sich, stilgerecht eingekleidet, in Sepia ablichten<br />

lassen kann, und, natürlich, den Saloon, wo die Serviererinnen wie<br />

Barmädchen kostümiert sind. Hier ordert man lässig die Cerveza, die<br />

dann aber nicht kinogerecht über den Tresen schlittern darf, sondern n<br />

ganz unspektakulär vor dem Kunden abgestellt wird. Jede Ecke kommt<br />

mt<br />

einem hier irgendwie bekannt vor – und das, obwohl die Kulissen nach-<br />

Foto: © Roland Schäfli<br />

GoodTimes 2/2013 201<br />

■ Seite 69


Foto: © Roland Schäfli<br />

gebaut werden mussten, als 1977 ein Sturm<br />

Namen, so holprig wie eine Postkutschenfahrt:<br />

den Bretterbuden den Garaus gemacht hatte.<br />

„Western Leone". „Das Haus wird noch in 100<br />

Ursprünglich hörte das Städtchen ja auch<br />

Jahren dort sein", hat der stolze Architekt<br />

nicht auf den wenig selbstsicheren Namen<br />

Carlo Simi vermerkt. Bis jetzt hat er Recht<br />

„Mini-Hollywood", sondern auf El Paso. Leone<br />

behalten.<br />

hatte es von seinem Produktionsdesigner<br />

„Mini-Hollywood", „Fort Bravo" und „Western<br />

Carlo Simi konstruieren lassen, als ihm der<br />

Leone" sind dabei lediglich die Kulissendörfer,<br />

Erfolg des ersten Dollar-Films ein ungleich Auf der Main Street von "<br />

Mini Hollywood" wurden die die instandgehalten werden. Dass man auf<br />

höheres Budget für die Fortsetzung Für ein Pistolenduelle in der Blütezeit des Spaghetti-Westerns Überreste von Filmbauten stößt, wo man geht<br />

"<br />

paar Dollar mehr" bescherte. Leone hatte<br />

dutzendfach ausgetragen.<br />

und steht, ist eine Eigenheit dieser Gegend. Auf<br />

Simi befohlen, ihm „die beste Westernstadt der Welt" zu bauen. einem Hochplateau über Tabernas finden sich noch heute die mittlerweile<br />

eingestürzten Attrappen des Burt-Lancaster-Westerns Valdez", " und nahe Cadiz, wo Leone für<br />

„Spiel mir das Lied vom Tod" sich<br />

selbst mit einer noch größeren<br />

Pionierstadt übertreffen wollte<br />

(70 Gebäude schlugen mit einer<br />

Viertelmillion Dollar zu Buche),<br />

bleichen vergessene Holzplanken<br />

in<br />

der Sonne. Mancher Drehort<br />

ist als solcher nicht mehr zu<br />

erkennen: Die Ruine des Hauses,<br />

Ursprünglich war sie in der Nähe von Madrid geplant. Doch das<br />

in<br />

dem Leone eine Schießerei<br />

von The Good, the Bad and<br />

" the Ugly" inszenierte, dient heute<br />

ganz profan einigen Ziegenhirten<br />

In "<br />

Für ein paar Dollar mehr" sprach an dieser Bar auch Klaus<br />

Kinski dem Alkohol zu, um bald darauf erschossen zu werden.<br />

Schicksal wollte es, dass es schneite, als Simi i dort rekognoszierte,<br />

weshalb es ihn gen Süden zog – nach Almeria, „wo es viel mehr Sonne<br />

gab". Für jeden weiteren Film ließ Leone<br />

ein weiteres Westerndorf aus dem Boden<br />

stampfen. Weshalb nun in unmittelbarer<br />

Nähe gleich drei Touristenattraktionen<br />

mit dem gleichen Angebot gegeneinander<br />

konkurrieren. Das ist mehr, als selbst<br />

ein sattelfester Westernliebhaber vertragen<br />

kann.<br />

In den FußsSStapfen von<br />

Henry Fonda<br />

In „Fort Bravo", wo zuletzt Til Schweiger<br />

sich<br />

als Lucky Luke versuchte, stößt man auf<br />

einen spanischen Darsteller, der aufgrund<br />

seiner Ähnlichkeit mit Henry Fonda für sich<br />

in<br />

Anspruch nimmt, von demselben in einer Drehpause gezeugt worden<br />

zu sein. Den Altstar konnte sich Leone damals endlich für seine vierte<br />

Pferde-Oper leisten, Spiel mir das Lied vom Tod". Damit zertrümmer-<br />

" te der<br />

Italiener einen weiteren Westernmythos, das Saubermann-Image<br />

eines Henry Fonda. In Erinnerung bleibt der weite Kameraschwenk, der<br />

enthüllt, lt dass es eben dieser blauäugige Fonda war, der soeben eine<br />

ganze Familie massakriert hatte. Der Mann, der im amerikanischen<br />

Film<br />

stets für das Gute stand, hatte die Seiten gewechselt, erschoss<br />

ein unschuldiges Kind so schnell, wie er braunen Tabaksaft ausspucken<br />

konnte. Diesem<br />

Mann traut man<br />

nun ohne weiteres<br />

auch einen<br />

illegitimen Sohn<br />

zu.<br />

Das solide<br />

Blockhaus, wo<br />

sich besagtes<br />

Blutbad abspielte,<br />

stellt die<br />

dritte Westernsiedlung<br />

dar, die<br />

es zu bestaunen<br />

gibt, mit einem<br />

als Unterkunft. Und wo Alain<br />

Delon in Rivalen unter roter<br />

"<br />

Sonne" einmal als Schurke in<br />

einer Höhle lauerte, wartet jetzt nur noch eine Tankstelle auf Opfer der<br />

Benzinknappheit.<br />

Das Pferd ist echt, der Cowboy nicht:<br />

Spanier spielen für Touristen amerikanische Gringos.<br />

Spiel mir das Lied vom Tod"<br />

"<br />

© Roland Schäfli<br />

Fotos: © Roland Schäfli<br />

Lawrence von Almeria<br />

Der Entdecker von Almeria als Film-Mekka war dennoch nicht Leone.<br />

Denn ein paar Jahre zuvor ging an diesem Hafen der Produktionsdesigner<br />

Eddie Fowlie an Land. Der hatte schon für den „Roten Korsaren" das<br />

italienische Ischia<br />

überzeugend in die<br />

Karibik versetzt und<br />

jeden im Kino glauben<br />

gemacht, die<br />

„Brücke am Kwai"<br />

stehe nicht in Sri<br />

Lanka, sondern in<br />

Burma. Nun plante<br />

er seinen größten<br />

Schwindel. Er suchte<br />

nach einer Einöde, die<br />

dem Kinozuschauer<br />

Diese Palmen, vor 50 Jahren für eine Oasen-Szene von Lawrence<br />

glaub haft als jordanische<br />

Wüste vorge-<br />

Stelle in Für ein paar Dollar mehr".<br />

von Arabien" gepflanzt, wachsen heute noch. Leone benutzte "<br />

die<br />

setzt werden konnte.<br />

"<br />

Im Naturpark Cabo de Gata, an Almeria grenzend, nd wurde Fowlie fündig.<br />

Dort liegt Europas einzige Wüste. Der Film: "<br />

Lawrence von Arabien".<br />

Hunderte von Einheimischen befreiten die Sanddünen in Fowlies<br />

Auftrag von Gewächsen, um die Ähnlichkeit mit Jordanien noch zu<br />

Foto: © Roland Schäfli<br />

Seite 70 ■ GoodTimes 2/2013<br />

201


Foto: © Roland Schäfli<br />

verstärken. Doch im Abspann sollte für alle<br />

Zeiten der Dank an die spanischen Gastgeber<br />

fehlen. Großzügige Erwähnung fand allein<br />

das jordanische Königreich; Spanien wurde<br />

bewusst unterschlagen, um den Effekt nicht<br />

zu verderben. Das hat Almeria nie verwunden.<br />

Aber die Produktionsbedingungen waren<br />

günstig, einheimische Arbeitskräfte billig zu<br />

haben. Im spanischen Diktator Franco hatten<br />

die Filmemacher zudem einen mächtigen<br />

Verbündeten, dem es schmeichelte, von Hollywood-Größen hofiert<br />

zu werden (für den Oscarfilm "<br />

Patton" stellte er später 1000 seiner<br />

Soldaten als Statisten). Und noch ein weiterer Grund war laut<br />

Fowlie ausschlaggebend für die Entdeckung des Filmlands Spanien:<br />

„Behördenvertreter waren leicht zu schmieren." So waren die<br />

Aus der Taverne, in der Clint Eastwood in "<br />

Für eine Handvoll Dollar" drei Gegnern beim<br />

Essen den Geraus machte, ist heute ein Restaurant geworden. Für eine Handvoll Euro<br />

sind heute nur noch die Preise zum Sterben, unschlagbar tief.<br />

"<br />

Lawrence von Arabien"<br />

„Strawberry Fields" geschrieben? Seguro. Die Spanier<br />

holen die Stars von gestern ern an die Schauplätze zurück;<br />

die Cardinale und Raquel Welch<br />

sind<br />

dem Ruf zu Retrospektiven<br />

schon gefolgt. Die „Rolling<br />

Roadshow Tour" führt als mobi-<br />

Italiener die Arbeitgeber und die Spanier<br />

Befehlsempfänger im eigenen Land (an<br />

les Freiluftkino die Leone-<br />

Western direkt am Ort des<br />

den Wochenenden rächten sie sich jeweils<br />

damaligen Geschehens<br />

für die Schmach – in Fußballspielen Crew<br />

auf. Der Friedhof mit den<br />

gegen Crew). Spanische Handwerker waren SPANIEN<br />

1000<br />

Kreuzen aus Zwei glorreiche<br />

Halunken" ist endlich markiert<br />

"<br />

es auch, die am Strand von Carboneras<br />

unter Fowlies Anleitung eine komplette<br />

worden: Die vormals anonyme<br />

arabische Stadt aufbauten, die Lawrence<br />

und seine Kamel-Armee im Handstreich<br />

nahmen. Dieser im Film so eindrucksvolle<br />

le<br />

Sandstrand wird heute beherrscht von einem<br />

Alm<br />

eri<br />

a<br />

Wiese e in<br />

der Nähe von Burgos<br />

heißt nun gemäß sorgfältig<br />

geschnitzter Holztafel ganz<br />

offiziell fi „Friedhof von Sad<br />

monströsen Hotelkomplex, der nie fertiggestellt wurde und seit<br />

nunmehr 30 Jahren als sein eigenes Denkmal für Fehlkalkulation<br />

dort steht. Eddie Fowlie entging die Ironie nicht: Seinerzeit hatte<br />

er für die Crew eine Zeltstadt<br />

zu errichten, weil es Hotels<br />

Hill". Doch das verschlafe-<br />

ne Kaff Los Albaricoques übertrifft<br />

ft<br />

sie<br />

alle. Lokale Enthusiasten haben die<br />

Gassen der weißgetünchten<br />

Flachdachhäuser neu getauft,<br />

in dieser Gegend noch<br />

haben die Straßen benannt<br />

nicht gab. Der bekannte<br />

nach den Stars von „Für ein<br />

Produktionsdesigner selbst<br />

paar Dollar mehr". Großzügige<br />

setzte sich in Carboneras zur<br />

Ruhe, errichtete das Hotel<br />

Dorado, schmückte es mit<br />

Film-Mementos und zählte<br />

Stars wie Anthony Quinn zu<br />

seinen Gästen, die immer dann<br />

bei ihm einkehrten, wenn in<br />

der Gegend wieder die Kameras<br />

surrten. Die Eingangspforten<br />

Schilder überall im Ort stellen<br />

die Orientierung her, wo Leone<br />

seine Kamera platziert hatte.<br />

Die Spuren des Showdowns<br />

prägen den Ort schließlich<br />

bis heute: Das Gemäuer, wo<br />

Clint von vier Kugeln verfehlt<br />

wurde, wird heute noch von<br />

jenen <strong>Eins</strong>chusslöchern geziert.<br />

stammen aus Dr. Schiwago".<br />

Einen besseren Beweis findet<br />

man nirgends: Hier war's.<br />

"<br />

Der wurde ja auch nicht im<br />

Ural gedreht, sondern, jawohl,<br />

gleich hier um die Ecke, wo<br />

auch sonst.<br />

Außerhalb der Saison macht Mini Hollywood" jeder Geisterstadt Konkurrenz.<br />

"<br />

Nicht in Hollywood, sondern<br />

in Spanien. Im spanischen<br />

Hollywood eben.<br />

GoodTimes 2/2013 201<br />

■ Seite 71<br />

Alte Filmgeschichte, neu<br />

entdeckt<br />

Dass sowohl „Lawrence" als auch „Dr.<br />

Schiwago" nicht zu ihrer spanischen Herkunft<br />

stehen konnten und dass Andalusien ausgerechnet<br />

für Italo-Western bekannt wurde, mag<br />

der Grund sein, weshalb die Einheimischen<br />

sich lange nichts aus der Filmgeschichte<br />

machten. Erst seit kurzem ist der Tourismus<br />

dazu übergegangen, diese Identität herzustellen.<br />

Weisen Schilder auf Drehorte hin, kann man der „Las<br />

Rutas Del Cine" folgen,<br />

die den hoffnungsvollen<br />

Kultisten gezielt zu seinen<br />

Pilgerstätten führt.<br />

Tourguides wie „Tuco<br />

Tours" haben das neuerwachte<br />

Interesse erkannt<br />

und nehmen Filmverrückte<br />

mit auf die Reise in die<br />

Foto: © Roland Schäfli<br />

Nicht immer bleibt ein Drehort der Nachwelt erhalten: en:<br />

Wo Sergio Leone eine Szene für "<br />

Zwei glorreiche e<br />

Halunken" aufnahm, werden keine Filmerinnerungen, en,<br />

sondern Ziegen gehütet.<br />

Vergangenheit. Kein besserer<br />

Ort für ein Picknick<br />

als El Oasis, jene künstliche<br />

Oase, die Eddie Fowlie für<br />

„Lawrence" angelegt hat,<br />

komplett mit eingepflanzten<br />

Palmen, die noch 50 Jahre später in den Himmel wachsen.<br />

Und die immer gleiche Frage, die den Hotelbetreiber des Blue<br />

Dolphin früher entnervt haben mag, erfüllt ihn jetzt mit Stolz:<br />

Hat John Lennon hier während der Dreharbeiten von Wie ich den<br />

"<br />

Krieg gewann" gewohnt? Si, er hat. Und hat er hier tatsächlich<br />

Foto: © Roland Schäfli


Von Lothar Brandt<br />

GENERATION GELB:<br />

EINES<br />

HÖRERS<br />

Das erinnert ein wenig an jenen Manager<br />

der Plattenfirma Decca, der eine junge<br />

Liverpooler Band einst ablehnte mit<br />

der Begründung, Gitarrenbands seien nicht<br />

mehr modern. Die Gruppe nannte sich The<br />

Beatles – und die Konkurrenz von der EMI<br />

verdiente später mit ihr Millionen.<br />

Doch die Entscheider bei Sennheiser hörten<br />

zum Glück nicht auf das Gequengel<br />

der vermeintlichen Marktexperten und<br />

gaben grünes Licht für den ersten kommerziellen<br />

„offenen" Kopfhörer. Der<br />

Halbpfünder mit den lustigen – zu Beginn<br />

übrigens noch blauen – Schaumstoff-<br />

Ohrpolstern löste eine wahre Kopfhörermanie<br />

aus. Ende 1969 – man trug bereits Kanariengelb<br />

– waren 100.000 Stück verkauft, die erste Million<br />

war 1974 erreicht, und bei Marktabtritt 1981 hatten<br />

sich rund zehn Millionen Menschen weltweit für den HD 414<br />

entschieden. Mehr hat kein anderes reines HiFi-Produkt – lassen wir<br />

Spielereien wie Apples i-er oder musiktaugliche Smartphones mal<br />

außen vor – jemals geschafft.<br />

In den frühen 70ern stand der 414 quasi für den Begriff Kopfhörer, so<br />

wie Tempo für Papiertaschentücher oder später Walkman für tragbare<br />

Kassettenspieler. Apropos: Als Sony den ersten Walkman lancierte,<br />

gehörten offene Kopfhörer zum Lieferumfang. Die Japaner hatten die<br />

Technologie lizenziert – und Patentinhaber Sennheiser freute sich bis<br />

1983 über eine weitere sprudelnde Geldquelle.<br />

Wie so oft hatte Gott Zufall auch hier seine Hände<br />

im Spiel. Sennheiser-Techniker Erhard Michaelis<br />

stieß eher nebenbei auf das Prinzip. Als er Mikrofone<br />

für Diktiergeräte bastelte, hielt er sich eines mal ans<br />

Ohr und stellte fest, dass die „so offen viel besser<br />

klingen als ein gängiger geschlossener Kopfhörer" .<br />

Mikrofone sind ja wie Kopfhörer nichts anderes als<br />

elektromechanische Wandler, die aus Schallwellen<br />

Selten<br />

hat sich eine<br />

Marketing-Abteilung<br />

so geirrt. Nicht mehr als<br />

500 Stück, so glaubte die<br />

Expertenrunde im Frühjahr 1968,<br />

würden sich von dem neuartigen<br />

Konstrukt pro Jahr verkaufen.<br />

"<br />

Kein Vorzeige-Effekt", lautete im<br />

Hannoveraner Hause Sennheiser<br />

das Verdikt gegen den HD 414.<br />

Ende 1969 waren hingegen<br />

schon 100.000 Kopfhörer<br />

über den Ladentisch<br />

gegangen.<br />

Strom machen<br />

können und<br />

umgekehrt. Die<br />

Werkstatt baute<br />

ihm einen Bügel für<br />

zwei Mikrofonkapseln,<br />

Michaelis polsterte sie mit<br />

Schaumstoff ab – der offene Kopfhörer war<br />

geboren.<br />

Gegenüber den damals üblichen Kopfschraubstöcken,<br />

welche die Ohren unter Luftabschluss buchstäblich<br />

zum Glühen brachten, bedeutete der Cabrio-Hörer einen<br />

Befreiungsschlag sondergleichen. Nicht nur im Komfort, auch der<br />

Klang hob in weit luftigere Sphären ab. 1973 schoss der HD<br />

414 dann in ultimative Höhen: Die Nasa bugsierte ihn zum<br />

Skylab in den Weltraum. Der Millionenseller war wirklich all-lgegenwärtig.<br />

Neben den klanglichen Qualitäten ließ vor allem der Preis<br />

eine ganze Generation von Musik- und HiFi-Fans Gelb<br />

tragen. Seinerzeit gab es ihn für 69 Deutsche Mark. Für<br />

einen auch nur annähernd so klangstarken Lautsprecher<br />

wäre in diesen Flegeljahren der „hohen Klangtreue" ein<br />

Vielfaches zu berappen gewesen. Auch<br />

dank des poppigen Sennheisers wurde<br />

High Fidelity zum erschwinglichen<br />

Volkshobby.<br />

Zahlreiche Plattengeschäfte installierten<br />

an ihren Abhörstationen – ja, so was gab<br />

es damals – den Volkshelden. Oder seine e<br />

„halbe" Version für ein Ohr, den HD 412. So<br />

Seite 72 ■ GoodTimes 2/2013


machten viele Musikfreunde via HD 414/412 die erste Bekanntschaft<br />

mit Rock- und Popsongs, die heute Klassiker sind. Zum Beispiel<br />

mit "Smoke On The Water" von Deep Purples Jahrhundertalbum<br />

MACHINE HEAD. In dessen Klappcover Bassist Roger Glover und<br />

Sänger Ian Gillan doch tatsächlich auch noch mit Kopfschmuck<br />

abgebildet waren, der dem Kultkopfhörer auf dem eigenen Schädel<br />

aufs Haar glich.<br />

Déjà-Vu-Erlebnisse stellen sich wohl bei jedem ein, wenn er<br />

Sennheisers Museums-Modell in der Hand hält. „Wow, cool, den hatte<br />

ich auch" , „Die halbe Klasse hatte so einen" oder ähnlich dürften die<br />

meisten 40- bis 55-Jährigen schwärmen und sanft über den grauen<br />

Plastikbügel streicheln. Wenn gestandene HiFi-Profis das gute Stück<br />

TOLLE NEUHEITEN ZUM<br />

75. GEBURTSTAG VON<br />

DIETER THOMAS HECK...<br />

FEIERN SIE MIT!<br />

DIE<br />

GESCHENK-<br />

IDEE FÜR FANS!<br />

ALLES AUF ZWEI<br />

DVD’S PLUS<br />

60-SEITIGEM<br />

BUCH!<br />

heute wieder überziehen, zollen sie dem knackig-höhenreichen Sound<br />

des Oldtimers Respekt, auch wenn aktuelle Spitzen-Hörer inzwischen<br />

detailreicher, impulsgenauer und bassgewaltiger tönen. Auch<br />

Professor Jörg Sennheiser, Sohn des legendären Firmengründers Fritz,<br />

verriet einst dem Autor, er „würde einen Kopfhörer heute nicht mehr<br />

so abstimmen". Doch davon abgesehen: Billigen Beipack-Stöpseln<br />

und auch vielen modernen Aufsitzern der 30-Euro-Klasse läuft der<br />

Held der Generation Gelb allemal den Rang ab.<br />

TIPPS<br />

ERSATZTEILE: Neue Ohrpolster gibt es zum Beispiel bei<br />

www.thomann.de/de/sennheiser_hd414_ohrpolsterpaar.htm<br />

Ab 4,99 Euro. Schwieriger zu beschaffen sind Ersatz-<br />

Anschlusskabel. Ausweg: Bei ebay einen defekten HD 414<br />

mit noch intakten Kabeln für maximal fünf Euro ersteigern.<br />

MP3-PLAYER: Hochohmig (600 Ohm) ausgelegt, kann der<br />

HD 414 mit den meisten Mobilplayern noch satte, ausgewogene<br />

Pegel erzeugen.<br />

ADAPTER: Umstecker von 6,3-Millimeter-Klinke auf die<br />

heute gängigen 3,5 Millimeter gibt’s im Handel für maximal<br />

vier Euro.<br />

GEBRAUCHTKAUF: Ein technisch und optisch einwandfreier<br />

HD 414 ist selten unter 15 Euro im Angebot. Deshalb:<br />

Im Zweifelsfall verschmutzte oder angefranste Ohrpolster<br />

akzeptieren und austauschen (siehe Ersatzteile).<br />

DER<br />

DEUTSCHE<br />

SCHLAGER...<br />

KULT UND<br />

KULTUR:<br />

DIE GRÖSSTEN<br />

HITS AUF<br />

3 CD’S!<br />

www.sonymusic.de


DAS JAHR 1963<br />

Von Bernd Matheja<br />

Postraub,<br />

Buli, JFK<br />

Gentlemen bitten zur Kasse,<br />

das Milli ardengeschäft<br />

Fußball-Bundesliga rollt<br />

an, in Dallas wird ein politischer<br />

Hoffnungsträger r<br />

ermordet. Eine simpelgeniale<br />

Zeichnung grinst<br />

sich knallgelb um die Welt,<br />

der Grand Prix Eurovision<br />

verläuft britisch-skurril,<br />

und ein angesoffener Opa-<br />

Butler stolpert und stolpert t<br />

und stolpert. Viel los in diesem<br />

bewegten Jahr 1963 ....<br />

1963<br />

ZEITGESCHICHTE E<br />

Christine<br />

Keeler<br />

Am 26.6. hält US-Präsident John<br />

F. Kennedy (46) seine berühmte e<br />

Rede mit dem Kernsatz „Ich bin ein<br />

Berliner!" vor dem Schöneberger r<br />

Rathaus – am 22.11. wird der politische<br />

Hoffnungsträger in Dallas,<br />

Texas, ermordet (Nachfolger:<br />

John F. Kennedy: Rede in Berlin<br />

Vizepräsident Lyndon B. Johnson).<br />

Der Attentäter, Lee Harvey Oswald, stirbt ib zwei iT Tage<br />

später:<br />

erschossen<br />

im Keller des Polizeigebäudes vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby.<br />

Beide Tötungsdelikte gelten bis heute als nicht eindeutig geklärt,<br />

es kursieren Verschwörungstheorien ohne Ende über Drahtzieher<br />

im Hintergrund. *** Zu einem der noch immer spektakulärsten<br />

Kriminalfälle kommt es am 8.8. beim englischen Sears Crossing:<br />

Eine etwa 15-köpfige Bande stoppt um 3.05 Uhr den Postzug von<br />

Glasgow nach London und raubt rund 2,6 Millionen Pfund, heute<br />

(Wertentwicklung eingerechnet) ca. 50 Millionen Euro. Kein Schuss<br />

fällt. Kleckerweise werden Täter verhaftet, sieben erhalten 30-jährige<br />

Haftstrafen. Die Story wird 1965<br />

als TV-Dreiteiler Die Gentlemen<br />

"<br />

bitten zur Kasse" von der ARD ver-<br />

das beste Ergebnis überhaupt: 99,95 Prozent (das „schlechteste"<br />

filmt – ein Straßenfeger, u.a. . mit Horst ost<br />

waren 1954 magere 99,46 Prozent ...). *** Zwei Staaten werden<br />

Tappert und Günther<br />

Neutze. *** Vom Wald<br />

aufs Lotterbett: Der englische<br />

Heeresminister John<br />

Profumo stürzt über den Körper des Models und Callgirls<br />

Christine Keeler (20): Sie hatte in Wechselschicht auch<br />

den russischen Marineattaché Jewgeni Iwanow beglückt<br />

– Verdacht auf Landesverrat. *** Am 28.8. spricht<br />

Bürgerrechtler Martin Luther King (34) vor 250.000<br />

Menschen in Washington D.C. die wegweisenden Worte<br />

„I<br />

have a dream ..." – Anlass: der Marschfü<br />

für<br />

Arbeit und Freiheit. King wird am 4.4.1968<br />

in Memphis erschossen. *** Premiere in der<br />

UdSSR: Als erste Frau fliegt Valentina<br />

Tereschkowa eschko<br />

(25) mit<br />

„Wostok 6" am 16.6. für zwei Tage, 22<br />

Stunden und 50 Minuten solo in den Weltraum<br />

und wird dafür international gefeiert. *** Am<br />

3.6. stirbt Angelo Giuseppe Roncalli, besser<br />

bekannt als Papst Johannes XXIII. 27 Tage<br />

später wird sein Nachfolger Giovanni Battista<br />

Montini als Papst Paul VI. eingesetzt. *** In der<br />

Bundesrepublik tritt am 15.10. der erste Kanzler<br />

Konrad Adenauer (87, CDU) zurück. Ihm<br />

folgt der bisherige Wirtschaftsminister Ludwig<br />

Erhard (66, CDU). *** In der DDR erreicht die<br />

SED bei den Volkskammerwahlen am 20.10.<br />

Martin Luther King<br />

Zugüberfall bei Sears Crossing<br />

Start der Fußball-Bundesliga: Timo Konietzka (r.)<br />

und Max Lorenz (Werder Bremen)<br />

unabhängig von Großbritannien: Singapur (1.9.) und<br />

Kenia (12.12.). *** Der Ex-Boxer, -Richter und Demokrat<br />

(!) George Wallace setzt am 2.9. als Gouverneur von<br />

Alabama die Nationalgarde in Marsch, um schwarze<br />

Kinder am Betreten von Gemeinschaftsschulen zu hindern.<br />

Der praktizierende Rassist („Rassentrennung heute,<br />

morgen und für immer!") wurde 1972 angeschossen,<br />

blieb gelähmt und wandelte sich zum wiedergeborenen<br />

Christen. *** In der Nähe von Salzgitter ereignet sich<br />

im Oktober/November das "<br />

Wunder von Lengede":<br />

Seite 74 ■ GoodTimes 2/2013


Nach unfassbaren 14 Tagen werden<br />

elf verschüttete Bergleute mit einer<br />

Spezialkapsel („Dahlbusch-Bombe") aus<br />

58 Metern Tiefe zurück ins Leben gehievt.<br />

Anderes Rettungsgerät war schon auf<br />

dem Rücktransport nach Belgien, der<br />

Trauergottesdienst für die Opfer der<br />

Katastrophe bereits terminiert. Rund<br />

500 Medienvertreter vor Ort berichteten<br />

rund um die Uhr, das Live-Fernsehen<br />

erlebte eine frühe Sternstunde. *** Der<br />

Friedensnobelpreis geht am 10.12. in<br />

" Wunder von Lengede" Oslo an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes. ***<br />

SPORT<br />

Olympische Sommer- und Winterspiele, Fußball-WM/-EM, Leichtathletik-EM<br />

– in diesem Jahr alles nicht auf dem Terminkalender. ***<br />

Dennoch gibt es ein nationales Ereignis, das sich schon sehr bald zu<br />

einem gigantischen Sport- und Wirtschaftsfaktor auswächst: Beginn<br />

der Fußball-Bundesliga! Ein DFB-Beschluss vom 28.9.1962 wird<br />

umgesetzt, 16 Mannschaften gehen an den Start. Ab 24.8. läuft die<br />

Premierensaison, das erste Tor erzielt Friedhelm „Timo" Konietzka<br />

beim Spiel Werder Bremen – Borussia<br />

Dortmund schon nach 58 Sekunden für<br />

die Westdeutschen. Zu früh fürs Fernsehen,<br />

der Treffer ist optisch nicht dokumentiert.<br />

*** Letzter Nicht-Bundesligameister<br />

in einem Endspiel werden die Dortmunder,<br />

sie besiegen den 1. FC Köln am 29.6. in<br />

Stuttgart mit 3:1. Den DFB-Pokal holt sich<br />

– durch drei Uwe-Seeler-Tore – der HSV<br />

beim 3:0 gegen die Borussen am 19.8. in<br />

Hannover. *** DDR-Oberligameister wird<br />

erstmals der FC Motor Jena, den FDGB-<br />

M. Kilius &<br />

H.-J. Bäumler<br />

Pokal gewinnt die BSG Motor Zwickau (3:0<br />

gegen BSG Chemie Zeitz). *** Skispringen: Die Vierschanzentournee<br />

1962/63 geht an den Norweger Toralf Engan nach Siegen in<br />

Oberstdorf, Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen. In Bischofshofen<br />

wird er „nur" Vierter. *** Keinen Ausrutscher leisten sich Marika<br />

Kilius und ihr Partner Hans-Jürgen Bäumler: Sie werden am<br />

28.2. in Cortina d'Ampezzo Eiskunstlauf-Weltmeister der Paare. Bei<br />

den Herren muss sich Mitfavorit Manfred Schnelldorfer mit Rang 3<br />

hinter Donald McPherson (Kanada) und dem Franzosen Alain Calmat<br />

begnügen. Die Damenkonkurrenz gewinnt Sjoukje Dijkstra aus den<br />

Niederlanden. *** Box-Weltmeister im Schwergewicht bleibt Sonny<br />

Liston: Am 22.7. schlägt er Floyd Patterson in der ersten Runde k.o.<br />

– dem er am 25.9.1962 auf exakt dieselbe Weise den Titel abgeknöpft<br />

Sonny hatte. *** Ruhiger ist es<br />

Liston<br />

1963<br />

am Schachbrett: Die<br />

WM holt sich Tigran<br />

Petrosjan (UdSSR) gegen<br />

Landsmann Michail<br />

Botwinnik. *** Ebenfalls<br />

in die UdSSR geht einmal<br />

mehr der Welttitel<br />

im Eishockey. Die<br />

roboterhaft dominierenden<br />

Kufen-Sputniks<br />

siegen am 17.3. in Stockholm – auf den Plätzen: die Erzrivalen<br />

aus Schweden und der Tschechoslowakei. *** Zwei Radsport-<br />

Klassiker, zwei Siege für Einheimische: am 9.6. beendet der<br />

Italiener Franco Balmamion als Erster den Giro d'Italia; am 14.7.<br />

steht bei der Tour de France Jacques Anquetil (Frankreich) auf dem<br />

obersten Treppchen. Die Internationale Friedensfahrt gewinnt Klaus<br />

Ampler (DDR). *** Das Tennisturnier in Wimbledon entscheiden bei<br />

den Herren der Amerikaner Chuck McKinley (gegen Fred Stolle) und<br />

bei den Damen Margaret Court (Australien; gegen Billie Jean King)<br />

für sich. *** Sportler des Jahres/BRD: Gerhard Hetz, Ursel Brunner<br />

(beide Schwimmen) und die Hockey-Nationalmannschaft der Herren.<br />

Bei den Wahlen in der DDR stehen Klaus Ampler (Rad), Ingrid Krämer<br />

(Kunst- und Turmspringen) und die Fußball-Nationalmann schaft<br />

ganz oben. *** Fußballer des Jahres (BRD/DDR): Hans Schäfer<br />

(1. FC Köln)/Manfred Kaiser (SC Wismut Karl-Marx-Stadt). Den<br />

Europatitel greift<br />

sich der Torwart-<br />

Krake Lew<br />

Jaschin (Dynamo<br />

Moskau), seit<br />

1956 bis heute<br />

der einzige<br />

Keeper mit dieser<br />

Auszeichnung<br />

Lew Jaschin<br />

und „Welttorhüter des Jahrhunderts". h *** Die Europapokale gehen<br />

bei den Landesmeistern an den AC Mailand (2:1 gegen Benfica<br />

Lissabon) und bei den Pokalsiegern an die Tottenham Hotspurs (5:1<br />

gegen Atletico Madrid). ***<br />

FUNK & FERNSEHEN<br />

1963<br />

Technische Sensation: Am 3.1. meldet Walter Bruch sein neues<br />

PAL- Farbfernsehsystem (Phase Alternation Line) zum Patent an,<br />

Präsentation in Hannover. *** Der Sechsteiler Tim Frazer", erneut<br />

"<br />

nach einer Romanvorlage des Engländers Francis Durbridge, wird als<br />

Nachfolger von „Das Halstuch" zu einem gewaltigen Straßenfeger.<br />

Sogar der Boxkampf von Karl Mildenberger gegen Archie McBride wird<br />

verschoben, um nicht parallel zur letzten Krimifolge zu laufen. ***<br />

Spannende Unterhaltung bietet die Serie Sprung aus den Wolken",<br />

"<br />

die von 1961 bis 1963 in den USA 76 Mal als „Ripcord" gelaufen<br />

ist. Mit dabei: Ken Curtis, bekannt aus der Westernreihe „Rauchende<br />

Colts" („Gunsmoke"). *** Am 1.4. wird das TV-Programmangebot<br />

erweitert, um 19 Uhr geht das ZDF (Gründungsintendant: Prof.<br />

Karl Holzamer) an den Start. Gesendet wird zunächst aus scheddrigen<br />

Baracken in versiffter Umgebung g aus Eschborn bei Frankfurt/<br />

Main – Rufname des<br />

Areals ist „Telesibirsk".<br />

Zu Dauerbrennern<br />

avancieren ab 2.4. die<br />

Mainzelmännchen<br />

Anton, Berti, Conni,<br />

Det, Edi und Fritzchen<br />

des Karikaturisten<br />

Wolf Gerlach im<br />

Werbeumfeld.<br />

Am 4.4. beginnt die erste Krimi-Serie des Senders, „Das<br />

Kriminalmuseum". *** Neuerungen in der ARD: Der „Weltspiegel"<br />

wird ab 5.4. zum Informations-Klassiker mit Filmmaterial der<br />

Auslandskorrespondenten; im (Inlands-)„Bericht aus Bonn" kündigt<br />

Bundeskanzler Konrad Adenauer seinen Rücktritt an. Zwei<br />

Tage später heißt es erstmals Pfarrer Sommerauer antwortet".<br />

"<br />

Dies macht der Geistliche in genau 100 Sendungen bis 1978. ***<br />

Bildungsfernsehen amüsant: „Walter & Connie", eingekauft von<br />

der BBC. Ein englisches Jungehepaar vermittelt in Spielszenen<br />

Sprachunterricht mit Sätzen wie „Dies ist ein Fernseher, ist es nicht?"<br />

– „Nein, Walter, dies ist ein Rasierapparat." *** Die Messung der<br />

<strong>Eins</strong>chaltquoten beginnt: 1963–1974 durch Infratam. Später übernimmt<br />

die Teleskopie (1975–1984),<br />

seit 1985 ist die GfK (Gesellschaft<br />

für Kommunikationsforschung) tätig.<br />

*** Die Miss World des Jahres 1956,<br />

Petra Schürmann, wird Ansagerin<br />

beim Bayerischen Rundfunk. ***<br />

Abschied von einer legendären<br />

Unterhaltungsserie am 29.5.:<br />

Familie Hesselbach" (zuvor „Die<br />

"<br />

Firma Hesselbach"), mit Wolf Schmidt<br />

und Liesel Christ, hat ausgedient. ***<br />

In Berlin findet die Große Deutsche<br />

Funkausstellung statt: 153<br />

Petra Schürmann<br />

Aussteller präsentieren ihre Produkte<br />

417.500 interessierten i<br />

Besuchern. *** Top-Entertainer Peter<br />

Frankenfeld stellt am 3.5. seine neueste Fernsehshow vor: In „Und<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 75


" Dinner For One"<br />

Ihr Steckenpferd?" Teil 1" – mit Pierre Brice, Lex Barker und Marie Versini; Musik<br />

geht es um Menschen<br />

mit nicht alltäglichen<br />

von Martin Böttcher – zieht Besuchermassen in die bundesdeutschen<br />

Lichtspielhäuser. *** Am 10.10.<br />

Hobbys. *** Ebenso hat Liebesgrüße aus Moskau"<br />

"<br />

kurzweilig gerät Premiere, nach „James Bond jagt<br />

die „Zwischenmahlzeit"<br />

Dr. No" aus dem Vorjahr der zweite<br />

rund ums Spielfilm um den Agenten „007". In<br />

Showgeschäft mit der Hauptrolle wiederum mit Sean<br />

Quasselstrippe Gisela Connery. *** Für Qualität und/oder<br />

Das aktuelle Sportstudio"<br />

" Schlüter. *** Teure hohe Zuschauerzahlen sorgen außerdem<br />

Hinweise i für Verbraucher: Pro Sendeminute Werbung verlangt das<br />

ZDF 25.000 Mark, das Erste (größere Verbreitung) ruft bereits 70.000<br />

Mark auf. *** Noch heute eine feste Größe im ZDF-Programm:<br />

„Das Mädchen Irma La Douce<br />

(mit Shirley MacLaine), „Flipper"<br />

(mit Chuck Connors), „Gesprengte<br />

Das aktuelle Sportstudio". Am 24.8. – mit Beginn der Fußball- Ketten" (mit Steve McQueen, Charles<br />

"<br />

Bundesliga – hat dieses neue Format Premiere in einem umgebauten Bronson und James Garner) und<br />

Schweinestall. Präsentatoren (bis heute: 25 feste) im Gründungsjahr Der rosarote Panther" (mit Peter<br />

"<br />

des Senders waren die inzwischen sämtlich verstorbenen Rainer Sellers und David Niven). *** In der<br />

Günzler, Wim Thoelke, Harry Valérien, Helmuth Bendt und Heribert<br />

Meisel. *** Ebenfalls ein noch immer überaus beliebter Kult-Klassiker,<br />

der zum Jahresende gezeigt wird: „Der 90. Geburtstag", ein knapp<br />

Bundesrepublik wird „Durchbruch Lok 234" (mit Maria Körber und<br />

Erik Schumann) zum Kultstreifen über eine reale Flucht per Dampflok<br />

aus der DDR, Freddy-Quinn-Fans erleben<br />

20-minütiger Sketch (Originaltitel: Dinner For One", 1953 vom<br />

ihr Idol in „Heimweh nach St. Pauli". ***<br />

"<br />

Briten Lauri Wylie geschrieben). In den Hauptrollen: Mary Warden<br />

Auch Musikfilme – mit mehr Handlung<br />

als „Miss Sophie" und<br />

oder weniger – wecken wieder großes Fan-<br />

Freddie Frinton als<br />

Interesse, darunter „Acapulco" und „Viva<br />

angesoffener, permanent<br />

Las Vegas" mit Elvis Presley, „Summer<br />

über einen<br />

Holiday" mit Cliff Richard, „Beach Party"<br />

Tigerschädel stolpernder<br />

mit Frankie Avalon und Dick Dale, „It's All<br />

Butler „James"<br />

Happening" mit UK-Rock'n'Roller Tommy<br />

Sean Connery<br />

sowie die imaginären<br />

Steele, „Country Music On Broadway" (u.a.<br />

Gäste „Mr. Pommeroy",<br />

mit Hank Snow, Skeeter Davis). *** Nationale und internationale Stars<br />

„Sir Toby", „Mr.<br />

in spe erblicken das Licht der Welt: Andrea Sawatzki (23.2.), Quentin<br />

Winterbottom" und „Admiral von Schneider". Erstausstrahlung am Tarantino (27.3.), Johnny Depp (9.6.), Brigitte Nielsen (15.7.), Heino<br />

8.7. in der Show „Guten Abend, Peter 1963<br />

Frankenfeld".<br />

***<br />

Ferch (18.8.), Katja Riemann (1.11.) und Brad Pitt (18.12.). *** Aus<br />

der Hollywood-Garde der Großen verstirbt der Sänger, Schauspieler<br />

FILM<br />

und Regisseur Dick Powell (2.1.) mit 60 Jahren an Krebs – eventuell<br />

Weltpremiere eines faszinierenden Thrillers am 28.3. in den USA,<br />

ausgelöst durch Radioaktivität, die während der Aufnahmen von<br />

dessen Gruselwirkung Jahrzehnte überdauern wird: Die Vögel" „Der Eroberer" (1956) in einem Atomwaffentestgebiet in der Wüste<br />

"<br />

von Alfred Hitchcock, mit Rod Taylor und Tippy Hedren (Mutter Nevada auf ihn übertragen wurde. *** Weitere Todesfälle: Harry Piel<br />

von Melanie Griffith). Deutsche Uraufführung am 20.9. *** Für<br />

einen Skandal wegen zu großer sexueller Freizügigkeit sorgt<br />

"<br />

des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman.<br />

In der Hauptrolle: Ingrid Thulin.<br />

Erstaufführung am 23.9. *** Drei<br />

Monate zuvor prägten – kurz vor<br />

ihrer ersten Eheschließung – Elizabeth<br />

(*1892), Regisseur Ernst Marischka (*1893) und Gustaf Gründgens<br />

(*1899). ***<br />

MUSIK<br />

Eine Revolution nimmt allmählich Fahrt auf: Beat heißt das magische<br />

Wort. Nach (bzw. parallel zu) Rock'n'Roll, Twist, Instrumentals<br />

und Surf kommt aus Liverpool eine neue musikalische – und wirtschaftliche<br />

- Welle noch ungeahnten en Ausmaßes über Europa und den<br />

Liz" Taylor und Richard Burton<br />

"<br />

(als Marcus Antonius) den monumentalen<br />

Rest der Welt. Bands wie<br />

Historienfilm „Cleopatra" unter<br />

der Regie von Joseph Mankiewicz. ***<br />

die Beatles, Searchers,<br />

Gerry & The Pacemakers<br />

Am 15.11. wird in der Ost-Berliner<br />

bilden die britische<br />

Karl-Marx-Allee das Kino International<br />

Speerspitze einer quantitativ<br />

eröffnet. Das imposante Haus mit Platz<br />

explodierenden<br />

für rund 600 Besucher avanciert für<br />

(Jugend-)Bewegung, die<br />

viele Jahre zum DDR-Premierenkino.<br />

das <strong>kult</strong>urelle Leben von<br />

The Beatles<br />

*** Preise, Preise, Preise: Die Golden<br />

Grund auf verändert. ***<br />

Globes gehen in diesem Jahr an Zeitlich genau zu diesen Veränderungen passend, bringt der niederländische<br />

Elizabeth Taylor<br />

„Lawrence von Arabien" (Film),<br />

Philips-Konzern die ersten Kassettenrekorder auf den<br />

Gregory Peck und Geraldine Page (Darsteller) und David Lean<br />

(Regisseur); bei der Oscar-Verleihung gewinnt Anne Bancroft<br />

bei den Schauspielerinnen, die anderen Sieger in den genannten<br />

Kategorien sind identisch. *** Der Deutsche Filmpreis wird an „Die<br />

endlose Nacht" (mit Karin Hübner) und an „Das Feuerschiff" (mit<br />

Dieter Borsche, nach einer Erzählung von Siegfried Lenz) vergeben.<br />

Bei zwei Top-Filmen aus der DDR führt Frank Beyer Regie: „Nackt<br />

unter Wölfen" (u.a. mit Armin Mueller-Stahl) und „Karbid und<br />

Markt, eine kleinere (und schon bald transportable) Variante der eher<br />

sperrigen Tonbandgeräte. *** Erstes Großereignis des Musikjahres<br />

ist die achte Veranstaltung des Grand Prix Eurovision de la<br />

Chanson (heute ESC/European Song Contest). Auftrittsort ist am<br />

23.3. London. Ungewohnt: Künstler und Publikum befinden sich in<br />

separaten Räumen, was Zweifel am Live-Charakter des Spektakels<br />

aufkommen lässt. Die dänischen Sieger Grethe & Jörgen Ingman<br />

präsentieren ihr "Dansevise" und schlagen<br />

Sauerampfer". *** Die „Ottos" der Zeitschrift Bravo" erhalten Rock damit u.a. die Kolleginnen Esther Ofarim<br />

"<br />

Hudson (vor O.W. Fischer und Anthony Perkins) sowie Sophia Loren (Schweiz/2.), Francoise Hardy (Monaco/5.)<br />

(vor den deutschen Stars Ruth Leuwerik und Liselotte Pulver). *** Ab<br />

11.12. erweist sich – nach „Der Schatz im Silbersee" von 1962 – erneut<br />

ein Karl-May-Stoff als Supererfolg an den Kinokassen: Winnetou,<br />

"<br />

und Nana Mouskouri (Luxemburg/8.). Für<br />

Deutschland endet Heidi Brühl mit "Marcel"<br />

auf Platz 9 von 16 Teilnehmern, sie erhält ledig-<br />

1963<br />

Seite 76 ■ GoodTimes 2/2013


lich fünf Punkte aus Monaco und Norwegen. Deutscher Kommentator<br />

ist der spätere ARD-„Tagesthemen"-Moderator Hanns-Joachim<br />

Friedrichs. *** Zum dritten Mal findet ein nationaler Wettstreit statt,<br />

die Deutschen Schlager-Festspiele am 15.6., Schauplatz ist<br />

Baden-Baden. Die eher altbackenen<br />

Künstler Anita Traversi und<br />

Gerhard Wendland haben keine<br />

Chance gegen den Siegertitel "Ich<br />

will 'nen Cowboy als Mann", intoniert<br />

von Konkurrentin Gitte. ***<br />

Klangsensation in Vorbereitung:<br />

Der amerikanische Tüftler Ray<br />

Dolby (geboren 1933 in Portland,<br />

Oregon) entwickelt die Grundzüge<br />

eines völlig bahnbrechenden<br />

Rauschunterdrückungsverfahrens<br />

für Tonaufnahmen. Das nach ihm<br />

benannte System wird drei Jahre<br />

später marktreif eingeführt und setzt sich ih<br />

weltweit in Profistudios<br />

und auf dem allgemeinen Konsumentenmarkt durch. Das aktuelle<br />

Vermögen des Erfinders wird auf 2,7 Milliarden Dollar geschätzt. ***<br />

Zu den populärsten Hitparadentiteln der USA werden "Sugar Shack"<br />

von Jimmy Gilmer & The Fireballs und "He's So Fine" (Chiffons)<br />

gekürt. Bei den LPs liegt Andy Williams mit DAYS OF WINE AND<br />

ROSES klar vor Vaughn Meader und THE FIRST FAMILY. In England<br />

– der Beat schlägt hier schon massiv durch<br />

– stehen die Beatles mit "From Me To You"<br />

und "I Want To Hold Your Hand" an der<br />

Spitze, in den LP-Hitparaden überflügeln<br />

sie mit PLEASE, PLEASE ME auf Anhieb<br />

Cliff Richards SUMMER HOLIDAY.<br />

Auf dem deutschen Markt rangiert weiterhin<br />

Erprobtes an der Spitze: Neben Freddy<br />

Quinn, dessen Gassenhauer "Junge,<br />

komm bald wieder" aus dem Vorjahr<br />

auch 1963 noch wochenlang punktet,<br />

marschieren die Dänin Gitte ("Ich will 'nen<br />

Cowboy als Mann") sowie Gitte mit ihrem<br />

Gesangspartner Rex Gildo ("Vom Stadtpark<br />

die Laternen") voran. Im LP-Bereich<br />

mühen sich Solisten und Orchester vergeblich:<br />

Es führt kein Weg an der deutschen<br />

Originalaufnahme des beliebten<br />

Musicals My Fair Lady" vorbei. *** Die<br />

"<br />

Single- und Langspielplattenverkäufe in<br />

der Bundesrepublik erreichen in diesem Jahr neue Bestmarken mit<br />

15 beziehungsweise 30 Millionen abgesetzten Exemplaren. ***<br />

1963<br />

VERMISCHTES AUS ALLER WELT<br />

Am 8.1. wird das Bundesurlaubsgesetz verkündet. *** Der<br />

Dramatiker Rolf Hochhuth thematisiert in seinem Stück "<br />

Der<br />

Stellvertreter" schonungslos die Rolle der Kirche während der<br />

NS-Zeit und sorgt für einen Sturm der Entrüstung. *** Am ersten<br />

Volkslauf in der Bundesrepublik nehmen am 13.10. in Bobingen<br />

(Naturpark Augsburg) 1654 Menschen teil. *** Auf Bali bricht am 18.2.<br />

der Vulkan Agung aus, rund 1500 Menschen verlieren ihr Leben. *** Die<br />

Firma Pentel in Japan lässt es quietschen, e sie bringt Filzstifte auf den<br />

Markt. *** USS Thresher<br />

E i n e<br />

OP-Weltsen<br />

sation<br />

in den<br />

USA: Am<br />

1.3. wagt<br />

der Mediziner Dr. Thomas Starzl in Denver, Colorado, die erste<br />

Lebertransplantation an einem Menschen. *** Die Western Electric<br />

Company stellt am 2.3. in den USA ihr neuartiges Tastentelefon<br />

vor. *** Bei Tauchtests vor Cape Cod sinkt am 10.4. das amerikanische<br />

U-Boot USS Thresher mit 129 Besatzungsmitgliedern. *** Die<br />

beliebtes te Sportzeitung der DDR, das „Sportecho", erscheint jetzt<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 77<br />

täglich. *** Coca-Cola<br />

wirbt mit einem seiner<br />

bekanntesten und einfachsten<br />

Slogans: „Viel<br />

Erfrischung für wenig<br />

Geld". *** Eine starke<br />

Maschine hebt am 6.2.<br />

erstmals ab, die legendäre<br />

Boeing 727. Es<br />

Erdbeben in Skopje<br />

werden insgesamt 1832<br />

der 39.780-kg-Jets für je 131 Passagiere gebaut, Indienststellung für<br />

den Linienverkehr am 1.2.1964. *** Am 23.5. wird die SPD, einst<br />

gegründet als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein, 100 Jahre alt. ***<br />

Naturkatastrophe im ehemaligen Jugoslawien: Bei einem verheerenden<br />

Erdbeben in Skopje sterben am 26.7. über 1100 Menschen.<br />

*** Bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/<br />

Main wird ein zukünftiger Kultsportwagen vorgestellt, der Porsche<br />

911. *** Harvey Ball (42), Grafiker in Diensten einer Werbeagentur<br />

in Worcester, Massachusetts, zeichnet für erfolgreiche Angestellte<br />

Porsche 911<br />

einer Versicherung<br />

in Ohio mit ein<br />

paar Strichen einen<br />

Klassiker – den<br />

Smiley". Weil er<br />

"<br />

die weiteren Folgen<br />

nicht erkennt, lässt<br />

er sich die Rechte daran nicht schützen ... *** Am 14.5. wird die<br />

nunmehr lückenlose Verkehrsverbindung zwischen Hamburg und<br />

Kopenhagen eröffnet; sie erhält den Namen Vogelfluglinie. ***<br />

Schriftsteller Heinrich Böll bringt eines seiner bekanntesten<br />

Bücher auf den Markt, Ansichten eines<br />

"<br />

Clowns". *** In der britischen „Daily Mail"<br />

erscheint am 8.7. der erste Comic Strip mit<br />

Bassethund Wurzel". *** In Moskau unterzeichnen<br />

am 5.8. die Außenminister der "<br />

USA,<br />

Großbritanniens und der UdSSR ein Abkommen<br />

über den Stopp aller Atomwaffentests in der<br />

Atmosphäre, unter Wasser und im Weltraum. *** Seit<br />

1959 wurde daran getüftelt – erst jetzt lässt sich Ermal Fraze aus dem<br />

US-Bundesstaat Indiana das Ringpull-System für Getränkedosen<br />

patentieren. *** Am Kemperplatz in Berlin-Tiergarten wird die<br />

Philharmonie eröffnet. Baukosten: etwa 17,5 Millionen Mark.<br />

Zur Feier am 15.10. dirigiert Herbert von Karajan die 9. Sinfonie<br />

von Beethoven. *** Bürgerkriegsähnliche g Auseinandersetzungen ab<br />

Elmore James 29.12. auf der Insel Zypern zwischen<br />

griechischen und türkischen<br />

Zyprioten. *** Neu auf Erden:<br />

Basketball-Ikone Michael Jordan<br />

(17.2.), Popstar George Michael<br />

(25.6.), Violinistin Anne-Sophie<br />

Mutter (29.6.), Metal-Gitarrist<br />

Yngwie Malmsteen (30.6.),<br />

Skispringer Matti Nykänen (17.7.),<br />

Sängerin Whitney Houston (9.8.),<br />

Schauspielerin Anne Bennent<br />

(13.10.), Sänger Eros Ramazzotti<br />

(28.10.), Stabhochsprung-<br />

Überflieger Sergej Bubka (4.12.). *** Abschied für immer:<br />

US-Schriftstellerin Sylvia Plath (*1932; 11.2.), Country-Sängerin Patsy<br />

Cline (*1932; 5.3.), Blues-Legende Elmore James (*1918; 24.5.),<br />

Europapolitiker Robert Schuman (*1886; 4.9.), Chansonette Edith<br />

Piaf (*1915; 11.10.), Schriftsteller<br />

Aldous Huxley (*1894; 22.11.),<br />

Altbundespräsident Theodor<br />

Heuss (*1884; 12.12.), SPD-Chef<br />

Erich Ollenhauer (*1901; 14.12.).<br />

***<br />

1963<br />

Edith Piaf


Sammelbilder<br />

Vom Kaufanreiz zum<br />

Objekt der Begierde<br />

Von Peter Henning<br />

Die Anfänge des Bildersammelns reichen bis<br />

in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück: Der<br />

Kölner Schokoladenfabrikant Franz Stoll werck<br />

ließ um 1845 erstmals Sammelbilder in seine<br />

Schokoladentafeln mit einwickeln. Hersteller<br />

wie die Firma Justus Liebig, deren würzigem<br />

Fleischextrakt ebenfalls Sammelbildchen beigefügt<br />

waren, zogen nach – und die Bildersammelei<br />

wurde schlagartig populär.<br />

T<br />

iere, Sagen- oder Märchenmotive kamen zuerst auf den<br />

Markt, aber auch Serien mit deutschen Kriegsschiffen und<br />

Heerführern<br />

aus dem Krieg von<br />

1870/71 oder Motive aus<br />

den deutschen Kolonien waren abgebildet.<br />

1892 brachte<br />

Liebig die ersten<br />

Fußballmotive heraus,<br />

Stollwerck zog<br />

wenig später nach.<br />

Die Firma Sanella<br />

schickte gleich mehrere<br />

Sammelreihen<br />

ins Rennen. Ihre Themen:<br />

„Deutsche Geschichte", „Erde<br />

& Weltall" und „Wilde Tiere,<br />

fremde Länder" – und die<br />

Deutschen sammelten, was das<br />

Zeug hielt.<br />

Bald lagen auch in den<br />

Zigaret tenpackungen<br />

Bilder bei, die allerdings<br />

nicht mehr so<br />

hochwertig gedruckt<br />

waren. Für die Firmen<br />

waren die Bildchen nicht nur ein wichtiges<br />

Werbemittel, sondern sie sorgten gleichzeitig<br />

dafür, dass der Kunde, wenn er eine<br />

Bilderserie komplett wollte, stets die gleiche Kaffee-,<br />

Margarine- oder Schokoladenmarke kaufen musste. Den<br />

Sammlern waren die Verkauftricks der Hersteller in der<br />

Regel egal. Sie<br />

kannten<br />

nur<br />

ein Ziel: ihr<br />

Album<br />

möglichst<br />

schnell<br />

vollzubekommen. Genau wie ich damals, 1968. Da war ich neun.<br />

Auch die Nazis hatten die Liebe der Deutschen zu den kleinen<br />

Sammelbildern genutzt: In den Kolonialbildern,<br />

die seinerzeit im Umlauf waren, spiegelte sich<br />

die rassistische <strong>Eins</strong>tellung jener Zeit wider;<br />

Bilder mit Kriegsschiffen und Heerführern<br />

sollten für den Krieg begeistern. In Goebbels'<br />

Propagandaministerium gab es gar eine<br />

eigens dafür eingerichtete Prüfstelle, die jedes<br />

Sammelalbum vor der Veröffentlichung begutachtete<br />

und notfalls zensierte. Das Ministerium<br />

nahm auch Einfluss auf die Themen, um die<br />

nationalsozialistische<br />

Herrschaft zu festigen.<br />

Alben zeigten Bilder von<br />

Propagandamärschen und widmeten<br />

sich vor den Olympischen<br />

Spielen 1936 ausführlich der<br />

angeblichen Überlegenheit<br />

der Deutschen. Hitler nutzte<br />

Sammelbilder außerdem, um sich<br />

dem Volk als Staatsmann t zum Anfassen zu präsentieren. So ließ er sich<br />

etwa beim Füttern von Rehen abbilden.<br />

1942 war es mit den Sammelbildern und -alben erst einmal vorbei:<br />

Nazi-Deutschland hatte andere Sorgen als das Sammeln kleiner, bunt<br />

bedruckter Kartons.<br />

Mitte<br />

der 50er Jahre aber, nachdem Deutschland sich von den<br />

Kriegsfolgen erholt und halbwegs wieder konsolidiert hatte, kamen<br />

die Sammelbilder wieder in Mode – allen voran Fußballbildchen.<br />

Und mit Einführung der Bundesliga mit der Saison 1963/64<br />

waren die Sammelbilder ein Muss für alle echten Fußballfans.<br />

Anfangs noch nahezu postkartengroß und aus stabilem Karton<br />

gefertigt, wurden die Bilder mit Uhu-Kleber in den Alben des<br />

Bergmann Verlags in Unna oder W-S-Verlags in Wanne-Eickel<br />

eingeklebt. Inzwischen blättern Romantiker satte 250 Euro für<br />

Alben aus jenen Jahren hin – spiegelt sich doch in ihnen eine<br />

Seite 78 ■ GoodTimes 2/2013


der spannendsten Phasen ihrer Jugend wider.<br />

Denn das Sammeln und Tauschen verfolgte<br />

nicht wenige jugendliche Sammler bis in ihre<br />

Träume.<br />

Ein Klassiker unter den Fußballalben ist das<br />

gelbe Bergmann-Album der Bundesliga-<br />

Spielzeit 1966/67 – von Fußballnostalgikern<br />

viel ge sucht und leider kaum gefunden. Denn<br />

wer das gelbe Album, dessen Umschlag die<br />

Dortmunder Europa Cup-Sieger Mannschaft<br />

mit Größen<br />

wie Reinhard<br />

„Stan" Libuda,<br />

Hans Tilkowski<br />

und<br />

Lothar<br />

Emmerich<br />

schmückt, noch aus Kinder tagen besitzt,<br />

gibt es nie mehr her. Ebenso wenig das<br />

der Bundesliga-Spielzeit 68/69, dessen<br />

Umschlag der junge Franz Beckenbauer ziert.<br />

Denn jene Spielzeiten, in denen noch Größen<br />

wie Gerd Müller, Uwe Seeler, Jupp Heynckes<br />

und der junge Günter<br />

Netzer den grünen Rasen<br />

dominierten, markierten<br />

die Geburtsstunden,<br />

in denen Deutschland<br />

zu alter fußballerischer r<br />

Größe zurückfand.<br />

Die WM 1970 gilt bis<br />

heute als die schönste<br />

und spannendste, der WM-Sieg von 1974 als der Triumph der vielleicht<br />

spielstärksten deutschen Mannschaft aller Zeiten.<br />

Inzwischen aber, mehr als 40 Jahre später, hat das Sammeln etwas<br />

Inflationäres bekommen. Neben Fußballsammelbildern sind Tierbilder<br />

ebenso dauerhaft im Rennen wie selbst klebende Motive von den<br />

Simpsons.<br />

Die Lust am Sammeln<br />

indes scheint ungebrochen.<br />

Und musste man<br />

Anfang der 70er Jahre<br />

noch 25 Pfennige<br />

für ein Tütchen mit<br />

fünf Bilder berappen,<br />

so findet sich<br />

inzwischen in jedem<br />

Duplo-Riegel und<br />

jeder Hanuta-Waffel<br />

ein Sammelbildchen – allerdings meist briefmarkengroß<br />

und in miserabler Druckqualität.<br />

Mit dem Sam m ler von<br />

früher, der für das Bild<br />

der Torwartlegende e<br />

Petar Radenkovic von<br />

1860 München wahrscheinlich,<br />

ohne mit<br />

der Wimper zu<br />

zucken, seinen<br />

besten Freund<br />

verraten hätte, hat der heutige Sammler<br />

kaum mehr etwas<br />

gemein. Damals,<br />

1970, waren<br />

wahre Sammler<br />

die glücklicheren en<br />

Menschen. Denn wo<br />

Nichtsammler ihre<br />

Freizeit mit drögen Brettspielen oder beim<br />

Tischtennistraining vergeudeten, da erlebten<br />

die meist 13 oder 14<br />

Jahre alten Bilderjäger<br />

die fantastischsten<br />

emotionalen Aufs und<br />

Abs: Jedes wochenlang<br />

gesuchte und<br />

endlich ergatterte Bild<br />

ließ die persönliche<br />

Adrenalinkurve nach<br />

oben schnellen.<br />

Bildersammeln<br />

war damals<br />

eben eine echte<br />

Passion – und<br />

kein unterhaltsames<br />

Nebenbei.<br />

Zudem hat sich das Bildersammelgeschäft in<br />

ein Millionengeschäft verwandelt, in dem die Firma Panini den Markt<br />

fast komplett erobert hat – und ehemalige Konkurrenten, etwa die<br />

Firma Bergmann, die sich Ende der 60er Jahre zum Marktführer in<br />

Deutschland entwickelt hatte, längst verdrängt. Schade eigentlich. Aber<br />

mein gelbes 66er Album kann mir gottlob keiner nehmen.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 79


Volker Lechtenbrink<br />

Akzeptiere Dein<br />

Alter und mache<br />

das Beste draus<br />

Er wurde mit dem Antikriegsfilm „Die Brücke" 1959<br />

berühmt, wurde zu einem unverzichtbaren Gesicht in zahlreichen<br />

TV-Serien, besang mehrere eigene LPs, schrieb für<br />

Peter Maffay maßgebliche Texte und schaute in seinem<br />

Buch „Gib die Dinge mit Grazie auf" auf seine beeindruckende<br />

Karriere zurück. Jetzt, mit 68 Jahren, hat Volker<br />

Lechtenbrink noch einmal Blut geleckt: Vielleicht gibt es<br />

schon bald eine neue CD von ihm.<br />

Von Christian Simon<br />

Du bist Schauspieler, künstlerischer Leiter, Intendant, Sänger, Texter<br />

und Autor. Auf allen Gebieten wirst Du akzeptiert. Wie bist Du dem<br />

Schubladendenken entkommen?<br />

Indem ich einfach gemacht habe. Die Schubladen waren ja da. Oft<br />

wurde ich gefragt: „Sind Sie Sänger oder Schauspieler?" Dagegen habe<br />

ich mich immer gewehrt. Ich bin sowohl als auch. In jedem Land gibt<br />

es das. In Frankreich die Chansonniers wie Charles Aznavour oder sogar<br />

Rockstar Johnny Hallyday waren Schauspieler und haben hervorragende<br />

Filme gemacht. In Amerika ist es sowieso gang und gäbe. Nur bei uns<br />

wollte man immer in Schubladen denken. Dazu gab es immer auch<br />

noch diese Unterscheidung zwischen E und U, also bist Du ein ernster<br />

Schauspieler, oder gehörst Du zum Boulevard. Aber das ist doch alles<br />

ein und derselbe Beruf. Und wenn man ihn<br />

kann und die Möglichkeit hat, sich auszuprobieren,<br />

dann soll man es machen: den<br />

Prinz von Homburg spielen und bei RTL<br />

moderieren – das ist doch erfrischend.<br />

1959 hast Du den Klaus Hager in Bernhard<br />

Wickis Antikriegsfilm Die Brücke" gespielt. Ist<br />

"<br />

dieser Film besonders eng mit dir verbunden,<br />

oder ist er nur ein Stück Nostalgie?<br />

„Die Brücke" ist prägend für mein ganzes<br />

Leben gewesen, ein „Sesam öffne Dich"<br />

für meinen Beruf. Überall, wo ich hinkam,<br />

wurde ich mit offenen Armen empfangen.<br />

Ich werde heute noch oft gefragt: „Ist das<br />

nicht schlimm für Sie, nach so langer Zeit immer noch auf diesen Film<br />

angesprochen zu werden?" Nein, das ist wunderbar. Stell dir mal vor,<br />

mein erster Film wäre „In der Lederhose wird gejodelt" gewesen, und<br />

ich würde daraufhin jetzt 50 Jahre angesprochen werden. Das wäre<br />

unangenehm. Aber nicht für<br />

den besten Antikriegsfilm<br />

aller Zeiten.<br />

Film und Theater sind zwei völlig<br />

verschiedene Spielwiesen.<br />

Fühlst Du Dich auf beiden gleichermaßen<br />

wohl?<br />

Ich bin vom Blut her mehr<br />

"<br />

Die Brücke" mit Volker<br />

Lechtenbrink (2.v.l.) dem Theater verbunden. Aber<br />

es war für mich immer eine Erholung und eine große Freude, nach<br />

Theaterarbeiten wieder zu drehen. Ich habe wahnsinnig gerne Inga<br />

Lindström und Rosamunde Pilcher gedreht. Das waren nette Teams, sehr<br />

schöne Locations, gute Rollen, und es war Unterhaltung für Millionen.<br />

Ich finde diese Wechselbäder zwischen Theater und Film sehr aufregend.<br />

Möchtest Du noch einmal jung sein und von vorne anfangen?<br />

Nee, von vorne anfangen nicht, aber ich hätte nichts dagegen, 20 Jahre<br />

jünger zu sein. Aber ich weiß, dass ich alles wieder so<br />

machen würde, wie ich es gemacht habe. Ich bereue nichts,<br />

auch wenn ich Fehler gemacht habe. Na klar, manchmal<br />

wünscht man sich nach einer Premiere, wenn der ganze<br />

Druck abfällt, mal wieder so richtig zu feiern. Aber da gibt<br />

es den tollen Satz von Walter Giller, mit dem ich noch kurz<br />

vor seinem Tod telefoniert habe. Er meinte, wir sollten uns<br />

doch mal auf ’ne Tasse Kaffee treffen,<br />

und ich fragte: „Walter, was wollen wir<br />

trinken?" „Ja, ich weiß schon", sagte er,<br />

„eher ein Glas Bier. Aber Du weißt doch<br />

–<br />

früher haben wir eine Woche gefeiert,<br />

uns dann unter die kalte Dusche<br />

gestellt und waren wieder fit. Heute<br />

feiern wir einen Tag, stellen uns dann sieben Tage<br />

unter die Dusche, und es nützt immer noch nichts."<br />

Vier gescheiterte Ehen gehören auch zu Deinem<br />

Leben...<br />

Das Wort „gescheitert" lasse ich überhaupt nicht<br />

gelten. Ich hatte vier Ehen, die melancholisch zu<br />

Ende gegangen sind. Wir haben festgestellt, das<br />

ist nicht mehr das, worunter wir angetreten sind.<br />

Ich bin mit meiner ersten Frau, mit der ich ja auch<br />

eine mittlerweile 45-jährige Tochter habe, seit fast<br />

50 Jahren in herzlichster Verbindung. Und genauso<br />

geht es mir mit fast allen meinen Ex-Frauen. Es<br />

war nie Hass oder ein anderer Mensch im Spiel. Es<br />

ging immer zu Ende, weil die Luft raus war und<br />

man sich etwas anderes vorgestellt hatte.<br />

ll<br />

Fotos: © Bildarc darchiv<br />

Hallhube huber/Zill<br />

Seite 80 ■ GoodTimes 2/2013


Du hattest eine sehr erfolgreiche Zeit als Sänger und hast dann 1989<br />

in der TV-Sendung Showkolade" überraschend Deinen Abschied vom<br />

"<br />

Gesangmikrofon verkündet. Was war der Grund?<br />

Es hat gereicht. Ich hatte das Gefühl, jetzt kommst Du nicht weiter,<br />

obwohl ich gerade zu diesem Zeitpunkt<br />

einen Hit hatte ("Irgendwann", ein<br />

Titelsong aus der ZDF-Serie „Ein Fall für<br />

Zwei", Anm. d. Autors.). Aber ich habe<br />

mich nicht mehr wohlgefühlt, denn ich<br />

sollte jedes Jahr eine CD rausbringen<br />

und mich dem Strom anpassen, hier<br />

rockiger, da schlagermäßiger – das wollte<br />

ich ja gar nicht. Ich wollte Balladen<br />

machen mit guten deutschen Texten.<br />

Und das ist mir ja schließlich auch jahrelang<br />

gelungen.<br />

Vermisst Du heute die Musik?<br />

Ich habe 20 Jahre konsequent nicht<br />

gesungen, obwohl viele immer wieder Volker Lechtenbrink 1980<br />

nach dem Motto „mach bei mir doch mal ’ne Ausnahme" angefragt<br />

haben. Vor einem Jahr hat mich dann Carmen Nebel gefragt. Die war so<br />

charmant und nett. Da habe ich dann zugesagt und "All das mag ich"<br />

gesungen. Da hat es mich doch wieder gejuckt. Jetzt spiele ich mit dem<br />

Gedanken, eventuell doch wieder eine CD zu machen – meinem Alter<br />

und meiner <strong>Eins</strong>tellung entsprechend. Aber erst mal machen, anhören<br />

und dann entscheiden, ob es veröffentlicht werden soll.<br />

Du hast vor zwei Jahren Deine Erinnerungen als Buch veröffentlicht und<br />

es toll betitelt: Gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf." Was hast Du<br />

"<br />

aufgegeben?<br />

Oh, wahrscheinlich so einiges. Der Titel soll aber auch als Vorschlag<br />

verstanden werden, denn ich finde es schlimm, wenn man als älterer<br />

Mensch der Jugend hinterherläuft. Ein schönes Beispiel: Ich lach’ mich<br />

immer tot, wenn im feinen Hamburg-Eppendorf sich ein alter Herr aus<br />

dem Porsche zwängt, den Kaschmirpullover locker um die Schultern<br />

gewickelt zum Italiener reinstelzt und ruft „Hey Luigi, noch ’ne Latte<br />

bitte". Das ist für mich die Karikatur eines älteren Herrn. Er kommt sich<br />

ungeheuerlich jung vor, dabei ist er für mich nur albern. Du musst Dein<br />

jeweiliges Alter akzeptieren und das Beste daraus machen.<br />

Ein Song von Dir heißt "Leben so wie ich es mag". Lebst Du heute so, wie<br />

Du es magst?<br />

Zu den Liedern, die ich damals für mich und auch für Peter<br />

Maffay geschrieben habe, stehe ich noch zu 95 Prozent. In<br />

dem Lied heißt es ja auch: „Ich hass die Selbstgerechten, diese<br />

echten Schlechten, die ihre Kinder heut’ noch hau’n ..." oder<br />

„Dafür liebe ich die Raren, die sich ihren Stolz bewahren, denen<br />

kann man noch vertrau’n ..." – das gilt ja alles noch. Ich habe<br />

drei prima Kinder, eine wunderbare Lebensgefährtin, in meinem<br />

Beruf offene Türen, und ich kann das machen, was ich möchte.<br />

Ich bin dankbar, dass ich lebe und soviel erleben durfte. Ich bin<br />

sehr dankbar für mein Leben.<br />

Du hast einen Titel verliehen bekommen: Ehren-Alster-<br />

Schleusenwärter. Das musst Du uns erklären.<br />

Da bin ich ganz stolz drauf. In Hamburg gibt es seit 30<br />

Jahren<br />

jedes<br />

Jahr einen Hamburger,<br />

der durch ein Gremium<br />

zum Ehren-Alster-<br />

Schleusenwärter<br />

gewählt wird. Diesen<br />

Titel bekommt nur<br />

ein Hamburger, der<br />

das Ansehen der Stadt<br />

in der Welt vermehrt<br />

hat. Auch James Last,<br />

Jan Fedder und ein<br />

paar Politiker haben<br />

den Titel. Das ist in<br />

Hamburg mit die größte<br />

Ehre, die man Dir<br />

erweisen kann.<br />

Volker Lechtenbrink & Christian Simon<br />

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MODE-SERIE<br />

D I E<br />

50er<br />

instyles<br />

<strong>kult</strong>!<br />

ERSTER TEIL<br />

Von Claudia Tupeit<br />

Petticoat &<br />

Pomade wieder<br />

heiß begehrt<br />

J<br />

an Wilker (29) und Jette<br />

Pittelkow (28) leben<br />

die 50er Jahre voll aus.<br />

Klamotten, Einrichtung,<br />

Attitüde – alles ist auf<br />

das Jahrzehnt von Elvis, Diners,<br />

Nierentisch und Co. ausgerichtet.<br />

Passend zu Carl Perkins' "Blue Suede<br />

Shoes" schwingt die fesche Jette im<br />

Takt keck die Hüfte, während sie den<br />

Kaffee aus der stilechten, bauchigen Kanne<br />

in die bunten Becher gießt. Ihr Schatz Jan<br />

sitzt lässig in umgekrempelten Jeans, Karohemd<br />

und mit perfekt gegeltem Haar an dem kleinen<br />

" Vintage"<br />

und Retro" sind die<br />

"<br />

Modeworte der Stunde. Die<br />

Klamottentrends von heute haben<br />

Bubikragen der 50s, Miniröcke im 60er-Stil,<br />

Schlaghosen und Plateauschuhe kommen<br />

aus dem Jahrzehnt von Abba, und breite<br />

Schultern, Neonfarben und Chinohosen<br />

sind ein Relikt der verrückten 80s. Wer<br />

heute in" sein will, hat die vergangenen<br />

"<br />

Dekaden nicht nur im Kleiderschrank, sondern<br />

auch auf dem Plattenteller und im DVD-<br />

Player. <strong>kult</strong>! widmet sich den Trends von<br />

damals, die heute schon wieder für viele<br />

zum Lebensgefühl gehören. Den<br />

Anfang machen die 50er<br />

Jahre.<br />

Tisch und genießt den ersten Schluck. Jette trägt<br />

Netzstrümpfe, Haarreif, Peep<br />

Toes und grellrot geschminkte Lippen,<br />

ihre Kurven betont die Blondine mit<br />

geschnürter Taille und ausgestelltem<br />

Rock. Ist hier etwa mitten in<br />

einem Rostocker Szeneviertel bei<br />

einem Pärchen die Zeit stehengeblieben?<br />

Nein. Jan Wilker und Jette<br />

Pittelkow sind einfach total vernarrt<br />

in das spannende Jahrzehnt von<br />

Bettie Page<br />

Rock'n'Roll, Petticoats und ersten<br />

Pin-up-Modellen.<br />

Die 50er<br />

– das war längst kein<br />

Jahrzehnt bloßer Spießigkeit. Im<br />

Gegenteil. Mädchen kreischten beim<br />

lasziven Hüftschwung von Elvis Presley,<br />

schwarze Musiker feierten irre Erfolge<br />

(darunter Sammy Davis Jr. und Chuck Berry<br />

mit seinem berühmten und vielfach gecoverten<br />

"Roll Over Beethoven"), der rebellische James „Jimmy"<br />

Dean wurde mit nur drei Filmen zur Legende, bis er viel<br />

zu früh mit seinem Auto tödlich verunglückte. Frauen<br />

wie Marilyn Monroe oder Elizabeth Taylor schrieben<br />

mit Minitaillen und üppigen Dekolletés<br />

Geschichte. Kaum ein Halbstarker, der nicht<br />

seine Haare mit Pomade, einem gut riechenden<br />

Fett, in Form brachte. Markant für<br />

die 50er ist ebenso die Entenschwanzfrisur,<br />

deren berühmtester Träger Elvis war. Nicht zu<br />

vergessen als Inbegriff der 50s: das berühmte Pin-<br />

Foto Kleid:<br />

© petticoatkleid.de<br />

Seite 82 ■ GoodTimes 2/2013


Fotos: © Marlenes Töcher by Class of Berlin / St. Anchor Graphics<br />

up-Girl Bettie Page. „Eines meiner<br />

Vorbilder", verrät Jette. „Sie trug<br />

immer so tolle Dessous und hat<br />

Fetisch salonfähig gemacht."<br />

Bettie Page war DIE Ikone<br />

des Jahr zehnts jugendlichen<br />

Aufbruchs. Im noch heute konservativen<br />

US-Bundesstaat Tennessee<br />

1923 geboren, hatte die Amerikanerin<br />

zunächst mit einer schwierigen<br />

Kindheit zu kämpfen. Die Familie zog<br />

ständig um, und Bettie musste sich<br />

um die jüngeren Geschwister kümmern.<br />

Hinzukam, dass sie als kleines<br />

Mädchen von ihrem Vater sexuell<br />

missbraucht worden war. Vielleicht<br />

lebte die hübsche und kurvige Bettie<br />

auf Grund dieser traumatischen<br />

Lebensjahre ihre Reize und Sexualität<br />

in den 50ern so offensiv aus. Man<br />

schen großen Punkte.<br />

Die 50s in 2013: Jan Wilker und Jette Pittelkow stylen sich nicht<br />

Neben dem<br />

nur im Stil des Jahrzehnts. Sie lieben auch das Lebensgefühl, die V-Ausschnitt war<br />

Musik und Möbel von damals.<br />

der Bubikragen<br />

damals – wie jetzt<br />

darf sie nämlich mit Fug und Recht als eines der ersten Sexsymbole im wieder – in. Dunkelblaue Kleider im Look der Marine haben<br />

klassischen Sinn bezeichnen: ein toller Körper, der in sexy und engen bei Bettie Page by Tatyana einen eng um den Hals genähten<br />

Klamotten steckte, üppige, leicht gewellte Haarpracht, die sie offen trug. Kragen, der flach auf dem Kleid aufliegt und dessen Ecken<br />

Dazu der verführerische Blick. Sie blieb dabei trotzdem so<br />

nicht spitz, sondern abgerundet sind. Und weiße Blusen,<br />

echt, dass sie bis heute inspiriert. Zum Beispiel Comic-<br />

die leicht transparent und somit sexy-verspielt wirken,<br />

Figuren oder die Burlesque-Szene. Dort gerade die<br />

bekommen eine strenge Note durch einen Bubikragen in<br />

Vertreterin des New-Burlesque, Dita von Teese, die unter<br />

Schwarz. Im Sortiment findet frau neben den Kleidern auch die<br />

anderem durch ihre erotischen Tanzeinlagen im Riesen-<br />

mega-engen und hoch-taillierten Röcke, die knapp unterm Knie<br />

Champagnerglas be kannt geworden ist. Von Teese, die eine<br />

enden und eine rattenscharfe Silhouette zaubern. Die (Film-)<br />

kurze Ehe mit Schockrocker Marilyn Manson führte, könnte nte<br />

Schönheiten Marilyn Monroe und Liz Taylor trugen die Röcke<br />

optisch glatt die Enkelin ihres berühmten Idols Bettie sein.<br />

in Schwarz oder Weiß und kombinierten dazu karierte oder unifarbene<br />

Kurzarmblusen. Diese endeten kokett geknotet<br />

A<br />

ber nicht nur in der Erotik polarisierte Bettie Page,<br />

direkt am Rockbund oder waren hineingesteckt.<br />

die ab den 60er Jahren stark zurückgezogen lebte<br />

Klar, dass bei solch populären „Bleistiftrock"-<br />

und 2008 in Los Angeles nach einem Herzinfarkt starb. So<br />

Trägerinnen die Schaufensterpuppen ppen im<br />

beeinflusst das Pin-up-Girl mit seiner Kleidung bis heute<br />

„Bettie"-Laden heute den gleichen Look<br />

die Mode-Industrie. In den USA hat sich beispielsweise<br />

haben. Im stets fortschrittlichen hen<br />

das Label Bettie Page by Tatyana etabliert. Die Filialen<br />

Bluse im Marine-Look von der auf<br />

und modisch meist auf der<br />

50s-spezialisierten US-Marke Collectif<br />

sprießen – in Metropolen wie L.A. und der Glitzerstadt<br />

Vorreiterwelle schwimmenden<br />

Las Vegas. Und selbst in Philadelphia, Minneapolis und Salt Lake City Nordamerika sieht man längst die Mode der<br />

Klassiker<br />

hat die Marke junge wie ältere Frauen in ihren Bann gezogen. Eine 50s an den Körpern junger Frauen. Stars wie unter den Schuhen –<br />

Verkäuferin in San Francisco, wo sich der Laden im einstigen Hippie- die bereits erwähnte Dita von Teese, aber auch<br />

heute wieder trendy: Peep Toes,<br />

hier vom Bettie-Page-Shop<br />

die Rocksängerin Pink, Chaka Khan<br />

Models zeigen den Look des Labels "<br />

Marlenes Töchter by Class of Berlin“. Klassiker wie der<br />

Bubikragen, hohe Taillen und kniebedeckende Rockteile sind auch 2013 alles andere als spießig.<br />

Hochburg-Viertel Haight-Ashbury befindet, bringt es auf den Punkt:<br />

„Bettie war so cool und hat die Weiblichkeit aus sich herausgeholt. Sie hat<br />

Busen und mehr Hüfte salonfähig gemacht. Durch ihren Style inspiriert<br />

sind jetzt echt tolle Teile entstanden."<br />

© Claudia Tupeit<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 83<br />

Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />

Diese tollen<br />

Teile der<br />

Marke sind<br />

zum Beispiel<br />

Kleider mit<br />

eng geschnittener<br />

Taille, die gern mit schmalem<br />

Bindegürtel zusätzlich<br />

betont werden<br />

und deren Rockteile<br />

weit ausgestellt sind.<br />

A-Linie nennt man<br />

das. Mal haben sie<br />

große Blumen- oder<br />

Schmetterlingsprints,<br />

mal sind es die typi-<br />

und Schauspielerin Penelope Cruz tragen im Alltag und auf<br />

dem roten Teppich Outfits der Retrofashion-Marke.<br />

In Deutschland bietet für den modischen 50s-Fan der<br />

Berliner Laden Marlenes Töchter by Class of Berlin feminine<br />

Teile, inspiriert vom „Schmiss der 50er", wie es die Besitzer<br />

selbst bezeichnen, für (fast) jede Gelegenheit an. Aber nicht nur<br />

für die holde Weiblichkeit, sondern auch für Kinder und – für<br />

den Mann. In Zeiten, in denen viele Männer stärker denn je auf<br />

ihr Erscheinungsbild Wert legen, darf die Industrie ihn nicht<br />

außer Acht lassen. Und nichts könnte mehr en vogue sein, als<br />

sich neben seiner Herzensdame ebenfalls in typischen Klamotten<br />

der 50er Jahre blicken zu lassen.<br />

Das Rostocker Pärchen Jette und Jan<br />

macht es vor. Das wirkt keineswegs lächerlich.<br />

Schließlich ergeben die Klassiker<br />

von damals richtig kombiniert jetzt<br />

einen heißen Look auch für Männer.<br />

Die trugen damals schmal geschnittene<br />

Blue-Jeans, unten einmal umgekrempelt.<br />

Karohemden wurden dazu<br />

locker reingesteckt. Einige hatten noch<br />

so genannte Fliegerjacken aus Stoff drüber. Elvis<br />

stand auf der Bühne in Sakkos oder eng taillierten<br />

Jacken mit schrägem Saum. Beides trug der Sänger<br />

zu leicht weiten, unten wieder enger werden-<br />

© Claudia Tupeit


Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

den Hosen, die<br />

ob ihrer Länge<br />

heute durchaus<br />

als Hochwasserhosen<br />

bezei ch net<br />

werden könnten.<br />

Hervorlugten<br />

weiße Socken<br />

aus schwarzen Lederslip pern. Aber<br />

auch Ringel söckchen und vorn<br />

spitz zulaufende Schuhe waren bei<br />

den Herren an ge sagt.<br />

All das findet sich nun wieder bei<br />

einschlägigen Marken. Genau wie<br />

ein männliches Kleidungsstück, das<br />

seither jedes Jahrzehnt bis 2013<br />

überlebt hat und in immer wieder<br />

neuen Schnitten und Kombinationen weiterhin getragen wird: die<br />

ultracoole schwarze Lederjacke. Ja, genau, die stammt aus den 50er<br />

Jahren und wurde von den damals heißesten Typen überhaupt<br />

getragen: Marlon Brando und James Dean. Unter den mit<br />

Reißverschlüssen und Saumgürteln verzierten Jacken hatten<br />

beide simple, weiße T-Shirts, die ihre durchtrainierten Oberkörper<br />

umspielten. Was nie fehlen durfte, war die Fluppe im Mundwinkel,<br />

was betont lässig wirkte. Der Look von Schauspieler Brando aus dem<br />

Film „The Wild One – Der Wilde" von 1953 machte ihn unsterblich, als<br />

er zu der Lederjacke noch eine Ballonmütze schräg aufsetzte und<br />

so auf einem Motorrad posierte.<br />

Und wer hätte gedacht, dass – bewusst oder ungewollt – ausgerechnet<br />

Schauspieler Charlie Sheen in seiner Rolle als Charlie Harper<br />

in „Two And A Half Men" einen der früheren 50s-Trends spazieren<br />

tragen würde: Bowlinghemden. en.<br />

Die flatterhaften Oberteile mit kurzen<br />

Ärmeln zeichnen sich durch meist<br />

zwei verschiedene Farbtöne aus, wobei oft<br />

Knopfleiste, Kragen und Ärmel in einer<br />

Farbe sind und der mittlere, restliche Teil<br />

in einer anderen.<br />

Wer sich mit der<br />

im höheren<br />

Preissegment liegenden<br />

Kleidung der Retro-<br />

Marken nicht komplett<br />

ausstaffieren kann,<br />

stöbert im Schrank der<br />

Oma. Und mittlerweile<br />

sind auch Massenlabels<br />

James Dean<br />

wie C&A, Topshop und Vero Moda auf den Trendzug<br />

aufgesprungen. Neben Kleidern und Blusen im 50s-Stil<br />

finden sich in den Regalen High-waist-Jeans, also mit<br />

hochsitzender Taille.<br />

Neben diesen 50s-Klamotten, die früher und jetzt<br />

wieder gern in der Freizeit getragen werden, brachte<br />

das Jahrzehnt ein echtes Sahnehäubchen unter den Ausgeh-Outfits<br />

Ausgeh-Outfits<br />

hervor: Petticoatdresses – die Tanzkleider der 50er. Von den alltagstauglichen,<br />

eng taillierten Kleidern mit weitem Rockteil unterscheiden sie<br />

sich nicht nur durch elegantere Stoffe und verspielte Details<br />

wie Schleifenbänder, sondern vor allem durch den circa eine<br />

Handbreit hervorlugenden Unterrock. Der ist bauschig<br />

und weit aus versteiftem Material mit Rüschensaum. In<br />

Deutschland können Frauen, die mit solchen Kleidern auf<br />

Partys auffallen möchten, zum Beispiel auf der Homepage<br />

von www.petticoatkleid.de fündig werden.<br />

Dann fehlen zum finalen – zumindest optischen – 50er-<br />

Flair noch Frisur und Make-up. Männer machen sich je<br />

nach Haarstruktur eine Tolle wie Elvis oder „klatschen"<br />

das Vorderhaar einfach nach hinten. Natürlich nicht mit<br />

irgendeinem Gel, sondern stilecht mit Pomade. Und da<br />

dieses Fett nicht nur gut riecht, sondern auch wirklich<br />

jedem Wetter standhält, kehrt dieser<br />

Trend in die Läden zurück.<br />

Ein gutes Sortiment präsentiert<br />

die in Ottobrunn bei München<br />

ansässige Firma SoldanMarketing<br />

in ihrem Webshop www.pomadeshop.eu,<br />

wo bunte Dosen mit<br />

ulkigen Namen à la „Schmiere",<br />

„Mr. Ducktail" und „Beaver Cream"<br />

angeboten werden. Dazu gibt es<br />

Haarwasser, Rasierseifen und –<br />

damit am Ende nichts schiefgehen<br />

kann – eine Anleitung für die perfekte<br />

Entenschwanzfrisur.<br />

Die Damen tragen zum 50s-Outfit<br />

zum Beispiel eingedrehte Haare,<br />

kunstvolle Hochsteckfrisuren oder<br />

hinten zusammengesteckte Lockenpracht, die mit einem<br />

Haarband mit Knoten aufgepeppt wird. Aber keine Angst vor zu<br />

viel Eigenaufwand: Längst haben in Großstädten Frisuren künstler<br />

die trendigen 50er-Jahre-Frisuren wiederentdeckt. Männer und<br />

Frauen können sich also bequem zurücklehnen und sich beispielsweise<br />

im Leipziger Salon Kopf und Kragen mit passen-<br />

den Pflegeprodukten frisieren las-<br />

sen. Und Bettie Page wäre ja keine<br />

Stilikone gewesen, wenn sie<br />

nicht auch neben Kleidung<br />

und Schminke einen Trend<br />

in Sachen Haaren geliefert<br />

hätte: den halbrundgeschnittenen<br />

Pony.<br />

Rote Lippen, unendlich<br />

lange Wimpern, ein bisschen<br />

Rouge für die Wangen und<br />

den dramatischen Lidstrich bekommen<br />

Damen mit ein wenig Übung<br />

allein vor dem Spiegel hin. Am<br />

besten aus den<br />

Tuben und Töpfen<br />

der<br />

US-Marke<br />

Benefit, die seit<br />

den 70er Jahren existiert.<br />

Das Design von Mascara, Lidschatten und Co. erinnert<br />

stark an die 50er Jahre: pastellfarben, niedliche<br />

Namen mit fantasievollen Schriftzügen, häufig zieren<br />

die Packungen Frauenköpfe, die aus den 50s entsprungen<br />

sein könnten.<br />

Für Jan Wilker und Jette Pittelkow sind aber<br />

längst nicht nur die Outfits maßgeblich. Ein<br />

Großteil ihres Lebens ist auf das Jahrzehnt ausgerichtet.<br />

Sie sind zum Beispiel auch entsprechend eingerichtet:<br />

Farbige Polsterstühle, Serviettenbox<br />

und Leuchtreklame an der Wand erin-<br />

nern an die Einrichtung eines<br />

Original American Diner der<br />

50s. Tapeten, Küche und Deko<br />

könnten direkt aus einem deutschen<br />

50er-Jahre-Haushalt importiert<br />

sein.<br />

Was vor einigen Jahren gern von<br />

jüngeren Leuten noch als spießig<br />

und omahaft abgetan wurde, ist nun<br />

der Renner in den eigenen vier Wänden<br />

und daher auch in Onlineshops und<br />

Möbelhäusern. So erlebt zum Beispiel<br />

die Tütenlampe ein Revival. Sie erhielt<br />

ihren Namen, na klar, weil das die<br />

Glühbirne umschließende Gefäß der<br />

Form einer Tüte ähnelt. Der Klassiker<br />

Foto: © Claudia Tupeit<br />

Foto: © Kopf &<br />

Kragen/Hagen Wolf<br />

50s-Revival auf den Köpfen: Auch Friseurläden wie Kopf und Kragen in Leipzig<br />

konzentrieren sich auf das Jahrzehnt. Mit stilechten Produkten und Schnitten.<br />

Marlon Brando<br />

Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />

Seite 84 ■ GoodTimes 2/2013


Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />

Foto: © petticoatkleid.de<br />

ist eine Stehlampe mit drei Schirmen in verschiedenen<br />

Farben. Diese Art von Lampe wurde<br />

damals nicht en gros produziert. Wer also eine originale<br />

50er-Jahre-Tütenlampe ergattern möchte, muss die Wertsteigerung<br />

mit einkalkulieren. Vor allem aber darf man sich nicht<br />

wundern, wenn bei echten Exemplaren braune Flecken<br />

entdeckt werden: Die Schirme damals hielten der Hitze<br />

durch die Birne selten stand, und so schmorten sich die<br />

Flecken in das Gehäuse. Früher ärgerlich, heute <strong>kult</strong>ig.<br />

Nach tollen Designs aus dem stilprägenden und<br />

revolutionären Jahrzehnt können<br />

Anhänger und solche, die<br />

es werden wollen, bei<br />

stö-<br />

die-wohngalerie.de<br />

bern. Dort finden<br />

sich zum Beispiel<br />

die bequemen und<br />

damals in wohl jedem<br />

Wohnzimmer gestandenen en<br />

Cocktailsessel und Nierentische. e.<br />

Die Sitzgelegenheit ist nicht ausufernd<br />

groß, aber dennoch gemüt-<br />

lich. Die Stoffe sind oft in satten<br />

Heute wieder in“<br />

zum Ausgehen: " das Farben, meist gemustert oder mehrfarbig<br />

gestreift. Mal mit Armlehnen,<br />

mal ohne. Daneben sollte der Nierentisch für die<br />

Petticoatkleid<br />

im 50s-Stil eingerichte Wohnung nicht fehlen. Der, wie der Name<br />

schon vermuten lässt, die Form unseres Entgiftungsorgans besitzt.<br />

Doch nicht nur aus den Zimmern des Zuhauses ist die typische<br />

Einrichtung heute wieder angesagt. Die gerade für die<br />

rebellischen Halbwüchsigen und jungen Erwachsenen so wichtigen<br />

Ausgehorte prägten das Bild der 50er enorm. In den Diners,<br />

typisch für die USA, waren die halbrunden<br />

Sitzecken, Barhocker und<br />

Stühle aus glattem Polster<br />

und oft ein farbenfroher<br />

Mix – mal pastell, mal<br />

knallbunt – die übliche<br />

Ausstattung.<br />

Und was in keinem<br />

„Schuppen" der<br />

Jugendlichen fehlen<br />

durfte, war die<br />

Jukebox. Eine Anlage,<br />

die heute wieder feilgeboten<br />

wird und<br />

als DER Kultgegenstand tand gilt. Mit<br />

einem „coin" und dem<br />

Drücken der (richtigen)<br />

Taste wollten<br />

die Jungs damals ihrer<br />

Angebeteten imponie-<br />

Die Autorin<br />

züchtig im<br />

50s Bettie Page<br />

Outfit in<br />

Las Vegas<br />

ren und sie zum Tanzen animieren. n.<br />

Schließlich hatte nicht jeder Bursche bereits einen Schlitten,<br />

etwa einen schnittigen Cadillac, mit dem man(n) posen konnte.<br />

Die Diner, die noch immer in den USA enorme Beliebtheit genieman<br />

etwa in Los Angeles in einen Laden der Kette Mel's Drive-in ein<br />

– die Restaurants vermehren sich seit den 40er Jahren –, bleiben en<br />

ßen, sind nach wie vor sehr stilbewusst eingerichtet. Kehrt<br />

Hektik und Modernität der Millionenmetropole draußen, und<br />

Kellner in niedlichen Uniformen kommen mit Bleistift hinterm<br />

Ohr, Strahlelachen und Silbertablett herbeigehuscht, weisen en<br />

einen (Polster-)Platz zu – und schon ist man mittendrin in der Zeitreise.<br />

Zu Burgern, Fritten und Cola dudeln "Rock Around The Clock" und<br />

"Brown Eyed Handsome Man" aus der Jukebox.<br />

Und was für die Ami-Jugend das Diner, war für die deutschen<br />

Jugendlichen in Ost und West die Milchbar. Dorthin wurden damals<br />

die Mädchen noch von feschen Burschen abgeholt. Auf dem Moped oder<br />

mit dem Drahtesel warteten die Heranwachsenden<br />

vor dem elterlichen Haus. In den beschriebenen<br />

Petticoats oder mit weitschwingendem Rock und<br />

unifarbener Bluse gaben die jungen Damen ihren Herzbuben einen<br />

Handschlag oder ein Küsschen auf die Wange. Wilde Knutscherei auf<br />

der Straße – vielleicht gar vor den Eltern – war im<br />

Gegensatz zu heute nicht an der Tagesordnung.<br />

In der Milchbar wurde in den 50er Jahren<br />

tatsächlich, wie es der Name vermuten lässt,<br />

Milchiges geschlemmt: Eis, Milchgetränke,<br />

Shakes. Die Milchindustrie wollte ihre<br />

Produkte verstärkt unters Volk bringen.<br />

Via Gastronomie. Die Läden waren oft eleganter gestaltet als<br />

eine klassische Eisdiele. Barhocker, Theke und Polster wurden<br />

zum<br />

zweiten Zuhause der jungen Generation. Es wurde erzählt,<br />

geschlürft, Musik gehört – die natürlich gern aus der Jukebox<br />

kam<br />

– und dezent gebalzt. Nach Deutschland schwappte<br />

der Trend der revoltierenden jungen Menschen – wie er in<br />

den USA in den 50s langsam begann – etwas später über.<br />

D as Miteinander, auch diese immer noch dominierende<br />

Spießigkeit in den 50ern, das war cool", nennt der 29-jährige<br />

Jan schwärmend einen Grund, warum er sich diesem Jahrzehnt<br />

so nah fühlt. Mit seinen markanten Gesichtszügen und dem<br />

50s-Styling könnte man auch ein Schwarzweiß-Bild von ihm in<br />

eine Zeitschrift von damals setzen. Keiner würde den Unterschied ed<br />

zu<br />

den echten Stars merken. „Ich nehme die klassische Pomade<br />

für meine Haare, ziehe gern typische Klamotten wie etwa eine<br />

Levi's, natürlich umgekrempelt, und klassische Workerhemden<br />

an", verrät Jan, der im Berufsalltag zur See fährt.<br />

„Es gab damals so gewisse Regeln. Das war gut", findet<br />

Bürokauffrau Jette und spricht damit auch das Verhalten von<br />

Jungs und Mädels beim Ausgehen an. Wie ihr Liebster teilt Jette die<br />

Leidenschaft für die 50er Jahre bereits seit frühester Jugend. „Etwa als<br />

ich 14 war, hat es angefangen", erinnert sich die hübsche 28-Jährige.<br />

Die Mucke der<br />

50s in einer Kneipe sei der Auslöser<br />

gewesen. Die beiden lernten sich bei einem Konzert<br />

2007 kennen. Und die neue Angebetete etete wurde<br />

beim ersten Date stilecht abgeholt. Jan<br />

fuhr in seinem alten Chevrolet vor,<br />

allerdings Baujahr 1982. „Da er<br />

mächtig Sprit frisst, immerhin merhin<br />

20 Liter auf 100 Kilometer, nehme<br />

ich ihn nur zu speziellen Anlässen",<br />

erklärt Jan, der bei dem Paar die<br />

klassische 50s-Seite vertritt, wäh-<br />

rend Jette diese mit Psychobilly<br />

mischt. Für beide sei es ein echtes<br />

Lebensgefühl. „Nicht nur ein<br />

Trend, den wir mitmachen", meint Jan,<br />

der mit seinem Look immer wieder<br />

nette Begegnungen hat. „Vor allem<br />

bei Omis kommt unser Auftreten<br />

gut an", sagt er lachend.<br />

Neben mehr und<br />

mehr Kleidung im typischen<br />

50s-Look (Jan wünscht sich eine ginale Pilotenlederjacke) möchte das<br />

Paar als nächstes die Einrichtung der<br />

Wohnung im 50er-Stil weiter vorantreiben. Unter anderem<br />

ori-<br />

mit einer typischen Minibar von damals. „Da kommt für<br />

mich immer dieses Südseeflair auf", sagt<br />

Jan, der auf eigenen Partys gern den<br />

Snack-Klassiker seiner Epoche ser-<br />

viert: Toast Hawaii – das Schinken-<br />

Käse-Ananas-Sandwich.<br />

Und gegen eine waschechte Jukebox, die<br />

von Elvis bis zu Jans und Jettes Favoriten,<br />

Buddy Holly, alles auflegt, hätten beide<br />

auch nichts einzuwenden.<br />

Fotos Möbel:<br />

© Die Wohngalerie<br />

50s-Stilikone<br />

Liz Taylor<br />

Revival<br />

von Minis und<br />

Hippie-Outfits<br />

– <strong>kult</strong>! instyles 60s –<br />

in der kommenden<br />

Herbstausgabe.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 85


The<br />

Beat Generation<br />

Allen Ginsberg<br />

Jack Kerouac<br />

Provokation<br />

Umwälzung<br />

Freiheit<br />

William S.<br />

Burroughs<br />

beanspruchten einige wenige Twens<br />

aber zunehmend, ihre eigene Sicht<br />

der Dinge öffentlich<br />

darzulegen. Rasse,<br />

Religion i und auch Sexualität sollten keine Tabuthemen mehr sein.<br />

Der Beatnik-Autor William S. Burroughs hat den Zustand des Landes<br />

in einem Interview – von der Wortwahl her etwas abgeschwächt – so<br />

dargestellt: „In den USA der 50er durftest du eher eine Kuh schänden<br />

als schwul sein."<br />

Ein kleiner Schlenker: Avantgarde – ein Begriff, bei dem<br />

sich so mancher einen Haufen Menschen auf einer<br />

Vernissage vorstellt, die mit abgespreiztem kleinem<br />

Finger ein Champagnerglas in der Hand halten und über<br />

den linearen Duktus des ausstellenden Künstlers eloquent<br />

zu parlieren wissen. An sich stammt das Wort aus dem<br />

Vokabular des französischen Militärs und steht für die so<br />

genannte Vorhut, welche zwangsläufig als erster Teil der<br />

Truppe Feindberührung hat.<br />

Den Übergang in den <strong>kult</strong>urellen Bereich gab es erst später.<br />

Es geht immer noch um die Rolle der Vorreiter, nur<br />

jetzt darum zu dokumentieren, dass man als Avantgardist<br />

innovative Bewegungen erkannt hat, die die gesellschaftseliche<br />

Entwicklung möglicherweise nachhaltig beeinflussen<br />

können.<br />

Die Beat Generation war Avantgarde. Und sie nahm der über<br />

ein Jahrzehnt folgenden Hippie-Bewegung einige Themen en vorweg:<br />

Pazifismus, Buddhismus, freie Liebe, Drogen und das eigene<br />

Leben als ein fortwährendes Experiment. Was sie allerdings von<br />

den Hippies unterschied, war die ständige Rastlosigkeit, eine ande-<br />

Jack Kerouac, Allen Ginsberg<br />

und William S. Burroughs ughs stehen<br />

für The Beat Generation. Ein<br />

Begriff der 50er Jahre, der insbesondere<br />

die literarischen und<br />

in Folge zwangsläufig auch musikalischen<br />

Veränderungen in der Welt<br />

umriss. Plötzlich war nichts mehr<br />

so wie vorher.<br />

Die USA hatten gerade einen heißen Krieg gewonnen, den kalten<br />

im Tausch dafür bekommen, und in Korea wurde schon<br />

wieder gekämpft. Es gab diskriminierende Rassengesetze,<br />

der Rock’n’Roll setzte sich durch, die eigenen Eltern wurden so<br />

manchem Halbstarken zu bieder, Ehefrau mit Job ging gar nicht,<br />

Autokino war ganz groß, die ersten Computer hatten den Umfang<br />

eines Einfamilienhauses und brachten es doch nur auf die Leistung<br />

eines heutigen Taschenrechners. Und während in Deutschland die VW<br />

Käfer zusammengeschraubt wurden, cruiste man in den USA mit dem<br />

Straßenkreuzer herum. Petticoat und Haartolle hier, Weltmacht und<br />

Raumfahrt da.<br />

Der schwelende Generationenkonflikt begann, die Gesellschaft<br />

in den USA zu spalten. Von Enthemmtheit noch weit entfernt,<br />

Seite 86 ■ GoodTimes 2/2013


e Art von Suche nach der ultimativen<br />

Lebenserfahrung. Die Beatniks waren<br />

trotz aller Zugedröhntheit kopflastiger.<br />

Die Namensschöpfung Beat<br />

Generation geht auf Jack Kerouac<br />

zurück, den neben Allen Ginsberg und<br />

William S. Burroughs nam-<br />

haftesten Schriftsteller der<br />

Bewegung. Stand in den<br />

Nachkriegsjahren<br />

der<br />

Begriff beat noch für<br />

„niedergeschlagen"<br />

oder „besiegt", so ver-<br />

sah Kerouac ihn mit<br />

einem aggressiveren<br />

und euphorischeren Anstrich (zum<br />

Beispiel upbeat).<br />

Sein autobiografischer Roman „On The<br />

Road" (deutscher Titel „Unterwegs")<br />

steht wie kein anderer für die oben<br />

erwähnte Unruhe, die den Beatniks innewohnte. Es heißt, der Roman<br />

sei neben anderen das Vorbild für Dennis Hopper und Peter Fonda für<br />

ihren Film „Easy<br />

Rider"<br />

gewesen.<br />

„On The Road"<br />

beschreibt das rastlose<br />

Reisen zweier<br />

Beatniks durch die<br />

USA und Mexiko,<br />

als Hobos, Tramper<br />

oder<br />

Greyhound-<br />

Passagiere,<br />

in<br />

geklauten<br />

Autos<br />

oder auf einer Lkw-<br />

Alles völlig von der Rolle ...<br />

Ladefläche. Die beiden<br />

Hauptfiguren<br />

Dean Moriarty (in Wahrheit Kerouacs Kumpel Neal Cassady) und Sal<br />

Paradise (Kerouac als Erzähler) fahren quer durchs Land von New York<br />

nach Kalifornien, um dort festzustellen, dass der Pazifik ihnen auf der<br />

Weiterfahrt im Wege ist. Also wieder zurück nach New Orleans und<br />

von da aus weiter nach Mexiko – doch der innere Frieden mag sich<br />

nicht einstellen.<br />

Man merkt dem Buch an, dass es in einem Rutsch geschrieben wurde.<br />

Es gibt keinen Spannungsbogen, wie es immer so schön heißt, und<br />

nicht wenige Leser sind der Meinung, dass hier eigentlich gar nichts<br />

passiert. Kerouac schrieb und schrieb, korrigierte nichts und benutzte<br />

auch keine einzelnen Din-A-4-Blätter. Der ganze Roman ist in einem<br />

Stück auf einer dicken Papierrolle entstanden.<br />

Bis die Welt reif war, sich diesem Werk zu stellen, verging allerdings<br />

einige Zeit. Erst 1957, sechs Jahre nach seiner Entstehung, wurde das<br />

Buch veröffentlicht. Es wurde ein Riesenerfolg. Der nun einsetzende<br />

plötzliche Rummel war Gift für den labilen Kerouac. Nach jahrelanger<br />

Ablehnung plötzlich auf den Olymp der Beat Generation gehoben zu<br />

werden, bekam seiner Gesundheit nicht.<br />

Im selben Jahr, also 1957, wurden<br />

Allen Ginsbergs „Howl And Other<br />

Poems" von der Polizei beschlagnahmt<br />

und Verleger Lawrence Ferlinghetti angeklagt.<br />

Der Vorwurf: Obszönität.<br />

Fürwahr kann man sich vorstellen, dass<br />

eine Zeile wie „who let themselves be<br />

fucked in the ass by saintly motorcyclists,<br />

and screamed with joy" (auf Deutsch:<br />

„die sich in Arsch ficken ließen von heiligen<br />

Motorradfahrern und vor Freude<br />

schrien") im puritanischen Amerika nicht<br />

besonders gut ankam. Der Prozess sorgte<br />

für landesweite Schlagzeilen, und nach Anhörung diverser Literatur-wissenschaftler<br />

entschied der Richter, dass es sich bei dem wuchtigen<br />

Mammutgedicht „Howl" um ein Werk von herausragender Bedeutung<br />

handle, was zur<br />

Folge hatte, dass<br />

es nun weltweit<br />

bekannt wurde.<br />

Für<br />

Freunde<br />

von<br />

kurzen<br />

und<br />

knappen<br />

Sätzen ist es<br />

nicht geeignet:<br />

Teil eins enthält<br />

über 60 aufeinander<br />

folgende<br />

Relativsätze, die<br />

sich lesen, als<br />

habe<br />

Ginsberg<br />

das Gedicht in einem Rauschzustand heruntergeschrieben. h Tatsächlich<br />

hat er Monate daran gesessen, und dennoch hat man den Eindruck, er<br />

sei innerlich regelrecht explodiert.<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 87


Dylan and the man<br />

Ein guter Freund Ginsbergs war übrigens Bob Dylan, mit dem<br />

zusammen er als Backgroundsänger auf Leonard Cohens "Death<br />

Of A Ladies' Man" zu hören ist. Mit Dylan sowie Phil Ochs, Patti<br />

Smith, The Fugs und gar The Clash stand er auf der Bühne.<br />

Auch William S. Burroughs' literarisches Wirken wurde vor<br />

amerikanische Gerichte gezerrt. „The Naked Lunch" von<br />

1959 wurde später mehrfach verboten, unter anderem von einem<br />

US-Gericht in Massachusetts mit der Begründung, dem „literarischen<br />

Abschaum" entströme<br />

„ein widerlicher Geruch<br />

ununterbrochener Perversion".<br />

Tatsächlich ist die Mischung<br />

aus Pädophilie samt Kindsmord,<br />

Gewalt, Psychiatrie und vielen<br />

anderen Zutaten auch heute<br />

nicht von jedem leicht zu goutiemendren.<br />

Der im Roman vorkommende<br />

Stahldildo verhalf später Steely Dan<br />

zu ihrem Namen, und auch Soft<br />

Machine bedienten sich 19666 bei<br />

Burroughs Wortschöpfung.<br />

Der Sinnzusammenhang von „The<br />

Naked Lunch" muss sich nicht jedem<br />

erschließen. Die Handlungsstränge<br />

sind mal mehr, mal weniger leicht<br />

zu durchschauen, h weil gänzlich ineinander verwoben. Grund dafür<br />

ist die von Burroughs angewandte Cut-up-Methode, bei der die<br />

Manuskriptseiten<br />

einfach zerschnitten<br />

(cut-up =<br />

Schnipsel)<br />

und<br />

ohne Plan neu<br />

zusammengesetzt<br />

werden.<br />

Man<br />

kann mitten im<br />

Buch<br />

anfangen<br />

und sich seinen<br />

Text<br />

erarbeiten.<br />

Freiheit eben. Die<br />

Hauptfigur<br />

ist<br />

überall fremd, und<br />

überall muss sie<br />

sich unter größter Vorsicht schnell orientieren. Wie ist Geld, wie sind<br />

Drogen zu beschaffen?<br />

Allein mit Geschichten von Harvard-Absolvent Burroughs lassen<br />

sich Hunderte von Seiten füllen: angefangen von seinem schon<br />

fast skurrilen Todesschuss auf seine Frau 1951, als er ihr wie Wilhelm<br />

Tell einen Apfel vom Kopf schießen wollte (aber leider volltrunken<br />

war), über die in ihn verliebte Patti Smith sowie seine kurzzeitige<br />

Mitgliedschaft bei den Scientologen bis hin zu seiner kongenialen<br />

Zusammenarbeit mit Tom Waits und Robert Wilson beim „Black Rider"<br />

im Hamburger Thalia-Theater 1990.<br />

Dem an einer völlig lig absurden,<br />

aber wahren (?) Lebensgeschichte<br />

Interessierten sei seine drogengeschwängerte<br />

und beklemmende<br />

Autobiografie „Junkie" ans Herz<br />

gelegt. Es gibt nichts, was Burroughs nicht konsumiert<br />

hätte: Opiate, Barbiturate, Haschisch, ch,<br />

Kokain, Chloral, Benzedrin, Banisterin –<br />

die Liste ist lang. Er war ein wandelndes<br />

Drogenlexikon.<br />

Die Wege dieser drei herausragenden<br />

Autoren des Genres kreuzten sich<br />

immer wieder. Burroughs (spät bekennend nd<br />

homosexuell) und Kerouac lebten mit ihren<br />

Frauen zusammen in einem New Yorker<br />

Apartment. Allen Ginsberg (früh bekennend nd<br />

homosexuell) mit Kerouacs „On The Road"-<br />

Freund Neal Cassady. Burroughs baute<br />

in<br />

Texas Marihuana an und musste nach<br />

Mexiko<br />

flüchten, als die Polizei eine Lieferankündigung an Allen<br />

Ginsberg abfing. Geschichten gibt es viele.<br />

Den Tod trafen die drei auf recht unterschiedliche Weise:<br />

Burroughs trotz langer Drogensucht erst im Alter von<br />

unfassbaren 83 Jahren an Herzinfarkt, Ginsberg – der gesünder<br />

gelebt hatte – ebenfalls 1997 mit 71, und Jack Kerouac knappe 30<br />

Jahre zuvor volltrunken vor dem Fernsehapparat. Zum Zeitpunkt<br />

seines Todes 1969 war der Urheber der Beat Generation zur desil-<br />

Unerfüllte Liebe: Burroughs und Patti Smith<br />

lusionierten i und nicht mehr so rastlosen Couch-Potato tt geworden. Ud Und<br />

da die Hippies nicht sein Ding waren, war er in den letzten Jahren ein<br />

bekennender Verfechter des Vietnam-Krieges. Eine schlüssige Biografie<br />

sieht anders aus.<br />

Kerouac-Tochter Jan sagte einmal in einem Interview: „Die so genannte<br />

Beat Generation war ein Haufen Leute jeglicher Nationalität, die zu<br />

dem Schluss gekommen ist, dass diese Gesellschaft beschissen ist." Das<br />

war vielleicht in jeder seiner Lebensphasen so.<br />

Oliver Schuh<br />

„Gib dich jedem Eindruck hin! Öffne dich! Lausche! Sei in dein Leben<br />

verliebt! Wenn du etwas Unergründliches schreiben willst, hole es aus dem<br />

Grunde deiner Seele empor! Gehe mit dem Schatz deiner Erinnerungen<br />

hausieren! Erzähle die wahre Geschichte der Welt im inneren Monolog!<br />

Bleibe jedem Tag auf der Spur. Sein Datum schmücke deinen Morgen wie ein<br />

Wappenschild. „<br />

(Jack Kerouac)<br />

Seite 88 ■ GoodTimes 2/2013


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GoodTimes 2/2013 ■ Seite 89


Edel sei der Mensch,<br />

"<br />

hilfreich und gut "<br />

Die Geschichte<br />

des Poesiealbums<br />

Von Oliver Schuh<br />

Heute haben wir Facebook und bekommen<br />

zum Geburtstag Glückwünsche von<br />

154 Leuten, von denen wir gerade mal sieben<br />

kennen. Alle nennen sich „Freunde".<br />

Früher war ja sowieso alles anders, klar.<br />

Der Freundschaftsbegriff auch, er müsste<br />

neu erfunden werden. Wer jemals einen en<br />

ernsthaften Eintrag in ein Poesiealbum ealbum<br />

verfasst oder bekommen hat, der weiß, was<br />

länger währt. Und in der<br />

Breite muss man feststellen,<br />

dass Deutschland<br />

zu jeder Zeit mehr Dichter<br />

als Denker hatte.<br />

Das Poesiealbum war für den lebenslangen<br />

Gebrauch bestimmt. Fast immer ging es<br />

um die besten Wünsche für das weitere Leben,<br />

das Wohlergehen, die Zuversicht (die wir damals<br />

allesamt noch hatten) und natürlich auch um<br />

die unzerrüttbare Freundschaft, die ein Leben<br />

lang währen sollte. Unzählige Kinderhände haben sich auf diese<br />

16 x16-Zentimeter-Bücher gestürzt, um alles zwischen Zuneigung,<br />

Hoffnung und Verzweiflung loszuwerden. Und das nicht erst seit<br />

unserer Schulzeit.<br />

Die Geschichte des Poesiealbums reicht zurück bis in das auslaufende<br />

15. Jahrhundert. Bei höfischen hen Festen en und<br />

Turnieren pflegte man sich bei Adels dort einzutragen,<br />

n,<br />

damals aber noch mit Geschlechterwappen (das<br />

war<br />

bei mir die Pril-Blume) und Devise (bei mir:<br />

„Ich hab' Dich gern"). Natürlich war all l<br />

das damals Männersache, auch im folgenden<br />

Jahrhundert, wenn die natürlich wieder männli-<br />

nli-<br />

Es war in der vierten Klasse, und ungeachtet aller späteren<br />

Schulreformen waren die Lehrkräfte schon damals froh,<br />

wenn wir Schüler schreiben konnten. Und das konnten wir<br />

in heute kaum gekannter schöner klarer Schreibschrift. Meine geheime<br />

große Liebe Wanda ging in den großen Pausen reihum und legte<br />

jeder Schülerin und jedem Schüler ihr Poesiealbum der Reihe<br />

nach vor. Alle hatten sich vorbereitet und schrieben fleiim<br />

Kopf und die Pril-Blumen in der Hand, um die linke<br />

der beiden Seiten stilvoll zu bekleben.<br />

ßig ihr Sprüchlein hinein. Auch ich hatte meines<br />

Leider zog sie mir das Buch unter meinen zitternden<br />

Händen weg mit den Worten „Nee, du<br />

nicht!" Ich war Klassenbester, lauter <strong>Eins</strong>er und<br />

nur eine Drei in Sport. Das reichte. Ein unbeweglicher<br />

Streber durfte in das Album nicht rein. Und<br />

dabei hatte ich nach meinem Spruch sooo lange<br />

gesucht:<br />

Rosen sind rot<br />

Veilchen sind blau<br />

Ich hab Dich gern<br />

Das weiß ich genau.<br />

Wanda wird ihr Poesiealbum sicher noch irgendwo verwahren,<br />

so, wie es Statistiken zufolge zwei Drittel der Deutschen (nur<br />

Ex-Mädchen?) tun. Telefon und Fax, Computer inklusive Internet mit all<br />

seinen Möglichkeiten – nichts hält dem wahren (!) Freundschaftsbuch<br />

stand, dessen Sinn der darin enthaltenen Weisheiten häufig erst der<br />

erwachsen gewordene Besitzer begreift.<br />

Den Vorwürfen Deiner Feinde<br />

kannst Du entfliehen,<br />

denen Deiner Freunde nicht.<br />

Seite 90 ■ GoodTimes 2/2013


chen<br />

Studenten ihre Uni wechselten<br />

en<br />

und ihre Professoren und geneig-<br />

ten<br />

Kommilitonen ehrfürchtig<br />

um ein paar Zeilen baten.<br />

Romantik und Biedermeierzeit<br />

warteten dann mit<br />

filigranen Bastelarbeiten auf, was<br />

einem schon so langsam das Gefühl<br />

gibt, dass die ganze Geschichte in Frauenhände nde<br />

überging. Es gab nur selten das gebundene Buch,<br />

vielmehr war es eine lose Blattsammlung, die in<br />

schmuckvollen Kästen aufbewahrt wurde.<br />

Als die Blütezeit des Poesiealbums darf man<br />

das 19. Jahrhundert bezeichnen. Und all<br />

die Jahrzehnte h ging es um die Bewahrung der<br />

Tugenden („Sei wie das<br />

Veilchen im Moose, sittsam,<br />

bescheiden und rein, nicht wie<br />

die stolze Rose, die immer bewundert<br />

will sein"), die Versicherung des ewigen<br />

Andenkens („Rosen, Tulpen, Nelken, alle<br />

Blumen welken, nur die eine nicht, die<br />

heißt Vergissmeinnicht" – damals noch mit<br />

„ß"). Dagegen macht sich ein Erhardt'scher<br />

Nonsens-Spruch – „Das Reh springt hoch,<br />

das Reh springt weit, das kann es auch, es hat<br />

ja<br />

Zeit" – schon anders aus. Das hat mir mein<br />

Schulfreund Karsten als Lebensmotto hinterlassen,<br />

und noch einen druntergesetzt: „Auf einem<br />

Baume saß ein Specht. Der Baum war hoch, dem Specht war schlecht."<br />

Irgendwie waren die Mädels besser auf ein Poesiealbum eingestellt.<br />

Politisch ist dieses Phänomen nur in wenigen Phasen der deutschen<br />

Geschichte gewesen, vorrangig im Dritten Reich („Sei<br />

tapfer, treu und edel, mit einem<br />

Wort: ein deutsches Mädel." –<br />

okay, das waren drei Worte) sowie<br />

in den 80ern, wenn wir Pennäler<br />

zu Hause etwas über Atomkraft und<br />

Abrüstung aufgesaugt hatten („Willst<br />

Du auch Sonne statt Reagan, dann lass<br />

uns was bewegen!").<br />

Und noch<br />

wichtigere Dinge waren mittlerweile<br />

auf dem Markt: der Tintenkiller der Firma<br />

Kreuzer und der später in Konkurrenz gehende<br />

Tintentiger von Pelikan. Fröhlich konnte korrigiert<br />

und rumgeschmiert werden, was dem<br />

Erscheinungsbild der jeweiligen Seite nicht<br />

immer gut bekam. 1990 trugen die Diddl-Maus<br />

(ursprünglich ein Känguru), der Reisehase e<br />

Felix sowie die<br />

mittlerweile boomenden<br />

Freundschaftsbücher – eine Art Mikrozensus für<br />

die<br />

Jüngsten – zum weitgehenden Untergang g<br />

des Poesiealbums bei.<br />

Den finalen Todesschuss versuchte das<br />

Internet abzufeuern. Heute posten die Kiddies ie<br />

lieber ein „Boah ey krass Alda", als ein „Ins Album<br />

schreib' ich gern hinein, denn ich will nie vergessen sein, doch<br />

lieber will ich im Herzen stehen, weil's Album kann verlorengehen"<br />

ins Büchlein zu schreiben.<br />

Dem Vernehmen nach holen immer mehr Nostalgiker die wertvolle<br />

Erinnerungskladde hervor. Also, Wanda, geh' auf den Dachboden<br />

und suche dein Poesiealbum! Eine Seite ist frei. Das ist unumkehrbar.<br />

Ich verzeihe dir.<br />

Dein Oliver<br />

Epilog:<br />

„Trinke Milch und esse<br />

Quark, dann kommst<br />

Du nie zu früh in' Sarg."<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 91


MISSION:<br />

IMPOSSIBLE<br />

Von Michael Lange<br />

Unmöglicher Auftrag:<br />

Seit 46 Jahren wird ermittelt<br />

Wenn irgendwo in einem fiktiven Land ein Diktator diskreditiert,<br />

eine wertvolle Statue gestohlen oder ein verräterischer<br />

Spion enttarnt werden sollte, dann war das<br />

geheime IMF-Team unterwegs. Ganze 168 Folgen lang,<br />

von 1966 bis 1973, wurde die von Bruce Geller erdachte<br />

Serie "<br />

Mission: Impossible" produziert und gesendet. In<br />

Deutschland hieß es: "<br />

Kobra, übernehmen Sie!"<br />

Die erste „Kobra" hieß Daniel Briggs und wurde von dem<br />

Schauspieler Steven Hill dargestellt. Ihm offerierte eine namenlose<br />

Stimme über Tonband oder Schallplatte<br />

das Problem. Anschließend gab es den<br />

Hinweis, dass dieser Auftrag gefährlich und<br />

eigentlich unmöglich sei und dass das Team<br />

dabei draufgehen könnte. Und wegen der<br />

Unmöglichkeit der Aufgabe dürfe die eigene<br />

Regierung von der Aktion nichts wissen,<br />

weshalb Briggs und seine Kollegen quasi auf<br />

eigene Faust handelten. Ginge etwas schief,<br />

gäbe es keine Rückendeckung. Nachdem die<br />

Aufnahmen geendet hatten, gingen<br />

das Abspielgerät und auch das dazugehörige<br />

Fotomaterial in Rauch auf.<br />

In einem Appartement begann Teamchef<br />

Briggs, einen Plan auszuarbeiten.<br />

Zu seiner rekrutierten Mannschaft<br />

gehörten Greg Morris als der technikversierte<br />

Barney, Peter Lupus als wortkarger<br />

Willy, Martin Landau als Rollin Hand und seine Frau, Barbara Bain, als<br />

Cinnamon Carter. Zeitweilig kam der eine oder andere „echte" Spezialist<br />

wie ein Arzt oder Psychologe hinzu.<br />

Dann ging es zur Sache. Diese „Impossible Mission Force" (IMF)<br />

benutzte keine Waffen, war leise und hatte einige Werkzeuge zur<br />

Hand, die man nicht im Laden um die Ecke<br />

zu kaufen bekam. So entwickelte Barney<br />

eine Art Pulversauger, der auf der einen<br />

Seite gefährliches Rauchgift einsog und auf<br />

der anderen lautlos ein harmloses Pulver<br />

ausstieß. Die ganze Vorrichtung passte in<br />

die Jacke von Jim Phelps (Peter Graves), der<br />

ab der zweiten Staffel die Rolle des Chefs<br />

übernahm.<br />

Gaststars sorgten in den einzelnen<br />

Folgen für Aha-Effekte:<br />

Peter<br />

Anthony Zerbe, William Shatner,<br />

Graves<br />

Albert Paulsen und Pernell Roberts oder auch die sportliche<br />

Eartha Kitt halfen dem Team oder gaben den fiesen<br />

Gegenpart. Manchmal tauchten die Gäste im Laufe der<br />

Serie in verschiedenen Rollen mehrfach auf.<br />

In Deutschland<br />

kam die Serie 1969 auf die deutschen<br />

Mattscheiben mit den Stimmen von<br />

Joachim Cadenbach (Phelps), Manfred<br />

Schott (Barney) und Erik Schumann<br />

(Rollin). Mit der Zeit wurde die Serie<br />

mehrfach neu synchronisiert. Die Bavaria-<br />

Film erzeugte den deutschen Ton für<br />

die ARD-Erstausstrahlung. Aus irgendwelchen<br />

bislang nicht nachvollziehbaren<br />

Gründen wurde die Serie seinerzeit um circa fünf Minuten gekürzt und<br />

sogar ein neuer Vorspann kreiert. Nachdem die Lunte abgebrannt war,<br />

wurde eine rote Tafel mit dem Namen der Mitwirkenden eingeblendet,<br />

Seite 92 ■ GoodTimes 2/2013


während es im Original noch erst die Bilder der Darsteller in den Worten<br />

„Mission" und „Impossible" gab. Auch das spätere Zusammenstellen<br />

des Teams wurde weggeschnitten.<br />

Mit einem Streichholz<br />

wurde eine Lunte angezündet,<br />

und damit setzte<br />

auch die von dem in<br />

Argentinien geborenen Lalo<br />

Schifrin komponierte, spannende<br />

Musik ein. Während<br />

die Lunte abbrannte, wurden<br />

in schnellem Wechsel<br />

Szenen aus der jeweiligen<br />

Folge gezeigt. Anfangs<br />

schrieb Schifrin den gesamten<br />

Score, bis später andere<br />

Komponisten halfen.<br />

In einem Interview sagte<br />

Schifrin einmal, dass die<br />

Titelmusik zu einem Kinofilm eine Art Brief ist. Die Titelmusik<br />

ik<br />

zu einer TV-Serie allerdings<br />

ein Telegramm. Der<br />

Zuschauer, der sich vielleicht<br />

im Zimmer nebenan<br />

befindet, muss sofort wissen,<br />

dass jetzt „Mission"<br />

oder „Mannix" anfängt.<br />

Nachdem sich Briggs –<br />

oder später auch Phelps<br />

– einen Plan erdacht<br />

hatte, suchte er aus<br />

einer Fotomappe das Team zusammen. Die<br />

Farbabbildungen zeigten in jedem Fall das<br />

Stammteam. Die eventuellen Helfer waren<br />

auf Schwarzweiß-Fotos zu sehen. Ab der dritten<br />

Staffel entfiel das ständige Aussuchen.<br />

Sieben Staffeln<br />

lang wurde das<br />

Team<br />

gefordert.<br />

Ab der zweiten<br />

Staffel übernahm<br />

Peter Graves den<br />

Part von Steven<br />

Hill. Nach der dritten t Staffel stiegen Martin<br />

Landau und seine Frau Barbara Bain aus der<br />

Serie aus, und Leonard Nimoy als Paris kam<br />

neu hinzu. In Staffel 5 stiegen Lesley Ann<br />

Warren und Sam Elliott mit ein. In Staffel<br />

6 gingen Nimoy, Warren und Elliott wieder. Dafür kam Lynda Day<br />

George für die Rolle der Casey. In der letzten Staffel übernahm Barbara<br />

Anderson die Rolle als Mimi Davis.<br />

In den späten 80ern Jahren wurde die Serie neu erfunden. Statt des<br />

Tonbandes kam nun ein CD-Spieler daher, der den Vorteil hatte, nach<br />

Eingabe einer speziellen Zahlenkombination die CD freizugeben, auf<br />

der die Widersacher in Bewegung zu sehen waren. Der sichtlich gealterte<br />

Jim Phelps wurde für die Neuauflage reanimiert. Sein neues Team<br />

setzte sich diesmal aus Phil Morris als Elektronikgenie und Barneys<br />

Sohn Grant Collier, Thaao Penghlis, als Nicholas Black, Tony Hamilton<br />

als Haudrauf Max Harte und als weiblicher Hingucker Terry Maxwell als<br />

Casey Randall zusammen.<br />

Noch immer waren die Fälle unlösbar, und noch immer wollte<br />

der Minister nichts von diesen Aufträgen erfahren, und noch immer<br />

war die Musik spannend, wenn auch von John E. Davis komponiert.<br />

Das neue IMF-Team: v.l.: Thaao Phenglis,<br />

Phil Morris, Peter Graves, Tony Hamilton, und Terry Maxwell<br />

Steven Hill als Dan Briggs<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 93<br />

Davis übernahm die Titelmusik und motzte sie gewaltig auf. Da das<br />

Team feststand, entfiel das Aussuchen, und der Fall konnte nach<br />

dem Briefing gleich beginnen.<br />

Allerdings waren der<br />

Neuauflage nur ganze<br />

zwei Staffeln gegönnt.<br />

Bereits nach der ersten<br />

stieg Terry Maxwell aus,<br />

und Jane Badler kam als<br />

Shannon Reed hinzu. Nach<br />

35 Folgen war dann endgültig<br />

Schluss. Die Filme<br />

wurden aus Kostengründen<br />

in Australien gedreht, nicht<br />

weiter schlimm, bis auf die<br />

teilweise sichtbar schlechten<br />

Spezialeffekte.<br />

Auch in Deutschland<br />

wurde die Neuauflage<br />

gesendet, wieder mit einem<br />

neuen Vorspann, hier hieß sie „Unmöglicher Auftrag" und wieder um<br />

einige Szenen gekürzt. Wie auch schon während der Ur-Serie wurden<br />

hier nicht alle Folgen ausgestrahlt. Episoden, die an die dunkle braune<br />

Vergangenheit Deutschlands erinnerten, wurden von der ARD nicht<br />

eingekauft.<br />

Erfreulich, wenn auch mit einem traurigen Hintergrund, war, dass Greg<br />

Morris' richtiger Sohn, Phil Morris, in die Fußstapfen seines Vaters trat und<br />

in zwei Folgen der Neuauflage neben seinem Vater spielte. Greg Morris<br />

verstarb später mit 61 Jahren, Peter Graves verstarb 2010. Er wurde 84.<br />

Mittlerweile hat es die Serie auf die große Leinwand geschafft. Brian<br />

de Palma wagte sich 1996 an den Stoff heran und drehte mit Tom Cruise<br />

als Teamchef den Film „Mission: Impossible".<br />

Jon Voigt übernahm die Rolle<br />

des Jim Phelps, und Cruise<br />

war Ethan Hunt. Dieser Film<br />

kann tatsächlich als direkter<br />

Nachfolger der Serie gesehen<br />

werden, operierte doch<br />

auch hier die IMF lautlos und<br />

unspektakulär, wenngleich de<br />

Palma auch die Fans gegen<br />

sich aufbrachte, da er ausgerechnet Jim Phelps als<br />

Verräter darstellte, der ein unrühmliches Ende fand.<br />

Die folgenden drei Kinofilme waren alles andere<br />

als Nachfolger. Nichts war mehr lautlos, es gab nur noch Explosionen<br />

und Krach. Das war nicht mehr im Sinne des Erfinders Bruce Geller, der<br />

kurz vor Drehbeginn des ersten Kinofilms bei<br />

einem Unfall ums Leben kam.<br />

Seit 2007 gibt es alle Folgen der Ur-Serie<br />

auf DVD, mit Original vorspann und deutschem<br />

Ton. Leider gibt es kein Bonus-Material.<br />

Erst jetzt bekam der deutsche Zuschauer zu<br />

sehen, was ihm in<br />

den 60ern „dank" der<br />

ARD entgangen war.<br />

Mittlerweile gibt es die Kinofilme auf DVD<br />

oder als Blu-ray-Disc. Die Musik ist auf CD<br />

erhältlich. Der wohl berühmteste Ableger<br />

der Titelmelodie ist die Version von U2 zum<br />

ersten Kinofilm. Bis heute gibt es über 40<br />

verschiedene Interpretationen. Der Original-<br />

Soundtrack zur Neuauflage von John Davis existiert ebenfalls auf CD.<br />

Mit dabei sind auch einige Tracks aus der alten Serie.


Caroline<br />

Munro<br />

Sie wird als die "<br />

First Lady Of Fantasy" bezeichnet<br />

und stand mit Vincent Price, Christopher Lee, Peter<br />

Cushing, Roger Moore und Curd Jürgens vor der Kamera.<br />

Unvergessen ist ihre Rolle in "<br />

Sindbads gefährliche<br />

Abenteuer". Science-Ficon, Horror, Fantasy und Krimis<br />

– alles Genres, in denen sich die arakve Caroline<br />

Munro mühelos bewegt. Munro hat bis heute ihren<br />

guten Ruf gepflegt, was nicht zuletzt an ihrer unvergleichlichen<br />

Liebeswürdigkeit liegt: Alan Tepper im<br />

Gespräch mit einer charmanten und engagierten Frau ...<br />

Von Alan Tepper<br />

Du wolltest eigentlich Kunst studieren ...<br />

Ja, aber dann fragte mich ein Freund, ob er einige Fotos von<br />

mir machen könnte, die er – mit der Erlaubnis von Mama, da ich<br />

erst 17 war – bei dem Wettbewerb „Face Of The Year" einreichte.<br />

Unerwarteterweise gewann ausgerechnet mein<br />

Foto, was dann zu einer Modelkarriere führte. Ich<br />

zog nach London und arbeitete für die „Vogue"<br />

und ähnliche Magazine. Mein Aussehen war in<br />

den späten Sechzigern gefragt, was mir viele<br />

Aufträge aus der Werbung einbrachte.<br />

Mit der James-Bond-Parodie „Casino Royale"<br />

von 1967 kam auch die erste Filmrolle.<br />

Ich hatte vorher schon Statistenrollen gespielt,<br />

aber dieser Film war besonders wichtig für mich.<br />

Überall diese wunderbaren Schauspieler um mich<br />

herum – um dieses kleine, schüchterne Mädchen.<br />

Ich bat den Regisseur um Erlaubnis, beim weiteren<br />

Dreh zusehen zu dürfen. Ich habe keine<br />

reguläre Schauspielausbildung genossen, sondern<br />

durch das Beobachten gelernt. Und bei einem<br />

Film mit unter anderem Ursula Andress, Orson<br />

Welles, Woody Allen und Deborah Kerr kann man<br />

wirklich viel lernen. Später spielte ich in dem<br />

Western „A Talent For Loving", konzentrierte<br />

mich dann aber wieder auf den Modeljob.<br />

Eine Plakatwerbung änderte dein Leben?<br />

Ja, ich hatte bei Lamb’s Navy Rum einen zehnjährigen Werbevertrag<br />

unterschrieben. Sir James Carreras, damals der Geschäftsführer von<br />

Hammer Films, sah eines der Plakate und bot mir nach Probe-<br />

Aufnahmen direkt ein Engagement an.<br />

Doch davor hattest du schon einen Auftritt mit Vincent Price, dem<br />

Meister des Grusels, in „Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes" ?<br />

Genau, aber ich durfte nicht unter meinem Namen auftreten, da ich<br />

schon an Hammer gebunden war. Ich spielte in dem Film die Rolle<br />

der toten Ehefrau Victoria Phibes, musste also gar keinen Text lernen,<br />

sondern unbeweglich im Sarg ruhen. Doch das<br />

war für mich ein großes Problem, denn ich bin<br />

allergisch gegen Federn und durfte nicht niesen.<br />

Die Mühe war es wert, denn welche Frau kann<br />

schon von sich behaupten, zusammen mit dem<br />

großen Vincent Price in einem Sarg gelegen zu<br />

haben? Ich spielte auch in der Fortsetzung, „Die<br />

Rückkehr des Dr. Phibes". Vincent war ein großartiger,<br />

charmanter und sehr gebildeter Mann,<br />

der zudem gerne kochte und die gesamte Crew<br />

versorgte.<br />

Dann hast du eine für dich wichtige Rolle<br />

in „Dracula A.D. 1972" gespielt, der in<br />

Deutschland unter dem kitschigen Titel „Dracula<br />

jagt Minimädchen" lief.<br />

Ich war unglaublich stolz bei Hammer Horror<br />

mitmachen zu dürfen. Es war eine einzigartige<br />

Firma, die weit über 100 Filme produzierte, die<br />

Munro zu Beginn alle eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlen.<br />

In Großbritannien ist Hammer heute noch<br />

der Modelkarriere<br />

Kult. Sie haben mit einem geringen Budget<br />

großartige Werke geschaffen, weil sich alle Beteiligten so viel Mühe<br />

gaben und viel Liebe in ihre Arbeit investierten. Das lässt sich nicht<br />

mit den aktuellen, einfach abgekurbelten Billigversionen vergleichen.<br />

Und mit Christopher Lee zu spielen – das hätte ich nicht missen wollen.<br />

Christopher hat eine beeindruckende Stimme, wie fast alle meiner<br />

Schauspielpartner, darunter Vincent oder auch Curd Jürgens als<br />

Seite 94 ■ GoodTimes 2/2013


Stromberg in „James Bond". Bei den Aufnahmen<br />

fällte ich die Entscheidung, meine schauspielerischen<br />

Ambitionen konkreter zu verfolgen,<br />

was mir auch glücklicherweise in den folgenden<br />

Jahren gelang.<br />

In „Sindbads gefährliche Abenteuer" aus dem<br />

Jahr 1974, einem Film, der besonders in<br />

Deutschland sehr beliebt ist, warst du in der Rolle<br />

der Sklavin Margiana zu sehen. Ähnlich der<br />

Erstverfilmung von „Die Zeitmaschine" (1960)<br />

zeichnet sich der Film durch eine magische, traumähnliche<br />

und leicht surreale Stimmung aus.<br />

Da stimme ich zu, denn die Produktion wurde mit<br />

viel Detailverliebtheit umgesetzt, was natürlich<br />

durch den britischen Hang zum Orientalismus<br />

Du warst noch in dem Science-Fiction-Film<br />

„Star Crash – Sterne im Duell" mit David<br />

Hasselhoff zu sehen und in weiteren Horrorfilmen,<br />

wie zum Beispiel „Maniac", hast dann aber<br />

längere Engagements in den USA abgelehnt.<br />

Ein Fehler?<br />

In professioneller Hinsicht kann man das als<br />

Fehler bezeichnen. Allerdings bin ich ein sehr<br />

familiärer Mensch. Das ständige Reisen hätte<br />

mich zu lange von meinen Lieben getrennt, und<br />

so habe ich in Großbritannien TV-Shows und<br />

Ähnliches gemacht.<br />

In deinem Leben spielte die Musik immer eine<br />

wichtige Rolle. In den Achtzigern hast du für das<br />

Gary-Numan-Label die in Italien sehr erfolgreiche<br />

begünstigt wird. Großen Dank schulden wir alle<br />

Ray Harryhausen, dem unumstrittenen Meister "<br />

Dracula jagt Mini-Mädchen"<br />

der Special Effects, der seine ganz persönliche Note einbrachte. Ich<br />

habe ihn kürzlich noch bei seiner 93. Geburtstagsfeier getroffen.<br />

Ray spielt immer noch mit verrückten Ideen rum.<br />

Nach „Captain Kronos – Vampirjäger" mit Horst Janson hast du<br />

bei Hammer aufgehört. Warum?<br />

Man hatte mir zuvor eine Rolle in „Dr. Jekyll und Sister Hyde" angeboten<br />

und später in „Frankensteins Höllenmonster" und dem niemals<br />

gedrehten „Vampirella". Allerdings sollte ich Nacktszenen spielen,<br />

wofür ich keinen Grund sah. Zu der Zeit erhielt ich viele Angebote<br />

Single " Pump Me Up" in den Abbey Road<br />

Studios aufgenommen.<br />

Nein, die haben wir bei ihm<br />

mitgeschnitten. Doch ich war<br />

schon mal in den Abbey Road<br />

Studios, und zwar 1966. Mein<br />

Dad kannte einen Boss von<br />

der Decca, und der vermittel-<br />

te mich zur Aufnahme einer<br />

Single mit Ginger Baker, Eric<br />

Clapton, Jack Bruce – also<br />

von Männermagazinen, darunter auch dem „Playboy", Nacktfotos In den Klauen von Christopher Lee Cream – und Steve Howe, der<br />

zu machen. Ich habe das abgelehnt, denn ein<br />

später bei Yes Gitarre spielte.<br />

kleines Geheimnis sollte immer bleiben. Erst das<br />

Leider gibt es davon nur eine Promo-<br />

Rätselhafte bringt die Spannung, und ich glaube,<br />

dass ich durch diese <strong>Eins</strong>tellung noch immer angesehen<br />

bin, im Gegensatz zu Kolleginnen, die viel<br />

zu früh viel zu viel von sich preisgegeben haben.<br />

Du hattest noch mal, nach den beiden „Phibes"-<br />

Filmen, das Glück, mit Peter Cushing, neben<br />

Christoper Lee, dem wohl<br />

Ausgabe, die unter Sammlern sehr begehrt<br />

ist. Die Songs hießen "Tar And Cement" und<br />

"This Sporting Life". Ich bin da sehr stolz<br />

drauf. Mein Vater hat mich natürlich begleitet,<br />

und ich fragte ihn, wer denn an diesem<br />

Tag noch in den Studios gewesen war. Dad<br />

meinte, er hätte sich mit vier netten Jungen<br />

bekanntesten<br />

Hammer-<br />

aus dem Norden unterhalten, die gar keine<br />

Schauspieler, in dem<br />

so<br />

üble Musik machten. Da dämmerte es mir<br />

Fantasy-Streifen<br />

„Der<br />

–<br />

es waren die Beatles. Mein Gott, was hätte<br />

sechste Kontinent" zu<br />

Roger Moore mit zwei! Bondgirls<br />

ich für ein Autogramm von meinen Idolen<br />

arbeiten. Dann kam<br />

gegeben! Ich war dann eine kurze Zeit mit<br />

„James Bond 007 – Der Spion, der mich<br />

liebte" mit Roger Moore ...<br />

Ja, Roger – immer ein ungezogener Junge,<br />

der während der Drehpausen allen Mädchen<br />

ungezogene Streiche spielte. Ich trat in der<br />

Rolle der Naomi, seiner Kontrahentin, auf,<br />

die von ihm getötet wird. Da fällt mir<br />

eine Anekdote ein. Ich habe den Film<br />

mit einer meiner Töchter gesehen<br />

– ich weiß nicht mehr, ob es<br />

Georgina oder Iona gewesen ist.<br />

Sie war gerade erst fünf. Wir<br />

saßen zusammen auf dem Sofa<br />

und sahen, wie Bond eine<br />

Rakete zündete und mich<br />

im Hubschrauber abschoss.<br />

Mein Gott, sie begann loszuheulen,<br />

da sie meinte, ich<br />

wäre<br />

wirklich tot. Ich muss-<br />

te sie erst mal drücken<br />

und sagte: „Hey Kleines,<br />

keine Angst, Mama ist<br />

doch hier." Nach einigen<br />

Minuten verstand sie es<br />

Colin Blunstone von den Zombies zusammen. Ein wirklich süßer Junge.<br />

Nach der Trennung hat er mir auf seinem 71er-Album ONE YEAR den<br />

Song "Caroline Goodbye" gewidmet. In den Achtzigern bin ich noch in<br />

den beiden Videoclips von Adam Ants "Goody Two Shoes" und Meat<br />

Loafs "If You Really Want To" aufgetreten.<br />

Dein Bekanntheitsgrad scheint ungebrochen zu sein. Erst kürzlich<br />

erschien in Deutschland der Band „Die James Bond Girls" von<br />

Frederic Brun, der dir einige Seiten widmete und auch in der<br />

englischsprachigen Ausgabe „Cinema Sex Sirens" von Lee<br />

Pfeiffer bist du zu finden. Was machst du heute?<br />

Seit einigen Jahren werde ich häufig zu Horror- und<br />

Fantasy-Conventions eingeladen, wo ich Interviews<br />

und Autogramme gebe und oft Kollegen von früher<br />

wiedersehe. Wie schon erwähnt, gibt es speziell<br />

um Hammer einen richtigen Kult. Ich reise aber<br />

auch in die USA, nach Italien oder Spanien, wo<br />

meine Person gefragt ist. Ich war sogar schon in<br />

Deutschland, und zwar in Bottrop. Na ja, und um<br />

meine Familie muss und will ich mich auch kümmern.<br />

Zusammen mit meiner Managerin unterstütze<br />

ich darüber hinaus ein Tierheim, in dem<br />

wir oft Versuchstiere, von der pharmazeutischen<br />

Industrie und ähnlich geschundene Kreaturen aufpäppeln.<br />

Den Erlös durch den Verkauf meiner DVD<br />

glücklicherweise. Seitdem<br />

und der Autogramme spende ich zu diesem Zweck.<br />

hat sie einen Satz immer<br />

parat: „Ich hasse James Bond!"<br />

Das ist zwischen uns ein richtiger<br />

Insiderscherz geworden.<br />

Alles in allem kann ich sagen, dass es das Leben mit<br />

mir wirklich gut gemeint hat.<br />

www.carolinemunro.org<br />

Mit den Waffen einer Frau<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite 95


Frühbucher<br />

haben die<br />

besten Karten<br />

Von Ul<br />

i Tw<br />

elker<br />

You got a reservation, Sir?" Besser wäre es. So leicht<br />

"<br />

kommt man nicht an den schwarz livrierten Security-<br />

Muskelmännern, den Bouncers", vorbei, die das Jazz-<br />

"<br />

Etablissement im Herzen von Londons Amüsierviertel<br />

Soho bewachen. Reservierung heißt, dass man<br />

lange vorher einen Tisch bestellt hat und essen<br />

möchte. Es bedeutet vor allem, dass man<br />

schnell reagiert, wenn man von einem Gig<br />

erfährt. Denn Ronnie Scott's Club ist eine der<br />

heißesten Adressen.<br />

Spielt etwa das New Yorker Vocalese-Quartett<br />

Manhattan Transfer nur für zwei Tage, oder kommt<br />

nach langer Zeit Ginger Baker mal wieder für drei<br />

Nächte, so können die Tische in Minuten belegt sein – per<br />

Telefon oder Internet. Tritt Georgie Fame eine ganze Woche<br />

auf, gibt es keineswegs länger Karten.<br />

Hier mutet nicht nur die Security dunkel an. Wird man von<br />

einer der eleganten Ladies zum Tisch geführt, sieht man<br />

sofort: alle Wände schwarz, Tischlämpchen wie zu Zeiten des<br />

„Blauen Engel".<br />

Cocktail-Preise<br />

können astronomisch<br />

sein; das<br />

Risotto ist okay,<br />

etwas übersichtlich.<br />

Die Musik<br />

dagegen ist oft<br />

sensationell. Damit<br />

diese auch ungefiltert das interessierte Publikum erreicht, bittet<br />

der Moderator zu Beginn: „Please keep your conversation to a minimum."<br />

Was Georgie Fame schon mal mit „You can talk as much as<br />

you like" beantwortet: „Quatscht, soviel ihr wollt!” Bald schleichen<br />

Serviererinnen und Chefkellner während der Performance durch die<br />

schmalen Nischen zwischen den Tischlein im British-Rail-Format und<br />

hauchen „Ssssh" – es ist diese Atmosphäre, die Ronnie Scott's Club<br />

unvergleichlich macht.<br />

Es gibt Soho-Musiklokale, die sind legendär, weil es sie nicht mehr<br />

gibt. Viele erinnern sich an den bluesig-rockigen Marquee Club, wo<br />

die Who begannen. Oder den Flamingo Club – auch schon in <strong>kult</strong>! zu<br />

Ronnie Scott<br />

Ehren gekommen<br />

–, in dem anfangs vor allem<br />

Modern-Jazz- und Bebop-Könner er<br />

wie die Jazz Couriers spielten, mit<br />

begabten Saxofonisten wie Tubby by<br />

Hayes und Ronnie Scott. Bald öff-fnete<br />

man sich dem R&B – für Alexis<br />

Korner's Blues Incorporated, Geno<br />

Washington & The Ram Jam Band,<br />

Chris Farlowe & The Thunderbirds,<br />

Zoot Money's Big Roll Band und<br />

natürlich Georgie Fame und seinen<br />

Blue Flames.<br />

Phil Seaman<br />

Foto: © Peter Schneiders<br />

Seite 96 ■ GoodTimes 2/2013<br />

Georgie Fame


Ronnie Scott's bleibt: Tenorsaxer<br />

Ronnie Scott (1927–1996) war<br />

der erste Brite, der durch Charlie<br />

Parker beeinflusst wurde. Schon<br />

in den 40er Jahren arbeitete Scott<br />

auf den Salonbühnen des Schiffes<br />

Queen Mary, um in den USA<br />

seinen geliebten Jazz aus erster<br />

Hand zu hören. Die Jazz-Clubs<br />

in Manhattans 52nd Street hatten<br />

es ihm dabei besonders angetan<br />

– unvergesslich war sein Erlebnis,<br />

Dizzy Gillespie mit Miles Davis spielen<br />

zu hören, der damals noch für<br />

Charlie Parker arbeitete.<br />

Scotts Traum war ein eigenes Etablissement. Ihm selbst wurde eine<br />

große Karriere jenseits des Atlantiks vorausgesagt. Neben seiner<br />

hervorragenden Live- und Studio-Arbeit eröffnete Scott – dank 1000<br />

Pfund Darlehen seines Stiefvaters – am Freitag, dem 30. Oktober 1959,<br />

mit dem ehemaligen Tenor-Saxofonisten Pete King seinen<br />

eigenen Club – Ronnie Scott's – im Keller der im<br />

Süden Sohos gelegenen 39 Gerrard Street: also mitten<br />

in Chinatown.<br />

Eigentlich war das Basement, als ehemaliger Taxi-<br />

Warteraum und Tee-Eckchen bei vielen Musikern<br />

wohlbekannt, zum Jammen gedacht. Erster richtiger<br />

Livegast des neuen Ladens war der Alt-Saxer Peter<br />

King, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Club-<br />

Co-Manager Pete King. Von Beginn an bis heute gibt<br />

es eine renommierte Hausband. Anfangs garantierte<br />

sie, dass US-Berühmtheiten spielen konnten, die von<br />

der britischen Musikergewerkschaft gezwungen wurden,<br />

ohne Band zu reisen. Andererseits musste die berüchtigte<br />

American Federation Of Musicians erst mal dazu gebracht<br />

werden, Ami-Jazzern überhaupt Auftritte im Königreich<br />

zu gestatten – Pete King gelang das.<br />

Zur<br />

Hausband<br />

gehörte lange<br />

Pete King, Phil Seamen,<br />

Mike Senn and Pete Pitterson<br />

der legendäre Phil Seaman, dessen<br />

Fertigkeiten ihn zum wohl großartigsten<br />

Schlagzeuger des britischen Jazz<br />

machen, dessen Spektrum von Cilla<br />

Black bis Ginger Baker's Air Force<br />

reichte und<br />

der festes<br />

Mitglied von Georgie<br />

Fame & The Blue Flames<br />

war, ehe er wegen seiner<br />

Heroinabhängigkeit<br />

ausgetauscht wurde.<br />

Heute leitet Pianist James<br />

Pearson die Ronnie Scott's<br />

All Stars. Zoot Sims war<br />

der erste US-Star, der ins „Scott's" gelangte – dafür durfte das Tubby<br />

Hayes Quartett im New Yorker Half Note auftreten: im November 1961.<br />

Stan Getz, Benny Golson und Wes Montgomery gehörten zu den zahlreichen<br />

Legenden, die ihm folgen sollten.<br />

Ronnie Scott<br />

Nach sechs Jahren war der<br />

Club so erfolgreich, dass sich<br />

ein Umzug in bald ebenso dunkle,<br />

aber größere Räumlichkeiten<br />

der 47 Frith Street lohnte aber<br />

nicht rechnete. Ronnie Scott lieh<br />

sich von Konzertpromoter Harold<br />

Davison 35.000 Pfund (ergaben<br />

damals in deutschem Geld fast<br />

eine halbe Million). Statt ordentlich<br />

Kasse zu machen, ließ man<br />

den Pachtvertrag des alten Clubs<br />

zwei Jahre auslaufen, um jungen<br />

Talenten dort eine Chance zu<br />

geben – musikalischer Gewinn bei<br />

finanziellem Verlust. Georgie Fame's Blue Flames gehören gleichzeitig<br />

zu jenen, die damals bis heute in dem Club auftreten und während der<br />

80er und 90er Jahre locker drei Wochen Konzerte hintereinander ausverkauften<br />

– schwarze Zahlen, die immer dringend gebraucht wurden.<br />

Ronnie Scott selbst war berühmt-berüchtigt als<br />

Conférencier und Erzähler dubiosester Witze. Er<br />

behielt aber auch immer flinke Hände und leistungsfähige<br />

Lungenflügel in der Musik. So spielte er etwa bei den<br />

Beatles-Sessions von "Lady Madonna" 1968 das Saxofon,<br />

war jedoch entsetzt, wie wenig von seinem intensiv<br />

ausgespielten Solo auf die Single geriet. Im gleichen<br />

Jahr wurde ein Gebäude dazugekauft, es gab nun einen<br />

Talentschuppen im ersten Stock und unten Sitzplätze für<br />

250 Fans. Dazu errichtete man eine Bar – eine weitere<br />

findet sich heute Upstairs At Ronnie's.<br />

Das Erlebnis ließ Scott dennoch den Club für die<br />

Rockmusik öffnen: The Who führten im Frühjahr 1969<br />

im<br />

„Scott’s" ihre TOMMY-Oper ein. Auch die Supergroup<br />

von Steve Marriott und Peter Frampton, Humble Pie,<br />

debütierte hier im August des gleichen Jahres – ihre<br />

inspirierte Ausarbeitung von Dr. Johns "Walk On Gilded<br />

Splinters" sollte sich eines Jazz-Clubs würdig erweisen,<br />

war sie doch vom Anspruch her meilenweit vom gerade<br />

chartenden "Natural Born Boogie" entfernt. Wie weit<br />

man das Attribut Jazz ziehen kann, beweist auch, dass Elkie Brooks, Eric<br />

Burdon oder Peter Green's<br />

Zoot Money<br />

Splinter Group eine Chance<br />

im Ronnie Scott’s Club bekamen<br />

– Green immerhin näher<br />

an seiner Top-Form der<br />

Brit-Blues-Sixties als in den<br />

letzten Jahren.<br />

1<br />

981 bekam Ronnie Scott<br />

den OBE-Orden von<br />

Queen Elizabeth für seine<br />

„Services To Jazz", 15<br />

Jahre vor seinem Ende mit 69. Nach Thrombose, Beinoperationen und<br />

für ihn als Saxer unerlässlichen Zahnimplantaten, für die er Brandy<br />

mit „Painkillern" (Schmerzmittel) kombinierte. Tödlich! Pete King<br />

führte den Laden für weitere neun Jahre, ehe er 2005 an die Theater-<br />

Managerin Sally Green verkaufte, die bereits als Kind von ihrem Vater<br />

in den Club eingeführt worden war. Geleitet wird der Club heute von Leo<br />

Green, einem weiteren Saxer (Jerry Lee Lewis, Van Morrison, Bob Dylan).<br />

Wollt ihr Billy Cobham? Terry Reid? Van Morrison? Früh buchen!<br />

Viele Soho-Besucher möchten sich lieber nicht ablichten lassen,<br />

daher die leeren Stühle. Oder war es ein Free-Jazz-Ausrutscher?<br />

GoodTimes 2/2013 ■ Seite So 97 hell ist es im Ronnie Scott's sonst nie!<br />

© Pressefotos


Alfred Biolek<br />

Von Christian Simon<br />

Heute würde ich nicht<br />

"<br />

zum Fernsehen gehen"<br />

Auf dem Bildschirm war er in seiner Art einzigartig und machte nach eigenen Worten "<br />

Unterhaltung<br />

mit Haltung": Alfred Biolek. "<br />

Bios Bahnhof", "<br />

Boulevard Bio" und "<br />

Alfredissimo" waren Höhepunkte<br />

deutscher Fernsehunterhaltung. Auf dem Zenit seiner Karriere verabschiedete sich der promovierte<br />

Jurist von seinen Zuschauern und talkt heute nur noch auf kleinen Theaterbühnen mit seinen<br />

Gästen. Kürzlich zog er wieder von Berlin in "<br />

seine" Stadt Köln.<br />

Du bist nach Köln zurückgekehrt. Bist du jetzt sozusagen wieder zu Hause?<br />

Ja, das kann man sagen. Köln war schon eine sehr wichtige Station<br />

für mich, weil ich hier alle meine großen Sendungen gemacht habe.<br />

Und den Anfang machte ich hier im Senftöpfchen, wo ich die erste<br />

Talkshow ohne Fernsehen gemacht habe, die dann zum „Kölner Treff"<br />

geführt hat.<br />

Kürzlich hattest du einen bösen Unfall. Was ist passiert?<br />

Ich war bei einem Bekannten zum Abendessen und habe mich verabschiedet.<br />

Dann bin ich die Treppe runtergefallen. Statt sie runterzugehen,<br />

bin ich drei Stockwerke hinuntergestürzt. Da habe ich mir die<br />

Schulter gebrochen und war dann insgesamt sehr reduziert. Ich musste<br />

in die Reha-Klinik. Aber es ist alles vorbei, alles wunderbar.<br />

Du machst auch wieder eine Talkshow?<br />

Ich mach’ zwei, eine in Bonn und eine in Düsseldorf.<br />

Wer sind deine Gäste?<br />

Ganz unterschiedlich. In Bonn war es der frühere WDR-Intendant<br />

Friedrich Nowottny zusammen mit zwei anderen politischen<br />

Journalisten. Aber es waren auch Schauspieler da, zum Beispiel welche<br />

aus der „Lindenstraße". Auch Heino mit seiner Frau hatte ich eingeladen.<br />

Also sehr unterschiedlich. Es hat immer etwas mit der Stadt zu<br />

tun, wenigstens im weitesten Sinne.<br />

Apropos Gäste. Du hast in all den Jahren viele Menschen kennen gelernt. Welche Persönlichkeiten,<br />

denen du begegnet bist, haben dich am meisten beeindruckt?<br />

Ich kann die Frage so nicht beantworten. Schau, wenn ich den Dalai<br />

Lama, Herrn Putin oder Herrn Kohl gehabt habe, dann war das sehr<br />

eindrucksvoll. Aber schon in der nächsten Woche hatte ich ein junges<br />

Mädchen, das mir von seiner furchtbaren Krankheit erzählt hat, wie sie<br />

damit umgeht und damit lebt. Das hat mich genauso mitgenommen<br />

oder beeindruckt wie ein Sammy Davis Jr. oder ein Bundeskanzler<br />

Schröder. Also ich kann nicht sagen, wer der Eindruckvollste war.<br />

Bei mir war das immer eine totale Mischung, das war ja auch das<br />

Besondere an meinen Sendungen. Hochkarätige Prominente gab es<br />

ebenso wie völlig Unbekannte.<br />

Du hast nicht nur Stars getroffen, sondern auch welche entdeckt ...<br />

Ja. Anke Engelke zum Beispiel, aber viele<br />

andere auch. Aber das sollen die selber erzählen,<br />

wenn sie es ebenso sehen wie ich.<br />

Du hast von dir gesagt: Ich habe Unterhaltung mit Haltung<br />

"<br />

gemacht."<br />

Genau. Das vermisst man heute etwas im<br />

deutschen Fernsehen.<br />

Würdest du heute gerne noch einmal auf dieser Bühne, dem<br />

deutschen Fernsehen, mitspielen?<br />

Eher nein. Unter den Umständen,<br />

wie heute Fernsehen gemacht<br />

wird, würde ich nicht mitspielen.<br />

Ich kann mir kaum vorstellen,<br />

dass ich heute, auch wenn ich<br />

jung wäre, zum Fernsehen wollte.<br />

Die Quote war zu unserer Zeit<br />

völlig unwichtig. Man war offen,<br />

man war frisch und frei. Wenn ich<br />

mir nur vorstelle, wen ich in „Bios Bahnhof" alles eingeladen habe ...<br />

ganz wenige deutsche populäre Schlagersänger. Gut, Udo Jürgens und<br />

Udo Lindenberg waren da, aber ansonsten internationale Stars aus allen<br />

Ländern. Das wäre in dieser Form heute kaum mehr möglich.<br />

Ein Satz von dir ist mir besonders aufgefallen: Man braucht im Leben die nötige Balance zwischen<br />

"<br />

Disziplin und Genuss."<br />

Ja, das ist sozusagen eines der Hauptthemen meines Leben. Ich habe<br />

immer versucht, Disziplin und Genuss zu mischen. Nicht zu viel Genuss,<br />

aber auch nicht zu viel Disziplin, beides zu viel ist nicht gut. Die Balance<br />

macht’s, das Gleichgewicht. Das gesunde Mittelmaß hält einen gesund.<br />

Stichwort Genuss – kochst du noch gerne?<br />

Jaaa!!!<br />

Du bist ja auch bekannt für deine Einladungen, du hast gerne für Freunde gekocht. Hast du das<br />

beibehalten?<br />

Nein, nur noch in kleinem Rahmen. Das war auch einer der Gründe,<br />

warum ich von Berlin wieder nach Köln gezogen bin. Das wurde mir<br />

alles zu viel. Ich habe in Berlin zu viele große Einladungen gehabt.<br />

Das wollte ich nicht mehr weitermachen. Dazu habe ich mich einfach<br />

zu schwach gefühlt. In knapp zwei Jahren werde ich 80. Da will man<br />

nicht mehr für 40 oder 50 Leute kochen. Ich hab’ für die Berliner<br />

Filmfestspiele gekocht, für 70 Leute ... für die aus Hollywood, auch<br />

der Kanzler war da, und ich weiß nicht mehr, wer alles ... Das ist aber<br />

jetzt vorbei.<br />

Noch ein wichtiger Begriff in deinem Leben ist das Wort Humor. Du hast einmal gesagt, Humor ist<br />

eine Lebenseinstellung.<br />

Na ja, man soll nicht alles so todernst sehen, man soll auch die heitere<br />

Seite suchen. Alles, was im Leben passiert, hat<br />

irgendwo ’ne Mischung. Oft lässt man das Heitere<br />

weg und konzentriert sich auf das Ernste. Ich habe<br />

immer versucht, auch das Heitere zu sehen und<br />

hervorzuheben. Dann wird alles ein bisschen leichter<br />

und lustiger.<br />

Worüber kannst du lachen?<br />

Über gute jüdische Witze.<br />

Das ist jetzt aber kein Witz, wenn ich sage, dass du kein Handy hast.<br />

Nein. Das heißt, ich habe eines, das ich aber nie<br />

benutze. e. Ganz selten, wenn ich mal irgendwo hinreise, wo’s<br />

kein Telefon gibt.<br />

Welchen Ratschlag würdest du den heutigen Fernsehmachern mit auf den Weg<br />

geben?<br />

Dass man wissen muss, wann man aufhören sollte. Das<br />

war schon bei Kulenkampff so. Als der mit seiner großen<br />

Erfolgssendung aufhörte, hat der noch drei- oder viermal<br />

Mist gemacht – gar nicht gut. Als ich gemerkt habe, jetzt<br />

bin ich alt genug, habe ich einfach aufgehört.<br />

Foto: © INTERFOTO / amw<br />

Seite 98 ■ GoodTimes 2/2013


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aktiv auf Bühnen und in Studios – wir informieren Sie! Und haben dabei stets auch Augen und Ohren für<br />

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