Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
<strong>kult</strong>!<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
60er · 70er · 80er<br />
D: € 6,50<br />
Österreich € 7,50<br />
Luxemburg € 7,50<br />
Schweiz CHF 12,70<br />
Ausgabe 2/2013 (Nr. 8)<br />
mit<br />
Poster<br />
Heimatfil<br />
Heimatfilme<br />
Mode<br />
Poesie-<br />
Album<br />
Romy Schneider · Marlene Dietrich · Marie Versini · Das Jahr 1963 · Nino de Angelo · Volker Lechtenbrink · 300
The legendary<br />
music TV show - now with<br />
restored and remastered sound + vision!<br />
Double value:<br />
DVD + CD set<br />
(in practical standard<br />
2CD size pack)<br />
DVD for your on-screen<br />
viewing pleasure<br />
CD to play on your HiFi,<br />
portable or in-car<br />
Region free.<br />
Audio selection of<br />
Mono, Stereo and<br />
5.1 Surround Sound<br />
THE BLUES BAND:<br />
‘Live At Rockpalast’ 1980<br />
REP 5283<br />
Just for A Thrill<br />
REP 5246 Digipak<br />
Live<br />
REP 5247 Digipak<br />
ALVIN LEE &<br />
TEN YEARS LATER:<br />
‘Live At Rockpalast’ 1978<br />
REP 5285<br />
MICKEY JUPP:<br />
‘Live At Rockpalast’ 1979<br />
REP 5284<br />
Expertly remastered. Superb vision.<br />
Outstanding sound. The best in the business!<br />
CLIMAX BLUES BAND:<br />
‘Live At Rockpalast’ 1976<br />
REP 5282<br />
www.repertoirerecords.com
IMPRESSUM<br />
Anschrift:<br />
NikMa Verlag<br />
Fabian Leibfried<br />
Eberdinger Straße 37<br />
71665 Vaihingen/Enz<br />
Tel: 0 70 42/37660-160<br />
Fax: 0 70 42/37660-188<br />
email: goodtimes@nikma.de<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
Herausgeber und Chefredakteur:<br />
Fabian Leibfried<br />
Mitarbeiter:<br />
Jens-Uwe Berndt, Horst Berner, Lothar<br />
Brandt, Michael Fuchs-Gamböck, Hans-<br />
Jürgen Günther, Peter Henning, Christian<br />
Hentschel, Teddy Hoersch, Hugo Kastner,<br />
Frank Küster, Bernd Matheja, Helmut Ölschlegel,<br />
Thorsten Pöttger, Philipp Roser, Roland<br />
Schäfl i, Oliver Schuh, Ulrich Schwartz, Eckhard<br />
Schwettmann, Christian Simon, Alan Tepper,<br />
Jörg Trüdinger, Claudia Tupeit, Uli Twelker,<br />
Peter Verhoff, Thomas Wachter, Jürgen Wolff<br />
Abonnements, Shop:<br />
Andrea Leibfried<br />
Grafische Gestaltung:<br />
Andrea Zagmester, <strong>kult</strong>@nikma.de<br />
Kathleen Müller, grafi k@nikma.de<br />
Anzeigenverkauf:<br />
Petra Czerny, anzeigen@nikma.de<br />
Vertrieb:<br />
IPS Pressevertrieb GmbH<br />
Postfach 1211<br />
53334 Meckenheim<br />
Tel: 0 22 25/88 01-0<br />
Druckerei:<br />
Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG<br />
Frankfurter Str. 168<br />
34121 Kassel<br />
Erscheinungsweise:<br />
2x jährlich<br />
Copypreis:<br />
Einzelheft: 6,50 € (Preis inkl. 7% MwSt.)<br />
Abonnement:<br />
siehe Seite 89<br />
Anzeigen:<br />
Für gewerbliche Anzeigen bitte<br />
Preisliste Nr. 01 (inkl. Mediadaten) anfordern.<br />
Kontoverbindung:<br />
NikMa Verlag<br />
Kreissparkasse Ludwigsburg<br />
Konto: 108 294<br />
BLZ: 604 500 50<br />
IBAN: DE38 6045 0050 0000 1082 94<br />
BIC: SOLADES1LBG<br />
Titelfoto:<br />
Marilyn Monroe: © Interfoto/Friedrich<br />
Der Verlag hat sich bemüht, alle Rechte -<br />
inhaber der abgedruckten Fotos zu erreichen.<br />
Leider ist dies nicht in allen Fällen gelungen.<br />
Ggf. möchten bisher unbekannte Urheber<br />
ihre Ansprüche geltend machen. GoodTimes<br />
<strong>kult</strong>! ist auf umweltfreundlichem, chlorfrei<br />
gebleichtem Papier gedruckt! Weiterverwendung<br />
aller in GoodTimes <strong>kult</strong>! erschienenen<br />
Artikel, Interviews, Fotos, Rezensionen etc.<br />
nur mit der Zustimmung des Herausgebers<br />
gestattet.<br />
Gerichtsstand: Stuttgart<br />
Willkommen bei<br />
<strong>kult</strong>!<br />
Fabian Leibfried<br />
-Herausgeber/Chefredakteur-<br />
Das 30-jährige Jubiläum der TV-Musiksendung <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />
"<br />
spielt in dieser <strong>kult</strong>!-Ausgabe eine wichtige Rolle, symbolisierte<br />
sie doch Anfang der 80er Jahre eine wichtige Zeitenwende in der<br />
Musikwelt. Diese neuartige Präsentation von Liedern mit Hilfe<br />
von Videoclips hatte ein Jahr zuvor mit dem Start von MTV auf fbreiter Front tbe-<br />
gonnen, war über die bis dahin nur gelegentliche Form der Visualisierung von Songs<br />
hinausgegangen. In Deutschland trat sie dank <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" und Moderator Peter<br />
"<br />
Illmann – die Bezeichnung VJ (Video-Jockey) kam erst später auf – ihren Siegeszug<br />
an. In den ersten Jahren nach der Jahrtausendwende spielten Videos dann eine immer<br />
geringere Rolle, sie gewannen erst wieder mit dem Erfolg von youtube wieder an<br />
Bedeutung. Was aber eine ganz andere Geschichte wäre ...<br />
Anfang der 80er Jahre veränderten Videos die Wahrnehmung von Songs radikal.<br />
"Video Killed The Radio Star" war der Song, den die Buggles (Geoff Downes, Trevor<br />
Horn) bereits 1979 kreiert hatten und der zum Sendestart von MTV am 1. August<br />
1981 um 0.01 Uhr als Videoclip über die Bildschirme flimmerte. Dieses Stück brachte<br />
(bei aller Übertreibung des Titels) die Entwicklung metaphorisch auf den Punkt:<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man Lieder im Radio gehört, in der eigenen Fantasie<br />
Bilder dazu entwickelt. Man verband bestimmte persönliche Jugenderlebnisse (erster<br />
Kuss, wilde oder sanfte Party-Erlebnisse und dergleichen) mit bestimmten Liedern.<br />
Santanas Schmuse-Instrumental "Samba Pa Ti" beispielsweise dürfte für viele Heranwachsende<br />
in den 70er Jahren unvergesslich bleiben ...<br />
Doch mit dem Aufkommen von Videos hörte man Lieder nicht mehr, man sah" sie. "<br />
Hast du schon die oder jene Nummer gesehen" gehörte damals schnell zur Alltagssprache.<br />
Man hatte nicht mehr die selbst entworfenen Bilder vor dem geistigen Auge,<br />
"<br />
sondern diejenigen, die mehr oder weniger einfallsreiche Videokünstler mit den Tönen<br />
mitlieferten. Wie dies zu bewerten ist, müssen Sie, liebe Leserinnen und Leser,<br />
für sich selbst beurteilen – aber darüber kurz mal nachzudenken, ist die Sache wert.<br />
Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der neuen <strong>kult</strong>!-Ausgabe viel Vergnügen, Schwelgen<br />
in Erinnerungen – und lassen Sie uns wissen, welche Themen Sie in einem der<br />
nächsten Hefte gerne aufgegriffen sähen!<br />
mit<br />
Poster<br />
<strong>kult</strong>! Nr. 9 erscheint<br />
am 18.10.2013<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 3
Ausgabe April 2013<br />
2/2013 (Nr. 8)<br />
INHALT<br />
<strong>kult</strong>!<br />
60er · 70er · 80er<br />
RUBRIKEN<br />
3 Editorial/Impressum<br />
4 Inhaltsverzeichnis<br />
5 Top 5: <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>-Hits<br />
Mitarbeiter<br />
6 News from the past<br />
Altes neu ausgepackt<br />
13 <strong>kult</strong>! Shop<br />
89 <strong>kult</strong>! Abo-Bestellschein<br />
47 Marilyn Monroe/<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong><br />
Riesenposter<br />
Seite 14<br />
Seite 21<br />
Seite 26<br />
Seite 24<br />
14 Tarzan<br />
Der Unsterbliche aus dem Dschungel<br />
18 Hugo Kastner<br />
Der Mann, der dem Wilden Westen Gesichter gab<br />
21 ZDF-Hitparade<br />
Heck und die Hitparade: spartanisch, aber live<br />
23 Dieter Thomas Heck<br />
Interview<br />
24 Buck Danny<br />
Seit 65 Jahren am Steuerknüppel und kein<br />
bisschen grauer<br />
26 <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong><br />
Jede Woche Clips aus einer Anarcho-Kulisse<br />
28 Peter Illmann<br />
Interview<br />
30 Alfa Romeo<br />
Als der Autofahrer sein Herz an Giulia" verlor<br />
"<br />
32 Nino de Angelo<br />
Interview<br />
34 Kultbücher<br />
Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
36 Marlene Dietrich & Romy Schneider<br />
Deutschlands größte Filmdiven –<br />
Als Marlene Romys Dealer wurde<br />
40<br />
" 300" und Der Löwe von Sparta"<br />
"<br />
Auf den Spuren von König Leonidas<br />
44 U-Comix<br />
Der Underground mischt die Superhelden auf<br />
70er<br />
TV-Serien<br />
Seite 56<br />
Seite 30<br />
Seite 72<br />
Seite 82 Seite 36<br />
Mode<br />
Seite 44<br />
Seite 40<br />
56 TV-Krimi-Serien der 70er (Teil 2)<br />
Fernsehen mit Suchtgefahr<br />
60 Marie Versini<br />
Interview<br />
62 Heimatfilme<br />
Verschmäht und geliebt<br />
68 Spaghetti-Western<br />
Als Spaniens Süden der Wilde Westen war<br />
72 Sennheiser<br />
Generation Gelb:<br />
Der Siegeszug eines Kopfhörers<br />
74 Das Jahr 1963<br />
Postraub, Buli, JFK<br />
78 Sammelbilder<br />
Vom Kaufanreiz zum Objekt der Begierde<br />
80 Volker Lechtenbrink<br />
Interview<br />
82 Mode-Serie – 50er Jahre (Teil 1)<br />
Petticoat & Pomade wieder heiß begehrt<br />
86 The Beat Generation<br />
Provokation – Umwälzung – Freiheit<br />
90 Die Geschichte des Poesiealbums<br />
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut"<br />
"<br />
92 Mission: Impossible<br />
Unmöglicher Auftrag:<br />
Seit 46 Jahren wird ermittelt<br />
94 Caroline Munro<br />
Die Schöne und die Biester<br />
96 Ronnie Scott's Jazz Club<br />
Frühbucher haben die besten Karten<br />
98 Alfred Biolek<br />
Interview<br />
Seite 4 ■ GoodTimes 2/2013
TOP 5<br />
<strong>kult</strong>!<br />
HITS<br />
1. Billy Idol – White Wedding<br />
2. Flash & The Pan – Early Morning Wake Up Call<br />
3. New Order – Blue Monday<br />
4. Slade – My Oh My<br />
5. Alice Cooper – Poison<br />
Fabian Leibfried<br />
1. Ray Parker Jr. – Ghostbusters<br />
2. Jennifer Warnes & Joe Cocker – Up Where We Belong<br />
3. Billy Ocean – When The Going Gets Tough The Tough Gets Going<br />
4. Michael Jackson – Thriller<br />
5. Berlin – Take My Breath Away<br />
Roland Schäfli<br />
1. Queen – I Want It All<br />
2. <strong>Eins</strong>türzende Neubauten – Engel der Vernichtung<br />
3. W.A.S.P. – Blind In Texas<br />
4. REO Speedwagon – Can't Fight This Feeling<br />
5. Ixi – Detlef<br />
Jens-Uwe Berndt<br />
1. Chris Isaak – Dancin'<br />
2. Jimmy Nail – Love Don't Live Here Anymore<br />
3. Pasadenas – Riding On A Train<br />
4. Will Downing – A Love Supreme<br />
5. Cure – Lullaby<br />
Oliver Schuh<br />
1. Rolling Stones – She Was Hot<br />
2. Pete Townshend – Face To Face<br />
3. Honeydrippers – Good Rocking At Midnight<br />
4. B.B. King – Into The Night<br />
5. Rio Reiser – König von Deutschland<br />
Horst Berner<br />
1. Wall Of Voodoo – Mexican Radio<br />
2. Tears For Fears – Mad World<br />
3. Whodini – The Haunted House Of Rock<br />
4. Righeira – Vamos A La Playa<br />
5. VOF. de Kunst (The Art Company) – Susanna<br />
Ulrich Schwartz<br />
1. Chris Isaak – Wicked Game<br />
2. Vaya Con Dios – Nah Neh Nah<br />
3. George Michael – Freedom<br />
4. Prince – Bat Dance<br />
5. Ärzte – Bitte Bitte<br />
Lothar Brandt<br />
1. Pat Benatar – Love Is A Battlefield<br />
2. Herbie Hancock – Rockit<br />
3. Elvis Costello – Everyday I Write A Book<br />
4. Geier Sturzflug – Bruttosozialprodukt<br />
5. Billy Idol – White Wedding<br />
Eckhard Schwettmann<br />
1. America – The Last Unicorn<br />
2. Joachim Witt – Märchenblau<br />
3. Kraftwerk – Tour De France<br />
4. Police – Wrapped Around Your Finger<br />
5. Spandau Ballet – Only When You Leave<br />
Michael F.-Gamböck<br />
1. Righteous Brothers – Unchained Melody<br />
2. Dire Straits – Money For Nothing<br />
3. Tina Turner – Steamy Windows<br />
4. Elton John – Club At The End Of The Street<br />
5. Paul McCartney – Happy Birthday<br />
Christian Simon<br />
1. Joe Jackson – Steppin' Out<br />
2. Spandau Ballet – Gold<br />
3. Cyndi Lauper – Time After Time<br />
4. Sade – Smooth Operator<br />
5. Sister Sledge – Lost In Music<br />
Peter Henning<br />
1. Cure – Pictures Of You<br />
2. John Lee Hooker – The Healer<br />
3. Tracey Ullman – Breakaway<br />
4. Bill Withers – Ain’t No Sunshine<br />
5. Paul McCartney – Figure Of Eight<br />
Alan Tepper<br />
1. Michael Jackson – Beat It<br />
2. David Bowie – Fame 90<br />
3. Was (Not Was) – Papa Was A Rolling Stone<br />
4. Robert Palmer – You're In My System<br />
5. David Bowie – China Girl<br />
Teddy Hoersch<br />
1. Mike Oldfield – Moonlight Shadow<br />
2. Van Halen – Jump<br />
3. Kraftwerk – Musique Non Stop<br />
4. Pet Shop Boys – It's A Sin<br />
5. Murray Head – One Night In Bangkok<br />
Jörg Trüdinger<br />
1. Erasure – Ship Of Fools<br />
2. Frankie Goes To Hollywood – The Power Of Love<br />
3. Foreigner – I Wanna Know What Love Is<br />
4. Pet Shop Boys – West End Girls<br />
5. Patrick Swayze – She's Like The Wind<br />
Andrea Leibfried<br />
1. Falco – Jeanny<br />
2. Madonna – Like A Virgin<br />
3. David Bowie – Let's Dance<br />
4. Patrick Swayze – She's Like The Wind<br />
5. Vanessa Paradis – Joe Le Taxi<br />
Claudia Tupeit<br />
1. Black – Everything's Coming Up Roses<br />
2. Cutting Crew – (I Just) Died In Your Arms<br />
3. Billy Joel – The Downeaster Alexa' '<br />
4. T'Pau – Heart And Soul<br />
5. Duran Duran – The Wild Boys<br />
Thorsten Pöttger<br />
1. Robert Palmer & UB 40 – I'll Be Your Baby Tonight<br />
2. Hollies – Stop! In The Name Of Love<br />
3. Linda Ronstadt & Aaron Neville – Don't Know Much<br />
4. Agnetha Fältskog – Wrap Your Arms Around Me<br />
5. Roger Chapman & The Shortlist – How How How<br />
Uli Twelker<br />
1. Whitesnake – Here I Go Again<br />
2. Pretenders – Back On The Chain Gang<br />
3. Geier Sturzflug – Bruttosozialprodukt<br />
4. Sigue Sigue Sputnik – Love Missile F1-11<br />
5. Robert Palmer – Addicted To Love<br />
Philipp Roser<br />
1. Jennifer Warnes & Joe Cocker – Up Where We Belong<br />
2. Geier Sturzflug – Besuchen Sie Europa<br />
3. Tracey Ullman – My Guy<br />
4. Wolf Maahn & Die Deserteure – Fieber<br />
5. Die Toten Hosen – Hier kommt Alex<br />
Jürgen Wolff<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 5
from the past<br />
1001 COMICS, DIE SIE<br />
LESEN SOLLTEN, BEVOR<br />
DAS LEBEN VORBEI IST<br />
Von Paul Gravett<br />
2012, Edition Olms<br />
ISBN 978-3-28301-157-4<br />
960 Seiten; 29,95 Ð<br />
In der vorzüglichen 1001"-Reihe sind bislang<br />
"<br />
unter anderem Bände über Filme, Alben, Gemälde<br />
oder Bücher erscheinen. Mit der aktuellen<br />
Publikation, für<br />
die 68 Experten aus<br />
verschiedenen Ländern<br />
Texte verfassten, wird<br />
ein Medium geehrt, das<br />
sich trotz aller Trends<br />
einen beständigen Fankreis<br />
bewahrt hat – die<br />
wunderschöne, meist<br />
kunterbunte Welt der<br />
Comics. Von den allerfrühesten Anfängen bis in<br />
das Jahr 2011 führt die Reise, bei der tatsächlich<br />
1001 Comics vorgestellt werden. Da es sich um<br />
eine britische Publikation handelt, die übersetzt<br />
wurde, liegt der Schwerpunkt natürlich bei den<br />
anglo-amerikanischen Titeln, wobei aber nicht<br />
die belgisch-französische Szene, Japan oder<br />
Deutschland vergessen werden. Neben einem<br />
umfangreichen Text zu jedem Titel begeistern<br />
die exakten Quellenangaben. Die Fantastischen<br />
Vier, Nick Knatterton, Fritz The Cat, Asterix,<br />
Marvel und DC – sie alle werden hier gewürdigt.<br />
SHERLOCK HOLMES<br />
FÄLLE 1–3<br />
Mit Christian Rode als<br />
Sherlock Holmes und Peter<br />
Groeger als Doctor Watson<br />
sind diese Hörspiele aus<br />
dem Hause Romantruhe sozusagen<br />
die Weiterführung<br />
der Maritim"-Krimireihe, die sich von 2003<br />
"<br />
bis 2011 auf Top-Niveau den klassischen Abenteuern<br />
der beiden Kult-Detektiven widmete.<br />
Beim ersten Fall, Besuche eines Gehenkten",<br />
"<br />
bittet der ehrbare Buchdrucker Alan Fenwick<br />
die beiden Kriminalisten um Hilfe, weil er<br />
nachts von einem ruchlosen Raubmörder, der<br />
allerdings schon vor Jahren hingerichtet wurde,<br />
heimgesucht wird. Fall zwei, Die Gesellschaft<br />
des Schreckens",<br />
führt Holmes und Watson<br />
mitten hinein in eine ebenso<br />
geheimnisvolle wie mörderische<br />
Vereinigung. Um die<br />
" tödlichen Rätsel rund um<br />
diese Gesellschaft aufzulösen,<br />
müssen die beiden<br />
ihr eigenes Leben aufs<br />
Spiel setzen. Der neueste<br />
Fall, Die betrogenen<br />
" Titanic-Passagiere", spielt<br />
DAS GROSSE LEGO BUCH<br />
in Southhampton. Hier soll einmal der Stolz<br />
" Neukolorierte Ausgabe 2013" im Impressum. Sergeant Dennis Becker,<br />
der White-Star-Reederei, die Titanic, zu ihrer<br />
Jungfernfahrt auslaufen. Noch ist das Schiff<br />
nicht fertiggebaut, da scheinen einige Familien<br />
aus armen Verhältnissen einem gewieften und<br />
gewissenlosen Schwindler auf den Leim gegangen<br />
zu sein, hat der sich ihr mühsam Erspartes<br />
Von Joachim Klang und Oliver Albrecht<br />
2012, Heel Verlag<br />
ISBN 978-3-86852-542-7<br />
400 Seiten; 19,99 Ð<br />
Legosteine gehören auch heute noch zum Inventar<br />
jedes Kinderzimmers. Und selbst so<br />
– und damit ihr Startkapital für ein Leben in mancher Erwachsene<br />
der neuen Welt – dreist unter den Nagel gerissen.<br />
Doch natürlich hat er seine Rechnung ohne<br />
Sherlock Holmes und Doctor Watson gemacht!<br />
(Romantruhe/Rough Trade, 95 Min. +<br />
100 Min. + 70 Min.)<br />
ist den bunten Steinen<br />
immer noch verfallen<br />
und lässt sich von seinen<br />
Kindern oder Enkeln<br />
zum kreativen Bauen animieren.<br />
Doch landen die<br />
ASTERIX<br />
ALLE BÄNDE NEU KOLORIERT<br />
Von René Goscinny und Albert Uderzo<br />
2013, Egmont Ehapa Verlag<br />
je 48 Seiten; 6,50 Ð<br />
Steine beim Aufräumen<br />
irgendwann mal in der<br />
großen Kiste, dann fehlt<br />
meist das, was die beiden Lego-Experten Joachim<br />
Klang und Oliver Albrecht in ihrem umfangreichen<br />
Buch zusammengetragen haben:<br />
Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr. Ganz<br />
"<br />
Gallien ist von den Römern besetzt ... Ganz Ideen! So liefert Das große Lego Buch" eine<br />
"<br />
Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern Fülle von Vorschlägen, um aus dem zusammengewürfelten<br />
bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling<br />
Widerstand zu<br />
leisten. Und das Leben<br />
ist nicht leicht für die römischen<br />
Legionäre, die<br />
als Besatzung in den befestigten<br />
Lagern Babaorum,<br />
Aquarium, Laudanum<br />
und Kleinbonum<br />
liegen": So beginnen<br />
seit 1968 (im französischen<br />
Original seit 1961) alle Asterix-Bände.<br />
Zahllose Abenteuer hat der clevere Gallier<br />
seither bestanden, tatkräftig unterstützt von<br />
Freunden wie dem Hinkelstein-Fabrikanten<br />
Obelix, dem Dorfchef Majestix, Miraculix<br />
(der für den Zaubertrank verantwortlich ist)<br />
Sammelsurium eine völlig neue<br />
Welt entstehen zu lassen. Mit Hilfe detaillierter<br />
Aufbauanleitungen (inkl. Stückliste) widmen<br />
sich die Autoren zunächst kleinen Modellen wie<br />
Autos, Bagger, Lastwagen oder E-Loks, zeigen,<br />
wie man das notwendige Beiwerk wie Laubund<br />
Nadelbäume zusammenbaut, um dann<br />
bei den richtig großen Gebäuden – wie einem<br />
pompösen Kaufhaus oder einem Bahnhof – zu<br />
landen. Keine Frage, dass hier mit etwas Erfindungsreichtum<br />
der Fantasie keine Grenzen<br />
gesetzt sind. Die Königsdisziplin für alle Lego-<br />
Baumeister wartet dann am Ende des dicken<br />
Wälzers. Dort kann man seine Fähigkeiten an<br />
den Step-by-Step-Anleitungen zahlreicher Profimodelle<br />
erproben – vom Ferrari Testarossa<br />
über einen Monstertruck mit verchromtem Tank<br />
oder der (seit dem Band Tour de France") und voluminösen Auspuffrohren, ein charakteristisches,<br />
gelb-schwarzes New Yorker Taxi<br />
"<br />
unverzichtbaren Mithilfe des Hündchens<br />
Idefix. Sie besuchten dabei ferne Länder wie<br />
Ägypten, Griechenland, Spanien, Korsika<br />
bis zu einem wunderschönen amerikanischen<br />
Cabrio aus den 50er Jahren.<br />
oder das Morgenland, wagten in einer großen<br />
Überfahrt sogar den Sprung nach Amerika,<br />
nur um am Ende jedes Bandes wieder glücklich<br />
zu Hause anzukommen und das gerade<br />
bestandene Abenteuer mit einem rauschenden<br />
Bankett – Hauptspeise: Wildschwein am Spieß<br />
– zu feiern. Nun hat der Egmont Ehapa Verlag<br />
alle 35 Bände neu aufgelegt. Neben der<br />
Umstellung auf digitale Drucktechnik wurden<br />
manche Farben angepasst, einige sogar neu<br />
koloriert und die Umschlagbilder der Bände<br />
1,5 und 9 von Uderzo neu gestaltet. Das Buchstabenbild<br />
wurde dem französischen Original<br />
angeglichen, die Übersetzung 1:1 von den<br />
ursprünglichen Bänden übernommen. Insgesamt<br />
wirken die neukolorierten Alben farblich<br />
wesentlich frischer und moderner. Die neukolorierten<br />
Hefte erkennt man an dem Zusatz<br />
DETEKTIV ROCKFORD<br />
THE ORIGINAL MOVIES 1+2<br />
James Scott Rockford, meist nur kurz Jim genannt,<br />
verbrachte fünf Jahre unschuldig im<br />
Knast in San Quentin. Nach seiner Entlassung<br />
verdient er sich seine Brötchen als Privatdetektiv.<br />
Er wohnt am Strand von Malibu, Paradise<br />
Cove Road 29, in einem Wohnwagen –<br />
gleichzeitig auch sein Büro.<br />
Bei seinen Ermittlungen<br />
unterstützen ihn sein Vater<br />
Rocky, seine Freundin<br />
(und Rechtsanwältin) Beth<br />
und sein ehemaliger Mithäftling<br />
Angel. Sein alter<br />
Freund, der stets überarbeitete<br />
und genervte Polizist<br />
Seite 6 ■ GoodTimes 2/2013
hilft – obwohl ständig um seinen<br />
Job besorgt – Rockford<br />
immer wieder, lässt ihn zur<br />
Not auch mal einen Blick in<br />
die polizeilichen Ermittlungsakten<br />
werfen. Für ein Honorar<br />
von 200 Dollar pro Tag plus<br />
Spesen hilft Rockford seinen<br />
Klienten – doch oft können<br />
seine Kunden ihm nicht einmal<br />
diesen Betrag bezahlen. Das ist der Plot, um<br />
den Mitte der 70er in den USA die Krimiserie<br />
The Rockford Files" ausgestrahlt wurde, in<br />
"<br />
Deutschland lief die Serie unter dem Titel Detektiv<br />
Rockford – Anruf genügt". Mit James "<br />
Garner (Rockford), Joe Santos (Becker), Stuart<br />
Margolin (Angel) und Gretchen Corbett<br />
(Beth) war diese Serie mit tollen Charakteren<br />
besetzt. In zwei separaten Boxen (mit jeweils<br />
vier einzeln verpackten DVDs) erscheinen<br />
jetzt die acht Serien-Specials in Spielfilmlänge,<br />
die zwischen 1994 und 1999 in der Originalbesetzung<br />
(bis auf den verstorbenen Noah<br />
Beery, der Rockfords Vater spielte) entstanden<br />
sind. Natürlich bietet diese längere Spielzeit<br />
pro Folge wesentlich größere Möglichkeiten,<br />
die Kriminalfälle zu entwickeln, ein Potenzial,<br />
das James Garner & Co. hervorragend<br />
ausnutzten ...<br />
(Explosive Media/Alive, Spr.: Deutsch,<br />
Englisch, 349 Min. + 348 Min.)<br />
DER SCHATZ IM SILBERSEE<br />
EINE ERFOLGSGESCHICHTE DES<br />
DEUTSCHEN FILMS<br />
Von Reinhard Weber und Solveig Wrage<br />
2012, Reinhard Weber Fachverlag<br />
ISBN 978-3-94312-701-0<br />
98 Seiten; 21,00 Ð<br />
Gewohnt ausführlich,<br />
fachlich fundiert und<br />
kurzweilig widmet sich<br />
der Fachverlag für Filmliteratur<br />
der Erfolgsgeschichte<br />
eines der berühmtesten<br />
deutschen<br />
Filme der Nachkriegszeit,<br />
dem Schatz im Silbersee".<br />
Mit dem Schöpfer der Romanvorlage,<br />
mit einem Kapitel zu Karl May, beginnt dieses<br />
"<br />
Buch. Führt dann über den Produktionsvorlauf,<br />
in dessen Zuge man erfährt, dass es nicht wenige<br />
gab, die diesem Projekt ein glorreiches Scheitern<br />
vorhersagten, über die Auswahl der Schauspieler,<br />
die Dreharbeiten in Jugoslawien bis zur<br />
Filmanalyse. Also bis zu jener riesigen Erfolgswelle,<br />
die Der Schatz im Silbersee" verdientermaßen<br />
auslöste. Neben der puren Faktenfülle<br />
"<br />
dieses Buches sind es die äußerst lesenswerten,<br />
oft nebensächlichen Anekdoten, die einen von<br />
Beginn an fesseln: Wie Horst Wendlandts Sohn<br />
Matthias seinen Papa dazu auffordert, mit Karl<br />
May "<br />
endlich mal was anderes als die ewigen<br />
Edgar-Wallace-Filme" zu drehen, wie sich in<br />
den ersten Drehtagen herausstellt, dass Pierre<br />
Price (Winnetou) nicht reiten kann, wie Lex<br />
Barker sich darüber beschwert, dass seine Filmfigur<br />
Old Shatterhand viel zu viel spricht, welche<br />
weiteren Auswirkungen sich Ralf Wolter<br />
von seiner Rolle als Sam Hawkens verspricht ...<br />
Kurz und knapp: ein tolles Buch!<br />
KILLING KENNEDY<br />
DAS ENDE DES AMERIKANISCHEN<br />
TRAUMS<br />
Von Bill O’Reilly mit Martin Dugard<br />
2013, Droemer<br />
ISBN 978-3-42627-612-9<br />
400 Seiten; 19,99 Ð<br />
J.F. Kennedy galt als die amerikanische<br />
Hoffung und stand für ein modernes und offenes<br />
Amerika. Das am<br />
22. November 1963 in<br />
Dallas auf ihn verübte<br />
Attentat hat die USA in<br />
ihren Grundfesten erschüttert<br />
und wird auch<br />
heute noch von mehr<br />
oder weniger glaubwürdigen<br />
Verschwö -<br />
rungstheorien umrankt.<br />
Der Doku-Thriller schildert<br />
die darauf zulaufenden Ereignisse, beginnend<br />
im Zweiten Weltkrieg, dokumentiert<br />
die Kuba-Krise und beschreibt die politischen<br />
Verhältnisse im letzen Lebensjahr Kennedys.<br />
Die gelungene Verflechtung von Fakten, Originaltönen,<br />
Fotomaterial, Landkarten und dem<br />
erzählend angelegten Text lässt die damalige<br />
Zeit plastisch wiederauferstehen. Ein spannendes<br />
Kapitel der modernen Geschichte, das<br />
eigentlich jeder kennen muss, um das aktuelle<br />
Zeitgeschehen zu verstehen.<br />
DIE DUCKS IN<br />
DEUTSCHLAND<br />
2013, Egmont Ehapa Verlag<br />
ISBN 978-3-7704-3720-7<br />
130 Seiten; 9,99 Ð<br />
Quer durch Deutschland führt die Familie<br />
Duck die Suche nach dem sagenumwobenen<br />
Schatz der Gräfin von Tarn und Tuxis. Die<br />
Spur führt sie in acht Kapiteln von Berlin über<br />
Hamburg, das Ruhrgebiet, et, München, Frankfurt,<br />
Köln, Stuttgart und<br />
Dresden wieder zurück<br />
nach Berlin. Wird sie<br />
das Wettrennen gegen<br />
den Dauerrivalen Klaas<br />
Klever gewinnen? Im<br />
August 2012 startete<br />
die Serie Die Ducks<br />
"<br />
in Deutschland" im<br />
Micky-Maus-Magazin.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 7<br />
Die Entenfamilie reis te durchs Land – und<br />
ihre Fans reisten mit! Jetzt gibt es das komplette<br />
Abenteuer erstmals in einem Band,<br />
aufgestockt um zusätzliches Comic-Material<br />
und exklusive Einblicke in die Entstehungsgeschichte<br />
dieser Comicserie.<br />
DRECKIGE SPAGHETTI<br />
DIE GLORREICHE GESCHICHTE DES<br />
ITALO-WESTERN<br />
Von Uwe Lilling<br />
2012, Hannibal Verlag<br />
ISBN 978-3-85445-382-6<br />
245 Seiten; 49,99 Ð<br />
Clint Eastwood, Lee Van Cleef, Charles Bronson,<br />
Henry Fonda, Franco Nero, Sergio Leone, Duccio<br />
Tessari, Sergio Corbucci, Quentin Tarrantino<br />
– der Sound von Ennio Morricone. Der Italo-Western<br />
ist und war weit mehr als nur eine kurzzeitige<br />
Randnotiz der Kinogeschichte, er hat überall<br />
seine Brandzeichen in unserer populären Kultur<br />
hinterlassen. Natürlich in stilechtem Breitwandformat<br />
ist dieses herrliche Buch die wohl schönste<br />
– und noch dazu eine äußerst umfangreiche –<br />
Hommage an Filme wie Spiel mir das Lied vom<br />
"<br />
Tod", Für eine Handvoll Dollar" oder Django".<br />
" "<br />
Rund 500 Filme entstanden in der Blütezeit des<br />
Spaghetti-Westerns, ein fast unüberschaubares<br />
Panorama an Klassikern, aber auch bizarren Außenseitern<br />
– raue Bastarde, mutige Experimente<br />
und zahllose, verborgene Perlen. Über die Historie,<br />
den Stil,<br />
den Helden und<br />
Frauen geht es<br />
bis zum Mythos<br />
dieser Filme,<br />
im umfangreichen<br />
Lexikon<br />
werden die<br />
wichtigsten Personen und Begriffe, aber auch<br />
Phänomene und Randgeschichten aufgelistet.<br />
In einem Interview erzählt Regisseur Quentin<br />
Tarrantino über seine (Italo-Western-)Vorbilder,<br />
eine herrlich anzusehende Bildergalerie liefert<br />
Szenenbilder, Plakate und Raritäten. Eine tolle<br />
Idee auch der beiliegende Nachdruck des historischen<br />
Programmheftes Illustrierter Film-<br />
"<br />
Kurier", das 1965 zur Deutschland-Premiere von<br />
Für ein paar Dollar mehr" erschienen ist. Eine<br />
"<br />
großartige Hommage!<br />
INVASION VON DER WEGA<br />
Im ZDF wurde diese Serie ( "<br />
The Invaders")<br />
von Larry Cohen zwischen April 1970 und Januar<br />
1971 jeweils dienstags um 21.05 Uhr ausgestrahlt.<br />
Im amerikanischen Original bestand<br />
sie aus 43 Folgen, für die damals knapp die<br />
Hälfte – 20 Stück – fürs deutsche Fernsehen<br />
synchronisiert wurde. Diese Folgen gibt es<br />
nun zusammengefasst auf sechs DVDs in einer<br />
Box, deren 16-seitiges, deutsches Booklet<br />
mit der ausführlichen Geschichte hinter die-
from the past<br />
ser Serie sowie kurzen Zusammenfassungen<br />
zu jeder Folge aufwartet. Dabei geht es um<br />
den Architekten David Vincent (gespielt von<br />
Roy Thinnes), der auf<br />
der Heimfahrt von einer<br />
Geschäftsreise dazu gezwungen<br />
ist, in einer abgelegen<br />
Gegend im Auto<br />
zu übernachten. Diese<br />
Nacht ist der Auftakt<br />
eines Alptraumes, den<br />
er nie vergessen wird:<br />
Von blinkenden Lichtern<br />
aus dem Schlaf gerissen, wird er Zeuge, wie<br />
ein fremdartiges, scheibenförmiges Objekt<br />
aus dem All auf der Erde landet. Als er dies<br />
am nächsten Morgen bei der Polizei meldet,<br />
sind alle Spuren verschwunden, und selbst<br />
die mysteriösen Ereignisse, die kurz darauf<br />
beginnen, führen nicht dazu, dass die Behörden<br />
ihm Glauben schenken. Als dann auch<br />
noch Vincents Freund und Geschäftspartner<br />
Alan Landers von den vermeintlichen Aliens<br />
getötet wird, schwört er sich, keine Sekunde<br />
zu ruhen, bis er Beweise für die Invasion der<br />
Außerirdischen findet. Neben den 20 Folgen<br />
(nicht synchronisierte Szenen wurden mit Untertiteln<br />
versehen) gibt es mit US-TV-Trailer,<br />
einer Langfassung der Pilotfolge, Audiokommentar<br />
von Larry Cohen und einem Interview<br />
mit Hauptdarsteller Roy Thinnes noch reichhaltiges<br />
Bonus-Material.<br />
(Spelling Entertainment/Alive, 1000 Min.)<br />
GANGSTER SQUAD<br />
KNALLHARTE COPS, DIE MAFIA<br />
UND DIE SCHLACHT UM L.A.<br />
Von Paul Lieberman<br />
2013, Hannibal Verlag<br />
ISBN 978-3-85445-405-2<br />
496 Seiten; 19,99 Ð<br />
Anfang dieses Jahres<br />
lief in allen Kinos der<br />
Film Gangster Squad",<br />
"<br />
der auf der akribischen<br />
Recherche des Journalisten<br />
Paul Lieberman<br />
basierte. Allerdings<br />
wurde – wie bei fast<br />
allen Hollywoodstreifen<br />
– die Realität kräftig<br />
zurechtgebogen. Das Buch hhingegen ist ein<br />
ungemein spannender True-Crime-Reißer,<br />
gespickt mit Wissen. Er schildert die illegal<br />
operierende Gangster Squad in den 40er und<br />
50er Jahren des letzten Jahrhunderts, insgesamt<br />
acht Cops, die dem berüchtigten Mafioso<br />
Mickey Cohen das Handwerk legten – wofür<br />
sie allerdings einige Jahre brauchten. Die Geschichte<br />
der Stadt der Engel", der berühmten<br />
"<br />
Filmstudios und des organisierten Verbrechens<br />
wurde bislang noch nie so detailgetreu,<br />
aber trotzdem unterhaltsam präsentiert.<br />
Eigens für Maschinengewehre hergestellte<br />
Geigenkoffer (gab es tatsächlich), Auftragsmorde<br />
der Mafia zu Beginn des Jahrhunderts,<br />
verübt auf einem Fahrrad (so geschehen) oder<br />
korrupte Beamte, die ihre Puffmutter besser<br />
kennen als die eigene Frau (da gab es einige)<br />
tragen zu einem schillernden Bild bei. Ein<br />
künftiger Klassiker!<br />
LEE MARVIN<br />
Von Robert J. Lentz<br />
2012, Reinhard Weber Fachverlag<br />
ISBN 978-3-94312-702-7<br />
192 Seiten; 29,00 Ð<br />
35 Jahre lang war Lee Marvin als Schauspieler<br />
tätig (bei seiner ersten Hauptrolle war er<br />
schon 40 Jahre alt!) und drehte 60 Filme.<br />
Einige davon sind Klassiker, die meisten<br />
wenigstens qualitativ<br />
gut, und nur wenige<br />
sind ziemlich dürftig.<br />
Als Schauspieler<br />
war Marvin bei seinen<br />
Kollegen und beim Publikum<br />
gleichermaßen<br />
hochgeachtet, denn<br />
wenngleich man ihn oft<br />
mit der Aussage zitiert,<br />
dass<br />
" Schauspielern<br />
eine alberne Art ist, sich seinen Lebensunterhalt<br />
zu verdienen", nahm er jede Rolle ernst<br />
und hatte ein untrügliches Gespür dafür, was<br />
man vor der Kamera zeigen und was man besser<br />
lassen sollte. Wie von den hervorragenden<br />
Büchern aus dieser Reihe gewohnt, begibt<br />
sich auch der Lee-Marvin-Band zunächst auf<br />
eine chronologische Reise durch alle Filme<br />
Marvins. Inklusive aller Beteiligten vor und<br />
hinter der Kamera, ausführlicher Filmstory<br />
sowie Kritiker- und Publikumsresonanz. Er<br />
begann seine Karriere in einer Militärrolle,<br />
in seinem zweiten Film Teresa" ist er genau<br />
"<br />
fünf Sekunden im Bild zu sehen, im dritten<br />
Film Hongkong" dürfte die Sequenz sogar<br />
"<br />
noch etwas kürzer sein! Doch dann ging es<br />
über Spionagethriller, erste Western, Krimis<br />
und Kriegsfilme steil bergauf mit seiner Karriere.<br />
Immer öfter wurde Marvin für Rollen<br />
in den ganz großen Hollywood-Produktionen<br />
wie Die Caine war ihr Schicksal", Der<br />
" "<br />
Mann, der Liberty Wallace erschoss" oder<br />
Cat Balou – Hängen sollst du in Wyoming"<br />
"<br />
ausgewählt. Bis er dann in Filmen wie Lawinenexpress",<br />
Gorky Park" oder Yukon"<br />
" "<br />
"<br />
mit seinem charakteristischen, unspektakulären<br />
Stil ganze Filme dominierte. Mit zahlreichen<br />
Szenebildern und Filmplakaten, einer<br />
detaillierten Auflistung seiner Bühnen- und<br />
Fernsehauftritte und umfangreichem Personenregister<br />
wird dieses äußerst informative<br />
Buch hochwertig abgerundet.<br />
DER TOD KOMMT NACH<br />
PEMBERLEY<br />
Von P.D. James<br />
2013, Droemer<br />
ISBN 978-3-42619-962-6<br />
384 Seiten; 19,99 Ð<br />
P.D. James zählt zu den eher<br />
konservativen britischen<br />
Krimi-Autoren, was bei der<br />
aktuellen Blutrünstigkeit<br />
des Genres durchaus positive<br />
Aspekte hat. Nun hat<br />
sie, basierend auf dem Klassiker Stolz und "<br />
Vorurteil" von Jane Austen, einen historischen<br />
Roman verfasst, bei dem die Personen ihrer<br />
Lieblingsschriftstellerin wieder auftauchen<br />
und deren Geschichte weitergeführt wird. Darcy<br />
und Elizabeth sind mittlerweile verheiratet<br />
und haben zwei Söhne. Vor dem Herbstball<br />
geschieht ein Unglück. Elizabeths Schwager<br />
wird blutüberströmt im Wald gefunden, neben<br />
sich eine Leiche. Plötzlich gerät die gutbürgerliche<br />
Welt ins Wanken. Eine originelle Idee,<br />
verknüpft mit James’ Schreibkunst, steht für<br />
ein spannendes und unvorhersehbares Werk,<br />
das fesselt – auch wenn die Autorin den historischen<br />
Aspekt ein wenig stärker hätte betonen<br />
können.<br />
KULTSPASS.DE<br />
KULTIGES IM INTERNET<br />
Eines Tages, so besingt es Asaf Avidan in seinem<br />
Hit "One Day", werden wir alt sein und<br />
uns an die Geschichten erinnern, die wir hätten<br />
erzählen können. Diese Tatsache hat sich<br />
ein unterhaltsamer Blog im Internet zum Motto<br />
gemacht. Auf www.<strong>kult</strong>spass.de gibt es jede<br />
Menge Kultiges von einst. Und natürlich von<br />
jetzt, denn Kultiges findet man überall und<br />
immer. Weil, so die Macher: Heute ist die Zeit,<br />
von der unsere Kinder irgendwann als die "<br />
gute alte" schwärmen werden! Aber was Kult<br />
ist<br />
(oder<br />
im Begriff<br />
ist, es zu<br />
werden),<br />
beschäftigt<br />
die Menschen, unterhält sie. Und allein das<br />
ist aller Ehren wert. Und das – das Unterhalten<br />
– ist letztendlich auch Ziel von <strong>kult</strong>spass.de.<br />
Da geht es um Bonanza" wie ums Dschungelcamp",<br />
um den Eurovision Song Contest<br />
" "<br />
und die Oscar-Verleihung wie um Deutschland<br />
sucht den Superstar". Um 50 Jahre Bun-<br />
"<br />
desliga, 50 Jahre Rolling Stones oder 50 Jahre<br />
James Bond ebenso wie um Dallas", Stirb<br />
" "<br />
Langsam", die Simpsons, Roy Black oder Krümel-Gate",<br />
den Keksdiebstahl von Hannover, "<br />
der das Krümelmonster ins Zwielicht rückte.<br />
Und selbst die Rücktrittsankündigungen von<br />
Königin Beatrix (mit Nachfolger-Vorschlag!)<br />
und von Papst Benedikt (mit Buchtipps zum<br />
Seite 8 ■ GoodTimes 2/2013
Thema Papsttum) wurden ironisch-kreativ<br />
aufgegriffen. Witziges, Verrücktes, Polarisierendes<br />
– und Nützliches: Buchempfehlungen<br />
ebenso wie Hinweise auf <strong>kult</strong>ige DVDs, Fernsehserien<br />
oder Zeitschriften – ja, auch <strong>kult</strong>!<br />
haben – natürlich – ihre Hommage abbekommen.<br />
Mit viel Herzblut geschrieben, mit vielen<br />
persönlichen Erinnerungen und legendären<br />
Video-<strong>Eins</strong>pielungen gewürzt. Ein Leser (oder<br />
muss man User sagen?) brachte es via Facebook<br />
(www.facebook.com/Kultspass.de) auf<br />
den – von den Machern um Werner Jünzig,<br />
Kind der 60er Jahre – erhofften Punkt: "<br />
Tolle<br />
Artikel, man erinnert sich gerne an die schönen<br />
alten Zeiten zurück."<br />
STUKENBROK<br />
HAUPT KATALOG 1915+1931<br />
VON JOHN WILCOCK<br />
2012, Olms Presse, Hildesheim<br />
ISBN 978-3-487-08399-5 /<br />
978-3-487-08305-6<br />
178 / 238 Seiten; je 15,80 Ð<br />
Die Firma August Stukenbrok Einbeck wurde<br />
1888 als zweiter Versandhandel Deutschlands<br />
gegründet. Zunächst beschränkte sich die junge<br />
Firma auf Fahrräder (mit dem Markennamen<br />
Deutschland-Fahrrad"), nach und nach<br />
"<br />
wurde das erhältliche<br />
Warensortiment erweitert.<br />
Wie groß der Hunger<br />
der wirtschaftlich aufstrebenden<br />
Bevölkerung<br />
auf die verschiedensten<br />
Waren damals war, zeigt<br />
sich an den vielen unterschiedlichen<br />
Produkten,<br />
die es in den dicken<br />
Stukenbrok-Hauptkatalogen<br />
zu sehen<br />
und zu bestellen gab.<br />
Neben einem breiten<br />
Sortiment an Zweiradzubehör<br />
(von Klingeln<br />
über Gaslaternen bis<br />
zu Hundepeitschen<br />
für Radfahrer) gab es<br />
Nähmaschinen, Haushaltswerkzeug, Damen-<br />
Handtaschen, hochfeine Parfüms, Ausrüstungsgegenstände<br />
für Wandervögel, Pfadfinder,<br />
Jugendwehren, Waschmaschinen, zusammenklappbare<br />
Kindersportwagen, Tennis-Rackets,<br />
Rodelschlitten und Skier, Taschenuhren,<br />
echt goldene Damen- und Herrenringe in feiner<br />
Ausführung, Schallplatten, Guitarre- und Harfenzithern,<br />
Trommeln, Pfeifen und Trompeten,<br />
Revolver, Puppenstuben, Schaukelpferde<br />
sowie Spielkarten, Brettspiele, Würfelspiele<br />
und Roulettes – und das ist nur eine kleine<br />
Auswahl! Das alles mit entsprechenden Abbildungen,<br />
wortreichen Erläuterungen, Preisen<br />
und Bestellnummern – kurz und knapp: eine<br />
äußerst fesselnde Lektüre, die einen, hat man<br />
einmal mit dem Blättern begonnen, nicht mehr<br />
so schnell loslässt ...<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
NARRENSCHLAGER 2<br />
Das waren noch Zeiten, als man Nachbarn,<br />
Freunde und Bekannte zur Faschingsparty zu<br />
sich nach Hause einlud. Die Männer wahlweise<br />
mit geringeltem Seemanns-T-Shirt<br />
oder mit<br />
aufgemaltem Bärtchen,<br />
Halstuch und Cowboyhut,<br />
die Damenwelt in<br />
exotischen Fantasie-Gewändern<br />
oder im französischen<br />
Can-Can-Outfit, das Wohnzimmer<br />
mit Girlanden und Luftschlangen geschmückt:<br />
So feierte man Anfang der 70er Jahre in vielen<br />
Haushalten die närrischen Tage. Auf dem Plattenteller<br />
drehten dabei die üblichen Verdächtigen<br />
ihre Runden, doch statt "Ich bin verliebt<br />
in die Liebe" verteilte Chris Roberts "Kesse<br />
Küsse", statt "Merci Chérie" widmete sich Udo<br />
Jürgens "Cara-Caramel, Choco-Chocolat",<br />
statt "Deine Spuren im Sand" besang Howard<br />
Carpendale "Das schöne Mädchen von Seite<br />
1". Dazu France Gall mit "A Banda (Zwei Apfelsinen<br />
im Haar)", Bill Ramsey mit dem unverwüstlichen<br />
"Pigalle", Caterina Valente feierte<br />
mit "Fiesta Cubana", Gus Backus mit "Da<br />
sprach der alte Häuptling der Indianer", Ralf<br />
Bendix mit dem "Babysitter-Boogie", Dorthe<br />
schmetterte ihr unvergessliches "Wärst du doch<br />
in Düsseldorf geblieben". NARRENSCHLA-<br />
GER 2, eine CD voller herrlicher Erinnerungen<br />
an (aus heutiger Sicht) unbeschwerte Tage – ob<br />
man heute auch noch solche Partys auf die Beine<br />
stellen könnte?<br />
(Koch/Universal, 22/55:41)<br />
NEW YORK EXPRESS<br />
Mit Rock Hudson, Claudia Cardinale, Jack<br />
Warden und Anne Seymour klasse besetzt,<br />
liefert dieser Film ein weiteres Beispiel dafür,<br />
wie populär Mitte der<br />
60er Jahre die Hollywood-<br />
Verbindung aus Spionage,<br />
James Bond und Liebeskomödie<br />
war. Dabei wird<br />
ein friedlich lebender<br />
Psychiater urplötzlich in<br />
eine geheime Staatsaffäre<br />
verwickelt, will nur seine<br />
staatsbürgerliche Pflicht<br />
erfüllen und wird auf einmal von allen Seiten<br />
aller möglichen Verbrechen verdächtigt. Als<br />
dann auch noch echte Gangster auftauchen und<br />
sich die temperamentvolle Vicky (Paraderolle<br />
für Claudia Cardinale) partout nicht davon abhalten<br />
lässt, nach der Wahrheit zu suchen, muss<br />
der Psychiater all seine Gewitztheit und seinen<br />
Mut aufbringen, um Geheimdienst, Gauner und<br />
verliebte Frauen in Schach zu halten. Extras:<br />
umfangreiche Fotogalerie sowie Kino-Trailer.<br />
(Explosive Media/Alive, 98 Min.)<br />
PERRY RHODAN ILLUSTRA-<br />
TOR JOHNNY BRUCK<br />
Von Frank G. Gerigk<br />
2013, Joh. Brendow & Sohn Verlag<br />
ISBN 978-3-94317-218-8<br />
318 Seiten; 39,95 Ð<br />
Der gigantische Erfolg der Perry Rhodan"-<br />
"<br />
Serie ist ohne Frage auch sein Verdienst:<br />
Johnny Brucks lebendige und faszinierende<br />
Illustrationen stellten oft den ersten Kontakt<br />
des Lesers zu diesen Science-Fiction-<br />
Abenteuern her. Auf mehr als 5000 farbige<br />
Arbeiten schätzt man Brucks Gesamtwerk, er<br />
war verantwortlich für unterschiedlichste Titelbilder,<br />
von Felix Graf Luckners Seeteufel<br />
über Tarzan, Conan und Billy Jenkins bis zu<br />
den Serien Utopia", Terra" und Atlan". Sein<br />
" " " Hauptwerk aber ist die<br />
wöchentliche<br />
" Perry-<br />
Rhodan"-Romanserie,<br />
die er 35 Jahre lang illustrierte.<br />
Schon zu Lebzeiten<br />
war der 1995 bei<br />
einem Verkehrsunfall<br />
ums Leben gekommene<br />
Zeichner eine Legende,<br />
zwischenzeitlich haben<br />
seine Zeitgeist-geprägten und retrofuturistischen<br />
Darstellungen Kult-Status erreicht.<br />
Natürlich bilden unzählige Abbildungen dieser<br />
Titelbilder den Kern dieses großformatigen<br />
Buches, höchst interessant aber auch die Erläuterungen<br />
dazu, die Kurzbiografie, die Einführung<br />
in die künstlerischen Wurzeln Brucks,<br />
Erinnerungen von Autoren, mit denen er zusammengearbeitet<br />
hat, sowie zahlreiche Statistiken<br />
über Schauplätze, Hauptpersonen und<br />
Hintergründe. Am Ende des Buches widmet<br />
sich dann sogar noch ein komplettes Kapitel<br />
dem Erbe" Johnny Brucks. Anhand von nach<br />
"<br />
1995 entstandenen Titelbildern lässt sich dabei<br />
ersehen, wie stark seine Nachfolger immer<br />
noch vom Brucks Stil beeinflusst sind, wie sein<br />
Werk auch über den Tod hinaus Bestand hat.<br />
KITTY UND DIE GROSSE<br />
WELT<br />
Kitty und die große Welt" gilt bis heute als<br />
"<br />
rarster aller Romy-Schneider-Filme. Jahrzehntelang<br />
war sein Verbleib<br />
unklar, erst vor kurzem<br />
wurde eine vollständig<br />
erhaltene s/w-Kopie des<br />
Filmmaterials entdeckt.<br />
Am Rande der Weltgeschichte<br />
spielt diese zauberhafte<br />
Liebesromanze,<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 9
from the past<br />
die 1956 unter der Regie von Alfred Weidemann<br />
(Drehbuch: Herbert Reinecker) frei nach dem<br />
Theaterstück "<br />
Kitty und die große Weltkonferenz"<br />
entstand. Romy Schneider spielt darin<br />
Kitty, eine moderne junge Dame, die durch ihre<br />
Bekanntschaft mit einem Minister (O. E. Hasse)<br />
plötzlich in die "<br />
große Welt" gelangt. Dabei verliebt<br />
sie sich in den jungen, gut aussehenden<br />
Diplomaten Robert Ashlin, dargestellt von Karlheinz<br />
Böhm. Alles in allem ein typischer 50er-<br />
Jahre-Liebesfilm, bei dem sich die beiden Liebenden<br />
erst mit allerlei Irrungen und Wirrungen<br />
auseinandersetzen müssen, bevor sie sich am<br />
Ende glücklich in den Armen liegen dürfen ...<br />
(Hoppe Entertainment, 90 Min.)<br />
WESTERN HIGHLIGHTS<br />
In frisch restauriertem Bild und Ton sowie<br />
mit neuem Booklet versehen erscheinen<br />
nun vier Wiederveröffentlichungen<br />
von klassischen<br />
Western-Filmen<br />
aus den 60/70er Jahren.<br />
1967 drehte Regisseur<br />
Sergio Sollima den Film<br />
Der Gehetzte der Sierra<br />
"<br />
Madre" (106 Min.), in<br />
dem Lee Van Cleef als<br />
Kopfgeldjäger Jonathan<br />
Corbett den mexikanischen Herumtreiber<br />
Cuchillo Sanchez – gespielt von Tomas Milian<br />
– praktisch über die gesamte Filmlänge<br />
durch die Sierra Madre hetzt. Wie so oft passen<br />
Bilder und Filmmusik<br />
hier genial zusammen,<br />
kein Wunder, war doch<br />
Ennio Morricone dafür<br />
verantwortlich. Auch bei<br />
Von Angesicht zu Angesicht"<br />
(107 Min.) stand<br />
"<br />
im selben Jahr das nahezu<br />
identische Team vor und<br />
hinter der Kamera, bis auf<br />
Lee Van Cleef, dessen Hauptrolle diesesmal<br />
von Gian Maria Volonté übernommen wurde.<br />
1968 entstand unter der Regie von Andrew<br />
McLaglen der Film Bandolero" (106 Min.).<br />
" Mit James Stewart, Dean<br />
Martin und Raquel Welch<br />
stand hier die erste Riege<br />
an Hollywood-Stars zur<br />
Verfügung, die aber nicht<br />
verhindern konnte, dass<br />
der Mischung aus klassischem<br />
US-Western und<br />
Italo-Western öfter mal<br />
die Puste ausgeht. Definitiv<br />
Kult-Status hat<br />
inzwischen der 1971<br />
entstandene Film Hannie<br />
Caulder – In einem "<br />
Sattel mit dem Tod" (85<br />
Min.) erreicht. Raquel Welch zeigt sich hier<br />
als laszive Rächerin – legendär das Hochschlagen<br />
ihres Ponchos, wenn sie ihren Colt<br />
zieht –, die zusammen mit einem Kopfgeldjäger<br />
(gespielt von Robert Culp) und unter<br />
der Mithilfe eines Büchsenmachers (Christopher<br />
Lee) die drei Clemens-Brüder (Ernest<br />
Borgnine, Jack Elam, Strother Martin), die<br />
ihren Mann getötet haben, bis zum bleischweren<br />
Ende verfolgt.<br />
(Explosive Media/Alive)<br />
DON CAMILLO<br />
ALLE FILME AUF BLU-RAY<br />
Es war eine andere Welt: sowohl die beschriebene<br />
als auch die Art, sie zu beschreiben.<br />
Das Norditalien der<br />
späten 40er Jahre mit<br />
seinen kaltkriegsgeprägten<br />
Gegensatz<br />
zwischen christlichem<br />
Konservatismus und<br />
utopischem Kommunismus<br />
haben wohl<br />
kaum jemals wieder<br />
solch eigensinnige,<br />
verrückte, sympathische he Dickköpfe verkör-<br />
pert wie Giovanni Guareschis Roman-Streithammel,<br />
der leidenschaftliche Priester Don<br />
Camillo und der etwas aufgeblasene kommunistische<br />
Bürgermeister Potazzi alias Peppone.<br />
Insgesamt fünf wunderschöne Schwarzweißfilme<br />
wurden 1951 bis 1965 Jahren um das so<br />
schlagkräftige wie herzensgute Duo gedreht:<br />
" Don Camillo & Peppone", Don Camillos<br />
"<br />
Rückkehr", Die große Schlacht des Don<br />
"<br />
Camillo", Hochwürden Don Camillo" und<br />
"<br />
Genosse Don Camillo". Die liebevoll inszenierten<br />
Geschichten leben von der Extraklasse<br />
"<br />
der Hautpdarsteller Fernandel (Don Camillo)<br />
und Gino Cervi, bei denen man hinter jedem<br />
cholerischen Ausbruch doch immer das Herz<br />
auf dem rechten Fleck durchsieht, egal ob es<br />
für die Liebe Gottes oder die kommunistische<br />
Partei schlägt. Die spätere Haudrauf-Adaption<br />
mit Terence Hill als Don Camillo wirkt dagegen<br />
wie eindimensionales Dumpfbacken-Kintopp.<br />
Alle fünf Originale – die ersten beiden<br />
noch im 4:3-Format – sind aufwändig restauriert<br />
und in voller Länge auf Blu-ray in einer<br />
preisgünstigen Box erschienen. Die wenigen<br />
Schnitte der alten deutschen Synchronfassungen<br />
wurden wieder eingefügt, so dass man<br />
in diesen untertitelten Kurzpassagen auch die<br />
Originalstimmen von Peppone, Don Camillo<br />
und Jesus, mit dem der Herr Pfarrer regelmäßig<br />
Zwiesprache hält, hören kann, natürlich<br />
in zeittypischem Mono. Als Extras gibt es die<br />
Trailer und kleine Fotogalerien. Fünf Komödienklassiker,<br />
die eine kleine und womöglich<br />
bessere Welt heraufbeschwören.<br />
(Studiocanal, 5 Blu-rays, etwa 524 Min.)<br />
VINTAGE STYLE<br />
Von Sarah Kennedy<br />
2012, Schwarzkopf & Schwarzkopf<br />
ISBN 978-3-86265-157-3<br />
188 Seiten; 24,95 Ð<br />
Marilyn Monroe, Audrey<br />
Hepburn, Jackie O und<br />
Debbie Harry waren Stil-<br />
Ikonen ihrer Zeit und<br />
inspirieren Designer bis<br />
heute; 25 dieser unvergesslichen<br />
Stil-Ikonen des<br />
20. Jahrhunderts werden<br />
in diesem Buch vorgestellt.<br />
Dabei wird jedem<br />
dieser faszinierenden<br />
Looks, von Grace Kellys kühler Schönheit"<br />
"<br />
über Twiggys Stil der Swinging Sixties" bis<br />
"<br />
zur Extravaganz" von Kate Bush, in einem<br />
"<br />
eigenen Kapitel voller Bilder, Style-Guides,<br />
Beauty-Tipps und allerlei weiterer Infos ausführlich<br />
Platz eingeräumt. Wertvolle Tipps für<br />
das Stöbern in Second-Hand-Läden, die passenden<br />
Accessoires zum Outfit sowie leicht<br />
verständliche Anleitungen für Frisuren und<br />
Make-up machen das Nachstylen des Vintage-<br />
Lieblingslooks ganz einfach. Das ideale Nachschlagewerk<br />
für alle, die den Glanz vergangener<br />
Epochen und großer Stars mit dem eigenen<br />
Stil verbinden wollen.<br />
THE BRADY BUNCH<br />
Unter dem Titel 3 Mädchen und 3 Jungen" begeisterte<br />
The Brady Bunch auch in Deutschland<br />
"<br />
das jugendliche Fernsehpublikum. Begonnen<br />
hatte die Erfolgsgeschichte der zusammengewürfelten<br />
Großfamilie bereits Ende der 60er<br />
Jahre in den USA. Drei Jungs bringt der verwitwete<br />
Architekt Mike Brady mit, heiratet die<br />
ebenfalls alleinerziehende Carol Martin mit ihren<br />
drei Töchtern – Haushälterin Alice und Hund<br />
Tiger vervollständigen den bunten Haufen.<br />
Liebevoll erzählt und voller Situationskomik<br />
sorgt diese Familienserie nicht nur für haufenweise<br />
Spaß, sondern gibt<br />
auch einen (nostalgischen)<br />
Einblick in die Art und<br />
Weise, wie sich Sitcoms<br />
dieser Art seither, bis hin<br />
zu Serien wie The Bill " Cosby Show" oder Two " And A Half Men", entwickelt<br />
haben. 25 Folgen, in<br />
deutscher Synchron- oder<br />
englischer Originalfassung, Booklet mit Folgenguide,<br />
deutsche Vor- und Abspänne sowie<br />
ein Original-Feature ( Coming Together Under<br />
"<br />
One Roof") liefert diese schöne 4-DVD-Box,<br />
deren Cover noch dazu mit den sich abwechselnd<br />
anschauenden, sich bewegenden Köpfen<br />
(wie im Originalvorspann) glänzt.<br />
(CBS/Alive, 625 Min.)<br />
Seite 10 ■ GoodTimes 2/2013
DEMIS ROUSSOS + TONY<br />
FOREVER AND EVER + MÄDCHEN<br />
MIT ROTEN HAAREN<br />
1973 erschien die LP FOREVER AND EVER<br />
im Original, die darauf versammelten hymnischen<br />
Popsongs in englischer Sprache – exotisch<br />
garniert mit griechischer Folklore – wurden<br />
schnell zum Markenzeichen von Demis<br />
Roussos, zusammen mit<br />
dem Keyboarder Vangelis<br />
Ende der 60er Gründer der<br />
griechischen Rockband<br />
Aphrodite's Child. Auch<br />
heute noch begeistert sein<br />
Stilmix mit zeitlosem<br />
Charme, allen voran<br />
das bittersüße "Goodbye<br />
My Love Goodbye". Für<br />
seine eigene Sangeskarriere<br />
verpasste sich der<br />
Hamburger Produzent,<br />
Komponist und Texter Manfred Oberdörffer<br />
den Künstlernamen Tony, unter dem er 1972<br />
die LP MÄDCHEN MIT ROTEN HAAREN<br />
veröffentlichte. Neben typischen 70er-Jahre<br />
Schlagern wagte es sich aber auch an Cover-<br />
Versionen von John Fogerty ("Hey, heut<br />
Nacht"), Doug Sahm ("Nuevo Laredo"), Jimmy<br />
Cliff ("Reise ins Märchenland") oder Herb<br />
Alpert ("Jerusalem"), die natürlich in krassem<br />
Gegensatz zu seinen Eigenkreationen wie<br />
"Dschungelmann", "Renata" oder "Mamma<br />
Magdalena" stehen. Eine höchst lohnenswerte<br />
(Wieder-)Entdeckung ...<br />
(Koch/Universal, 15/55:01 + 15/45:32)<br />
WAS GIBT’S ZU SEHEN<br />
Von Will Gompertz<br />
2013, DuMont<br />
ISBN 978-3-83219-710-0<br />
448 Seiten; 25,00 Ð<br />
Der Untertitel 150 Jahre moderne Kunst auf<br />
"<br />
einen Blick" könnte den Inhalt dieses hervorragenden<br />
Bandes kaum trefflicher zusammenfassen.<br />
Will Gompertz, BBC-Korres pondent und<br />
Leiter der Abteilung Medien der Londoner Tate<br />
Gallery, lädt zu einer kurzweiligen und spannenden<br />
Reise durch die<br />
jüngste Kunstgeschichte<br />
ein, wobei er die Essenz<br />
der verschiedenen Stile<br />
(zum Beispiel Impressionismus,<br />
Surrealismus,<br />
Symbolismus oder Pop<br />
Art) am Beispiel der<br />
wichtigsten Vertreter und<br />
ihrer Kreationen erläutert.<br />
Gegenüber akademischen<br />
Lehrwerken, die meist<br />
am übermäßigen Gebrauch möglichst vieler<br />
Fremdwörter leiden, schreibt er unterhaltsam<br />
und leicht verständlich. Das Buch eignet sich<br />
als fundiertes Nachschlagewerk, kann aber<br />
auch in einem Rutsch gelesen werden. Selten<br />
hat Bildung so viel Spaß gemacht.<br />
MECKI<br />
GESAMMELTE ABENTEUER<br />
JAHRGANG 1956<br />
2012, Esslinger Verlag<br />
ISBN 978-3-48022-919-2<br />
72 Seiten; 14,90 Ð<br />
Mecki – wer kennt ihn<br />
nicht? 1949 tauchte<br />
der verschmitzte Igel<br />
zum ersten Mal in der<br />
Programmzeitschrift<br />
Hörzu" auf. Es dauerte<br />
"<br />
nicht lange, bis die Leser<br />
dieses Magazins seinen n<br />
wöchentlichen Abenteuergeschichten<br />
entgegenfieberten; der sympathische<br />
Held und seine Freunde – allen voran<br />
Charly Pinguin und der Schrat – eroberten<br />
die Herzen der kleinen und großen Leser im<br />
Sturm. Die Erlebnisse der stacheligen Kultfigur<br />
wurden zu einer der beliebtesten und<br />
erfolgreichsten Comicserien und begeistern<br />
auch heute noch Jung und Alt. Zum ersten<br />
Mal gibt es nun alle Mecki-Geschichten aus<br />
VERLOSUNG<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>! verlost unter allen Teilnehmern<br />
Stichwort: <strong>kult</strong>!-Verlosung<br />
(gerne zusätzlich mit Angabe des gewünschten Artikels)<br />
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
<strong>Eins</strong>endeschluss ist der 15. Juli 2013<br />
NikMa Verlag<br />
Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
Fax: 0 70 42/37660-188 · email: goodtimes@nikma.de<br />
3x Heft<br />
je 1x DVD<br />
Detektiv Rockford Teil 1+2<br />
3x DVD-Box<br />
5x DVD<br />
3x DVD-Box<br />
inkl. 4 Doppel-CDs<br />
3x Buch<br />
5x DVD<br />
Kitty und die große Welt<br />
3x Buch<br />
3x DVD<br />
10x <strong>kult</strong> – CD-Box:<br />
3x Hörbuch<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 11<br />
Unsere Gewinner der Verlosung<br />
aus <strong>kult</strong>! Heft 7 – 1/2013:<br />
– Günter Klemm, Münster<br />
– Eckhard Kohnke, München<br />
– Udo Mischke, Stuttgart<br />
– Annemarie Lange, Ulm<br />
– Victoria Mc Evilly, Hameln<br />
– Volker Klein, Neunkirchen<br />
– Werner Hartmann, Herborn<br />
– Jürgen Brückner, Bottrop<br />
– Manfred Segelken, Bremen<br />
– Udo Schwärig, Feldkirchen<br />
Herzlichen<br />
Glückwunsch!<br />
Stichwort "<br />
<strong>kult</strong>!-Verlosung"<br />
– Sharon-Sara Heße, Hamburg<br />
– Stefan Speck, Hildesheim<br />
– Rainer Schuran, Hannover<br />
– Sylvia Röhrs, Walsrode<br />
– Gregor Mensing, Metelen<br />
– Rolf Klinger, Witten<br />
– Gerd Welke, Walsrode<br />
– Peter Liegau, Greifswald<br />
– Wolfgang Schönfeldt, Hamburg<br />
– Mike Olsen, Neundorf<br />
– Heino Oje, Bordesholm<br />
– Claudia Rolfsmeyer, Spenge<br />
– Igor Sobczak, Hamburg<br />
– Frank Winterhalter, Marbach<br />
– Rainer Resch, Wesseling
from the past<br />
dem Jahr 1956 versammelt in einem Band,<br />
von Mecki und die Hamsterchen" bis zu<br />
"<br />
Das Bastelwunder". Die Geschichten dieses<br />
"<br />
Bandes entstanden in einer Zeit, die geprägt<br />
war vom Wirtschaftswunder und dem damit<br />
verbundenen Wohlstand. Neben dem wirtschaftlichen<br />
Aufschwung waren es aber auch<br />
Ereignisse aus der Welt des Sports, der Musik<br />
und der Mode, die diese Kurzgeschichten entscheidend<br />
beeinflussten, was sie aus heutiger<br />
Sicht weit über den Horizont simpler Comics<br />
hinauswachsen lässt, was sie zu einem Stück<br />
Zeitgeschichte macht.<br />
YPS<br />
AUSGABE 1/2013<br />
2013, Egmont Ehapa Verlag, Berlin<br />
98 Seiten; 5,90 Ð<br />
Yps" ist wieder da! Innerhalb kürzester Zeit war<br />
"<br />
Ende letzten Jahres die erste Ausgabe des neuen<br />
Yps" vergriffen, na klar, gibt es jetzt die nächste<br />
Fortsetzung des <strong>kult</strong>igen Magazins. Wie ge-<br />
"<br />
wohnt ist der Themenmix äußerst bunt und vielschichtig,<br />
von <strong>Formel</strong>-1"-Held Peter Illmann<br />
"<br />
über eine tolle Autogalerie<br />
(vom 1974er Opel Manta<br />
über den 80er Jahre Audi<br />
Quattro bis zum Lancia<br />
Delta HF Integrale) und<br />
einen Rückblick auf die<br />
Materialschlacht zwischen<br />
Sega und Nintendo<br />
bis zu einem ausführlichen<br />
Feature über Roboter aller Art. Klasse<br />
auch, wie die Autoren in diesen Beiträgen immer<br />
wieder Bezüge zu den alten Yps"-Heften<br />
"<br />
herstellen. Und natürlich wäre Yps" nicht Yps",<br />
" "<br />
wenn es auf das obligatorische Quiz, zahlreiche<br />
unterschiedliche Comics oder auf den typischen<br />
Üps-Humor" verzichten würde. Ach ja, selbstverständlich<br />
wartet auch die neueste Ausgabe<br />
"<br />
mit einem Gimmick auf, nach den Urzeitkrebsen<br />
der letzten Ausgabe gibt es dieses Mal, man<br />
glaubt es kaum, Die Maschine, die viereckige<br />
"<br />
Eier macht"!<br />
DIE KLASSISCHE WELT<br />
Von Robin Lane Fox<br />
2013, Klett Cotta<br />
ISBN 978-3-60894-842-4<br />
730 Seiten; 19,99 Ð<br />
Erinnert man sich noch<br />
gerne an die Geschichtsstunden,<br />
in denen der<br />
Lehrer mit monotoner<br />
Stimme Daten herunterrasselte<br />
und von längst<br />
vergangenen Ereignissen<br />
berichtete, die kaum jemanden<br />
interessierten?<br />
Wohl kaum. Allerdings hat man leider auch<br />
viel verpasst! Robin Lane Fox unterrichtet an<br />
der Universität von Oxford und weiß zu begeistern<br />
– trotz der hohen Faktendichte, die<br />
manchmal ein wenig den Lesefluss stört. Die<br />
griechische Welt, hellenistische Welten, die<br />
römische Republik und der daraus resultierende<br />
Imperialismus sind die Themenschwerpunkte,<br />
die sachkundig vermittelt werden,<br />
wobei der Autor nie den Bezug zur Moderne<br />
vergisst. Besonders die Beschreibung der<br />
Glaubenswelten und Götter verdient hohe<br />
Anerkennung, denn dieser Aspekt kommt in<br />
der heutigen "<br />
Schwuppdiwupp"-Bildung viel<br />
zu kurz.<br />
PETZI TRIFFT MUTTER<br />
BARSCH<br />
Von Carla und Vilhelm Hansen<br />
2012, Esslinger Verlag<br />
ISBN 978-3-48023-012-9<br />
40 Seiten; 12,90 Ð<br />
Seit Generationen begeistern die Petzi"-Bücher<br />
Kinder (und deren Eltern und Großeltern). "<br />
In der gleichen<br />
Ausstattung wie<br />
in der deutschen<br />
Erstausgabe aus<br />
dem Jahr 1954<br />
gibt es jetzt den<br />
dritten Band der<br />
Klassiker-Reihe,<br />
Petzi trifft Mutter Barsch". Ideal für alle, die<br />
"<br />
mit Petzi groß geworden sind oder die den<br />
drolligen Bären samt seinen Freunden – dem<br />
klugen Pelikan Pelle, dem fleißigen Pinguin<br />
Pingo, dem faulen Seebären, dem Froschmännchen<br />
und der lustigen Schildkröte – jetzt<br />
neu kennen lernen möchten.<br />
EIN KULT FÜR ALLE FÄLLE<br />
Von Niklas Hofmann und Klaus Raab<br />
2013, Suhrkamp<br />
ISBN 978-3-51846-423-6<br />
206 Seiten; 7,99 Ð<br />
Kultig und preiswert<br />
– was will man mehr?<br />
Niklas Hofmann und<br />
Klaus Raab, beides junge<br />
Autoren, die die Fernsehwelt<br />
der Achtziger<br />
nur als Kinder erlebten,<br />
haben mit "<br />
Ein Kult für<br />
alle Fälle" eine informatives,<br />
mit vielen Details<br />
gespicktes Buch verfasst,<br />
das an die Zeiten erinnert, in denen sprechende<br />
Autos, Technik-Freaks und Hawaiihemden-<br />
Träger (mit Oberlippenbart) noch zum guten<br />
Stil gehörten. Von Beschreibungen der insgesamt<br />
zwölf ausgewählten Serien über Zitatensammlungen<br />
und eine Dokumentation der<br />
Drehorte reicht das von den Autoren sorgfältig<br />
recherchierte Sammelsurium. Und die Serien?<br />
"<br />
Airwolf", Das "<br />
A-Team", "<br />
MacGyver",<br />
" Magnum"!!!, " Trio mit vier Fäusten", " Miami<br />
Vice" oder "<br />
Ein Colt für alle Fälle" sind nur einige<br />
der <strong>kult</strong>verdächtigen 80er-Knüller. Witzig,<br />
informativ und humorvoll. Da stellt sich schnell<br />
eine dringende Frage: Wann kommen die Siebziger<br />
und die Sechziger an die Reihe mit den<br />
unvergesslichen "<br />
Drei Engel für Charlie", "<br />
Die<br />
Straßen von San Francisco" bis hin zu "<br />
Flipper"<br />
oder "<br />
Daktari"? Mega-Kult.<br />
VARIOUS ARTISTS<br />
12 POINTS VOL. 2<br />
Ein Volltreffer war die letztes Jahr erschienene<br />
CD 12 POINTS, auf der zahlreiche Songs aus<br />
der langen Geschichte des<br />
Eurovision Song Contests in<br />
ihren deutschen Versionen zu<br />
hören waren. Mit der Anfang<br />
Mai erscheinenden zweiten<br />
Ausgabe (12 POINTS VOL. 2)<br />
dieser Reihe wird dieser <strong>kult</strong>ige<br />
Rückblick fortgeführt, hört man die eingedeutschten<br />
ESC-Lieder von Originalinterpreten<br />
wie Cliff Richard, Vicky Leandros oder Nana<br />
Mouskouri neben längst in Vergessenheit geratenen<br />
Cover-Songs von Künstlern wie Maggie<br />
Mae, Waterloo & Robinson, Mary Roos, Peter<br />
Alexander, Severine, Wolfgang Ziegler oder<br />
Ireen Sheer.<br />
(Koch/Universal, 2013)<br />
ALLERLEIRAUH<br />
In diesem weniger bekannten Märchen der<br />
Gebrüder Grimm geht es um das Schicksal der<br />
Prinzessin Lotte, deren verwitweter Vater seiner<br />
Gemahlin versprochen hatte, erst dann wieder<br />
zu heiraten, wenn er eine<br />
Frau findet, die genauso<br />
schön ist wie sie – und die<br />
einzige Person, die diese<br />
Bedingung erfüllt ist – Lotte!<br />
Fassungslos versucht<br />
die Prinzessin alles, um<br />
den König von seinem Plan<br />
abzubringen, stellt ihn vor<br />
unlösbare Aufgaben, doch<br />
erst nach Flucht und nachdem sie in einem den Wald einen jungen König kennengelernt hat,<br />
frem-<br />
bahnt sich langsam ein Happy End an. Mit erstklassigen<br />
Schauspielern (u.a. Henriette Confurius,<br />
Ulrich Noethen und Fritz Karl), wunderschönen<br />
Drehorten und Kostümen sowie wunderbar<br />
dazu passender Filmmusik von Peter W. Schmitt<br />
gehört dieses Märchen zu den Highlights dieses<br />
Genres. Die Erstausstrahlung von Allerleihrauh"<br />
fand am zweiten Weihnachtsfeiertag "<br />
2012 in der ARD statt. Als Extra gibt es noch das<br />
15-minütige Feature Wie ein Rauhtierchen zur<br />
"<br />
Prinzessin wird".<br />
(Telepool/KNM Home Entertainment,<br />
60 Min.)<br />
Seite 12 ■ GoodTimes 2/2013
SHOP<br />
<strong>kult</strong>! SHOP<br />
❏<br />
12,80 €<br />
❏<br />
6,50 €<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 8 (2/2013)<br />
❏<br />
6,50 €<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 7 (1/2013)<br />
❏<br />
6,50 €<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 6 (2/2012)<br />
❏<br />
6,50 €<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 5 (1/2012)<br />
❏<br />
14,99 €<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!-Box<br />
3 CDs, 60 <strong>kult</strong>!-Hits<br />
3 CD-Box<br />
14,99 €<br />
Anzahl<br />
(bitte eintragen)<br />
Sammelordner<br />
mit Stabmechanismus<br />
bietet Platz für bis zu 12<br />
Ausgaben inkl. Jahrgangs -<br />
aufklebern<br />
Preiskatalog LP/CD 2013<br />
• über 140.000<br />
Sammlerpreise<br />
Preiskatalog Single 2013<br />
• über 100.000<br />
Sammlerpreise<br />
2 DVD<br />
Rock&Pop<br />
Single-Cover-<br />
Archiv<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
29,80 €<br />
❏<br />
29,80 €<br />
❏<br />
34,80 €<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 4 (2/2011)<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 3 (1/2011)<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 2 (2/2010)<br />
GoodTimes <strong>kult</strong>!<br />
Nr. 1 (1/2010)<br />
weitere GoodTimes-Ausgaben finden Sie unter www.goodtimes-magazin.de<br />
Nr. 2/2013<br />
Nr. 2/2012<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
6,50 €<br />
Nr. 1/2013<br />
Nr. 1/2012<br />
Oben ausgewählte Artikel gehen Ihnen unmittelbar nach Zahlungseingang zu.<br />
Ich bezahle auf folgende Weise:<br />
❏ bar beigefügt<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
6,50 €<br />
Nr. 6/2012<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
5,90 €<br />
Nr. 5/2012<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
5,90 €<br />
Nr. 4/2012<br />
❏ per Bankeinzug (nur Inland! Daten bitte unten eintragen)<br />
❏ per Verrechnungs-Scheck (beiliegend) ❏ per Vorabüberweisung (Kontodaten siehe Impressum, S. 3)<br />
Bank: _____________________________________________________________________________________________<br />
BLZ: ____________________________________________________ Konto-Nr.: _______________________________<br />
Die Genehmigung zum Bankeinzug und die Information über die 14-tägige Widerrufsmöglichkeit bestätige ich mit meiner folgenden Unterschrift:<br />
Datum: _____________________ Unterschrift: ____________________________________________________<br />
Vor-/Nachname: ________________________________________ Straße: _____________________________<br />
PLZ/Ort: __________________________________________________ Land: _________________________________<br />
Telefon: ____________________ Fax: _____________________ email: ________________________________<br />
Zuzüglich Versandkosten: Inland: 2,– € · Ausland: 3,50 € · versandkostenfrei ab 20,– € Warenwert<br />
Bestellschein bitte faxen an: 0 70 42/37660-188 oder ausschneiden bzw. fotokopieren und senden an:<br />
NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
weitere Artikel und Bestellmöglichkeiten im Internet unter: www.goodtimes-magazin.de<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
5,90 €<br />
Nr. 3/2012<br />
Nr. 6/2011 Nr. 5/2011 Nr. 4/2011 Nr. 3/2011<br />
❏<br />
6,50 €<br />
❏<br />
5,90 €<br />
❏<br />
❏<br />
❏<br />
❏<br />
CD je<br />
15,90 €<br />
❏<br />
❏<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 13
Der Unsterbliche aus dem Dschungel<br />
Foto<br />
:DA<br />
VIDS<br />
/<br />
Bild<br />
arch<br />
iv H<br />
allh<br />
lh uber<br />
Als Johnny Weissmüller am Ende seines<br />
Lebens fotografi ert wurde, auf die<br />
Knochen abgemagert, an den Rollstuhl<br />
gefesselt, da sorgte das Bild für weltweite<br />
Betroffenheit: Wie konnte dieser<br />
Körper dem Mann den Dienst versagen,<br />
ein Körper, der stets wie eine gemeißelte<br />
Marmorstatue war, kräftig, strahlend, strotzend<br />
vor Gesundheit? Die fiktive Figur des<br />
Tarzan hatte sich im kollektiven Bewusstsein<br />
komplett über jene des Schauspielers gelegt,<br />
der lediglich eine Rolle – im wahrsten Sinne –<br />
verkörpert hatte. Johnny Weissmüller konnte<br />
sterben wie jeder Mensch, Tarzans Tod hingegen<br />
steht noch immer aus. 100 Jahre<br />
dauert die Regentschaft des Königs des<br />
Dschungels nun schon.<br />
Von Roland Schäfli<br />
Obwohl der Tod ihm im Filmtitel manchmal sogar<br />
direkt gegenüberstand – „Tarzans Kampf ums<br />
Leben" oder „Tarzans Todesduell", um nur zwei<br />
zu nennen – war uns, dem Publikum, doch bei jedem<br />
Abenteuer klar: Tarzan würde<br />
nicht sterben. Auf uns wartete<br />
ein Happy End, auf ihn seine<br />
Jane. Und Cheetah würde wie<br />
immer kurz vor der Abblende<br />
einen Purzelbaum schlagen. In<br />
26 Romanen und über 30 Filmen<br />
ist Tarzan nicht nur alterslos geblieben.<br />
Er ist auch unverwundbar<br />
geworden. Seine Unsterblichkeit<br />
als Heldenfigur rührt von der<br />
Fähigkeit, sich im Zeitenwechsel<br />
anzupassen. An neue Geschmäcker,<br />
an<br />
neue Generationen. Wie kaum<br />
eine Filmfigur hat Tarzan überlebt –<br />
nicht nur Treibsand, böse weiße Männer oder den Zauber eines<br />
fanatischen Medizinmanns – nein, Tarzan hat<br />
den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm<br />
überlebt (was damals manchen Star die<br />
Karriere kostete), den Übergang vom<br />
Kino- zum Fernsehzeitalter (was<br />
wiederum zahlreiche Kinohelden<br />
arbeitslos machte), er hat sogar<br />
zahllose Parodisten schadlos überstanden,<br />
die aus dem Mythos<br />
Kapital schlugen.<br />
Jeder Generation ein eigener<br />
Tarzan<br />
Jede Generation entdeckt den Herrn des Dschungels<br />
neu. Während die Kinoserie mehr als ein Dutzend<br />
Darsteller verschliss, kamen die Produzenten mit schöner<br />
Regelmäßigkeit auf die ursprüngliche Genesis zurück<br />
– sein Debüt in „Tarzan Of The Apes". Und als Disney<br />
schließlich 1999 Tarzan endlich in sein Universum<br />
beliebter Zeichentrick-Figuren aufnahm, erschloss der<br />
Mäusekonzern den Urwaldmenschen einer weiteren neu<br />
heranwachsenden Generation, just zur Jahrtausendwende.<br />
Für die Jugend war der „Sohn<br />
der Affen" seit jeher Symbol<br />
der Selbstverwirklichung. Denn n<br />
Tarzan ist unabhängig (trotz<br />
Eheweib), gescheit (trotz fehlender<br />
Schulbildung), von adliger Geburt<br />
(trotzdem im Baumhaus hausend),<br />
und mit Bestimmtheit zahlt er auch<br />
keine Steuern.<br />
Im Laufe der Jahrzehnte ist Tarzan<br />
so zur Projektionsfläche des Zeitgeists<br />
geworden. Das äußerte sich nicht nur<br />
in der Länge seines Lendenschurzes, der<br />
kürzer oder länger wurde, je nachdem,<br />
welche moralische Instanz gerade das<br />
Sagen hatte. Das zeigte sich auch in den Handlungen. n In den 30er<br />
Jahren, zur Zeit der großen Depression, als Safaris tatsächlich ein Sport<br />
der Reichen waren, kam kaum ein Tarzan-Film ohne die „verschollene<br />
Tarzan-Abb.: Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 14 ■ GoodTimes 2/2013
Safari" aus, deren weiße Jäger stetst<br />
von der Lust nach Gold und Elfenbein ein<br />
getrieben waren. In den 40er Jahren<br />
meldete sich Tarzan – ein amerikanischer r<br />
Star, obwohl „gebürtiger" Engländer –<br />
natürlich zum Militärdienst: In „Tarzan’s<br />
Desert Mystery" (1943) bekommt es<br />
der Affenmensch doch tatsächlich<br />
mit den Herrenmenschen<br />
zu tun. In der Wüste<br />
Sahara gilt es, Nazis<br />
zu bezwingen (Jahre<br />
später dann auch<br />
in Deutschland<br />
unter dem Titel Patchwork-Familie mit Adoptivsohn und<br />
Haustier: die Tarzans.<br />
„Tarzan, Bezwinger<br />
der Wüste" herausgebracht). Und als im<br />
konservativen Amerika kirchliche Kreise e<br />
monierten, dass Tarzan und Jane in wilder<br />
Ehe zusammenlebten, die sogar einen<br />
unehelichen Sohn hervorbrachte (in den<br />
Romanen „Korak" genannt, im Film<br />
einfach „Boy"), sorgte dieser Sturm im<br />
Wasserglas für eine landesweite Debatte<br />
(obwohl der Autor seinen Helden tatsächlich<br />
schon im zweiten Roman verehelicht<br />
ht<br />
hatte, um<br />
Sitten und Anstand<br />
im Dschungel zu<br />
wahren). Als endlich<br />
in den 60ern<br />
das Zeitalter der<br />
sexuellen Befreiung<br />
Bo Derek machte Jane zur Hauptfi gur und<br />
anbrach, da war<br />
Tarzan zum bloßen Sexobjekt.<br />
Tarzan plötzlich<br />
nicht mehr monogam, da wurde Jane flugs aus der Handlung und<br />
dem Muskelmann wechselnde Damen zur Seite geschrieben. Es<br />
passte also gewissermaßen zum natürlichen Lauf der Dinge,<br />
dass Tarzan-Darsteller Nr. 16 im Jahr 1981 dann endlich<br />
den Sex entdeckte: Mit „Tarzan, Herr des Dschungels"<br />
kam ein Erotikabenteuer in die Kinos, was auch in<br />
deutschen Landen eine aufgeregte Diskussion über die<br />
Altersfreigabe auslöste. Denn erstmals war der Titelheld<br />
nicht die Hauptfigur – alle Augen ruhten auf Bo Derek als<br />
Jane, die Tarzan zum bloßen Sexsymbol degradierte.<br />
Tarzan, der Analphabet<br />
Im Lauf der Jahre durfte auch Tarzans Intellekt<br />
zunehmen. War Johnny Weissmüller zu Anfang<br />
noch auf den wilden Primitiven abonniert, so<br />
interpretierte sein Nachfolger Lex Barker<br />
den Tarzan schon als artikulierten<br />
Aristokraten.<br />
Doch Barker hatte verbissen<br />
um die Anzahl<br />
seiner Dialogzeilen zu<br />
streiten. Als er in einem<br />
Film 137 Mal sprechen durfte,<br />
strich sein Produzent die<br />
Anzahl der Sätze für den nächsten<br />
prompt auf 83 zusammen, „weil er sich sonst<br />
zu Tode quatscht". Und als Weissmüller<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Lex<br />
Barker<br />
einmal<br />
den Satz „Jane go!" spontan auf „Jane<br />
go<br />
fast!" erweiterte, da brach der Regisseur die<br />
Aufnahme ab, um seinem Star zu erklären,<br />
dass Tarzan nicht so viel reden sollte. Erst<br />
Mike Henry durfte ab Mitte der 60er Jahre<br />
den Herrn des Dschungels als Herrn von Welt<br />
interpretieren: In „Tarzan am großen Fluss"<br />
kommt der Titelheld per Flugzeug und im<br />
eleganten Anzug in Acapulco an und spricht<br />
selbst im Busch noch wie ein englischer<br />
Gentleman. Doch stets, wenn die Tarzan-Saga<br />
sich<br />
weit von ihrem Ursprung entfernt hatte,<br />
fand der Herr des Urwalds wieder auf alte Pfade<br />
zurück:<br />
Mit „Greystoke"<br />
folgte 1984 die<br />
Verfi lmung, die der<br />
literarischen Vorlage<br />
am nächsten kam.<br />
Gleichzeitig führte sie<br />
mit Christopher Lambert<br />
den vorläufig letzten<br />
Tarzan ins Feld. Nun<br />
harrt die Urwald-Saga<br />
ihrer Wiederentdeckung.<br />
Wenn Tarzan erneut Nur als Highlander" noch unsterblicher<br />
das Licht der Leinwand als Tarzan: "<br />
Christopher Lambert.<br />
erblicken wird, dürfte er eine weitere Metamorphose durchlebt<br />
haben. Für eine Generation, die der Zivilisation müde geworden<br />
ist<br />
und sich nach der ursprünglichen Natur sehnt, wäre Tarzan<br />
der<br />
geradezu ideale Prototyp. Bio-Essen direkt im Dschungelladen<br />
inklusive.<br />
Evolution eines Helden<br />
Im Oktober 1912 war erstmals in gedruck-<br />
ten Lettern der Name „Tarzan" zu lesen –<br />
in einem Groschenroman, Pulp Fiction mit<br />
dem Titel „A Romance Of The Dschungle".<br />
Besonders romantisch stimmte das Titelbild<br />
aber nicht; es zeigt den frischgebackenen<br />
Helden (mit Stirnband) im Kampf gegen<br />
g<br />
einen zähnefletschenden<br />
n<br />
Löwen. 700 Dollar strich ein gewisser<br />
Edgar Rice Burroughs für die Story<br />
ein – und ahnte nicht, dass er damit<br />
den Grundstein für ein literarisches s<br />
Imperium legte, das heute noch –<br />
vom Hauptsitz Tarzana aus – weltweite<br />
Lizenzrechte verwaltet. Einen<br />
literarischen Anspruch<br />
hatte der Autor nicht:<br />
„Ich schreibe, um zu<br />
entfliehen – um der<br />
Armut zu entfliehen."<br />
Burroughs<br />
war weitsichtig<br />
genug, sich im ersten Vertrag die alleinigen<br />
i<br />
Rechte zu sichern und Tarzan bereits 1913 als<br />
Markennamen einzutragen. Dass sich seine<br />
Figur stark an Mogli anlehnte – das Kind,<br />
das in Kiplings „Dschungelbuch" ebenfalls von<br />
Tieren des Urwalds aufgezogen wird –, schien<br />
keine Plagiatsklagen zu motivieren. Stattdessen<br />
klopfte Hollywood an seine Tür. Nur vier Jahre nach<br />
der Erstveröffentlichung lief am Broadway die erste<br />
Verfilmung: „Tarzan Of The Apes". Erster Träger<br />
des legendären Lendenschurzes war ein Mann ohne<br />
Schauspielerfahrung, Elmo Lincoln, womit er auch<br />
Foto: DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 15
gleich eine Tradition<br />
begründete:<br />
Im<br />
Casting<br />
sollten stets<br />
Aussehen<br />
und sportliche<br />
Qualitäten<br />
wichtiger sein als<br />
Ausdruckskraft.<br />
Dass<br />
Elmo<br />
Lincoln<br />
als<br />
erster Tarzan in die<br />
Filmgeschichte<br />
eingehen<br />
durfte, hatte er dem Ersten Weltkrieg<br />
zu verdanken. Denn es stand bereits<br />
seit<br />
mehreren Drehtagen ein anderer<br />
Elmo Lincoln<br />
Schauspieler vor der Kamera, als der<br />
Kriegszustand ausgerufen wurde, und dieser sich in einem Anfall von<br />
Patriotismus freiwillig zum Militär meldete.<br />
Tarzan vergrößert sein Revier<br />
1931 erweiterte Tarzan sein Territorium: Burroughs produzierte eine<br />
Reihe von Schallplatten; fürs Radio wurden 364 Episoden von 15<br />
Minuten Länge hergestellt, und so kam der Urwaldmensch erstmals<br />
flächendeckend in die Wohnstuben der Amerikaner. Und schon im Jahr<br />
darauf lancierte der umtriebige<br />
Burroughs Tarzan in Comicform:<br />
Er schloss einen Vertrag mit<br />
United Feature Syndicate, die<br />
Comicstrips, also Bilderfolgen<br />
in Streifen, international vertrieben.<br />
So kam Tarzan in<br />
141 Tageszeitungen auch<br />
auf den amerikanischen<br />
Frühstückstisch,<br />
als<br />
Fortsetzungsgeschichten<br />
mit<br />
Suchtpotenzial.<br />
Zeichner wie Hal Foster,<br />
der später mit<br />
seinem<br />
„Prinz<br />
Eisenherz" selbst<br />
zu<br />
Weltruhm<br />
kommen sollte,<br />
machten<br />
den<br />
Abenteurer<br />
zum Helden<br />
der<br />
Sonntagsblätter;<br />
insgesamt 156 sonntägliche<br />
Zeitungen<br />
brachten<br />
Tarzan<br />
ganzseitig und farbig.<br />
1947 spreng-<br />
te Tarzan den<br />
engen Rahmen der<br />
Zeitungsabenteuer,<br />
als er seine eigene<br />
Comicserie<br />
Gordon<br />
erhielt. Ab 1951<br />
Scott<br />
erschien monatlich<br />
ein neuer<br />
Comicband.<br />
Die<br />
Bilderge schichten wurden ab<br />
den 50er Jahren auch von deutschen<br />
Verlagen übernommen,<br />
etwa vom Stuttgarter Ehapa-<br />
Verlag. Da Tarzan als Comic-<br />
Held nicht gerade zimperlich mit seinen<br />
Antagonisten umging, die Zeichner das<br />
Blut großzügig fließen und gern auch<br />
leichtbekleidete Amazonen auftreten ließen, war das Heft den<br />
Sittenwächtern ein Dorn im Auge. 1954 setzte die neugeschaffene<br />
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften<br />
als erstes einen Tarzan-Comic auf den Index.<br />
Seit den 30er Jahren<br />
flossen allein durch die<br />
Comics monatlich gute<br />
5000 Dollar in Burroughs’<br />
Kasse. Wann immer<br />
Tarzan erwähnt wurde,<br />
Burroughs erhielt seinen<br />
Anteil. Er lizenzierte<br />
an mehrere<br />
hundert Hersteller, die Merchandise<br />
produzierten, vom einfachen T-Shirt<br />
über die Tarzan-Armbanduhr bis zum<br />
Tarzan-Kaugummi. 1939 gründete<br />
Burroughs sogar einen Kinderclub,<br />
von dem er hoffte, den Pfadfindern<br />
Konkurrenz zu machen, den „Tarzan<br />
Clan Of America". Eintrittsgebühr:<br />
1 Dollar. Bis zu seinem Tod 1950<br />
hatte Burroughs 26 Tarzan-<br />
Romane verfasst, die in 31<br />
Sprachen übersetzt wurden<br />
und sich 36 Millionen Mal<br />
verkauften. Er hatte mit einer<br />
Hatte in jedem Film eine<br />
andere Jane: Lex Barker<br />
Dynastie von Kindern und dem Aufbau eines wahren Imperiums dafür<br />
gesorgt, dass Tarzan seinen geistigen Vater überleben würde.<br />
Akkordarbeiter im Lendenschurz<br />
Mit dem Tonfilm kam der Tarzan-Schrei, und mit Johnny<br />
Weissmüller der erste Ton-Tarzan. Er sollte 1932 als Erster die<br />
weltberühmten Erkennungsworte sprechen „Tarzan – Jane".<br />
Weissmüller, bis heute mit zwölf Filmen in 15 Jahren der<br />
Langlebigste der Filmdarsteller, war ein Glücksfall: Er logierte<br />
im selben Hotel wie der Drehbuchautor, der dort das Script<br />
des geplanten nächsten Streifens in die Schreibmaschine<br />
hämmerte und am Pool zufällig beobachten konnte,<br />
wie der Gewinner von fünfmal Olympia-Gold<br />
und 67 Weltmeister-Titeln seine Bahnen kraulte.<br />
Die Produzenten engagierten ihn ohne Probe-<br />
Aufnahmen vom Fleck weg, so wurde der Sportler<br />
hauptberuflicher Lianen-Schwinger. Johnny<br />
unterschrieb einen Sieben-Jahres-Vertrag, der<br />
ihm 500 Dollar wöchentlich einbrachte, was auf<br />
2000 die Woche gesteigert wurde. Nach zähen<br />
Lohnverhandlungen wurde Weissmüller schließlich<br />
im 43. Lebensjahr, als er als jugendlicher Held<br />
schon nicht mehr vollends überzeugen konnte,<br />
vom 29-jährigen Lex Barker abgelöst. Den hatte der<br />
Produzent – wiederum zufällig – in der Polo-Lounge<br />
des Beverly Hills Hotels angetroffen. Erneut war die<br />
athletische Figur maßgebend: Der arbeitslose Barker bekam<br />
den Job dank einer Fotografie in Badehose am Strand. Er sollte<br />
seine Wahl zum König des Dschungels jedoch bald bedauern.<br />
Als ambitionierter Schauspieler wollte Barker auch andere Rollen<br />
spielen. Doch wer einmal Tarzan ist, der bleibt Tarzan – so<br />
will es ein ungeschriebenes Hollywood-Gesetz. Barker dankte<br />
als Dschungelfürst nach fünf Abenteuern ab, um in Europa<br />
sein berufliches Glück zu suchen – und sich wiederum als<br />
Serienheld in den Euro-Western zu verdingen.<br />
Mit Gordon Scott wird’s bunt<br />
Auf der Suche nach Tarzan Nummer elf wurden die<br />
Produzenten einmal mehr an einem Pool fündig: Gordon Scott<br />
war Bademeister eines Las-Vegas-Hotels. Auch er sollte den<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 16 ■ GoodTimes 2/2013
darchiv Hallhuber<br />
DA VIDS<br />
/<br />
Lendenschurz für genau fünf Filme überstreifen und der erste Farbfilm-<br />
Tarzan werden. So lange blieb keiner der nachfolgenden<br />
Darsteller noch, und keiner blieb dem Publikum lange im<br />
Gedächtnis. Als Mike Henry vom Affen ins Gesicht gebissen<br />
wurde, quittierte der letzte Kino-Tarzan den Dienst.<br />
Doch zu diesem Zeitpunkt liefen bereits mit Hochdruck die<br />
Vorbereitungen zur Eroberung jenes Mediums, das für den barfüßigen<br />
Waldläufer noch Neuland darstellte: das Fernsehen.<br />
1966<br />
bekam<br />
Ron Ely<br />
als Tarzan<br />
Nummer<br />
15 seine Chance,<br />
im Lenden schurz zu<br />
reüssieren. Dieser schlaksigste<br />
aller Tarzane<br />
sprach, dem Zeitgeist<br />
entsprechend, eher wie<br />
ein<br />
hipper kalifornischer<br />
Surfer denn wie ein<br />
Affenmensch. f<br />
Burroughs<br />
Erben hatten allerdings<br />
ihre<br />
Freude daran, denn<br />
der<br />
Autor hatte sich seine<br />
Figur nie als Analphabeten<br />
im<br />
Stil eines unartikulierten<br />
Johnny<br />
Weissmüller vorgestellt.<br />
Bis<br />
1968 wurden<br />
über<br />
40<br />
TV-<br />
Folgen mit<br />
respektabler<br />
<strong>Eins</strong>chalt quote<br />
ausgestrahlt,<br />
bis Tarzan wieder<br />
vom Äther<br />
verschwand.<br />
Jedoch nicht<br />
für lange:<br />
1976 lief<br />
auf CBS die<br />
erste Zeichentrick-Adaption<br />
des Stoffs,<br />
die<br />
1978 unter<br />
dem<br />
Titel<br />
„Tarzan – Herr<br />
des<br />
Dschungels" auch im<br />
deutschen ZDF gesendet<br />
wurde und die Saga<br />
immerhin um psychedelische<br />
Themen und die<br />
Begegnung mit UFOs<br />
bereicherte. Immerhin<br />
vier Staffeln und 36<br />
Folgen währte das kunterbunte<br />
Glück der Fans.<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Tarzan, der<br />
Sparsame<br />
Die Filme waren in der<br />
Regel einträglich, wenn<br />
man sie auch nicht als<br />
Kassenschlager bezeichnen<br />
könnte. Sie galten<br />
in Hollywood als<br />
B-Movies, als zweitklassige<br />
Produktionen,<br />
und ihre Regisseure mussten mit<br />
moderaten Budgets auskommen.<br />
Tatsächlich folgten die Tarzan-Filme<br />
jenem legendären Ausspruch eines<br />
Hollywood-Produzenten: „A tree is a tree,<br />
shoot it in Griffith Park", übersetzt etwa: ein<br />
Baum ist ein Baum, das Kinopublikum wird<br />
den Unterschied nicht merken, ob in Afrika<br />
oder im Park von Los Angeles gedreht wurde.<br />
Während der Reihe mit Lex Barker wurde ein<br />
kläglich scheiternder Versuch unternommen,<br />
tatsächlich am Fuße des Mount Kenia zu<br />
filmen. Niemand hatte einberechnet, dass<br />
dort unter dem Äquator Regenzeit herrschte.<br />
Das Filmteam flüchtete sich alsbald ins<br />
kalifornische Klima zurück, wo Tarzan weiter<br />
den Retter des Urwalds vor künstlicher<br />
Botanik mimte und lediglich kostengünstige<br />
Rückprojektionen den Darsteller in den<br />
Dschungel versetzten. Erst die Reihe der<br />
Farbfilme mit Gordon Scott wagte Jahre später<br />
nochmals den Sprung auf den schwarzen<br />
Kontinent, weil der Regenwald<br />
sich in Farbe nicht überzeugend<br />
rekonstruieren ließ. Davor hatten<br />
die Produzenten diese<br />
„Atmosphäre" mehr oder<br />
weniger erfolgreich vermittelt,<br />
indem sie<br />
einfach Tier- und<br />
Naturaufnahmen aus<br />
dem Archiv in die<br />
Handlung einbauten,<br />
was aufgrund unterschiedlicher<br />
Filmkörnung doch recht augenscheinlich<br />
war. Der Geiz gewisser<br />
Produzenten ging so weit, dass<br />
eine Unterwasser aufnahme eines<br />
Kampfs zwischen Weissmüller<br />
und einem Krokodil in insgesamt<br />
fünf Tarzan-Filmen Verwendung<br />
fand – selbst in einen Farbfilm<br />
schnitt man die Schwarzweiß-<br />
Szene kurzerhand hinein, blau<br />
eingefärbt.<br />
Die Fans haben den Tarzan-Filmen<br />
derart lachhafte Tricks, hölzerne<br />
Schauspieler und Statisten in<br />
Affenkostümen immer wieder verziehen.<br />
Anders als die Reihe jenes anderen<br />
langlebigen Filmhelden, James Bond,<br />
war die Tarzan-Serie nie darauf aus,<br />
sich selbst stets von Neuem mit noch aufwändigeren<br />
Knüllern zu übertreffen. Tarzan war Fließbandware.<br />
Die als solche aber vom Publikum hüben wie drüben<br />
im höchsten Maß goutiert wurde.<br />
Johnny<br />
Weissmüller<br />
Foto: DAVIDS/Bil<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 17
Hugo Kastner<br />
Das uramerikanische Genre des Western ist<br />
seit den 50er Jahren ein Massenphänomen.<br />
Kinofilme wurden in Hollywood am Fließband<br />
gedreht, zahlreiche TV-Serien kamen hinzu,<br />
von denen viele im deutschen Fernsehen<br />
gezeigt wurden. Und es gab Westernromane<br />
als Groschenhefte oder Leihbücher in riesigen<br />
Auflagen. Hugo Kastner hat mehr als 1000<br />
Illustrationen für die Titelbilder von Serien<br />
wie G.F. Unger, „Lassiter , „Rauchende Colts<br />
oder „Santana gemalt und die Bildsprache<br />
mehr als 30 Jahre lang maßgeblich mitgeprägt.<br />
Von Hugo Kastner jr.<br />
Der Mann der dem Wilden<br />
Westen Gesichter gab<br />
Titelbildentwürfe waren bis Ende der 60er Jahre sehr gut bezahlt,<br />
ebenso Westerngeschichten. Die meist männlichen Leser faszinierte<br />
offenbar die träumerische Ferne des Wilden Westens.<br />
Der Western war gleichsam ein Spiegelbild der verklärten,<br />
fast romantischen Sicht des durch Fort, Saloon, Indianer und weite<br />
Landschaften geprägten Lebens der amerikanischen Pionierzeit. Der<br />
tapfere Cowboy, der einsame Sheriff, der skrupellose Gangsterboss,<br />
die unschuldige Frau – die Klischeefiguren dieses Genres sind Legion.<br />
Und Hugo Kastner prägte als Pionier der deutschsprachigen Western-<br />
Titelbildillustrationen dieses Zeitalter mit.<br />
Als Sohn des „Zeichners", dessen Schaffenszeit das volle Leihbuchzeitalter<br />
umfasste, dann noch die großen Jahre des Western-Heftromans,<br />
betrachte ich mich gleichzeitig als Nachlassverwalter seines gewaltigen<br />
Oeuvres. Und ich habe die Entstehung von Westernillustrationen in jungen<br />
Jahren hautnah erlebt. Seit Anfang der 50er Jahre hat Hugo Kastner<br />
fast 1000 Titelbilder für Leihbücher<br />
bei der C.S. Dörner-Verlagsanstalt,<br />
beim Hermann Borgsmüller-Verlag<br />
und beim Hugo Alfred Kastner Mülbüsch- 1958<br />
Verlag entworfen. Weitere circa<br />
500 Originalbilder folgten für die<br />
Western-Heftromane des Mülbüsch-<br />
Verlags, dazu gab es mehr als 1000<br />
Nachdrucke früherer Titelbilder für<br />
diverse Romanheft-Reihen. Ab Ende<br />
der 70er Jahre entstanden dann<br />
noch einmal über 100 Original-<br />
Illustrationen für Bastei und Kelter.<br />
Hugo Kastner wurde am 5. Mai<br />
1921 in Kärnten geboren, lebte aber<br />
mit seiner Frau sowie den beiden<br />
Söhnen Hugo und Ronny in Wien.<br />
Seite 18 ■ GoodTimes 2/2013
Am 27. April 2004 verstarb er. Hugo Kastner<br />
war<br />
zeitlebens Hugo Kastner 1972<br />
freischaffender<br />
Graphiker,<br />
der<br />
nach dem Zweiten<br />
Weltkrieg neben<br />
einem<br />
begonnenen<br />
Englischund<br />
Geschichtestudium<br />
Porträtzeichnungen<br />
und<br />
diverse<br />
Auftragsarbeiten<br />
für Galerien<br />
annahm. Ab Mitte<br />
der 50er Jahre schuf er erste Titelbilder<br />
für den Isabella-Verlag (Wien-Berlin) und<br />
den Falken-Verlag für die Serien „American<br />
Stories", „Blitz", „Kibi Williams" und „Colt<br />
Story". Warum Western? Seine ganz persönliche<br />
Antwort: „Der Western hat mir immer<br />
Platz zum Träumen gelassen. Es macht einfach<br />
Spaß, diese Bilder zu malen. Und der<br />
Western kommt meinem Zeichenstil stark<br />
entgegen."<br />
g<br />
Im<br />
Herbst 1954 begann für Hugo Kastner<br />
beim Verlag C.S. Dörner eine Mehrfachkarriere<br />
als Autor, Zeichner und Übersetzer. Drei<br />
Westernromane („Alles oder nichts", „Das<br />
Ende der Circle C", „Der Unbezwingliche")<br />
und zwei Übersetzungen aus dem<br />
Amerikanischen in der Reihe „Classic<br />
Western" („Eine harte Zeit",<br />
„Silver City") wurden bereits<br />
1955 als Leihbücher unter dem<br />
Pseudonym Emery Scott auf<br />
ben bis acht Ölbilder im Format A0, also<br />
in Plakat-Größe. Üblicherweise kamen von<br />
Verlagsseite extrem kurze Anweisungen:<br />
„… Männer sitzen um ein Feuer", „… berittene<br />
Pferde unter Sternenhimmel", manchmal<br />
– vor allem bei neuen Aufträgen für<br />
Bastei oder Kelter – auch detaillierte<br />
Angaben: „… links oben auf einem<br />
Pferd, groß abgebildet, ein junger<br />
Nordstaatler. Unten, klein abgebildet,<br />
ein ehemals prächtiges Herrenhaus<br />
den Markt gebracht. Das<br />
der Südstaaten, inzwischen<br />
Pseudonym lehnt sich an<br />
die Straße an, in der er<br />
geplündert. Auf der Veranda<br />
ein toter alter Mann im<br />
damals mit seiner Familie lebte.<br />
Schaukelstuhl." Um die<br />
Alle Titelbild-Illustrationen zu<br />
diesen Büchern schuf Hugo<br />
Bewegungsstudien korrekt<br />
skizzieren zu können,<br />
Kastner gleich selbst. Anfang<br />
verwendete er<br />
der 60er Jahre folgte mit „Der<br />
meist Bilder aus den<br />
Gehetzte" ein letztes<br />
damals in österreichischen<br />
Leihbuch als „Roman aus<br />
Kinos<br />
dem Wilden Westen" aus<br />
der Feder Emery Scotts.<br />
Für das Verlagshaus<br />
Pabel/Zauberkreis<br />
(Serien Pabel-Western,<br />
ausgegebenen<br />
Heftchen „Illustrierter<br />
Film-Kurier" oder „Neues<br />
Film-Programm". Manchmal<br />
behalf er sich sogar mit<br />
Silber-Western<br />
und<br />
selbst zusammengeklebten<br />
Western-King) sowie<br />
Collagen aus diver-<br />
für Merceda, den<br />
sen Illustrierten und<br />
Indra-Verlag, Hallberg/Schälter und Conny<br />
Cöll fertige Hugo Kastner ebenfalls einige<br />
Titelbilder an. Hugo Kastners zeichneri-<br />
Zeitungsbeilagen. In einzelnen Entwürfen<br />
verstecken sich auch die Gesichtszüge damaliger Hollywood-Größen,<br />
wie etwa die John Waynes, später bei Kelter der in den 70ern allge-<br />
sches Talent und die daraus resultierenden<br />
Verdienstmöglichkeiten<br />
führten<br />
aber sehr bald<br />
dazu, dass er sich auf<br />
Titelbildillustrationen<br />
konzentrierte.<br />
Kastner kam bei seinen<br />
Illustrationen,<br />
bei denen naive, ikonenhafte<br />
Figuren und<br />
Kopfporträts dominierten, n,<br />
auch die in der damaligen<br />
Zeit Zit ungeheuer kritische Sichtweise e<br />
gegenüber jeder Art von „jugendgefährdender"<br />
Trivialliteratur entgegen. Nicht<br />
Revolverduelle oder blutrünstige Szenen n<br />
zierten die Titelbilder, sondern vielmehr<br />
waren ruhige Landschaften mit dem<br />
„schwebenden" Porträt des Cowboys<br />
oder seiner Liebsten gefragt. In seinem<br />
nur neun Quadratmeter kleinen<br />
Arbeitszimmer entstanden monatlich sie-<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 19
genwärtige Winnetou, verkörpert von<br />
Pierre Brice. Für die Vermarktung waren<br />
Ähnlichkeiten mit Filmhelden durchaus<br />
erwünscht.<br />
Die Umrisse der Figuren wurden mit Hilfe<br />
eines Pantographen (Storchenschnabel)<br />
auf ein großes Zeichenblatt übertragen,<br />
lose angedeutet und als Hilfslinien für<br />
die eigentliche Zeichnung. Für manche<br />
Bildmotive, für die keine passenden<br />
Filmfiguren vorlagen, fertigte er<br />
auch Bleistiftzeichnungen im A4-Format<br />
an, meist mit kleinen Kritzeleien am<br />
Bildrand versehen, die sich auf den<br />
Schriftzug bezogen. Der Normalfall war<br />
jedoch eine Kohlevorzeichnung, die<br />
dann mit „Fixativ" vor Abrieb ge schützt<br />
wurde. Danach<br />
erfolgte zunächst<br />
mit der Technik<br />
der Ölmalerei eine Durcharbeitung<br />
der Haupt figur, gefolgt von der<br />
Hintergrundskizzierung. Dieser<br />
Prozess zog sich in mehreren<br />
Arbeitsgängen direkt an der<br />
Staffelei über einen Zeitraum<br />
von circa drei bis vier Tagen<br />
hin. Zuletzt fügte er den Titel<br />
(besser: das Schriftbild) ein.<br />
Bei der Endkontrolle musste<br />
wegen der langen Trockenzeit<br />
der Ölfarben immer wieder einmal<br />
ein letzter Strich mit dem<br />
Plakatpinsel ausgebessert werden.<br />
Der Versand erfolgte dann<br />
in langen Rollen, in die jeweils<br />
vier Entwürfe gepackt wurden.<br />
Um die Produktivität möglichst<br />
hoch zu halten, erfolgten alle<br />
Arbeitsschritte mehr oder weniger<br />
gleichzeitig.<br />
Mit Hilfe meines Sammlerfreundes<br />
Jörg Hoeßle ist es in monatelanger<br />
Kleinarbeit gelungen,<br />
auf der Homepage<br />
www.hugo-kastner.at<br />
eine e<br />
relativ exakte zeitliche Zuordnung<br />
sämtlicher Illustrationen, Umtitelungen und<br />
Neuauflagen zu machen, insgesamt ein weit über<br />
2800 Daten umfassendes Werksverzeichnis.<br />
Die meisten Bilder des während des Leihbuchzeitalters<br />
vermutlich<br />
ak tivsten<br />
Western-Titelbild<br />
illus trators<br />
entstanden<br />
für den Verlag<br />
Alfred Mülbüsch<br />
in<br />
Castrop-<br />
Rauxel.<br />
Über<br />
einen Zeitraum<br />
von<br />
zwei<br />
Jahrzehnten,<br />
von 1955 bis<br />
Herbst 1977,<br />
insgesamt 679<br />
Illustrationen:<br />
Pro<br />
Monat<br />
zunächst bis in<br />
die frühen 60er<br />
Jahre<br />
jeweils<br />
vier Werke für<br />
Leihbücher,<br />
danach sporadische<br />
Arbeiten,<br />
bis zur endgültigen<br />
<strong>Eins</strong>tellung<br />
der Leihbuchproduktion<br />
im<br />
Februar 1976.<br />
Ab dem Jahr<br />
1962 wurden<br />
parallel<br />
neue<br />
Illustrationen<br />
sowie<br />
seit<br />
circa 1970<br />
überwiegend<br />
Umtitelungen<br />
für die Heftserien Top Western<br />
und Western Express (beide<br />
auch im Vertrieb Rodeo, Pabel<br />
und Indra) angefertigt. Beide<br />
Heftreihen erreichten immerhin<br />
eine Rekordzahl von über<br />
1000 Romanen. 1974 wurde in<br />
einem bereits engen Markt mit<br />
„Weiter Westen" nochmals eine<br />
neue Mülbüsch-Reihe gestartet,<br />
zunächst mit Originalzeichnungen,<br />
dann mit Zweit- und Drittauflagen<br />
älterer Arbeiten. Anfang der<br />
60er Jahre schuf er nebenher<br />
auch einige Titelbildillustrationen n<br />
für die Hermann Borgsmüller r<br />
Verlagswestern.<br />
Am Ende seiner aktiven Zeit, zwischen<br />
1978 und 1983 – Dörner<br />
und Mülbüsch waren inzwischen<br />
bereits vom Markt verdrängt –<br />
machte Hugo Kastner an die<br />
fünfzig<br />
Titelillustrationen<br />
für den Westernbereich des<br />
Bastei-Verlags (G.F. Unger,<br />
„Lassiter", „Rauchende Colts",<br />
Robert Ullmann, „Santana", Texas-Western,<br />
Western-Hit, Wildwest-Roman) und zeitlich<br />
parallel zwischen 1980 und 1984 eine ähnliche<br />
Anzahl Titelbilder für die verschiedenen<br />
Westernserien des Kelter-Verlags („Apache Cochise", Axel<br />
Berger, „Die Blauröcke", Die großen<br />
Western, „Die harten Vier", Classic<br />
Western, „Ferner Westen", G.F. Barner,<br />
G.F. Waco, „Halleluja Reverend", „Major<br />
Carson", U.S.Western). Die meisten<br />
dieser Titelbilder wurden aus Kostenund<br />
Zeitgründen mit Ölkreiden und<br />
Wasserfarben im mittlerweile viel kleineren<br />
Format A1 erstellt und im Falle des<br />
Bastei-Verlags teilweise als Fotorepros<br />
ausgeliefert. Serienname und Hefttitel<br />
wurden längst nicht mehr gemalt, sondern<br />
in Kopf- und Fußzeilen gedruckt.<br />
Alles in allem umspannt die Schaffenszeit<br />
von Hugo Kastner eine Periode von<br />
ungefähr 30 Jahren – die goldene Zeit<br />
des Westernromans.<br />
Seite 20 ■ GoodTimes 2/2013
Von Jens-Uwe Berndt<br />
Die ZDF-Hitparade"<br />
"<br />
war eine Institution.<br />
In den 70er Jahren dürfte<br />
sie mal locker die populärste<br />
Unterhaltungssendung im deutschen<br />
TV gewesen sein – erst recht,<br />
wenn man den Beliebtheitsgrad in<br />
der DDR hinzurechnet. Denn wer<br />
die Schlagersause im Osten empfangen<br />
konnte, verpasste keine<br />
Folge. Und zu Dieter Thomas<br />
Heck in das Studio 4 der Berliner<br />
Union Film kam alles, was im<br />
deutschsprachigen Sektor<br />
der leichten Muse Rang<br />
und Namen hatte.<br />
Man kann es drehen und wenden wie man will: Die „ZDF-<br />
Hitparade" mit Dieter Thomas Heck als Moderator ist Kult.<br />
Selbst heute, wo der Fernsehzuschauer gewöhnt ist, in einer<br />
Unterhaltungsshow im 30-Sekunden-Takt mit immer wieder neuen<br />
Eindrücken bespaßt zu werden, zieht einen die geradezu spartanisch<br />
Nicht nur auf dem Foto: Stars und Moderator<br />
waren in der Hitparade wie eine große Familie.<br />
arrangierte Wertungssendung in den Bann. Die Kulisse beschränkte<br />
sich auf Publikum und Anzeigetafel, die Sänger boten bar jeglicher<br />
Showeffekte zum Halbplayback live gesungene Lieder dar, und Heck<br />
ratterte durch knappe Ansagen. Das war’s. Und eben auch nicht.<br />
Beginnen wir mit dem Moderator. Der war gerade 31 Jahre alt<br />
geworden, als er mit sonorer Stimme am 18. Januar 1969 die erste<br />
Hitparade ankündigte. Sein „Hier ist Berlin!" ging in den Fundus geflügelter<br />
Worte ein, das geschmetterte „Zett Deeh Äff" avancierte zur am<br />
häufigsten imitierten oder parodierten Buchstabenaneinanderreihung.<br />
Dieter Thomas Heck sah aus wie jemand, den man heute als Nerd<br />
bezeichnen würde. Dessen ungeachtet führte der erfahrene Radiosprecher<br />
von der ersten Hitparade an forsch durch die Sendungen. Meist charmant,<br />
manchmal frech, provozierte er Sekunden-Dialoge mit den Stars oder<br />
reagierte fix auf Regungen im Publikum. Selbst die Interaktion mit den<br />
Leuten hinter der Kamera wusste er zu <strong>kult</strong>ivieren. Heck wirkte immer<br />
gehetzt. Es schien, als wollte er den Sendestoff einer Stunde unter allen<br />
Umständen in die zur Verfügung stehenden 45 Minuten quetschen. Und<br />
von Zeit zu Zeit tat er das wohl auch. Allerdings musste Dieter Thomas<br />
Heck dem enormen Tempo seiner Show auch ab und an Tribut zollen.<br />
Mal sagte er Titel falsch an, verwechselte Orte und Daten oder verhaspelte<br />
sich und redete einfach mal ein bisschen Blödsinn. Geschenkt. Selbst,<br />
dass er Nena bei ihrem<br />
Sieg in der 162. Sendung<br />
am 28. Februar 1983<br />
mit "99 Luftballons" als<br />
„Nicole und Band" aufrief,<br />
nahm ihm niemand<br />
übel. Außer vielleicht<br />
Nena, die den sympathischen<br />
Irrtum Hecks mit<br />
hochnäsigem Gekicher<br />
beantwortete.<br />
Wo wir bei den Stars<br />
sind. Die rekrutierten<br />
sich bis circa 1982 fast<br />
ausschließlich aus der<br />
Rex Gildo (r.) hatte nach 1972 in der<br />
Hitparade keinen Hit mehr.<br />
Schlagerszene. Und Interpreten wie Roy Black, Rex Gildo, Karel Gott, Bata<br />
Illic, Siw Malmkvist oder Peter Orloff, die bei der Premiere auftraten, stan-<br />
Fotos: © DAVIDIS/Bildarchiv Hallhuber/Zill<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 21
den zehn Jahre<br />
Nase vorbeihuschte, während<br />
später immer<br />
er gerade moderierte.<br />
noch mehr oder<br />
weniger regelmäßig<br />
auf der<br />
Programmliste.<br />
Sein Umgang mit den<br />
Hitparaden-Besuchern<br />
wurde mit den Jahren<br />
zurückhaltender. Diese<br />
Die Live-<br />
Veränderung ging einher<br />
Atmosphäre<br />
mit einem wachsen-<br />
sorgte für<br />
den Selbstbe wusstsein der<br />
die nötige<br />
Fans, die im Studio längst die<br />
Spannung.<br />
Hoheit über den Raum erobert<br />
Nicht jeder<br />
hatten. Wer sein Idol bestürmen<br />
wollte, der tat es. Auch<br />
Sangeskünstler<br />
Chris Roberts<br />
war der<br />
Heck fand sich ein ums<br />
Drucksituation gewachsen. Während Ricky Shayne Textunsicherheiten<br />
hatte, rutschte Milva das Mikrofon aus der Hand und gewährten vor allem<br />
Neulinge unter ihren Achseln Blicke auf landkartenartige Schweißflecke.<br />
Im Allgemeinen regierte allerdings ein hoher Qualitätslevel. Chris Roberts<br />
– eigenartigerweise einer der Wenigen mit einer eher bescheidenen<br />
Stimme – war allein bis 1977 mit acht Nummer-eins-Hits (zum Teil<br />
mehrfach) der König unter den Schlagerhelden. Jürgen Marcus brachte<br />
im selben Zeitraum fünf Titel auf die Spitzenposition, und Michael Holm<br />
schaffte es mit vier Nummern nach ganz oben, ebenso wie Howard<br />
Carpendale (bis 1979). Für den omnipräsenten Rex Gildo war mit "Fiesta<br />
Mexicana" schon im Dezember 1972 Schicht im Schacht. Danach gab es<br />
für ihn nie wieder ein Siegerlied.<br />
Mit den wechselnden Moderatoren änderte sich später eklatant das<br />
andere Mal von Anhängern mit kleinen<br />
Geschenken oder Schnittblumen<br />
bedacht.<br />
Auch wurden die Reaktionen differenzierter.<br />
Wurden in den frühen<br />
Hitparaden-Jahren alle Auftretenden<br />
mit der gleichen Intensität beklatscht<br />
(zumindest gab es keine Ausreißer nach<br />
unten), konnte der TV-Zuschauer mit Einzug<br />
der deutschen Popwelt schon am Applaus erkennen,<br />
wie die Sympathien im Studio verteilt<br />
waren. Hubert Kah wurde nach seinem<br />
Sieg mit "Sternenhim mel" in der<br />
Konzept der Sendung. Unter Viktor<br />
Worms (1985 bis 1990) wurden<br />
159. im<br />
Sendung<br />
November<br />
englischsprachige Produktionen aus<br />
Deutschland und das Vollplayback<br />
1982 Beispiel<br />
zum<br />
heftig<br />
eingeführt, und mit Uwe Hübner<br />
ausgebuht.<br />
(1990 bis 2000) wurde die<br />
Nena<br />
wiederfuhr<br />
Hitparade zu einer ausufernden<br />
Unterhaltungsshow mit Interviews,<br />
Quiz, Rückblenden, Porträts usw.<br />
Allerdings wandte sich die TV-Reihe<br />
im Februar<br />
1984 Ähnliches, als<br />
sie mit "Fragezeichen"<br />
gewann, ihren Auftritt<br />
wieder dem deutschen Schlager zu.<br />
wegen<br />
technischer<br />
Und ab 1992 mussten die eingeladenen<br />
Künstler erneut live singen.<br />
Probleme aber in<br />
den Sand gesetzt<br />
Das Publikum machte einen wesentlichen<br />
Teil des Charmes der „ZDF-<br />
Hitparade" aus. Natürlich wurde in<br />
den 70ern noch vor allem brav applaudiert. Allerdings sorgten die Fans<br />
einzelner Künstler von Anfang an für reichlich Kuddelmuddel, wenn sie<br />
ihren Liebling mit Blumen beglückten. Da wurde dann nicht nur manchmal<br />
der Singende aus seinem Vortrag gerissen, auch der Gang „durch die<br />
Kamera" gehörte zu den ungeplanten Ereignissen. Dieter Thomas Heck<br />
reagierte darauf zwischenzeitlich durchaus etwas genervt,<br />
vor allem wenn jemand an seiner<br />
Heck und Howard Carpendale: Dialoge<br />
waren in der Show kurz und bündig.<br />
hatte. Heck reagierte<br />
auf diese<br />
Unmutsbekundungen<br />
nicht. Überhaupt wirkte<br />
er zu Zeiten der NDW inmitten der<br />
ausgeflippten Jungspunde deplatziert.<br />
Vermutlich spürte er das selbst, weshalb<br />
er 1984 die Segel strich.<br />
Howard<br />
Carpendale<br />
Michael Holm<br />
Katja Ebstein<br />
Roy Black<br />
Jürgen<br />
Marcus<br />
Christian<br />
Anders<br />
Lena<br />
Valaitis<br />
Seite 22 ■ GoodTimes 2/2013<br />
Ricky<br />
Shayne
DIETER THOMAS HECK<br />
Ohne Zweit- und<br />
Drittligisten wär’s<br />
langweilig gewesen<br />
Dieter Thomas Heck ist der Vater der "<br />
ZDF-Hitparade" und moderierte die TV-Sendung<br />
fast 16 Jahre lang. Ende des vergangenen Jahres feierte er seinen 75. Geburtstag. Jens-<br />
Uwe Berndt nahm das Jubiläum zum Anlass, mit Dieter Thomas Heck auf die Hitparade<br />
zurückzuschauen.<br />
Die Hitparade ist praktisch Ihr Kind. War Ihnen mit Beginn der<br />
Showreihe bewusst, dass sich die Hitparade zu einer der wichtigsten,<br />
wenn nicht gar zur bedeutendsten Musiksendung im<br />
deutschen Fernsehen entwickeln würde?<br />
Natürlich war allen Beteiligten, mich eingeschlossen, am Anfang nicht<br />
klar, dass sich diese Sendung zu einem langjährigen Dauerbrenner<br />
entwickeln würde. Meine Erwartungen an dieses Format bestanden<br />
zunächst darin, dem deutschsprachigen Schlager eine Plattform<br />
im Fernsehen zu verschaffen. Dass sich daraus so schnell eine der<br />
beliebtes ten Sendungen bei den Zuschauern entwickeln würde, hatte –<br />
glaube ich – keiner in der Form vorausgesehen.<br />
Wenn Sie die Sendung präsentierten, vermittelten Sie den<br />
Eindruck, mit Leib und Seele Schlagerfan zu sein. Welche musikalischen<br />
Präferenzen hatten Sie tatsächlich?<br />
Natürlich war ich mit Leib und Seele Schlagerfan. Sonst wäre es sicherlich<br />
auch nicht so glaubwürdig beim Zuschauer angekommen. Sicherlich<br />
haben mir die vorgestellten Titel mal besser, aber auch mal weniger gut<br />
gefallen. Das liegt in der Natur der Dinge. Aber ich habe mich immer<br />
bemüht, allen Künstlern die gleiche gute Plattform zu bieten. Meine<br />
musikalischen Präferenzen waren in etwa identisch mit der Musik, die in<br />
der Sendung vorgestellt wurde – nur wesentlich weitgefächerter.<br />
Was war für den deutschen Schlager die beste und kreativste Zeit?<br />
Der deutsche Schlager hat immer wieder eine kreative und erfolgreiche<br />
Zeit. Ändern tun sich lediglich durch Zeitgeist<br />
der musikalische Stil und die Texte. Wenn Sie<br />
zum Beispiel jetzt einmal die Charts anschauen,<br />
werden Sie feststellen, dass immer mehr deutsche<br />
Produktionen in den Vordergrund rücken.<br />
Darüber freue ich mich sehr.<br />
Über die Jahre wurden die unterschiedlichsten<br />
Methoden ausprobiert, das Publikum<br />
mitentscheiden zu lassen: Postkarte, angeforderte<br />
Stimmkarte oder TED. Welche<br />
Variante war für Sie die repräsentativste,<br />
welche hat am meisten Spaß gemacht?<br />
Das beste und sicherste – und vor allem spannendste – Wertungssystem<br />
war der TED. Vor allem dadurch, dass am Ende der Sendung die ersten<br />
Drei bereits feststanden.<br />
Ende der 70er Jahre bekam man als Hitparaden-Zuschauer<br />
den Eindruck, dass die Schlagerszene bestenfalls aus vier, fünf<br />
Flaggschiffen bestand. Trog dieses Bild, oder vermittelte die<br />
Sendung den tatsächlichen Zustand der Branche?<br />
Die Gegenfrage. Was verstehen Sie unter Flaggschiffen? Das wäre für<br />
meine Begriffe die „Königsklasse". Wie man beim Fußball sagen würde.<br />
Aber ohne die Zweit- und Drittligisten wäre es langweilig. Auch Ende<br />
der 70er Jahre waren immer wieder Neuentdeckungen in der Sendung,<br />
die dann populär wurden. Eine der populärsten Künstlerinnen hat uns<br />
immerhin als Teenager die Nummer eins beim Grand Prix beschert:<br />
Nicole mit "Ein bisschen Frieden". Und ich könnte davon noch eine<br />
ganze Menge nennen.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 23<br />
Als die NDW aufkam, wurde<br />
die Hitparade mehr zu<br />
einer Popshow. War diese<br />
Veränderung Ihr Ding?<br />
Die NDW – also die Neue Deutsche<br />
Welle – hat, wie Wellen das tun,<br />
eine ganze Menge musikalisch an<br />
den Strand gespült. Das Gute ist geblieben, der Rest wanderte zurück ins<br />
Meer. Ich empfand die NDW als eine gute Bereicherung der deutschen<br />
Musikszene. Man darf dabei aber auch nicht vergessen, dass zur selben<br />
Zeit ein Andy Borg mit mehreren Hits in die Oberliga kam, dass ein Nino<br />
de Angelo mit "Jenseits von Eden" einen Jahrhunderthit startete und<br />
Roland Kaiser, von dem ich von den vielen Hits nur einen herausgreifen<br />
will, "Santa Maria" zur selben Zeit ein großes Publikum eroberte.<br />
Der "<br />
Musikladen" wurde 1984 eingestellt, Sie nahmen im selben<br />
Jahr Abschied von der Hitparade. Das wirkte wie ein<br />
Großreinemachen der Öffentlich-Rechtlichen. Warum sind Sie<br />
damals gegangen?<br />
Der Grund meines Abschiedes nach 15 Jahren und elf Monaten war<br />
ein ganz einfacher: Ich machte damals schon seit Ende der 70er<br />
neben der Hitparade auch die „Pyramide", und auf meine Anfrage<br />
nach einer großen Abendshow mit Musik antwortete mir der damalige<br />
Hauptabteilungsleiter Show: „Herr Heck, was wollen Sie denn<br />
noch alles machen? Dann müssen Sie sich<br />
von einer Sendung trennen." Und da die<br />
Hitparade ein wohlgestalteter Teenie war, der<br />
die Fürsorgepflicht des Vaters nicht mehr benötigte,<br />
habe ich mich von ihr getrennt.<br />
Nach Ihnen erlebte die Hitparade ein<br />
ständiges Hin und Her. Plötzlich sangen<br />
immer mehr Interpreten englisch,<br />
wurde zum Playback gemimt, gab es<br />
Studiogäste. Hat Ihnen die Entwicklung<br />
Ihres Kindes noch gefallen? Was hätten<br />
Sie anders gemacht?<br />
Mir hat die musikalische Entwicklung der Hitparade insofern nicht<br />
mehr so gut gefallen, weil auf einmal zwar „deutsche" Copyrights im<br />
Mittelpunkt standen, die englisch gesungen wurden – wie übrigens alle<br />
Produktionen von Frank Farian oder Dieter Bohlen. Für den Zuschauer<br />
waren sie als deutsche Produkte nicht mehr nachvollziehbar. Ich wäre<br />
dabei geblieben, weiterhin – für den Zuschauer verständlich – nur<br />
deutschsprachige Titel zuzulassen.<br />
Der deutsche Schlager ist immer noch da und hat zum Teil<br />
hervorragende Vertreter. Hätte eine Sendung wie die Hitparade<br />
Ihrer Meinung nach heute noch eine Chance im TV?<br />
Natürlich ist die deutschsprachige Musikszene immer noch da, und<br />
ich finde, erfolgreicher denn je, nur im aktuellen Gewand des neuen<br />
Jahrzehnts. Das gefällt mir unendlich gut, und aus diesem Grunde wäre<br />
es wunderbar, wenn es für diese musikalische Vielfalt eine Plattform<br />
gäbe. Das hätte sicherlich eine gute Chance.<br />
Fotos:© Bildarchiv Hallhuber/Zill
Von Roland Schäfli<br />
Seit 65 Jahren am Steuerknüppel<br />
und kein bisschen grauer<br />
Es war ein schulfreier Donnerstag in Belgien, und<br />
das Jahr 1947 war noch ganz neu. An diesem<br />
2. Januar fanden die Leseratten in ihrem<br />
Comic-Magazin "<br />
Spirou" einen amerikanischen<br />
Helden par excellence. Ausgestattet<br />
mit einem Granitkinn, den Schultern eines<br />
Möbelpackers und einem ausgesprochen<br />
männlichen Namen: Buck. Buck Danny.<br />
Ein untadeliger Pilot, so amerikanisch wie<br />
Apfelkuchen, aus der Feder eines belgischen<br />
Comic-Teams? Nicht so abwegig,<br />
wenn man bedenkt – erst der Einmarsch<br />
der Amerikaner beendete die Entbehrungen n<br />
der belgischen Bevölkerung. Kaum ein Junge,<br />
der nicht davon träumte, als todesmutiger Pilot<br />
durch die Wolken zu rauschen. Texter Jean-<br />
Michel Charlier und Zeichner Victor Hubinon<br />
ließen ihren Buck Danny die damals noch allen<br />
präsenten Kriegsjahre erneut durchleben. Das<br />
erste Abenteuer setzt 1941 ein. „Wir brauchen<br />
einen fähigen Mann für unsere Werft in Pearl lHarbor", sagt tjemand,<br />
worauf Buck sich pflichteifrig meldet, und natürlich war damals jedem<br />
Leser klar, mit dieser Destination würde Danny unmittelbar den Angriff<br />
der Japaner erleben. Auf den folgenden Seiten sollte er erstmals eine<br />
Maschine schrotten, „Bruch machen", wie es im Pilotenjargon on heißt, ein<br />
Flugzeug bruchlanden – es sollte nicht das letzte bleiben.<br />
Im Zeitgeist der 40er Jahre<br />
Schon auf Bild neun steckt unser Idol sich seine erste<br />
Zigarette an – die erste von vielen. Und noch etwas lässt sich<br />
für heutige Leser nur mit dem damaligen Zeitgeist erklären:<br />
Buck Danny ist Rassist. Zumindest, wenn es um „die Japsen"<br />
geht. Die Gelben sind tatsächlich so gelb, wie die Farbe aus<br />
der Tube kommt. In jenen Zeiten mussten die Guten besonders<br />
gut, die Bösen daher besonders schlecht sein, und diese<br />
undankbare Rolle kam den Japanern zu. Das Hassbild blieb<br />
auch nach dem Sieg erhalten, nicht zuletzt durch solche Publikationen.<br />
Buck schimpft die Gegner „Mondgesichter", „Zitronenfratzen" und<br />
„verdammte Zwerge". Charlier hat später einmal ausgeführt,<br />
dass der Massenmord von Hiroshima<br />
damals noch niemanden belastete.<br />
Die Väter von Buck Danny scheuten<br />
sich nicht, amerikanisches Heldentum<br />
zu verklären und den jungen Verehrern<br />
zur Nachahmung zu empfehlen, auf manchen<br />
Sonderseiten auch „Abzeichen der amerikanischen<br />
Luftwaffe" darzustellen. Eigentlich<br />
Propaganda der billigen Sorte, nur mit dem<br />
Unterschied, dass keine Regierung sie dazu<br />
angestiftet hatte. Es war nur so: Hubinon und<br />
Charlier verehrten selbst die US-Piloten über alle<br />
Maßen. Vom ersten Geld, das Buck Danny ihnen einbrachte, absolvierten<br />
die beiden ihre Pilotenscheine für Sportflugzeuge. Als Amateurpiloten<br />
schafften sie es bis zur Berufslizenz. Einige Jahre arbeiteten sie im<br />
richtigen Leben als Piloten und in der Fantasiewelt an Buck Dannys<br />
Geschichten – die Kunst imitierte das Leben. Und wie ihre Figuren blieben<br />
auch sie vor Bruchlandungen nicht verschont.<br />
Berufssoldat von ganzem Herzen<br />
Nach dem japanischen Angriff meldet sich Buck als aufrechter Patriot<br />
ohne Umschweife zur Air Force. Und da wird er Zeit seines Comic-<br />
Lebens auch<br />
bleiben, alters- und anspruchslos, was sein Privatleben<br />
angeht. Nur einmal wird er seinen<br />
Abschied nehmen, allerdings<br />
nur so lange, um sich davon zu<br />
überzeugen, dass er im Zivilleben<br />
nicht glücklich wird und sich eine<br />
Seite später schon wieder auf der<br />
Rekrutierungsstelle wiederfindet.<br />
Buck Danny ist Berufssoldat, er<br />
kann nicht ohne die Air Force.<br />
Glücklicherweise geht bei der<br />
Air Force auch nichts ohne Buck<br />
Danny.<br />
Seite 24 ■ GoodTimes 2/2013
In deutschen Landen hob Danny erstmals 1973 im Bastei-Verlag ab.<br />
Der traute dem Vornamen „Buck" offenbar<br />
nicht und benannte die Serie flugs<br />
in „Rex Danny" um (außerdem verzichtete<br />
Bastei auf die Veröffentlichung einiger<br />
Nummern mit Kriegshandlungen).<br />
Chronologisch korrekt brachte das erst<br />
der Carlsen-Verlag auf die Reihe. Zur Zeit<br />
der deutschen Erstveröffentlichung waren<br />
Überschallflieger freilich schon ein alter Hut.<br />
Als Buck Danny in Belgien die Bühne<br />
betrat, brach das Jet-Age gerade an, das<br />
Zeitalter des Düsenflugzeugs machte aus<br />
den Männern, die die Schallmauer durchbrachen,<br />
die Helden der Stunde, und schon bald sollten am Himmel über<br />
Korea Düsenflieger gegeneinander antreten. Der aus heutiger Sicht interessanteste<br />
Zyklus der Comic-Reihe beginnt erst bei Album 10 im Jahr<br />
1952 (was der Bastei-Verlag seinerzeit wohl auch so empfunden haben<br />
muss und seine Serie erst mit dieser Nummer startete): Buck meldet sich<br />
als Testpilot, um neue Prototypen zu fliegen. Mit dieser Ausgabe war die<br />
Handlung nicht mehr in der Vergangenheit angesiedelt, sondern in der<br />
Gegenwart angekommen. Die aufgeregten Leser hatten den Eindruck,<br />
mitten ins aktuelle Geschehen der amerikanischen Navy und Air Force<br />
gezogen zu werden.<br />
Realismus bis ins kleinste Detail<br />
Dabei zeichnet sich die Serie stets durch eine akribische, fast schon<br />
besessene Liebe zum Detail aus, was umso erstaunlicher ist, da den<br />
Autoren diese technischen Informationen nicht einfach zugänglich<br />
waren. Charlier hat seine Dokumentationen aus den Mülleimern der in<br />
Belgien stationierten US-Army gerettet oder sich „vor den Toren der<br />
Kasernen herumgedrückt, um ein paar Militärzeitungen zu ergattern".<br />
Doch sind es gerade diese technischen Einzelheiten, die die<br />
authentische Atmosphäre der Storys ausmachen. Wenn die<br />
abenteuerlichen Fabeln die Grenzen der Glaubwürdigkeit<br />
überschreiten, was ein Buck Danny alles erleben und überleben<br />
kann, so verleiht die genaue Abbildung der Maschinen<br />
der Erzählung ihre Wahrhaftigkeit.<br />
Auch Buck selbst, der in den ersten Bildern noch ganz<br />
unfertig wirkte, ja grobschlächtig, hatte nun dreidimensionalere<br />
Züge angenommen. Die Erzählform der ersten Person<br />
hatte man schnell wieder aufgegeben, die Abenteuer von<br />
Buck Danny sollten nicht in der Ich-Form, sondern aus der<br />
Perspektive des gespannten Zuschauers erlebt werden. Dafür htt hatten die<br />
Autoren Buck seine Weggefährten zur Seite gestellt: Tumbler, einfach<br />
„Tumb" genannt, und Sonny Tuckson. Dem kleingewachsenen Sonny<br />
kam dabei der Part des komischen Sidekicks zu, für immer und ewig für<br />
die Erheiterung der Leser zuständig. Die Drei waren die besten Freunde<br />
der Welt und standen an vorderster Front, wenn ein Admiral Freiwillige<br />
suchte. Zum Teufel mit dem Risiko! Darin sahen die Jungen, aus der sich<br />
die Leserschaft vor allem zusammensetzte,<br />
das Erstrebenswerteste überhaupt.<br />
In ihren Anfängen lebten Hubinon und Charlier r<br />
in einer Baracke, die davor allen Armeen, die<br />
durch Belgien gezogen waren, als Unterkunft t<br />
gedient hatte. Sie ernährten sich hauptsächlich<br />
von Nudeln, „weil das ungefähr alles war,<br />
was wir uns leisten konnten", erinnerte sich<br />
Charlier an diese heroische Epoche. Fast ein<br />
bisschen so, wie wenn ihre Comic-Figuren allen<br />
Entbehrungen zum Trotz die freie Welt retten<br />
wollen, egal ob sie dabei am Nordpol stationiert i t sind oder auf einem<br />
Flugzeugträger fern der Heimat, die ihnen als Privatpersonen eigentlich<br />
nicht viel bedeutet – außer, dass sie für sie ihr Leben aufs Spiel setzen.<br />
Nicht einmal der Tod kann ihn stoppen<br />
Selbst Frauen konnten das eingeschworene Trio nicht auseinanderbringen<br />
(nur Sonny erwärmte sich ab und zu für einen Flirt, was aber stets in<br />
einer Peinlichkeit endete). Die einzige weibliche Figur, die Buck je hätte<br />
„gefährlich" werden können, und dies in doppeltem Sinn, ist „Lady X",<br />
eine auffällig attraktive Fliegerin, die aber als Spionin für die Gegenseite<br />
arbeitet und darum Bucks geschworene Erzfeindin werden muss. Keine<br />
Frau hätte einen Kerl wie Buck je von seiner Pflicht abhalten können.<br />
Eines der Abenteuer endet mit seinen Worten: „Ich will meine Mutter<br />
besuchen. Denn gleich nach dem Urlaub erwartet mich ein wichtiger<br />
<strong>Eins</strong>atz." Was gäbe es da schon mehr zu sagen?<br />
Nicht einmal der Tod von Zeichner Hubinon 1979 konnte<br />
Buck Danny am Boden halten. Charlier legte den Zeichenstift<br />
in die Hände von Francis Bergèse. Als der berühmte Texter<br />
(der auch den „Leutnant Blueberry" ins Leben gerufen hatte)<br />
selbst 1989 verstarb, sollte es zwar vier Jahre dauern, bis mit<br />
Jacques de Douhet ein neuer Szenarist gefunden war, doch<br />
Buck Dannys Überleben war gesichert. Mit dem Tod des<br />
früheren Herausgebers Georges Troisfontaines 2007 endete<br />
auch ein jahrelanger Rechtsstreit um den Abdruck der ersten<br />
Abenteuer. So hat Buck Danny in bisher 52 Bänden nicht nur<br />
einen Weltkrieg, den Koreakrieg, den Kalten Krieg sowie alle<br />
<strong>Eins</strong>ätze in gegenwärtigen Kriegsregionen wie Afghanistan<br />
unbeschadet überlebt, sondern auch alle seine Väter. Nur er selbst bleibt<br />
immer alterslos, während seine Maschinen immer moderner und immer<br />
schneller werden.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 25
Jede Woche<br />
Clips aus<br />
einer<br />
Anarcho<br />
I<br />
Jedem Jahrzehnt seine TV-Musik-Show: Der Beat-Club" revolutionierte<br />
die 60er, Musikladen" und Disco" beherrschten die Dekade<br />
" "<br />
"<br />
danach, und die quietschig-schrillen 80er wurden von <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />
"<br />
geprägt. Vor genau 30 Jahren wurde die erste deutsche Videoclip-<br />
Sendung in den Münchener Bavaria Studios produziert – und sie sollte<br />
fortan das Lebensgefühl einer neuen Generation repräsentieren.<br />
Kulisse<br />
Von Jens-Uwe Berndt<br />
Was mit puren Werbefilmchen begann, hatte sich in der Duran oder Pink Floyd wurde diese Ehre zuerkannt. Die Zeit, diesen<br />
zweiten Hälfte der 70er Jahre zu einer ernstzunehmenden<br />
Form der<br />
niemand genommen. Denn<br />
Fakt tatsächlich einmal zu recherchieren, hat sich bisher allerdings<br />
Präsentation von Musik<br />
auch das Beatles-Filmchen<br />
entwickelt. Der Videoclip<br />
zeigte oft nicht mehr nur<br />
war damals nicht das erste<br />
seiner Art.<br />
die bei einem imaginären<br />
D<br />
Auftritt abgelichtete Gruppe.<br />
ie Macher der damals<br />
Manchmal wurden in einem<br />
für Deutschland bahnbrechenden<br />
Kurzfilm Geschichten<br />
Sendung hatten<br />
erzählt, dann wieder expressionistische<br />
Bilder zu ungewöhnlichen<br />
Klängen erfunden.<br />
Es ist amüsant zu sehen<br />
kaum Vorbilder für „<strong>Formel</strong><br />
<strong>Eins</strong>". Sicher, es gab seit<br />
1981 bereits den amerikanischen<br />
MTV-Kanal, für die<br />
oder zu lesen, wie sich in<br />
deutschen TV-Zuschauer<br />
den Medien seit Jahren die<br />
Schlaumeier darin überbieten,<br />
dem Publikum weiszu-<br />
musste allerdings ein neues<br />
Konzept gestrickt werden,<br />
sollten in nur 45 Minuten<br />
machen, wer denn nun mit<br />
doch die Entwicklungen auf<br />
Vier auf einen Streich: die Moderatoren-Gilde von <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />
dem ersten echten Videoclip<br />
" mehreren en<br />
um die Ecke kam. Die berühmtesten und damit am häufigsten<br />
genannten angeblichen Pioniere des Genres sind die Beatles mit<br />
"Strawberry Fields Forever" (läge nahe) und Queen mit "Bohemian<br />
Rhapsody" (eher unwahrscheinlich). Aber auch schon Abba, Duran<br />
relevanten Musikmärkten untergebracht werden.<br />
Produzent wurde der im Musikgeschäft erfahrene<br />
Andreas Thiesmeyer. Als Regisseur trat der<br />
versierte Michael Bentele auf – mit Vorlieben<br />
Seite 26 ■ GoodTimes 2/2013
© Pressefotos<br />
für deutsche Avantgarde-Acts. Und als erster Moderator<br />
ging Peter Illmann aus einem Casting hervor. Wenngleich<br />
der junge Mann manchmal etwas verkniffen rüberkam<br />
und die Ansagen dann eher steif statt jugendlich frisch<br />
(siehe Interview) abspulte, gilt Illmann als das „<strong>Formel</strong><br />
<strong>Eins</strong>"-Gesicht schlechthin.<br />
Das mag zum einen<br />
Peter Illmann<br />
daran liegen, dass sich<br />
mit ihm die Show etablierte<br />
(April 1983 bis<br />
Dezember 1984), es wird<br />
aber auch nicht unwesentlich<br />
davon beeinflusst<br />
worden sein,<br />
Ingolf Lück<br />
dass der gebürtige<br />
Dortmunder<br />
durchweg<br />
mit<br />
einem<br />
enormen<br />
Wissen über<br />
Bands,<br />
Stile,<br />
Szenen<br />
und<br />
Branche punkten<br />
konnte.<br />
Ähnliche Qualitäts merkmale gingen<br />
seinen Nachfolgern ab.<br />
Ingolf Lück (1985) gab von Anfang<br />
an den Clown. Im Gegensatz zu<br />
seinem Vorgänger schien der<br />
hyperaktive Lück von der<br />
Tarantel gestochen zu<br />
sein, was er mit allerlei<br />
Aktionen zu kompensieren<br />
versuchte. Dazu<br />
Stefanie Tücking<br />
gehörten<br />
auch<br />
seine<br />
Parodien<br />
internationaler<br />
Künstler, was nicht<br />
nur Freunde fand.<br />
Stefanie Tücking (1986<br />
und 1987) wollte zwar<br />
immer musikalisches Fachwissen<br />
raushängen lassen, fiel aber vor<br />
allem durch ihr in der Sendung<br />
Kai Böcking ständig wechselndes Outfit auf.<br />
Meist lustig: Ingolf Lück parodierte die Stars<br />
Und Kai Böcking (1988 bis 1990) gilt den meisten als der<br />
„schleichende Tod" einer vormals maßgeblichen TV-Sendung. Der<br />
Niedergang des einst Subversiven setzte allerdings schon unter<br />
Tücking ein – spätestens als am 4. November 1986 Bundespräsident<br />
Richard von Weizsäcker Ehrengast der Sendung war. Mit dem<br />
Anarcho-Image der ersten Jahre hatte das nichts mehr zu tun.<br />
Videoclips zu präsentieren hätte so einfach sein können. Die<br />
TV-Musikkanäle bewiesen dies später, als sie ihre Moderatoren<br />
vor langweilig gestalteten Deko-Wänden die Beiträge anmoderieren<br />
ließen. Die jeweiligen 45 Minuten „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" hatten<br />
hingegen eine Produktionszeit von fast einer Woche.<br />
Gedreht wurde in der Halle 10 der Bavaria Studios,<br />
wo die Ausstattung nicht nur von Show zu Show<br />
wechselte. Selbst innerhalb einer Sendung machte<br />
man sich manchmal die Mühe, das gesamte<br />
Drumherum völlig auf den Kopf zu stellen. Und<br />
da ging es dann nicht etwa<br />
um das Verschieben<br />
von bunt bemalten<br />
Pappwänden: Die<br />
„<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"-Kulisse<br />
gab es praktisch in 3D. Mal<br />
Schrottplatz, mal Hinterhof, dann<br />
wieder Autowerkstatt, Künstleratelier<br />
oder Probenraum – an irgendetwas<br />
dieser Art erinnerte die scheinba-<br />
re<br />
Unordnung immer. Nicht<br />
Nena<br />
selten war die Ausstattung den<br />
ins Studio eingeladenen Künstlern<br />
angepasst.<br />
Dabei ging es vor allem<br />
darum, den jugendlichen<br />
Zuschauern per<br />
Videoclips die aktuellen<br />
Charts aus den USA,<br />
Großbritannien<br />
und<br />
Deutschland zu präsentieren.<br />
Logisch, dass sich dadurch Falco<br />
eine immense Stilvielfalt entwickelte.<br />
Schlager konnte man bei<br />
„<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" ebenso erleben<br />
wie brachialen Heavy Metal.<br />
Von 1983 bis 1987 lief die<br />
Sendereihe wöchentlich auf<br />
Kim Wilde<br />
Modeikone und Kind ihrer Zeit: Stefanie Tücking<br />
allen dritten Programmen<br />
meist zwischen 18.30 und<br />
21 Uhr. Ab 1988 bekam „<strong>Formel</strong><br />
<strong>Eins</strong>" einen Stammplatz in der ARD<br />
zur „besten Sendezeit": immer sonnabends<br />
um 15 Uhr.<br />
Roxette
Peter Illma n n<br />
Sie war schnell, laut und aufregend: Die<br />
"<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" machte als erste Videoclip-<br />
Show im deutschen Fernsehen ihrem Namen<br />
alle Ehre. Vor 30 Jahren ging sie auf Sendung,<br />
etablierte neue Gesichter und machte einen<br />
neuen, manchmal schrillen Moderationsstil<br />
salonfähig. "<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" wurde die Mutter<br />
sämtlicher Chart-Shows, die heute geradezu<br />
inflationär die Abendprogramme der<br />
Privaten bereichern. Mit dem ersten VJ des<br />
deutschen TV, Peter Illmann, sprach Jens-<br />
Uwe Berndt über die Show, den Anspruch<br />
von Videoclips und die wahren 80er Jahre.<br />
Foto: © Monique Wüstenhagen<br />
Sie haben im Fernsehen und im Radio eine Menge<br />
gemacht. Erinnert sei da nur an "<br />
P.I.T. – Peter Illmann<br />
Treff" oder "<br />
Peters Pop-Show". Stört es Sie, scheinbar<br />
nur auf "<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" reduziert zu werden?<br />
Das bleibt nicht aus. Immerhin war „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" eine aufsehenerregende<br />
Sendung. Auch ein Dieter-Thomas Heck wird immer zuallererst<br />
mit der „ZDF-Hitparade" in Verbindung gebracht. Insofern<br />
stört es mich nicht, wenn man bei meinem Namen vor allem an<br />
„<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" denkt.<br />
Waren Sie für die Moderation von<br />
Anfang an die erste Wahl?<br />
Oh, es wurden zig Leute gecastet. Nur hieß<br />
das damals noch nicht so. Dass man sich für<br />
mich entschied, hing vermutlich vor allem<br />
mit meiner Radio-Erfahrung zusammen,<br />
die ich damals schon hatte. Es wurde ein<br />
Moderator benötigt, der auch ohne vorgegebenen<br />
Text schnell und spontan reagieren<br />
konnte.<br />
Wer gestaltete das jeweilige Konzept<br />
Peter Illmann in der ersten<br />
"<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"-Sendung<br />
einer Sendung?<br />
Dafür war das gesamte Redaktionsteam verantwortlich.<br />
Einige Elemente waren festgelegt,<br />
wie die aktuellen Charts zum Beispiel. Neuvorstellungen und<br />
Tipps brachte jeder individuell ein. Ich stand mehr für den soliden<br />
Bereich. Regisseur Michael Bentele war extremer, der holte einige<br />
Seite 28 ■ GoodTimes 2/2013<br />
obskure deutsche Bands ins Studio, die lediglich mit Ketten rasselten,<br />
was man kaum noch als Musik bezeichnen konnte.<br />
Die erste Sendung begann ausgerechnet mit Rainhard<br />
Fendrich und "Es lebe der Sport". Für ein neues Format,<br />
das den Zeitgeist bedienen wollte, vielleicht etwas öde?…<br />
Echt, war das so? Das lag wohl daran, dass es sich um eine Chart-<br />
Platzierung in Deutschland handelte, einen Neuzugang in den Hot<br />
100. Wir wollten die erste Sendung nicht mit einem Tipp, sondern<br />
mit den Charts anfangen. Und es gab damals wirklich Schlimmeres<br />
als Rainhard Fendrich. Von den deutschsprachigen<br />
Sängern war er noch einer der guten.<br />
In einer Rückschau auf <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"<br />
im Internet ist sinngemäß " zu lesen, dass<br />
das, was damals eine Sensation gewesen<br />
sei, nämlich Videoclips zu zeigen, heute<br />
total langweile. Sind Clip-Shows heutzutage<br />
wirklich ein Garant für öde Nachmittage?<br />
Das glaube ich nicht. Das Problem sind die Clips<br />
selbst. Aktuell werden die meisten längst nicht<br />
mehr so aufwändig produziert wie damals. Gut<br />
gemachte Clips sieht man heute noch gern, wenn<br />
ich da nur an "Wild Boys" von Duran Duran<br />
denke – oder "Thriller" von Michael Jackson.<br />
Außerdem fehlen TV-Sendungen, die so etwas zeigen.<br />
Mit dem Computer kann mittlerweile eine Menge gemacht<br />
werden, was die Videomacher reichlich nutzen. Und nicht
selten sehen diese Kurzfilme dann recht opulent aus.<br />
Diese Computertricks nutzen sich ab. Wir haben uns längst an<br />
diese Bilder gewöhnt, sie sind Standard geworden. Heute möchte<br />
man wieder überrascht<br />
werden. Nicht Effekte e<br />
zählen, sondern Ideen.<br />
Wenn es davon wieder<br />
mehr gäbe, wären die<br />
Clips auch wieder interessanter.<br />
Von daher ist es<br />
im Moment doch schon<br />
irgendwie<br />
langweilig,<br />
eine Videoclip-Sendung<br />
zu sehen.<br />
MTV und selbst Viva<br />
hatten über Jahre<br />
großartige Sendekonzepte. Warum, glauben<br />
Sie, gibt es dort kaum noch Clip-Shows?<br />
Skurrile Übergabe: Illmann geht zum ZDF<br />
und Lück kommt zur Clip-Show<br />
Vielleicht dachte man dort, mit all dem anderen Kram wie Reality-<br />
Shows und Trickfilmen mehr Leute zu erreichen. Ich bin mir sicher,<br />
dass heute ein Sender mit einer gut gestalteten Video-Hitparade eine<br />
echte Chance hätte.<br />
1983 ging <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" auf Sendung. Nachdem sich Ilja<br />
Richters Disco" " 1982 verabschiedet hatte, wurde 1984<br />
auch der " Musikladen" eingestellt. Waren Videos und dann<br />
"<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" als neues Format aus der Konserve mitverantwortlich<br />
dafür, dass die großen TV-Live-Shows von der<br />
"<br />
Mattscheibe verschwanden?<br />
Nein, das glaube ich nicht. Es wurde den Sendern einfach zu teuer,<br />
all die großen Künstler zu holen. Im kleinen Format haben die Live-<br />
Shows ja noch funktioniert. Meine „Pop-Show" lief zum Beispiel<br />
noch bis in die 90er Jahre. Es bleibt etwas Besonderes, den Künstler<br />
auf der Bühne zu sehen. Damals haben sich solche Auftritte mit<br />
den Videoclips ergänzt. Manch ein Musiker entfaltete erst auf<br />
der<br />
Bühne seine ganze<br />
Ausstrahlung. Anderen,<br />
die live nicht so gut<br />
waren, haben die<br />
Videos enorm geholfen.<br />
Was waren Ihre<br />
aufregendsten<br />
Momente<br />
bei<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" ?<br />
" Divine<br />
"Di<br />
zu begegnen.<br />
Auf der Bühne war<br />
sie diese korpulente,<br />
ausladende Dame, privat<br />
war er der nette<br />
ältere Herr. Diese<br />
Verwandlung mitzuerleben,<br />
war sehr<br />
interessant. t Und<br />
dann der Auftritt der Toten<br />
Hosen mit "Eisgekühlter Bommerlunder". Die Band brachte eine<br />
ganze Horde Punk-Kinder mit, die haben im Studio die Wände<br />
beschmiert. Alkohol spielte da auch eine große Rolle. Damals<br />
waren die Toten Hosen noch richtig wild, was sie heute ja nicht<br />
mehr sind.<br />
Und die größte Herausforderung?<br />
Die Technik. Manchmal musste ich bei einer Moderation<br />
fast unbeweglich an einer Stelle stehen, nur weil das<br />
Licht genau richtig fiel. Das war überhaupt nicht mein<br />
Ding, da ich beim Reden lieber herumgestikulierte.<br />
Warum haben Sie 1985 "<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" verlassen?<br />
Ich wollte eine Live-Sendung. Ich war mit Thomas<br />
Gottschalk befreundet und habe mit seiner Hilfe die<br />
Möglichkeit bekommen, im ZDF „P.I.T." zu machen. Der<br />
ARD hat das überhaupt nicht gefallen, dass ich zum ZDF<br />
gegangen bin. Und im Nachhinein sage ich mir, dass ich<br />
das auch hätte eleganter lösen können.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 29<br />
Was war die Ursache für das Ende von "<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" 1990?<br />
Es gibt mehrere Gründe. Natürlich MTV, wo ständig Videos liefen.<br />
Außerdem wollte die ARD kein Geld mehr in die Sendung investieren,<br />
die mittlerweile mit Sonnabend nachmittag auf einem unmöglichen<br />
Sendeplatz versauerte. Auch war „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" zu einer<br />
unsäglichen Reisesendung verkommen. Kai Böcking moderierte<br />
aus Fantasialand oder Disneyland und konnte die Clips nicht<br />
mehr direkt ansagen, weil er bei der Aufzeichnung der Show gar<br />
nicht wusste, welche Songs sich wo platziert hatten. Also hieß<br />
es<br />
zum Beispiel lediglich: Und jetzt Platz zwei der Charts. Dafür<br />
konnte Kai Böcking nichts. Das war das neue Konzept. Und das<br />
hat mir überhaupt nicht mehr gefallen.<br />
In Chart-Shows oder Lifestyle-Sendungen ergehen sich<br />
Halb-Promis und Moderatoren derzeit darin, die 80er<br />
als tristes, bestenfalls kitschiges Jahrzehnt zu beschreiben.<br />
Ich wundere mich, was über die 80er gesagt und geschrieben<br />
wird. Es wurden irgendwann Klischees aufgebaut, die regelmäßig<br />
wiedergegeben werden. Dabei hatten wir es mit einem bunten<br />
Jahrzehnt zu tun, in dem alles erlaubt war. Es war eine optimistische<br />
Zeit des Aufbruchs. Ich fand auch in der Mode nicht alles peinlich.<br />
Wer weiß, wie man in einigen Jahren über die großen schwarzen<br />
Brillen lachen wird, mit denen jetzt so viele herumlaufen. Es gab<br />
musikalisch gesehen sehr viele gute Sachen. Nicht umsonst sind die<br />
Songs der 80er heute noch gefragt. Auch neue Bands orientieren<br />
sich daran. Nehmen wir die Killers – die klingen praktisch wie eine<br />
Band aus den 80ern.<br />
Würde man heute eine Sendung wie "<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" im TV<br />
platzieren – wie müsste die aussehen?<br />
Eigentlich ähnlich wie damals. Wir haben damals TV-Geschichte<br />
geschrieben, indem wir nicht aus einem sauberen Studio, sondern aus<br />
einer Schrotthalle sendeten. Das war eine andere Art von TV. Auch<br />
heute müsste solch eine Sendung jung sein. Sie wäre schon wegen<br />
des reichhaltigen musikalischen Angebots vielfältiger. Sie sollte<br />
sich aber an den Charts orientieren. Dann müsste das<br />
klappen. Aber natürlich würde die Produktion nicht mehr<br />
so aufwändig sein, denn dafür ist kein Geld mehr da.<br />
Jubiläen und runde Geburtstage geben Anlass zu<br />
besonderen Aktionen. Was erwartet die Fans der<br />
Sendung "<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" in diesem Jahr?<br />
Wir – das sind Verantwortliche von Sony Music und<br />
ich – denken über eine „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>"-Tour nach.<br />
Wir müssen mit Tourneeveranstaltern reden, uns<br />
die Hallen raussuchen und vor allem die Künstler<br />
auswählen. Es darf nicht peinlich sein. Wir wollen<br />
keine Leute auf die Bühne stellen, die<br />
nicht mehr können und wollen. Es sollen aber<br />
auch keine Cover-Bands auftreten. Dieses<br />
Jahr wird für die Vorbereitungen draufgehen.<br />
Darüber hinaus werde ich bei Lanz und bei<br />
Raab sein, um über „<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" zu reden.<br />
Und wenn es zu der Tour kommt, muss die<br />
Atmosphäre stimmen. Wir wollen etwas qualitativ<br />
sehr Hochwertiges auf die Beine stellen.<br />
Foto: © Monique Wüstenhagen
Giulia Coupe TZ 1963-1967<br />
Als der Autofahrer<br />
Von Jürgen Wolff<br />
sein Herz an „Giulia“ verlor<br />
1962 .<br />
Giulia Coupe 1300 GTA Junior Corsa 1968-1972<br />
In England formieren sich die Rolling Stones, die<br />
Beatles nehmen ihre erste Single "Love Me Do" auf. Im Münchner<br />
Stadtteil Schwabing gibt es erste Jugendkrawalle und in der ARD die<br />
erste Folge von „Bonanza". Jon Bongiovi (Bon Jovi) wird geboren<br />
und Max Raabe. William Faulkner stirbt im Juli und Marilyn Monroe<br />
im August. Georges Pompidou wird Premierminister Frankreichs, und<br />
in Augsburg wird die erste e Autowaschanlage zum<br />
Patent angemeldet. Vor allem aber: In Italien lädt<br />
Alfa Romeo die Fachpresse in den königlichen<br />
Park von Monza, um den jüngsten<br />
Wurf der Autoschmiede<br />
zu präsentieren – die Giulia<br />
1600 TI, eine Kreuzung aus<br />
Mittelklasse-Limousine<br />
und Sportwagen. Sie ist<br />
Nachfolgerin der Giulietta, von<br />
der sie den Namen übernimmt<br />
– ohne die Verniedlichungsform.<br />
Giulia Spider 1962-1965<br />
Ob als Rennwagen, Familienkutsche oder als <strong>Eins</strong>atzfahrzeug der Polizei:<br />
Alfa Romeos Giulia hat überall eine „bella figura“ gemacht. 16 Jahre<br />
lang lief das Modell in zahlreichen Varianten vom Band.<br />
Die Giulietta, von ihren deutschen Besitzern meist liebevoll<br />
„Julchen" genannt, war in den 50ern die erste auf Großserie ausgelegte<br />
Modellreihe von Alfa Romeo – und gleich ein großer Erfolg: Sie<br />
war als erster Alfa auch für größere Bevölkerungskreise erschwinglich.<br />
Ab 1962 wurde die Giulietta nach und nach durch die Giulia abgelöst.<br />
Das erste Giulia-Coupé ist nicht viel mehr als eine Giulietta mit größerem<br />
Motor. Das Cabrio bekommt eine Lufthutze auf der Motorhaube<br />
und wird verlängert.<br />
„Julia" kommt sportlich knackig daher: Mit seinen 68 kW/92 PS<br />
liegt der Wagen leistungsmäßig auf dem Niveau eines Porsche<br />
356. Mit ihren vier Türen, zwei durchgehenden Sitzbänken und<br />
Platz für sechs Passagiere gibt sich die Giulia dabei aber auch<br />
durchaus familientauglich. Die Karosserie des neuen Produkts aus<br />
der Mailänder Autoschmiede mutet dabei auf den ersten Blick gar<br />
nicht besonders windschnittig an. Aber Alfas Aerodynamiker haben<br />
lange an Giulias Blechkleid getüftelt und gefeilt und es im Windkanal<br />
optimiert.<br />
Mit einer breiten Sicke bildet der Kofferraum ein so genanntes<br />
Kamm-Heck, benannt nach dem Kraftfahrzeugforscher und<br />
Aerodynamik-Pionier Wunibald Kamm, der in den 30er und 40er<br />
Jahren Versuchswagen für BMW entwickelt hatte. Die Alfa-Ingenieure<br />
konnten den Cw-Wert auf 0,34 minimieren. Anfang der 60er ist das<br />
eine Sensation, die den Hersteller veranlasst, sein neues Modell mit<br />
dem Slogan „Vom Wind modelliert" zu bewerben.<br />
Das Triebwerk unter Giulias Haube hat seinen<br />
Ursprung im Motorsport. Block<br />
und Zylinderkopf sind<br />
aus Aluminium gegossen.<br />
Zwei von einer<br />
Doppel kette angetriebene<br />
Nockenwellen<br />
steuern die Ventile.<br />
Ein Doppelvergaser<br />
sorgt für ein heiser röchelndes<br />
Ansauggeräusch, das den Alfisti<br />
jener Jahre wohlige Schauer über den<br />
Rücken jagt und auch heute noch für Verzückung sorgt.<br />
Das Fahrwerk entspricht weitgehend dem der Vorgängerin Alfa Romeo<br />
Giulietta, der Baureihe 101 aus der Alfa-Schmiede. Doch etliche Details<br />
wurden verbessert. So kommen an der Vorderachse zusätzliche obere<br />
Querlenker zum <strong>Eins</strong>atz. Die Hinterachse wird von neugestalteten<br />
Seite 30 ■ GoodTimes 2/2013
Längslenkern und einem T-förmigen Reaktionsdreieck wirkungsvoller<br />
unterstützt.<br />
Es dauerte nicht lange, da tauchte die Mailänder<br />
Schönheit auf den ersten Rennstrecken n auf.<br />
Ein Jahr nach der Premiere stellte Alfa<br />
Romeo eine Sportversion vor, die<br />
Giulia 1600 TI Super mit einem von<br />
zwei Doppelvergasern auf 113 PS<br />
gepeitschten Motor, sie fuhr bis zu<br />
190<br />
km/h schnell. Lenkradschaltung<br />
und die vordere Sitzbank mussten einem<br />
auf dem<br />
Mitteltunnel positioniertem Schalthebel<br />
und zwei<br />
getrennten Schalensitzen weichen. Die<br />
Felgen waren aus einer extraleichten Magnesium-<br />
Aluminiumlegierung, die<br />
aus dem Flugzeugbau<br />
stammte. Insgesamt war<br />
die Sportversion 100<br />
Kilogramm leichter als<br />
die zivilere Version – und<br />
kostete mehr als doppelt<br />
so viel. „Auto Motor und<br />
Sport" notierte verschreckt<br />
eine „Überlegenheit, die<br />
man nur mit Maßen ausnutzen<br />
darf, wenn man nicht die übrigen Verkehrsteilnehmer ängstigen<br />
will". Die Giulia 1600 TI Super wurde in überschaubarer Stückzahl produziert.<br />
Exakt 501 Exemplare liefen vom Montageband. Heute werden<br />
für gut erhaltene Exemplare Preise bis zu 50.000 Euro gezahlt.<br />
1964 ging die Giulia 1300 an den Start und rundete die Baureihe 105<br />
nach unten ab. Das 78 PS starke Herz erwies sich allerdings als etwas<br />
zu schwach. Ab dem folgenden<br />
Jahr wurde ein<br />
82-PS-Aggregat unter die<br />
Haube der 1300er Version<br />
gesteckt. Die „Giulia<br />
Super" kam 1965 und<br />
beeinflusste maßgeblich<br />
die Legende der rassigen<br />
Giulia. Mit einem Doppelnockenwellenmotor<br />
leistete<br />
sie dank zweier Flachstromvergaser 98 PS – genug für eine Spitze<br />
von 175 km/h. Da sie darüber hinaus deutlich an Chromschmuck<br />
zugelegt hatte und einen edleren Innenraum bekam, verkaufte sie<br />
sich vom Start weg glänzend. Von 1970 an lieferte ein 88 PS starkes<br />
Triebwerk in der Giulia 1300 Super überzeugende Antriebskraft. Ab<br />
1976 boten die Italiener ihre Giulia auf dem heimischen Markt erstmals<br />
auch mit einem allerdings wenig spritzigen 50-PS-Dieselmotor<br />
des britischen Herstellers Perkins an.<br />
Die technische Basis des Modells war so variabel, dass auf dem Chassis<br />
der Limousine etliche weitere Ableger entstanden. Das Designstudio<br />
Bertone etwa entwickelte das Coupé Sprint GT – einen rassigen<br />
Zweitürer, der heute in der Oldtimerszene schlicht als „Bertone" bekannt<br />
ist. Die Ingenieure der Motorsportabteilung Autodelta konstruierten eine<br />
Ultraleichtbau-Version, für deren Karosserie eine Aluminiumlegierung<br />
verwendet wurde und die als GTA Tourenwagen Rennkarriere machte.<br />
Ausdem Giulia-Baukasten stammte auch die auf einem Gitterrohrrahmen<br />
basierende Giulia TZ, die für die Rennpiste ausgelegt und nur noch<br />
bedingt straßentauglich war. Nicht bei Alfa, sondern in der Schmiede<br />
des Karosserie- und Designspezialisten Pininfarina wurde ab 1966 der<br />
Alfa Romeo Spider gebaut. Der offene Zweisitzer, dessen Urversion im<br />
Film „Die Reifeprüfung" als Auto von Jungstar Dustin Hoffmann zur<br />
Legende wurde, ist ein Giulia-Ableger.<br />
Aus dem italienischen Straßenbild der 60er und 70er Jahre war<br />
die Limousine mit den sportlichen Genen schon bald nach ihrem<br />
Erscheinen nicht mehr wegzudenken. Familienväter schätzen den<br />
dynamischen Untersatz. Polizei und Carabinieri machten ebenfalls gern<br />
mit der weiß-blau lackierten Giulia mobil.<br />
Die starke Nachfrage nach dem Modell überforderte die Kapazitäten<br />
des 1906 eröffneten Alfa-Stammwerks in Portobello. In Arese, nördlich<br />
von Mailand, brachte der Autobauer deshalb eine neue Fabrik an den<br />
Start. Innerhalb von 16 Jahren rollten hier knapp 300.000 Exemplare<br />
verschiedener Giulia-1300-Versionen vom Band, dazu kamen rund<br />
260.000 Exemplare mit 1600er Motor. 1978 war dennoch Schluss mit<br />
Giulia: Nach 572.646 Fahrzeugen lief die Produktion aus. Eine weitere<br />
Giulietta trat die Nachfolge des variantenreichen Erfolgsmodells an.<br />
Doch wie bei vielen lebenslangen Liebesgeschichten war auch das nur<br />
ein Abschied auf Zeit: 2013/2014 soll eine neue Giulia den Alfa Romeo<br />
159 ablösen. Die Geschichte geht also weiter. Und mal ehrlich: Was<br />
wäre Romeo ohne Giulia?<br />
Giulia Coupe GT Junior Z 1969-1975<br />
Giulia 1600 GTC<br />
Cabriolet 1964-1966<br />
Giulia Coupe 1300 GTA Junior 1968-1975<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 31
NINO DE ANGELO<br />
Von Christian Simon<br />
Wenn Gott eine Tür<br />
zuschlägt, öffnet<br />
er ein Fenster<br />
Nino de Angelo (48) heißt eigentlich Domenico Gerhard<br />
Gorgoglione. Er wurde bereits mit 18 Jahren zum Schlagerstar.<br />
Sein größter Erfolg: "Jenseits von Eden". Er erkrankte zweimal<br />
an Krebs, ging 2005 wegen 1,5 Millionen Euro Schulden<br />
in die Privatinsolvenz, unternahm drei Selbstmordversuche.<br />
De Angelo war dreimal verheiratet, lebt jetzt in Scheidung und<br />
hat zwei Kinder: Louisa-Marie (24) und Luca (20). Vergangenes<br />
Jahr erschien das neue Album von Nino de Angelo: DAS LEBEN<br />
IST SCHÖN.<br />
FÜR DICH WAR DAS LEBEN NICHT<br />
IMMER SCHÖN. ES WAR VON SCHULDEN,<br />
TRENNUNGEN UND KRANKHEITEN<br />
BESTIMMT. ZULETZT GAB ES EINE SIE-<br />
BENJÄHRIGE ZWANGSPAUSE ...<br />
Das ist richtig. Die letzten sieben Jahre zu<br />
überstehen, war eine schwere<br />
Phase. Mein Album heißt ja nicht<br />
umsonst DAS LEBEN IST SCHÖN.<br />
Ich war schon ziemlich weit unten.<br />
Sonst wäre ich in den letzten<br />
Jahren auch nicht krank<br />
gewesen. Aber das ist vorbei.<br />
Ich bin ein Mensch,<br />
der nach vorne sieht<br />
und im Hier und Jetzt<br />
lebt, der Visionen von<br />
der Zukunft hat. Wenn<br />
ich mich betrachte<br />
und sehe, was aus mir<br />
geworden ist nach all<br />
der Scheiße, bin ich froh.<br />
WAS SIND DEINE VORSTELLUNGEN VON<br />
DER ZUKUNFT?<br />
Ich bin sehr glücklich, dass ich wieder singen<br />
kann. Nach der Stimmbandlähmung, einer<br />
Vorstufe von Kehlkopfkrebs, haben die<br />
Ärzte gesagt: Man weiß nicht, wie viel<br />
Stimme Sie zurückkriegen. 90 Prozent<br />
des Stimmvolumens ist zurückgekommen.<br />
Deshalb bin ich sehr, sehr glücklich,<br />
denn das ist die Voraussetzung, dass ich meinen<br />
musikalischen Weg weitergehen kann. Solche<br />
Schicksalsschläge muss man als Chance nutzen,<br />
um neu anzufangen. Irgendwie bedeutet jedes<br />
Ende einen neuen Anfang. Wenn der liebe Gott<br />
einem die Tür zumacht, macht er einem das<br />
Fenster auf. Er sperrt dich nicht ein.<br />
S<br />
SEIT 30 JAHREN STEHST DU NUN<br />
SCHON AUF DER BÜHNE ...<br />
Vor 30 Jahren fing meine Karriere als Nino de<br />
Angelo an. Davor habe ich mit 14 Jahren in<br />
einer Pianobar in Köln Songs von Elvis Presley<br />
und Adriano Celentano gesungen. Es dauerte<br />
nicht lange, da wurde ich entdeckt. Den ersten<br />
Plattenvertrag muss te noch meine Mutter<br />
unterschreiben. So begann die Karriere. Ich<br />
habe erst mal zwei Singles als Nino gemacht.<br />
Das war weniger erfolgreich. Aus Nino wurde<br />
Nino de Angelo. Die erste Platte war sofort ein<br />
Erfolg. Keine Ahnung, es wurden 50.000 Stück<br />
verkauft. Das war damals ein Achtungserfolg.<br />
Nino de Angelo bei <strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong>" 1984<br />
" Dann kam Drafi Deutscher in mein Leben: "Ich<br />
sterbe nicht noch mal." Und ab "Jenseits von Eden" weiß jeder, wer<br />
Nino de Angelo ist.<br />
1989 war ich mit Dieter Bohlen im Studio<br />
und habe zwei Alben gemacht: FLIEGER<br />
und SAMURAI waren sehr erfolgreich. Nach<br />
dieser Zeit, als ich mich von Dieter getrennt<br />
hatte, habe ich versucht, etwas Rockigeres zu<br />
machen, was aber nicht funktioniert hat. Der<br />
Erfolg blieb aus. Es fing die Orientierungssuche<br />
Foto<br />
s:©<br />
Bild<br />
arch<br />
iv<br />
vH<br />
allh<br />
uber<br />
/Zil<br />
l<br />
Seite 32 ■ GoodTimes 2/2013<br />
201
an. 1996 bin ich das<br />
erste Mal an Krebs<br />
erkrankt. Seitdem<br />
sind 14 Jahre vergangen.<br />
In den<br />
Jahren<br />
danach<br />
ging es ständig<br />
weiter<br />
bergab.<br />
Als ich dachte,<br />
ich bin weit genug<br />
unten angekommen,<br />
stand da einer mit der<br />
Schaufel und sagte:<br />
Weitergraben! 14<br />
Jahre Talfahrt.<br />
W<br />
WELCHE ROLLE<br />
SPIELTE PETER<br />
MAFFAY AY IN DEINEM EM LEBEN?<br />
Der war sehr wichtig. 1996 durfte ich mit<br />
auf seine Tabaluga-Tournee. Ich war immer<br />
schon ein Fan von Peter Maffay. Ich mag<br />
seine Musik und seine Ernsthaftigkeit als<br />
Künstler. Als ich angefangen habe, Rockmusik<br />
zu machen, habe ich die mit seinen Musikern<br />
aufgenommen. Die Band hat mich dann für<br />
Tabaluga vorgeschlagen. Ich sang bei Peter<br />
Maffay vor und war dabei. Wir haben bis<br />
heute ein herzliches Verhältnis.<br />
WELCHE GEDANKEN MACHT MAN<br />
SICH NACH SO HARTEN SCHICKSALS-<br />
SCHLÄGEN? UND FRAGT MAN NACH<br />
DEM WARUM?<br />
Ja, schon. Ich glaube, dass jeder auf die Welt<br />
kommt, um eine Mission zu erfüllen. Um zu<br />
lernen, um auf den richtigen Weg zu kommen.<br />
Das<br />
Ziel ist, gegen en<br />
Ende des Lebens<br />
anzukommen. Das ist meine Überzeugung.<br />
Ich bin auf vielen Wegen gewandelt, ich<br />
habe mich oft verirrt. Aber alles war<br />
sehr wichtig und hat seinen Sinn n<br />
gehabt. Ich musste durch gewisse e<br />
Täler, um das Leben auch schätzen<br />
zu können. Man erfährt Ehrfurcht<br />
und Dankbarkeit, wenn man so viele<br />
schwere Dinge hinter sich hat. Man<br />
sieht dann plötzlich alles anders. Erst<br />
im Laufe des Lebens lernt man zu<br />
erkennen, was einen belastet. Das Leben ist<br />
ein Lernprozess. Man darf nicht aufgeben,<br />
muss an das Gute und auch an sich selber<br />
glauben. Im Evangelium des Matthäus heißt<br />
es: Gehet hinein durch die enge Pforte. Der<br />
Weg, der zum Leben führt, ist schmal. Das<br />
ist die Aufgabe des Lebens.<br />
WOVON HAST DU GELEBT IN DER ZEIT,<br />
ALS DU KRANK WARST?<br />
Vom Eingemachten. 1996, beim ersten<br />
Krebs, vor der ersten Scheidung, habe ich<br />
gelebt von dem, was da war. Wenn das nicht<br />
mehr geht – deswegen musste ich Insolvenz<br />
anmelden –, dann lebt man davon, was man<br />
zugeteilt kriegt. Ich habe sieben Jahre hinter<br />
mir, wo ich ganz bescheiden gelebt habe.<br />
OBWOHL DU IN DER INSOLVENZ WARST,<br />
HAST DU WEITERHIN OBDACHLOSE<br />
UNTERSTÜTZT.<br />
Ja, das habe ich immer. Ich fühle mich<br />
verpflichtet. Ich kann nicht jedem Geld<br />
geben, sonst kann ich bald wieder Insolvenz<br />
anmelden. Aber es ist ganz wichtig, dass<br />
man Menschen, die sich selbst nicht helfen<br />
können, unterstützt, so gut man kann. Das<br />
ist unsere Pflicht.<br />
DEN ERSTEN DURCHBRUCH HAT-<br />
TEST DU 1983 MIT "JENSEITS VON<br />
EDEN". DU SAGST ABER, DER WAHRE<br />
DURCHBRUCH KÄME ERST NOCH?<br />
Richtig. Ab jetzt quasi, weil Nino da ist,<br />
wo er immer hin wollte. 1983 war ich nur<br />
zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich war<br />
ein junger Sänger, der eine tolle Stimme<br />
hatte und einen Song<br />
interpretiert hat –<br />
mit Leichtigkeit. Das<br />
war mein Erfolg.<br />
Letztendlich war es<br />
dann eine Entwicklung<br />
bis heute. Der wahre<br />
Durchbruch kann erst<br />
jetzt kommen, der des<br />
erwachsen<br />
gewordenen<br />
Künstlers Nino de<br />
Angelo.<br />
D<br />
DU WOLLTEST DOCH<br />
EINE AUTOBIOGRAFIE<br />
SCHREIBEN.<br />
WIE<br />
IST DA DER STAND<br />
DER DINGE?<br />
Abgehakt, weil die<br />
Verlage immer nur<br />
irgendwelchen<br />
Mist<br />
wollen. Da<br />
müsste st<br />
ich vielen, vielen<br />
Menschen auf die Füße treten. Die wollen<br />
kein Buch haben, in dem niemand<br />
namentlich verletzt wird.<br />
Das kann man abhaken.<br />
Ich schreibe kein<br />
Buch, und ich brauche<br />
auch kein Buch schreiben.<br />
Mein Album DAS<br />
LEBEN IST SCHÖN ist wie<br />
eines. Jeder Song hat mit<br />
meinem Leben zu tun.<br />
Foto: © 7daysmusic<br />
ANZEIGE_1/3_hoch
<strong>kult</strong>! Bücher<br />
Von Alan Tepper<br />
In den letzten Monaten hat sich der Trend der "<br />
Political<br />
Correctness" und des Regulierungswahnsinns<br />
auch in den Verlagshäusern manifestiert. Fieberhaft<br />
suchen Lektoren nach Wörtern, die in irgendeiner<br />
Weise und in irgendeinem Zusammenhang eine<br />
Minorität verunglimpfen könnten. Ottfried Preußler<br />
wurde "<br />
gesäubert", und ihm werden wahrscheinlich<br />
Kultbücher – Geschätzt, geliebt, gelobt<br />
noch viele folgen. Sind Bücher plötzlich nicht mehr<br />
wertvolle zeithistorische Dokumente? Müssen sie<br />
den jeweiligen Befindlichkeiten ständig angepasst<br />
werden? Nein! Es sollte der Intelligenz und dem<br />
Einfühlungsvermögen der Leser überlassen bleiben,<br />
sich davon ein eigenes Bild zu machen, statt<br />
von oberster Stelle zu lenken.<br />
Cordwainer Smith –<br />
" Hadschi Halef Omar im Wilden Westen" Das Geisterhaus"<br />
Was aus den Menschen wurde"<br />
I Ging –<br />
Das Buch der Wandlungen<br />
Karl Hohenthal –<br />
Isabel Allende –<br />
C" ordwainer Smith ist das Pseudonym von Paul Myron Anthony<br />
Linebarger (11.<br />
Juli 1931 – 6. August 1966), der zu den<br />
Ausnahmeerscheinungen in der Science-Fiction-<br />
Literatur zählt. In einer Zeit, in der die technische<br />
Komponente noch eine große Rolle in dem Genre<br />
spielte, entwarf Smith eine Reihe von Kurz geschichten,<br />
in denen er 15.000 Jahre Menschheitsgeschichte<br />
beschreibt – beginnend<br />
in der Zukunft bis in<br />
die ferne Zukunft. Der in der<br />
Reihe „Meisterwerke der Science<br />
Fiction" veröffentlichte Band<br />
enthält 27 Kurzgeschichten, bei denen psychologische,<br />
soziale, <strong>kult</strong>urelle und religiöse Themen<br />
angeschnitten werden. Doch es zieht sich ein roter Faden durch<br />
die Erzählungen. Es ist die so genannte Instrumentalität, ein kaltes<br />
Herrschaftssystem, das sich auf das Verhältnis der Menschen zu<br />
anderen Lebewesen auswirkt und dieses unberechenbar beeinflusst.<br />
Anspruchsvoll? Ja! Aber gerade in dem hypothetischen Fabulieren liegt<br />
einer der größten Reize dieser Literatur, die allzu häufig mit billigen<br />
„Raketengeschichten" verwechselt wird.<br />
Ein deutscher Ghostwriter, der aber unerkannt bleiben wollte und<br />
sich so eines der vielen Pseudonyme Karl Mays zulegt, verfasste<br />
einen Roman im Stil des beliebten Schriftstellers und fabuliert drauflos.<br />
Kann so etwas funktionieren? Ja, aber mit einer <strong>Eins</strong>chränkung,<br />
denn „Karl Hohenthal" schreibt in einigen Passagen etwas langatmig<br />
und lässt Hadschi Halef Omar erst nach über<br />
der Hälfte des Romans in die USA reisen, dabei<br />
ignorierend, dass die Geschichten aus dem<br />
„Wilden Westen" viel höher in der Gunst des<br />
Lesers stehen als die „Orient"-Erzählungen.<br />
Insgesamt hat der Autor aber ein Buch verfasst,<br />
das sprachlich dem Ausdruck Mays sehr nahe<br />
kommt.<br />
Auch<br />
die Story fesselt,<br />
denn<br />
Hadschi<br />
Halef Omar muss<br />
nach zahlreichen<br />
Abenteuern in seiner Heimat Kara Ben<br />
Nemsi in Amerika suchen, der dort<br />
unter den Namen Old Shatterhand<br />
bekannt ist. Dabei trifft er natürlich<br />
auch Winnetou und begleitet beide auf einer Expedition durch die<br />
Rocky Mountains. Überleben die drei die Angriffe der blutrünstigen<br />
Schoschonen?<br />
Das aus China stammende I Ging zählt zu den bedeutendsten Werken<br />
der Weltliteratur. Sein Alter wird auf circa 3000 Jahre geschätzt,<br />
und es gilt als Basis für den Konfuzianismus und<br />
den Taoismus. Viele Leser interpretieren es als<br />
Weisheitsbuch, aber gleichzeitig auch als Orakel.<br />
Mit Hilfe von Schafgarben oder Münzen werden<br />
die so genannten Hexagramme ermittelt, die<br />
Entwicklungsmöglichkeiten,<br />
Zustände oder Wandlungen andeuten.<br />
Insgesamt 64 Hexagramme<br />
beschreiben den Weg vom<br />
Schöpferischen bis zur Vollendung<br />
und alle erdenklichen Facetten und Nuancen. Seit der<br />
meisterhaften Übersetzung des Buches von Richard<br />
Wilhelm aus dem Jahr 1924 (im anglo-amerikanischen Sprachraum war<br />
das Buch erst ab den 50ern erhältlich) wird es auf Grund der Einführung<br />
in das zyklische Denken geschätzt, das den westlichen und kausalen<br />
Denkmustern teilweise widerspricht. Psychologen wie C.G. Jung, Autoren<br />
wie Hermann Hesse oder Musiker schätzen das Werk, aber auch Leser,<br />
die sich auf eine neue Sinnsuche begeben und alte Denkmuster ablegen<br />
wollen.<br />
I" sabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima als Tochter eines<br />
chilenischen Diplomaten geboren. In ihrer Heimat engagierte sie<br />
sich für Frauenrechte, verfasste Kindergeschichten und war für die<br />
Welthungerhilfe tätig. Kurz nachdem der Diktator General Augusto<br />
Pinochet an die<br />
Macht gelangt war<br />
und dabei ihren<br />
Onkel Salvador<br />
Allende ermordet<br />
hatte, ging<br />
sie ins Exil und<br />
schrieb ab 1980<br />
den 1993 verfilmten<br />
Roman „Das Geisterhaus" (unter anderem<br />
mit Meryl Streep und Winona Ryder). In dem<br />
Buch schildert sie das Schicksal der Familie<br />
des Patriarchen Esteban Trueba und seiner Frau Clara über vier<br />
Generationen parallel zu den politisch-gesellschaftlichen Ereignissen<br />
in Chile. Besonders der Kontrast zwischen Stadt- und Landleben, die<br />
poetische Charakterisierung der Hauptfiguren, feministische Untertöne,<br />
Elemente des Märchens und die dramatischen Wendungen machen<br />
„Das Geisterhaus" zu einem bewegenden Buch und widersprechen den<br />
Vorwürfen, dass Allende lediglich eine „Light-Version" von Gabriel<br />
García Márquez sei.<br />
Seite 34 ■ GoodTimes 2/2013
Oliver Sacks –<br />
Mark Twain –<br />
" Drachen, Doppelgänger und Dämonen" "<br />
Tom Sawyer & Huckleberry Finn"<br />
W y<br />
Der in London geborene Neurologe und Schriftsteller Oliver Sacks<br />
(9. Juli 1933) zählt neben Paul Watzlawick zu den in Deutschland<br />
beliebten Vertretern des Infotainments mit dem Wissensschwerpunkt<br />
Psychologie. Während Watzlawick<br />
(„Anleitung zum Unglücklichsein") im<br />
lockeren Plauderton hauptsächlich individualpsychologische<br />
Themen behandelt, ist<br />
das Interesse von Sacks breiter gestreut.<br />
Titel wie „Der Mann, der seine Frau mit<br />
einem Hut verwechselte", „Migräne", „Das<br />
innere Auge", „Awakenings – Zeit des<br />
Erwachens" (wurde mit Robin Williams und<br />
Robert De Niro verfilmt) oder „Der einarmige<br />
Pianist" sprechen für sich. Eine wichtige<br />
Gemeinsamkeit beider Schriftsteller<br />
besteht in der gelungenen Gratwanderung,<br />
schwierige Sachverhalte plastisch und<br />
leicht verständlich darzustellen und nie den Humor bei den jeweiligen<br />
Fallgeschichten zu vergessen, ohne dabei aber die Würde der Betroffenen<br />
zu verletzen oder sie der<br />
Lächerlichkeit preiszugeben –<br />
und das sind Charakteristika,<br />
die immer seltener anzutreffen<br />
sind. In seinem neuesten<br />
Buch beschäftigt sich<br />
der in New York lebende<br />
Autor mit den mannigfaltigen<br />
Erscheinungsformen der<br />
Halluzination. Natürlich geht<br />
er dabei auch auf bewusstseinsverändernde<br />
Drogen wie Cannabis, Mescalin oder LSD ein, doch<br />
im Vordergrund stehen die individuell erlebten Sinnestäuschungen,<br />
und die kommen in mannigfaltigen Ausprägungen vor. Fast jeder<br />
hat schon Erfahrungen mit visuellen Halluzinationen gemacht, doch<br />
Geruchshalluzinationen, sensorische Gespenster, Doppelgänger, akustische<br />
Halluzinationen, bei denen die Betroffenen zusätzlich die korrekten<br />
Noten vor ihrem geistigen Auge sehen, muten schon aberwitzig an.<br />
Neben Fallbeispielen aus seiner alltäglichen Praxis schildert Sacks auch<br />
klassische Fälle bekannter Persönlichkeiten wie Aldous Huxley, Robert<br />
Hughes oder Siri Hustvedt. Sacks aktuelles Werk bietet ein Füllhorn<br />
interessanten Wissens auf hohem Niveau, das sowohl den Psychologie-<br />
Interessierten begeistern wird wie auch den ganz normalen Leser.<br />
er hat nicht als Kind oder Jugendlicher die Abenteuer von<br />
Tom Sawyer und Huck Finn mit Begeisterung verschlungen?<br />
Es waren klassische – man nannte sie<br />
früher noch „Lausbubengeschichten" –<br />
mit viel Humor, Wortwitz und einer<br />
dichten Stimmung, die das Leben am<br />
Mississippi in die Neuzeit transportierte.<br />
Aber heute? Kann man diese beiden<br />
Bücher, die bei dtv in einer meisterhaft<br />
neu übersetzten Ausgabe erhältlich<br />
sind, überhaupt noch lesen? Ja, denn es<br />
sind eben nicht nur Kinderbücher, sondern<br />
Bücher voller Sozialkritik, Angriffe<br />
auf das herrschende System und die<br />
Behandlung der Schwarzen in den USA,<br />
Initiationsromane und Werke, in denen<br />
Mark Twain seine nicht zu unterschätzen-<br />
de Lebensweisheit eisheit verarbeitete. Der als Samuel Langhorne Clemens (30.<br />
November 1835 – 21. April 1910) geborene<br />
Schriftsteller führte vor seiner eigentlichen<br />
Karriere ein buntes Leben und<br />
verdiente sich den Lebensunterhalt als<br />
Steuermann eines Mississippidampfers,<br />
Goldgräber und Journalist, bis ihn die<br />
Heirat mit Olivia Langdon aus finanziellen<br />
Schwierigkeiten erlöste. Von diesem<br />
Zeitpunkt an konzentrierte er sich vornehmlich<br />
auf das Schreiben. Sein wohl<br />
populärstes Werk „Die Abenteuer von<br />
Tom Sawyer" erschien 1876. Der Roman<br />
spielt im fiktiven Ort St. Petersburg in Missouri und erzählt von den<br />
täglichen Erlebnissen des Jungen Tom Sawyer. In den Nebenrollen<br />
Tante Polly, der gefürchtete Indianer-Joe, seine Jugendliebe Becky<br />
und – in der zweiten Hauptrolle Huck Finn. Unvergessen die Szene,<br />
als Tom zur Strafe einen Zaun anstreichen muss und sich so geschickt<br />
„vermarktet", dass andere Kinder für die Arbeit bezahlen wollen. „Die<br />
Abenteuer des Huckleberry Finn" erschienen in den USA 1885 und<br />
sind als Fortsetzung zu verstehen, jedoch mit anderer Intention. Hier<br />
wird das Leben eines Außenseiters porträtiert, der mit einem Sklaven<br />
auf dem Mississippi flüchtet (und natürlich viele Abenteuer erlebt)<br />
und dabei eine neue Weltanschauung kennen lernt. Meisterwerke der<br />
amerikanischen Literatur, die nichts an Ausstrahlung verloren haben.<br />
DAVID BOWIE - ALADDIN SANE<br />
40th Anniversary Limited Edition Remaster<br />
Als CD, Download und Stream!<br />
www.davidbowie.com
Deutschlands größte Filmdiven<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Als Marlene<br />
Romys Dealer wurde<br />
„Neben Marlene Dietrich gehört sie international zu<br />
den größten Kinostars, den der deutschsprachige<br />
Raum hervorgebracht hat.“ So oder so ähnlich fangen<br />
Berichte in den Medien über Romy Schneider oft an.<br />
Sie wird nicht mit der Dietrich verglichen, sondern<br />
auf eine Stufe mit ihr gestellt. Zwei Diven des Filmund<br />
Showbusiness, die mehr als nur die beinah 40<br />
Jahre Altersunterschied trennte. Romy, die Sanfte,<br />
die Sensible, die ihr wahres Leben in scheinbar<br />
jeder Leinwandsequenz darstellte. Und Marlene, die<br />
Kühle, die selbst erschaffene Legende, die vor der<br />
Kamera ihre vom Regisseur zugedachte Rolle spielte.<br />
Zwei Frauen, so unterschiedlich und doch mit so<br />
vielen Parallelen. Eine Spurensuche.<br />
Romy Schneider dreht „Das alte Gewehr" („Le Vieux<br />
1975: Fusil") mit Philippe Noiret. Ein Film, der mit drei<br />
Millionen Zuschauern ihr bis dahin größter Erfolg werden sollte.<br />
Außerdem kommt am 21. Februar ihre Meisterleistung in „Nachtblende"<br />
(„L'important, c'est d'aimer") an der Seite von Jacques Dutronc, Fabio<br />
Testi und dem deutschen Enfant terrible Klaus Kinski in die Kinos.<br />
La Schneider, wie sie in Ehrfurcht vor<br />
ihrer wunderschönen, charismatischen<br />
Erscheinung genannt Romy Schneider<br />
wird, mimt Nadine Chevalier, eine<br />
Schauspielerin, die – ganz entgegen<br />
der realen Situation der Aktrice – auf<br />
dem absteigenden Karriere-Ast ist<br />
und sich mit Softpornos über Wasser<br />
halten muss. Dieses Wesen zwischen<br />
Tristesse und Stärke stellt Schneider<br />
so eindrucksvoll dar, dass sie ein Jahr<br />
später den César, den nach wie vor<br />
wichtigsten französischen Filmpreis,<br />
als beste Schauspielerin erhält. Es<br />
ist ein wichtiges Jahr für Rosemarie<br />
Magdalena Albach, so ihr vollständiger<br />
Name, den schon bald nach ihrer<br />
Geburt am 23. September 1938 in<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 36 ■ GoodTimes 2/2013
Wien kaum noch jemand ruft. Doch es wäre falsch, es als Schneiders<br />
Höhepunkt zu bezeichnen. Die vielen weiteren herausragenden<br />
Leistungen vor und nach dieser Zeit würde der Begriff sonst in den<br />
Schatten stellen. Aber es war ein sehr glückliches Jahr. Es endete mit<br />
ihrer zweiten Eheschließung am 18. Dezember in Berlin, wo sie ihrem<br />
einstigen Sekretär Daniel Biasini das Ja-Wort gab.<br />
Auf der gegenüberliegenden Seite des Erdballs, in Sydney, Australien,<br />
steht die andere international so erfolgreiche Filmgöttin aus dem<br />
deutschsprachigen Raum auf der Bühne<br />
und schreit: „Vorhang runter! Runter!"<br />
Nein, es waren nicht die Abschiedsworte<br />
der Dietrich an ihr Publikum. Es war der<br />
– ungeplante – Beginn, ihren Mythos<br />
der Grande Dame vor der Öffentlichkeit<br />
zu konservieren. Im Orchestergraben<br />
beendete Marlene Dietrich im September<br />
ihre Karriere. Mit einem schlimmen<br />
Oberschenkelbruch nach einem<br />
Alkoholabsturz – im wahrsten Wortsinn:<br />
In den 70er Jahren war sie dem Gesöff<br />
bereits sehr zugeneigt und mit ihren 73<br />
Jahren schaffte es die torkelnde Diva<br />
zwar nicht mehr, sich zu stützen, dafür<br />
aber, sich zu schützen. Vor den Klicks<br />
der Paparazzi, vor den Augen der Fans,<br />
sicher auch vor dem Mitleid. Im Dunst des<br />
Marlene Dietrich in<br />
Hochprozentigen hilflos da liegend, so<br />
„Schöner Gigolo, armer Gigolo“<br />
sollte sie niemand sehen. Abrupt trat die<br />
Dietrich ab. Und kehrte nur noch einmal vor die Kameras zurück. 1978<br />
elle Weise verführt haben soll.<br />
In ihrer Garderobe habe er sie<br />
nach der Uhrzeit gefragt. Lasziv<br />
habe sie ihr Kleid hochgezogen,<br />
am Bein ein Strumpfband mit<br />
befestigter Uhr präsentiert und<br />
ihm angeboten, dort nach seiner<br />
Antwort zu suchen.<br />
Noch viele mehr und min-<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 37<br />
Marlene Dietrich<br />
in „Der große Bluff“<br />
der<br />
intensive<br />
Beziehungen,<br />
Liebeleien und<br />
Schwärmereien<br />
folgen.<br />
Nur<br />
einem<br />
Mann<br />
bleibt Marlene<br />
Zeit ihres Lebens treu – auf dem Papier. Mit dem<br />
Tod von Rudi Sieber 1976 wird Marlene gar zur<br />
Witwe. Wenn sie in den 53 verheirateten Jahren auch<br />
nur kurz Liebe und Leidenschaft verbunden haben<br />
mögen, so war die Ehe neben ihrer heute 88-jährigen<br />
Tochter die einzige Konstante im bewegten Leben der<br />
Schauspielerin, Sängerin und Autorin.<br />
Mit ihrer Geburt am 27. Dezember 1901 in<br />
Schöneberg verlängert Marie Magdalene Dietrich<br />
ihrer Mutter die Weihnachtsfreude. Die gut bürgerliche<br />
Frau, nun mit zwei Töchtern gesegnet, aber bald<br />
schon ohne Mann, hat sicherlich nicht im Traum daran<br />
gedacht, was aus ihrem pummeligen, dunkelhaarigen Mädel einst<br />
in „Schöner Gigolo, armer Gigolo" an David Bowies Seite. Gedemütigt werden sollte. Anders als das Mädel selbst. Mit zwölf Jahren kritzelt<br />
von den Kritikern zog sie sich anschließend wie einst Heinrich Heine in sie neben deutscher Grammatik und Rechenaufgaben den Namen<br />
ihre Pariser Matratzengruft zurück.<br />
„Marlene" und beschließt,<br />
A<br />
sich fortan so zu nennen.<br />
Die Signatur übt<br />
ls „Der blaue Engel" sang, tanzte, spielte sich<br />
Marlene Dietrich 1930 in die Herzen des deutschen<br />
Publikums und in das ihres Regisseurs Josef<br />
in ihren Schulheften. Bis<br />
Marlene mit der Feder<br />
von Sternberg gleich mit dazu. Von Kopf bis Fuß auf<br />
zur Perfektion. So war<br />
Liebe eingestellt ist sie, als sie ihre Liaison mit „Jo"<br />
sie eben schon damals.<br />
beginnt. Doch wie die „fesche Lola" aus dem Film<br />
„Preußisch" beschreibt es<br />
mag sich die Schauspielerin nicht auf einen Mann<br />
ihre eigene Tochter Maria<br />
festlegen. Sie ist noch mit Rudolf „Rudi" Sieber<br />
Riva Jahrzehnte später.<br />
verheiratet, dem Vater ihrer im Dezember 1924<br />
Diese von Kindheit anerzogene<br />
Lebenseinstellung<br />
geborenen Tochter Maria, als sie mit von Sternberg<br />
zu Beginn der 30er Jahre in die USA geht. Nur<br />
– stets alles exakt zu<br />
Marlene Dietrich in „Der blaue Engel“<br />
mit einer Unterbrechung dreht sie ihre ersten<br />
machen, ehrgeizig und<br />
Tonfilme mit ihm. Neben dem blauen Engel unter anderem<br />
arbeitsam zu sein, aber vor allem folgsam – beeinflusst die Arbeit<br />
„Die scharlachrote Kaiserin" („The Scarlett Empress", 1934), der Dietrich an den Filmsets dieser Erde. In der Dokumentation von<br />
den „Shanghai-Express" 1932 und „Marokko" („Morocco"), ihr<br />
Maximilian Schell, „Marlene", die er trotz widriger Umstände – Marlene<br />
verweigerte kurz vor Beginn der Dreharbeiten die zugesagten<br />
Aufnahmen – 1983 vorstellen konnte, sagt eine<br />
stark gealterte Marlene Dietrich mit rauer Stimme: „Ich<br />
war eine folgsame Schauspielerin. Ich habe immer das<br />
getan, was der Regisseur wollte." Auf Schells Nachfrage,<br />
ob sie nie improvisiert habe, reagiert sie empört. „Alles<br />
Quatsch!", herrscht ihn die Diva nicht nur bei diesem<br />
Dialog an. Aber Schell, der an ihrer Seite im „Urteil<br />
von Nürnberg" („Judgment At Nuremberg", 1961) eine<br />
solche Meisterleistung als Staatsanwalt hingelegt hatte,<br />
dass er einen Oscar als bester Hauptdarsteller bekam,<br />
verteidigt das Gespür eines Schauspielers, Drehbücher<br />
auch interpretieren zu können.<br />
Vielleicht eine Generationenfrage, denn Romy Schneider<br />
mimt ihre großen Rollen in den 60er und 70er Jahren<br />
Marlene Dietrich und<br />
Regisseur Josef von Sternberg<br />
mit einer Intensität, einer Wahrhaftigkeit, dass der<br />
Zuschauer förmlich spürt, wie sich dieses zarte Wesen<br />
erster Hollywoodfilm und die einzige i Rolle, die mit allem, was es hat, in die jeweilige Rolle hineinbegibt. Natürlich<br />
ihr eine Nominierung für den Oscar einbringt. wollte Schneider ihren Regisseuren gefallen und setzte Anweisungen<br />
Ihr Partner ist Gary Cooper, den sie nach um. Aber der Rolle etwas von der eigenen Persönlichkeit verleihen, ein<br />
Erzählungen von Vertrauten auf sehr spezi-<br />
bisschen improvisieren, ist ja nicht gleichzusetzen mit einer Rebellion<br />
Foto: © DAVIDS/<br />
Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber
Reif und gelöst:<br />
Romy Schneider zu Frankreich-Zeiten<br />
am Set. Es lässt sich<br />
ganz gut so beschreiben:<br />
Schneider hätte wohl<br />
nach jedem abgeschlossenen<br />
Film einen Urlaub<br />
gebrauchen können, weil<br />
sie sich unglaublich verausgabte,<br />
um eine Figur<br />
darzustellen. Marlene<br />
nicht. Die Dietrich verließ<br />
sich zusehends<br />
auf ihre Erfahrungen,<br />
auf Altbewährtes. Der<br />
Schlafzimmerblick funktionierte<br />
schließlich in<br />
jeder romantisch-knisternden<br />
Szene. Und<br />
irgendwann war es derselbe<br />
Blick, die gleiche<br />
Spielart – nur für<br />
unterschiedliche Filme.<br />
Als sie das erste Mal<br />
bewusst ihre schauspielerischen<br />
Fähigkeiten<br />
reflektieren, über ihre<br />
Leinwandpräsenz nachdenken<br />
muss, ist sie<br />
als Kassengift an den<br />
US-Kinos (und bei den<br />
Produzenten) verschrien.<br />
Sie vollzieht einen<br />
Imagewandel. Erfolgreich.<br />
Es ist 1938. Dietrich hat<br />
keinen Vertrag mehr<br />
bei Paramount. Sie ist zurück in Europa, aber nicht, um Ufa-Star zu<br />
werden. Nach Berlin, zu Hitler – das will sie nicht. An der französischen<br />
Riviera urlaubt sie mit ihrem Gefolge – bestehend aus Tochter Maria,<br />
Ehemann Rudi, dem aktuellen Liebhaber und Schriftsteller Erich Maria<br />
Remarque und später sogar noch der Ex-Geliebte Jo von Sternberg<br />
– genießt sie die Augustsonne im Hôtel du Cap. Der „Dietrich-Clan",<br />
wie ihn Cari Beauchamp in ihrem „Vanity Fair"-Beitrag „It Happened<br />
at the Hôtel du Cap" liebevoll-ironisch nennt, sorgt bei den anderen<br />
Gästen für hochgezogene o ene Augenbrauen. Einen interessiert der unangepasste<br />
Lebensstil des<br />
Hollywoodstars<br />
auf<br />
besondere Weise: Joseph<br />
P. Kennedy, der Vater<br />
von JFK und Bobby –<br />
beide bekanntlich in<br />
den 60ern erschossen<br />
–, ist von der schönen<br />
Dietrich<br />
beeindruckt<br />
und beginnt mit ihr laut<br />
Cari Beauchamp eine<br />
Affäre. Obwohl er ebenfalls<br />
seine Familie dabei<br />
hat. Und wer weiß, vielleicht<br />
gab ihr diese neue<br />
Liaison einen Antrieb,<br />
Marlene Dietrich und<br />
der sie an der Seite von<br />
Tyrone Power 1957 in<br />
„Zeugin der Anklage“<br />
James Stewart in der<br />
coolen Westernkomödie<br />
„Der große Bluff" („Destry Rides Again", 1939) eine neue, eine frische<br />
Marlene Dietrich sein lässt. Ausgelassen, schlagfertig, im Cowgirl-Look<br />
tritt die mittlerweile 38-Jährige auf. Unvergessen, als „Frenchy" auf dem<br />
Saloontresen tanzt und bei „Boys In The Backroom" im Refrainteil die<br />
Haut an ihrem Kehlkopf hin- und herzieht, um eine natürliche Vibration<br />
in der Stimme zu erzeugen. Marlene ist wieder da. Bei Universal feiert<br />
sie ihr Comeback.<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Rund 20 Jahre später muss eine andere Schauspielerin ebenfalls<br />
einen Imagewandel vollziehen. Allerdings nicht, weil sie als<br />
Kassengift verschrien ist. Vielmehr, weil sie ähnlich wie Marlene als<br />
der ewig „blaue Engel" nicht länger als die ewige „Sissi" abgestempelt<br />
werden will, sondern wahrgenommen als das, was sie nun mal ist:<br />
die großartige, vielseitige, mondäne und zerbrechliche Schauspielerin<br />
Romy Schneider. Sie war ihr Schicksal, diese Rolle der österreichischen<br />
Kaiserin. Dreimal gespielt, dreimal gelitten, dreimal eine etwa sieben<br />
Kilo schwere Perücke auf dem kleinen Kopf. Ein Schicksal, das ihr<br />
auferlegt wurde. Denn Schneider stammt aus einer Schauspielerfamilie,<br />
und ihre Mutter hat Ambitionen, seit die Tochter auf der Welt ist.<br />
Die Eltern, das Schau spielerpaar<br />
Magda Schneider<br />
und Wolf Albach-Retty,<br />
werden Romy nicht lange<br />
als Duo erhalten bleiben.<br />
Ihr „Papili" hat bei der<br />
Erziehung spätestens nach<br />
der Trennung von Romys<br />
ehrgeiziger Mutter 1943<br />
wenig zu melden – und versucht<br />
es wohl auch nicht.<br />
Ihr Vater, er fehlt Romy.<br />
Der schmierige, kontrollverrückte<br />
Geschäftsmann<br />
Hans Herbert Blatzheim,<br />
den Magda Schneider<br />
1953 heiratet, ist keine Willy Fritsch, Magda Schneider<br />
Alternative, sondern eine<br />
und Romy Schneider in<br />
„Wenn der weiße Flieder wieder blüht“<br />
Qual. Er will mit Romy<br />
Geld scheffeln, die Mutter will durch hdie Tochter weiter Engagements<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
erhalten. Am Anfang, 1953 in Romys erstem Kinofilm „Wenn der weiße<br />
Flieder wieder blüht" und danach an der Seite der großen Lilli Palmer in<br />
„Feuerwerk", ist Romy die Unbekannte. Spätestens mit dem ersten Teil<br />
als Kaiserin von Österreich läuft Romy ihrer Mutter den Rang ab. Sie<br />
ist der Star. Aber Mutter und Stiefvater wachen über Romy – „wie über<br />
eine Henne, die goldene Eier<br />
legt", beschreibt es der französische<br />
Journalist Jean-Pierre re<br />
Lavoignat in seinem 2012 bei<br />
Edel erschienenen Bildband<br />
mit dem schlichten Titel<br />
„Romy". Wunderschöne Fotos<br />
zeigen die große Schauspielerin eri<br />
– weitab von der zuckersüßen<br />
Sissi –, wie sie gern gesehen en werden<br />
wollte: facettenreich. Gemeinsam mit Romys<br />
Tochter Sarah Biasini ist es ihm gelungen, gen, auch<br />
die Traurigkeit und Zerrissenheit der Filmikone<br />
darzustellen.<br />
Letztere Gefühlsstände zeigen sich<br />
bei<br />
Schneider schon Ende der 50er Jahre.<br />
Das<br />
Publikum in Deutschland, aber auch in anderen<br />
Ländern, Filmleute, Mutter, Stiefvater und selbst<br />
der Bildungsminister drängen n auf<br />
weitere<br />
Sissi-<br />
s Teile. Zu einem dritten Part muss die 19-Jährige<br />
bereits gezwungen werden. Immerhin hatte sie<br />
zu<br />
diesem Zeitpunkt längst Klassiker siker wie „Monpti"<br />
mit Horst Buchholz und „Scampolo" mit<br />
Paul Hubschmid abgedreht – alle 1957.<br />
Gebraucht hat sie Sissi nicht mehr. Aber die<br />
weiterhin kriegsgebeutelten Menschen<br />
und die Produzenten, die brauchten<br />
diese heile Welt. Sie war ja rentabel.<br />
Romys Widerstand gegen einen<br />
n<br />
geforderten vierten „Sissi"-<br />
s Teil trägt Früchte. Aus Sicht der<br />
Deutschen verschmäht sie ihre Fans.<br />
Auch, weil sie nach Paris geht. Sie will<br />
Romy Schneider<br />
Seite 38 ■ GoodTimes 2/2013
leben, spielen, lernen und lieben. Und das<br />
so weit<br />
weg<br />
wie möglich, weg von der Mutter und vor allem<br />
von deren Mann, der den jungen, schönen<br />
Filmstar sexuell bedrängt haben soll. Bei<br />
den Dreharbeiten zu „Christine" lernt<br />
sie 1958 Monsieur Alain Delon kennen.<br />
Einen schnittigen Typen, der<br />
vor Lässigkeit strotzt, ein charmanter<br />
Rebell, erst angehender Star in<br />
Mutter. Harry Meyen heißt der Glückliche, mit dem<br />
sie 1966 den vermeintlichen Bund fürs Leben<br />
schließt. Er ist der Vater ihres im Dezember des<br />
gleichen<br />
en Jahres geborenen Sohns David.<br />
Für die Kamera – und offiziell auch nur<br />
für sie – werden Romy und Alain noch<br />
einmal zum Liebespaar. Es knistert, es<br />
gibt Sexszenen – bis der Regisseur<br />
„Cut" ruft. Und laut Schneiders<br />
seinem Land – Frankreich. Er ist<br />
Tagebuchaufzeichnungen habe<br />
das Gegenteil von dem, was Romy<br />
kennt. Anders als ein 22 Jahre<br />
älterer, gestandener und ohne<br />
Frage attraktiver Curd Jürgens. Im<br />
sie nichts mehr empfunden für<br />
die einst große Liebe. Es sei so<br />
gewesen, als ob sie eine Mauer<br />
umarme.<br />
Fokus hat dessen Nachlassverwalter r<br />
N<br />
Gunter Fette eine „kurze, aber<br />
ach Dietrichs letzten großen<br />
intensive Liebesbeziehung" (im<br />
Rollen, „Zeugin der Anklage"<br />
Sommer 1957) zwischen den beiden<br />
enthüllt. Mit ihrer naiven Art habe<br />
er aber nichts anfangen können. n. Der<br />
junge Delon dafür umso mehr, nachdem<br />
anfängliche Vorurteile – sie fand ihn arrogant, roga<br />
er hielt sie für ein dummes Gänschen – über Bord<br />
geworfen waren.<br />
Romy Schneider in „Sissi“<br />
(„Witness For The Prosecution", 1957)<br />
sowie „Urteil von Nürnberg", glänzt<br />
die Diva Anfang der 70er Jahre mit wei-<br />
ßem Pelz<br />
und Paillettenrobe als gefeierte<br />
Sängerin auf großen Bühnen. Während es<br />
für Marlene das<br />
Jahrzehnt ihres Karriereendes ist,<br />
ist es für Romy das bedeutendste ihres Filmlebens. Sie<br />
G<br />
überzeugt in Frankreich r mit Frauenrollen, für die sie ernstgenommen<br />
wird und Anerkennung erhält. Als Prostituierte in „Das Mädchen<br />
enau wie Marlene Dietrich in den 40er Jahren mit Jean Gabin hat<br />
auch Romy Schneider in Frankreich mit einem Franzosen ihre große und der Kommissar" („Max et les Ferrailleurs", 1970), als in einer<br />
Liebe gefunden. Sie kann ihre schauspielerischen Leistungen voll aus sich<br />
herausholen, er entwickelt seine Fähigkeiten und wird zum Star. Und was<br />
Marlene bereits knapp 30 Jahre zuvor getan hat, macht nun auch Romy:<br />
Sie verlässt Deutschland, will nicht mehr in Konventionen passen müssen.<br />
Dreiecksbeziehung zwischen Yves Montand und Sami Frey gefangenen<br />
Rosalie in „César und Rosalie" von 1972, als „Wildes Schaf" 1973 oder in<br />
Claude Sautets „Eine einfache Geschichte" („Une histoire simple", 1978),<br />
wofür sie ihren zweiten César einheimst.<br />
Und wie Marlene wird Romy als Vaterlandsverräterin beschimpft.<br />
D<br />
Nur dass es bei der einen um die Unterstützung amerikanischer Soldaten ie 70er sind auch das Jahrzehnt, in dem sich die beiden großen<br />
ging, und bei der anderen wieder einmal um „Sissi". Jean-Pierre Schauspielerinnen persönlich begegnen. So beschreibt Cathrin<br />
Lavoignat beschreibt es im Bildband „Romy" so:<br />
„Es<br />
dürstet sie nach<br />
Kahlweit in ihrem Buch „Jahrhundert-Frauen" von 2001 eine Szene in<br />
dem Absoluten." Das findet<br />
Schneider zwar bereits<br />
den Star auf dem Karrierehöhepunkt, trifft. Die Schneider<br />
der Pariser Orangerie, wo der scheidende Star auf Romy,<br />
Romy Schneider<br />
in der sehr anspruchsvollen<br />
Rolle der gespaltenen,<br />
sich in ihre Lehrerin verliebenden<br />
Internatsschülerin<br />
Manuela von Meinhardis<br />
in „Mädchen in Uniform"<br />
(1958), wieder an der Seite<br />
der von ihr so verehrten Lilli<br />
Palmer. Und nach einem<br />
lässt der Dietrich über einen Kellner eine Kette überreichen,<br />
und laut Daniel Biasini, Romys zweitem Ehemann, sind die<br />
Diven ins Gespräch gekommen – mit ungeahnten Folgen.<br />
Marlene erweist sich später als Nachschublieferantin für<br />
Romys Medikamentensucht. Da Romys Lebenspartner sie<br />
diesbezüglich überwachen, kommt sie nicht ohne weiteres<br />
an Pillen. Die erfinderische Dietrich höhlt Bücher aus, legt<br />
Packungen hinein und lässt die „Präsente" per Boten bei<br />
Romy abgeben.<br />
kurzen Ausflug zurück<br />
S<br />
in die Reifröcke – wobei<br />
chneider macht in den 70ern nicht mehr nur mit tollen<br />
Rollen von sich reden. Private Schicksalsschläge,<br />
„Katja, die ungekrönte<br />
Kaiserin" („Katia", 1959)<br />
an der Seite des einsti-<br />
etwa die Scheidung von Harry Meyen 1975 mit dem<br />
einhergehenden Verlust ihres halben Vermögens, um sich<br />
gen Kurzzeitliebhabers<br />
damit das Sorgerecht für David zu erkaufen, machen<br />
Curd Jürgens rein gar<br />
ebenso Schlagzeilen wie ihre zunehmende Tabletten- und<br />
nichts gemein hat mit der<br />
Puderzuckerwelt von „Sissi"<br />
– darf sich Schneider im<br />
Alkoholsucht. Ein Lichtblick ist die Geburt von Tochter<br />
Sarah im Juli 1977. Doch das Jahrzehnt endet genauso<br />
schwarz (Romys zweite Ehe scheitert, Ex-Mann Harry<br />
Episodenwerk „Boccacio<br />
Meyen erhängt sich 1979), wie das nächste beginnt. Ihr<br />
70" (1961) als erwachsene<br />
Frau auf der Leinwand präsentieren.<br />
Aber ihr richtiges schauspielerisches h Vermögen offenbart sich in den<br />
späten 60er und vor allem 70er Jahren. Nachdem sich Delon 1963<br />
von Romy, wie einst Gabin von der Dietrich (übrigens der einzige ihrer<br />
Liebhaber, der diesen Schritt wagte) während ihres Ausflugs nach<br />
Hollywood getrennt hat, ist sie zwar am Boden zerstört, doch nach<br />
einem versuchten Selbstmord erscheint sie stärker denn je. Selbst als<br />
sie 1968 wieder auf Delon trifft. Wie schon für die Dreharbeiten zu<br />
„Christine" holt er sie zehn Jahre später für den Erotikthriller „Der<br />
Swimmingpool" („La Piscine") vom Flughafen ab. Romy ist eine wunderschöne,<br />
fast 30-jährige Frau, Ehefrau um genauer zu sein. Und<br />
Körper macht nicht mehr mit, und so muss ihr 1981 eine<br />
Niere entfernt werden. Noch in der Erholungsphase und<br />
mit neuer Rolle als „Spaziergängerin von Sans-Souci" auf<br />
Halde, erleidet Romy den größten Schicksalsschlag, den eine Mutter<br />
erleiden kann: Sohn David spießt sich am 5. Juli 1981 an einem spitzen<br />
Zaun auf und stirbt. Der einzige Halt ist der Film, von dem zu<br />
diesem Zeitpunkt keiner ahnt, dass es ihr letzter werden sollte. Am 29.<br />
Mai 1982, Pfingstsonnabend, findet Romy Schneiders Lebenspartner<br />
Laurent Pétin sie zusammengesunken am Schreibtisch vor. Ihr gebeuteltes<br />
Herz konnte dieser erst 43 Jahre jungen Mimin einfach keine<br />
Kraft mehr geben. Es hörte auf zu schlagen – wie genau zehn Jahre<br />
später in derselben Stadt bei Marlene Dietrich am 6. Mai 1992.<br />
Claudia Tupeit<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 39<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber
Auf den Spuren von König Leonidas<br />
300" UND<br />
Der Lowe<br />
..<br />
von Sparta"<br />
"<br />
"<br />
Schädel bersten unter Schwerthieben,<br />
aus klaffenden Wunden<br />
ergießen sich Ströme von Blut,<br />
mit einem Streich trennen blitzende<br />
Stahlklingen Häupter von<br />
den Rümpfen – 300 Griechen<br />
kämpfen heldenmütig gegen<br />
ein persisches Millionenheer<br />
und halten diesem stand. Erst<br />
feiger Verrat kann die Tapferen<br />
bezwingen, die sehenden Auges<br />
stolz in den Tod gehen.<br />
Von Jens-Uwe Berndt<br />
So will es die Legende. Und genau so erzählt der<br />
Hollywood-Streifen „300" die Geschichte von König<br />
Leonidas, der 480 vor Christus mit 300 Spartanern<br />
bei den Thermopylen zwischen dem Kallidromos-<br />
Gebirge und dem Malischen Golf einer zigfach überlegenen<br />
Streitmacht die Stirn bot. Für ein freies<br />
Sparta, für die Ehre der Hellenen.<br />
Noch heute, 2500 Jahre später, ist dieses<br />
Ereignis vor allem in Mittel- und Südgriechenland<br />
allgegenwärtig. Ob man in Souvenirläden<br />
auf gusseiserne Miniaturausgaben des<br />
Speer werfenden Leonidas trifft, sich<br />
in Spielzeuggeschäften mit den aus<br />
Kunststoff nachgebildeten Helmen der<br />
Spartanern schmücken kann oder vom<br />
kindgerechten Bildband bis zur historisch fundiert anmutenden<br />
Abhandlung Literatur in diversen Buchläden<br />
ersteht e – Leonidas und die Schlacht bei den Thermopylen<br />
sind ein Verkaufsschlager bei den Touristen. Das 2007 in die<br />
Kinos gekommene und zu einem der erfolgreichsten Filme<br />
des Jahres avancierte Schlachtengemälde „300" mit Gerard<br />
Butler in der Hauptrolle hat der Popularität dieses an sich<br />
schon denkwürdigen Moments griechischer Geschichte<br />
durchaus Vorschub geleistet. Denn mittlerweile bieten<br />
Händler T-Shirts und Pullover mit den unterschiedlichsten<br />
Sparta- und Leonidas-Motiven an, bei denen historischer<br />
Hintergrund und filmische Symbolik verschmelzen.<br />
Das war 1961 noch ganz anders. Da ging die Leinwand-<br />
Adaption des Stoffes nicht nur an der Kinokasse unter.<br />
Wenngleich der Streifen „Der Löwe von Sparta" („The 300<br />
Spartans") sich tatsächlich um historische Genauigkeit<br />
bemühte. Aber dazu später mehr. Bleiben wir vorerst bei<br />
„300" und starten eine Spurensuche in jenem Land,<br />
dem man die Erfindung der Demokratie zuschreibt.<br />
Ein Blick auf die Karte Griechenlands offenbart<br />
zwischen Sparta und den Thermopylen eine beträchtliche<br />
Entfernung. Mit dem Auto muss man – je nachdem,<br />
ob sich der Fahrer für die kostenfreie Landstraße<br />
oder die gebührenpflichtige Autobahn entscheidet<br />
– zwischen 350 und 450 Kilometer zurücklegen.<br />
Leonidas wird mit seinen Männern einst Wochen<br />
gebraucht haben, um über Land jenen Engpass zu<br />
erreichen, an dem man das feindliche Heer aufhalten<br />
wollte. Und was dem Herrscher Spartas ein strapaziöser<br />
Fußmarsch war, gestaltet sich für den Griechenland-<br />
Urlauber heute als entspannte Entdeckungstour, für die<br />
man sich allerdings Zeit nehmen sollte.<br />
Sparta, Hauptstadt Lakoniens und im Süden der<br />
Peloponnes-Halbinsel gelegen, hält nichts von dem,<br />
was der klangvolle Name dem historisch interessierten<br />
Reisenden verspricht. Die mit Palmen bestandene<br />
Hauptstraße ist hübsch anzuschauen und vermittelt<br />
den Eindruck einer geschäftigen Kleinstadt, in den
parallel angelegten Nebengassen tut sich allerdings herzlich<br />
wenig. Die ältesten Gebäude Spartas datieren aus den 30er<br />
Jahren des 19. Jahrhunderts, als die Stadt neu gegründet<br />
worden war. Trotzdem wird der Leonidas-Suchende<br />
fündig: Am Ende der breiten Ladenmeile trifft man auf<br />
das Denkmal des heroischen Königs. Den Schild vorm<br />
Körper, ist er mit dem Kurzschwert in der Rechten<br />
bereit zuzustoßen. Die Augen muten puppenhaft<br />
an, sorgen allerdings dafür, dass selbst von dieser<br />
steinernen Maske eine hypnotische Wirkung ausgeht.<br />
Hält man sich vor der Statue stehend links, gelangt<br />
man nach wenigen Metern an eine Hinweistafel, die<br />
einem das „Alte Sparta" verkündet. Davon sind allerdings<br />
nur noch Fundamentfragmente geblieben. Es<br />
ist eine immense Vorstellungskraft vonnöten, um in<br />
diesem Ruinenfeld Atmosphäre zu tanken.<br />
Das Leonidas-Denkmal an den Thermopylen.<br />
Die Spartaner werden ihre Heimat gen Norden verlassen haben. In<br />
diese Richtung geht es ohne Umwege nach Tripolis. Die Straße führt zum<br />
Teil durch Gebirgswelten erhabener Weite. Typisch sind Serpentinen,<br />
die den ungeübten Kraftfahrer vor enorme Herausforderungen stellen.<br />
Die Griechen sind diese Strecken gewöhnt und scheinen jede noch so<br />
unübersichtliche 180-Grad-Kurve zu kennen. Wer sich allerdings von<br />
Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />
der filigransten Art feilgeboten und stoßen Souvenirjäger r auf<br />
Mitbringsel, die es so woanders vermutlich nicht zu finden gibt.<br />
In den Abendstunden erklingen an der stimmungsvoll ausgeleuch-<br />
u teten Hafenpromenade typisch griechische Weisen, en,<br />
laden unzählige<br />
Gaststätten zum Verweilen ein.<br />
Wollte sich Leonidas vom Orakel in Delphi ein<br />
gutes Omen<br />
für die Schlacht gegen die Perser ausstellen lassen sen oder<br />
nicht? Die Überlie ferung jedenfalls sieht den König den einstigen<br />
„Mittel-<br />
punkt<br />
der Welt"<br />
aufsuchen.<br />
Die<br />
Weissag<br />
ung soll<br />
schlecht<br />
ausgefallen<br />
sein, was den<br />
Krieger allerdings<br />
nicht<br />
daran hinderte,<br />
mit seinen<br />
Männern<br />
Das Schlachtfeld an den Thermopylen,<br />
wie es heute aussieht.<br />
trotzdem gegen die Eindringlinge zu ziehen. Heute ist Delphi – von<br />
Korinth weiter gen Norden zweieinhalb Autostunden entfernt – eine<br />
der meistbesuchten antiken Stätten Griechenlands überhaupt. Man<br />
spricht von jährlich über einer Million Gäste, die es zum Apollon-<br />
Heiligtum zieht. Der Tourist wird an diesem Ort geradezu einer Flut<br />
von Eindrücken und Bildern ausgesetzt, die an einem Tag kaum aufzunehmen<br />
sind.<br />
Bis zu den Thermopylen sind es von hier aus noch gute 70 Kilometer.<br />
Sicher wären die in eineinhalb Stunden mit dem Pkw locker zu schaffen.<br />
Allerdings bieten sich dem Reisenden gerade entlang der Straße<br />
zum Malischen Golf über Amfissa die wundervollsten Landschaftsbilder,<br />
dass Stopps am Wegesrand zwangsläufig eingelegt werden müssen.<br />
In Bilderbuchtälern,<br />
zwischen<br />
Bergen,<br />
deren Ausläufer<br />
wie<br />
erstarrte<br />
Lavaströme<br />
in<br />
die Senke reichen,<br />
liegen<br />
winzige weiße<br />
Dörfer. Manche<br />
sind<br />
von<br />
Olivenplantagen<br />
Serpentinen<br />
unweit Nafplion<br />
Der Berg, der zum Schicksal der Kämpfer aus Sparta wurde.<br />
Über ihn umgingen die Perser Leonidas Streitmacht.<br />
aufblitzenden Scheinwerfern oder ungeduldigem Hupen aus der Ruhe<br />
bringen lässt, lebt angesichts manch steilen Abhangs gefährlich.<br />
Auf dem Weg zur Landenge<br />
Korinth, die Peloponnes und<br />
umschlossen, andere leuchten – auf einem Plateau errichtet t – über die<br />
Ebene hinweg. In diesen Orten findet der Tourist selten Zerstreuung.<br />
So wie die Natur schweigt, geht<br />
auch von den<br />
Restgriechenland verbindet,<br />
Dörfern eine<br />
locken Nafplion – als „schönste<br />
Stadt Griechenlands" – am<br />
tiefe<br />
aus.<br />
Stille<br />
Argologischen Golf und die antike<br />
Zirka 15 Kilo-<br />
Ausgrab ungsstätte Mykene,<br />
meter<br />
südlich<br />
zirka 25 Kilometer nördlich.<br />
Lamias<br />
befinden<br />
Während die Festungsreste durchaus<br />
sich die<br />
dem Charakter der Leonidas-<br />
Tour entsprechen, entführt das<br />
Thermopylen.<br />
Als Leonidas und<br />
Hafenstädtchen Nafplion eher in<br />
seine<br />
Truppen<br />
die Welt der größten Griechenland-<br />
Klischees. In bezaubernden Gassen,<br />
480 vor Christus<br />
für drei Tage den<br />
von Blumenbögen gekrönt, reiht<br />
Soldaten<br />
von<br />
sich ein Schmuckgeschäft an<br />
Xerxes I. verlustreiche<br />
Kämpfe<br />
Das alte Sparta - ein Ruinenfeld<br />
das nächste, wird Kunstgewerbe<br />
bescher-<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 41
ten, waren zwischen<br />
den hart aufsteigenden<br />
Bergen und dem Steilufer<br />
im Durchschnitt gerade<br />
mal 15 Meter Platz.<br />
Der Historiograf und<br />
Völkerkundler Herodot<br />
hinterließ in seinen<br />
„Historien" die umfassendste<br />
Schilderung der<br />
legendären Schlacht.<br />
Zwar erfährt man<br />
schon bei Herodot, dass<br />
Leonidas’ Streitmacht<br />
inklusive aller verbündeter Mannschaften um die 4500 Soldaten<br />
gezählt habe, Xerxes Armee bläst er jedoch zu einem 2,5-Millionen-<br />
Ungetüm auf, was die Leistung der Spartaner vermutlich ins<br />
Übermenschliche steigern sollte. Aktuelle Militärhistoriker sprechen<br />
allerdings von einem Kräfteverhältnis von zirka 5000 bis 7000<br />
Mann auf der Seite der Verteidiger und 50.000 bis<br />
120.000 unter dem Kommando des Perserkönigs.<br />
Die<br />
heroische Tat des Sparta-Königs, der nach<br />
einer Umgehung durch die Perser mit seinen<br />
300 Auserwählten den Rückzug der<br />
Griechen deckte, schmälert das nicht. Das ihm<br />
unweit des Kampfplatzes gewidmete großflächige<br />
Denkmal wird mittlerweile selbst in<br />
der Vor- und Nachsaison von Reisegruppen<br />
im<br />
15-Minuten-Takt frequentiert. Den meis-<br />
ten<br />
Rundfahrt-Touristen bleibt tatsächlich nur<br />
diese knappe Viertelstunde, um von dem<br />
einen Speer schleudernden, muskelbepackten<br />
Superhelden Fotos zu schießen. Die seitlich<br />
angebrachten Schautafeln, die den historischen<br />
Hintergrund erläutern und den Verlauf<br />
der Schlacht dokumentieren, finden nur wenige. Und die, die es bis<br />
dahin schaffen, fotografieren die Aufsteller schnell, um sich das Ganze<br />
eventuell zu Hause am Computer durchzulesen.<br />
Ohne Reisegruppenzwang bietet der mythische<br />
Ort weit mehr als lediglich die toten Steine<br />
der Gedenkstätte. Sicher, aus den 15 Metern von<br />
vor 2500 Jahren sind durch Versandung bis zu<br />
den Ufern des Malischen Golfs mehrere Kilometer<br />
geworden, eine Vorstellung von den landschaftlichen<br />
Gegebenheiten von einst bekommt allerdings<br />
jeder, der am Fuße der Berge die unmittelbare<br />
Gegend erkundet.<br />
Angesichts des gigantischen Gebirgsmassivs,<br />
mit dem zu Stein gewordenen Ebenbild des Königs<br />
im Rücken, sind die Bilder aus dem Hollywood-<br />
Hit „300" wieder da. Man sieht Schauspieler<br />
Gerard Butler als personifizierten Leonidas reihenweise<br />
Perser niedermachen, hört das lärmende<br />
Kriegsgetümmel. Gleichzeitig wird einem bewusst,<br />
dass es hier um Größeres geht, als nur an ein blutiges<br />
Gemetzel zu erinnern. Die Griechen setzten<br />
Heldenmut, Opferbereitschaft und Freiheitswillen<br />
ein Denkmal.<br />
Die Comic-Verfilmung „300", die vor allem mit einer Flut an<br />
überwältigenden Bildern wuchert und fast ausschließlich auf<br />
Szenen vor<br />
green<br />
en<br />
und<br />
blue screens basiert, ist<br />
von einer er historischen<br />
i Genauigkeit – so diese<br />
bei diesem eher mythologischen<br />
Thema überhaupt<br />
möglich ist – weit<br />
entfernt. Dem Erfolg<br />
des Blockbusters, der<br />
bei 65 Millionen Dollar<br />
Produktionskosten weltweit<br />
über 450 Millionen<br />
Dollar einspielte, tat dieser<br />
Fakt keinen Abbruch.<br />
Leonidas verabschiedet sich von Frau und Sohn.<br />
Um Geschichts unterricht auf der Leinwand waren vorher<br />
bereits andere bemüht. Unter Rudolph Maté entstand 1961 der<br />
Monumentalfilm „Der Löwe von Sparta". Richard Egan (er spielte<br />
in „Love Me Tender" an der Seite von Elvis Presley dessen älteren<br />
Bruder Vance Reno) verkörperte König Leonidas. Gegenspieler<br />
Xerxes wurde von David Farrar dargestellt, der mit dem Griechen-<br />
Die Mitglieder des Rates von Sparta lassen ihren<br />
König im Stich.<br />
Epos seine Schauspielerkarriere beendete. Auch bei Maté stehen<br />
die 300 Spartaner im Mittelpunkt, allerdings bekommen die verbündeten<br />
Griechen – unter anderem die Thespier – weit mehr<br />
Raum, so dass das Schlachtengemälde nicht<br />
wie in „300" einer Superhelden-Mär gleicht,<br />
sondern als Wiedergabe einer bedeutenden<br />
Episode der Weltgeschichte rüberkommt.<br />
Auch wird den politischen Hintergründen jene<br />
Aufmerksamkeit zuerkannt, die nötig ist, um<br />
die Zusammenhänge zu verstehen, die die<br />
damaligen Ereignisse forcierten.<br />
Richard Egan, per se eine stattliche<br />
Erscheinung, macht als Leonidas eine gute<br />
Figur. Interessanterweise hatte der Mime für<br />
„Der Löwe von Sparta" doch glatt die Seiten<br />
gewechselt, denn nur knapp zwei Jahre zuvor<br />
war er für den von Italien produzierten<br />
Historienschinken „Das Schwert von Persien"<br />
(„Esther And The King") neben Joan Collins in<br />
der Rolle der titelgebenden Esther als Xerxes I.<br />
vor der Kamera gestanden.<br />
„Der Löwe von Sparta" bietet ein Heer<br />
von Statisten auf, schwelgt in bezaubernden<br />
n<br />
Landschaftsaufnahmen, n, ist verschwitzt t und<br />
staubig. Die USA-Produktion passte in den Spät-50ern und 60ern<br />
vorherrschenden Boom der Monumentalfilme, me, war aber nur mäßig<br />
erfolgreich. Heute ist der Streifen weitestgehend ehend vergessen,<br />
wenn-<br />
n-<br />
Seite 42 ■ GoodTimes 2/2013
gleich er für die<br />
Entstehung des<br />
Hollywood-Hits<br />
„300" eine maßgebliche<br />
Rolle<br />
spielte:<br />
Frank<br />
Miller ließ sich durch<br />
„The 300 Spartans" zu<br />
seinem 1998 entstande-<br />
nen Comic-Roman „300" inspirieren.<br />
Hier schließt sich der Kreis.<br />
Angesichts des äußerst spartanischen(!)<br />
Umgangs mit dem Thema in der Welt<br />
des Films ist es durchaus bemerkenswert,<br />
dass „300" in den USA ebenso wie in<br />
Europa massenweise das Kinopublikum<br />
begeisterte. Mit diesem Erfolg ändert sich<br />
nun offenbar auch die zurückhaltende<br />
Betrachtung der Figur des Leonidas: Wie<br />
seit einem Jahr durch einschlägige<br />
ge<br />
Kinoportale geistert, wird an einem<br />
„300"-Prequel gearbeitet, das den<br />
Titel „300: Battle of Artemisia" tragen<br />
soll. Gerard Butler hat seine<br />
Teilnahme bereits abgesagt. Angeblich<br />
soll ihm das Drehbuch nicht gefallen<br />
haben.<br />
© Pressefotos<br />
Eleonas bei Amfissa. Ein typisches Bild auf dem<br />
Weg zu den Thermopylen.
Der Under -<br />
ground mischt<br />
die Superhelden<br />
auf<br />
U- Comix<br />
Von Jörg Trüdinger<br />
In unserer heutigen, so schnelllebigen, vom<br />
Takt des Internets und der Globalisierung<br />
bestimmten Zeit sind anderthalb Jahre eine<br />
kleine Ewigkeit. Die Zeit reicht, dass mehrere<br />
Trends ihren Weg rund um den Globus zurücklegen<br />
und wieder abebben. In den 60er Jahren<br />
dagegen benötigte ein Trend, der in den USA<br />
entstanden war, fast die gleiche Zeit, nur um nach<br />
Deutschland zu kommen und wahrgenommen zu werden:<br />
der Underground-Comic.<br />
Anlässlich eines Straßenfestes am 23. Februar 1968 an<br />
der legendären Ecke Haight Street/Ashbury Street in San<br />
Francisco verkaufte Robert Crumb „Zap Comix Nr. 1”. Das<br />
war eine neue Art von Comic, das sich nicht an die alten<br />
Regeln hielt, nicht immer jugendfrei war und politische Botschaften<br />
jenseits des „amerikanischen Traums" verkündete. Dieses eine Heft<br />
löste geradezu eine Lawine an Nachahmern aus, so dass es in den USA<br />
bald jede Menge junger Comic-Zeichner und unglaublich viele Comics<br />
nach Crumbs Vorbild gab, womit eine neue Comic-Gattung geschaffen<br />
war: die Underground-Comics oder kurz U-Comix.<br />
Als sich Mitte der 60er in San Francisco<br />
und Umgebung die Flower-Power-<br />
Bewegung entwickelte, kamen mit ihr<br />
Ideen auf, die zum Teil bis heute auf viele<br />
gesellschaftliche Bereiche wirken. Warum<br />
die jungen Leute, darunter sehr viele<br />
Studenten, nicht mehr so leben wollten<br />
wie ihre Eltern, hatte unzählige Gründe.<br />
Ein ganz wichtiger Auslöser für den neuen<br />
Generationenkonflikt war sicherlich der<br />
Vietnamkrieg, auch spielte vermutlich der<br />
Kampf um die Gleichberechtigung der<br />
Frauen und der Farbigen eine große<br />
Rolle sowie die Erkenntnis, dass 20 Jahre<br />
nach Ende des Zweiten Weltkrieges der<br />
Wirtschaftsboom abebbte. Das Leben der<br />
Jugendlichen der 60er Jahre wurde geprägt<br />
durch den Kalten Krieg, die Kubakrise<br />
und so genannte Stellvertreterkriege auf<br />
der halben Welt. Sie waren umgeben<br />
von politischen und gesellschaftlichen<br />
Konflikten, was sie nach einem alles vereinnahmenden<br />
Frieden suchen ließ. Das<br />
neue Lebensgefühl durchdrang sämtliche<br />
vorherrschenden Kunstformen, beeinflusste<br />
sie oder stellte sie gleich mal ganz auf<br />
den Kopf.<br />
In diesem spannenden und äußerst anregenden<br />
Umfeld entstanden die ersten<br />
U-Comix als Reaktion auf die heile Welt<br />
der anderen amerikanischen Comic-Serien,<br />
die damals wie heute von den moralisch<br />
einwandfreien und für die amerikanischen<br />
Ideale stehenden Superhelden dominiert<br />
wurden. Superhelden, die stellvertretend<br />
für die USA stets gegen das Böse kämpften<br />
und am Ende immer als strahlende Sieger<br />
da standen. Ganz bewusst wurde das x im<br />
Namen der Comix eingeführt, um sich von<br />
all den anderen Comics schon im Namen<br />
deutlich zu unterscheiden.<br />
Wichtige und bis heute bekannte<br />
Zeichner der frühen U-Comix waren<br />
Gilbert Shelton, dessen „Freakbrothers"<br />
nach wie vor fast weltweit verkauft werden,<br />
Robert Crumb, Herausgeber und<br />
Zeichner von „Zap Comix Nr. 1", S. Clay<br />
Wilson oder Vaughn Bodé.<br />
Die ersten deutschen U-Comix<br />
erschienen über ein Jahr nach „Zap<br />
Comix". Deutscher U-Comix-Pionier<br />
war Raymond Martin aus Nürnberg, in<br />
dessen Verlag UPN – „Undefinierbare<br />
Produktionen aus Nürnberg" – 1969 das<br />
deutsche „U-Comix Nr. 1" erschien. Auf<br />
billigem Papier und in schlechter Qualität<br />
druckte Martin amerikanische Serien unter<br />
anderem von Gilbert Shelton und S. Clay<br />
Seite 44 ■ GoodTimes 2/2013
Wilson sowie einige<br />
Eigenproduktionen<br />
von eher zweifelhaftem<br />
künstlerischem<br />
Wert.<br />
Interessanterweise<br />
war die deutsche<br />
Szene sehr viel politischer<br />
geprägt als<br />
die Bewegung in den<br />
USA, und viele der im Bereich U-Comix aktiven Personen kamen<br />
aus der Studentenbewegung. Da gerade in diesen Kreisen eine Art<br />
Allgemeingutmentalität herrschte, ähnlich der heutigen Diskussion<br />
über Urheberrechte im Internet, war es gewissermaßen nur konsequent,<br />
dass man die amerikanischen Serien abdruckte, ohne Lizenzen<br />
zu bezahlen. In den folgenden 15 Jahren war Raymond Martin eine<br />
der schillerndsten Figuren der deutschen Comic-Szene und hatte mit<br />
seinem aus den UPN hervorgegangenen Volksverlag über längere Zeit<br />
durchaus wirtschaftlichen Erfolg. Vor allem sind seine Verdienste im<br />
Bereich der Erstveröffentlichung amerikanischer und franco-belgischer<br />
Serien für erwachsene Comic-Leser unumstritten. Viele dieser Serien<br />
erschienen in deutscher Sprache erstmals im Volksverlag, und wer weiß,<br />
ob sich heute Menschen jenseits des Grundschulalters trauen würden,<br />
Comics zu lesen, wenn es nicht Wegbereiter wie den Volksverlag in den<br />
70er Jahren gegeben g hätte.<br />
Es war aber nicht nur<br />
Raymond Martin, der<br />
Ende der 60er Jahre auf<br />
die amerikanischen U-Comix<br />
aufmerksam wurde. Im<br />
Frankfurter März Verlag<br />
erschien 1970 „Head Comix"<br />
von Robert Crumb, ein absoluter<br />
U-Comix-Klassiker und<br />
bereits damals in erstaunlich<br />
guter Qualität gefertigt.<br />
Herausgeber und<br />
Übersetzer war Bernd Brummbär, der wirklich so hieß<br />
und nicht für die noch etwas<br />
schmuddeligen Comics einen<br />
Künstlernamen angenommen<br />
hatte. Im Jahr darauf<br />
erschien bei Brumm Comix<br />
„Die Militanten Panthertanten",<br />
ein Comicreader mit deutschen<br />
Erstveröffentlichungen vieler<br />
amerikanischer Serien. Für diesen<br />
Band war ebenfalls Bernd<br />
Brummbär zusammen mit Herbert<br />
Grenzwart verantwortlich.<br />
Aufgrund des nicht immer jugendfreien Materials,<br />
das in den U-Comix abgedruckt wurde, war die<br />
Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ständig<br />
aktiv und setzte viele der frühen Hefte auf den Index.<br />
Damit war es nicht mehr erlaubt, die Hefte an Jugendliche<br />
zu verkaufen. Um Ärger mit der Bundesprüfstelle zu vermeiden,<br />
findet sich in den frühen Ausgaben darum nur<br />
sehr selten ein konkreter Hinweis auf den Verlag. Ein<br />
Verlagsname und eventuell ein Ort mussten reichen, eine<br />
konkrete Adresse gab es nicht. Da der Verkauf meist über<br />
Headshops und Flohmärkte lief, war es nicht so wichtig,<br />
eine Adresse im Heft zu haben. Um den Behörden aus dem<br />
Weg zu gehen, war es sehr gut, einigermaßen anonym zu<br />
bleiben.<br />
Es wurden aber nicht nur in den Hochburgen Frankfurt<br />
und Nürnberg U-Comix verlegt, auch im hohen<br />
Norden war man aktiv. Im Bremer Verlag Schoengeist<br />
erschien 1971 der Sammelband „Gung-ho", auch in diesem dominierten<br />
wieder die Nachdrucke amerikanischer Comix das Heft. Dass<br />
man ständig Comix von Zeichnern wie<br />
S. Clay Wilson, Robert Crumb oder<br />
Gilbert Shelton in Heften<br />
verschiedener Verlage findet,<br />
die fast zeitgleich<br />
gedruckt wurden, zeigt,<br />
wie locker man es mit den<br />
Urheberrechten nahm. Nach<br />
und nach entwickelten sich<br />
dann auch einige recht gute<br />
einheimische Künstler. Ganz<br />
wichtige deutsche Texter<br />
und Zeichner der Frühzeit<br />
der U-Comix sind Mali und<br />
Werner, Bernd Reiche, Erich Rauschenbach und<br />
Peter<br />
Pfarr. Das erste Heft deutscher Underground-Zeichner<br />
war „AF Comix", das bereits 1970 herauskam und<br />
Arbeiten unter anderem von Mali und Werner sowie Erich<br />
Rauschenbach enthielt, allerdings wurde das Heft bereits<br />
nach drei Ausgaben wieder eingestellt.<br />
Auch heute, über 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung,<br />
sind viele U-Comix nach wie vor inhaltlich aktuell<br />
und brisant, vor allem Themen wie Emanzipation<br />
oder Unterdrückung Andersdenkender<br />
oder Andersaussehender<br />
beschäftigen unsere<br />
Gesellschaft nach wie vor.<br />
Andererseits hat sich die Welt<br />
seither doch sehr stark verändert,<br />
und die Zeit der Hippies<br />
ist längst vorbei, eine Pilgerreise e<br />
nach Indien löst bei den meisten<br />
Menschen nur noch ein<br />
müdes Lächeln aus, und bei den<br />
Jugendlichen haben Smartphone<br />
und Spielkonsole die Comics<br />
aller Art längst verdrängt. Wer<br />
sich aber für die Zeit der 68er<br />
interessiert und diese prägenden<br />
Jahre auch in der Gesamtschau<br />
verstehen möchte, sollte neben<br />
der Musik und der Politik ruhig<br />
auch die U-Comix analysieren. Für alle anderen gilt:<br />
Setzen Sie sich ganz gemütlich in einen Sessel, öffnen<br />
Sie ein kaltes Bier, drehen Sie die Grateful Dead auf volle<br />
Lautstärke auf und fangen Sie an, die „Freakbrothers" zu<br />
lesen – mehr Entspannung geht nicht.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 45
Die Jubiläumsedition<br />
3DVD-Box !<br />
Erstmalig<br />
auf 3 DVDs<br />
Der umfassende<br />
<strong>Formel</strong> <strong>Eins</strong><br />
Rückblick<br />
Über 7 Stunden<br />
Spielzeit<br />
Jede Menge<br />
Bonusmaterial<br />
BONUS-Video!<br />
Michael Jackson<br />
„Thriller“<br />
in voller Länge!
Ausserdem<br />
erhältlich !<br />
Die 2CD-Serie - randvoll mit Hits !<br />
Auch als MP3 erhältlich!
TV - K<br />
Krim -<br />
i i S<br />
i - er en<br />
Serien e<br />
der70 e r<br />
Teil 2<br />
Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Fernsehen mit Suchtgefahr<br />
Die bewegten 70er Jahre hatten Krimistars, die<br />
Charakter besaßen: Da waren der Kommissar aller<br />
Kommissare, Erik Ode, der unruhige Jungspund<br />
Inspector Steve Keller (Michael Douglas) und der<br />
stets zerknautschte aber weise Vorgesetzte, Detective<br />
Lieutenant Mike Stone (Karl Malden) aus "<br />
Die Straßen<br />
von San Francisco" und viele andere, die uns vor der<br />
Mattscheibe fesselten.<br />
kernden Fingerzeigen wird beim Wiedersehen mit diesem Highlight<br />
deutscher TV-Krimikunst eines klar: In jeder Folge, in jedem Profil<br />
– seien es die von Akteuren, Tätern oder Opfern – hat sich ein Stück<br />
Bundesrepublik verkapselt wie die berühmte Fliege im Bernstein.<br />
So geht Fernsehnostalgie heute: Als ich unlängst einem Freund von<br />
diesem zweiten Teil über 70er-Jahre-Kult-Krimi-Fernsehserien<br />
erzählte, tischte er mir sofort folgende Anekdote auf. Erik Ode –<br />
mit bürgerlichem Namen Fritz Erik Signy Odemar – musste in seiner<br />
Rolle als Kommissar Herbert Keller einmal spät nachts raus. Es goss wie<br />
aus Kannen. Odes Serienweib Franziska (Rosemarie Fendel) gestattete<br />
sich die Bemerkung, er solle doch seine Galoschen überziehen. Keller<br />
beugte sich zu ihr runter, küsste<br />
die zu Füßen Kniende und<br />
sagte in etwa: „Du bist lieb, aber<br />
dumm." Die Passage ist sehr<br />
bezeichnend für diese Krimireihe<br />
in Schwarzweiß, deren erste<br />
Folge im Januar 1969 im damals<br />
bereits farbigen ZDF ausgestrahlt<br />
wurde. 96 weitere Episoden sollten<br />
bis 1975 folgen, und sie<br />
zeigen bis heute nicht nur, dass<br />
die Kriminaler halbwegs liebenswerte<br />
Machos waren, sondern<br />
auch, dass die Herren Ermittler<br />
soffen und qualmten, was Assistentin it ti Rhbi Rehbein (von<br />
Keller verniedlichend Rehbeinchen genannt) kredenzte<br />
und die Tabakindustrie offerierte. Wer will, kann sich<br />
auf der amüsanten Website www.kommissar-keller.de<br />
genaues tens über den heute undenkbar gedankenlosen<br />
Umgang mit Alkohol und Nikotin informieren. Dort wird<br />
unter anderem statistisch genau aufgedröselt, wer wie<br />
viel schluckte, welche Sendung die hochprozentigste<br />
war, und wer sich was in welcher Folge hinter die Binde<br />
gekippt hat. Abgesehen von solchen eher augenzwin-<br />
Fangen wir mal mit der zentralen Figur an: Kommissar Keller. Er ist<br />
unbestritten der Boss, obwohl man seinerzeit wohl eher Chef sagte.<br />
Der<br />
kleinwüchsige<br />
Ode hatte was<br />
von einer Vaterfigur.<br />
Streng, aber gerecht.<br />
Ein Geläuterter, der<br />
nie die Contenance<br />
verliert und eigentlich<br />
auch nicht laut<br />
wird, sondern –<br />
wenn es sein muss<br />
– bestimmt, nachdrücklich.<br />
Seine<br />
Meinung ist Gesetz.<br />
Ein Mann, der jeglichen Experimenten und unabwägbaren<br />
Abenteuern abgeneigt ist, im Privaten<br />
wie im Beruf. Keller ist seit elf Jahren mit der<br />
jüngeren Franziska verheiratet. Die Ehe ist kinderlos<br />
und das Verhalten der Partner von stiller<br />
Übereinkunft geprägt. Man kommt gar nicht auf<br />
die Idee, dass die beiden noch Sex haben könnten.<br />
Alles ist geregelt und genauso langweilig, wie<br />
sich die Wirtschaftswunder-Generation ein friedliches<br />
Zusammenleben vorstellt. Sie<br />
wohnen in einem bürgerlich eingerichteten<br />
Reihenhaus mit Resopal-Sekretär,<br />
Ohrensessel und Bügelmaschine. Er<br />
trägt in der Freizeit – genau wie<br />
mein Vater – bevorzugt gemütliche<br />
Strickjacken, sammelt Briefmarken und<br />
hat im Büro ein Aquarium. Er fährt<br />
einen Opel Rekord (noch eine Parallele<br />
zu meinem Erzeuger) und raucht Kette.<br />
Der Mann, der seinen Kollegen meist<br />
einen Gedankenschritt voraus ist, hat<br />
Seite 56 ■ GoodTimes 2/2013
nicht die wanstige, rundgefressene „Wir sind wieder wer"-Wirtschaftswunder-Physiognomie<br />
eines Heinz oder Ludwig Erhardt, aber in den<br />
bewegten Spätsechzigern verkörpert er alles, was bald gestrig sein<br />
wird – eine fest gefügte Männergesellschaft, in der es keinen herrschaftsfreien<br />
Dialog, keine Widerworte und keine Andersdenkenden<br />
gibt. Seine Frau Franziska verschwindet nach gut 20 Folgen ebenso<br />
wie die Kriminalassistentin Helga Lauer. Danach sind die Herren wieder<br />
ganz unter sich. Keller ist, im Merkel'schen Sinne, alternativlos, zwar<br />
mausoid grau und eigentlich langweilig wie ein Leitz-Aktenordner.<br />
Aber man kann bei den mit hochkarätigen Kollegen (Curd Jürgens,<br />
Lilli Palmer, Götz George, Maria Schell usw.) besetzten und von ebenso<br />
hochkarätigen Regisseuren (Wolfgang Staudte, Helmut Käutner<br />
usw.) inszenierten Mordgeschichten stets auf ihn zählen. Und wenn<br />
durch eine Gewalttat der bürgerliche Frieden gestört wurde – egal<br />
ob an sozialen Brennpunkten wie in den seinerzeit noch exotischen<br />
Beatschuppen oder im großbürgerlichen Ambiente –, dann löst Keller<br />
den Fall, macht die Mörder dingfest und stellt die Ordnung wieder her.<br />
Dass man alle 97 Folgen in dem heute so nostalgisch anmutenden<br />
Schwarzweiß abdrehte und keine Zugeständnisse an die immer bunter<br />
werdende Breitwand-Rock’n’Roll-Gesellschaft machte, spricht für die<br />
Qualität dieser Serie. Horst Tappert übernahm 1974 den Stab von<br />
Serienkommissar Keller/Ode und wurde, wie man weiß, als „Derrick" bis<br />
nach Japan glubschäugiger Krimi-Kult.<br />
Eine Art amerikanischer Kommissar Keller war Karl Malden, der al s<br />
Lieutenant Mike Stone zusammen mit Inspector<br />
Steve Heller (man machte wegen oben genanntem<br />
Herbert Keller, und um Verwechslungen<br />
vorzubeugen, aus Steve Keller [Michael<br />
Douglas] hier zu Lande einen Heller) von 1972<br />
bis 1977 in den „Straßen von San Francisco"<br />
ermittelte. Stone hatte ein Gesicht wie eine<br />
Kampfzone, eine wuchernde Ex-Boxer-Nase,<br />
großporige Haut, pastoralen Dackelblick. Wenn<br />
Heller übers Ziel hinausschoss – und das<br />
war eine seiner hervorstechendsten<br />
Eigenschaften –, holte Stone den<br />
hyperaktiven Jungspund zurück<br />
auf den Boden der Tatsachen<br />
und Gesetze. Stone war für Heller eine Vaterfigur, ebenso wie der<br />
deutsche Herbert K. für seine Ermittler. Nur dass in Amerika ein<br />
anderer Wind, ein anderes Tempo vorherrschten. Hier gab’s und gibt’s<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
eine Golden Gate Bridge, die Bay Area und die für Verfolgungsjagden<br />
bestens geeigneten steilen Straßen. Hier war – im Gegensatz zum<br />
beschaulichen München – eine echte Metropole der Backdrop für die<br />
Verbrechensbekämpfung. Und dieses urbane Umfeld und die dort agierenden<br />
Gangster sorgten für coole Stories und authentische Spannung.<br />
Malden und Douglas haben, so wird’s zumindest kolportiert, einige Zeit<br />
beim echten San Francisco Police Department (SFPD) hospitiert, um der<br />
an Originalschauplätzen gedrehten Drama-Serie die realistische Note zu<br />
geben. Und die „Kollegen" mochten die Fernsehdarsteller und halfen,<br />
wo sie konnten. Heute undenkbar: Damals wurden ganze Straßenzüge<br />
von SF für die Dreharbeiten abgeriegelt. Einer der Hauptgründe für<br />
den Erfolg der Serie, von der das ZDF 100, teilweise unsinnig gekürzte<br />
Folgen ausstrahlte, war<br />
das Zusammenspiel der<br />
beiden Protagonisten,<br />
die eine Art Vater-<br />
Sohn-Verhältnis hatten,<br />
im Leben wie auch<br />
auf der Leinwand.<br />
Malden, ein altgedienter<br />
Hollywood-<br />
Veteran, der alle<br />
Gefühlsregungen des<br />
Zerknirschtseins oder<br />
Zornes mimisch drauf<br />
hatte, spielte den<br />
damals noch relativ<br />
unbekannten Partner Michael Douglas perfekt an. „Die Straßen von<br />
San Francisco", basierend auf der Detektivromanvorlage „Poor Poor<br />
Ophelia" von Carolyn Weston, markierte den Durchbruch für Michael<br />
Douglas, dessen nervöser Sex-Appeal besonders auf pubertierende<br />
Zuschauerinnen großen Eindruck machte.<br />
Als er in der zweiten Episode der fünften<br />
Staffel angeschossen wurde und aus dem<br />
aktiven Polizeidienst ausschied, um an<br />
der Polizeiakademie zu unterrichten,<br />
war die Magie dahin. Mit<br />
seinem Ersatz Richard Hatch als<br />
Inspector Dan Robbins begann die<br />
Erosion der Zuschauerzahlen, und aufgrund<br />
von „low ratings" war nach der<br />
fünften Staffel dann auch Schluss.<br />
Aber an guten Plots und guten<br />
Typen herrschte im amerikanischen<br />
Fernsehen nie Mangel. Eine meiner<br />
Lieblingsfiguren, weil positiv chaotisch<br />
und so ganz anders als die<br />
in der strengen Hierarchie des Polizeiapparats agierenden Cops, ist<br />
der Privatdetektiv. Oft agiert er ja im Graubereich der Gesetze und scheut<br />
hie und da auch nicht vor illegalen Methoden zurück. Im Gegensatz<br />
zu den bestellten und stets schwer bewaffneten Exekutiv-Vertretern,<br />
die ständig mit ihren goldenen Dienstmarken herumfuchteln und aus<br />
der gesicherten Deckung des Polizeiapparates ermitteln, muss der<br />
Privatdetektiv charmieren, antichambrieren, seine Fantasie einsetzen,<br />
geschickt sein, trickreich improvisieren. Das macht ihn so sympathisch<br />
und menschlich. Ganz weit vorne auf der Liste dieser schlamperten<br />
Helden steht Jim, eigentlich James Scott, Rockford, der von 1974 bis<br />
1980 in Malibu für ein Tageshonorar von 200 Dollar plus Spesen sein<br />
(Un-)Wesen trieb. Der von James Garner schmissig gespielte Detektiv<br />
(Originaltitel: „The Rockford Files") konnte per Telefon („Detektiv<br />
Rockford – Anruf<br />
genügt") aktiviert<br />
werden.<br />
Diese nervigen<br />
Maschinen waren<br />
seinerzeit noch<br />
eine Seltenheit,<br />
besonders in<br />
Deutschland.<br />
Wohl auch deswegen<br />
wurde<br />
der Anrufbeantworter<br />
während der Eröffnungssequenz in Großaufnahme gezeigt. Die<br />
Ansage, die man hörte, lautete: „Hier ist Jim Rockford. Bitte nennen<br />
Sie Ihren Namen, Ihre Nummer, ich rufe zurück …" Das Besondere an<br />
Rockford war nicht nur seine Laidback-Lässigkeit, sondern auch seine<br />
Historie. Er hatte fünf Jahre unschuldig im Knast von San Quentin<br />
gesessen und sich nach seiner Entlassung am Strand von Malibu als<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 57
Detektiv niedergelassen. Niedergelassen ist vielleicht ein bisschen zu<br />
viel, denn Rockford hauste in einem Wohnwagen, den er auch als<br />
Büro nutzte. Man durfte also<br />
getrost davon ausgehen, dass<br />
Rockford nicht gerade ein linientreuer<br />
Verfechter von „law<br />
&<br />
order" war. Im Gegenteil. Er<br />
war ein Schlawiner, der sich<br />
auch mal gerne mit getürkten<br />
Businesscards eine falsche<br />
Identität zulegte, wenn er so<br />
den Fall lösen konnte. Klar,<br />
dass auch Rockfords „Personal" nicht den üblichen Crime-Kriterien<br />
entsprach. Die Rechtsanwältin Beth, zugleich auch Jims Freundin,<br />
sein Dad Rocky, sein Ex-Mithäftling Angel und der dauergenervte und<br />
gestresste Polizist Dennis Becker helfen der cleveren Spürnase bei seiner<br />
Arbeit. Oft widerwillig, wie Cop-Freund Becker, der aber Jim letztlich<br />
immer die Polizei-Infos<br />
zukommen lässt, die der<br />
gerade braucht. Denn,<br />
das wird durch diese<br />
Figur in jeder Minute<br />
klar, Rockford ist einen<br />
Tick klüger und findiger<br />
als die meisten<br />
Berufspolizisten.<br />
Aufgehübscht durch<br />
zahlreiche prominente<br />
Gaststars – unter anderen<br />
Lauren Bacall, Isaac<br />
Hayes, James Woods –,<br />
vorangetrieben durch<br />
kluge Plots und eine<br />
coole Inszenierung, aber vor allem durch die schauspielerischen<br />
i h<br />
Fähigkeiten von James Garner, wurde „Detektiv Rockford – Anruf<br />
genügt" zu einem Highlight der 70er-Jahre-Serien-Unterhaltung.<br />
Selbst heute beim Wiedersehen gibt’s wenig Grund zum Fremdschämen<br />
wie bei anderen so genannten Kult-Klassikern. Rockford, der seine<br />
Knarre – um sie vor der Unbill des salzigen Meerwasser-Klimas zu<br />
schützen – in einer Kaffeedose aufbewahrte und selten mitnahm, wirkt<br />
auch heute noch charmant, pfiffig, zeitgenössisch.<br />
Eine andere beliebte Figur im Detektivkosmos ist der Anwalt.<br />
Er kämpft für die Unschuld seiner Mandanten und nutzt dazu,<br />
man denke zum Beispiel an „Ein<br />
Fall für zwei", gerne die Dienste<br />
eines Privatermittlers. Wenn der<br />
Rechtsanwalt gut ist, kann er die<br />
Charme, lebt mit seiner Frau in einem Wohnwagen in der Wüste am<br />
Rande von San Remo und arbeitet leider oft genug pro bono. Also für<br />
Nullinger, denn seine Klienten entstammen – ebenso wie er – meist<br />
aus einfachen Verhältnissen, wo Geld Mangelware ist. Petrocelli, in den<br />
nur 45 Folgen dargestellt von Barry Newman, ist kein Staranwalt in<br />
feinem Zwirn und mit einer Kanzlei, wo tiefflorige Teppiche die Schritte<br />
dämpfen. Er ist das ganze Gegenteil. Er poltert. Er ist laut. Er ist leidenschaftlich<br />
und oft<br />
auch nicht gerade<br />
zimperlich. Dass<br />
er die ganze Serie<br />
hindurch ein festes<br />
Haus bauen will,<br />
mit der Betonung<br />
auf „will", und<br />
das nie schafft,<br />
zeigt, dass in dieser<br />
Anwaltsserie<br />
nichts schöngezeichnet<br />
und aufgehübscht<br />
wurde.<br />
Keine Frage: „Petrocelli" steht heute nicht so glanzvoll ll da wie andere<br />
70er-Jahre-Produktionen –, aber die Dramareihe brachte ein gerüttelt<br />
Maß an Realität auf den Bildschirm. Vielleicht war auch deswegen nach<br />
nur zwei Staffeln Schluss mit so viel unlustiger Wirklichkeit. Fußnote<br />
am Rande: Die Musik für „Petrocelli" verantwortete niemand Geringerer<br />
als Lalo Schifrin.<br />
Auf fünf Jahre,<br />
118 Folgen<br />
und weit mehr<br />
Ruhm und<br />
Ehre (Golden<br />
Globes, Emmys)<br />
brachten es<br />
dagegen der<br />
Lollis lutschende<br />
Glatzkopf<br />
Kojak und sein<br />
„<strong>Eins</strong>atz in<br />
Manhattan".<br />
Von 1973 bis<br />
1978 ermittelte<br />
der griechisch-<br />
Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Unschuld seines Klienten beweisen<br />
und den Rechtsfrieden wiederherstellen.<br />
Ein solcher Typ<br />
ist der von fast missionarischem<br />
Eifer beseelte Petrocelli,<br />
eine Gestalt, die dem Film<br />
„The Lawyer" entstammte. Der<br />
nicht wirklich gut aussehende<br />
Petrocelli, wie der Name schon<br />
zeigt ein Italo-Amerikaner,<br />
agiert mit zerknautschtem<br />
stämmige New Yorker Lieutenant t Theodoros Kojak<br />
gegen das Böse, wo immer es sich auf seiner Insel<br />
zeigte. Für den kahlköpfigen Telly Savalas, der bereits<br />
in hochkarätig besetzten Hollywoodstreifen sein<br />
schauspielerisches<br />
Können<br />
unter<br />
Beweis<br />
gestellt<br />
hatte,<br />
bedeutete<br />
Kojak die<br />
Rolle seines Lebens, Weltruhm.<br />
Sein viriler Sex-Appeal und sein<br />
schnoddriger, zuweilen zynischer<br />
No-Bullshit-Humor machten die<br />
Kojak-Figur zu einer festen Größe<br />
in der Fernsehwelt. Savalas wirkte<br />
wie ein linksgedrehter, etwas grober<br />
Wiedergänger von Yul Brynner,<br />
zumindest was seine Ausstrahlung<br />
auf Frauen anging. Die Mixtur aus aufreizend schlechtem ht Geschmack<br />
in punkto Dresscode, zuckriger Lollis, der frech-sympathischen, in<br />
Seite 58 ■ GoodTimes 2/2013
den kollektiven<br />
Sprachgebrauch<br />
eingehenden<br />
Sprüche erhob<br />
Savalas in den<br />
Rang eines<br />
Stars. Die<br />
Tatsache, dass<br />
der New Yorker<br />
Cop auch vor<br />
den Reichen<br />
und Schönen<br />
Manhattans nie haltmachte, ht wenn sie das Gesetz gebrochen hatten,<br />
brachte zusätzliche Bonuspunkte. Wenn man heute, fast 40 Jahre<br />
nach Serienstart, in „Kojak" reinschaut, wirkt vieles übertrieben,<br />
pomadig und gestelzt. Aber eins fällt auf: Viele spätere Zelluloid-<br />
Helden – unter ihnen Richard Gere, Harvey Keitel, Christopher Walken,<br />
Sylvester Stallone – gaben hier ihre Visitenkarten ab. Und unterhaltsam<br />
war’s, lustig, 45 Minuten Auszeit vom Alltag.<br />
Fotos: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Schwere Kost dagegen kredenzte<br />
acht Jahre lang, von 1967 bis 1975,<br />
Robert T. Ironside, in Deutschland<br />
als „Der Chef" bekannt, den<br />
Krimi-besessenen Zuschauern.<br />
Raymond Burr verkörperte<br />
darin den Polizisten<br />
Ironside, der seit einer<br />
Schussverletzung<br />
an den Rollstuhl<br />
gefesselt ist. Aber<br />
mit Hilfe seiner<br />
Mitarbeiter –<br />
Detective Sergeant<br />
Ed Brown (Don<br />
Galloway) und<br />
Officer Eve Whitfield<br />
(Barbara Anderson),<br />
später Officer Fran<br />
Belding (Elizabeth<br />
Baur) – bleibt Chief<br />
Ironside der Schrecken<br />
aller Gangster in und<br />
um San Francisco. Mit einem speziell für ihn umgerüsteten Van und<br />
betreut von Mark Sanger (Don Mitchell), den Ironside einst ins Gefängnis<br />
brachte, nur um ihn später für die gute Sache zu begeistern, gelangt<br />
der Chef an die Tatorte<br />
und leitet umsichtig und<br />
nicht nur aufgrund seiner<br />
Behinderung mit<br />
Sondervollmachten ausgestattet<br />
die Verbr echens<br />
bekämpfung. Ironside<br />
ist, wiewohl ein<br />
Konservativer, der Denker<br />
unter den Cops. Einer, der<br />
die Ermittlungen wie ein<br />
gigantisches Schachspiel<br />
antizipiert und seine<br />
Spiele gegen die Bösen<br />
und das Böse dann stets<br />
bravourös gewinnt. Bei<br />
aller raumgreifenden<br />
Wucht, mit der dieser<br />
Behinderte „auftritt", bleibt dem Mann etwas Fragiles. Der Schuss, der<br />
ihn traf und zum Querschnittsgelähmten, zum Krüppel machte, reduziert<br />
ihn auf ein menschliches Maß. <strong>Eins</strong>icht: Auch ein Ironside ist eben<br />
verletzlich, aber er erträgt sein Schicksal mit stoischem Gleichmut. So<br />
gehört er, lange bevor es politisch korrekt war, eine behindertengerechte<br />
Welt zu erschaffen, auch in die Ahnengalerie der Sonderfälle, der freakigen<br />
Privatdetektive, engagierten Rechtsanwälte und Andersartigen. Der<br />
Chef gibt dem Zuschauer, ebenso wie es Kommissar Keller immer tat, die<br />
Gewissheit, dass das Gute erreichbar, machbar und wert ist, erhalten zu<br />
werden. Und er wirkt wuchtig in seinem Rollstuhl, mit breiten Schultern<br />
und stets korrekt gekleidet – ein Garant dafür, dass Recht und Ordnung<br />
gottgegeben sind und von den Menschen nicht gestört werden dürfen.<br />
Manchmal vergaß man beim Schauen glatt, dass der Mann im Rollstuhl<br />
saß, so erhaben und aufrecht wirkte er.<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
Eine Gruppe, die nicht ganz ins Krimi-Konzept passt, sondern dies<br />
trans zendiert, sind die Geheimagenten. Nicht wirklich Kriminaler,<br />
sondern eben Agenten im Auftrag eines Geheimdienstes, haben<br />
sie den Nimbus unbesiegbarer Cartoon-Helden, ein wenig unwirklich<br />
und immer siegreich. Männer mit<br />
<strong>Eins</strong>tecktuch und guten Manieren, die<br />
trotz diplomatischen Schliffs gerne<br />
austeilen und allesamt Abklatsch sind<br />
von dem berühmtesten Vertreter dieses<br />
Genres, Martini-Trinker James „Shaken,<br />
not stirred" Bond. Von 1968 bis 1970<br />
hatte Al Mundy – mit dem Goodlooker<br />
Robert Wagner als<br />
Hauptfigur – seinen<br />
Auftritt. Im Original<br />
hieß die Serie „It<br />
Takes A Thief",<br />
und folgerichtig<br />
mimt<br />
Wagner einen<br />
fingerflinken,<br />
listenreichen<br />
Dieb, der meist<br />
ohne Waffe,<br />
aber mit lustigen Tricks und schrulligem Mummenschanz seine<br />
Aufträge erledigt. Der elegante Bonvivant und Berufslangfinger<br />
wird dabei ab und an von Papi (Fred Astaire) unterstützt, was<br />
zu dem operettenhaften Flair der Serie stark beitrug. Obwohl<br />
eingestuft als Drama und nicht ohne Spannung, konnte man<br />
Al nie so richtig ernstnehmen.<br />
Mithin die berühmteste Titelmelodie hat „Kobra, übernehmen<br />
Sie", die Serien-Vorlage für die mit Tom Cruise<br />
so erfolgreich aufgelegte Blockbuster-<br />
Reihe „Mission: Impossible" (siehe extra<br />
Story in diesem Heft). Sie, die<br />
Musik, stammt aus der Feder<br />
von Lalo Schifrin, der uns ja<br />
schon häufiger begegnet ist; die<br />
Idee zu dieser Actionreihe<br />
kam von Bruce Geller. Es<br />
geht um schier unmöglich<br />
anmutende Aufträge, die<br />
ein Expertenteam, eben die<br />
„Impossible Missions Force",<br />
übernimmt und entgegen<br />
jeder Wahrscheinlichkeit<br />
auch erledigt. Daniel<br />
Briggs (erste Staffel) und<br />
danach Jim Phelps erhalten<br />
sich selbst zerstörende<br />
Tonband-Nachrichten mit<br />
dem Hinweis, dass man<br />
nichts von dem Auftrag<br />
wisse, wenn irgendetwas schiefgeht. „Viel Glück, Jim. Kobra, übernehmen<br />
Sie!" Das Team, das Jim dann zusammenstellt, ist super-intelligent,<br />
super-smart, super-gutaussehend, super-sportlich und supererfolgreich.<br />
Und das ist ja letztlich das Schöne an dieser Fernsehwelt:<br />
Nichts ist unmöglich, der Mensch ist eigentlich gut, Lügen haben kurze<br />
Beine, und Verbrechen zahlt sich nicht aus. In diesem Sinne ...<br />
Teddy Hoersch<br />
Foto: © Davids/Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 59
Marie Versini<br />
Ich habe mir etwas von<br />
Nscho-Tschi bewahrt<br />
Beginnen wir aktuell. Was machen<br />
Sie heute?<br />
Diese Frage ist für mich die wichtigste.<br />
Mein Mann, Pierre Viallet, und ich<br />
haben ein Buch veröffentlicht: „Puck – eine e<br />
Hündin erzählt." Das sind wunderschöne e<br />
Hundegeschichten, geschrieben von einem<br />
Hund. Das ist wirklich mal etwas Neues.<br />
Und Puck hat so viel zu erzählen… Als Kind<br />
wohnte ich mit meinen Eltern mitten in<br />
Paris, und da war es unmöglich, einen Hund<br />
zu halten. Aber später hatten mein Mann n<br />
und ich dann vier Irish Setter – Puck war der<br />
letzte. Er ist der Autor. Von jedem verkauften<br />
Buch geht ein Betrag direkt an den Tierschutz. Dazu geben Pierre und<br />
ich 25 Prozent unserer Tantiemen. Wir wollen mit diesem Buch den<br />
Tieren helfen. Wir wollen sie schützen und den Menschen deutlich<br />
machen, wie unendlich reich die Tierwelt ist, da sie aus Liebe besteht.<br />
Und das gilt es zu erhalten. Nicht nur durch Spenden, sondern durch<br />
ein umfassendes Verständnis für nötige Hilfe und Liebe zur Tierwelt.<br />
Das ist in unserer heutigen Zeit sehr, sehr wichtig!<br />
Wie kamen Sie auf den Namen Puck?<br />
Puck ist der kleine Kobold in Shakespeares „Sommernachtstraum",<br />
den ich 1969 an der Comédie Francaise in Paris gespielt habe.<br />
Bleiben wir noch bei den aktuellen Dingen. 2010 0 haben Sie in einem Film Ihres Mannes über Clara<br />
a<br />
Schumann mitgewirkt ...<br />
Zu dieser Rolle und zu diesem Film habe ich eine ganz besondere<br />
Beziehung. Die wunderbare Liebesgeschichte zwischen Clara und<br />
Robert Schumann fasziniert mich. Das ist wie bei Pierre<br />
und mir. Ich habe meinen Mann vor 50 Jahren kennen<br />
gelernt und bin mit ihm 38 Jahre verheiratet. Zu<br />
der Zeit machte er eine Filmserie über die großen<br />
Komponisten wie Bach oder Beethoven. Und ein<br />
Porträt drehte er über Robert Schumann, aber aus<br />
der Sicht von Clara. Clara war für Robert alles, Clara<br />
war sein Leben. Ich spielte die Clara und bin die einzige<br />
Darstellerin in diesem Film, der übrigens damals<br />
beim Filmfestival in Venedig mit einem Preis ausgezeichnet<br />
wurde. Zum 200. Geburtstag von Robert<br />
Schumann wurde mein Mann dann gebeten, erneut<br />
einen Film über ihn zu machen. Er hat da raufhin<br />
einen sehr originellen Film im Stil von Jean Cocteau gedreht,<br />
mit dem er viel gearbeitet hat. Die Übersetzung der großen<br />
Liebe von Robert und Clara mit all ihren Problemen, die<br />
Krankheit von Robert bis hin zum Wahnsinn. Und er<br />
tat es unter Verwendung des alten Filmmaterials aus<br />
den 60er Jahren, in dem ich die Clara spiele. Im<br />
neuen Film lese ich nun auch Briefe der<br />
Foto: © Roelen/Bildarchiv Hallhuber<br />
Schumanns und aus den Tagebüchern. Clara ist<br />
von<br />
ihrem Charakter her für mich eine wichtige<br />
Persönlichkeit, und ich bewundere sie<br />
als<br />
Frau und Pianistin. Als Martin Böttcher<br />
den Film gesehen hat, rief er mich sofort an:<br />
„Meine arme Marie, mit solchem wunderschönen<br />
Film wirst du Schwierigkeiten mit<br />
den Musiklobbys bekommen!" Und er hatte<br />
leider vollkommen Recht. Clara und Nscho-<br />
Tschi sind meine liebsten Rollen.<br />
Nun zu Karl May – Sie kannten seine<br />
Bücher schon in Ihrer Kindheit?<br />
Ja, mein Vater war Germanist und hat in<br />
Deutschland die Werke von Karl May ent-<br />
deckt, die<br />
in Frankreich niemand kannte. Er hat uns<br />
jeden Abend<br />
die Geschichten von Winnetou und Old<br />
Shatterhand vorgelesen. Schon damals habe ich Nscho-<br />
Tschi geliebt und<br />
wollte immer die Schwester von Winnetou<br />
sein. Mit sieben<br />
Jahren hatte ich ein Nscho-Tschi-Kostüm<br />
und habe mit meinem Bruder am Strand in der Normandie<br />
Winnetou gespielt.<br />
Aber bis zum Kinofilm hat es dann noch<br />
einige Jahre gedauert. Meine erste Filmrolle spielte ich mit 16<br />
in „Der Schatten" und wurde dann für sieben Jahre an<br />
der Comédie Francaise engagiert.<br />
Foto: © Roelen/Bildarchiv Hallhuber
Sie haben sehr viele Filme gedreht. Stört es Sie, dass Sie<br />
meist nur auf Ihre Rolle als Nscho-Tschi angesprochen<br />
werden?<br />
Wenn Orson Welles irgendwohin ging, spielte man immer die Musik<br />
von „Der dritte Mann". Wenn man über Romy Schneider<br />
spricht, redet man immer von Sissi, obwohl sie die tollsten<br />
Filme in aller Welt gedreht hat. Und in Deutschland bin ich<br />
eben die Nscho-Tschi. Und das ist gut für mich. Natürlich<br />
möchte man manchmal auch über all die anderen Filme sprechen,<br />
die ich gedreht habe. Über meine Arbeit mit Curd Jürgens oder Jean<br />
Paul Belmondo. „Bebel" ist für mich der schönste Mann der Welt, ein<br />
exzellenter Schauspieler und ein sehr guter Freund. Er ist der netteste<br />
Mensch, den ich kenne. Aber es ist doch etwas Besonderes, nach den<br />
vielen Jahren immer noch als Nscho-Tschi bekannt zu sein, und das<br />
in einer Zeit, in der die Leute vieles schnell wieder vergessen.<br />
Haben Hb Sie noch Kontakt zu den älteren Kollegen?<br />
Immer weniger. Da ich mit 15 angefangen habe, waren die Kollegen<br />
meist etwa 20 Jahre älter. Viele von ihnen sind leider nicht mehr unter<br />
und sie war im Kasten. Das<br />
lag wohl auch mit daran,<br />
dass mein Mann mir vor<br />
Drehbeginn gesagt hat:<br />
„Du darfst Nscho-Tschi<br />
nicht spielen, du musst sie<br />
sein! Du musst Treue und<br />
Liebe verkörpern, dann<br />
hast du gewonnen." Und<br />
er hat Recht behalten. Was<br />
ich damals natürlich nicht<br />
realisiert habe, ist, dass<br />
diese Filme für so lange<br />
Zeit einen so großen Erfolg<br />
haben würden. Ich hatte in<br />
Deutschland „Das schwarzweiß-rosa<br />
Himmelbett" mit<br />
Thomas Fritsch gedreht,<br />
und ich bekam daraufhin<br />
das Angebot Nscho-Tschi<br />
zu spielen. Ich habe mich<br />
darüber sehr gefreut, auch auf die Arbeit mit Pierre Brice und Lex<br />
Barker. Aber niemand dachte auch nur im Traum daran, dass die Filme<br />
50 Jahre später immer noch laufen und zum Kult werden würden.<br />
Autogrammkarte: Norbert Arndt<br />
Wie waren denn Pierre Brice und Lex Barker zu Ihnen?<br />
Haben Sie sich mal in einen oder beide verliebt?<br />
Oh, die waren sehr nett zu mir. Wissen Sie, wenn man eine Liebesszene<br />
spielt, ist es für mich normal, dass man zum Filmpartner eine gewisse<br />
Beziehung aufbaut. Ich habe gelernt, „echt" zu sein, nicht zu spielen.<br />
Ich muss auch im Film ich selber sein.<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
uns. Mit Pierre Brice treffen en wir uns ab und zu. Mein Mann<br />
und ich wohnen nicht nur in Paris. Wir haben auch<br />
ein Haus auf einer kleinen en Insel im Atlantik, und oft<br />
sind wir in New York. Da lebt eine Enkelin meines<br />
Mannes und arbeitet dort als bekannte Malerin. Wir<br />
sind sehr gerne in Amerika. Da bleibt dann nicht<br />
viel Zeit für andere Verabredungen.<br />
Zurück zu den Karl-May-Filmen. Ihr<br />
allererster Drehtag zu „Winnetou I" war<br />
etwas spektakulär ....<br />
Oh ja! Es waren eigentlich nur ein paar Reitszenen<br />
vorgesehen. Doch dann kam der Regisseur, Harald<br />
Reinl, zu mir und sagte: „Marie, es tut mir leid,<br />
aber ich habe ein Problem mit deinem Pferd.<br />
Wir drehen jetzt zuerst deinen Tod." Ich war<br />
total überrascht. Reinl sagte: „Santer (Anm.<br />
d. Autors: Mario Adorf) hat dich schon<br />
erschossen und du liegst in den Armen<br />
von Lex Barker, öffnest noch einmal<br />
die Augen und sagst ihm auf indianisch<br />
‚Du weißt, ich liebe e dich'. Ok,<br />
können wir … wir können nen …<br />
Klappe!" Dann haben wir die<br />
Szene nur einmal gedreht,<br />
Foto: © Roelen/Bildarchiv Hallhuber<br />
Nun gab es nach „Winnetou I" auch die Orient-Filme.<br />
Waren die für Sie von gleicher Wertigkeit?<br />
Nach „Winnetou" kam erst einmal „Kennwort Reiher" mit Peter van<br />
Eyck. Eine schwierige Rolle, aber ein sehr guter Film. Es folgte „Der<br />
Schut", und ich spielte die Rolle der Tschita. Danach „Durchs wilde<br />
Kurdistan" und „Im Reiche des silbernen Löwen". Da habe ich die<br />
indische Prinzessin Ingdscha gespielt. Nach Nscho-Tschi war das etwas<br />
komisch, und es war ganz anders – da war viel Action, viel Reiten … Es<br />
war auch sehr schön und hat Spaß gemacht, aber in meinem Inneren<br />
werde ich mir immer etwas von der kleinen Nscho-Tschi bewahren, die<br />
so voller Liebe war.<br />
Möchten Sie den <strong>kult</strong>!-Lesern noch etwas sagen?<br />
Ja. Bereits 1964 hat mein Mann Pierre Viallet für das fran-<br />
zösische Fernsehen eine Indianerserie gedreht – „Mato,<br />
der Indianer". 1965 liefen die Filme auch in der ARD.<br />
Im Gegensatz zu Karl May, der seine Geschichten<br />
„erträumt" hat, ist die<br />
Story von Mato sehr<br />
nah an der Realität,<br />
und die Geschichten<br />
sind wahr und nacherzählt.<br />
Dazu noch<br />
etwas Privates: In der<br />
Serie spielt das Pferd<br />
„Pastis" eine wichti-<br />
ge Rolle, und dieses<br />
Pferd war wirklich ein<br />
Schauspieler … Nach<br />
den<br />
Dreharbeiten hat<br />
mein Mann „Pastis"<br />
gekauft, und es<br />
lebte noch zwölf<br />
Jahre mit uns. „Mato, der Indianer" war ein großer<br />
Erfolg, und nun gibt es die komplette Serie<br />
auf drei DVDs, erschienen bei Pidax Western-<br />
Klassiker. Das ist auch echter Kult!<br />
Christian Simon<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 61
Seite 62 ■ GoodTimes 2/2013
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 63
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 64 ■ GoodTimes 2/2013
Foto: Bildarchiv Hallhuber<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 65
Sehen Sie nun den großen deutschen Film des einstigen Traumpaares Sonja<br />
"<br />
Ziemann und Rudolf Prack zum ersten Mal im Fernsehen." So kündigte Ansagerin<br />
Beate Menner am 12. September 1980 gegen 20.20 Uhr in der ARD den größten deutschen<br />
Kino-Erfolg der 50er Jahre" an. Grün ist die Heide" eröffnete zur besten Sendezeit<br />
"<br />
"<br />
die Reihe Heimatfilme" – und bescherte dem Ersten Deutschen Fernsehen 15 Millionen<br />
"<br />
Zuschauer.<br />
Von Thorsten Pöttger<br />
Fünf Minuten zuvor war ein Werbespot der Unionsparteien zur Bundestagswahl<br />
gesendet worden – mit dem bayerischen Ministerpräsidenten<br />
Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidaten. Ob das Zufall war oder ein<br />
Zusammenhang zum anschließenden Programm bestand, mag jeder<br />
für sich entscheiden. Wie sonst hätte jedenfalls ein Film mit dem Titel<br />
„Grün ist die Heide" eingeläutet werden sollen als mit einem Lied aus<br />
der Feder des deutschen Heimatschriftstellers Hermann Löns, dem<br />
Heidedichter schlechthin? Dass sein Roman „Der Wehrwolf" als geistiger<br />
Nährboden des Nationalsozialismus<br />
gilt, interessierte 1951, als „Grün<br />
ist die Heide" in die Kinos kam,<br />
keinen Beteiligten – auch nicht die<br />
drei lustigen Musikanten, die nach<br />
dem Vorspann des Films an einer<br />
Herde possierlicher Heidschnucken<br />
vorbei ins Bild marschierten. Durch<br />
ihre gesungenen Worte „Auf der<br />
Lüneburger Heide, in dem wunderschönen<br />
Land, ging ich auf<br />
und ging ich unter …" wusste<br />
jeder Zuschauer sofort über den<br />
Handlungsort Bescheid. Und die<br />
Lüneburger Heide war farbenfroh und unbeschädigt, im Gegensatz ensa<br />
zu den<br />
zertrümmerten Städten, sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs.<br />
Aber konnte dieser Wohlfühlfaktor allein ausreichen, um in den 50ern 19<br />
Millionen Kinobesucher in die Lichtspielhäuser für ein Remake zu locken,<br />
20 Jahre nach der Produktion einer gleichnamigen ersten Version?<br />
Regisseur Hans Deppe und sein Drehbuchautor Bobby E. Lüthge, der<br />
bereits 1932 für das Skript des weitgehend unbekannten Originals verantwortlich<br />
gezeichnet hatte, änderten für ihre Variante der „grünen Heide"<br />
die Ursprungsmotive von<br />
Hermann Löns ab. Ihre<br />
Maßnahme dürfte nicht<br />
unwesentlich für den<br />
Erfolg des Films in der<br />
Nachkriegszeit verantwortlich<br />
gewesen sein.<br />
Indem sie die Person des<br />
verwitweten Vaters der weiblichen ic<br />
Hauptfigur ur als<br />
Heimatvertriebenen ertr<br />
trie<br />
iebe<br />
schilderten,<br />
wurde ein aktueller Zeitbezug hergestellt. Auf diese Art und Weise<br />
baute „Grün ist die Heide" stärker als die meisten anderen Heimatfilme<br />
auf den politischen und sozialen Zuständen in Nachkriegsdeutschland auf.<br />
Lüder Lüdersen (Hans Stüwe) ist ein vertriebener Gutsherr aus Schlesien,<br />
der zusammen mit seiner Tochter Helga (dargestellt von Sonja Ziemann)<br />
in der Lüneburger Heide bei Verwandten in einem Schloss wohnt und sich<br />
dort höchstens geduldet fühlt. Seine melancholischen Gefühle aufgrund<br />
der erlittenen Verluste versucht er zu bewältigen, indem er im Heidewald<br />
wildert. Nach Abschuss eines Tieres wird er vom Gemeindeförster Walter<br />
Rainer (Rudolf Prack) verfolgt, der lediglich wahrnehmen kann, wie der<br />
Wilddieb ins Wasserschloss flieht. Dort begegnet dem Förster Helga<br />
Bild<br />
arch<br />
iv vH<br />
allh<br />
uber<br />
Lüdersen, die ihm gegenüber vehement abstreitet, dass an diesem<br />
Ort ein Krimineller wohnen könnte.<br />
Zu diesem Zeitpunkt des Filmes trafen vor den Augen der Zuschauer<br />
uer<br />
ein Jahr nach ihrem Überraschungserfolg mit „Schwarzwaldmädel", de<br />
l", der<br />
ebenfalls unter Deppes Leitung gestanden hatte, erneut zwei Stars des<br />
deutschen Nachkriegsfilms aufeinander: Sonja Ziemann und Rudolf Prack,<br />
beide jeweils – wie passend in diesem Zusammenhang – mit einem Bambi<br />
ausgezeichnet. Während der Dreharbeiten zu „Grün ist die Heide" waren<br />
sie bundesweites Gesprächsthema geworden. Dass Prack<br />
20 Jahre älter als seine Kollegin war, wurde allerdings<br />
nicht thematisiert. Die schwierigen Verhältnisse in der<br />
Familie Lüdersen hin oder her, im Mittelpunkt steht die<br />
Liebesgeschichte zwischen der Tochter und dem Förster,<br />
unterstützt von einer Liaison zwischen dem ortsansässigen<br />
Amtsrichter (Willy Fritsch) und der Zirkusreiterin<br />
Nora (Maria Holst), die nach Amerika will. Dies wird<br />
deutlich in einer rührseligen Szene, als während eines<br />
Heidespaziergangs von Helga und Walter Rainer die drei<br />
umherstreifenden Künstler vom Filmbeginn (Zitat: „Wir<br />
schlafen im Moos und decken uns mit dem Himmel zu")<br />
hinter einem Baum hervortreten und das Titellied spielen,<br />
angestimmt vom Sänger mit dem bezeichnenden Namen<br />
Nachtigall. Der im<br />
Text heraufbeschworene Kuss muss warten, denn noch<br />
ist Helga Lüdersen hin- und hergerissen zwischen der Zuneigung zum<br />
Weidmann und der Loyalität zu ihrem Vater. Dessen illegalen Aktivitäten<br />
sind ihr erst klar geworden, nachdem die drei Musikanten, die ihn bei seiner<br />
letzten Untat erkannten, ihr das Gewehr ausgehändigt haben, das er<br />
auf seiner Flucht abgelegt hatte. Getreu den drei Affen sehen, hören und<br />
sagen die Vagabunden aber nichts. Und als es mit dem Kuss dann doch<br />
fast so weit ist, fällt erneut ein Schuss: Ein Gendarm ist erschossen worden.<br />
Lüder Lüdersen gerät<br />
unter Mordverdacht, wird<br />
vom Förster wegen dessen<br />
Zuneigung zu seiner<br />
Tochter aber nicht angezeigt.<br />
Um Schlimmeres zu<br />
verhindern, plant Helga<br />
den gemeinsamen Umzug<br />
mit ihrem Vater in die<br />
Stadt. Die Verabschiedung findet auf einem<br />
Schützenfest statt. Lüder Lüdersen möchte ein letztes Mal durch den<br />
Wald gehen, stellt dabei den wahren Mörder r<br />
und wird dadurch rehabilitiert. Die endgültige e<br />
Versöhnung zwischen Walter und Helga findet<br />
unter Ausschluss des vom Gangster angeschossenen<br />
Herrn Lüdersen vor seiner Krankenzimmertür r<br />
statt. Das gestaltet das Happy End zwar nicht<br />
perfekt, aber nicht so unvollkommen wie eine<br />
erneute Verfilmung von „Grün ist die Heide"<br />
weitere 20 Jahre später, mit Roy Black in der<br />
männlichen Hauptrolle.<br />
Foto<br />
: Bildar<br />
chiv Hallhub<br />
uber<br />
Seite 66 ■ GoodTimes odTi<br />
2/2013<br />
201
Die Silberwald-Serie<br />
Hauptrollen spielen<br />
Flora und Fauna<br />
Die der Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland vom österreichischen Team 1978<br />
bei der Fußball-WM zugefügte "<br />
Schmach von Córdoba" ist allgegenwärtig. Aber wer<br />
hat schon mal einen Österreicher erlebt, der sich darüber lustig gemacht hätte, dass<br />
es sich bei dem mutmaßlich publikumsträchtigsten Kinofilm in Deutschland aller<br />
Zeiten um eine Produktion aus der Alpenrepublik im Jahr 1954 handelt?<br />
Fotos: Bildarchiv Hallhuber<br />
Weit über 20 Millionen Menschen haben bis 1958 in deutschsprachigen<br />
Lichtspielhäusern Der Förster vom Silberwald"<br />
"<br />
gesehen. Auf diese Weise fand auch Österreich (dort lief der Streifen<br />
unter dem Titel „Echo der Berge") in Anita Gutwell und Rudolf Lenz<br />
sein Traumpaar des Nachkriegsfilms.<br />
Dabei wird „die limonadensüße<br />
Liebeshandlung" (Zitat Kurzkritik der<br />
Katholischen Filmkommission) zwischen<br />
der Wiener Künstlerin Liesl<br />
und einem Jäger von eindrucksvollen<br />
Natur- und Tieraufnahmen in<br />
den Hintergrund gerückt: Da lugt<br />
der Dachs aus seinem Bau hervor,<br />
grüßt der Auerhahn die Morgenröte<br />
und huschen die Rehe über eine fast jungfräuliche<br />
Schneedecke. Wären diese Szenen zusammengeschnitten<br />
und statt mit schmetternden Hörnerfanfaren und<br />
umschmeichelnder Streichermusik mit erläuternden<br />
Worten von Professor Grzimek unterlegt worden, hätte<br />
das Ganze eine gelungene Dokumentation abgeben<br />
können – und zu einem solchen Film hatte ursprünglich<br />
die Idee bestanden. Österreichs Landschaften sollten als<br />
ein schützenswertes Biotop aufgezeigt werden. „Mein<br />
Ball ist draußen im Revier", lässt dementsprechend konsequent<br />
Weidmann Gerold auf einer<br />
Tanzveranstaltung durchblicken. Somit<br />
übte „Der Förster vom Silberwald"<br />
einen starken Einfluss auf die Machart<br />
späterer Heimatfilme aus. Es lässt sich<br />
durchaus voller Naturverbundenheit<br />
von einer Lawine sprechen.<br />
In bewusster Anlehnung an den<br />
„Silberwald" entstand erneut mit<br />
Gutwell und Lenz ein Jahr später Die "<br />
Sennerin von St. Kathrein". Denn<br />
dort gibt es nicht nur Schnaps, wie Mitte der 80er von Stephan Remmler<br />
in einem seiner Schlager beobachtet, sondern auch bildhafte Bekenntnisse<br />
zur Heimat. Die ortsfremde Sennerin Liesl (Filmemacher nahmen damals<br />
sehr viel Rücksicht aufs Namensgedächtnis des Publikums) ist<br />
Feuer und Flamme für einen Gestütsbesitzer, der aber wiederum<br />
ins Beuteschema der reichen Wirtstochter fällt. Bis diese<br />
sich zurückzieht, wird das Gedeihen der Liebe zusätzlich durch<br />
Liesls wildernden Bruder erschwert.<br />
Allein dass 1956 das Liebespaar für Die Försterliesel"<br />
"<br />
ein weiteres Mal mit dem österreichischen Traumpaar besetzt<br />
wurde (es handelte sich im Übrigen um eine deutsche<br />
Produktion), verdeutlicht<br />
seine<br />
Verwandtschaft zum<br />
Vorbild. Blenden wir<br />
uns einfach in die<br />
letzte Szene ein:<br />
Die Sennerein von<br />
St. Kathrein<br />
Liesl: "<br />
Der eine wollt’ mich zur<br />
Großbäuerin machen, der andere in<br />
die Stadt mitnehmen – aber ich<br />
bleib' hier, da, wo ich hingehör’..."<br />
Entgegnung Toni: "<br />
...im Silberwald!"<br />
GoodTimes 1/2013 ■ Seite 67<br />
Ist es nicht schön, wenn<br />
sich<br />
die Handlung eines Films<br />
mit<br />
seinen letzten Worten zusammenfassen<br />
lässt?<br />
Auch Johannisnacht" von<br />
" Harald Reinl (genau, der „Winnetou"-<br />
Regisseur) stellte 1956 durch sentimen-<br />
e tale Landschaftsdarstellungen ein Tribut<br />
an<br />
den „Silberwald" dar. Ein Schlossbesitzer versteckt aus Kränkung seine<br />
fünfjährige Tochter auf einer Almhütte, weil<br />
seine Frau ihn verlassen<br />
hat. Als das Kind heimlichen Besuch bekommt, weiß es nicht, dass es<br />
sich um seine Mutter handelt. Die Katholische Filmkommission hegte<br />
Vorbehalte „wegen liberaler Eheauffassung, die mit Scheidung und<br />
Wiederverheiratung zu selbstverständlich umgeht".<br />
Im selben Jahr konnte der später ebenso<br />
Karl-May-erprobte Regisseur Harald Philipp<br />
noch so sehr beteuern, abgesehen vom Titel<br />
habe sein Debüt „Das alte Försterhaus"<br />
nichts mit dem Heimatfilm zu tun – selbst<br />
ungeachtet des gleichnamigen erfolgreichen<br />
Schlagers lag das besagte, zu sanierende<br />
Haus nun mal mitten in einem<br />
Wald. Es wird mit Hilfe einer Fernsehshow<br />
durch die Werbeleiterin einer Plattenfirma<br />
gerettet, die nebenbei das große Los mit<br />
dem Inhaber des Wirtshauses zieht. Drei<br />
vagabundierende Musikanten (siehe Schwarzwald- und Heidefilme)<br />
packen mit an.<br />
Wo die alten Wälder rauschen", da übernehmen über weite<br />
" Strecken Wald und Landschaft die eigentliche Hauptrolle, statt „nur"<br />
den schmückenden Hintergrund<br />
zu bilden. Auf diese Art und Weise<br />
kann ein Baustellenleiter gleichzeitig<br />
ein begeisterter Tierfotograf<br />
sein. Die unvollständige Familie<br />
besteht hier ausnahmsweise<br />
statt Vater und Tochter aus dem<br />
Vater, einem vielbeschäftigten<br />
Hamburger Unternehmer, und<br />
einem Sohn, der wenigstens in<br />
Wo die<br />
den Bergen Urlaub machen soll, wenn der Herr<br />
alten<br />
Papa denn schon keine Zeit für ihn hat.<br />
Wälder<br />
rauschen Im Lustspiel Dort in der Wachau" unternahmen<br />
1957 zwei Journalisten einen Streifzug<br />
entlang der Donau: die Dame zu Schiff, auf<br />
dem sie ihren bislang unbekannten Vater trifft,<br />
und der Herr auf dem Motorroller am Ufer<br />
entlang, wo schon die Liebe seines Lebens auf<br />
ihn wartet, deren Sohn Bumsi (!) sich unterdes-<br />
" sen als blinder Passagier auf dem Donaudampfer übt. Anlass zu der<br />
Geschichte war und ist jedoch die Landschaft der Wachau.<br />
Thorsten Pöttger
Von Roland Schäfli<br />
Bevor Spanien zum europäischen Problemfall<br />
wurde, war Almeria ein Glücksfall für die<br />
Filmemacher. Als die Billiglöhne noch nicht<br />
in Euro ausbezahlt wurden, sondern "<br />
für<br />
ein paar Dollar mehr", kamen Regisseure<br />
wie Sergio Leone und David Lean. Noch<br />
heute kommen Touristen – nicht wegen<br />
des Klimas, sondern wegen des Kinos.<br />
A ls Clint Eastwood an einem<br />
em Apriltag 1964 in<br />
Spanien eintraf, glich der ausgewählte Drehort,<br />
Almeria, eher einer Geisterstadt. Die spanische Crew<br />
hatte nämlich gerade beschlossen, für eine Handvoll<br />
Pesetas zu streiken. Der aus Hollywood importierte<br />
Amerikaner sollte bald merken, dass die Europäer<br />
eine gänzlich andere Vorstellung vom Filmemachen<br />
hatten. Der Streifen, für den Eastwood sich für die<br />
moderate Gage von 14.000 Dollar vor die Kamera<br />
stellte: Für eine Handvoll Dollar". Der Grund,<br />
"<br />
warum er ihn machte: ein Gratis-Trip nach Spanien.<br />
Das Resultat: ein nicht vorherzusehender Kult. Das<br />
Western-Genre sollte nach diesem Film nie mehr<br />
sein, was es vorher war. Und das spanische Almeria<br />
auch nicht.<br />
Eine Stadt, die alles sein kann<br />
Wer heute ins andalusische Almeria reist, vor dem dehnt<br />
sich die Stadt von der Küste aus bis hinauf zu den steinigen<br />
Hügeln aus. Der nordafrikanisch geprägte Ort wurde im<br />
Lauf der Jahrhunderte wegen seiner strategisch günstig gelegenen<br />
Mittelmeerbucht immer wieder gern von Neuem erobert. Die vielfältigen<br />
Einflüsse der verschiedenen Regenten sind der Grund dafür,<br />
dass ein mittelalterlicher „Conan" vor derselben maurischen Festung<br />
Alcazaba agieren konnte wie ein Indiana Jones, der sich im Marokko<br />
gerne, er sei der einzige<br />
männliche Schauspieler,<br />
der je mit Eastwood<br />
geschlafen habe). Als<br />
Broadway-Schauspieler<br />
In diesem<br />
Hotel<br />
nächt<br />
chtigt<br />
igte Clin<br />
lint East<br />
astwoo<br />
wood für ein paar<br />
Dolla<br />
llar mehr<br />
ehr".<br />
Die Zahl<br />
der Logie<br />
giernä<br />
nächt<br />
hte " i<br />
st seit tdem<br />
Abflau<br />
auen<br />
der Spagh<br />
aghett<br />
etti-W<br />
i-West<br />
estern<br />
ern<br />
merkl<br />
rklich<br />
zurüc<br />
rückge<br />
kgegan<br />
gangen<br />
gen.<br />
der 30er Jahre wähnte.<br />
Als in diesem Hafen<br />
erstmals nicht Krieger,<br />
sondern Schauspieler<br />
landeten, war<br />
Almeria freilich<br />
nicht mehr als ein<br />
Hafenstädtchen.<br />
Verhätschelte<br />
Stars, die gegen die grelle spanische<br />
Sonne blinzelnd nach den üblichen<br />
Annehmlichkeiten Ausschau hielten,<br />
fanden lediglich rudimentäre<br />
Unterbringungsmöglichkeiten. Als<br />
Eli Wallach und Clint Eastwood<br />
ankamen, gab es kein einziges<br />
passables Hotel. Sie teilten sich<br />
schließlich irgendwo ein Bett<br />
(und bis heute berichtet Wallach<br />
Foto: © Roland Schäfli<br />
Seite 68 ■ GoodTimes 2/2013<br />
Für eine handvoll Dollar"<br />
"
Foto: © Roland Schäfli<br />
Aus einer mittelalterlichen Burg-Ruine machte Sergio Leone<br />
eine verfallene Kirche. Der Kirchturm ging schon lange beim<br />
Dynamit-Anschlag drauf.<br />
Wallach seinen<br />
Regisseur Sergio<br />
Leone fragte, wo<br />
denn die Toiletten<br />
zu finden seien,<br />
deutete der nur<br />
vage auf die Wüste<br />
und sagte: „Da!"<br />
Das Gran Hotel<br />
macht heute damit<br />
für sich Reklame,<br />
Die Wüstengegend des spanischen Tabernas als<br />
dass Schauspieler<br />
Äquivalent zur amerikanischen Prärie.<br />
von Charles<br />
Bronson bis<br />
Stewart Granger<br />
und Regisseure<br />
von David Lean bis<br />
Steven Spielberg<br />
hier abstiegen. Die<br />
Spanier nehmen es<br />
nicht so genau mit<br />
der Filmgeschichte.<br />
Das Gran Hotel<br />
wurde tatsächlich erst erbaut, als Eastwood schon seinen dritten und<br />
letzten Italo-Western hier abdrehte. Und doch ist Almeria aus denselben<br />
Gründen als Filmdrehort ausgewählt<br />
worden wie seinerzeit Hollywood:<br />
knapp 3000 Sonnenstunden pro Jahr,<br />
mehr Sonnentage als irgendwo im<br />
Land. Und vor allem: Lokationen in<br />
erreichbarer Nähe, die geologisch beinahe<br />
alles darstellen können – die<br />
Sahara, eine Piratenküste und eben<br />
auch den Wilden Westen Amerikas.<br />
Foto: © Roland Schäfli Foto: © Roland Schäfli<br />
Wie eine Fata<br />
Fantasien .. eines<br />
Morgana .. in der<br />
RöOmers<br />
Dass einem im Kintopp ausgerechnet<br />
amerikanische Heimaterde manchmal<br />
spanisch vorkommt, liegt an einem Italiener: Sergio Leone. Durch seine<br />
dicke Brille sah der Römer nicht spanische Steppe, sondern amerikanische<br />
Prärie. In seiner Fantasie wurden spanische Statisten zu mexikanischen<br />
Banditen, wurden Pferde der spanischen Hofreitschule zu indianischen<br />
Broncos. Er hatte drei europäischen Produktionsfirmen 200.000<br />
Dollar abgeschwatzt, sich auf eine zweifelhafte Westernproduktion<br />
einzulassen, und einen Seriendarsteller namens Eastwood überredet,<br />
sich als einsilbiger Fremder zu verdingen. Wortkarg waren die beiden<br />
auch im täglichen Umgang, g da Leone auf Englisch maximal „Good<br />
Der Tatort des blutigen Massakers aus "<br />
Spiel mir das Lied vom Tod":<br />
Heute werden hier nur noch Fliegen gekillt, die versehentlich ins Bier fallen.<br />
Morning" parlieren und Eastwood höchstens h mit „Arrivederci" i" parieren<br />
konnte. Das spielte keine Rolle, da die tolldreisten italienischen<br />
Filmproduktionen den Ton ohnehin nicht aufzeichneten. Denn in<br />
diesem ethnischen Potpourri sprach jeder so, wie ihm der Schnabel<br />
gewachsen war. Im Tonstudio wurden nachträglich die verschiedenen<br />
Landesfassungen synchronisiert. Sprachbarrieren hinderten Leone<br />
nicht, seinen Darstellern pantomimisch vorzuspielen, was sie zu tun<br />
hatten. Kein Wunder, dass Eastwood nach getaner Arbeit im festen<br />
Glauben abreiste, in einem unmöglichen<br />
Streifen mitgewirkt zu haben, der<br />
schnell in der Versenkung verschwinden<br />
würde.<br />
Erst ein Jahr später hörte er von<br />
einem italienischen Filmphänomen.<br />
Die Produzenten, ebenfalls nicht ans<br />
Potenzial dieses Anti-Westerns glaubend,<br />
hatten „Für eine Handvoll Dollar"<br />
in einem Florentiner Hinterhofkino<br />
gestartet. Doch von dort aus breitete<br />
sich der Ruf des Streifens per<br />
Mund-zu-Mund-Propaganda wie ein<br />
Flächenbrand aus. Der Spaghetti-<br />
Western hatte seinen ersten Klassiker<br />
und sollte in dieser Form hundertfach<br />
kopiert werden. Die Regisseure<br />
der Plagiate tauchten umgehend in<br />
Almeria auf, um sich dieselben natürlichen<br />
Kulissen zunutze zu machen.<br />
Was das Dreamteam Leone/Eastwood<br />
nicht ahnen konnte: Sie hatten den<br />
Schatten spendet um High Noon<br />
nur der Vorbau der windschiefen<br />
Wildwestkulisse.<br />
Grundstein für einen neuen Tourismuszweig gelegt. Der Kult war geboren.<br />
Die Fans sollten bis heute wiederkehren.<br />
Und die Filmemacher auch. Zuletzt hat hier Bully Herbig den "<br />
Schuh<br />
des Manitu" zum Leben erweckt.<br />
Denn die dortigen Ramblas, ausgetrocknete<br />
Flussbette nämlich, sind<br />
kinematografisch perfekt, da sie tiefer<br />
liegen als ihre Umgebung: Die Kamera<br />
kann sich um 360 Grad drehen, ohne<br />
dass Straßen oder Elektromasten ins<br />
Blickfeld geraten.<br />
WUüste<br />
" Schuh des Manitu" In halbstündiger Autofahrt ist das<br />
Dorf Tabernas zu erreichen, wo – 50<br />
Jahre, nachdem der hier beständig wehende Wind Leones Fußspuren<br />
verweht hat – der Westen noch immer wild ist. Am Straßenrand steht<br />
ein verwegen aussehender, unrasierter Banditendarsteller als lebende<br />
Werbesäule: Er lockt Autos von der Schnellstraße auf einen Schotterweg,<br />
der zur Kulissenstadt „Mini Hollywood" führt. Die quer über die Brust<br />
geschnallten Patronengurte sind der mexikanischen Revolution entlehnt;<br />
sein langer beiger Regenmantel ist von der Sorte, die 1968 durch<br />
„Spiel mir das Lied vom Tod" sogar kurzzeitig zur Fashion wurde.<br />
Hier, in der brütenden Hitze, scheint ein Mantel freilich absurd. Hätte<br />
er die Tugenden eines<br />
Westernhelden besessen<br />
und geschwiegen, man<br />
hätte dem Kleindarsteller<br />
die Maskerade abgenommen.<br />
Doch macht<br />
er den Mund auf, ist es<br />
mit der Illusion vorbei –<br />
kaum jemand spricht hier<br />
Englisch.<br />
In<br />
„Mini-Hollywood"<br />
gibt es die übli-<br />
Spiel mir das Lied vom Tod"<br />
" chen Attraktionen:<br />
eine Stuntshow, in der<br />
ein bemitleidenswerter id Desperado vom Vordach geschossen wird<br />
und glücklicherweise auf einer Matratze landen darf, dann das<br />
Fotostudio, in dem man sich, stilgerecht eingekleidet, in Sepia ablichten<br />
lassen kann, und, natürlich, den Saloon, wo die Serviererinnen wie<br />
Barmädchen kostümiert sind. Hier ordert man lässig die Cerveza, die<br />
dann aber nicht kinogerecht über den Tresen schlittern darf, sondern n<br />
ganz unspektakulär vor dem Kunden abgestellt wird. Jede Ecke kommt<br />
mt<br />
einem hier irgendwie bekannt vor – und das, obwohl die Kulissen nach-<br />
Foto: © Roland Schäfli<br />
GoodTimes 2/2013 201<br />
■ Seite 69
Foto: © Roland Schäfli<br />
gebaut werden mussten, als 1977 ein Sturm<br />
Namen, so holprig wie eine Postkutschenfahrt:<br />
den Bretterbuden den Garaus gemacht hatte.<br />
„Western Leone". „Das Haus wird noch in 100<br />
Ursprünglich hörte das Städtchen ja auch<br />
Jahren dort sein", hat der stolze Architekt<br />
nicht auf den wenig selbstsicheren Namen<br />
Carlo Simi vermerkt. Bis jetzt hat er Recht<br />
„Mini-Hollywood", sondern auf El Paso. Leone<br />
behalten.<br />
hatte es von seinem Produktionsdesigner<br />
„Mini-Hollywood", „Fort Bravo" und „Western<br />
Carlo Simi konstruieren lassen, als ihm der<br />
Leone" sind dabei lediglich die Kulissendörfer,<br />
Erfolg des ersten Dollar-Films ein ungleich Auf der Main Street von "<br />
Mini Hollywood" wurden die die instandgehalten werden. Dass man auf<br />
höheres Budget für die Fortsetzung Für ein Pistolenduelle in der Blütezeit des Spaghetti-Westerns Überreste von Filmbauten stößt, wo man geht<br />
"<br />
paar Dollar mehr" bescherte. Leone hatte<br />
dutzendfach ausgetragen.<br />
und steht, ist eine Eigenheit dieser Gegend. Auf<br />
Simi befohlen, ihm „die beste Westernstadt der Welt" zu bauen. einem Hochplateau über Tabernas finden sich noch heute die mittlerweile<br />
eingestürzten Attrappen des Burt-Lancaster-Westerns Valdez", " und nahe Cadiz, wo Leone für<br />
„Spiel mir das Lied vom Tod" sich<br />
selbst mit einer noch größeren<br />
Pionierstadt übertreffen wollte<br />
(70 Gebäude schlugen mit einer<br />
Viertelmillion Dollar zu Buche),<br />
bleichen vergessene Holzplanken<br />
in<br />
der Sonne. Mancher Drehort<br />
ist als solcher nicht mehr zu<br />
erkennen: Die Ruine des Hauses,<br />
Ursprünglich war sie in der Nähe von Madrid geplant. Doch das<br />
in<br />
dem Leone eine Schießerei<br />
von The Good, the Bad and<br />
" the Ugly" inszenierte, dient heute<br />
ganz profan einigen Ziegenhirten<br />
In "<br />
Für ein paar Dollar mehr" sprach an dieser Bar auch Klaus<br />
Kinski dem Alkohol zu, um bald darauf erschossen zu werden.<br />
Schicksal wollte es, dass es schneite, als Simi i dort rekognoszierte,<br />
weshalb es ihn gen Süden zog – nach Almeria, „wo es viel mehr Sonne<br />
gab". Für jeden weiteren Film ließ Leone<br />
ein weiteres Westerndorf aus dem Boden<br />
stampfen. Weshalb nun in unmittelbarer<br />
Nähe gleich drei Touristenattraktionen<br />
mit dem gleichen Angebot gegeneinander<br />
konkurrieren. Das ist mehr, als selbst<br />
ein sattelfester Westernliebhaber vertragen<br />
kann.<br />
In den FußsSStapfen von<br />
Henry Fonda<br />
In „Fort Bravo", wo zuletzt Til Schweiger<br />
sich<br />
als Lucky Luke versuchte, stößt man auf<br />
einen spanischen Darsteller, der aufgrund<br />
seiner Ähnlichkeit mit Henry Fonda für sich<br />
in<br />
Anspruch nimmt, von demselben in einer Drehpause gezeugt worden<br />
zu sein. Den Altstar konnte sich Leone damals endlich für seine vierte<br />
Pferde-Oper leisten, Spiel mir das Lied vom Tod". Damit zertrümmer-<br />
" te der<br />
Italiener einen weiteren Westernmythos, das Saubermann-Image<br />
eines Henry Fonda. In Erinnerung bleibt der weite Kameraschwenk, der<br />
enthüllt, lt dass es eben dieser blauäugige Fonda war, der soeben eine<br />
ganze Familie massakriert hatte. Der Mann, der im amerikanischen<br />
Film<br />
stets für das Gute stand, hatte die Seiten gewechselt, erschoss<br />
ein unschuldiges Kind so schnell, wie er braunen Tabaksaft ausspucken<br />
konnte. Diesem<br />
Mann traut man<br />
nun ohne weiteres<br />
auch einen<br />
illegitimen Sohn<br />
zu.<br />
Das solide<br />
Blockhaus, wo<br />
sich besagtes<br />
Blutbad abspielte,<br />
stellt die<br />
dritte Westernsiedlung<br />
dar, die<br />
es zu bestaunen<br />
gibt, mit einem<br />
als Unterkunft. Und wo Alain<br />
Delon in Rivalen unter roter<br />
"<br />
Sonne" einmal als Schurke in<br />
einer Höhle lauerte, wartet jetzt nur noch eine Tankstelle auf Opfer der<br />
Benzinknappheit.<br />
Das Pferd ist echt, der Cowboy nicht:<br />
Spanier spielen für Touristen amerikanische Gringos.<br />
Spiel mir das Lied vom Tod"<br />
"<br />
© Roland Schäfli<br />
Fotos: © Roland Schäfli<br />
Lawrence von Almeria<br />
Der Entdecker von Almeria als Film-Mekka war dennoch nicht Leone.<br />
Denn ein paar Jahre zuvor ging an diesem Hafen der Produktionsdesigner<br />
Eddie Fowlie an Land. Der hatte schon für den „Roten Korsaren" das<br />
italienische Ischia<br />
überzeugend in die<br />
Karibik versetzt und<br />
jeden im Kino glauben<br />
gemacht, die<br />
„Brücke am Kwai"<br />
stehe nicht in Sri<br />
Lanka, sondern in<br />
Burma. Nun plante<br />
er seinen größten<br />
Schwindel. Er suchte<br />
nach einer Einöde, die<br />
dem Kinozuschauer<br />
Diese Palmen, vor 50 Jahren für eine Oasen-Szene von Lawrence<br />
glaub haft als jordanische<br />
Wüste vorge-<br />
Stelle in Für ein paar Dollar mehr".<br />
von Arabien" gepflanzt, wachsen heute noch. Leone benutzte "<br />
die<br />
setzt werden konnte.<br />
"<br />
Im Naturpark Cabo de Gata, an Almeria grenzend, nd wurde Fowlie fündig.<br />
Dort liegt Europas einzige Wüste. Der Film: "<br />
Lawrence von Arabien".<br />
Hunderte von Einheimischen befreiten die Sanddünen in Fowlies<br />
Auftrag von Gewächsen, um die Ähnlichkeit mit Jordanien noch zu<br />
Foto: © Roland Schäfli<br />
Seite 70 ■ GoodTimes 2/2013<br />
201
Foto: © Roland Schäfli<br />
verstärken. Doch im Abspann sollte für alle<br />
Zeiten der Dank an die spanischen Gastgeber<br />
fehlen. Großzügige Erwähnung fand allein<br />
das jordanische Königreich; Spanien wurde<br />
bewusst unterschlagen, um den Effekt nicht<br />
zu verderben. Das hat Almeria nie verwunden.<br />
Aber die Produktionsbedingungen waren<br />
günstig, einheimische Arbeitskräfte billig zu<br />
haben. Im spanischen Diktator Franco hatten<br />
die Filmemacher zudem einen mächtigen<br />
Verbündeten, dem es schmeichelte, von Hollywood-Größen hofiert<br />
zu werden (für den Oscarfilm "<br />
Patton" stellte er später 1000 seiner<br />
Soldaten als Statisten). Und noch ein weiterer Grund war laut<br />
Fowlie ausschlaggebend für die Entdeckung des Filmlands Spanien:<br />
„Behördenvertreter waren leicht zu schmieren." So waren die<br />
Aus der Taverne, in der Clint Eastwood in "<br />
Für eine Handvoll Dollar" drei Gegnern beim<br />
Essen den Geraus machte, ist heute ein Restaurant geworden. Für eine Handvoll Euro<br />
sind heute nur noch die Preise zum Sterben, unschlagbar tief.<br />
"<br />
Lawrence von Arabien"<br />
„Strawberry Fields" geschrieben? Seguro. Die Spanier<br />
holen die Stars von gestern ern an die Schauplätze zurück;<br />
die Cardinale und Raquel Welch<br />
sind<br />
dem Ruf zu Retrospektiven<br />
schon gefolgt. Die „Rolling<br />
Roadshow Tour" führt als mobi-<br />
Italiener die Arbeitgeber und die Spanier<br />
Befehlsempfänger im eigenen Land (an<br />
les Freiluftkino die Leone-<br />
Western direkt am Ort des<br />
den Wochenenden rächten sie sich jeweils<br />
damaligen Geschehens<br />
für die Schmach – in Fußballspielen Crew<br />
auf. Der Friedhof mit den<br />
gegen Crew). Spanische Handwerker waren SPANIEN<br />
1000<br />
Kreuzen aus Zwei glorreiche<br />
Halunken" ist endlich markiert<br />
"<br />
es auch, die am Strand von Carboneras<br />
unter Fowlies Anleitung eine komplette<br />
worden: Die vormals anonyme<br />
arabische Stadt aufbauten, die Lawrence<br />
und seine Kamel-Armee im Handstreich<br />
nahmen. Dieser im Film so eindrucksvolle<br />
le<br />
Sandstrand wird heute beherrscht von einem<br />
Alm<br />
eri<br />
a<br />
Wiese e in<br />
der Nähe von Burgos<br />
heißt nun gemäß sorgfältig<br />
geschnitzter Holztafel ganz<br />
offiziell fi „Friedhof von Sad<br />
monströsen Hotelkomplex, der nie fertiggestellt wurde und seit<br />
nunmehr 30 Jahren als sein eigenes Denkmal für Fehlkalkulation<br />
dort steht. Eddie Fowlie entging die Ironie nicht: Seinerzeit hatte<br />
er für die Crew eine Zeltstadt<br />
zu errichten, weil es Hotels<br />
Hill". Doch das verschlafe-<br />
ne Kaff Los Albaricoques übertrifft<br />
ft<br />
sie<br />
alle. Lokale Enthusiasten haben die<br />
Gassen der weißgetünchten<br />
Flachdachhäuser neu getauft,<br />
in dieser Gegend noch<br />
haben die Straßen benannt<br />
nicht gab. Der bekannte<br />
nach den Stars von „Für ein<br />
Produktionsdesigner selbst<br />
paar Dollar mehr". Großzügige<br />
setzte sich in Carboneras zur<br />
Ruhe, errichtete das Hotel<br />
Dorado, schmückte es mit<br />
Film-Mementos und zählte<br />
Stars wie Anthony Quinn zu<br />
seinen Gästen, die immer dann<br />
bei ihm einkehrten, wenn in<br />
der Gegend wieder die Kameras<br />
surrten. Die Eingangspforten<br />
Schilder überall im Ort stellen<br />
die Orientierung her, wo Leone<br />
seine Kamera platziert hatte.<br />
Die Spuren des Showdowns<br />
prägen den Ort schließlich<br />
bis heute: Das Gemäuer, wo<br />
Clint von vier Kugeln verfehlt<br />
wurde, wird heute noch von<br />
jenen <strong>Eins</strong>chusslöchern geziert.<br />
stammen aus Dr. Schiwago".<br />
Einen besseren Beweis findet<br />
man nirgends: Hier war's.<br />
"<br />
Der wurde ja auch nicht im<br />
Ural gedreht, sondern, jawohl,<br />
gleich hier um die Ecke, wo<br />
auch sonst.<br />
Außerhalb der Saison macht Mini Hollywood" jeder Geisterstadt Konkurrenz.<br />
"<br />
Nicht in Hollywood, sondern<br />
in Spanien. Im spanischen<br />
Hollywood eben.<br />
GoodTimes 2/2013 201<br />
■ Seite 71<br />
Alte Filmgeschichte, neu<br />
entdeckt<br />
Dass sowohl „Lawrence" als auch „Dr.<br />
Schiwago" nicht zu ihrer spanischen Herkunft<br />
stehen konnten und dass Andalusien ausgerechnet<br />
für Italo-Western bekannt wurde, mag<br />
der Grund sein, weshalb die Einheimischen<br />
sich lange nichts aus der Filmgeschichte<br />
machten. Erst seit kurzem ist der Tourismus<br />
dazu übergegangen, diese Identität herzustellen.<br />
Weisen Schilder auf Drehorte hin, kann man der „Las<br />
Rutas Del Cine" folgen,<br />
die den hoffnungsvollen<br />
Kultisten gezielt zu seinen<br />
Pilgerstätten führt.<br />
Tourguides wie „Tuco<br />
Tours" haben das neuerwachte<br />
Interesse erkannt<br />
und nehmen Filmverrückte<br />
mit auf die Reise in die<br />
Foto: © Roland Schäfli<br />
Nicht immer bleibt ein Drehort der Nachwelt erhalten: en:<br />
Wo Sergio Leone eine Szene für "<br />
Zwei glorreiche e<br />
Halunken" aufnahm, werden keine Filmerinnerungen, en,<br />
sondern Ziegen gehütet.<br />
Vergangenheit. Kein besserer<br />
Ort für ein Picknick<br />
als El Oasis, jene künstliche<br />
Oase, die Eddie Fowlie für<br />
„Lawrence" angelegt hat,<br />
komplett mit eingepflanzten<br />
Palmen, die noch 50 Jahre später in den Himmel wachsen.<br />
Und die immer gleiche Frage, die den Hotelbetreiber des Blue<br />
Dolphin früher entnervt haben mag, erfüllt ihn jetzt mit Stolz:<br />
Hat John Lennon hier während der Dreharbeiten von Wie ich den<br />
"<br />
Krieg gewann" gewohnt? Si, er hat. Und hat er hier tatsächlich<br />
Foto: © Roland Schäfli
Von Lothar Brandt<br />
GENERATION GELB:<br />
EINES<br />
HÖRERS<br />
Das erinnert ein wenig an jenen Manager<br />
der Plattenfirma Decca, der eine junge<br />
Liverpooler Band einst ablehnte mit<br />
der Begründung, Gitarrenbands seien nicht<br />
mehr modern. Die Gruppe nannte sich The<br />
Beatles – und die Konkurrenz von der EMI<br />
verdiente später mit ihr Millionen.<br />
Doch die Entscheider bei Sennheiser hörten<br />
zum Glück nicht auf das Gequengel<br />
der vermeintlichen Marktexperten und<br />
gaben grünes Licht für den ersten kommerziellen<br />
„offenen" Kopfhörer. Der<br />
Halbpfünder mit den lustigen – zu Beginn<br />
übrigens noch blauen – Schaumstoff-<br />
Ohrpolstern löste eine wahre Kopfhörermanie<br />
aus. Ende 1969 – man trug bereits Kanariengelb<br />
– waren 100.000 Stück verkauft, die erste Million<br />
war 1974 erreicht, und bei Marktabtritt 1981 hatten<br />
sich rund zehn Millionen Menschen weltweit für den HD 414<br />
entschieden. Mehr hat kein anderes reines HiFi-Produkt – lassen wir<br />
Spielereien wie Apples i-er oder musiktaugliche Smartphones mal<br />
außen vor – jemals geschafft.<br />
In den frühen 70ern stand der 414 quasi für den Begriff Kopfhörer, so<br />
wie Tempo für Papiertaschentücher oder später Walkman für tragbare<br />
Kassettenspieler. Apropos: Als Sony den ersten Walkman lancierte,<br />
gehörten offene Kopfhörer zum Lieferumfang. Die Japaner hatten die<br />
Technologie lizenziert – und Patentinhaber Sennheiser freute sich bis<br />
1983 über eine weitere sprudelnde Geldquelle.<br />
Wie so oft hatte Gott Zufall auch hier seine Hände<br />
im Spiel. Sennheiser-Techniker Erhard Michaelis<br />
stieß eher nebenbei auf das Prinzip. Als er Mikrofone<br />
für Diktiergeräte bastelte, hielt er sich eines mal ans<br />
Ohr und stellte fest, dass die „so offen viel besser<br />
klingen als ein gängiger geschlossener Kopfhörer" .<br />
Mikrofone sind ja wie Kopfhörer nichts anderes als<br />
elektromechanische Wandler, die aus Schallwellen<br />
Selten<br />
hat sich eine<br />
Marketing-Abteilung<br />
so geirrt. Nicht mehr als<br />
500 Stück, so glaubte die<br />
Expertenrunde im Frühjahr 1968,<br />
würden sich von dem neuartigen<br />
Konstrukt pro Jahr verkaufen.<br />
"<br />
Kein Vorzeige-Effekt", lautete im<br />
Hannoveraner Hause Sennheiser<br />
das Verdikt gegen den HD 414.<br />
Ende 1969 waren hingegen<br />
schon 100.000 Kopfhörer<br />
über den Ladentisch<br />
gegangen.<br />
Strom machen<br />
können und<br />
umgekehrt. Die<br />
Werkstatt baute<br />
ihm einen Bügel für<br />
zwei Mikrofonkapseln,<br />
Michaelis polsterte sie mit<br />
Schaumstoff ab – der offene Kopfhörer war<br />
geboren.<br />
Gegenüber den damals üblichen Kopfschraubstöcken,<br />
welche die Ohren unter Luftabschluss buchstäblich<br />
zum Glühen brachten, bedeutete der Cabrio-Hörer einen<br />
Befreiungsschlag sondergleichen. Nicht nur im Komfort, auch der<br />
Klang hob in weit luftigere Sphären ab. 1973 schoss der HD<br />
414 dann in ultimative Höhen: Die Nasa bugsierte ihn zum<br />
Skylab in den Weltraum. Der Millionenseller war wirklich all-lgegenwärtig.<br />
Neben den klanglichen Qualitäten ließ vor allem der Preis<br />
eine ganze Generation von Musik- und HiFi-Fans Gelb<br />
tragen. Seinerzeit gab es ihn für 69 Deutsche Mark. Für<br />
einen auch nur annähernd so klangstarken Lautsprecher<br />
wäre in diesen Flegeljahren der „hohen Klangtreue" ein<br />
Vielfaches zu berappen gewesen. Auch<br />
dank des poppigen Sennheisers wurde<br />
High Fidelity zum erschwinglichen<br />
Volkshobby.<br />
Zahlreiche Plattengeschäfte installierten<br />
an ihren Abhörstationen – ja, so was gab<br />
es damals – den Volkshelden. Oder seine e<br />
„halbe" Version für ein Ohr, den HD 412. So<br />
Seite 72 ■ GoodTimes 2/2013
machten viele Musikfreunde via HD 414/412 die erste Bekanntschaft<br />
mit Rock- und Popsongs, die heute Klassiker sind. Zum Beispiel<br />
mit "Smoke On The Water" von Deep Purples Jahrhundertalbum<br />
MACHINE HEAD. In dessen Klappcover Bassist Roger Glover und<br />
Sänger Ian Gillan doch tatsächlich auch noch mit Kopfschmuck<br />
abgebildet waren, der dem Kultkopfhörer auf dem eigenen Schädel<br />
aufs Haar glich.<br />
Déjà-Vu-Erlebnisse stellen sich wohl bei jedem ein, wenn er<br />
Sennheisers Museums-Modell in der Hand hält. „Wow, cool, den hatte<br />
ich auch" , „Die halbe Klasse hatte so einen" oder ähnlich dürften die<br />
meisten 40- bis 55-Jährigen schwärmen und sanft über den grauen<br />
Plastikbügel streicheln. Wenn gestandene HiFi-Profis das gute Stück<br />
TOLLE NEUHEITEN ZUM<br />
75. GEBURTSTAG VON<br />
DIETER THOMAS HECK...<br />
FEIERN SIE MIT!<br />
DIE<br />
GESCHENK-<br />
IDEE FÜR FANS!<br />
ALLES AUF ZWEI<br />
DVD’S PLUS<br />
60-SEITIGEM<br />
BUCH!<br />
heute wieder überziehen, zollen sie dem knackig-höhenreichen Sound<br />
des Oldtimers Respekt, auch wenn aktuelle Spitzen-Hörer inzwischen<br />
detailreicher, impulsgenauer und bassgewaltiger tönen. Auch<br />
Professor Jörg Sennheiser, Sohn des legendären Firmengründers Fritz,<br />
verriet einst dem Autor, er „würde einen Kopfhörer heute nicht mehr<br />
so abstimmen". Doch davon abgesehen: Billigen Beipack-Stöpseln<br />
und auch vielen modernen Aufsitzern der 30-Euro-Klasse läuft der<br />
Held der Generation Gelb allemal den Rang ab.<br />
TIPPS<br />
ERSATZTEILE: Neue Ohrpolster gibt es zum Beispiel bei<br />
www.thomann.de/de/sennheiser_hd414_ohrpolsterpaar.htm<br />
Ab 4,99 Euro. Schwieriger zu beschaffen sind Ersatz-<br />
Anschlusskabel. Ausweg: Bei ebay einen defekten HD 414<br />
mit noch intakten Kabeln für maximal fünf Euro ersteigern.<br />
MP3-PLAYER: Hochohmig (600 Ohm) ausgelegt, kann der<br />
HD 414 mit den meisten Mobilplayern noch satte, ausgewogene<br />
Pegel erzeugen.<br />
ADAPTER: Umstecker von 6,3-Millimeter-Klinke auf die<br />
heute gängigen 3,5 Millimeter gibt’s im Handel für maximal<br />
vier Euro.<br />
GEBRAUCHTKAUF: Ein technisch und optisch einwandfreier<br />
HD 414 ist selten unter 15 Euro im Angebot. Deshalb:<br />
Im Zweifelsfall verschmutzte oder angefranste Ohrpolster<br />
akzeptieren und austauschen (siehe Ersatzteile).<br />
DER<br />
DEUTSCHE<br />
SCHLAGER...<br />
KULT UND<br />
KULTUR:<br />
DIE GRÖSSTEN<br />
HITS AUF<br />
3 CD’S!<br />
www.sonymusic.de
DAS JAHR 1963<br />
Von Bernd Matheja<br />
Postraub,<br />
Buli, JFK<br />
Gentlemen bitten zur Kasse,<br />
das Milli ardengeschäft<br />
Fußball-Bundesliga rollt<br />
an, in Dallas wird ein politischer<br />
Hoffnungsträger r<br />
ermordet. Eine simpelgeniale<br />
Zeichnung grinst<br />
sich knallgelb um die Welt,<br />
der Grand Prix Eurovision<br />
verläuft britisch-skurril,<br />
und ein angesoffener Opa-<br />
Butler stolpert und stolpert t<br />
und stolpert. Viel los in diesem<br />
bewegten Jahr 1963 ....<br />
1963<br />
ZEITGESCHICHTE E<br />
Christine<br />
Keeler<br />
Am 26.6. hält US-Präsident John<br />
F. Kennedy (46) seine berühmte e<br />
Rede mit dem Kernsatz „Ich bin ein<br />
Berliner!" vor dem Schöneberger r<br />
Rathaus – am 22.11. wird der politische<br />
Hoffnungsträger in Dallas,<br />
Texas, ermordet (Nachfolger:<br />
John F. Kennedy: Rede in Berlin<br />
Vizepräsident Lyndon B. Johnson).<br />
Der Attentäter, Lee Harvey Oswald, stirbt ib zwei iT Tage<br />
später:<br />
erschossen<br />
im Keller des Polizeigebäudes vom Nachtclubbesitzer Jack Ruby.<br />
Beide Tötungsdelikte gelten bis heute als nicht eindeutig geklärt,<br />
es kursieren Verschwörungstheorien ohne Ende über Drahtzieher<br />
im Hintergrund. *** Zu einem der noch immer spektakulärsten<br />
Kriminalfälle kommt es am 8.8. beim englischen Sears Crossing:<br />
Eine etwa 15-köpfige Bande stoppt um 3.05 Uhr den Postzug von<br />
Glasgow nach London und raubt rund 2,6 Millionen Pfund, heute<br />
(Wertentwicklung eingerechnet) ca. 50 Millionen Euro. Kein Schuss<br />
fällt. Kleckerweise werden Täter verhaftet, sieben erhalten 30-jährige<br />
Haftstrafen. Die Story wird 1965<br />
als TV-Dreiteiler Die Gentlemen<br />
"<br />
bitten zur Kasse" von der ARD ver-<br />
das beste Ergebnis überhaupt: 99,95 Prozent (das „schlechteste"<br />
filmt – ein Straßenfeger, u.a. . mit Horst ost<br />
waren 1954 magere 99,46 Prozent ...). *** Zwei Staaten werden<br />
Tappert und Günther<br />
Neutze. *** Vom Wald<br />
aufs Lotterbett: Der englische<br />
Heeresminister John<br />
Profumo stürzt über den Körper des Models und Callgirls<br />
Christine Keeler (20): Sie hatte in Wechselschicht auch<br />
den russischen Marineattaché Jewgeni Iwanow beglückt<br />
– Verdacht auf Landesverrat. *** Am 28.8. spricht<br />
Bürgerrechtler Martin Luther King (34) vor 250.000<br />
Menschen in Washington D.C. die wegweisenden Worte<br />
„I<br />
have a dream ..." – Anlass: der Marschfü<br />
für<br />
Arbeit und Freiheit. King wird am 4.4.1968<br />
in Memphis erschossen. *** Premiere in der<br />
UdSSR: Als erste Frau fliegt Valentina<br />
Tereschkowa eschko<br />
(25) mit<br />
„Wostok 6" am 16.6. für zwei Tage, 22<br />
Stunden und 50 Minuten solo in den Weltraum<br />
und wird dafür international gefeiert. *** Am<br />
3.6. stirbt Angelo Giuseppe Roncalli, besser<br />
bekannt als Papst Johannes XXIII. 27 Tage<br />
später wird sein Nachfolger Giovanni Battista<br />
Montini als Papst Paul VI. eingesetzt. *** In der<br />
Bundesrepublik tritt am 15.10. der erste Kanzler<br />
Konrad Adenauer (87, CDU) zurück. Ihm<br />
folgt der bisherige Wirtschaftsminister Ludwig<br />
Erhard (66, CDU). *** In der DDR erreicht die<br />
SED bei den Volkskammerwahlen am 20.10.<br />
Martin Luther King<br />
Zugüberfall bei Sears Crossing<br />
Start der Fußball-Bundesliga: Timo Konietzka (r.)<br />
und Max Lorenz (Werder Bremen)<br />
unabhängig von Großbritannien: Singapur (1.9.) und<br />
Kenia (12.12.). *** Der Ex-Boxer, -Richter und Demokrat<br />
(!) George Wallace setzt am 2.9. als Gouverneur von<br />
Alabama die Nationalgarde in Marsch, um schwarze<br />
Kinder am Betreten von Gemeinschaftsschulen zu hindern.<br />
Der praktizierende Rassist („Rassentrennung heute,<br />
morgen und für immer!") wurde 1972 angeschossen,<br />
blieb gelähmt und wandelte sich zum wiedergeborenen<br />
Christen. *** In der Nähe von Salzgitter ereignet sich<br />
im Oktober/November das "<br />
Wunder von Lengede":<br />
Seite 74 ■ GoodTimes 2/2013
Nach unfassbaren 14 Tagen werden<br />
elf verschüttete Bergleute mit einer<br />
Spezialkapsel („Dahlbusch-Bombe") aus<br />
58 Metern Tiefe zurück ins Leben gehievt.<br />
Anderes Rettungsgerät war schon auf<br />
dem Rücktransport nach Belgien, der<br />
Trauergottesdienst für die Opfer der<br />
Katastrophe bereits terminiert. Rund<br />
500 Medienvertreter vor Ort berichteten<br />
rund um die Uhr, das Live-Fernsehen<br />
erlebte eine frühe Sternstunde. *** Der<br />
Friedensnobelpreis geht am 10.12. in<br />
" Wunder von Lengede" Oslo an das Internationale Komitee des Roten Kreuzes. ***<br />
SPORT<br />
Olympische Sommer- und Winterspiele, Fußball-WM/-EM, Leichtathletik-EM<br />
– in diesem Jahr alles nicht auf dem Terminkalender. ***<br />
Dennoch gibt es ein nationales Ereignis, das sich schon sehr bald zu<br />
einem gigantischen Sport- und Wirtschaftsfaktor auswächst: Beginn<br />
der Fußball-Bundesliga! Ein DFB-Beschluss vom 28.9.1962 wird<br />
umgesetzt, 16 Mannschaften gehen an den Start. Ab 24.8. läuft die<br />
Premierensaison, das erste Tor erzielt Friedhelm „Timo" Konietzka<br />
beim Spiel Werder Bremen – Borussia<br />
Dortmund schon nach 58 Sekunden für<br />
die Westdeutschen. Zu früh fürs Fernsehen,<br />
der Treffer ist optisch nicht dokumentiert.<br />
*** Letzter Nicht-Bundesligameister<br />
in einem Endspiel werden die Dortmunder,<br />
sie besiegen den 1. FC Köln am 29.6. in<br />
Stuttgart mit 3:1. Den DFB-Pokal holt sich<br />
– durch drei Uwe-Seeler-Tore – der HSV<br />
beim 3:0 gegen die Borussen am 19.8. in<br />
Hannover. *** DDR-Oberligameister wird<br />
erstmals der FC Motor Jena, den FDGB-<br />
M. Kilius &<br />
H.-J. Bäumler<br />
Pokal gewinnt die BSG Motor Zwickau (3:0<br />
gegen BSG Chemie Zeitz). *** Skispringen: Die Vierschanzentournee<br />
1962/63 geht an den Norweger Toralf Engan nach Siegen in<br />
Oberstdorf, Innsbruck und Garmisch-Partenkirchen. In Bischofshofen<br />
wird er „nur" Vierter. *** Keinen Ausrutscher leisten sich Marika<br />
Kilius und ihr Partner Hans-Jürgen Bäumler: Sie werden am<br />
28.2. in Cortina d'Ampezzo Eiskunstlauf-Weltmeister der Paare. Bei<br />
den Herren muss sich Mitfavorit Manfred Schnelldorfer mit Rang 3<br />
hinter Donald McPherson (Kanada) und dem Franzosen Alain Calmat<br />
begnügen. Die Damenkonkurrenz gewinnt Sjoukje Dijkstra aus den<br />
Niederlanden. *** Box-Weltmeister im Schwergewicht bleibt Sonny<br />
Liston: Am 22.7. schlägt er Floyd Patterson in der ersten Runde k.o.<br />
– dem er am 25.9.1962 auf exakt dieselbe Weise den Titel abgeknöpft<br />
Sonny hatte. *** Ruhiger ist es<br />
Liston<br />
1963<br />
am Schachbrett: Die<br />
WM holt sich Tigran<br />
Petrosjan (UdSSR) gegen<br />
Landsmann Michail<br />
Botwinnik. *** Ebenfalls<br />
in die UdSSR geht einmal<br />
mehr der Welttitel<br />
im Eishockey. Die<br />
roboterhaft dominierenden<br />
Kufen-Sputniks<br />
siegen am 17.3. in Stockholm – auf den Plätzen: die Erzrivalen<br />
aus Schweden und der Tschechoslowakei. *** Zwei Radsport-<br />
Klassiker, zwei Siege für Einheimische: am 9.6. beendet der<br />
Italiener Franco Balmamion als Erster den Giro d'Italia; am 14.7.<br />
steht bei der Tour de France Jacques Anquetil (Frankreich) auf dem<br />
obersten Treppchen. Die Internationale Friedensfahrt gewinnt Klaus<br />
Ampler (DDR). *** Das Tennisturnier in Wimbledon entscheiden bei<br />
den Herren der Amerikaner Chuck McKinley (gegen Fred Stolle) und<br />
bei den Damen Margaret Court (Australien; gegen Billie Jean King)<br />
für sich. *** Sportler des Jahres/BRD: Gerhard Hetz, Ursel Brunner<br />
(beide Schwimmen) und die Hockey-Nationalmannschaft der Herren.<br />
Bei den Wahlen in der DDR stehen Klaus Ampler (Rad), Ingrid Krämer<br />
(Kunst- und Turmspringen) und die Fußball-Nationalmann schaft<br />
ganz oben. *** Fußballer des Jahres (BRD/DDR): Hans Schäfer<br />
(1. FC Köln)/Manfred Kaiser (SC Wismut Karl-Marx-Stadt). Den<br />
Europatitel greift<br />
sich der Torwart-<br />
Krake Lew<br />
Jaschin (Dynamo<br />
Moskau), seit<br />
1956 bis heute<br />
der einzige<br />
Keeper mit dieser<br />
Auszeichnung<br />
Lew Jaschin<br />
und „Welttorhüter des Jahrhunderts". h *** Die Europapokale gehen<br />
bei den Landesmeistern an den AC Mailand (2:1 gegen Benfica<br />
Lissabon) und bei den Pokalsiegern an die Tottenham Hotspurs (5:1<br />
gegen Atletico Madrid). ***<br />
FUNK & FERNSEHEN<br />
1963<br />
Technische Sensation: Am 3.1. meldet Walter Bruch sein neues<br />
PAL- Farbfernsehsystem (Phase Alternation Line) zum Patent an,<br />
Präsentation in Hannover. *** Der Sechsteiler Tim Frazer", erneut<br />
"<br />
nach einer Romanvorlage des Engländers Francis Durbridge, wird als<br />
Nachfolger von „Das Halstuch" zu einem gewaltigen Straßenfeger.<br />
Sogar der Boxkampf von Karl Mildenberger gegen Archie McBride wird<br />
verschoben, um nicht parallel zur letzten Krimifolge zu laufen. ***<br />
Spannende Unterhaltung bietet die Serie Sprung aus den Wolken",<br />
"<br />
die von 1961 bis 1963 in den USA 76 Mal als „Ripcord" gelaufen<br />
ist. Mit dabei: Ken Curtis, bekannt aus der Westernreihe „Rauchende<br />
Colts" („Gunsmoke"). *** Am 1.4. wird das TV-Programmangebot<br />
erweitert, um 19 Uhr geht das ZDF (Gründungsintendant: Prof.<br />
Karl Holzamer) an den Start. Gesendet wird zunächst aus scheddrigen<br />
Baracken in versiffter Umgebung g aus Eschborn bei Frankfurt/<br />
Main – Rufname des<br />
Areals ist „Telesibirsk".<br />
Zu Dauerbrennern<br />
avancieren ab 2.4. die<br />
Mainzelmännchen<br />
Anton, Berti, Conni,<br />
Det, Edi und Fritzchen<br />
des Karikaturisten<br />
Wolf Gerlach im<br />
Werbeumfeld.<br />
Am 4.4. beginnt die erste Krimi-Serie des Senders, „Das<br />
Kriminalmuseum". *** Neuerungen in der ARD: Der „Weltspiegel"<br />
wird ab 5.4. zum Informations-Klassiker mit Filmmaterial der<br />
Auslandskorrespondenten; im (Inlands-)„Bericht aus Bonn" kündigt<br />
Bundeskanzler Konrad Adenauer seinen Rücktritt an. Zwei<br />
Tage später heißt es erstmals Pfarrer Sommerauer antwortet".<br />
"<br />
Dies macht der Geistliche in genau 100 Sendungen bis 1978. ***<br />
Bildungsfernsehen amüsant: „Walter & Connie", eingekauft von<br />
der BBC. Ein englisches Jungehepaar vermittelt in Spielszenen<br />
Sprachunterricht mit Sätzen wie „Dies ist ein Fernseher, ist es nicht?"<br />
– „Nein, Walter, dies ist ein Rasierapparat." *** Die Messung der<br />
<strong>Eins</strong>chaltquoten beginnt: 1963–1974 durch Infratam. Später übernimmt<br />
die Teleskopie (1975–1984),<br />
seit 1985 ist die GfK (Gesellschaft<br />
für Kommunikationsforschung) tätig.<br />
*** Die Miss World des Jahres 1956,<br />
Petra Schürmann, wird Ansagerin<br />
beim Bayerischen Rundfunk. ***<br />
Abschied von einer legendären<br />
Unterhaltungsserie am 29.5.:<br />
Familie Hesselbach" (zuvor „Die<br />
"<br />
Firma Hesselbach"), mit Wolf Schmidt<br />
und Liesel Christ, hat ausgedient. ***<br />
In Berlin findet die Große Deutsche<br />
Funkausstellung statt: 153<br />
Petra Schürmann<br />
Aussteller präsentieren ihre Produkte<br />
417.500 interessierten i<br />
Besuchern. *** Top-Entertainer Peter<br />
Frankenfeld stellt am 3.5. seine neueste Fernsehshow vor: In „Und<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 75
" Dinner For One"<br />
Ihr Steckenpferd?" Teil 1" – mit Pierre Brice, Lex Barker und Marie Versini; Musik<br />
geht es um Menschen<br />
mit nicht alltäglichen<br />
von Martin Böttcher – zieht Besuchermassen in die bundesdeutschen<br />
Lichtspielhäuser. *** Am 10.10.<br />
Hobbys. *** Ebenso hat Liebesgrüße aus Moskau"<br />
"<br />
kurzweilig gerät Premiere, nach „James Bond jagt<br />
die „Zwischenmahlzeit"<br />
Dr. No" aus dem Vorjahr der zweite<br />
rund ums Spielfilm um den Agenten „007". In<br />
Showgeschäft mit der Hauptrolle wiederum mit Sean<br />
Quasselstrippe Gisela Connery. *** Für Qualität und/oder<br />
Das aktuelle Sportstudio"<br />
" Schlüter. *** Teure hohe Zuschauerzahlen sorgen außerdem<br />
Hinweise i für Verbraucher: Pro Sendeminute Werbung verlangt das<br />
ZDF 25.000 Mark, das Erste (größere Verbreitung) ruft bereits 70.000<br />
Mark auf. *** Noch heute eine feste Größe im ZDF-Programm:<br />
„Das Mädchen Irma La Douce<br />
(mit Shirley MacLaine), „Flipper"<br />
(mit Chuck Connors), „Gesprengte<br />
Das aktuelle Sportstudio". Am 24.8. – mit Beginn der Fußball- Ketten" (mit Steve McQueen, Charles<br />
"<br />
Bundesliga – hat dieses neue Format Premiere in einem umgebauten Bronson und James Garner) und<br />
Schweinestall. Präsentatoren (bis heute: 25 feste) im Gründungsjahr Der rosarote Panther" (mit Peter<br />
"<br />
des Senders waren die inzwischen sämtlich verstorbenen Rainer Sellers und David Niven). *** In der<br />
Günzler, Wim Thoelke, Harry Valérien, Helmuth Bendt und Heribert<br />
Meisel. *** Ebenfalls ein noch immer überaus beliebter Kult-Klassiker,<br />
der zum Jahresende gezeigt wird: „Der 90. Geburtstag", ein knapp<br />
Bundesrepublik wird „Durchbruch Lok 234" (mit Maria Körber und<br />
Erik Schumann) zum Kultstreifen über eine reale Flucht per Dampflok<br />
aus der DDR, Freddy-Quinn-Fans erleben<br />
20-minütiger Sketch (Originaltitel: Dinner For One", 1953 vom<br />
ihr Idol in „Heimweh nach St. Pauli". ***<br />
"<br />
Briten Lauri Wylie geschrieben). In den Hauptrollen: Mary Warden<br />
Auch Musikfilme – mit mehr Handlung<br />
als „Miss Sophie" und<br />
oder weniger – wecken wieder großes Fan-<br />
Freddie Frinton als<br />
Interesse, darunter „Acapulco" und „Viva<br />
angesoffener, permanent<br />
Las Vegas" mit Elvis Presley, „Summer<br />
über einen<br />
Holiday" mit Cliff Richard, „Beach Party"<br />
Tigerschädel stolpernder<br />
mit Frankie Avalon und Dick Dale, „It's All<br />
Butler „James"<br />
Happening" mit UK-Rock'n'Roller Tommy<br />
Sean Connery<br />
sowie die imaginären<br />
Steele, „Country Music On Broadway" (u.a.<br />
Gäste „Mr. Pommeroy",<br />
mit Hank Snow, Skeeter Davis). *** Nationale und internationale Stars<br />
„Sir Toby", „Mr.<br />
in spe erblicken das Licht der Welt: Andrea Sawatzki (23.2.), Quentin<br />
Winterbottom" und „Admiral von Schneider". Erstausstrahlung am Tarantino (27.3.), Johnny Depp (9.6.), Brigitte Nielsen (15.7.), Heino<br />
8.7. in der Show „Guten Abend, Peter 1963<br />
Frankenfeld".<br />
***<br />
Ferch (18.8.), Katja Riemann (1.11.) und Brad Pitt (18.12.). *** Aus<br />
der Hollywood-Garde der Großen verstirbt der Sänger, Schauspieler<br />
FILM<br />
und Regisseur Dick Powell (2.1.) mit 60 Jahren an Krebs – eventuell<br />
Weltpremiere eines faszinierenden Thrillers am 28.3. in den USA,<br />
ausgelöst durch Radioaktivität, die während der Aufnahmen von<br />
dessen Gruselwirkung Jahrzehnte überdauern wird: Die Vögel" „Der Eroberer" (1956) in einem Atomwaffentestgebiet in der Wüste<br />
"<br />
von Alfred Hitchcock, mit Rod Taylor und Tippy Hedren (Mutter Nevada auf ihn übertragen wurde. *** Weitere Todesfälle: Harry Piel<br />
von Melanie Griffith). Deutsche Uraufführung am 20.9. *** Für<br />
einen Skandal wegen zu großer sexueller Freizügigkeit sorgt<br />
"<br />
des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman.<br />
In der Hauptrolle: Ingrid Thulin.<br />
Erstaufführung am 23.9. *** Drei<br />
Monate zuvor prägten – kurz vor<br />
ihrer ersten Eheschließung – Elizabeth<br />
(*1892), Regisseur Ernst Marischka (*1893) und Gustaf Gründgens<br />
(*1899). ***<br />
MUSIK<br />
Eine Revolution nimmt allmählich Fahrt auf: Beat heißt das magische<br />
Wort. Nach (bzw. parallel zu) Rock'n'Roll, Twist, Instrumentals<br />
und Surf kommt aus Liverpool eine neue musikalische – und wirtschaftliche<br />
- Welle noch ungeahnten en Ausmaßes über Europa und den<br />
Liz" Taylor und Richard Burton<br />
"<br />
(als Marcus Antonius) den monumentalen<br />
Rest der Welt. Bands wie<br />
Historienfilm „Cleopatra" unter<br />
der Regie von Joseph Mankiewicz. ***<br />
die Beatles, Searchers,<br />
Gerry & The Pacemakers<br />
Am 15.11. wird in der Ost-Berliner<br />
bilden die britische<br />
Karl-Marx-Allee das Kino International<br />
Speerspitze einer quantitativ<br />
eröffnet. Das imposante Haus mit Platz<br />
explodierenden<br />
für rund 600 Besucher avanciert für<br />
(Jugend-)Bewegung, die<br />
viele Jahre zum DDR-Premierenkino.<br />
das <strong>kult</strong>urelle Leben von<br />
The Beatles<br />
*** Preise, Preise, Preise: Die Golden<br />
Grund auf verändert. ***<br />
Globes gehen in diesem Jahr an Zeitlich genau zu diesen Veränderungen passend, bringt der niederländische<br />
Elizabeth Taylor<br />
„Lawrence von Arabien" (Film),<br />
Philips-Konzern die ersten Kassettenrekorder auf den<br />
Gregory Peck und Geraldine Page (Darsteller) und David Lean<br />
(Regisseur); bei der Oscar-Verleihung gewinnt Anne Bancroft<br />
bei den Schauspielerinnen, die anderen Sieger in den genannten<br />
Kategorien sind identisch. *** Der Deutsche Filmpreis wird an „Die<br />
endlose Nacht" (mit Karin Hübner) und an „Das Feuerschiff" (mit<br />
Dieter Borsche, nach einer Erzählung von Siegfried Lenz) vergeben.<br />
Bei zwei Top-Filmen aus der DDR führt Frank Beyer Regie: „Nackt<br />
unter Wölfen" (u.a. mit Armin Mueller-Stahl) und „Karbid und<br />
Markt, eine kleinere (und schon bald transportable) Variante der eher<br />
sperrigen Tonbandgeräte. *** Erstes Großereignis des Musikjahres<br />
ist die achte Veranstaltung des Grand Prix Eurovision de la<br />
Chanson (heute ESC/European Song Contest). Auftrittsort ist am<br />
23.3. London. Ungewohnt: Künstler und Publikum befinden sich in<br />
separaten Räumen, was Zweifel am Live-Charakter des Spektakels<br />
aufkommen lässt. Die dänischen Sieger Grethe & Jörgen Ingman<br />
präsentieren ihr "Dansevise" und schlagen<br />
Sauerampfer". *** Die „Ottos" der Zeitschrift Bravo" erhalten Rock damit u.a. die Kolleginnen Esther Ofarim<br />
"<br />
Hudson (vor O.W. Fischer und Anthony Perkins) sowie Sophia Loren (Schweiz/2.), Francoise Hardy (Monaco/5.)<br />
(vor den deutschen Stars Ruth Leuwerik und Liselotte Pulver). *** Ab<br />
11.12. erweist sich – nach „Der Schatz im Silbersee" von 1962 – erneut<br />
ein Karl-May-Stoff als Supererfolg an den Kinokassen: Winnetou,<br />
"<br />
und Nana Mouskouri (Luxemburg/8.). Für<br />
Deutschland endet Heidi Brühl mit "Marcel"<br />
auf Platz 9 von 16 Teilnehmern, sie erhält ledig-<br />
1963<br />
Seite 76 ■ GoodTimes 2/2013
lich fünf Punkte aus Monaco und Norwegen. Deutscher Kommentator<br />
ist der spätere ARD-„Tagesthemen"-Moderator Hanns-Joachim<br />
Friedrichs. *** Zum dritten Mal findet ein nationaler Wettstreit statt,<br />
die Deutschen Schlager-Festspiele am 15.6., Schauplatz ist<br />
Baden-Baden. Die eher altbackenen<br />
Künstler Anita Traversi und<br />
Gerhard Wendland haben keine<br />
Chance gegen den Siegertitel "Ich<br />
will 'nen Cowboy als Mann", intoniert<br />
von Konkurrentin Gitte. ***<br />
Klangsensation in Vorbereitung:<br />
Der amerikanische Tüftler Ray<br />
Dolby (geboren 1933 in Portland,<br />
Oregon) entwickelt die Grundzüge<br />
eines völlig bahnbrechenden<br />
Rauschunterdrückungsverfahrens<br />
für Tonaufnahmen. Das nach ihm<br />
benannte System wird drei Jahre<br />
später marktreif eingeführt und setzt sich ih<br />
weltweit in Profistudios<br />
und auf dem allgemeinen Konsumentenmarkt durch. Das aktuelle<br />
Vermögen des Erfinders wird auf 2,7 Milliarden Dollar geschätzt. ***<br />
Zu den populärsten Hitparadentiteln der USA werden "Sugar Shack"<br />
von Jimmy Gilmer & The Fireballs und "He's So Fine" (Chiffons)<br />
gekürt. Bei den LPs liegt Andy Williams mit DAYS OF WINE AND<br />
ROSES klar vor Vaughn Meader und THE FIRST FAMILY. In England<br />
– der Beat schlägt hier schon massiv durch<br />
– stehen die Beatles mit "From Me To You"<br />
und "I Want To Hold Your Hand" an der<br />
Spitze, in den LP-Hitparaden überflügeln<br />
sie mit PLEASE, PLEASE ME auf Anhieb<br />
Cliff Richards SUMMER HOLIDAY.<br />
Auf dem deutschen Markt rangiert weiterhin<br />
Erprobtes an der Spitze: Neben Freddy<br />
Quinn, dessen Gassenhauer "Junge,<br />
komm bald wieder" aus dem Vorjahr<br />
auch 1963 noch wochenlang punktet,<br />
marschieren die Dänin Gitte ("Ich will 'nen<br />
Cowboy als Mann") sowie Gitte mit ihrem<br />
Gesangspartner Rex Gildo ("Vom Stadtpark<br />
die Laternen") voran. Im LP-Bereich<br />
mühen sich Solisten und Orchester vergeblich:<br />
Es führt kein Weg an der deutschen<br />
Originalaufnahme des beliebten<br />
Musicals My Fair Lady" vorbei. *** Die<br />
"<br />
Single- und Langspielplattenverkäufe in<br />
der Bundesrepublik erreichen in diesem Jahr neue Bestmarken mit<br />
15 beziehungsweise 30 Millionen abgesetzten Exemplaren. ***<br />
1963<br />
VERMISCHTES AUS ALLER WELT<br />
Am 8.1. wird das Bundesurlaubsgesetz verkündet. *** Der<br />
Dramatiker Rolf Hochhuth thematisiert in seinem Stück "<br />
Der<br />
Stellvertreter" schonungslos die Rolle der Kirche während der<br />
NS-Zeit und sorgt für einen Sturm der Entrüstung. *** Am ersten<br />
Volkslauf in der Bundesrepublik nehmen am 13.10. in Bobingen<br />
(Naturpark Augsburg) 1654 Menschen teil. *** Auf Bali bricht am 18.2.<br />
der Vulkan Agung aus, rund 1500 Menschen verlieren ihr Leben. *** Die<br />
Firma Pentel in Japan lässt es quietschen, e sie bringt Filzstifte auf den<br />
Markt. *** USS Thresher<br />
E i n e<br />
OP-Weltsen<br />
sation<br />
in den<br />
USA: Am<br />
1.3. wagt<br />
der Mediziner Dr. Thomas Starzl in Denver, Colorado, die erste<br />
Lebertransplantation an einem Menschen. *** Die Western Electric<br />
Company stellt am 2.3. in den USA ihr neuartiges Tastentelefon<br />
vor. *** Bei Tauchtests vor Cape Cod sinkt am 10.4. das amerikanische<br />
U-Boot USS Thresher mit 129 Besatzungsmitgliedern. *** Die<br />
beliebtes te Sportzeitung der DDR, das „Sportecho", erscheint jetzt<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 77<br />
täglich. *** Coca-Cola<br />
wirbt mit einem seiner<br />
bekanntesten und einfachsten<br />
Slogans: „Viel<br />
Erfrischung für wenig<br />
Geld". *** Eine starke<br />
Maschine hebt am 6.2.<br />
erstmals ab, die legendäre<br />
Boeing 727. Es<br />
Erdbeben in Skopje<br />
werden insgesamt 1832<br />
der 39.780-kg-Jets für je 131 Passagiere gebaut, Indienststellung für<br />
den Linienverkehr am 1.2.1964. *** Am 23.5. wird die SPD, einst<br />
gegründet als Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein, 100 Jahre alt. ***<br />
Naturkatastrophe im ehemaligen Jugoslawien: Bei einem verheerenden<br />
Erdbeben in Skopje sterben am 26.7. über 1100 Menschen.<br />
*** Bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt/<br />
Main wird ein zukünftiger Kultsportwagen vorgestellt, der Porsche<br />
911. *** Harvey Ball (42), Grafiker in Diensten einer Werbeagentur<br />
in Worcester, Massachusetts, zeichnet für erfolgreiche Angestellte<br />
Porsche 911<br />
einer Versicherung<br />
in Ohio mit ein<br />
paar Strichen einen<br />
Klassiker – den<br />
Smiley". Weil er<br />
"<br />
die weiteren Folgen<br />
nicht erkennt, lässt<br />
er sich die Rechte daran nicht schützen ... *** Am 14.5. wird die<br />
nunmehr lückenlose Verkehrsverbindung zwischen Hamburg und<br />
Kopenhagen eröffnet; sie erhält den Namen Vogelfluglinie. ***<br />
Schriftsteller Heinrich Böll bringt eines seiner bekanntesten<br />
Bücher auf den Markt, Ansichten eines<br />
"<br />
Clowns". *** In der britischen „Daily Mail"<br />
erscheint am 8.7. der erste Comic Strip mit<br />
Bassethund Wurzel". *** In Moskau unterzeichnen<br />
am 5.8. die Außenminister der "<br />
USA,<br />
Großbritanniens und der UdSSR ein Abkommen<br />
über den Stopp aller Atomwaffentests in der<br />
Atmosphäre, unter Wasser und im Weltraum. *** Seit<br />
1959 wurde daran getüftelt – erst jetzt lässt sich Ermal Fraze aus dem<br />
US-Bundesstaat Indiana das Ringpull-System für Getränkedosen<br />
patentieren. *** Am Kemperplatz in Berlin-Tiergarten wird die<br />
Philharmonie eröffnet. Baukosten: etwa 17,5 Millionen Mark.<br />
Zur Feier am 15.10. dirigiert Herbert von Karajan die 9. Sinfonie<br />
von Beethoven. *** Bürgerkriegsähnliche g Auseinandersetzungen ab<br />
Elmore James 29.12. auf der Insel Zypern zwischen<br />
griechischen und türkischen<br />
Zyprioten. *** Neu auf Erden:<br />
Basketball-Ikone Michael Jordan<br />
(17.2.), Popstar George Michael<br />
(25.6.), Violinistin Anne-Sophie<br />
Mutter (29.6.), Metal-Gitarrist<br />
Yngwie Malmsteen (30.6.),<br />
Skispringer Matti Nykänen (17.7.),<br />
Sängerin Whitney Houston (9.8.),<br />
Schauspielerin Anne Bennent<br />
(13.10.), Sänger Eros Ramazzotti<br />
(28.10.), Stabhochsprung-<br />
Überflieger Sergej Bubka (4.12.). *** Abschied für immer:<br />
US-Schriftstellerin Sylvia Plath (*1932; 11.2.), Country-Sängerin Patsy<br />
Cline (*1932; 5.3.), Blues-Legende Elmore James (*1918; 24.5.),<br />
Europapolitiker Robert Schuman (*1886; 4.9.), Chansonette Edith<br />
Piaf (*1915; 11.10.), Schriftsteller<br />
Aldous Huxley (*1894; 22.11.),<br />
Altbundespräsident Theodor<br />
Heuss (*1884; 12.12.), SPD-Chef<br />
Erich Ollenhauer (*1901; 14.12.).<br />
***<br />
1963<br />
Edith Piaf
Sammelbilder<br />
Vom Kaufanreiz zum<br />
Objekt der Begierde<br />
Von Peter Henning<br />
Die Anfänge des Bildersammelns reichen bis<br />
in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück: Der<br />
Kölner Schokoladenfabrikant Franz Stoll werck<br />
ließ um 1845 erstmals Sammelbilder in seine<br />
Schokoladentafeln mit einwickeln. Hersteller<br />
wie die Firma Justus Liebig, deren würzigem<br />
Fleischextrakt ebenfalls Sammelbildchen beigefügt<br />
waren, zogen nach – und die Bildersammelei<br />
wurde schlagartig populär.<br />
T<br />
iere, Sagen- oder Märchenmotive kamen zuerst auf den<br />
Markt, aber auch Serien mit deutschen Kriegsschiffen und<br />
Heerführern<br />
aus dem Krieg von<br />
1870/71 oder Motive aus<br />
den deutschen Kolonien waren abgebildet.<br />
1892 brachte<br />
Liebig die ersten<br />
Fußballmotive heraus,<br />
Stollwerck zog<br />
wenig später nach.<br />
Die Firma Sanella<br />
schickte gleich mehrere<br />
Sammelreihen<br />
ins Rennen. Ihre Themen:<br />
„Deutsche Geschichte", „Erde<br />
& Weltall" und „Wilde Tiere,<br />
fremde Länder" – und die<br />
Deutschen sammelten, was das<br />
Zeug hielt.<br />
Bald lagen auch in den<br />
Zigaret tenpackungen<br />
Bilder bei, die allerdings<br />
nicht mehr so<br />
hochwertig gedruckt<br />
waren. Für die Firmen<br />
waren die Bildchen nicht nur ein wichtiges<br />
Werbemittel, sondern sie sorgten gleichzeitig<br />
dafür, dass der Kunde, wenn er eine<br />
Bilderserie komplett wollte, stets die gleiche Kaffee-,<br />
Margarine- oder Schokoladenmarke kaufen musste. Den<br />
Sammlern waren die Verkauftricks der Hersteller in der<br />
Regel egal. Sie<br />
kannten<br />
nur<br />
ein Ziel: ihr<br />
Album<br />
möglichst<br />
schnell<br />
vollzubekommen. Genau wie ich damals, 1968. Da war ich neun.<br />
Auch die Nazis hatten die Liebe der Deutschen zu den kleinen<br />
Sammelbildern genutzt: In den Kolonialbildern,<br />
die seinerzeit im Umlauf waren, spiegelte sich<br />
die rassistische <strong>Eins</strong>tellung jener Zeit wider;<br />
Bilder mit Kriegsschiffen und Heerführern<br />
sollten für den Krieg begeistern. In Goebbels'<br />
Propagandaministerium gab es gar eine<br />
eigens dafür eingerichtete Prüfstelle, die jedes<br />
Sammelalbum vor der Veröffentlichung begutachtete<br />
und notfalls zensierte. Das Ministerium<br />
nahm auch Einfluss auf die Themen, um die<br />
nationalsozialistische<br />
Herrschaft zu festigen.<br />
Alben zeigten Bilder von<br />
Propagandamärschen und widmeten<br />
sich vor den Olympischen<br />
Spielen 1936 ausführlich der<br />
angeblichen Überlegenheit<br />
der Deutschen. Hitler nutzte<br />
Sammelbilder außerdem, um sich<br />
dem Volk als Staatsmann t zum Anfassen zu präsentieren. So ließ er sich<br />
etwa beim Füttern von Rehen abbilden.<br />
1942 war es mit den Sammelbildern und -alben erst einmal vorbei:<br />
Nazi-Deutschland hatte andere Sorgen als das Sammeln kleiner, bunt<br />
bedruckter Kartons.<br />
Mitte<br />
der 50er Jahre aber, nachdem Deutschland sich von den<br />
Kriegsfolgen erholt und halbwegs wieder konsolidiert hatte, kamen<br />
die Sammelbilder wieder in Mode – allen voran Fußballbildchen.<br />
Und mit Einführung der Bundesliga mit der Saison 1963/64<br />
waren die Sammelbilder ein Muss für alle echten Fußballfans.<br />
Anfangs noch nahezu postkartengroß und aus stabilem Karton<br />
gefertigt, wurden die Bilder mit Uhu-Kleber in den Alben des<br />
Bergmann Verlags in Unna oder W-S-Verlags in Wanne-Eickel<br />
eingeklebt. Inzwischen blättern Romantiker satte 250 Euro für<br />
Alben aus jenen Jahren hin – spiegelt sich doch in ihnen eine<br />
Seite 78 ■ GoodTimes 2/2013
der spannendsten Phasen ihrer Jugend wider.<br />
Denn das Sammeln und Tauschen verfolgte<br />
nicht wenige jugendliche Sammler bis in ihre<br />
Träume.<br />
Ein Klassiker unter den Fußballalben ist das<br />
gelbe Bergmann-Album der Bundesliga-<br />
Spielzeit 1966/67 – von Fußballnostalgikern<br />
viel ge sucht und leider kaum gefunden. Denn<br />
wer das gelbe Album, dessen Umschlag die<br />
Dortmunder Europa Cup-Sieger Mannschaft<br />
mit Größen<br />
wie Reinhard<br />
„Stan" Libuda,<br />
Hans Tilkowski<br />
und<br />
Lothar<br />
Emmerich<br />
schmückt, noch aus Kinder tagen besitzt,<br />
gibt es nie mehr her. Ebenso wenig das<br />
der Bundesliga-Spielzeit 68/69, dessen<br />
Umschlag der junge Franz Beckenbauer ziert.<br />
Denn jene Spielzeiten, in denen noch Größen<br />
wie Gerd Müller, Uwe Seeler, Jupp Heynckes<br />
und der junge Günter<br />
Netzer den grünen Rasen<br />
dominierten, markierten<br />
die Geburtsstunden,<br />
in denen Deutschland<br />
zu alter fußballerischer r<br />
Größe zurückfand.<br />
Die WM 1970 gilt bis<br />
heute als die schönste<br />
und spannendste, der WM-Sieg von 1974 als der Triumph der vielleicht<br />
spielstärksten deutschen Mannschaft aller Zeiten.<br />
Inzwischen aber, mehr als 40 Jahre später, hat das Sammeln etwas<br />
Inflationäres bekommen. Neben Fußballsammelbildern sind Tierbilder<br />
ebenso dauerhaft im Rennen wie selbst klebende Motive von den<br />
Simpsons.<br />
Die Lust am Sammeln<br />
indes scheint ungebrochen.<br />
Und musste man<br />
Anfang der 70er Jahre<br />
noch 25 Pfennige<br />
für ein Tütchen mit<br />
fünf Bilder berappen,<br />
so findet sich<br />
inzwischen in jedem<br />
Duplo-Riegel und<br />
jeder Hanuta-Waffel<br />
ein Sammelbildchen – allerdings meist briefmarkengroß<br />
und in miserabler Druckqualität.<br />
Mit dem Sam m ler von<br />
früher, der für das Bild<br />
der Torwartlegende e<br />
Petar Radenkovic von<br />
1860 München wahrscheinlich,<br />
ohne mit<br />
der Wimper zu<br />
zucken, seinen<br />
besten Freund<br />
verraten hätte, hat der heutige Sammler<br />
kaum mehr etwas<br />
gemein. Damals,<br />
1970, waren<br />
wahre Sammler<br />
die glücklicheren en<br />
Menschen. Denn wo<br />
Nichtsammler ihre<br />
Freizeit mit drögen Brettspielen oder beim<br />
Tischtennistraining vergeudeten, da erlebten<br />
die meist 13 oder 14<br />
Jahre alten Bilderjäger<br />
die fantastischsten<br />
emotionalen Aufs und<br />
Abs: Jedes wochenlang<br />
gesuchte und<br />
endlich ergatterte Bild<br />
ließ die persönliche<br />
Adrenalinkurve nach<br />
oben schnellen.<br />
Bildersammeln<br />
war damals<br />
eben eine echte<br />
Passion – und<br />
kein unterhaltsames<br />
Nebenbei.<br />
Zudem hat sich das Bildersammelgeschäft in<br />
ein Millionengeschäft verwandelt, in dem die Firma Panini den Markt<br />
fast komplett erobert hat – und ehemalige Konkurrenten, etwa die<br />
Firma Bergmann, die sich Ende der 60er Jahre zum Marktführer in<br />
Deutschland entwickelt hatte, längst verdrängt. Schade eigentlich. Aber<br />
mein gelbes 66er Album kann mir gottlob keiner nehmen.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 79
Volker Lechtenbrink<br />
Akzeptiere Dein<br />
Alter und mache<br />
das Beste draus<br />
Er wurde mit dem Antikriegsfilm „Die Brücke" 1959<br />
berühmt, wurde zu einem unverzichtbaren Gesicht in zahlreichen<br />
TV-Serien, besang mehrere eigene LPs, schrieb für<br />
Peter Maffay maßgebliche Texte und schaute in seinem<br />
Buch „Gib die Dinge mit Grazie auf" auf seine beeindruckende<br />
Karriere zurück. Jetzt, mit 68 Jahren, hat Volker<br />
Lechtenbrink noch einmal Blut geleckt: Vielleicht gibt es<br />
schon bald eine neue CD von ihm.<br />
Von Christian Simon<br />
Du bist Schauspieler, künstlerischer Leiter, Intendant, Sänger, Texter<br />
und Autor. Auf allen Gebieten wirst Du akzeptiert. Wie bist Du dem<br />
Schubladendenken entkommen?<br />
Indem ich einfach gemacht habe. Die Schubladen waren ja da. Oft<br />
wurde ich gefragt: „Sind Sie Sänger oder Schauspieler?" Dagegen habe<br />
ich mich immer gewehrt. Ich bin sowohl als auch. In jedem Land gibt<br />
es das. In Frankreich die Chansonniers wie Charles Aznavour oder sogar<br />
Rockstar Johnny Hallyday waren Schauspieler und haben hervorragende<br />
Filme gemacht. In Amerika ist es sowieso gang und gäbe. Nur bei uns<br />
wollte man immer in Schubladen denken. Dazu gab es immer auch<br />
noch diese Unterscheidung zwischen E und U, also bist Du ein ernster<br />
Schauspieler, oder gehörst Du zum Boulevard. Aber das ist doch alles<br />
ein und derselbe Beruf. Und wenn man ihn<br />
kann und die Möglichkeit hat, sich auszuprobieren,<br />
dann soll man es machen: den<br />
Prinz von Homburg spielen und bei RTL<br />
moderieren – das ist doch erfrischend.<br />
1959 hast Du den Klaus Hager in Bernhard<br />
Wickis Antikriegsfilm Die Brücke" gespielt. Ist<br />
"<br />
dieser Film besonders eng mit dir verbunden,<br />
oder ist er nur ein Stück Nostalgie?<br />
„Die Brücke" ist prägend für mein ganzes<br />
Leben gewesen, ein „Sesam öffne Dich"<br />
für meinen Beruf. Überall, wo ich hinkam,<br />
wurde ich mit offenen Armen empfangen.<br />
Ich werde heute noch oft gefragt: „Ist das<br />
nicht schlimm für Sie, nach so langer Zeit immer noch auf diesen Film<br />
angesprochen zu werden?" Nein, das ist wunderbar. Stell dir mal vor,<br />
mein erster Film wäre „In der Lederhose wird gejodelt" gewesen, und<br />
ich würde daraufhin jetzt 50 Jahre angesprochen werden. Das wäre<br />
unangenehm. Aber nicht für<br />
den besten Antikriegsfilm<br />
aller Zeiten.<br />
Film und Theater sind zwei völlig<br />
verschiedene Spielwiesen.<br />
Fühlst Du Dich auf beiden gleichermaßen<br />
wohl?<br />
Ich bin vom Blut her mehr<br />
"<br />
Die Brücke" mit Volker<br />
Lechtenbrink (2.v.l.) dem Theater verbunden. Aber<br />
es war für mich immer eine Erholung und eine große Freude, nach<br />
Theaterarbeiten wieder zu drehen. Ich habe wahnsinnig gerne Inga<br />
Lindström und Rosamunde Pilcher gedreht. Das waren nette Teams, sehr<br />
schöne Locations, gute Rollen, und es war Unterhaltung für Millionen.<br />
Ich finde diese Wechselbäder zwischen Theater und Film sehr aufregend.<br />
Möchtest Du noch einmal jung sein und von vorne anfangen?<br />
Nee, von vorne anfangen nicht, aber ich hätte nichts dagegen, 20 Jahre<br />
jünger zu sein. Aber ich weiß, dass ich alles wieder so<br />
machen würde, wie ich es gemacht habe. Ich bereue nichts,<br />
auch wenn ich Fehler gemacht habe. Na klar, manchmal<br />
wünscht man sich nach einer Premiere, wenn der ganze<br />
Druck abfällt, mal wieder so richtig zu feiern. Aber da gibt<br />
es den tollen Satz von Walter Giller, mit dem ich noch kurz<br />
vor seinem Tod telefoniert habe. Er meinte, wir sollten uns<br />
doch mal auf ’ne Tasse Kaffee treffen,<br />
und ich fragte: „Walter, was wollen wir<br />
trinken?" „Ja, ich weiß schon", sagte er,<br />
„eher ein Glas Bier. Aber Du weißt doch<br />
–<br />
früher haben wir eine Woche gefeiert,<br />
uns dann unter die kalte Dusche<br />
gestellt und waren wieder fit. Heute<br />
feiern wir einen Tag, stellen uns dann sieben Tage<br />
unter die Dusche, und es nützt immer noch nichts."<br />
Vier gescheiterte Ehen gehören auch zu Deinem<br />
Leben...<br />
Das Wort „gescheitert" lasse ich überhaupt nicht<br />
gelten. Ich hatte vier Ehen, die melancholisch zu<br />
Ende gegangen sind. Wir haben festgestellt, das<br />
ist nicht mehr das, worunter wir angetreten sind.<br />
Ich bin mit meiner ersten Frau, mit der ich ja auch<br />
eine mittlerweile 45-jährige Tochter habe, seit fast<br />
50 Jahren in herzlichster Verbindung. Und genauso<br />
geht es mir mit fast allen meinen Ex-Frauen. Es<br />
war nie Hass oder ein anderer Mensch im Spiel. Es<br />
ging immer zu Ende, weil die Luft raus war und<br />
man sich etwas anderes vorgestellt hatte.<br />
ll<br />
Fotos: © Bildarc darchiv<br />
Hallhube huber/Zill<br />
Seite 80 ■ GoodTimes 2/2013
Du hattest eine sehr erfolgreiche Zeit als Sänger und hast dann 1989<br />
in der TV-Sendung Showkolade" überraschend Deinen Abschied vom<br />
"<br />
Gesangmikrofon verkündet. Was war der Grund?<br />
Es hat gereicht. Ich hatte das Gefühl, jetzt kommst Du nicht weiter,<br />
obwohl ich gerade zu diesem Zeitpunkt<br />
einen Hit hatte ("Irgendwann", ein<br />
Titelsong aus der ZDF-Serie „Ein Fall für<br />
Zwei", Anm. d. Autors.). Aber ich habe<br />
mich nicht mehr wohlgefühlt, denn ich<br />
sollte jedes Jahr eine CD rausbringen<br />
und mich dem Strom anpassen, hier<br />
rockiger, da schlagermäßiger – das wollte<br />
ich ja gar nicht. Ich wollte Balladen<br />
machen mit guten deutschen Texten.<br />
Und das ist mir ja schließlich auch jahrelang<br />
gelungen.<br />
Vermisst Du heute die Musik?<br />
Ich habe 20 Jahre konsequent nicht<br />
gesungen, obwohl viele immer wieder Volker Lechtenbrink 1980<br />
nach dem Motto „mach bei mir doch mal ’ne Ausnahme" angefragt<br />
haben. Vor einem Jahr hat mich dann Carmen Nebel gefragt. Die war so<br />
charmant und nett. Da habe ich dann zugesagt und "All das mag ich"<br />
gesungen. Da hat es mich doch wieder gejuckt. Jetzt spiele ich mit dem<br />
Gedanken, eventuell doch wieder eine CD zu machen – meinem Alter<br />
und meiner <strong>Eins</strong>tellung entsprechend. Aber erst mal machen, anhören<br />
und dann entscheiden, ob es veröffentlicht werden soll.<br />
Du hast vor zwei Jahren Deine Erinnerungen als Buch veröffentlicht und<br />
es toll betitelt: Gib die Dinge der Jugend mit Grazie auf." Was hast Du<br />
"<br />
aufgegeben?<br />
Oh, wahrscheinlich so einiges. Der Titel soll aber auch als Vorschlag<br />
verstanden werden, denn ich finde es schlimm, wenn man als älterer<br />
Mensch der Jugend hinterherläuft. Ein schönes Beispiel: Ich lach’ mich<br />
immer tot, wenn im feinen Hamburg-Eppendorf sich ein alter Herr aus<br />
dem Porsche zwängt, den Kaschmirpullover locker um die Schultern<br />
gewickelt zum Italiener reinstelzt und ruft „Hey Luigi, noch ’ne Latte<br />
bitte". Das ist für mich die Karikatur eines älteren Herrn. Er kommt sich<br />
ungeheuerlich jung vor, dabei ist er für mich nur albern. Du musst Dein<br />
jeweiliges Alter akzeptieren und das Beste daraus machen.<br />
Ein Song von Dir heißt "Leben so wie ich es mag". Lebst Du heute so, wie<br />
Du es magst?<br />
Zu den Liedern, die ich damals für mich und auch für Peter<br />
Maffay geschrieben habe, stehe ich noch zu 95 Prozent. In<br />
dem Lied heißt es ja auch: „Ich hass die Selbstgerechten, diese<br />
echten Schlechten, die ihre Kinder heut’ noch hau’n ..." oder<br />
„Dafür liebe ich die Raren, die sich ihren Stolz bewahren, denen<br />
kann man noch vertrau’n ..." – das gilt ja alles noch. Ich habe<br />
drei prima Kinder, eine wunderbare Lebensgefährtin, in meinem<br />
Beruf offene Türen, und ich kann das machen, was ich möchte.<br />
Ich bin dankbar, dass ich lebe und soviel erleben durfte. Ich bin<br />
sehr dankbar für mein Leben.<br />
Du hast einen Titel verliehen bekommen: Ehren-Alster-<br />
Schleusenwärter. Das musst Du uns erklären.<br />
Da bin ich ganz stolz drauf. In Hamburg gibt es seit 30<br />
Jahren<br />
jedes<br />
Jahr einen Hamburger,<br />
der durch ein Gremium<br />
zum Ehren-Alster-<br />
Schleusenwärter<br />
gewählt wird. Diesen<br />
Titel bekommt nur<br />
ein Hamburger, der<br />
das Ansehen der Stadt<br />
in der Welt vermehrt<br />
hat. Auch James Last,<br />
Jan Fedder und ein<br />
paar Politiker haben<br />
den Titel. Das ist in<br />
Hamburg mit die größte<br />
Ehre, die man Dir<br />
erweisen kann.<br />
Volker Lechtenbrink & Christian Simon<br />
ROCK&POP<br />
Preiskataloge 2013!<br />
Weltweit die umfangreichsten<br />
Nachschlagewerke für Platten -<br />
sammler und Händler.<br />
Insgesamt über 240.000 Preise<br />
zu LPs, CDs, Singles, EPs etc.<br />
DIE NEUE FOLGE!<br />
GRAND-PRIX-HITS<br />
AUF DEUTSCH<br />
Ab 03.05.<br />
im<br />
Handel!<br />
je 29,80 €<br />
Bestellen Sie noch heute!<br />
Keine zusätzlichen Versandkosten!<br />
Mit Cliff Richard, Severine, Mary Roos,<br />
Vicky Leandros, Rex Gildo, Wolfgang Ziegler,<br />
Anne-Marie David, Maggie Mae und vielen anderen.<br />
Wieder mit vielen CD-Erstveröffentlichungen!<br />
Zu bestellen im <strong>kult</strong>!-Shop Seite 13 oder unter:<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
Bereits erhältlich:
MODE-SERIE<br />
D I E<br />
50er<br />
instyles<br />
<strong>kult</strong>!<br />
ERSTER TEIL<br />
Von Claudia Tupeit<br />
Petticoat &<br />
Pomade wieder<br />
heiß begehrt<br />
J<br />
an Wilker (29) und Jette<br />
Pittelkow (28) leben<br />
die 50er Jahre voll aus.<br />
Klamotten, Einrichtung,<br />
Attitüde – alles ist auf<br />
das Jahrzehnt von Elvis, Diners,<br />
Nierentisch und Co. ausgerichtet.<br />
Passend zu Carl Perkins' "Blue Suede<br />
Shoes" schwingt die fesche Jette im<br />
Takt keck die Hüfte, während sie den<br />
Kaffee aus der stilechten, bauchigen Kanne<br />
in die bunten Becher gießt. Ihr Schatz Jan<br />
sitzt lässig in umgekrempelten Jeans, Karohemd<br />
und mit perfekt gegeltem Haar an dem kleinen<br />
" Vintage"<br />
und Retro" sind die<br />
"<br />
Modeworte der Stunde. Die<br />
Klamottentrends von heute haben<br />
Bubikragen der 50s, Miniröcke im 60er-Stil,<br />
Schlaghosen und Plateauschuhe kommen<br />
aus dem Jahrzehnt von Abba, und breite<br />
Schultern, Neonfarben und Chinohosen<br />
sind ein Relikt der verrückten 80s. Wer<br />
heute in" sein will, hat die vergangenen<br />
"<br />
Dekaden nicht nur im Kleiderschrank, sondern<br />
auch auf dem Plattenteller und im DVD-<br />
Player. <strong>kult</strong>! widmet sich den Trends von<br />
damals, die heute schon wieder für viele<br />
zum Lebensgefühl gehören. Den<br />
Anfang machen die 50er<br />
Jahre.<br />
Tisch und genießt den ersten Schluck. Jette trägt<br />
Netzstrümpfe, Haarreif, Peep<br />
Toes und grellrot geschminkte Lippen,<br />
ihre Kurven betont die Blondine mit<br />
geschnürter Taille und ausgestelltem<br />
Rock. Ist hier etwa mitten in<br />
einem Rostocker Szeneviertel bei<br />
einem Pärchen die Zeit stehengeblieben?<br />
Nein. Jan Wilker und Jette<br />
Pittelkow sind einfach total vernarrt<br />
in das spannende Jahrzehnt von<br />
Bettie Page<br />
Rock'n'Roll, Petticoats und ersten<br />
Pin-up-Modellen.<br />
Die 50er<br />
– das war längst kein<br />
Jahrzehnt bloßer Spießigkeit. Im<br />
Gegenteil. Mädchen kreischten beim<br />
lasziven Hüftschwung von Elvis Presley,<br />
schwarze Musiker feierten irre Erfolge<br />
(darunter Sammy Davis Jr. und Chuck Berry<br />
mit seinem berühmten und vielfach gecoverten<br />
"Roll Over Beethoven"), der rebellische James „Jimmy"<br />
Dean wurde mit nur drei Filmen zur Legende, bis er viel<br />
zu früh mit seinem Auto tödlich verunglückte. Frauen<br />
wie Marilyn Monroe oder Elizabeth Taylor schrieben<br />
mit Minitaillen und üppigen Dekolletés<br />
Geschichte. Kaum ein Halbstarker, der nicht<br />
seine Haare mit Pomade, einem gut riechenden<br />
Fett, in Form brachte. Markant für<br />
die 50er ist ebenso die Entenschwanzfrisur,<br />
deren berühmtester Träger Elvis war. Nicht zu<br />
vergessen als Inbegriff der 50s: das berühmte Pin-<br />
Foto Kleid:<br />
© petticoatkleid.de<br />
Seite 82 ■ GoodTimes 2/2013
Fotos: © Marlenes Töcher by Class of Berlin / St. Anchor Graphics<br />
up-Girl Bettie Page. „Eines meiner<br />
Vorbilder", verrät Jette. „Sie trug<br />
immer so tolle Dessous und hat<br />
Fetisch salonfähig gemacht."<br />
Bettie Page war DIE Ikone<br />
des Jahr zehnts jugendlichen<br />
Aufbruchs. Im noch heute konservativen<br />
US-Bundesstaat Tennessee<br />
1923 geboren, hatte die Amerikanerin<br />
zunächst mit einer schwierigen<br />
Kindheit zu kämpfen. Die Familie zog<br />
ständig um, und Bettie musste sich<br />
um die jüngeren Geschwister kümmern.<br />
Hinzukam, dass sie als kleines<br />
Mädchen von ihrem Vater sexuell<br />
missbraucht worden war. Vielleicht<br />
lebte die hübsche und kurvige Bettie<br />
auf Grund dieser traumatischen<br />
Lebensjahre ihre Reize und Sexualität<br />
in den 50ern so offensiv aus. Man<br />
schen großen Punkte.<br />
Die 50s in 2013: Jan Wilker und Jette Pittelkow stylen sich nicht<br />
Neben dem<br />
nur im Stil des Jahrzehnts. Sie lieben auch das Lebensgefühl, die V-Ausschnitt war<br />
Musik und Möbel von damals.<br />
der Bubikragen<br />
damals – wie jetzt<br />
darf sie nämlich mit Fug und Recht als eines der ersten Sexsymbole im wieder – in. Dunkelblaue Kleider im Look der Marine haben<br />
klassischen Sinn bezeichnen: ein toller Körper, der in sexy und engen bei Bettie Page by Tatyana einen eng um den Hals genähten<br />
Klamotten steckte, üppige, leicht gewellte Haarpracht, die sie offen trug. Kragen, der flach auf dem Kleid aufliegt und dessen Ecken<br />
Dazu der verführerische Blick. Sie blieb dabei trotzdem so<br />
nicht spitz, sondern abgerundet sind. Und weiße Blusen,<br />
echt, dass sie bis heute inspiriert. Zum Beispiel Comic-<br />
die leicht transparent und somit sexy-verspielt wirken,<br />
Figuren oder die Burlesque-Szene. Dort gerade die<br />
bekommen eine strenge Note durch einen Bubikragen in<br />
Vertreterin des New-Burlesque, Dita von Teese, die unter<br />
Schwarz. Im Sortiment findet frau neben den Kleidern auch die<br />
anderem durch ihre erotischen Tanzeinlagen im Riesen-<br />
mega-engen und hoch-taillierten Röcke, die knapp unterm Knie<br />
Champagnerglas be kannt geworden ist. Von Teese, die eine<br />
enden und eine rattenscharfe Silhouette zaubern. Die (Film-)<br />
kurze Ehe mit Schockrocker Marilyn Manson führte, könnte nte<br />
Schönheiten Marilyn Monroe und Liz Taylor trugen die Röcke<br />
optisch glatt die Enkelin ihres berühmten Idols Bettie sein.<br />
in Schwarz oder Weiß und kombinierten dazu karierte oder unifarbene<br />
Kurzarmblusen. Diese endeten kokett geknotet<br />
A<br />
ber nicht nur in der Erotik polarisierte Bettie Page,<br />
direkt am Rockbund oder waren hineingesteckt.<br />
die ab den 60er Jahren stark zurückgezogen lebte<br />
Klar, dass bei solch populären „Bleistiftrock"-<br />
und 2008 in Los Angeles nach einem Herzinfarkt starb. So<br />
Trägerinnen die Schaufensterpuppen ppen im<br />
beeinflusst das Pin-up-Girl mit seiner Kleidung bis heute<br />
„Bettie"-Laden heute den gleichen Look<br />
die Mode-Industrie. In den USA hat sich beispielsweise<br />
haben. Im stets fortschrittlichen hen<br />
das Label Bettie Page by Tatyana etabliert. Die Filialen<br />
Bluse im Marine-Look von der auf<br />
und modisch meist auf der<br />
50s-spezialisierten US-Marke Collectif<br />
sprießen – in Metropolen wie L.A. und der Glitzerstadt<br />
Vorreiterwelle schwimmenden<br />
Las Vegas. Und selbst in Philadelphia, Minneapolis und Salt Lake City Nordamerika sieht man längst die Mode der<br />
Klassiker<br />
hat die Marke junge wie ältere Frauen in ihren Bann gezogen. Eine 50s an den Körpern junger Frauen. Stars wie unter den Schuhen –<br />
Verkäuferin in San Francisco, wo sich der Laden im einstigen Hippie- die bereits erwähnte Dita von Teese, aber auch<br />
heute wieder trendy: Peep Toes,<br />
hier vom Bettie-Page-Shop<br />
die Rocksängerin Pink, Chaka Khan<br />
Models zeigen den Look des Labels "<br />
Marlenes Töchter by Class of Berlin“. Klassiker wie der<br />
Bubikragen, hohe Taillen und kniebedeckende Rockteile sind auch 2013 alles andere als spießig.<br />
Hochburg-Viertel Haight-Ashbury befindet, bringt es auf den Punkt:<br />
„Bettie war so cool und hat die Weiblichkeit aus sich herausgeholt. Sie hat<br />
Busen und mehr Hüfte salonfähig gemacht. Durch ihren Style inspiriert<br />
sind jetzt echt tolle Teile entstanden."<br />
© Claudia Tupeit<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 83<br />
Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />
Diese tollen<br />
Teile der<br />
Marke sind<br />
zum Beispiel<br />
Kleider mit<br />
eng geschnittener<br />
Taille, die gern mit schmalem<br />
Bindegürtel zusätzlich<br />
betont werden<br />
und deren Rockteile<br />
weit ausgestellt sind.<br />
A-Linie nennt man<br />
das. Mal haben sie<br />
große Blumen- oder<br />
Schmetterlingsprints,<br />
mal sind es die typi-<br />
und Schauspielerin Penelope Cruz tragen im Alltag und auf<br />
dem roten Teppich Outfits der Retrofashion-Marke.<br />
In Deutschland bietet für den modischen 50s-Fan der<br />
Berliner Laden Marlenes Töchter by Class of Berlin feminine<br />
Teile, inspiriert vom „Schmiss der 50er", wie es die Besitzer<br />
selbst bezeichnen, für (fast) jede Gelegenheit an. Aber nicht nur<br />
für die holde Weiblichkeit, sondern auch für Kinder und – für<br />
den Mann. In Zeiten, in denen viele Männer stärker denn je auf<br />
ihr Erscheinungsbild Wert legen, darf die Industrie ihn nicht<br />
außer Acht lassen. Und nichts könnte mehr en vogue sein, als<br />
sich neben seiner Herzensdame ebenfalls in typischen Klamotten<br />
der 50er Jahre blicken zu lassen.<br />
Das Rostocker Pärchen Jette und Jan<br />
macht es vor. Das wirkt keineswegs lächerlich.<br />
Schließlich ergeben die Klassiker<br />
von damals richtig kombiniert jetzt<br />
einen heißen Look auch für Männer.<br />
Die trugen damals schmal geschnittene<br />
Blue-Jeans, unten einmal umgekrempelt.<br />
Karohemden wurden dazu<br />
locker reingesteckt. Einige hatten noch<br />
so genannte Fliegerjacken aus Stoff drüber. Elvis<br />
stand auf der Bühne in Sakkos oder eng taillierten<br />
Jacken mit schrägem Saum. Beides trug der Sänger<br />
zu leicht weiten, unten wieder enger werden-<br />
© Claudia Tupeit
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
den Hosen, die<br />
ob ihrer Länge<br />
heute durchaus<br />
als Hochwasserhosen<br />
bezei ch net<br />
werden könnten.<br />
Hervorlugten<br />
weiße Socken<br />
aus schwarzen Lederslip pern. Aber<br />
auch Ringel söckchen und vorn<br />
spitz zulaufende Schuhe waren bei<br />
den Herren an ge sagt.<br />
All das findet sich nun wieder bei<br />
einschlägigen Marken. Genau wie<br />
ein männliches Kleidungsstück, das<br />
seither jedes Jahrzehnt bis 2013<br />
überlebt hat und in immer wieder<br />
neuen Schnitten und Kombinationen weiterhin getragen wird: die<br />
ultracoole schwarze Lederjacke. Ja, genau, die stammt aus den 50er<br />
Jahren und wurde von den damals heißesten Typen überhaupt<br />
getragen: Marlon Brando und James Dean. Unter den mit<br />
Reißverschlüssen und Saumgürteln verzierten Jacken hatten<br />
beide simple, weiße T-Shirts, die ihre durchtrainierten Oberkörper<br />
umspielten. Was nie fehlen durfte, war die Fluppe im Mundwinkel,<br />
was betont lässig wirkte. Der Look von Schauspieler Brando aus dem<br />
Film „The Wild One – Der Wilde" von 1953 machte ihn unsterblich, als<br />
er zu der Lederjacke noch eine Ballonmütze schräg aufsetzte und<br />
so auf einem Motorrad posierte.<br />
Und wer hätte gedacht, dass – bewusst oder ungewollt – ausgerechnet<br />
Schauspieler Charlie Sheen in seiner Rolle als Charlie Harper<br />
in „Two And A Half Men" einen der früheren 50s-Trends spazieren<br />
tragen würde: Bowlinghemden. en.<br />
Die flatterhaften Oberteile mit kurzen<br />
Ärmeln zeichnen sich durch meist<br />
zwei verschiedene Farbtöne aus, wobei oft<br />
Knopfleiste, Kragen und Ärmel in einer<br />
Farbe sind und der mittlere, restliche Teil<br />
in einer anderen.<br />
Wer sich mit der<br />
im höheren<br />
Preissegment liegenden<br />
Kleidung der Retro-<br />
Marken nicht komplett<br />
ausstaffieren kann,<br />
stöbert im Schrank der<br />
Oma. Und mittlerweile<br />
sind auch Massenlabels<br />
James Dean<br />
wie C&A, Topshop und Vero Moda auf den Trendzug<br />
aufgesprungen. Neben Kleidern und Blusen im 50s-Stil<br />
finden sich in den Regalen High-waist-Jeans, also mit<br />
hochsitzender Taille.<br />
Neben diesen 50s-Klamotten, die früher und jetzt<br />
wieder gern in der Freizeit getragen werden, brachte<br />
das Jahrzehnt ein echtes Sahnehäubchen unter den Ausgeh-Outfits<br />
Ausgeh-Outfits<br />
hervor: Petticoatdresses – die Tanzkleider der 50er. Von den alltagstauglichen,<br />
eng taillierten Kleidern mit weitem Rockteil unterscheiden sie<br />
sich nicht nur durch elegantere Stoffe und verspielte Details<br />
wie Schleifenbänder, sondern vor allem durch den circa eine<br />
Handbreit hervorlugenden Unterrock. Der ist bauschig<br />
und weit aus versteiftem Material mit Rüschensaum. In<br />
Deutschland können Frauen, die mit solchen Kleidern auf<br />
Partys auffallen möchten, zum Beispiel auf der Homepage<br />
von www.petticoatkleid.de fündig werden.<br />
Dann fehlen zum finalen – zumindest optischen – 50er-<br />
Flair noch Frisur und Make-up. Männer machen sich je<br />
nach Haarstruktur eine Tolle wie Elvis oder „klatschen"<br />
das Vorderhaar einfach nach hinten. Natürlich nicht mit<br />
irgendeinem Gel, sondern stilecht mit Pomade. Und da<br />
dieses Fett nicht nur gut riecht, sondern auch wirklich<br />
jedem Wetter standhält, kehrt dieser<br />
Trend in die Läden zurück.<br />
Ein gutes Sortiment präsentiert<br />
die in Ottobrunn bei München<br />
ansässige Firma SoldanMarketing<br />
in ihrem Webshop www.pomadeshop.eu,<br />
wo bunte Dosen mit<br />
ulkigen Namen à la „Schmiere",<br />
„Mr. Ducktail" und „Beaver Cream"<br />
angeboten werden. Dazu gibt es<br />
Haarwasser, Rasierseifen und –<br />
damit am Ende nichts schiefgehen<br />
kann – eine Anleitung für die perfekte<br />
Entenschwanzfrisur.<br />
Die Damen tragen zum 50s-Outfit<br />
zum Beispiel eingedrehte Haare,<br />
kunstvolle Hochsteckfrisuren oder<br />
hinten zusammengesteckte Lockenpracht, die mit einem<br />
Haarband mit Knoten aufgepeppt wird. Aber keine Angst vor zu<br />
viel Eigenaufwand: Längst haben in Großstädten Frisuren künstler<br />
die trendigen 50er-Jahre-Frisuren wiederentdeckt. Männer und<br />
Frauen können sich also bequem zurücklehnen und sich beispielsweise<br />
im Leipziger Salon Kopf und Kragen mit passen-<br />
den Pflegeprodukten frisieren las-<br />
sen. Und Bettie Page wäre ja keine<br />
Stilikone gewesen, wenn sie<br />
nicht auch neben Kleidung<br />
und Schminke einen Trend<br />
in Sachen Haaren geliefert<br />
hätte: den halbrundgeschnittenen<br />
Pony.<br />
Rote Lippen, unendlich<br />
lange Wimpern, ein bisschen<br />
Rouge für die Wangen und<br />
den dramatischen Lidstrich bekommen<br />
Damen mit ein wenig Übung<br />
allein vor dem Spiegel hin. Am<br />
besten aus den<br />
Tuben und Töpfen<br />
der<br />
US-Marke<br />
Benefit, die seit<br />
den 70er Jahren existiert.<br />
Das Design von Mascara, Lidschatten und Co. erinnert<br />
stark an die 50er Jahre: pastellfarben, niedliche<br />
Namen mit fantasievollen Schriftzügen, häufig zieren<br />
die Packungen Frauenköpfe, die aus den 50s entsprungen<br />
sein könnten.<br />
Für Jan Wilker und Jette Pittelkow sind aber<br />
längst nicht nur die Outfits maßgeblich. Ein<br />
Großteil ihres Lebens ist auf das Jahrzehnt ausgerichtet.<br />
Sie sind zum Beispiel auch entsprechend eingerichtet:<br />
Farbige Polsterstühle, Serviettenbox<br />
und Leuchtreklame an der Wand erin-<br />
nern an die Einrichtung eines<br />
Original American Diner der<br />
50s. Tapeten, Küche und Deko<br />
könnten direkt aus einem deutschen<br />
50er-Jahre-Haushalt importiert<br />
sein.<br />
Was vor einigen Jahren gern von<br />
jüngeren Leuten noch als spießig<br />
und omahaft abgetan wurde, ist nun<br />
der Renner in den eigenen vier Wänden<br />
und daher auch in Onlineshops und<br />
Möbelhäusern. So erlebt zum Beispiel<br />
die Tütenlampe ein Revival. Sie erhielt<br />
ihren Namen, na klar, weil das die<br />
Glühbirne umschließende Gefäß der<br />
Form einer Tüte ähnelt. Der Klassiker<br />
Foto: © Claudia Tupeit<br />
Foto: © Kopf &<br />
Kragen/Hagen Wolf<br />
50s-Revival auf den Köpfen: Auch Friseurläden wie Kopf und Kragen in Leipzig<br />
konzentrieren sich auf das Jahrzehnt. Mit stilechten Produkten und Schnitten.<br />
Marlon Brando<br />
Foto: © DAVIDS/Bildarchiv Hallhuber<br />
Seite 84 ■ GoodTimes 2/2013
Foto: © Jens-Uwe Berndt<br />
Foto: © petticoatkleid.de<br />
ist eine Stehlampe mit drei Schirmen in verschiedenen<br />
Farben. Diese Art von Lampe wurde<br />
damals nicht en gros produziert. Wer also eine originale<br />
50er-Jahre-Tütenlampe ergattern möchte, muss die Wertsteigerung<br />
mit einkalkulieren. Vor allem aber darf man sich nicht<br />
wundern, wenn bei echten Exemplaren braune Flecken<br />
entdeckt werden: Die Schirme damals hielten der Hitze<br />
durch die Birne selten stand, und so schmorten sich die<br />
Flecken in das Gehäuse. Früher ärgerlich, heute <strong>kult</strong>ig.<br />
Nach tollen Designs aus dem stilprägenden und<br />
revolutionären Jahrzehnt können<br />
Anhänger und solche, die<br />
es werden wollen, bei<br />
stö-<br />
die-wohngalerie.de<br />
bern. Dort finden<br />
sich zum Beispiel<br />
die bequemen und<br />
damals in wohl jedem<br />
Wohnzimmer gestandenen en<br />
Cocktailsessel und Nierentische. e.<br />
Die Sitzgelegenheit ist nicht ausufernd<br />
groß, aber dennoch gemüt-<br />
lich. Die Stoffe sind oft in satten<br />
Heute wieder in“<br />
zum Ausgehen: " das Farben, meist gemustert oder mehrfarbig<br />
gestreift. Mal mit Armlehnen,<br />
mal ohne. Daneben sollte der Nierentisch für die<br />
Petticoatkleid<br />
im 50s-Stil eingerichte Wohnung nicht fehlen. Der, wie der Name<br />
schon vermuten lässt, die Form unseres Entgiftungsorgans besitzt.<br />
Doch nicht nur aus den Zimmern des Zuhauses ist die typische<br />
Einrichtung heute wieder angesagt. Die gerade für die<br />
rebellischen Halbwüchsigen und jungen Erwachsenen so wichtigen<br />
Ausgehorte prägten das Bild der 50er enorm. In den Diners,<br />
typisch für die USA, waren die halbrunden<br />
Sitzecken, Barhocker und<br />
Stühle aus glattem Polster<br />
und oft ein farbenfroher<br />
Mix – mal pastell, mal<br />
knallbunt – die übliche<br />
Ausstattung.<br />
Und was in keinem<br />
„Schuppen" der<br />
Jugendlichen fehlen<br />
durfte, war die<br />
Jukebox. Eine Anlage,<br />
die heute wieder feilgeboten<br />
wird und<br />
als DER Kultgegenstand tand gilt. Mit<br />
einem „coin" und dem<br />
Drücken der (richtigen)<br />
Taste wollten<br />
die Jungs damals ihrer<br />
Angebeteten imponie-<br />
Die Autorin<br />
züchtig im<br />
50s Bettie Page<br />
Outfit in<br />
Las Vegas<br />
ren und sie zum Tanzen animieren. n.<br />
Schließlich hatte nicht jeder Bursche bereits einen Schlitten,<br />
etwa einen schnittigen Cadillac, mit dem man(n) posen konnte.<br />
Die Diner, die noch immer in den USA enorme Beliebtheit genieman<br />
etwa in Los Angeles in einen Laden der Kette Mel's Drive-in ein<br />
– die Restaurants vermehren sich seit den 40er Jahren –, bleiben en<br />
ßen, sind nach wie vor sehr stilbewusst eingerichtet. Kehrt<br />
Hektik und Modernität der Millionenmetropole draußen, und<br />
Kellner in niedlichen Uniformen kommen mit Bleistift hinterm<br />
Ohr, Strahlelachen und Silbertablett herbeigehuscht, weisen en<br />
einen (Polster-)Platz zu – und schon ist man mittendrin in der Zeitreise.<br />
Zu Burgern, Fritten und Cola dudeln "Rock Around The Clock" und<br />
"Brown Eyed Handsome Man" aus der Jukebox.<br />
Und was für die Ami-Jugend das Diner, war für die deutschen<br />
Jugendlichen in Ost und West die Milchbar. Dorthin wurden damals<br />
die Mädchen noch von feschen Burschen abgeholt. Auf dem Moped oder<br />
mit dem Drahtesel warteten die Heranwachsenden<br />
vor dem elterlichen Haus. In den beschriebenen<br />
Petticoats oder mit weitschwingendem Rock und<br />
unifarbener Bluse gaben die jungen Damen ihren Herzbuben einen<br />
Handschlag oder ein Küsschen auf die Wange. Wilde Knutscherei auf<br />
der Straße – vielleicht gar vor den Eltern – war im<br />
Gegensatz zu heute nicht an der Tagesordnung.<br />
In der Milchbar wurde in den 50er Jahren<br />
tatsächlich, wie es der Name vermuten lässt,<br />
Milchiges geschlemmt: Eis, Milchgetränke,<br />
Shakes. Die Milchindustrie wollte ihre<br />
Produkte verstärkt unters Volk bringen.<br />
Via Gastronomie. Die Läden waren oft eleganter gestaltet als<br />
eine klassische Eisdiele. Barhocker, Theke und Polster wurden<br />
zum<br />
zweiten Zuhause der jungen Generation. Es wurde erzählt,<br />
geschlürft, Musik gehört – die natürlich gern aus der Jukebox<br />
kam<br />
– und dezent gebalzt. Nach Deutschland schwappte<br />
der Trend der revoltierenden jungen Menschen – wie er in<br />
den USA in den 50s langsam begann – etwas später über.<br />
D as Miteinander, auch diese immer noch dominierende<br />
Spießigkeit in den 50ern, das war cool", nennt der 29-jährige<br />
Jan schwärmend einen Grund, warum er sich diesem Jahrzehnt<br />
so nah fühlt. Mit seinen markanten Gesichtszügen und dem<br />
50s-Styling könnte man auch ein Schwarzweiß-Bild von ihm in<br />
eine Zeitschrift von damals setzen. Keiner würde den Unterschied ed<br />
zu<br />
den echten Stars merken. „Ich nehme die klassische Pomade<br />
für meine Haare, ziehe gern typische Klamotten wie etwa eine<br />
Levi's, natürlich umgekrempelt, und klassische Workerhemden<br />
an", verrät Jan, der im Berufsalltag zur See fährt.<br />
„Es gab damals so gewisse Regeln. Das war gut", findet<br />
Bürokauffrau Jette und spricht damit auch das Verhalten von<br />
Jungs und Mädels beim Ausgehen an. Wie ihr Liebster teilt Jette die<br />
Leidenschaft für die 50er Jahre bereits seit frühester Jugend. „Etwa als<br />
ich 14 war, hat es angefangen", erinnert sich die hübsche 28-Jährige.<br />
Die Mucke der<br />
50s in einer Kneipe sei der Auslöser<br />
gewesen. Die beiden lernten sich bei einem Konzert<br />
2007 kennen. Und die neue Angebetete etete wurde<br />
beim ersten Date stilecht abgeholt. Jan<br />
fuhr in seinem alten Chevrolet vor,<br />
allerdings Baujahr 1982. „Da er<br />
mächtig Sprit frisst, immerhin merhin<br />
20 Liter auf 100 Kilometer, nehme<br />
ich ihn nur zu speziellen Anlässen",<br />
erklärt Jan, der bei dem Paar die<br />
klassische 50s-Seite vertritt, wäh-<br />
rend Jette diese mit Psychobilly<br />
mischt. Für beide sei es ein echtes<br />
Lebensgefühl. „Nicht nur ein<br />
Trend, den wir mitmachen", meint Jan,<br />
der mit seinem Look immer wieder<br />
nette Begegnungen hat. „Vor allem<br />
bei Omis kommt unser Auftreten<br />
gut an", sagt er lachend.<br />
Neben mehr und<br />
mehr Kleidung im typischen<br />
50s-Look (Jan wünscht sich eine ginale Pilotenlederjacke) möchte das<br />
Paar als nächstes die Einrichtung der<br />
Wohnung im 50er-Stil weiter vorantreiben. Unter anderem<br />
ori-<br />
mit einer typischen Minibar von damals. „Da kommt für<br />
mich immer dieses Südseeflair auf", sagt<br />
Jan, der auf eigenen Partys gern den<br />
Snack-Klassiker seiner Epoche ser-<br />
viert: Toast Hawaii – das Schinken-<br />
Käse-Ananas-Sandwich.<br />
Und gegen eine waschechte Jukebox, die<br />
von Elvis bis zu Jans und Jettes Favoriten,<br />
Buddy Holly, alles auflegt, hätten beide<br />
auch nichts einzuwenden.<br />
Fotos Möbel:<br />
© Die Wohngalerie<br />
50s-Stilikone<br />
Liz Taylor<br />
Revival<br />
von Minis und<br />
Hippie-Outfits<br />
– <strong>kult</strong>! instyles 60s –<br />
in der kommenden<br />
Herbstausgabe.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 85
The<br />
Beat Generation<br />
Allen Ginsberg<br />
Jack Kerouac<br />
Provokation<br />
Umwälzung<br />
Freiheit<br />
William S.<br />
Burroughs<br />
beanspruchten einige wenige Twens<br />
aber zunehmend, ihre eigene Sicht<br />
der Dinge öffentlich<br />
darzulegen. Rasse,<br />
Religion i und auch Sexualität sollten keine Tabuthemen mehr sein.<br />
Der Beatnik-Autor William S. Burroughs hat den Zustand des Landes<br />
in einem Interview – von der Wortwahl her etwas abgeschwächt – so<br />
dargestellt: „In den USA der 50er durftest du eher eine Kuh schänden<br />
als schwul sein."<br />
Ein kleiner Schlenker: Avantgarde – ein Begriff, bei dem<br />
sich so mancher einen Haufen Menschen auf einer<br />
Vernissage vorstellt, die mit abgespreiztem kleinem<br />
Finger ein Champagnerglas in der Hand halten und über<br />
den linearen Duktus des ausstellenden Künstlers eloquent<br />
zu parlieren wissen. An sich stammt das Wort aus dem<br />
Vokabular des französischen Militärs und steht für die so<br />
genannte Vorhut, welche zwangsläufig als erster Teil der<br />
Truppe Feindberührung hat.<br />
Den Übergang in den <strong>kult</strong>urellen Bereich gab es erst später.<br />
Es geht immer noch um die Rolle der Vorreiter, nur<br />
jetzt darum zu dokumentieren, dass man als Avantgardist<br />
innovative Bewegungen erkannt hat, die die gesellschaftseliche<br />
Entwicklung möglicherweise nachhaltig beeinflussen<br />
können.<br />
Die Beat Generation war Avantgarde. Und sie nahm der über<br />
ein Jahrzehnt folgenden Hippie-Bewegung einige Themen en vorweg:<br />
Pazifismus, Buddhismus, freie Liebe, Drogen und das eigene<br />
Leben als ein fortwährendes Experiment. Was sie allerdings von<br />
den Hippies unterschied, war die ständige Rastlosigkeit, eine ande-<br />
Jack Kerouac, Allen Ginsberg<br />
und William S. Burroughs ughs stehen<br />
für The Beat Generation. Ein<br />
Begriff der 50er Jahre, der insbesondere<br />
die literarischen und<br />
in Folge zwangsläufig auch musikalischen<br />
Veränderungen in der Welt<br />
umriss. Plötzlich war nichts mehr<br />
so wie vorher.<br />
Die USA hatten gerade einen heißen Krieg gewonnen, den kalten<br />
im Tausch dafür bekommen, und in Korea wurde schon<br />
wieder gekämpft. Es gab diskriminierende Rassengesetze,<br />
der Rock’n’Roll setzte sich durch, die eigenen Eltern wurden so<br />
manchem Halbstarken zu bieder, Ehefrau mit Job ging gar nicht,<br />
Autokino war ganz groß, die ersten Computer hatten den Umfang<br />
eines Einfamilienhauses und brachten es doch nur auf die Leistung<br />
eines heutigen Taschenrechners. Und während in Deutschland die VW<br />
Käfer zusammengeschraubt wurden, cruiste man in den USA mit dem<br />
Straßenkreuzer herum. Petticoat und Haartolle hier, Weltmacht und<br />
Raumfahrt da.<br />
Der schwelende Generationenkonflikt begann, die Gesellschaft<br />
in den USA zu spalten. Von Enthemmtheit noch weit entfernt,<br />
Seite 86 ■ GoodTimes 2/2013
e Art von Suche nach der ultimativen<br />
Lebenserfahrung. Die Beatniks waren<br />
trotz aller Zugedröhntheit kopflastiger.<br />
Die Namensschöpfung Beat<br />
Generation geht auf Jack Kerouac<br />
zurück, den neben Allen Ginsberg und<br />
William S. Burroughs nam-<br />
haftesten Schriftsteller der<br />
Bewegung. Stand in den<br />
Nachkriegsjahren<br />
der<br />
Begriff beat noch für<br />
„niedergeschlagen"<br />
oder „besiegt", so ver-<br />
sah Kerouac ihn mit<br />
einem aggressiveren<br />
und euphorischeren Anstrich (zum<br />
Beispiel upbeat).<br />
Sein autobiografischer Roman „On The<br />
Road" (deutscher Titel „Unterwegs")<br />
steht wie kein anderer für die oben<br />
erwähnte Unruhe, die den Beatniks innewohnte. Es heißt, der Roman<br />
sei neben anderen das Vorbild für Dennis Hopper und Peter Fonda für<br />
ihren Film „Easy<br />
Rider"<br />
gewesen.<br />
„On The Road"<br />
beschreibt das rastlose<br />
Reisen zweier<br />
Beatniks durch die<br />
USA und Mexiko,<br />
als Hobos, Tramper<br />
oder<br />
Greyhound-<br />
Passagiere,<br />
in<br />
geklauten<br />
Autos<br />
oder auf einer Lkw-<br />
Alles völlig von der Rolle ...<br />
Ladefläche. Die beiden<br />
Hauptfiguren<br />
Dean Moriarty (in Wahrheit Kerouacs Kumpel Neal Cassady) und Sal<br />
Paradise (Kerouac als Erzähler) fahren quer durchs Land von New York<br />
nach Kalifornien, um dort festzustellen, dass der Pazifik ihnen auf der<br />
Weiterfahrt im Wege ist. Also wieder zurück nach New Orleans und<br />
von da aus weiter nach Mexiko – doch der innere Frieden mag sich<br />
nicht einstellen.<br />
Man merkt dem Buch an, dass es in einem Rutsch geschrieben wurde.<br />
Es gibt keinen Spannungsbogen, wie es immer so schön heißt, und<br />
nicht wenige Leser sind der Meinung, dass hier eigentlich gar nichts<br />
passiert. Kerouac schrieb und schrieb, korrigierte nichts und benutzte<br />
auch keine einzelnen Din-A-4-Blätter. Der ganze Roman ist in einem<br />
Stück auf einer dicken Papierrolle entstanden.<br />
Bis die Welt reif war, sich diesem Werk zu stellen, verging allerdings<br />
einige Zeit. Erst 1957, sechs Jahre nach seiner Entstehung, wurde das<br />
Buch veröffentlicht. Es wurde ein Riesenerfolg. Der nun einsetzende<br />
plötzliche Rummel war Gift für den labilen Kerouac. Nach jahrelanger<br />
Ablehnung plötzlich auf den Olymp der Beat Generation gehoben zu<br />
werden, bekam seiner Gesundheit nicht.<br />
Im selben Jahr, also 1957, wurden<br />
Allen Ginsbergs „Howl And Other<br />
Poems" von der Polizei beschlagnahmt<br />
und Verleger Lawrence Ferlinghetti angeklagt.<br />
Der Vorwurf: Obszönität.<br />
Fürwahr kann man sich vorstellen, dass<br />
eine Zeile wie „who let themselves be<br />
fucked in the ass by saintly motorcyclists,<br />
and screamed with joy" (auf Deutsch:<br />
„die sich in Arsch ficken ließen von heiligen<br />
Motorradfahrern und vor Freude<br />
schrien") im puritanischen Amerika nicht<br />
besonders gut ankam. Der Prozess sorgte<br />
für landesweite Schlagzeilen, und nach Anhörung diverser Literatur-wissenschaftler<br />
entschied der Richter, dass es sich bei dem wuchtigen<br />
Mammutgedicht „Howl" um ein Werk von herausragender Bedeutung<br />
handle, was zur<br />
Folge hatte, dass<br />
es nun weltweit<br />
bekannt wurde.<br />
Für<br />
Freunde<br />
von<br />
kurzen<br />
und<br />
knappen<br />
Sätzen ist es<br />
nicht geeignet:<br />
Teil eins enthält<br />
über 60 aufeinander<br />
folgende<br />
Relativsätze, die<br />
sich lesen, als<br />
habe<br />
Ginsberg<br />
das Gedicht in einem Rauschzustand heruntergeschrieben. h Tatsächlich<br />
hat er Monate daran gesessen, und dennoch hat man den Eindruck, er<br />
sei innerlich regelrecht explodiert.<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 87
Dylan and the man<br />
Ein guter Freund Ginsbergs war übrigens Bob Dylan, mit dem<br />
zusammen er als Backgroundsänger auf Leonard Cohens "Death<br />
Of A Ladies' Man" zu hören ist. Mit Dylan sowie Phil Ochs, Patti<br />
Smith, The Fugs und gar The Clash stand er auf der Bühne.<br />
Auch William S. Burroughs' literarisches Wirken wurde vor<br />
amerikanische Gerichte gezerrt. „The Naked Lunch" von<br />
1959 wurde später mehrfach verboten, unter anderem von einem<br />
US-Gericht in Massachusetts mit der Begründung, dem „literarischen<br />
Abschaum" entströme<br />
„ein widerlicher Geruch<br />
ununterbrochener Perversion".<br />
Tatsächlich ist die Mischung<br />
aus Pädophilie samt Kindsmord,<br />
Gewalt, Psychiatrie und vielen<br />
anderen Zutaten auch heute<br />
nicht von jedem leicht zu goutiemendren.<br />
Der im Roman vorkommende<br />
Stahldildo verhalf später Steely Dan<br />
zu ihrem Namen, und auch Soft<br />
Machine bedienten sich 19666 bei<br />
Burroughs Wortschöpfung.<br />
Der Sinnzusammenhang von „The<br />
Naked Lunch" muss sich nicht jedem<br />
erschließen. Die Handlungsstränge<br />
sind mal mehr, mal weniger leicht<br />
zu durchschauen, h weil gänzlich ineinander verwoben. Grund dafür<br />
ist die von Burroughs angewandte Cut-up-Methode, bei der die<br />
Manuskriptseiten<br />
einfach zerschnitten<br />
(cut-up =<br />
Schnipsel)<br />
und<br />
ohne Plan neu<br />
zusammengesetzt<br />
werden.<br />
Man<br />
kann mitten im<br />
Buch<br />
anfangen<br />
und sich seinen<br />
Text<br />
erarbeiten.<br />
Freiheit eben. Die<br />
Hauptfigur<br />
ist<br />
überall fremd, und<br />
überall muss sie<br />
sich unter größter Vorsicht schnell orientieren. Wie ist Geld, wie sind<br />
Drogen zu beschaffen?<br />
Allein mit Geschichten von Harvard-Absolvent Burroughs lassen<br />
sich Hunderte von Seiten füllen: angefangen von seinem schon<br />
fast skurrilen Todesschuss auf seine Frau 1951, als er ihr wie Wilhelm<br />
Tell einen Apfel vom Kopf schießen wollte (aber leider volltrunken<br />
war), über die in ihn verliebte Patti Smith sowie seine kurzzeitige<br />
Mitgliedschaft bei den Scientologen bis hin zu seiner kongenialen<br />
Zusammenarbeit mit Tom Waits und Robert Wilson beim „Black Rider"<br />
im Hamburger Thalia-Theater 1990.<br />
Dem an einer völlig lig absurden,<br />
aber wahren (?) Lebensgeschichte<br />
Interessierten sei seine drogengeschwängerte<br />
und beklemmende<br />
Autobiografie „Junkie" ans Herz<br />
gelegt. Es gibt nichts, was Burroughs nicht konsumiert<br />
hätte: Opiate, Barbiturate, Haschisch, ch,<br />
Kokain, Chloral, Benzedrin, Banisterin –<br />
die Liste ist lang. Er war ein wandelndes<br />
Drogenlexikon.<br />
Die Wege dieser drei herausragenden<br />
Autoren des Genres kreuzten sich<br />
immer wieder. Burroughs (spät bekennend nd<br />
homosexuell) und Kerouac lebten mit ihren<br />
Frauen zusammen in einem New Yorker<br />
Apartment. Allen Ginsberg (früh bekennend nd<br />
homosexuell) mit Kerouacs „On The Road"-<br />
Freund Neal Cassady. Burroughs baute<br />
in<br />
Texas Marihuana an und musste nach<br />
Mexiko<br />
flüchten, als die Polizei eine Lieferankündigung an Allen<br />
Ginsberg abfing. Geschichten gibt es viele.<br />
Den Tod trafen die drei auf recht unterschiedliche Weise:<br />
Burroughs trotz langer Drogensucht erst im Alter von<br />
unfassbaren 83 Jahren an Herzinfarkt, Ginsberg – der gesünder<br />
gelebt hatte – ebenfalls 1997 mit 71, und Jack Kerouac knappe 30<br />
Jahre zuvor volltrunken vor dem Fernsehapparat. Zum Zeitpunkt<br />
seines Todes 1969 war der Urheber der Beat Generation zur desil-<br />
Unerfüllte Liebe: Burroughs und Patti Smith<br />
lusionierten i und nicht mehr so rastlosen Couch-Potato tt geworden. Ud Und<br />
da die Hippies nicht sein Ding waren, war er in den letzten Jahren ein<br />
bekennender Verfechter des Vietnam-Krieges. Eine schlüssige Biografie<br />
sieht anders aus.<br />
Kerouac-Tochter Jan sagte einmal in einem Interview: „Die so genannte<br />
Beat Generation war ein Haufen Leute jeglicher Nationalität, die zu<br />
dem Schluss gekommen ist, dass diese Gesellschaft beschissen ist." Das<br />
war vielleicht in jeder seiner Lebensphasen so.<br />
Oliver Schuh<br />
„Gib dich jedem Eindruck hin! Öffne dich! Lausche! Sei in dein Leben<br />
verliebt! Wenn du etwas Unergründliches schreiben willst, hole es aus dem<br />
Grunde deiner Seele empor! Gehe mit dem Schatz deiner Erinnerungen<br />
hausieren! Erzähle die wahre Geschichte der Welt im inneren Monolog!<br />
Bleibe jedem Tag auf der Spur. Sein Datum schmücke deinen Morgen wie ein<br />
Wappenschild. „<br />
(Jack Kerouac)<br />
Seite 88 ■ GoodTimes 2/2013
<strong>kult</strong>! Abo-Schein<br />
✘❏ Ja,<br />
ich möchte ein<br />
<strong>kult</strong>! -Abonnement<br />
• kostenlose Lieferung<br />
• Zustellung früher als im Einzelhandel<br />
• sicher verpackt<br />
• keine Ausgabe verpassen<br />
Auch bestellbar unter:<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
Kommende geplante Ausgaben:<br />
Nr. 9 (1/2014) erscheint am 18.10.2013<br />
Nr. 10, Nr. 11, Nr. 12, Nr. 13 usw.<br />
(Nr. 1–8 weiterhin erhältlich)<br />
❏<br />
per Bankeinzug (nur Inland)<br />
Es wird die jeweils anstehende Ausgabe mit dem aktuell gültigen Copypreis (derzeit € 6,50 – keine Versandkosten)<br />
abgebucht. Das Abo kann laufend gekündigt werden.<br />
Bank: _____________________________________________________________________________________________<br />
BLZ: _____________________________________________________ Konto-Nr.: _______________________________<br />
Die Genehmigung zum Bankeinzug und die Information über die 14-tägige Widerrufsmöglichkeit bestätige ich mit meiner folgenden Unterschrift:<br />
Datum: _____________________ Unterschrift: ____________________________________________________<br />
Vor-/Nachname: ________________________________________ Straße: _____________________________<br />
PLZ/Ort: __________________________________________________ Land: _________________________________<br />
Telefon: ____________________ Fax: _____________________ email: ________________________________<br />
❏<br />
per Vorabüberweisung (Ausland)<br />
Überweisen Sie bitte vorab für ein oder auch mehrere künftige <strong>kult</strong>!-Ausgaben (je 6,50 €) auf folgendes Konto:<br />
NikMa Verlag · Kreissparkasse Ludwigsburg · Konto: 108 294 · BLZ: 604 500 50<br />
IBAN: DE38 6045 0050 0000 1082 94 · BIC: SOLADES1LBG · Betreff: <strong>kult</strong>!-Abo Ausgabe(n) Nr. 9, 10 usw.<br />
Abo-Bestellschein bitte faxen an: 0 70 42/37660-188 oder ausschneiden bzw. fotokopieren und senden an:<br />
NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 89
Edel sei der Mensch,<br />
"<br />
hilfreich und gut "<br />
Die Geschichte<br />
des Poesiealbums<br />
Von Oliver Schuh<br />
Heute haben wir Facebook und bekommen<br />
zum Geburtstag Glückwünsche von<br />
154 Leuten, von denen wir gerade mal sieben<br />
kennen. Alle nennen sich „Freunde".<br />
Früher war ja sowieso alles anders, klar.<br />
Der Freundschaftsbegriff auch, er müsste<br />
neu erfunden werden. Wer jemals einen en<br />
ernsthaften Eintrag in ein Poesiealbum ealbum<br />
verfasst oder bekommen hat, der weiß, was<br />
länger währt. Und in der<br />
Breite muss man feststellen,<br />
dass Deutschland<br />
zu jeder Zeit mehr Dichter<br />
als Denker hatte.<br />
Das Poesiealbum war für den lebenslangen<br />
Gebrauch bestimmt. Fast immer ging es<br />
um die besten Wünsche für das weitere Leben,<br />
das Wohlergehen, die Zuversicht (die wir damals<br />
allesamt noch hatten) und natürlich auch um<br />
die unzerrüttbare Freundschaft, die ein Leben<br />
lang währen sollte. Unzählige Kinderhände haben sich auf diese<br />
16 x16-Zentimeter-Bücher gestürzt, um alles zwischen Zuneigung,<br />
Hoffnung und Verzweiflung loszuwerden. Und das nicht erst seit<br />
unserer Schulzeit.<br />
Die Geschichte des Poesiealbums reicht zurück bis in das auslaufende<br />
15. Jahrhundert. Bei höfischen hen Festen en und<br />
Turnieren pflegte man sich bei Adels dort einzutragen,<br />
n,<br />
damals aber noch mit Geschlechterwappen (das<br />
war<br />
bei mir die Pril-Blume) und Devise (bei mir:<br />
„Ich hab' Dich gern"). Natürlich war all l<br />
das damals Männersache, auch im folgenden<br />
Jahrhundert, wenn die natürlich wieder männli-<br />
nli-<br />
Es war in der vierten Klasse, und ungeachtet aller späteren<br />
Schulreformen waren die Lehrkräfte schon damals froh,<br />
wenn wir Schüler schreiben konnten. Und das konnten wir<br />
in heute kaum gekannter schöner klarer Schreibschrift. Meine geheime<br />
große Liebe Wanda ging in den großen Pausen reihum und legte<br />
jeder Schülerin und jedem Schüler ihr Poesiealbum der Reihe<br />
nach vor. Alle hatten sich vorbereitet und schrieben fleiim<br />
Kopf und die Pril-Blumen in der Hand, um die linke<br />
der beiden Seiten stilvoll zu bekleben.<br />
ßig ihr Sprüchlein hinein. Auch ich hatte meines<br />
Leider zog sie mir das Buch unter meinen zitternden<br />
Händen weg mit den Worten „Nee, du<br />
nicht!" Ich war Klassenbester, lauter <strong>Eins</strong>er und<br />
nur eine Drei in Sport. Das reichte. Ein unbeweglicher<br />
Streber durfte in das Album nicht rein. Und<br />
dabei hatte ich nach meinem Spruch sooo lange<br />
gesucht:<br />
Rosen sind rot<br />
Veilchen sind blau<br />
Ich hab Dich gern<br />
Das weiß ich genau.<br />
Wanda wird ihr Poesiealbum sicher noch irgendwo verwahren,<br />
so, wie es Statistiken zufolge zwei Drittel der Deutschen (nur<br />
Ex-Mädchen?) tun. Telefon und Fax, Computer inklusive Internet mit all<br />
seinen Möglichkeiten – nichts hält dem wahren (!) Freundschaftsbuch<br />
stand, dessen Sinn der darin enthaltenen Weisheiten häufig erst der<br />
erwachsen gewordene Besitzer begreift.<br />
Den Vorwürfen Deiner Feinde<br />
kannst Du entfliehen,<br />
denen Deiner Freunde nicht.<br />
Seite 90 ■ GoodTimes 2/2013
chen<br />
Studenten ihre Uni wechselten<br />
en<br />
und ihre Professoren und geneig-<br />
ten<br />
Kommilitonen ehrfürchtig<br />
um ein paar Zeilen baten.<br />
Romantik und Biedermeierzeit<br />
warteten dann mit<br />
filigranen Bastelarbeiten auf, was<br />
einem schon so langsam das Gefühl<br />
gibt, dass die ganze Geschichte in Frauenhände nde<br />
überging. Es gab nur selten das gebundene Buch,<br />
vielmehr war es eine lose Blattsammlung, die in<br />
schmuckvollen Kästen aufbewahrt wurde.<br />
Als die Blütezeit des Poesiealbums darf man<br />
das 19. Jahrhundert bezeichnen. Und all<br />
die Jahrzehnte h ging es um die Bewahrung der<br />
Tugenden („Sei wie das<br />
Veilchen im Moose, sittsam,<br />
bescheiden und rein, nicht wie<br />
die stolze Rose, die immer bewundert<br />
will sein"), die Versicherung des ewigen<br />
Andenkens („Rosen, Tulpen, Nelken, alle<br />
Blumen welken, nur die eine nicht, die<br />
heißt Vergissmeinnicht" – damals noch mit<br />
„ß"). Dagegen macht sich ein Erhardt'scher<br />
Nonsens-Spruch – „Das Reh springt hoch,<br />
das Reh springt weit, das kann es auch, es hat<br />
ja<br />
Zeit" – schon anders aus. Das hat mir mein<br />
Schulfreund Karsten als Lebensmotto hinterlassen,<br />
und noch einen druntergesetzt: „Auf einem<br />
Baume saß ein Specht. Der Baum war hoch, dem Specht war schlecht."<br />
Irgendwie waren die Mädels besser auf ein Poesiealbum eingestellt.<br />
Politisch ist dieses Phänomen nur in wenigen Phasen der deutschen<br />
Geschichte gewesen, vorrangig im Dritten Reich („Sei<br />
tapfer, treu und edel, mit einem<br />
Wort: ein deutsches Mädel." –<br />
okay, das waren drei Worte) sowie<br />
in den 80ern, wenn wir Pennäler<br />
zu Hause etwas über Atomkraft und<br />
Abrüstung aufgesaugt hatten („Willst<br />
Du auch Sonne statt Reagan, dann lass<br />
uns was bewegen!").<br />
Und noch<br />
wichtigere Dinge waren mittlerweile<br />
auf dem Markt: der Tintenkiller der Firma<br />
Kreuzer und der später in Konkurrenz gehende<br />
Tintentiger von Pelikan. Fröhlich konnte korrigiert<br />
und rumgeschmiert werden, was dem<br />
Erscheinungsbild der jeweiligen Seite nicht<br />
immer gut bekam. 1990 trugen die Diddl-Maus<br />
(ursprünglich ein Känguru), der Reisehase e<br />
Felix sowie die<br />
mittlerweile boomenden<br />
Freundschaftsbücher – eine Art Mikrozensus für<br />
die<br />
Jüngsten – zum weitgehenden Untergang g<br />
des Poesiealbums bei.<br />
Den finalen Todesschuss versuchte das<br />
Internet abzufeuern. Heute posten die Kiddies ie<br />
lieber ein „Boah ey krass Alda", als ein „Ins Album<br />
schreib' ich gern hinein, denn ich will nie vergessen sein, doch<br />
lieber will ich im Herzen stehen, weil's Album kann verlorengehen"<br />
ins Büchlein zu schreiben.<br />
Dem Vernehmen nach holen immer mehr Nostalgiker die wertvolle<br />
Erinnerungskladde hervor. Also, Wanda, geh' auf den Dachboden<br />
und suche dein Poesiealbum! Eine Seite ist frei. Das ist unumkehrbar.<br />
Ich verzeihe dir.<br />
Dein Oliver<br />
Epilog:<br />
„Trinke Milch und esse<br />
Quark, dann kommst<br />
Du nie zu früh in' Sarg."<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 91
MISSION:<br />
IMPOSSIBLE<br />
Von Michael Lange<br />
Unmöglicher Auftrag:<br />
Seit 46 Jahren wird ermittelt<br />
Wenn irgendwo in einem fiktiven Land ein Diktator diskreditiert,<br />
eine wertvolle Statue gestohlen oder ein verräterischer<br />
Spion enttarnt werden sollte, dann war das<br />
geheime IMF-Team unterwegs. Ganze 168 Folgen lang,<br />
von 1966 bis 1973, wurde die von Bruce Geller erdachte<br />
Serie "<br />
Mission: Impossible" produziert und gesendet. In<br />
Deutschland hieß es: "<br />
Kobra, übernehmen Sie!"<br />
Die erste „Kobra" hieß Daniel Briggs und wurde von dem<br />
Schauspieler Steven Hill dargestellt. Ihm offerierte eine namenlose<br />
Stimme über Tonband oder Schallplatte<br />
das Problem. Anschließend gab es den<br />
Hinweis, dass dieser Auftrag gefährlich und<br />
eigentlich unmöglich sei und dass das Team<br />
dabei draufgehen könnte. Und wegen der<br />
Unmöglichkeit der Aufgabe dürfe die eigene<br />
Regierung von der Aktion nichts wissen,<br />
weshalb Briggs und seine Kollegen quasi auf<br />
eigene Faust handelten. Ginge etwas schief,<br />
gäbe es keine Rückendeckung. Nachdem die<br />
Aufnahmen geendet hatten, gingen<br />
das Abspielgerät und auch das dazugehörige<br />
Fotomaterial in Rauch auf.<br />
In einem Appartement begann Teamchef<br />
Briggs, einen Plan auszuarbeiten.<br />
Zu seiner rekrutierten Mannschaft<br />
gehörten Greg Morris als der technikversierte<br />
Barney, Peter Lupus als wortkarger<br />
Willy, Martin Landau als Rollin Hand und seine Frau, Barbara Bain, als<br />
Cinnamon Carter. Zeitweilig kam der eine oder andere „echte" Spezialist<br />
wie ein Arzt oder Psychologe hinzu.<br />
Dann ging es zur Sache. Diese „Impossible Mission Force" (IMF)<br />
benutzte keine Waffen, war leise und hatte einige Werkzeuge zur<br />
Hand, die man nicht im Laden um die Ecke<br />
zu kaufen bekam. So entwickelte Barney<br />
eine Art Pulversauger, der auf der einen<br />
Seite gefährliches Rauchgift einsog und auf<br />
der anderen lautlos ein harmloses Pulver<br />
ausstieß. Die ganze Vorrichtung passte in<br />
die Jacke von Jim Phelps (Peter Graves), der<br />
ab der zweiten Staffel die Rolle des Chefs<br />
übernahm.<br />
Gaststars sorgten in den einzelnen<br />
Folgen für Aha-Effekte:<br />
Peter<br />
Anthony Zerbe, William Shatner,<br />
Graves<br />
Albert Paulsen und Pernell Roberts oder auch die sportliche<br />
Eartha Kitt halfen dem Team oder gaben den fiesen<br />
Gegenpart. Manchmal tauchten die Gäste im Laufe der<br />
Serie in verschiedenen Rollen mehrfach auf.<br />
In Deutschland<br />
kam die Serie 1969 auf die deutschen<br />
Mattscheiben mit den Stimmen von<br />
Joachim Cadenbach (Phelps), Manfred<br />
Schott (Barney) und Erik Schumann<br />
(Rollin). Mit der Zeit wurde die Serie<br />
mehrfach neu synchronisiert. Die Bavaria-<br />
Film erzeugte den deutschen Ton für<br />
die ARD-Erstausstrahlung. Aus irgendwelchen<br />
bislang nicht nachvollziehbaren<br />
Gründen wurde die Serie seinerzeit um circa fünf Minuten gekürzt und<br />
sogar ein neuer Vorspann kreiert. Nachdem die Lunte abgebrannt war,<br />
wurde eine rote Tafel mit dem Namen der Mitwirkenden eingeblendet,<br />
Seite 92 ■ GoodTimes 2/2013
während es im Original noch erst die Bilder der Darsteller in den Worten<br />
„Mission" und „Impossible" gab. Auch das spätere Zusammenstellen<br />
des Teams wurde weggeschnitten.<br />
Mit einem Streichholz<br />
wurde eine Lunte angezündet,<br />
und damit setzte<br />
auch die von dem in<br />
Argentinien geborenen Lalo<br />
Schifrin komponierte, spannende<br />
Musik ein. Während<br />
die Lunte abbrannte, wurden<br />
in schnellem Wechsel<br />
Szenen aus der jeweiligen<br />
Folge gezeigt. Anfangs<br />
schrieb Schifrin den gesamten<br />
Score, bis später andere<br />
Komponisten halfen.<br />
In einem Interview sagte<br />
Schifrin einmal, dass die<br />
Titelmusik zu einem Kinofilm eine Art Brief ist. Die Titelmusik<br />
ik<br />
zu einer TV-Serie allerdings<br />
ein Telegramm. Der<br />
Zuschauer, der sich vielleicht<br />
im Zimmer nebenan<br />
befindet, muss sofort wissen,<br />
dass jetzt „Mission"<br />
oder „Mannix" anfängt.<br />
Nachdem sich Briggs –<br />
oder später auch Phelps<br />
– einen Plan erdacht<br />
hatte, suchte er aus<br />
einer Fotomappe das Team zusammen. Die<br />
Farbabbildungen zeigten in jedem Fall das<br />
Stammteam. Die eventuellen Helfer waren<br />
auf Schwarzweiß-Fotos zu sehen. Ab der dritten<br />
Staffel entfiel das ständige Aussuchen.<br />
Sieben Staffeln<br />
lang wurde das<br />
Team<br />
gefordert.<br />
Ab der zweiten<br />
Staffel übernahm<br />
Peter Graves den<br />
Part von Steven<br />
Hill. Nach der dritten t Staffel stiegen Martin<br />
Landau und seine Frau Barbara Bain aus der<br />
Serie aus, und Leonard Nimoy als Paris kam<br />
neu hinzu. In Staffel 5 stiegen Lesley Ann<br />
Warren und Sam Elliott mit ein. In Staffel<br />
6 gingen Nimoy, Warren und Elliott wieder. Dafür kam Lynda Day<br />
George für die Rolle der Casey. In der letzten Staffel übernahm Barbara<br />
Anderson die Rolle als Mimi Davis.<br />
In den späten 80ern Jahren wurde die Serie neu erfunden. Statt des<br />
Tonbandes kam nun ein CD-Spieler daher, der den Vorteil hatte, nach<br />
Eingabe einer speziellen Zahlenkombination die CD freizugeben, auf<br />
der die Widersacher in Bewegung zu sehen waren. Der sichtlich gealterte<br />
Jim Phelps wurde für die Neuauflage reanimiert. Sein neues Team<br />
setzte sich diesmal aus Phil Morris als Elektronikgenie und Barneys<br />
Sohn Grant Collier, Thaao Penghlis, als Nicholas Black, Tony Hamilton<br />
als Haudrauf Max Harte und als weiblicher Hingucker Terry Maxwell als<br />
Casey Randall zusammen.<br />
Noch immer waren die Fälle unlösbar, und noch immer wollte<br />
der Minister nichts von diesen Aufträgen erfahren, und noch immer<br />
war die Musik spannend, wenn auch von John E. Davis komponiert.<br />
Das neue IMF-Team: v.l.: Thaao Phenglis,<br />
Phil Morris, Peter Graves, Tony Hamilton, und Terry Maxwell<br />
Steven Hill als Dan Briggs<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 93<br />
Davis übernahm die Titelmusik und motzte sie gewaltig auf. Da das<br />
Team feststand, entfiel das Aussuchen, und der Fall konnte nach<br />
dem Briefing gleich beginnen.<br />
Allerdings waren der<br />
Neuauflage nur ganze<br />
zwei Staffeln gegönnt.<br />
Bereits nach der ersten<br />
stieg Terry Maxwell aus,<br />
und Jane Badler kam als<br />
Shannon Reed hinzu. Nach<br />
35 Folgen war dann endgültig<br />
Schluss. Die Filme<br />
wurden aus Kostengründen<br />
in Australien gedreht, nicht<br />
weiter schlimm, bis auf die<br />
teilweise sichtbar schlechten<br />
Spezialeffekte.<br />
Auch in Deutschland<br />
wurde die Neuauflage<br />
gesendet, wieder mit einem<br />
neuen Vorspann, hier hieß sie „Unmöglicher Auftrag" und wieder um<br />
einige Szenen gekürzt. Wie auch schon während der Ur-Serie wurden<br />
hier nicht alle Folgen ausgestrahlt. Episoden, die an die dunkle braune<br />
Vergangenheit Deutschlands erinnerten, wurden von der ARD nicht<br />
eingekauft.<br />
Erfreulich, wenn auch mit einem traurigen Hintergrund, war, dass Greg<br />
Morris' richtiger Sohn, Phil Morris, in die Fußstapfen seines Vaters trat und<br />
in zwei Folgen der Neuauflage neben seinem Vater spielte. Greg Morris<br />
verstarb später mit 61 Jahren, Peter Graves verstarb 2010. Er wurde 84.<br />
Mittlerweile hat es die Serie auf die große Leinwand geschafft. Brian<br />
de Palma wagte sich 1996 an den Stoff heran und drehte mit Tom Cruise<br />
als Teamchef den Film „Mission: Impossible".<br />
Jon Voigt übernahm die Rolle<br />
des Jim Phelps, und Cruise<br />
war Ethan Hunt. Dieser Film<br />
kann tatsächlich als direkter<br />
Nachfolger der Serie gesehen<br />
werden, operierte doch<br />
auch hier die IMF lautlos und<br />
unspektakulär, wenngleich de<br />
Palma auch die Fans gegen<br />
sich aufbrachte, da er ausgerechnet Jim Phelps als<br />
Verräter darstellte, der ein unrühmliches Ende fand.<br />
Die folgenden drei Kinofilme waren alles andere<br />
als Nachfolger. Nichts war mehr lautlos, es gab nur noch Explosionen<br />
und Krach. Das war nicht mehr im Sinne des Erfinders Bruce Geller, der<br />
kurz vor Drehbeginn des ersten Kinofilms bei<br />
einem Unfall ums Leben kam.<br />
Seit 2007 gibt es alle Folgen der Ur-Serie<br />
auf DVD, mit Original vorspann und deutschem<br />
Ton. Leider gibt es kein Bonus-Material.<br />
Erst jetzt bekam der deutsche Zuschauer zu<br />
sehen, was ihm in<br />
den 60ern „dank" der<br />
ARD entgangen war.<br />
Mittlerweile gibt es die Kinofilme auf DVD<br />
oder als Blu-ray-Disc. Die Musik ist auf CD<br />
erhältlich. Der wohl berühmteste Ableger<br />
der Titelmelodie ist die Version von U2 zum<br />
ersten Kinofilm. Bis heute gibt es über 40<br />
verschiedene Interpretationen. Der Original-<br />
Soundtrack zur Neuauflage von John Davis existiert ebenfalls auf CD.<br />
Mit dabei sind auch einige Tracks aus der alten Serie.
Caroline<br />
Munro<br />
Sie wird als die "<br />
First Lady Of Fantasy" bezeichnet<br />
und stand mit Vincent Price, Christopher Lee, Peter<br />
Cushing, Roger Moore und Curd Jürgens vor der Kamera.<br />
Unvergessen ist ihre Rolle in "<br />
Sindbads gefährliche<br />
Abenteuer". Science-Ficon, Horror, Fantasy und Krimis<br />
– alles Genres, in denen sich die arakve Caroline<br />
Munro mühelos bewegt. Munro hat bis heute ihren<br />
guten Ruf gepflegt, was nicht zuletzt an ihrer unvergleichlichen<br />
Liebeswürdigkeit liegt: Alan Tepper im<br />
Gespräch mit einer charmanten und engagierten Frau ...<br />
Von Alan Tepper<br />
Du wolltest eigentlich Kunst studieren ...<br />
Ja, aber dann fragte mich ein Freund, ob er einige Fotos von<br />
mir machen könnte, die er – mit der Erlaubnis von Mama, da ich<br />
erst 17 war – bei dem Wettbewerb „Face Of The Year" einreichte.<br />
Unerwarteterweise gewann ausgerechnet mein<br />
Foto, was dann zu einer Modelkarriere führte. Ich<br />
zog nach London und arbeitete für die „Vogue"<br />
und ähnliche Magazine. Mein Aussehen war in<br />
den späten Sechzigern gefragt, was mir viele<br />
Aufträge aus der Werbung einbrachte.<br />
Mit der James-Bond-Parodie „Casino Royale"<br />
von 1967 kam auch die erste Filmrolle.<br />
Ich hatte vorher schon Statistenrollen gespielt,<br />
aber dieser Film war besonders wichtig für mich.<br />
Überall diese wunderbaren Schauspieler um mich<br />
herum – um dieses kleine, schüchterne Mädchen.<br />
Ich bat den Regisseur um Erlaubnis, beim weiteren<br />
Dreh zusehen zu dürfen. Ich habe keine<br />
reguläre Schauspielausbildung genossen, sondern<br />
durch das Beobachten gelernt. Und bei einem<br />
Film mit unter anderem Ursula Andress, Orson<br />
Welles, Woody Allen und Deborah Kerr kann man<br />
wirklich viel lernen. Später spielte ich in dem<br />
Western „A Talent For Loving", konzentrierte<br />
mich dann aber wieder auf den Modeljob.<br />
Eine Plakatwerbung änderte dein Leben?<br />
Ja, ich hatte bei Lamb’s Navy Rum einen zehnjährigen Werbevertrag<br />
unterschrieben. Sir James Carreras, damals der Geschäftsführer von<br />
Hammer Films, sah eines der Plakate und bot mir nach Probe-<br />
Aufnahmen direkt ein Engagement an.<br />
Doch davor hattest du schon einen Auftritt mit Vincent Price, dem<br />
Meister des Grusels, in „Das Schreckenskabinett des Dr. Phibes" ?<br />
Genau, aber ich durfte nicht unter meinem Namen auftreten, da ich<br />
schon an Hammer gebunden war. Ich spielte in dem Film die Rolle<br />
der toten Ehefrau Victoria Phibes, musste also gar keinen Text lernen,<br />
sondern unbeweglich im Sarg ruhen. Doch das<br />
war für mich ein großes Problem, denn ich bin<br />
allergisch gegen Federn und durfte nicht niesen.<br />
Die Mühe war es wert, denn welche Frau kann<br />
schon von sich behaupten, zusammen mit dem<br />
großen Vincent Price in einem Sarg gelegen zu<br />
haben? Ich spielte auch in der Fortsetzung, „Die<br />
Rückkehr des Dr. Phibes". Vincent war ein großartiger,<br />
charmanter und sehr gebildeter Mann,<br />
der zudem gerne kochte und die gesamte Crew<br />
versorgte.<br />
Dann hast du eine für dich wichtige Rolle<br />
in „Dracula A.D. 1972" gespielt, der in<br />
Deutschland unter dem kitschigen Titel „Dracula<br />
jagt Minimädchen" lief.<br />
Ich war unglaublich stolz bei Hammer Horror<br />
mitmachen zu dürfen. Es war eine einzigartige<br />
Firma, die weit über 100 Filme produzierte, die<br />
Munro zu Beginn alle eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlen.<br />
In Großbritannien ist Hammer heute noch<br />
der Modelkarriere<br />
Kult. Sie haben mit einem geringen Budget<br />
großartige Werke geschaffen, weil sich alle Beteiligten so viel Mühe<br />
gaben und viel Liebe in ihre Arbeit investierten. Das lässt sich nicht<br />
mit den aktuellen, einfach abgekurbelten Billigversionen vergleichen.<br />
Und mit Christopher Lee zu spielen – das hätte ich nicht missen wollen.<br />
Christopher hat eine beeindruckende Stimme, wie fast alle meiner<br />
Schauspielpartner, darunter Vincent oder auch Curd Jürgens als<br />
Seite 94 ■ GoodTimes 2/2013
Stromberg in „James Bond". Bei den Aufnahmen<br />
fällte ich die Entscheidung, meine schauspielerischen<br />
Ambitionen konkreter zu verfolgen,<br />
was mir auch glücklicherweise in den folgenden<br />
Jahren gelang.<br />
In „Sindbads gefährliche Abenteuer" aus dem<br />
Jahr 1974, einem Film, der besonders in<br />
Deutschland sehr beliebt ist, warst du in der Rolle<br />
der Sklavin Margiana zu sehen. Ähnlich der<br />
Erstverfilmung von „Die Zeitmaschine" (1960)<br />
zeichnet sich der Film durch eine magische, traumähnliche<br />
und leicht surreale Stimmung aus.<br />
Da stimme ich zu, denn die Produktion wurde mit<br />
viel Detailverliebtheit umgesetzt, was natürlich<br />
durch den britischen Hang zum Orientalismus<br />
Du warst noch in dem Science-Fiction-Film<br />
„Star Crash – Sterne im Duell" mit David<br />
Hasselhoff zu sehen und in weiteren Horrorfilmen,<br />
wie zum Beispiel „Maniac", hast dann aber<br />
längere Engagements in den USA abgelehnt.<br />
Ein Fehler?<br />
In professioneller Hinsicht kann man das als<br />
Fehler bezeichnen. Allerdings bin ich ein sehr<br />
familiärer Mensch. Das ständige Reisen hätte<br />
mich zu lange von meinen Lieben getrennt, und<br />
so habe ich in Großbritannien TV-Shows und<br />
Ähnliches gemacht.<br />
In deinem Leben spielte die Musik immer eine<br />
wichtige Rolle. In den Achtzigern hast du für das<br />
Gary-Numan-Label die in Italien sehr erfolgreiche<br />
begünstigt wird. Großen Dank schulden wir alle<br />
Ray Harryhausen, dem unumstrittenen Meister "<br />
Dracula jagt Mini-Mädchen"<br />
der Special Effects, der seine ganz persönliche Note einbrachte. Ich<br />
habe ihn kürzlich noch bei seiner 93. Geburtstagsfeier getroffen.<br />
Ray spielt immer noch mit verrückten Ideen rum.<br />
Nach „Captain Kronos – Vampirjäger" mit Horst Janson hast du<br />
bei Hammer aufgehört. Warum?<br />
Man hatte mir zuvor eine Rolle in „Dr. Jekyll und Sister Hyde" angeboten<br />
und später in „Frankensteins Höllenmonster" und dem niemals<br />
gedrehten „Vampirella". Allerdings sollte ich Nacktszenen spielen,<br />
wofür ich keinen Grund sah. Zu der Zeit erhielt ich viele Angebote<br />
Single " Pump Me Up" in den Abbey Road<br />
Studios aufgenommen.<br />
Nein, die haben wir bei ihm<br />
mitgeschnitten. Doch ich war<br />
schon mal in den Abbey Road<br />
Studios, und zwar 1966. Mein<br />
Dad kannte einen Boss von<br />
der Decca, und der vermittel-<br />
te mich zur Aufnahme einer<br />
Single mit Ginger Baker, Eric<br />
Clapton, Jack Bruce – also<br />
von Männermagazinen, darunter auch dem „Playboy", Nacktfotos In den Klauen von Christopher Lee Cream – und Steve Howe, der<br />
zu machen. Ich habe das abgelehnt, denn ein<br />
später bei Yes Gitarre spielte.<br />
kleines Geheimnis sollte immer bleiben. Erst das<br />
Leider gibt es davon nur eine Promo-<br />
Rätselhafte bringt die Spannung, und ich glaube,<br />
dass ich durch diese <strong>Eins</strong>tellung noch immer angesehen<br />
bin, im Gegensatz zu Kolleginnen, die viel<br />
zu früh viel zu viel von sich preisgegeben haben.<br />
Du hattest noch mal, nach den beiden „Phibes"-<br />
Filmen, das Glück, mit Peter Cushing, neben<br />
Christoper Lee, dem wohl<br />
Ausgabe, die unter Sammlern sehr begehrt<br />
ist. Die Songs hießen "Tar And Cement" und<br />
"This Sporting Life". Ich bin da sehr stolz<br />
drauf. Mein Vater hat mich natürlich begleitet,<br />
und ich fragte ihn, wer denn an diesem<br />
Tag noch in den Studios gewesen war. Dad<br />
meinte, er hätte sich mit vier netten Jungen<br />
bekanntesten<br />
Hammer-<br />
aus dem Norden unterhalten, die gar keine<br />
Schauspieler, in dem<br />
so<br />
üble Musik machten. Da dämmerte es mir<br />
Fantasy-Streifen<br />
„Der<br />
–<br />
es waren die Beatles. Mein Gott, was hätte<br />
sechste Kontinent" zu<br />
Roger Moore mit zwei! Bondgirls<br />
ich für ein Autogramm von meinen Idolen<br />
arbeiten. Dann kam<br />
gegeben! Ich war dann eine kurze Zeit mit<br />
„James Bond 007 – Der Spion, der mich<br />
liebte" mit Roger Moore ...<br />
Ja, Roger – immer ein ungezogener Junge,<br />
der während der Drehpausen allen Mädchen<br />
ungezogene Streiche spielte. Ich trat in der<br />
Rolle der Naomi, seiner Kontrahentin, auf,<br />
die von ihm getötet wird. Da fällt mir<br />
eine Anekdote ein. Ich habe den Film<br />
mit einer meiner Töchter gesehen<br />
– ich weiß nicht mehr, ob es<br />
Georgina oder Iona gewesen ist.<br />
Sie war gerade erst fünf. Wir<br />
saßen zusammen auf dem Sofa<br />
und sahen, wie Bond eine<br />
Rakete zündete und mich<br />
im Hubschrauber abschoss.<br />
Mein Gott, sie begann loszuheulen,<br />
da sie meinte, ich<br />
wäre<br />
wirklich tot. Ich muss-<br />
te sie erst mal drücken<br />
und sagte: „Hey Kleines,<br />
keine Angst, Mama ist<br />
doch hier." Nach einigen<br />
Minuten verstand sie es<br />
Colin Blunstone von den Zombies zusammen. Ein wirklich süßer Junge.<br />
Nach der Trennung hat er mir auf seinem 71er-Album ONE YEAR den<br />
Song "Caroline Goodbye" gewidmet. In den Achtzigern bin ich noch in<br />
den beiden Videoclips von Adam Ants "Goody Two Shoes" und Meat<br />
Loafs "If You Really Want To" aufgetreten.<br />
Dein Bekanntheitsgrad scheint ungebrochen zu sein. Erst kürzlich<br />
erschien in Deutschland der Band „Die James Bond Girls" von<br />
Frederic Brun, der dir einige Seiten widmete und auch in der<br />
englischsprachigen Ausgabe „Cinema Sex Sirens" von Lee<br />
Pfeiffer bist du zu finden. Was machst du heute?<br />
Seit einigen Jahren werde ich häufig zu Horror- und<br />
Fantasy-Conventions eingeladen, wo ich Interviews<br />
und Autogramme gebe und oft Kollegen von früher<br />
wiedersehe. Wie schon erwähnt, gibt es speziell<br />
um Hammer einen richtigen Kult. Ich reise aber<br />
auch in die USA, nach Italien oder Spanien, wo<br />
meine Person gefragt ist. Ich war sogar schon in<br />
Deutschland, und zwar in Bottrop. Na ja, und um<br />
meine Familie muss und will ich mich auch kümmern.<br />
Zusammen mit meiner Managerin unterstütze<br />
ich darüber hinaus ein Tierheim, in dem<br />
wir oft Versuchstiere, von der pharmazeutischen<br />
Industrie und ähnlich geschundene Kreaturen aufpäppeln.<br />
Den Erlös durch den Verkauf meiner DVD<br />
glücklicherweise. Seitdem<br />
und der Autogramme spende ich zu diesem Zweck.<br />
hat sie einen Satz immer<br />
parat: „Ich hasse James Bond!"<br />
Das ist zwischen uns ein richtiger<br />
Insiderscherz geworden.<br />
Alles in allem kann ich sagen, dass es das Leben mit<br />
mir wirklich gut gemeint hat.<br />
www.carolinemunro.org<br />
Mit den Waffen einer Frau<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite 95
Frühbucher<br />
haben die<br />
besten Karten<br />
Von Ul<br />
i Tw<br />
elker<br />
You got a reservation, Sir?" Besser wäre es. So leicht<br />
"<br />
kommt man nicht an den schwarz livrierten Security-<br />
Muskelmännern, den Bouncers", vorbei, die das Jazz-<br />
"<br />
Etablissement im Herzen von Londons Amüsierviertel<br />
Soho bewachen. Reservierung heißt, dass man<br />
lange vorher einen Tisch bestellt hat und essen<br />
möchte. Es bedeutet vor allem, dass man<br />
schnell reagiert, wenn man von einem Gig<br />
erfährt. Denn Ronnie Scott's Club ist eine der<br />
heißesten Adressen.<br />
Spielt etwa das New Yorker Vocalese-Quartett<br />
Manhattan Transfer nur für zwei Tage, oder kommt<br />
nach langer Zeit Ginger Baker mal wieder für drei<br />
Nächte, so können die Tische in Minuten belegt sein – per<br />
Telefon oder Internet. Tritt Georgie Fame eine ganze Woche<br />
auf, gibt es keineswegs länger Karten.<br />
Hier mutet nicht nur die Security dunkel an. Wird man von<br />
einer der eleganten Ladies zum Tisch geführt, sieht man<br />
sofort: alle Wände schwarz, Tischlämpchen wie zu Zeiten des<br />
„Blauen Engel".<br />
Cocktail-Preise<br />
können astronomisch<br />
sein; das<br />
Risotto ist okay,<br />
etwas übersichtlich.<br />
Die Musik<br />
dagegen ist oft<br />
sensationell. Damit<br />
diese auch ungefiltert das interessierte Publikum erreicht, bittet<br />
der Moderator zu Beginn: „Please keep your conversation to a minimum."<br />
Was Georgie Fame schon mal mit „You can talk as much as<br />
you like" beantwortet: „Quatscht, soviel ihr wollt!” Bald schleichen<br />
Serviererinnen und Chefkellner während der Performance durch die<br />
schmalen Nischen zwischen den Tischlein im British-Rail-Format und<br />
hauchen „Ssssh" – es ist diese Atmosphäre, die Ronnie Scott's Club<br />
unvergleichlich macht.<br />
Es gibt Soho-Musiklokale, die sind legendär, weil es sie nicht mehr<br />
gibt. Viele erinnern sich an den bluesig-rockigen Marquee Club, wo<br />
die Who begannen. Oder den Flamingo Club – auch schon in <strong>kult</strong>! zu<br />
Ronnie Scott<br />
Ehren gekommen<br />
–, in dem anfangs vor allem<br />
Modern-Jazz- und Bebop-Könner er<br />
wie die Jazz Couriers spielten, mit<br />
begabten Saxofonisten wie Tubby by<br />
Hayes und Ronnie Scott. Bald öff-fnete<br />
man sich dem R&B – für Alexis<br />
Korner's Blues Incorporated, Geno<br />
Washington & The Ram Jam Band,<br />
Chris Farlowe & The Thunderbirds,<br />
Zoot Money's Big Roll Band und<br />
natürlich Georgie Fame und seinen<br />
Blue Flames.<br />
Phil Seaman<br />
Foto: © Peter Schneiders<br />
Seite 96 ■ GoodTimes 2/2013<br />
Georgie Fame
Ronnie Scott's bleibt: Tenorsaxer<br />
Ronnie Scott (1927–1996) war<br />
der erste Brite, der durch Charlie<br />
Parker beeinflusst wurde. Schon<br />
in den 40er Jahren arbeitete Scott<br />
auf den Salonbühnen des Schiffes<br />
Queen Mary, um in den USA<br />
seinen geliebten Jazz aus erster<br />
Hand zu hören. Die Jazz-Clubs<br />
in Manhattans 52nd Street hatten<br />
es ihm dabei besonders angetan<br />
– unvergesslich war sein Erlebnis,<br />
Dizzy Gillespie mit Miles Davis spielen<br />
zu hören, der damals noch für<br />
Charlie Parker arbeitete.<br />
Scotts Traum war ein eigenes Etablissement. Ihm selbst wurde eine<br />
große Karriere jenseits des Atlantiks vorausgesagt. Neben seiner<br />
hervorragenden Live- und Studio-Arbeit eröffnete Scott – dank 1000<br />
Pfund Darlehen seines Stiefvaters – am Freitag, dem 30. Oktober 1959,<br />
mit dem ehemaligen Tenor-Saxofonisten Pete King seinen<br />
eigenen Club – Ronnie Scott's – im Keller der im<br />
Süden Sohos gelegenen 39 Gerrard Street: also mitten<br />
in Chinatown.<br />
Eigentlich war das Basement, als ehemaliger Taxi-<br />
Warteraum und Tee-Eckchen bei vielen Musikern<br />
wohlbekannt, zum Jammen gedacht. Erster richtiger<br />
Livegast des neuen Ladens war der Alt-Saxer Peter<br />
King, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Club-<br />
Co-Manager Pete King. Von Beginn an bis heute gibt<br />
es eine renommierte Hausband. Anfangs garantierte<br />
sie, dass US-Berühmtheiten spielen konnten, die von<br />
der britischen Musikergewerkschaft gezwungen wurden,<br />
ohne Band zu reisen. Andererseits musste die berüchtigte<br />
American Federation Of Musicians erst mal dazu gebracht<br />
werden, Ami-Jazzern überhaupt Auftritte im Königreich<br />
zu gestatten – Pete King gelang das.<br />
Zur<br />
Hausband<br />
gehörte lange<br />
Pete King, Phil Seamen,<br />
Mike Senn and Pete Pitterson<br />
der legendäre Phil Seaman, dessen<br />
Fertigkeiten ihn zum wohl großartigsten<br />
Schlagzeuger des britischen Jazz<br />
machen, dessen Spektrum von Cilla<br />
Black bis Ginger Baker's Air Force<br />
reichte und<br />
der festes<br />
Mitglied von Georgie<br />
Fame & The Blue Flames<br />
war, ehe er wegen seiner<br />
Heroinabhängigkeit<br />
ausgetauscht wurde.<br />
Heute leitet Pianist James<br />
Pearson die Ronnie Scott's<br />
All Stars. Zoot Sims war<br />
der erste US-Star, der ins „Scott's" gelangte – dafür durfte das Tubby<br />
Hayes Quartett im New Yorker Half Note auftreten: im November 1961.<br />
Stan Getz, Benny Golson und Wes Montgomery gehörten zu den zahlreichen<br />
Legenden, die ihm folgen sollten.<br />
Ronnie Scott<br />
Nach sechs Jahren war der<br />
Club so erfolgreich, dass sich<br />
ein Umzug in bald ebenso dunkle,<br />
aber größere Räumlichkeiten<br />
der 47 Frith Street lohnte aber<br />
nicht rechnete. Ronnie Scott lieh<br />
sich von Konzertpromoter Harold<br />
Davison 35.000 Pfund (ergaben<br />
damals in deutschem Geld fast<br />
eine halbe Million). Statt ordentlich<br />
Kasse zu machen, ließ man<br />
den Pachtvertrag des alten Clubs<br />
zwei Jahre auslaufen, um jungen<br />
Talenten dort eine Chance zu<br />
geben – musikalischer Gewinn bei<br />
finanziellem Verlust. Georgie Fame's Blue Flames gehören gleichzeitig<br />
zu jenen, die damals bis heute in dem Club auftreten und während der<br />
80er und 90er Jahre locker drei Wochen Konzerte hintereinander ausverkauften<br />
– schwarze Zahlen, die immer dringend gebraucht wurden.<br />
Ronnie Scott selbst war berühmt-berüchtigt als<br />
Conférencier und Erzähler dubiosester Witze. Er<br />
behielt aber auch immer flinke Hände und leistungsfähige<br />
Lungenflügel in der Musik. So spielte er etwa bei den<br />
Beatles-Sessions von "Lady Madonna" 1968 das Saxofon,<br />
war jedoch entsetzt, wie wenig von seinem intensiv<br />
ausgespielten Solo auf die Single geriet. Im gleichen<br />
Jahr wurde ein Gebäude dazugekauft, es gab nun einen<br />
Talentschuppen im ersten Stock und unten Sitzplätze für<br />
250 Fans. Dazu errichtete man eine Bar – eine weitere<br />
findet sich heute Upstairs At Ronnie's.<br />
Das Erlebnis ließ Scott dennoch den Club für die<br />
Rockmusik öffnen: The Who führten im Frühjahr 1969<br />
im<br />
„Scott’s" ihre TOMMY-Oper ein. Auch die Supergroup<br />
von Steve Marriott und Peter Frampton, Humble Pie,<br />
debütierte hier im August des gleichen Jahres – ihre<br />
inspirierte Ausarbeitung von Dr. Johns "Walk On Gilded<br />
Splinters" sollte sich eines Jazz-Clubs würdig erweisen,<br />
war sie doch vom Anspruch her meilenweit vom gerade<br />
chartenden "Natural Born Boogie" entfernt. Wie weit<br />
man das Attribut Jazz ziehen kann, beweist auch, dass Elkie Brooks, Eric<br />
Burdon oder Peter Green's<br />
Zoot Money<br />
Splinter Group eine Chance<br />
im Ronnie Scott’s Club bekamen<br />
– Green immerhin näher<br />
an seiner Top-Form der<br />
Brit-Blues-Sixties als in den<br />
letzten Jahren.<br />
1<br />
981 bekam Ronnie Scott<br />
den OBE-Orden von<br />
Queen Elizabeth für seine<br />
„Services To Jazz", 15<br />
Jahre vor seinem Ende mit 69. Nach Thrombose, Beinoperationen und<br />
für ihn als Saxer unerlässlichen Zahnimplantaten, für die er Brandy<br />
mit „Painkillern" (Schmerzmittel) kombinierte. Tödlich! Pete King<br />
führte den Laden für weitere neun Jahre, ehe er 2005 an die Theater-<br />
Managerin Sally Green verkaufte, die bereits als Kind von ihrem Vater<br />
in den Club eingeführt worden war. Geleitet wird der Club heute von Leo<br />
Green, einem weiteren Saxer (Jerry Lee Lewis, Van Morrison, Bob Dylan).<br />
Wollt ihr Billy Cobham? Terry Reid? Van Morrison? Früh buchen!<br />
Viele Soho-Besucher möchten sich lieber nicht ablichten lassen,<br />
daher die leeren Stühle. Oder war es ein Free-Jazz-Ausrutscher?<br />
GoodTimes 2/2013 ■ Seite So 97 hell ist es im Ronnie Scott's sonst nie!<br />
© Pressefotos
Alfred Biolek<br />
Von Christian Simon<br />
Heute würde ich nicht<br />
"<br />
zum Fernsehen gehen"<br />
Auf dem Bildschirm war er in seiner Art einzigartig und machte nach eigenen Worten "<br />
Unterhaltung<br />
mit Haltung": Alfred Biolek. "<br />
Bios Bahnhof", "<br />
Boulevard Bio" und "<br />
Alfredissimo" waren Höhepunkte<br />
deutscher Fernsehunterhaltung. Auf dem Zenit seiner Karriere verabschiedete sich der promovierte<br />
Jurist von seinen Zuschauern und talkt heute nur noch auf kleinen Theaterbühnen mit seinen<br />
Gästen. Kürzlich zog er wieder von Berlin in "<br />
seine" Stadt Köln.<br />
Du bist nach Köln zurückgekehrt. Bist du jetzt sozusagen wieder zu Hause?<br />
Ja, das kann man sagen. Köln war schon eine sehr wichtige Station<br />
für mich, weil ich hier alle meine großen Sendungen gemacht habe.<br />
Und den Anfang machte ich hier im Senftöpfchen, wo ich die erste<br />
Talkshow ohne Fernsehen gemacht habe, die dann zum „Kölner Treff"<br />
geführt hat.<br />
Kürzlich hattest du einen bösen Unfall. Was ist passiert?<br />
Ich war bei einem Bekannten zum Abendessen und habe mich verabschiedet.<br />
Dann bin ich die Treppe runtergefallen. Statt sie runterzugehen,<br />
bin ich drei Stockwerke hinuntergestürzt. Da habe ich mir die<br />
Schulter gebrochen und war dann insgesamt sehr reduziert. Ich musste<br />
in die Reha-Klinik. Aber es ist alles vorbei, alles wunderbar.<br />
Du machst auch wieder eine Talkshow?<br />
Ich mach’ zwei, eine in Bonn und eine in Düsseldorf.<br />
Wer sind deine Gäste?<br />
Ganz unterschiedlich. In Bonn war es der frühere WDR-Intendant<br />
Friedrich Nowottny zusammen mit zwei anderen politischen<br />
Journalisten. Aber es waren auch Schauspieler da, zum Beispiel welche<br />
aus der „Lindenstraße". Auch Heino mit seiner Frau hatte ich eingeladen.<br />
Also sehr unterschiedlich. Es hat immer etwas mit der Stadt zu<br />
tun, wenigstens im weitesten Sinne.<br />
Apropos Gäste. Du hast in all den Jahren viele Menschen kennen gelernt. Welche Persönlichkeiten,<br />
denen du begegnet bist, haben dich am meisten beeindruckt?<br />
Ich kann die Frage so nicht beantworten. Schau, wenn ich den Dalai<br />
Lama, Herrn Putin oder Herrn Kohl gehabt habe, dann war das sehr<br />
eindrucksvoll. Aber schon in der nächsten Woche hatte ich ein junges<br />
Mädchen, das mir von seiner furchtbaren Krankheit erzählt hat, wie sie<br />
damit umgeht und damit lebt. Das hat mich genauso mitgenommen<br />
oder beeindruckt wie ein Sammy Davis Jr. oder ein Bundeskanzler<br />
Schröder. Also ich kann nicht sagen, wer der Eindruckvollste war.<br />
Bei mir war das immer eine totale Mischung, das war ja auch das<br />
Besondere an meinen Sendungen. Hochkarätige Prominente gab es<br />
ebenso wie völlig Unbekannte.<br />
Du hast nicht nur Stars getroffen, sondern auch welche entdeckt ...<br />
Ja. Anke Engelke zum Beispiel, aber viele<br />
andere auch. Aber das sollen die selber erzählen,<br />
wenn sie es ebenso sehen wie ich.<br />
Du hast von dir gesagt: Ich habe Unterhaltung mit Haltung<br />
"<br />
gemacht."<br />
Genau. Das vermisst man heute etwas im<br />
deutschen Fernsehen.<br />
Würdest du heute gerne noch einmal auf dieser Bühne, dem<br />
deutschen Fernsehen, mitspielen?<br />
Eher nein. Unter den Umständen,<br />
wie heute Fernsehen gemacht<br />
wird, würde ich nicht mitspielen.<br />
Ich kann mir kaum vorstellen,<br />
dass ich heute, auch wenn ich<br />
jung wäre, zum Fernsehen wollte.<br />
Die Quote war zu unserer Zeit<br />
völlig unwichtig. Man war offen,<br />
man war frisch und frei. Wenn ich<br />
mir nur vorstelle, wen ich in „Bios Bahnhof" alles eingeladen habe ...<br />
ganz wenige deutsche populäre Schlagersänger. Gut, Udo Jürgens und<br />
Udo Lindenberg waren da, aber ansonsten internationale Stars aus allen<br />
Ländern. Das wäre in dieser Form heute kaum mehr möglich.<br />
Ein Satz von dir ist mir besonders aufgefallen: Man braucht im Leben die nötige Balance zwischen<br />
"<br />
Disziplin und Genuss."<br />
Ja, das ist sozusagen eines der Hauptthemen meines Leben. Ich habe<br />
immer versucht, Disziplin und Genuss zu mischen. Nicht zu viel Genuss,<br />
aber auch nicht zu viel Disziplin, beides zu viel ist nicht gut. Die Balance<br />
macht’s, das Gleichgewicht. Das gesunde Mittelmaß hält einen gesund.<br />
Stichwort Genuss – kochst du noch gerne?<br />
Jaaa!!!<br />
Du bist ja auch bekannt für deine Einladungen, du hast gerne für Freunde gekocht. Hast du das<br />
beibehalten?<br />
Nein, nur noch in kleinem Rahmen. Das war auch einer der Gründe,<br />
warum ich von Berlin wieder nach Köln gezogen bin. Das wurde mir<br />
alles zu viel. Ich habe in Berlin zu viele große Einladungen gehabt.<br />
Das wollte ich nicht mehr weitermachen. Dazu habe ich mich einfach<br />
zu schwach gefühlt. In knapp zwei Jahren werde ich 80. Da will man<br />
nicht mehr für 40 oder 50 Leute kochen. Ich hab’ für die Berliner<br />
Filmfestspiele gekocht, für 70 Leute ... für die aus Hollywood, auch<br />
der Kanzler war da, und ich weiß nicht mehr, wer alles ... Das ist aber<br />
jetzt vorbei.<br />
Noch ein wichtiger Begriff in deinem Leben ist das Wort Humor. Du hast einmal gesagt, Humor ist<br />
eine Lebenseinstellung.<br />
Na ja, man soll nicht alles so todernst sehen, man soll auch die heitere<br />
Seite suchen. Alles, was im Leben passiert, hat<br />
irgendwo ’ne Mischung. Oft lässt man das Heitere<br />
weg und konzentriert sich auf das Ernste. Ich habe<br />
immer versucht, auch das Heitere zu sehen und<br />
hervorzuheben. Dann wird alles ein bisschen leichter<br />
und lustiger.<br />
Worüber kannst du lachen?<br />
Über gute jüdische Witze.<br />
Das ist jetzt aber kein Witz, wenn ich sage, dass du kein Handy hast.<br />
Nein. Das heißt, ich habe eines, das ich aber nie<br />
benutze. e. Ganz selten, wenn ich mal irgendwo hinreise, wo’s<br />
kein Telefon gibt.<br />
Welchen Ratschlag würdest du den heutigen Fernsehmachern mit auf den Weg<br />
geben?<br />
Dass man wissen muss, wann man aufhören sollte. Das<br />
war schon bei Kulenkampff so. Als der mit seiner großen<br />
Erfolgssendung aufhörte, hat der noch drei- oder viermal<br />
Mist gemacht – gar nicht gut. Als ich gemerkt habe, jetzt<br />
bin ich alt genug, habe ich einfach aufgehört.<br />
Foto: © INTERFOTO / amw<br />
Seite 98 ■ GoodTimes 2/2013
ROCK – BEAT – POP – BLUES – FOLK – SOUL – SURF – PUNK – WAVE<br />
Wir können Musik!<br />
GoodTimes ist DAS Magazin für die Musik der 60er, 70er und 80er Jahre! Fundiert und unterhaltsam berichten<br />
wir über Künstler & Konzerte, über CDs, Bücher & DVDs, über Rares & Kurioses. Viele Stars sind weiterhin<br />
aktiv auf Bühnen und in Studios – wir informieren Sie! Und haben dabei stets auch Augen und Ohren für<br />
hörenswerte, faszinierende Neulinge.<br />
Heft 2/2013<br />
Heft 1/2013 Heft 6/2012 Heft 5/2012<br />
Heft 4/2012 Heft 3/2012 Heft 2/2012<br />
Heft 1/2012<br />
Heft 6/2011 Heft 5/2011 Heft 4/2011 Heft 3/2011<br />
www.goodtimes-magazin.de<br />
Alle Hefte bestellbar im Internet.<br />
oder Telefon: 0 70 42/37660-160 · goodtimes@nikma.de<br />
NikMa Verlag · Eberdinger Straße 37 · 71665 Vaihingen/Enz<br />
Alle zwei<br />
Monate<br />
NEU im<br />
Handel!
P A U L V I N C E N T<br />
Ticket To Ride • Norwegian Wood • I Saw Her Standing There<br />
You’ve Got To Hide Your Love Away • Girl • Blackbird<br />
I Feel Fine • In My Life • Daytripper • I’ve Just Seen A Face<br />
MASTERED AT ABBEY ROAD STUDIOS<br />
Get it now from:<br />
http://shop.luxusmusik.de<br />
Logos, Produkt- und Markennamen sind Eigentum ihrer respektiven Inhaber. Amazon, das Amazon-Logo und Amazon.de sind eingetragene Marken<br />
von Amazon Europe Holding Technologies SCS und Tochtergesellschaften.
<strong>kult</strong>!<br />
Marilyn Monroe<br />
Foto: Bildarchiv Hallhuber
<strong>kult</strong>!