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RHEINGOLD UND SVT<br />
Sommer <strong>1939</strong>: Die letzten<br />
Fahrplan-Einsätze bei der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong><br />
06, 50 UND E 19<br />
Die Lokneuheiten des<br />
Jahres: Erfolgsmodelle<br />
und Fehlschläge<br />
ANGESPANNTE LAGE<br />
Betrieb und Netz der<br />
<strong>Reichsbahn</strong> zwischen<br />
Fortschritt und Mangel<br />
2.2014 MÄRZ / APRIL | € 12,90 A: € 13,30, CH: SFR 18,90, BENELUX: € 14,90<br />
<strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Reichsbahn</strong><br />
<strong>1939</strong><br />
Eisenbahn im Krieg:<br />
• Die <strong>Reichsbahn</strong> und der Aufmarsch<br />
• Die Entstehung der Ostbahn<br />
• Das Unglück von Genthin
Schlachten, Technik,<br />
Feldherren<br />
Das neue Heft ist da.<br />
Jetzt am Kiosk!<br />
Online blättern oder Abo mit Prämie unter:<br />
www.clausewitz-magazin.de/abo
Slg. Stefan Ponzlet (oben), Carl Bellingrodt/Slg. Eisenbahnstiftung (unten links), XXXXX (unten rechts)<br />
Die Zeitenwende<br />
Deutschland vor 75 Jahren: Zu Beginn des Sommerfahrplans bietet die <strong>Reichsbahn</strong><br />
noch den gewohnten Betrieb mit umfangreichem Verkehrsangebot und modernen Zügen,<br />
neue Lokomotiven werden vorgestellt. Aber der Krieg, den die NS-Führung seit<br />
langem vorbereitet, rückt näher. Ende August <strong>1939</strong> folgen die ersten Einschnitte bei der<br />
<strong>Reichsbahn</strong>, Anfang September greift das <strong>Deutsche</strong> Reich Polen an. Dieses Heft<br />
blickt zurück auf die Zeitenwende, die alles verändern sollte. Auch für die <strong>Reichsbahn</strong><br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 3
Inhalt | DIE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Thomas Hanna-Daoud<br />
Verantwortlicher<br />
Redakteur<br />
Hauptautoren in diesem Heft<br />
Dr. Alfred Gottwaldt<br />
leitet die Abteilung<br />
Schienenverkehr im <strong>Deutsche</strong>n<br />
Technikmuseum<br />
Berlin und hat zahlreiche<br />
Bücher und Aufsätze zur<br />
Verkehrsgeschichte,<br />
darunter der <strong>Reichsbahn</strong><br />
1920–1945, veröffentlicht.<br />
am 15. Mai <strong>1939</strong> trat der Sommerfahrplan der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Reichsbahn</strong> in Kraft. Wenige Tage zuvor hatte sie den elektrischen<br />
Betrieb auf der Strecke Nürnberg – Saalfeld eröffnet, mit dem<br />
neuen Fahrplan führte sie nochmals neue Fernverbindungen ein.<br />
Bis zum 7. Oktober <strong>1939</strong> sollte die Fahrplansaison nun dauern.<br />
Doch die Kursbücher wurden früher Makulatur als erwartet. Schon<br />
am 22. August <strong>1939</strong> richtete die <strong>Reichsbahn</strong> einen Notfahrplan ein,<br />
reduzierte das Angebot und stellte die Fernschnellzüge weitgehend<br />
ab. Ein Vorzeichen des Krieges, auf den die national sozialistische<br />
Führung hingearbeitet hatte. Und auch wenn der Alltag im „Dritten<br />
Reich“ schon militarisiert war, bedeutete das abermals eine Zäsur.<br />
Fortan bestimmten militärische Belange das Geschehen auf und<br />
neben den Bahngleisen.<br />
Diesen Wandel in der Geschichte der Zwischenkriegs-<strong>Reichsbahn</strong><br />
dokumentieren wir mit diesem Heft. Unsere Autoren haben<br />
viele Daten, Fakten und zum Teil bisher kaum bekannte Informationen<br />
zusammengestellt, die das Jahr <strong>1939</strong> in seiner ganzen Gegensätzlichkeit<br />
zeigen. Und die erahnen lassen,<br />
welches Unheil damals seinen Lauf nahm.<br />
Sehen Sie selbst ... !<br />
Das Mitropa-Kursbuch<br />
vom Sommer <strong>1939</strong><br />
Slg. Andreas Knipping<br />
Andreas Knipping<br />
ist Richter am Sozialgericht<br />
in München und hat<br />
sich in vielen Veröffentlichungen<br />
mit der Eisenbahngeschichte<br />
befasst.<br />
Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong><br />
ist dabei eines seiner<br />
Schwerpunktthemen.<br />
50<br />
Die<br />
Fahrpläne der <strong>Reichsbahn</strong> vor und nach Kriegsbeginn:<br />
die Änderungen, die Konsequenzen im Betrieb Slg. Gerhard<br />
Dirk Winkler<br />
arbeitet bei einem Schienenfahrzeughersteller<br />
in Deutschland und<br />
beschäftigt sich ebenso<br />
mit Eisenbahn- und<br />
Fahrzeuggeschichte,<br />
unter anderem zur<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong>.<br />
Titelfotos<br />
Slg. Eisenbahnstiftung (großes Bild),<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (kl. Bild o.l.,<br />
SVT in Berlin Anhalter Bahnhof <strong>1939</strong>),<br />
Slg. Peter Schricker (2, o.M., o.l.)<br />
Rücktitel: Slg. Stefan Ponzlet,<br />
Slg. Gerhard, Slg. Dr. Brian Rampp (o., v.l.),<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />
(gr. Bild u.)<br />
Autorenfotos:<br />
U. Miethe (2: A. Knipping, THD), privat (2)<br />
4
mit dem Glacier Express<br />
Großes Gewinnspiel<br />
Seite 35<br />
Eine Fahrt 1.Klasse<br />
Inhalt<br />
16<br />
Große Anforderungen –<br />
kleiner Spielraum: ein<br />
Blick auf die <strong>Reichsbahn</strong><br />
<strong>1939</strong> RVM/Slg. H. Brinker<br />
Chronik<br />
6 Dem Konflikt entgegen<br />
Chronik: Daten und Fakten zum Jahr <strong>1939</strong><br />
Bilderbogen<br />
8 An der Wendemarke<br />
Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong><br />
40 Abschied von der „Fahrt ins Blaue“<br />
Die letzten Einsätze der Aussichtstriebwagen<br />
58 Von Technik und Romantik<br />
Das Bildarchiv des Reichsverkehrsministeriums<br />
80 Reisen und schauen<br />
<strong>Reichsbahn</strong>-Reklame der späten 1930er-Jahre<br />
90 Nach Polen und weiter<br />
Die erste Kriegszeit<br />
Hintergrund<br />
16 Zwischen Fortschritt und Rückschlag<br />
Eine Bestandsaufnahme der <strong>Reichsbahn</strong><br />
26 Expansion nach Süden und Osten<br />
Karte: die geopolitischen Veränderungen 1938/39<br />
82<br />
32<br />
Mit der E 19 wird eine neue<br />
Hochleistungs-Ellok vorgestellt<br />
Slg. Rampp<br />
Die „Ostbahn“ übernimmt einen Teil<br />
des Bahnbetriebs im besetzten Polen<br />
Familienbesitz Dorpmüller/Slg. Gottwaldt<br />
Fahrzeuge<br />
28 Kontraste im Dampflokbau<br />
Die Baureihen 06 und 50<br />
32 Schnellfahrer ohne Einsatzbereich<br />
Die Baureihe E 19<br />
36 Spitzentempo und Treibachsbruch<br />
Die Rekordfahrt des SVT 137 155<br />
66 Moderne <strong>Reichsbahn</strong>?<br />
Der Fahrzeugpark der RBD München<br />
88 Einfache Loks in großer Zahl<br />
Moderne Traktion im Krieg<br />
Betrieb<br />
44 Das Jahr der „Mobilmachung“<br />
Die Vorbereitungen für den „Polenfeldzug“<br />
48 Jablunka-Pass und Weichselbrücken<br />
Erste Kämpfe mit Eisenbahn-Bezug<br />
50 Verwaltung des Mangels<br />
<strong>Reichsbahn</strong>-Fahrplan vor und nach Kriegsbeginn<br />
72 Unglück vor Weihnachten<br />
Die Katastrophe von Genthin<br />
74 Im Krieg fertig gestellt<br />
Die Nordsüd-S-Bahn in Berlin<br />
82 Die neue Verwaltung<br />
Die „Ostbahn“ in Polen<br />
Ständige Rubriken<br />
98 <strong>Vorschau</strong>, Leserservice, Impressum<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 1/2014 5
Chronik | DATEN UND FAKTEN ZUM JAHR <strong>1939</strong><br />
Dem Konflikt<br />
entgegen<br />
In den Jahren der NS-Herrschaft nimmt <strong>1939</strong> eine Sonderstellung ein.<br />
Lange hat das Regime den Angriffskrieg vorbereitet, nun beginnt es ihn.<br />
Die wichtigsten Ereignisse von Politik und <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong> in Kürze<br />
19. Januar <strong>1939</strong>: AEG liefert die Schnellfahrversuchsellok<br />
E 19 01 an die <strong>Reichsbahn</strong>;<br />
die Lok hat die Bauart 1’Do1’-w4e. Bis 1940<br />
werden drei weitere E 19 gebaut.<br />
15. März <strong>1939</strong>: Nachdem das Münchner<br />
Abkommen dem Reich nur die deutschsprachigen<br />
Randgebiete der Tschechoslowakei<br />
zugesprochen hat, lässt Hitler die Wehr -<br />
macht auch in die tschechisch besiedelten<br />
Kerngebiete Böhmens und Mährens einmarschieren.<br />
Für die deutsche Kriegsvorbereitung<br />
scheinen die dortige Rüstungsindustrie<br />
(wie Škoda in Pilsen), Rohstoffe sowie staat -<br />
liches Gold und jüdisches Privatvermögen<br />
in Prag unverzichtbar.<br />
Die Böhmisch-Mährischen Bahnen (BMB)<br />
oder „Protektoratsbahnen“ bleiben unter<br />
Aufsicht des Reichsverkehrsministeriums<br />
und des in Prag amtierenden Reichspro -<br />
tektors selbstständig. Die Slowakei wird<br />
unter deutscher Kontrolle „unabhängig“.<br />
17. März <strong>1939</strong>: Anlieferung der leichten<br />
1’E-Güterzugdampflok 50 001 von Henschel<br />
22. März <strong>1939</strong>: Offizielle Anlieferung der<br />
2’D2’h3-Stromlinien-Schnellzugdampflok<br />
06 001 von Krupp<br />
23. März <strong>1939</strong>: Litauen tritt das in der Folge<br />
des Versailler Vertrages unter die Aufsicht<br />
des Völkerbundes gestellte und 1923 annektierte<br />
Memelland (das ist der nordöstlichste<br />
Teil Ostpreußens) an das <strong>Deutsche</strong> Reich<br />
ab. Die <strong>Reichsbahn</strong>direktion (RBD) Königsberg<br />
übernimmt das Streckennetz, 17 Lokomotiven<br />
und 166 Wagen.<br />
10. Mai <strong>1939</strong>: Eröffnung des elektrischen<br />
Betriebs Nürnberg – Saalfeld<br />
15. Mai <strong>1939</strong>: Inkrafttreten des letzten Friedensfahrplans.<br />
Das Netz der Schnelltrieb -<br />
wagen (Zuggattung FDt) erreicht seine größte<br />
Ausdehnung. Neu sind die Verbindungen<br />
Berlin – Frankfurt (M) – Basel, Dortmund –<br />
Basel, Wesermünde (heute Bremerhaven) –<br />
Hannover – Magdeburg – Leipzig sowie Hamburg-Altona<br />
– Magdeburg – Halle – Leipzig –<br />
Dresden. Der mit speziellem Wagenpark<br />
laufende Fernschnellzug „Rheingold“ befährt<br />
jetzt den Laufweg Hoek van Holland – Köln –<br />
Basel mit Fortsetzung nach Mailand; diese<br />
Fortführung nach Süden betont die Bedeutung<br />
der politischen Partnerschaft mit dem<br />
faschistischen Italien. Auf der Strecke Nürnberg<br />
– Bamberg – Saalfeld wird der elektrische<br />
Regelbetrieb aufgenommen.<br />
23. Juni <strong>1939</strong>: Rekordfahrt eines Schnelltriebwagens:<br />
Der SVT 137 155 erreicht zwischen<br />
Hamburg und Berlin 215 km/h.<br />
22. August <strong>1939</strong>: Die <strong>Reichsbahn</strong> geht zur<br />
Sicherung des Truppenaufmarschs für den<br />
Angriff gegen Polen auf einen Notfallplan<br />
über. Der Einsatz von Dieseltriebwagen (einschließlich<br />
der spektakulären Schnelltriebwagen)<br />
für den öffentlichen Verkehr wird<br />
zur Einsparung von Treibstoff fast völlig eingestellt.<br />
Viele Schnellzüge entfallen; die<br />
Fahrzeiten der verbleibenden Verbindungen<br />
werden verlängert.<br />
23. August <strong>1939</strong>: Reichsaußenminister<br />
Joachim von Ribbentrop unterzeichnet in<br />
Moskau einen Nichtangriffspakt mit der<br />
Sowjetunion. Die Weltöffentlichkeit und<br />
Hitlergegner sind gleichermaßen überrascht,<br />
war doch antikommunistische Propaganda<br />
bislang ein Grundpfeiler des nationalsozialistischen<br />
Regimes gewesen. Noch weiß<br />
niemand vom geheimen Zusatzprotokoll, in<br />
dem beide Mächte Osteuropa und insbesondere<br />
Polen in „Interessensphären“ aufteilen;<br />
der geplante deutsche Überfall auf Polen ist<br />
damit von sowjetischer Seite „abgesichert“.<br />
29. August <strong>1939</strong>: Anlieferung der 2’C1’h3-<br />
Stromlinien-Schnellzugdampflok 01 1001<br />
von der BMAG<br />
1. September <strong>1939</strong>: Mit dem „Polenfeldzug“<br />
beginnt der Zweite Weltkrieg. Sofort wird<br />
der in der Zwischenkriegszeit unabhängige<br />
Freistaat Danzig besetzt und annektiert.<br />
Die Wehrmacht rückt schnell vor. Schwere<br />
Luftangriffe insbesondere mit den neuen<br />
Sturzkampfbombern zerstören Bahnhöfe<br />
und Brücken und lähmen damit den polnischen<br />
Nachschub. Mit der Bombardierung<br />
Warschaus beginnen die für den Zweiten<br />
Weltkrieg charakteristischen Luftangriffe<br />
auf Wohngebiete.<br />
Unmittelbar hinter der vorrückenden Front<br />
erschießen deutsche Mordkommandos<br />
tausende Priester, Lehrer, Wissenschaftler,<br />
Publizisten und andere Persönlichkeiten des<br />
öffentlichen Lebens. Der Anteil jüdischer<br />
Opfer ist besonders groß.<br />
28. September <strong>1939</strong>: Ein „Grenz- und<br />
Freundschafts(!)vertrag“ zwischen dem<br />
<strong>Deutsche</strong>n Reich und der Sowjetunion prä -<br />
zisiert den Verlauf der Demarkationslinie.<br />
Anders als bisher vorgesehen werden die<br />
Wojewodschaft Lublin und der östliche Teil<br />
der Wojewodschaft Warschau sowie die ans<br />
östliche Ostpreußen angrenzenden polnischen<br />
Landkreise Augustów und Suwalki<br />
der deutschen Interessensphäre zugeschlagen.<br />
Zum Ausgleich wird das (unabhängige<br />
und von seinem Schicksal nichts ahnende)<br />
Litauen wie schon zuvor Lettland und Estland<br />
dem sowjetischen Zugriff überlassen.<br />
6. Oktober <strong>1939</strong>: Die letzten polnischen<br />
Feldtruppen ergeben sich.<br />
8. und 12. Oktober <strong>1939</strong>: <strong>Deutsche</strong> Verordnungen<br />
regeln die Binnengliederung der<br />
eroberten polnischen Gebiete. Die preußischen<br />
Provinzen Schlesien und Ostpreußen<br />
werden vergrößert; der westliche und nördliche<br />
Großteil des Territoriums wird auf<br />
die neuen Reichsgaue „Westpreußen“ und<br />
„Posen“ verteilt, die trotz Übernahme historischer<br />
preußischer Provinzbezeichnungen<br />
nicht zu dem formell noch existierenden<br />
Land Preußen kommen.<br />
Mit Verordnungen vom 2. November <strong>1939</strong><br />
und 29. Januar 1940 werden die neuen<br />
Reichsgaue in „Danzig-Westpreußen“ und<br />
„Wartheland“ umbenannt. Viele Ortsnamen<br />
werden fortan eingedeutscht. Teilweise<br />
werden alte deutsche Bezeichnungen reaktiviert,<br />
teilweise werden polnische Namen<br />
phonetisch in deutsche umgeformt, teilweise<br />
werden neue Namen frei erfunden. In<br />
den neuen Teilen des Reiches amtieren<br />
fortan die Reichs bahndirektionen Danzig<br />
und Posen.<br />
Die zentralen Teile Polens werden im<br />
„Generalgouvernement“ mit Verwaltungssitz<br />
in Krakau einem kolonialen Status unterworfen.<br />
Als Bahnverwaltung wird die<br />
„Ostbahn“ eingerichtet, deren Verwaltungsstruktur<br />
in den folgenden Jahren immer<br />
mehr der <strong>Reichsbahn</strong> angeglichen wird.<br />
9. Oktober <strong>1939</strong>: Eröffnung des Abschnitts<br />
Potsdamer Platz – Anschluss Wannseebahn<br />
und damit Vollendung der Berliner Nordsüd-S-Bahn<br />
5. Dezember <strong>1939</strong>: Anlieferung der 2’C1’h3-<br />
Stromlinien-Schnellzugdampflok 03 1001<br />
von Borsig<br />
22. Dezember <strong>1939</strong>: In Genthin (Strecke<br />
Berlin – Magdeburg) ereignet sich ein Auffahrunfall<br />
zweier D-Züge. Es gibt 186 Tote<br />
und 106 Verletzte. Damit wird dies das<br />
schwerste Unglück der deutschen Eisenbahngeschichte.<br />
Andreas Knipping/GM<br />
6
<strong>Reichsbahn</strong>-Betrieb vor Kriegsbeginn: links die neu gelieferte 41 187 am 7. Juni<br />
<strong>1939</strong> mit einem Messzug bei Ulm, unten 58 1368 am 27. August <strong>1939</strong> vor einem<br />
Güterzug bei Hohenlimburg RVM/Slg. Eisenbahnstiftung (l.), Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker (u.)<br />
Schnell rücken die deutschen Angreifer beim „Polen-Feldzug“ vor. Adolf Hitler<br />
und sein Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel (mit aus -<br />
gestrecktem Arm), inspizieren einen umgestürzten polnischen Panzerzug auf<br />
dem Bahnhof Lochow, vermutlich an der Strecke Warschau – Malkinia Slg. Gottwaldt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 7
Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />
Die <strong>Reichsbahn</strong> ist <strong>1939</strong> ein weltweit angesehenes Verkehrsunternehmen.<br />
Sie besitzt wegweisende Fahrzeuge, der Betrieb beeindruckt durch den hohen<br />
technischen Entwicklungsstand. Das qualifiziert sie auch für andere Zwecke:<br />
den Eroberungskrieg, den Hitlerdeutschland ab September des Jahres führt<br />
An der<br />
8
Wendemarke<br />
Am 3. Juni <strong>1939</strong> sind E 44 095 und E 18 43 mit D 40 Berlin – München<br />
bei Kronach unterwegs. Rund drei Wochen zuvor hat die <strong>Reichsbahn</strong> auf<br />
diesem Abschnitt den elektrischen Betrieb eröffnet; die beiden Zug loks<br />
gehören zum Modernsten, was es in ihrem Triebfahrzeugbestand gibt<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />
9
Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />
Im Dienst des Kunden<br />
Ob Fernreisen oder Güterfracht, die <strong>Reichsbahn</strong> ist der wichtigste<br />
Verkehrsträger des Reiches und der größte Arbeitgeber außerdem.<br />
Ihre Belegschaft umfasst <strong>1939</strong> fast eine Million Menschen<br />
Nächtliche Impression in Köln<br />
Hauptbahnhof, einem der Dreh- und<br />
Angelpunkte des <strong>Reichsbahn</strong>betriebs<br />
im Westen. So hell wie auf<br />
dem Foto des Reichsverkehrsministeriums<br />
wird der Bahnhof<br />
ab September <strong>1939</strong> jedoch nicht<br />
mehr erstrahlen; mit Kriegsbeginn<br />
greifen im Bahnbetrieb Verdunklungsmaßnahmen<br />
Slg. Gerhard<br />
Großer Andrang herrscht auf<br />
dem Bahnhof bei Berlin, als<br />
die preußische P 8 mit ihrem<br />
Personenzug eintrifft. Das Verkehrsaufkommen<br />
ist in den 30er-Jahren<br />
kontinuierlich angestiegen<br />
Slg. Eisenbahnstiftung<br />
10
Blick in den Motorraum eines<br />
Schnelltriebwagens (SVT).<br />
Bis zu 160 km/h erreichen die<br />
„Fliegenden Züge“, die in einem<br />
Fernzugnetz von Berlin hinaus<br />
ins Reich fahren. Im August <strong>1939</strong><br />
werden sie jedoch abgestellt;<br />
den Treibstoff braucht man nun<br />
für Kriegsfahrzeuge RVM/Slg. Gerhard<br />
Kistenversand auf einem Landbahnhof.<br />
Längst nicht überall stehen für die Verladung<br />
technische Hilfsmittel zur Verfügung;<br />
oft muss man improvisieren Slg. Gerhard<br />
Mit einem Personenzug erreicht 93 077 am<br />
13. August <strong>1939</strong> den Haltepunkt Liesen an<br />
der Strecke Winterberg – Allendorf (Eder).<br />
Fotograf Carl Bellingrodt hält dort die illustre<br />
Nebenbahn-Garnitur im Bild fest; es ist sein<br />
letzter Ausflug vor Kriegsbeginn Slg. H. Brinker<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 11
Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />
Moderne Bahn<br />
Stromlinienfahrzeuge, Hochleistungs-Elloks<br />
und neue Transporttechniken bereichern<br />
im Laufe der 1930er-Jahre den Bahnbetrieb.<br />
Doch fehlt der <strong>Reichsbahn</strong> das Geld<br />
für eine umfassende Modernisierung<br />
12<br />
Mit neuen Reisezugwagen verbessert die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> den Fahrkomfort. Und auch Dritte<br />
wollen das <strong>Reichsbahn</strong>-Ambiente werbend<br />
nutzen: Vorstellung einer Reiseschreib -<br />
maschine, aufgenommen in Erfurt im Juni <strong>1939</strong><br />
Slg. Dr. Brian Rampp
Hochrangige Vertreter von <strong>Reichsbahn</strong> und Hersteller<br />
präsentieren sich mit der Schnellzuglok 01 1001 bei der<br />
Berliner Maschinenbau-AG. Die <strong>1939</strong> gelieferte Maschine ist<br />
die Erste einer neuen, stromlinienverkleideten Dreizylinder-<br />
Reihe; an dritter Stelle von links steht Richard Paul Wagner,<br />
leitender Dampflokkonstrukteur bei der <strong>Reichsbahn</strong><br />
und maßgeblich auch für diese Loktype verantwortlich<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
Am 6. Juni <strong>1939</strong> ist 64 423 mit einem Personenzug in der<br />
Fränkischen Schweiz unterwegs, im Bild bei Gößweinstein. Die<br />
Einheitstenderlok aus den 20er-Jahren gehört im <strong>Reichsbahn</strong>-<br />
Bestand zu den moderneren Maschinen C. Bellingrodt/Slg. H. Brinker<br />
In den frühen 30er-Jahren hat Johann Culemeyer ein Straßentransportsystem<br />
für Eisenbahnwagen und schwere Lasten entwickelt.<br />
In der Steiermark befördert ein Culemeyer-Straßenzug <strong>1939</strong> ein<br />
60 Tonnen schweres Hochdruckwassergerät Slg. Eisenbahnstiftung<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 13
Bilderbogen | DIE DEUTSCHE REICHS<strong>BAHN</strong> <strong>1939</strong><br />
VT 137 290, ein Verbrennungstriebwagen<br />
der Bauart Ruhr, auf Propagandafahrt<br />
in Österreich. Seit dem Machtantritt Hitlers<br />
wird die <strong>Reichsbahn</strong> für politischmilitärische<br />
Ziele der Nazis vereinnahmt –<br />
die <strong>Reichsbahn</strong>-Führung stellt sich<br />
dabei bereitwillig zur Verfügung<br />
Slg. Dirk Winkler<br />
Zuckerrübenverladung<br />
im Raum<br />
Posen im Oktober <strong>1939</strong>.<br />
So friedlich die Szenerie<br />
wirkt – seit einem<br />
Monat herrscht Krieg<br />
und diese Region<br />
gehörte zu den Ersten,<br />
welche die <strong>Deutsche</strong>n<br />
erobert haben<br />
Slg. Dr. Brian Rampp<br />
14
Ein General der Infanterie im Zug,<br />
aufgenommen im September <strong>1939</strong>.<br />
Der „Polenfeldzug“ bindet erhebliche<br />
Kapazitäten der <strong>Reichsbahn</strong>, der<br />
zivile Fahrplan wird dafür reduziert;<br />
weitere Einschränkungen folgen<br />
Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Mit <strong>Reichsbahn</strong>-Tenderlok 89 7449 sammeln Eisenbahner<br />
im Mai <strong>1939</strong> in Berlin für das Winterhilfswerk. Offiziell als<br />
Fürsorgeeinrichtung deklariert, dient die Organisation in<br />
Wirklichkeit der Kriegsvorbereitung; Geld- und Sachspenden<br />
werden für militärische Zwecke verwendet Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Zwischen Frieden und Krieg<br />
Seit 1938 erstreckt sich der <strong>Reichsbahn</strong>-Betrieb auf ein „großdeutsches“ Netz, das auch<br />
das „angeschlossene“ Österreich umfasst. Mit dem Angriff auf Polen kommen ab September<br />
<strong>1939</strong> weitere Gebiete hinzu – und Aufgaben, welche die <strong>Reichsbahn</strong> noch mehr belasten<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 15
Hintergrund | BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />
Unter der NS-Herrschaft hatte<br />
sich die Lage für die <strong>Reichsbahn</strong><br />
eher verkompliziert als vereinfacht.<br />
Der Transportbedarf wuchs, ohne<br />
dass die Fahrzeugbeschaffung<br />
damit Schritt hielt. Eine Bestandsaufnahme<br />
am Vorabend des Krieges<br />
Die leitenden Beamten der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Reichsbahn</strong> (DRB) hatten <strong>1939</strong><br />
längst wachsende Probleme zu<br />
meistern. Der Reichsverkehrsminister und<br />
Ge neral direktor der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong>,<br />
Julius Dorpmüller, feierte seinen 70. Geburtstag<br />
am 24. Juli <strong>1939</strong> in angespannter Lage.<br />
Die Transporte von Baustoffen für den seit<br />
1936 gebauten „Westwall“ vom Hochrhein<br />
bis an die niederländische Grenze überforderte<br />
das Streckennetz im westlichen Teil des<br />
Reiches, den Wagenpark und den Bestand<br />
an Güterzugloks; der Bedarf lag bei bis zu<br />
8.000 Wagen pro Tag, von der 29. Woche 1938<br />
bis zur 9. Woche <strong>1939</strong> hatte die <strong>Reichsbahn</strong><br />
eine Gesamttransportleistung von 656.966<br />
Ton nen erbracht. Gleichzeitig banden die<br />
bautechnischen Visionen Hitlers, welche die<br />
Zwischen<br />
Fortschritt<br />
und<br />
Rückschlag<br />
16
Umgestaltung ganzer Städte wie Berlin und<br />
München vorsahen, schon erhebliche Beförderungskapazitäten.<br />
Einige Konzentrationslager<br />
wie Flossenbürg und Mauthausen (im<br />
„angeschlossenen“ Österreich) hatten die Nationalsozialisten<br />
bewusst in der Nähe ergiebiger<br />
Granitsteinbrüche platziert. Dort beuteten<br />
sie die Arbeitskraft der Gefangenen bis<br />
zum Tode aus; gleichzeitig setzte das größenwahnsinnige<br />
Bauprogramm eine riesige Kavalkade<br />
von Güterzügen in Lauf, um die<br />
Steinlieferungen zu bewältigen.<br />
Lücken im Dampflok-Bestand<br />
Unbehagen weckte hie und da auch die unübersehbare<br />
Intensität der Aufrüstung. Abgesehen<br />
von der damit aufgebauten<br />
Bedrohung – darunter<br />
litten die überfällige Neu -<br />
beschaffung von Eisenbahn-<br />
Am 10. April <strong>1939</strong> ver lassen 17 305,<br />
eine S 10 der ehemaligen Lübeck-<br />
Büchener Eisenbahn, und Einheits lok<br />
24 020 mit einem Personenzug Lübeck<br />
Hbf. Solches Miteinander von alt und<br />
neu ist nicht ungewöhnlich Slg. Schricker<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 17
Hintergrund<br />
| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />
technik und der aktuelle Betrieb. Das zeigte<br />
sich zum Bei spiel beim Dampflokbestand.<br />
Nachdem in der Weltwirtschaftskrise tausende<br />
von Länderbahn-Güterzugloks aus -<br />
gemustert wor den waren, hatten die Ersatzbeschaffungen<br />
starker Einheitsloks noch<br />
längst kein befriedigendes Maß erreicht.<br />
Ende 1938 gab es hiervon je zwei Baumuster<br />
der Baureihen 41 und 45 sowie 35 zweizylindrige<br />
und 111 dreizylindrige 1’E-Güterzug -<br />
loks der Baureihen 43 und 44. Noch fataler<br />
war die Entwicklung bei den Personenzugloks<br />
für Hauptbahnen. Nach dem Auslauf<br />
der Beschaffung von 38ern preußischer und<br />
sächsischer Bauart in den 20er-Jahren waren<br />
für das ganze Riesennetz der <strong>Reichsbahn</strong> genau<br />
15 Exemplare der Baureihe 62 in Betrieb<br />
gegangen. Demgegenüber verschlangen<br />
allein die Geschütze und Betonarmierungen<br />
des Westwalls in den letzten Vorkriegsjahren<br />
fünf Prozent der Stahlproduktion des <strong>Deutsche</strong>n<br />
Reiches.<br />
Rein zahlenmäßig war der Triebfahrzeugbestand<br />
im Jahr der großen, formal noch<br />
friedlichen Expansion 1938 erheblich an -<br />
gewachsen. In Österreich hatte man 1.865<br />
normalspurige und 54 schmalspurige<br />
Dampflokomotiven und -triebwagen sowie<br />
Viele Loks kamen 1938/39<br />
zur <strong>Reichsbahn</strong>; doch die<br />
meisten waren überaltert<br />
Nichts scheint die Eisenbahnidylle vom Juni <strong>1939</strong> stören zu<br />
können, als 98 1035 ihren Personenzug von Immenstadt nach<br />
Sonthofen im Allgäu bringt. Doch es ist eine Idylle auf Zeit –<br />
und, bedingt durch die finanzielle Auszehrung der <strong>Reichsbahn</strong>,<br />
bald auch eine auf Pump RVM/Slg. Eisenbahnstiftung<br />
Die Übernahme der Localbahn AG hat der <strong>Reichsbahn</strong> 1937/38<br />
verschiedene Fahrzeugexoten verschafft. Am 8. Juni <strong>1939</strong><br />
begegnen sich ET 185 01 (links) und ET 184 41 im Bahnhof Tettnang<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />
225 normalspurige und 16 schmalspurige Elloks<br />
übernommen, in der Tschechoslowakei<br />
877 Dampflokomotiven und 136 Motortriebwagen.<br />
Indes: Diese Bestände waren überaltert!<br />
Die Baujahre der vormaligen BBÖ-Lokomotiven<br />
reichten zurück bis 1869, dieje -<br />
nigen der vormaligen SD-Loks bis 1882. Die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> konnte keineswegs von den<br />
Übernahmen profitieren, sondern musste<br />
ganz im Gegenteil sogleich Triebfahrzeuge,<br />
Wagen und Signaltechnik in die annektier -<br />
ten Gebiete abgeben. Die im übernommenen<br />
Österreich tätige Wiener Lokomotivfabrik<br />
Floridsdorf baute Lokomotiven großenteils<br />
für den Bedarf der heimischen „Ostmark“.<br />
Brennpunkt elektrischer Betrieb<br />
Unter verschiedenen Aspekten war die elektrische<br />
Zugförderung eine Alternative. Bei<br />
anhaltender Überbeanspruchung der Kohleförderung<br />
von Ruhr, Saar und Oberschlesien<br />
bot die beispielsweise in Thüringen und insbesondere<br />
in den österreichischen Alpen erschließbare<br />
Wasserkraft eine nicht zu unterschätzende<br />
Energiereserve. Doch konn ten<br />
die Streckenelektrifizierung und die Beschaffung<br />
elektrischer Triebfahrzeuge nicht<br />
mit der gewünschten Steigerung der modernen<br />
Traktion mithalten, zumal sie mit ihrem<br />
Bedarf an importpflichtigem Kupfer den Autarkiebestrebungen<br />
im Vorfeld einer kom-<br />
18<br />
Am 20. Mai <strong>1939</strong> steht der erste Bus der Verbindung nach München vor Berlin Anhalter Bahnhof<br />
zur Abfahrt bereit. Bald schon werden Kraftfahrzeuge vor allem Kriegszwecken dienen<br />
Slg. Dr. Brian Rampp
Schnellzuglok 01 105 wartet <strong>1939</strong> in Berlin Anhalter Bahnhof auf die Ausfahrt. Ende der 30er-<br />
Jahre werden die Einheitsmaschinen stark, teils übermäßig beansprucht Slg. Eisenbahnstiftung<br />
menden Kriegswirtschaft entgegenstanden.<br />
Der Übergang auf Aluminium gestaltete sich<br />
technisch schwierig. Immerhin gelang es<br />
<strong>1939</strong>, die in Großserie gelieferte, recht<br />
uni versell einsetzbare E 44 in einem Probeexemplar<br />
E 44 082 als „Heimstoffloko mo tive“<br />
auszuführen. Anstelle von 2.820 Kilogramm<br />
Kupfer und 280 Kilogramm Kup ferlegierung<br />
wurden 1.400 Kilogramm Alu minium oder<br />
125 Kilogramm Silumin verwendet, was abgesehen<br />
vom Rohstoffaspekt auch eine willkommene<br />
Gewichts einspa rung bedeutete.<br />
Die hier gewonnenen Erfahrungen erlaub -<br />
ten es später, die Mehrzwecklok ab E 44 126<br />
als „Kriegselektrolok“ mit Transformatorund<br />
Motorwicklungen aus Aluminium wei -<br />
ter zu beschaffen.<br />
Nach der Übernahme der elektrischen<br />
Strecken der Österreichischen Bundesbahnen<br />
(BBÖ) über den Arlberg und die Tauern<br />
sowie zum Brenner hinauf fehlten der<br />
<strong>Reichsbahn</strong> spürbar die dort notwendigen<br />
schweren Güterzugloks. In Zeiten öster -<br />
reichischer Selbstständigkeit hatte man sie<br />
während einer anhaltenden Wirtschaftskrise<br />
nicht benötigt. Nunmehr musste beschleu -<br />
nigt zu der nur in 18 Exemplaren vorhandenen<br />
sechsachsigen E 93 das stärkere und<br />
schnellere Nachfolgemodell E 94 entwickelt<br />
werden. Die Lieferung des ersten Exemplars<br />
war aber erst 1940 möglich. Der Verkehr auf<br />
der Brenner-Nordrampe hatte zwischenzeitlich<br />
eine hochpolitische Bedeutung erlangt.<br />
Mussolinis faschistisches Italien unterlag<br />
seit dem Angriff auf Abessinien (heute Äthiopien)<br />
einem internationalen Kohleembargo,<br />
das nur von Deutschland missachtet wurde.<br />
Unablässige Kohletransporte nach Süden<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 19
Hintergrund<br />
| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />
Seit des Kaisers Zeiten teilte sich die Belegschaft der Eisenbahnen in Beamte, (wenige) Angestellte und Arbeiter auf. Einfache, aber anstrengende<br />
körperliche Tätigkeiten wie die Wagenreinigung (Foto) blieb den Arbeitern vorbehalten RVM/Slg. Helmut Brinker<br />
waren der Preis für die italienische Duldung<br />
des Österreich-Anschlusses.<br />
Es fehlte nicht an Ausbauvorschlägen für<br />
das elektrische Netz. Wünschenswert war<br />
die Elektrifizierung mindestens der steigungsreichen<br />
Strecke Salzburg – Wien über<br />
den vorläufigen Endpunkt Attnang-Puchheim<br />
hinaus. Das gleiche galt für die Diagonale<br />
Hagen – Siegen – Friedberg – Hanau –<br />
Aschaffenburg – Würzburg – Nürnberg –<br />
Regensburg – Passau – Wels – Linz; eine<br />
wichtige Strecke für die Abfuhr von Ruhrkohle<br />
in Richtung Süden und Südosten.<br />
Doch allen Verantwortlichen in Reichsverkehrsministerium<br />
und Generaldirektion der<br />
<strong>Reichsbahn</strong> war klar, dass Stahl und Kupfer<br />
und Arbeitskräfte hierfür in absehbarer Zeit<br />
nicht zu mobilisieren sein würden. Man hatte<br />
sich fürs Erste mit der wiederum politisch<br />
20<br />
gewollten Elektrifizierung der Strecke München<br />
– Berlin zu begnügen. Die <strong>1939</strong> und 1940<br />
gelieferten Probelokomotiven E 19 waren<br />
zwar Meisterwerke der Elektrotechnik und<br />
möglicherweise die schnellsten Triebfahrzeuge<br />
weltweit, doch war an eine Serienbeschaffung<br />
nicht zu denken. Noch fehlte auch<br />
der Fahrdraht auf dem für hohe Geschwindigkeiten<br />
in Betracht kommenden Flachlandabschnitt<br />
zwischen Halle/Leipzig und<br />
der Reichshauptstadt Berlin.<br />
Probleme im Schnellzugdienst<br />
In- und ausländische Fahrgäste konnten<br />
noch im Frühjahr <strong>1939</strong> über den weltweit beispiellosen<br />
Schnellverkehr mit Dieseltrieb -<br />
zügen staunen. Die <strong>Reichsbahn</strong> hatte ihn<br />
zum Sommerfahrplan 1936 aufgenommen,<br />
ergänzt durch die elektrische Verbindung<br />
Berchtesgaden – München – Stuttgart, den<br />
dampflokgeführten Henschel-Wegmann-<br />
Zug zwischen Berlin und Dresden sowie ein<br />
mit der Dampflok-Baureihe 05 gefahrenes<br />
Zugpaar zwischen Berlin und Hamburg. Die<br />
reichsweite Netzstruktur wurde sogar mit<br />
dem Fahrplanwechsel im Mai <strong>1939</strong> noch verdichtet.<br />
Zur Verfügung standen für die Triebwagen-Relationen<br />
der „Fliegende Hamburger“<br />
von 1932 und 13 Triebzüge der Bauart<br />
„Hamburg“ von 1935/36 (jeweils zweiteilig),<br />
weiterhin vier Triebzüge der Bauart „Leip-<br />
zig“ von 1936 sowie 14 Züge der Bauart Köln<br />
von 1938 (jeweils dreiteilig). Auch unter Berücksichtigung<br />
der Tatsache, dass das Pionierfahrzeug<br />
von 1932 und die Züge der Bauart<br />
„Leipzig“ eher Versuchscharakter hatten,<br />
war die betriebliche Basis für den zwischen<br />
Basel, Hamburg und Beuthen außerordent-
Außer den Eisenbahnen in den angeschlossenen Gebieten übernahm die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> Ende der 30er-Jahre auch verschiedene deutsche Privatbahnen.<br />
Von der Lübeck-Büchener Eisenbahn stammen Dampflok 17 307 und die<br />
Doppelstockwagen, die im April <strong>1939</strong> als P 605 bei Reinfeld unterwegs sind<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker, Slg. Gerhard (Bild unten rechts)<br />
BMAG-Anzeige von 1940 mit Loks der Zeit: 01.10 (o.)<br />
und Wehrmachts-Doppeldiesellok (u.) Slg. Oliver Strüber<br />
Moderne Güterzug-Elloks wie die E 93 sind bei der <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong><br />
Mangelware (Foto in Geislingen). Die Nachfolgerin E 94 kommt erst 1940<br />
lich weit gespannten Dienst grenzwertig ausgelastet.<br />
Oftmals mussten Reparaturen in<br />
der Nacht ausgeführt werden.<br />
An der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit<br />
arbeiteten auch die Dampfschnellzuglokomotiven.<br />
Zwar war 1938 mit 241 Loko mo ti -<br />
ven der Baureihen 01/02 und 298 Exempla -<br />
ren der Baureihe 03 der beachtliche End -<br />
bestand an Einheitspazifikloks erreicht<br />
worden, doch war man im Betrieb nicht generell<br />
mit ihnen zufrieden. Vor schweren Zügen<br />
machte sich die geringe Verdampfungs -<br />
freude der Kessel mit ihren eigentlich zu<br />
kleinen Feuerbüchsen nachteilig bemerkbar.<br />
Zwar konnten erfahrene Personale mit viel<br />
Geschick ihre D-Züge pünktlich ans Ziel<br />
bringen, doch war der Preis oft eine Überstrapazierung<br />
des Kessels mit der Folge eines<br />
Reparatur be darfs. Vermehrte Schäden wa -<br />
Die Loks 01 10 , 03 10 und 06<br />
wurden <strong>1939</strong> geliefert –<br />
allesamt mit Problemen<br />
ren auch bedingt durch die immer häufigere<br />
Ausnutzung der Höchstgeschwin dig keit von<br />
120 und bei den späteren Serien 130 km/h,<br />
die bei der Konstruktion der Lokomotiven<br />
nicht als regelmäßige Belastung, sondern als<br />
Reserve gedacht war. <strong>1939</strong> wurden gleich<br />
drei neue dreizylindrige Schnellzugloks vorgestellt,<br />
die einer (aufgrund des Krieges dann<br />
um viele Jahre aufgeschobenen) Dauerbelastung<br />
mit sogar 140 km/h standhalten<br />
sollten, die Baureihen 01.10, 03.10 und 06. In<br />
Lauf- und Triebwerken hervorragend konstruiert,<br />
litten auch diese Bauarten unter den<br />
Problemen der von 01 und 03 unverändert<br />
übernommenen und im Falle der 06 lediglich<br />
vergrößerten Kessel. Das dadurch bedingte<br />
Leistungsdefizit sollte durch die Stromlinienverkleidung<br />
nach dem Vorbild der 05 aus<br />
dem Jahre 1935 ausgeglichen werden. Erst<br />
nach <strong>1939</strong> erkannte man, welche Fülle letztlich<br />
unbeherrschbarer Probleme damit verbunden<br />
war. Es kam zu Wärmestaus, Bau -<br />
teile oxidierten leichter, Undichtigkeiten an<br />
Armaturen ließen sich schwerer erken nen.<br />
Zudem wurden das Schmieren und die Reparatur<br />
von Bauteilen vielfach durch die<br />
Verkleidung behindert. Wie bei den Güterzug-<br />
und Personenzuglokomotiven musste<br />
auch im Bereich der Schnellzuglokomotiven<br />
der Länderbahnpark weiterhin schwer beansprucht<br />
werden. Es brauchte nach wie vor<br />
Hauptuntersuchungen der nun schon zwei<br />
bis drei Jahrzehnte alten Vierzylinderver-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 21
Hintergrund<br />
| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />
Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop am Anhalter Bahnhof in Berlin, <strong>1939</strong>.<br />
In verschiedenen Reisen trifft er Vorbereitungen für den geplanten Krieg Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Die politische Lage<br />
Deutschland im Jahr <strong>1939</strong><br />
Beim Jahreswechsel 1938/39 konnten die<br />
deutschen „Volksgenossen“, wie die Nationalsozialisten<br />
die Bürger nannten, eine<br />
je nach Standpunkt sehr unterschiedliche<br />
Bilanz der Zeit seit dem Ende des Ersten<br />
Weltkrieges ziehen. Die Historiker zweifeln<br />
heute nicht daran, dass sich Hitler und sein<br />
Regime bei diesem Jahreswechsel mehrheitlich<br />
großer Beliebtheit erfreuten. Sie<br />
hätten eine freie und geheime Wahl nicht<br />
fürchten müssen. Die Weltwirtschaftskrise<br />
war nicht nur in Deutschland, sondern<br />
auch in den anderen europäischen Industrieländern<br />
und den USA überwunden;<br />
die Aufrüstung hatte speziell im Deut -<br />
schen Reich binnen we niger Jahre den<br />
Umschwung von der Massenarbeitslosigkeit<br />
zum Arbeitskräfte mangel bewirkt. Die<br />
fast im Monatstakt eröffneten neuen Autobahnabschnitte<br />
(das Gesamtnetz hatte am<br />
1. April <strong>1939</strong> eine Länge von 3.065 Kilometern)<br />
galten als Symbole des „Aufbauwerks<br />
des Führers“ – auch wenn bislang nur wenige<br />
Privatleute über Kraftfahrzeuge verfügten,<br />
die eigene Fahrt auf der modernen<br />
Betonfahrbahn also noch weit entfernt lag.<br />
Einstweilen erfüllte man ratenweise den<br />
Sparplan zum Erwerb eines „Kraft-durch-<br />
Freude-Wagens“, der jedoch Jahre später<br />
in militärischer Ausführung an die Wehrmacht<br />
gehen sollte. Dass übrigens die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> maßgeblich für den Autobahnbau<br />
herangezogen wurde (und sich auch<br />
heranziehen ließ), ist eine der vielen paradoxen<br />
Situationen des „Dritten Reichs“.<br />
Das NS-Regime und Europa<br />
Außenpolitisch schien Hitler geradezu<br />
ein Patentrezept des „Blumenfeldzugs“<br />
ent wickelt zu haben. Im März 1938 hatte<br />
er Österreich und nach einem die ganze<br />
22<br />
Welt beängstigenden Säbelrasseln im<br />
Oktober 1938 auch die deutschsprachigen<br />
Randgebiete der Tschechoslowakei,<br />
geographisch ungenau als „Sudetenland“<br />
bezeichnet, ohne einen Schuss Pulver<br />
„heim ins Reich“ geführt.<br />
Stetig verschlimmerte Judenverfolgung<br />
Schwelgendes Pathos und aufgesetzte<br />
Heiterkeit der Zeitungen, des Rundfunks<br />
und der Kinowochenschauen feierten<br />
die Expansion – politische Gegner und<br />
insbesondere Juden in den angeschlossenen<br />
Gebieten hatten keinen Grund zum<br />
Jubeln. Vielmehr machten die Nazis Wien<br />
und die anderen Großstädte der „Ost -<br />
mark“ mit besonderer Entschlossenheit<br />
zu Experimentierfeldern für Demütigung,<br />
Enteignung und Vertreibung der jüdischen<br />
Bevölkerung. Mit der Pogromnacht des<br />
9. November 1938 hatte auch im „Altreich“<br />
die Verfolgung der Juden eine neue Dimension<br />
erreicht. Es begann eine ganze<br />
Serie von schweren Gewalttaten, Verhaftungen,<br />
erpressten Übergaben von Fir -<br />
men, Geschäften und Häusern sowie von<br />
diskriminierenden Rechtsvorschriften.<br />
Selbst wenn nur ein kleiner Teil der christlich<br />
getauften <strong>Deutsche</strong>n Solidarität mit<br />
ihren jüdischen Nachbarn empfand oder<br />
gar diskret zeigte, ist doch ein Unbehagen<br />
über einen Terror über liefert, den man mit<br />
den Brutalitäten der „Macht ergreifung“<br />
1933 überwunden glaubte. „Ordnung“<br />
anstelle der befremdlichen Unruhe zwischen<br />
Novemberrevolution 1919 und Weltwirtschaftskrise<br />
1929 bzw. danach hatte<br />
ja zu den großen Versprechungen der<br />
neuen Machthaber gehört. Der Terror, der<br />
sich am Vorabend des Krieges zeigte,<br />
sollte zudem bald noch weiter steigen.<br />
In der <strong>Reichsbahn</strong>zeit ist der Personenzug für<br />
den Großteil der Bevölkerung das Verkehrs -<br />
mittel für Reisen; Schnellzüge sind zu teuer<br />
und Automobile können sich nur einige Wohl -<br />
habende leisten. Ein Bauer hat in der 3. Wagen -<br />
klasse Platz genommen Slg. Dr. Brian Rampp<br />
bundtypen öst. 310 (DRB-Baureihe 16 0 ),<br />
pr. S 10 1 (DRB 17 10 ) und bay. S 3/6 (DRB 18 4-5 );<br />
das forderte nun schon oft einen kaum mehr<br />
vertretbaren Aufwand.<br />
Eisenbahner im Jahr <strong>1939</strong><br />
Der Personalbestand der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong><br />
hatte seit ihrer Gründung 1920 extreme<br />
Schwankungen erlebt. Mit dem billigen Geld<br />
der Inflationszeit beschäftigte sie zeitweise<br />
mehr als eine Million Männer (und wenige<br />
Frauen). Die letztlich überhöhte Zahl von<br />
Eisenbahnern resultierte auch daraus, dass<br />
die aus den abgetretenen Gebieten über -<br />
gesiedelten Beamten und viele nach dem verlorenen<br />
Krieg entlassene Offiziere und Unteroffiziere<br />
einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung<br />
geltend machen konnten.
Insbesondere für kriegstaugliche Kraftwagen entstand in Wolfsburg das Volkswagenwerk, vor dem 91 1044 im Jahr <strong>1939</strong><br />
Güterwagen rangiert. Längst ist auch die <strong>Reichsbahn</strong> in die Aufrüstung und Kriegsvorbereitung einbezogen<br />
Walter Hollnagel/Slg. Eisenbahnstiftung<br />
Fünf von insgesamt 958.000 Beschäftigten der <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong>: ein Schrankenwärter in<br />
Oberbayern (links) und Eisenbahner auf einem modernen elektrischen Stellwerk (rechts)<br />
RVM/Slg. Oliver Strüber (links), RVM/Slg. Helmut Brinker (rechts)<br />
Andererseits war die <strong>Reichsbahn</strong> spätestens<br />
ab 1924 zu größter Sparsamkeit verpflichtet,<br />
denn sie sollte Gewinne an die Reparationsgläubiger<br />
abführen. Das trug nach der Währungsstabilisierung<br />
Ende 1923 genauso zur<br />
schnellen Personalminderung bei wie die<br />
deutliche Straffung des Betriebes durch laufende<br />
Modernisierung. Allein die Einfüh -<br />
rung der durchgehenden Druckluftbremse<br />
bei den Güterzügen setzte viele tausend<br />
Bremser frei, die zuvor an den Kurbeln der<br />
Handbremsen gearbeitet hatten. Die Umstellung<br />
des Erhaltungswesens auf betriebswirtschaftlich<br />
optimierte <strong>Reichsbahn</strong>-Ausbesse-<br />
rungswerke und die Ausmusterung überalterter<br />
Länderbahndampfloks taten ebenfalls<br />
ihre Wirkung.<br />
Die dadurch bedingte Absenkung des Personalbestandes<br />
ging nahtlos über in die Verminderung<br />
wegen der Verkehrsrückgänge in<br />
der Weltwirtschaftskrise. Hatten 1928 noch<br />
700.663 Eisenbahner Dienst getan, so waren<br />
es am Ende des letzten Jahres der Weimarer<br />
Republik 1932 nur noch 600.595. Beamte<br />
hatte man nicht entlassen können, sondern<br />
beschäftigte sie – mit verminderten Bezügen<br />
– weiter. Doch die Einstellung von Nachwuchskräften<br />
wurde fast völlig beendet. Weil<br />
dies auch für alle anderen Bereiche der staatlichen<br />
Verwaltung galt, waren die beruflichen<br />
Perspektiven für technisch interessierte und<br />
begabte Abiturienten mit der Absicht eines<br />
Ingenieurstudiums genauso düster wie für<br />
einen maschinenbegeisterten Volksschulabsolventen,<br />
der vom Lokführerberuf träumte.<br />
Entlassungen und Neueinstellungen<br />
Mit aller Härte traf die Personalverminderung<br />
die Arbeiter, die üblichem gesetzlichem<br />
Kündigungsrecht unterlagen und wegen<br />
des konjunkturbedingten Niedergangs der<br />
Gleiserneuerung, der Streckenelektrifizierung<br />
und der Fahrzeugausbesserung entlassen<br />
wurden.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 23
Hintergrund<br />
| BESTANDSAUFNAHME ZUR REICHS<strong>BAHN</strong><br />
Seit Ende der 20er-Jahre gab es bei den Dampflokomotiven der <strong>Reichsbahn</strong> für den Personenzugverkehr einen eklatanten Fehlbestand.<br />
Nicht verwunderlich, beschränkte sich die Neubeschaffung doch auf ganze 15 Einheitsloks der Baureihe 62. Im März <strong>1939</strong> befährt 62 002<br />
mit P 535 die Müngstener Brücke RVM/Slg. Eisenbahnstiftung<br />
Nach einem Tiefstand von 593.430 Eisenbahnern<br />
1933 stieg deren Zahl wieder kräftig<br />
an, auf im Jahresdurchschnitt:<br />
insgesamt davon Beamte<br />
1936 663.000 282.000<br />
1937 703.500 284.000<br />
1938 773.200 355.000<br />
(davon 55.000 ex BBÖ und 9.000 ex ČSD)<br />
<strong>1939</strong> 958.000 363.000<br />
1940 sollte dann die Millionengrenze wieder<br />
überschritten werden.<br />
Interessanterweise nahm die Gruppe der<br />
<strong>Reichsbahn</strong>beamten in den Wachstums -<br />
jahren des „Dritten Reiches“ nur geringfügig<br />
zu. Obwohl das nationalsozialistische Beamtenrecht<br />
besonders effektive Instrumente<br />
der politischen Disziplinierung bereithielt,<br />
deckte man den neuen Bedarf lieber mit Arbeitern<br />
ab, deren Löhne unter den Besoldungsgruppen<br />
der Beamten lagen. Nützlich<br />
in diesem Sinne war der Ausbildungsgang<br />
des „<strong>Reichsbahn</strong>-Junghelfers“ im Sinne<br />
einer verkürzten Lehre, die den Absolventen<br />
als Arbeiter zu unteren Beamtentätigkeiten<br />
im Bahnhofs- und Zugdienst ertüchtigte.<br />
Die schnelle Steigerung des Beamtenanteils<br />
1938/39 war mit der Übernahme der Dienststellen<br />
in den Annexionsgebieten zu erklä -<br />
ren, wo bei den volksdeutschen Eisen bah -<br />
24<br />
Der <strong>Reichsbahn</strong>-Fahrzeugbestand <strong>1939</strong><br />
Fahrzeugbestand Ende <strong>1939</strong><br />
Fahrzeugart Anzahl darunter Vergleichszahl für 1927<br />
Dampflokomotiven<br />
Schnellzugloks 1.233 542 Einheitsdampfloks, Bauart 2’C1‘ h2/h3<br />
Personenzugloks 3.699 2.680 preußische P 8<br />
Güterzugloks 9.740 2.351 preußische G 10<br />
Personenzugtenderloks 2.929 474 Einheitsloks, Baureihen 62 und 64<br />
Güterzugtenderloks 5.443 377 Einheitsloks für Nebenbahnen, Baureihe 86<br />
Zahnradloks 32 21 österreichische Loks für den Erzberg<br />
Lokalbahnloks 458 allesamt bayer., österr. und tschech. Loks mit<br />
Achsfahrmasse unter 13 Tonnen<br />
Gesamtzahl Dampfloks 23.826 24.839<br />
Elektrische Lokomotiven 846 18 Schmalspurloks für die Mariazeller Bahn 316<br />
Dieselloks 2 4<br />
Kleinloks mit Akkumulatorantrieb 47 –<br />
Kleinloks mit Dieselantrieb 1.010 –<br />
Kleinloks mit Benzolantrieb 154 –<br />
Elektr. Oberleitungstriebwagen 1.294 –<br />
Elektr. Stromschienentriebwagen 945 allesamt für S-Bahn Berlin<br />
Dampftriebwagen 22<br />
Elektr. Akkumulatortriebwagen 180<br />
Verbrennungsmotortriebwagen 778 14 österr. Schmalspurtriebwagen<br />
Gesamtzahl Triebwagen 3.219 583<br />
Personenwagen 67.356 1.106 Schmalspur 61.764<br />
Schlafwagen 103<br />
Gepäckwagen 21.636 228 Schmalspur 21.002<br />
Gefangenenwagen 62<br />
Gedeckte Güterwagen 230.434 963 Schmalspur 226.551<br />
Offene Güterwagen 401.740 4.113 Schmalspur 436.915<br />
Dienstgüter-/Bahndienstwagen 22.131 1.165 Schmalspur 10.831
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Posen dem neu bzw. wieder geschaffenen Polen zuge -<br />
schlagen. Am 10. September <strong>1939</strong> von der Wehrmacht eingenommen, hat der hiesige Bahnhof<br />
im Oktober bereits deutsche Beschilderung erhalten; er gehört nun zur <strong>Reichsbahn</strong> Slg. Dr. Rampp<br />
nern eine für den Beamtenstatus ausreichende<br />
„nationale Loyalität“ vorausgesetzt<br />
werden konnte und bei denen vielfach auch<br />
die Tätigkeit einer Beamtenfunktion entsprach.<br />
Selbstverständlich setzte das Regime bei<br />
der Übernahme von Arbeitskräften für den<br />
öffentlichen Dienst in den Expansionsgebieten<br />
mit besonderer Konsequenz seine Kriterien<br />
der Ausgrenzung durch. Im „Altreich“<br />
waren schon 1933 fast alle Juden entlassen<br />
und seitdem auch die wenigen, insbesondere<br />
wegen ihres Kriegsdienstes 1914–18 noch geschützten<br />
Beamten jüdischen Glaubens in<br />
den zwangsweisen Ruhestand gedrängt worden.<br />
1938/39 wurden dann keine Juden mehr<br />
Mit P 4129 überquert 78 161 am 4. Juni <strong>1939</strong> bei Behringersdorf<br />
die Reichsautobahn. Auch am Bau der (für Militärzwecke gedachten)<br />
Fernstraßen ist die <strong>Reichsbahn</strong> beteiligt Carl Bellingrodt/Slg. Helmut Brinker<br />
übernommen. Ebenfalls ausgeschlossen<br />
waren Wortführer des christlich-ständestaatlichen<br />
Systems, das in Österreich 1934–38<br />
geherrscht hatte, weiterhin Sozialdemokraten,<br />
Kommunisten und Männer, die eine<br />
Loyalität gegenüber der Tschechoslowakei<br />
bzw. Polen hatten erkennen lassen.<br />
Zweiteilung der Belegschaft<br />
Die traditionelle Zweiteilung das Personalkörpers<br />
in Beamte und Arbeiter schon aus<br />
Kaisers Zeiten blieb über Weimarer Repub -<br />
lik und Nazizeit hinweg bis nach 1945 unberührt<br />
(und zwar bis zur Bahnprivatisierung<br />
1994). Die auf Lebenszeit ernannten Beam -<br />
ten bildeten in den Laufbahngruppen des einfachen,<br />
mittleren, gehobenen und (akademisch<br />
gebildeten) höheren Dienstes den<br />
fachlich kompetenten Kernbereich des hierarchischen<br />
Apparats. Die je nach Bedarf als<br />
Junghelfer vereinfacht oder als Handwerker<br />
voll ausgebildeten Arbeiter erfüllten bei der<br />
<strong>Reichsbahn</strong> die Massenaufgaben – eine<br />
durchgängige Mechanisierung technischer<br />
Vorgänge gab es noch nicht. Arbeiter waren<br />
tätig im Gleisbau, in der Betreuung der<br />
Trie bfahrzeuge in den Betriebswerken, in<br />
der Fahrzeugreparatur in den Ausbesserungswerken<br />
oder auch in der Reinigung<br />
von Fahrzeugen und Anlagen. Dabei gab<br />
es Überschneidungen zwischen Beamtenund<br />
Arbeiterfunktionen, beispielsweise im<br />
Schrankenwärter- oder Lokheizerdienst. Die<br />
für die Übernahme ins Beamtenverhältnis<br />
vorgesehenen Arbeiter galten als „Hilfs -<br />
beamte“.<br />
<strong>1939</strong> noch nicht relevant war im Bahndienst<br />
der Anteil der Frauen, die etwa im<br />
Schalterdienst oder in der behördlichen<br />
Schreibarbeit die bei der Bahn stets klein gebliebene<br />
Fraktion der Angestellten verstärkten.<br />
Und es gab noch keine Zwangsarbeiter,<br />
die aus halb Europa nach Deutschland verschleppt<br />
wurden. Das sollte sich jedoch mit<br />
dem im September <strong>1939</strong> angefangenen Krieg<br />
bald ändern.<br />
Ohnehin stellte Hitlers Expansionspolitik<br />
in der Folge an die <strong>Reichsbahn</strong> kaum mehr<br />
zu bewältigende Anforderungen. In dem<br />
Maße, in dem ab Herbst <strong>1939</strong> das <strong>Reichsbahn</strong>-Einflussgebiet<br />
wuchs, verschärften<br />
sich auch die vorher schon bestehenden<br />
strukturellen Probleme und Mängel. Und es<br />
sollte nur eine Frage der Zeit sein, bis aus<br />
dem strategischen Transportmittel Eisen -<br />
bahn ein strategisches Ziel der Gegner werden<br />
würde. So, wie es die Wehrmacht beim<br />
Überfall auf Polen bereits mit dem dortigen<br />
Eisenbahnwesen praktiziert hatte.<br />
Andreas Knipping/GM<br />
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<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 25<br />
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Karte | DEUTSCHLAND 1938/39<br />
26
Expansion<br />
nach Süden und Osten<br />
Die geopolitische Entwicklung<br />
im Überblick: die Grenzen<br />
des <strong>Deutsche</strong>n Reiches und<br />
ihre Veränderungen von<br />
Frühjahr 1938 bis Ende <strong>1939</strong><br />
Basis: Mitropa-Kursbuch vom Sommer <strong>1939</strong>;<br />
Übersichtskarte der Fernverbindungen durch Europa<br />
Die Farben verteilen sich wie folgt:<br />
Grenzen des <strong>Deutsche</strong>n Reiches bis März 1938<br />
Grenzen des Freistaats Danzig bis August <strong>1939</strong><br />
Grenze nach dem Anschluss Österreichs<br />
im März 1938<br />
Grenze nach dem Anschluss des Sudetenlandes<br />
im Oktober 1938<br />
Grenze zwischen dem Protektorat Böhmen<br />
und Mähren und der Slowakei ab März <strong>1939</strong><br />
Nordgrenze Ostpreußens nach dem Anschluss<br />
des Memellands im März <strong>1939</strong><br />
deutsche Ostgrenze in Polen ab Oktober <strong>1939</strong><br />
Ostgrenze des Generalgouvernements<br />
ab Oktober <strong>1939</strong><br />
Karte: Slg. Andreas Knipping/Bearbeitung: Anneli Nau<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 27
Fahrzeuge | DIE BAUREIHEN 06 UND 50<br />
Größer, schwerer, schlechter: Die Schnellzuglok 06<br />
beeindruckte zwar durch ihre Dimensionen,<br />
erwies sich jedoch als Fehlkonstruktion. Im Regelbetrieb<br />
wurde sie kaum eingesetzt<br />
Hermann Maey/Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />
Kontraste<br />
im Dampflokbau<br />
28<br />
Mit der Schnellzuglok 06 und<br />
der Güterzuglok 50 wurden<br />
<strong>1939</strong> zwei völlig gegensätzliche<br />
Dampfloktypen an die <strong>Reichsbahn</strong><br />
ausgeliefert. Das gilt auch für<br />
den Betriebseinsatz: Die eine Lok<br />
blieb ein glückloser Gigant,<br />
die andere entwickelte sich zum<br />
Jahrhunderterfolg<br />
Der Zustrom neuer Dampflokomotivgattungen zur Reichs -<br />
bahn war in den 30er-Jahren bescheidener, als man es aufgrund<br />
der großzügigen Typenprogramme aus der Frühzeit<br />
der Einheitsloks hätte erwarten können. Von neuen Personenzugloks<br />
mit den Achsfolgen 2’C und 1’D1‘ (drei bzw. vier Kuppelachsen) war<br />
keine Rede mehr, auch nicht von einer schweren Tenderlok mit der<br />
Achsfolge 1’D1’. Anstelle der geplanten 1’C- und 1’D-Güterzugloks<br />
erschienen 1936/37 die 1’D1‘-Eilgüterzuglok 41 und die mit ihr eng<br />
verwandte, um einen Treibradsatz und einen Zylinder größere 45.<br />
<strong>1939</strong> folgten dann zwei Dampfloktypen, die jede auf ihre Art Geschichte<br />
schreiben sollten: die Schnell zuglok der Baureihe 06 und<br />
die Güterzuglok der Baureihe 50.<br />
Baureihe 06: die größte deutsche Schnellzuglok<br />
Schon seit ihrer Gründung fehlte der <strong>Reichsbahn</strong> eine vollwertige<br />
Schnellzugdampflok mit vier Kuppelachsen. Die sächsische XX HV<br />
(<strong>Reichsbahn</strong>-Baureihe 19 0 ) war zu kompliziert, die preußische P 10<br />
(<strong>Reichsbahn</strong>-Baureihe 39 0 ) litt unter zu kleinen Kuppelrädern und<br />
einem missglückten Stehkessel; beide Loktypen konnten vor schwe-
en Schnellzügen im Mittelgebirge nicht<br />
gänzlich befriedigen. Deshalb sollte zur Entlastung<br />
der immer wieder überforderten<br />
Loks mit drei Kuppelachsen (vor allem den<br />
Einheitsloks 01 und 03) endlich eine schwere<br />
Schnell zuglok entstehen. In dem Zusammenhang<br />
hätte eigentlich die Bemühung um<br />
einen besonders leistungsfähigen Kessel<br />
selbstverständlich sein müssen. Stattdessen<br />
verlängerte man den längst an die Grenzen<br />
von Verdampfungsfreude und vertretbaren<br />
Reparaturkosten gelangten Kessel der 01<br />
von der Rohrlänge 6.800 auf neu 7.500 Milli-<br />
Werbeanzeige der Firma Krupp für die 06<br />
aus dem Jahr <strong>1939</strong>; bald wurde es aber<br />
schon still um die Lok Slg. Oliver Strüber<br />
Jahre hatten gezeigt, dass der Eigenwiderstand<br />
einer vierachsigen Antriebseinheit im<br />
starren Rahmen insbesondere im Gleis -<br />
bogen einen erheblichen Teil der Lokomotivleistung<br />
aufzehrt. Mit jeder Vergrößerung des<br />
Raddurchmessers verlängerte sich auch<br />
zwangsläufig diese Antriebseinheit – bei der<br />
06 mit ihren vier Kuppelachsen betrug er<br />
6.750 Millimeter.<br />
Keinen Gedanken verschwendeten die<br />
Konstrukteure an eine Längen- und Gewichtseinsparung<br />
mit einem vorlaufenden<br />
Krauss-Helmholtz-Gestell und demgemäß<br />
meter – ohne dabei die Feuerbüchse angemessen zu vergrößern. Die<br />
Kohlemenge, die für eine der Kesselgröße entsprechende Verdampfungsleistung<br />
notwendig gewesen wäre, hätte jeden Heizer geradezu<br />
planmäßig überfordert. Problematisch war auch die Übernahme des<br />
Treibraddurchmesser 2.000 Millimeter von den Konstruktionen mit<br />
drei Kuppelachsen. Die Lokomotiverprobungen der 20er- und 30ernur<br />
einer Laufachse. Die Ma schine erhielt Drehgestelle vorne und<br />
hinten; zusammen mit dem fünfachsigen Tender präsentierte sie<br />
sich so als 223 Tonnen schwerer, 26.520 Millimeter langer Gigant.<br />
Nach dem Vorbild der Versuchslok 05 erhielt die derart ent -<br />
standene 06 eine Stromlinienverkleidung. Für eine Höchstgeschwindigkeit<br />
von 140 km/h und einen im Mittelgebirge zu erwartenden<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 29
Fahrzeuge | DIE BAUREIHEN 06 UND 50<br />
Die Güterzuglok der Baureihe 50 wurde eine der<br />
besten Einheitsdampfloks; in großer Stückzahl gebaut,<br />
blieb sie Jahrzehnte lang im Dienst. Im Bild Lok 50 291, die<br />
<strong>1939</strong> bei der Wiener Lokomotivenfabrik entstand<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Dirk Winkler<br />
Einsatz hauptsächlich mit 90 bis 120 km/h versprach diese teure, für<br />
den Betrieb schwierige Sonderausrüstung allerdings kaum Vorteile.<br />
Lediglich das dreizylindrige Triebwerk fand in der Fachwelt Anerkennung.<br />
Vermutlich ahnten Bahnverwaltung und Herstellerwerk<br />
Krupp schon während des Baus der beiden Musterexemplare, dass<br />
man mit ihnen wenig Freude haben würde. Die Herstellung zog<br />
sich von 1936 bis <strong>1939</strong> hin.<br />
Die systematische Erprobung durch das Versuchsamt Grunewald<br />
und der Regelbetrieb zwischen Frankfurt (Main) und Würzburg bzw.<br />
Erfurt entlarvte die größte deutsche Schnellzuglok als Fehlkonstruktion.<br />
Irgendwelche Vorteile gegenüber den viel kleineren Maschinen<br />
der Baureihen 01, 03 oder 39 bot sie nicht. Bei Kriegsende waren<br />
beide Exemplare abgestellt. Die DB ließ zwar noch eine Skizze zur<br />
Reaktivierung mit zeit gemäßen Neubaukesseln mit Verbrennungskammer<br />
fertigen, verzichtete aber auf die Verwirklichung und gab<br />
die beiden Maschinen 1951 zur Verschrottung frei – mit gerade einmal<br />
zwölf Jahren Dienstalter.<br />
Baureihe 50: Güterzuglok für Krieg und Frieden<br />
Ganz anders sollte es sich bei der zweiten, <strong>1939</strong> ausgelieferten Maschine<br />
verhalten. Sie wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auch sehnlich erwartet,<br />
denn noch immer war die Standardgüterzuglok für Strecken<br />
30<br />
mit schwächerem Oberbau die preußische G 10 (<strong>Reichsbahn</strong>-Baureihe<br />
57 10 ). Ende 1935 liefen davon nicht weniger als 2.352 Exemplare.<br />
Die mit 60 km/h bescheidene Höchstgeschwindigkeit konnte bei<br />
der von der <strong>Reichsbahn</strong> mit Nachdruck betriebenen Beschleunigung<br />
des Güterverkehrs nicht mehr genügen. Schon die Massenbeschaffung<br />
von Dieselkleinloks, die Nachrüstung der preußischen G 8 1 mit<br />
Die große Feuerbüchse machte die<br />
Baureihe 50 kriegstauglich – und auch<br />
im Frieden vielseitig verwendbar<br />
einer Laufachse (Umbau von 55 25 auf 56 2 ), die Neukonstruk tion der<br />
41 mit 90 km/h und der Übergang zu neuen Güterwagen typen mit<br />
weitem Achsstand hatten diesem Ziel gedient.<br />
Ein weiterer Schritt war nun die Fertigung einer „Ersatz-G 10“;<br />
sie sollte mit Vorlaufachse dieselben 80 km/h gewährleisten, die<br />
schon die 1937 in Serie gegangene Baureihe 44 auf Strecken mit<br />
20 Tonnen Achsfahrmasse erreichte. Zunächst dachte man an eine<br />
Lok der Achsfolge 1’D, doch die besaß man eigentlich mit der 56 20<br />
(pr. G 8 2 ) schon in ausreichender Zahl. Nur ein Fünfkuppler würde<br />
das nötige Reibungsgewicht garantieren. Mit dem vorderen Krauss-<br />
Helmholtz-Gestell und dem Kuppelraddurchmesser 1.400 Millimeter
zeigte die 50 einige Verwandtschaft mit der<br />
44. Der Tender kam für die leichtere Lok mit<br />
26 statt 34 Kubikmeter Wasser aus. Damit<br />
ließ er sich auch niedrig genug halten, um<br />
ihn aus provinziellen Wasserkränen älterer<br />
Bauart speisen zu können.<br />
Ein letztlich politischer Gedanke wurde<br />
für die konstruktive Ausgestaltung der 50<br />
maßgebend: Um auch minderwertige Kohle<br />
verwenden zu können, sollte die neue Güterzuglok<br />
endlich eine großzügig bemessene<br />
Feuerbüchse erhalten – wie sie schon allen<br />
Einheitsloks von der 01 beginnend gut getan<br />
hätte. Kurzfristig mochte man annehmen,<br />
Etliche Firmen waren an der Fertigung der<br />
Baureihe 50 beteiligt, unter anderem auch<br />
Schichau in Elbing Slg. Oliver Strüber<br />
dass mit den schlechteren Brennstoffen die<br />
in den soeben übernommenen österreichischen und sudetendeutschen<br />
Betriebswerken übliche Kohle aus der zerschlagenen Tschechoslowakei<br />
gemeint sei. Kritischere Beobachter erkannten jedoch<br />
in der neuen 50 bereits die Lokomotive für den baldigen Polen- und<br />
späteren Russlandfeldzug.<br />
Betrieblich war die neue Güterzuglok vom ersten Tage an ein<br />
voller Erfolg. Niemand hat ihr die Qualifikation als eine der besten<br />
Einheitsloks abgesprochen. Unter Kriegsund<br />
Nachkriegsbedingungen war sie vor Gü -<br />
terzügen, Personenzügen und Militärtransporten,<br />
vor Schnellzügen auf steigungsreichen<br />
Strecken sowie auf längeren Nebenbahnen<br />
und im schweren Rangierdienst<br />
universell einsetzbar. Insgesamt 3.141 Exemplare<br />
wurden von der Baureihe 50 für die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> gebaut, Lieferungen an andere<br />
Verwaltungen und Nachbauten noch nicht<br />
einmal eingerechnet! Sie diente zudem als<br />
Basis für zahlreiche Versuche und Umbau -<br />
ten, um die Dampflok technisch weiter zu<br />
verbessern.<br />
Noch im Zweiten Weltkrieg wurde aus der<br />
50 die Kriegslok 52 abgeleitet, die in ihrer Stückzahl selbst die Vorgängerin<br />
übertraf. Die Grund konstruktion brachte es damit auf mehr<br />
als 10.000 Exemplare. Damit gehört die Familie 50/52 zu den meistgebauten<br />
Lokomotiven der Welt. Und nicht nur das: Die für den<br />
Krieg konzipierte Dampflok sollte in den Friedenszeiten danach<br />
noch Jahrzehnte lang im Dienst bleiben – im Osten ebenso wie im<br />
Westen des Kontinents. Andreas Knipping<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 31
Fahrzeuge | DIE BAUREIHE E 19<br />
Schnellfahrer<br />
ohne Einsatzbereich<br />
Auch für den elektrischen Betrieb erhielt die <strong>Reichsbahn</strong> <strong>1939</strong> neue<br />
Lokomotiven. Die aus der E 18 abgeleitete E 19 erreichte 180 km/h<br />
und war für den hochwertigen Reisezugverkehr München – Berlin<br />
vorgesehen. Mit dem Krieg änderte sich die Situation schlagartig<br />
32
Feierstunde an der Frankenwaldbahn: E 19 02 führt am 10. Mai <strong>1939</strong> den<br />
Eröffnungszug für den elektrischen Betrieb Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Dafür ist die neue Ellok vorgesehen: hochwertige<br />
Fernreisezüge, insbesondere zwischen München und<br />
Berlin. Am 2. Juni <strong>1939</strong> hat E 19 02 den Fernschnellzug<br />
FD 79 München – Berlin übernommen, im Bild bei<br />
Stockheim in Oberfranken. Erst drei Wochen zuvor<br />
hat die <strong>Reichsbahn</strong> den elektrischen Betrieb zwischen<br />
Nürnberg und Saalfeld eröffnet Carl Bellingrodt/Slg. Dirk Winkler<br />
Mit der geplanten Elektrifizierung der Strecke München –<br />
Nürnberg – Halle/Leipzig – Berlin wollte die <strong>Reichsbahn</strong><br />
den hochwertigen Reisezugdienst modernen elektrischen<br />
Lokomotiven übertragen. Ausgehend von den Erfahrungen mit den<br />
Lokomotiven der Baureihe E 18 leitete man aus ihrer Konstruktion<br />
eine neue Lokomotive ab, für die eine Höchstgeschwindigkeit von<br />
180 km/h vorgesehen war.<br />
Von der E 18 zur Schnellfahrlok<br />
Bereits ab 1935 hatte die <strong>Reichsbahn</strong> die E 18 in größerer Stückzahl<br />
für den anspruchsvollen Schnellzugdienst auf allen wichtigen Fernstrecken<br />
Mittel- und Süddeutschlands sowie auf den schlesischen<br />
Strecken beschafft. Für die Beförderung der künftigen FD-Züge<br />
München – Berlin sollte nun eine weitere Schnellzugmaschine<br />
bestellt werden. Die <strong>Reichsbahn</strong> forderte für den anspruchsvollen<br />
Dienst eine Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h sowie eine Geschwindigkeit<br />
von 60 km/h auf den Rampen der Frankenwaldbahn<br />
– Vorgaben, welche die E 18 nicht mehr erfüllen konnte. Die höchste<br />
zulässige Geschwindigkeit der neuen Lok wurde auf 220 km/h festgesetzt,<br />
um im Bedarfsfall auf neu elektrifizierten Strecken mit entsprechendem<br />
Oberbau und Linienführung Züge mit dieser Geschwindigkeit<br />
fördern zu können. Aus dem Leistungsprogramm der<br />
E 18 abgeleitet, jedoch mit höheren Anforderungen für Spitzengeschwindigkeit<br />
und Zugkraft entwarfen und bauten die AEG sowie<br />
Siemens/Henschel die E 19.<br />
Anfang <strong>1939</strong> wurde E 19 01, die 5.000. Lokomotive der AEG, an die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> geliefert. Ihr folgte noch die E 19 02. Die E 19 0 von AEG<br />
glich in den Abmessungen der E 18 vollständig, nur die Laufräder<br />
waren größer ausgeführt worden. Der Fahrmotor wurde neu konstruiert,<br />
generell jedoch der Federtopfantrieb beibehalten. Zur Gewichtsreduzierung<br />
wurde der geschweißte Rahmen dünner als bei<br />
der E 18 ausgeführt, Teile des Wagenkastens und Anbauteile führte<br />
man in Aluminium aus. Der Haupttransformator wurde von der E 18<br />
abgeleitet, das Schaltwerk neu entwickelt. Äußerliche Unterschiede<br />
zur Baureihe E 18 sind vor allem in den geänderten Lüfter- und Fensteranordnungen<br />
zu erkennen.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 33
Fahrzeuge | DIE BAUREIHE E 19<br />
Die Siemens-Schuckert-<br />
Werke reihten die Fahrzeugneuheit<br />
auch in die Firmentradition<br />
ein. Werbeanzeige<br />
vom November <strong>1939</strong> mit<br />
der weltweit ersten Ellok<br />
von 1879 und einer E 19<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Blick auf das Gestell aus Laufachse und Treibachse mit aufgesetztem Doppelmotor, wie es bei E 19 11 und E 19 12<br />
verwendet wurde. Diese beiden Lokomotiven entstanden bei Henschel und SSW Slg. Dirk Winkler<br />
Zu Vergleichen hatte die SSW den Auftrag erhalten, ebenfalls<br />
zwei Maschinen dieser Baureihe zu entwickeln. Die zusammen mit<br />
Henschel gebauten E 19 11 und 12 (E 19 1 ) besaßen entgegen den<br />
AEG-Loks der E 18/E 19 vier Doppelmotoren des Typs WBDM 265;<br />
diese schlossen mit den Bodenblechen des Rahmens ab, so dass im<br />
Maschinenraum mehr Platz für die elektrische Ausrüstung blieb.<br />
Die weitgehend geschweißten Fahrmotoren wiesen mit 5,63 Kilogramm<br />
pro Kilowatt die bis dahin günstigste Materialausnutzung<br />
bei der <strong>Reichsbahn</strong> auf. Mit der Reihen schaltung der Motoren war<br />
gegenüber der E 19 0 eine höhere Klemmenspannung bei kleineren<br />
Strömen möglich, was sich positiv auf die Auslegung der elektri -<br />
schen Komponenten und deren Gewicht auswirkte.<br />
Die Kombination aus Zahnradgetriebe, Hohlwelle und Federtopfantrieb<br />
behielt man bei. Die Maschinen erhielten unter anderem<br />
eine neue Steuerung mit Grob- und Feinstufenschaltwerk, einen<br />
Haupttransformator mit Röhrenwicklung sowie eine Widerstandsbremse.<br />
Stromschienen, die Niederspannungswicklung sowie die<br />
Wicklung der im Trafo eingebauten Zusatzumspanner wurden aus<br />
Aluminium gefertigt. Die Bremswiderstände wurden in einem Dachaufbau<br />
über dem Haupttransformator untergebracht und konnten<br />
zusätzlich durch druckluftbetätigte Klappen im vorderen Bereich<br />
des Aufbaus durch den Fahrtwind gekühlt werden. Das Brems -<br />
gestänge der E 19 1 lag außen, zudem wurde der Achsstand gegen -<br />
über E 18 und E 19 0 leicht verändert. Äußerlich unterschieden sich<br />
die E 19 1 von der AEG-Ausführung auch noch durch eine andere Anordnung<br />
der Lüftungsgitter an den Fahrzeugseitenwänden.<br />
Triebfahrzeuge ohne Aufgabe<br />
Für E 19 01 hatte man eine auffallende Farbgebung gewählt: schwarzer<br />
Rahmen, wobei unter anderem die Sandkästen und die Schürze<br />
in Rot gehalten waren, weinroter Anstrich des Wagenkastens, der<br />
mit silbergrauen Zierleisten unterstrichen wurde, aluoxidfarbenes<br />
Dach. Gegenüber den Ursprungsmaschinen der AEG wiesen die<br />
von SSW/Henschel gelieferten E 19 1 in der Ursprungslackierung<br />
34<br />
Die E 19 waren bis Mitte der<br />
1960er-Jahre die stärksten<br />
deutschen Elektrolokomotiven<br />
schwarze Schürzen und Sandkästen auf, hingegen waren die Bremsanlage<br />
inklusive der Bremsbacken rot lackiert worden.<br />
Noch vor der endgültigen Abnahme durch die <strong>Reichsbahn</strong> för -<br />
derte E 19 02 am 10. Mai <strong>1939</strong> den Eröffnungszug auf der neu elektrifizierten<br />
Strecke Nürnberg – Bamberg – Probstzella – Saalfeld. Alle<br />
vier Maschinen der Reihe E 19 wurden von der <strong>Reichsbahn</strong> erst<br />
nach umfangreichen Erprobungsfahrten übernommen. Bei Messfahrten<br />
erbrachte E 19 01 eine Leistung von 5.280 kW, E 19 11 sogar<br />
von 5.700 kW. Damit waren sie bis Mitte der 1960er-Jahre die stärksten<br />
deutschen Elektrolokomotiven. Zwischen Bamberg und Forchheim<br />
wurden für E 19 01 vor dem Messwagen des <strong>Reichsbahn</strong> -<br />
zentralamts München immerhin 180 km/h gemessen.<br />
In Dienst gestellt wurden alle vier Maschinen erst 1940 im Bw<br />
Nürnberg Hbf. Die auffällige Lackierung war allerdings dem schlichteren<br />
Einheitsgrün gewichen. Zwischen Ende März und Mitte Ok -<br />
tober 1940 wurden E 19 02 (30.03.1940), E 19 01 (29.05.1940), E 19 11<br />
(15.05.1940) und E 19 12 (15.10.1940) von der <strong>Reichsbahn</strong> abge nom -<br />
men. Den planmäßigen Einsatz der E 19 im hochwertigen FD-<br />
Zugverkehr unter Ausnutzung ihrer Höchstgeschwindigkeit hatte<br />
der Kriegsbeginn im September <strong>1939</strong> inzwischen verhindert. Die<br />
FD-Züge, die nur Wagen der 1. und 2. Klassen führten, verkehrten<br />
letztmalig am 22. August <strong>1939</strong>.<br />
Damit entfiel auch eine Serienbeschaffung dieser speziellen Lokomotiven.<br />
Es blieb bei der Splittergruppe aus vier Exemplaren; sie<br />
wurden in den Kriegsjahren vor D-Zügen genutzt und befuhren die<br />
Strecke, für die sie konstruiert worden waren. Nach dem Krieg<br />
kamen sie zur <strong>Deutsche</strong>n Bundesbahn, wo sie bis in die 70er-Jahre<br />
Verwendung fanden, ebenfalls meist im Raum Franken. An ihrem<br />
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Frage 1: Wie heißt die Bahnverwaltung, welche die <strong>Deutsche</strong>n<br />
im „Generalgouvernement Polen“ einrichteten? (S. 82)<br />
Frage 2: Wer konstruierte den Schnelltriebwagen SVT 137 155?<br />
(S. 36; nur der Familienname ist gesucht)<br />
Frage 3: Welche Firma fertigte die Schnellzugdampfloks<br />
der Baureihe 06? (S. 28)<br />
Frage 4: Mit welchem Antrieb wurden die E 44 und E 44.5<br />
ausgerüstet? (S. 66)<br />
Frage 5: Bei welchem Ort befanden sich die Eisenbahnbrücken über<br />
die Weichsel, welche von den <strong>Deutsche</strong>n bei Kriegsbeginn angegriffen<br />
wurden? (S. 48)<br />
Frage 6: Wie lautet der Name des berühmten <strong>Reichsbahn</strong>-Fernschnellzugs,<br />
der zuletzt zwischen Mailand, Basel und Hoek van<br />
Holland verkehrte und im August <strong>1939</strong> abgestellt wurde? (S. 50)<br />
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aus der Welt der Bahn<br />
Mit Klassikern<br />
durch Berlin<br />
U-Bahn, S-Bahn,<br />
Straßenbahn und Bus:<br />
Die schönsten Museumsfahrzeuge<br />
im Einsatz<br />
INFO-<br />
Programm<br />
gemäß<br />
§ 14<br />
JuSchG<br />
DIE WELT DER EISEN<strong>BAHN</strong> AUF<br />
klassische S-Bahnen<br />
und U-Bahn-Züge<br />
ebenso wie nostalgische<br />
Straßenbahnen und<br />
Omnibusse.<br />
Lösungswort:<br />
▲ ▲ ▲<br />
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Einsendeschluss: 30. April 2014
Fahrzeuge<br />
| SCHNELLTRIEBWAGEN „BAUART KRUCKENBERG“<br />
Spitzentempo<br />
und Treibachsbruch<br />
Mit stromlinienförmigen Triebwagen in Leichtbauweise<br />
machte sich Franz Kruckenberg in den 30er-Jahren einen Namen.<br />
Im Juni <strong>1939</strong> kam der dreiteilige SVT 137 155 zwischen Berlin<br />
und Hamburg auf sensationelle 215 km/h. Aber technische<br />
Probleme und der Kriegsbeginn setzten der Entwicklung ein Ende<br />
Zwei berühmte „silberne Züge“ hat der Luftfahrtingenieur und<br />
Eisenbahnpionier Franz Kruckenberg (1882–1965) im Jahrzehnt<br />
vor dem Zweiten Weltkrieg für die <strong>Reichsbahn</strong> entwickelt<br />
und zu Spitzengeschwindigkeiten gebracht. Am Sonntag, dem<br />
21. Juni 1931, erzielte sein propellergetriebener „Schienenzeppelin“<br />
während einer Versuchsfahrt zwischen Berlin und Hamburg die<br />
Tempo-Höchstmarke von 230 km/h. Und acht Jahre später, am<br />
23. Juni <strong>1939</strong>, erreichte der Schnelltriebwagen mit der Betriebs -<br />
nummer SVT 137 155 auf demselben Streckenabschnitt sensationelle<br />
215 km/h! Dennoch sind beide Projekte grandios gescheitert.<br />
Der Bau und die Erprobung des dreiteiligen Schnelltriebwagens<br />
„Bauart Kruckenberg“ hatten sich über mehrere Jahre bis Anfang<br />
1938 hingezogen. Das Fahrzeug wurde von den Vereinigten Westdeutschen<br />
Waggonfabriken A. G. in Köln-Deutz gefertigt. Der<br />
70 Meter lange und 113 Tonnen schwere Zug mit 100 Sitzplätzen<br />
verkörperte zahllose Neuerungen. Er besaß zwei Maybach-Dieselmotoren<br />
des Typs GO 6 mit jeweils 600 PS Leistung in den Über -<br />
hängen der Kopfglieder, hatte hydraulische<br />
Kraftüber tragun gen sowie eine Gummi -<br />
kugelfederung mit Lenkern zwischen Drehgestellen<br />
und Wagenkästen in geschweißter<br />
Schalenbauweise.<br />
Die ersten Erprobungen<br />
Am 27. Januar 1938 begannen interne Probefahrten<br />
mit dem „Fliegenden Silberling“,<br />
wie der Schnelltriebwagen gelegentlich genannt<br />
wurde, von Köln Hauptbahnhof rheinaufwärts<br />
nach Mainz. Drei Wochen später,<br />
am 15. Februar 1938, waren zahlreiche<br />
Reichs bahnbeamte versammelt, um an einer<br />
Vorführungsfahrt mit dem SVT 137 155 von<br />
Köln über Wuppertal nach Hagen teilzunehmen.<br />
Trotz besonderer Laufgüte bei hoher<br />
Geschwindigkeit sorgte sich Kruckenberg<br />
dabei um die kostbaren leichten Laufwerke<br />
des Fahrzeugs. Auf der Rückfahrt brannten<br />
die Anlassmotoren der Dieselmaschinen wegen<br />
eines Schaltfehlers durch. Die Lieferfirma<br />
AEG konnte Ersatz erst binnen drei<br />
Monaten liefern.<br />
Am 3. Mai 1938 war der dreiteilige<br />
Schnelltriebwagen bei einer weiteren Probefahrt<br />
erstmals am Hauptbahnhof in Han-<br />
36<br />
Am 23. Juni 1937 erklärte Franz Kruckenberg<br />
seinen Eintritt in die Nationalsozialistische<br />
<strong>Deutsche</strong> Arbeiter-Partei und wurde unter der<br />
Mitgliedsnummer 4 386 725 aufgenommen.<br />
Aufnahme am Platz „Nr. 100“ in seinem drei -<br />
teiligen Schnelltriebwagen, Anfang 1938<br />
Nachlass F. Kruckenberg/Slg. Gottwaldt<br />
nover zu sehen, also in der Stadt, wo 1930 der „Schienenzeppelin“<br />
entstanden war. Am 19. Mai 1938 übergab Westwaggon den<br />
SVT 137 155 zur weiteren Erprobung an die <strong>Reichsbahn</strong>. Die<br />
Einladun gen zur Vorführungsfahrt des neuen ,,Schnelltriebwagens<br />
Bauart Kruckenberg“ am 29. Juni 1938 waren bereits verschickt, als<br />
er sich zwei Tage vorher zur letzten Probefahrt auf die Tour begab.<br />
Der Hinweg auf der rund 290 Kilometer langen Paradestrecke von<br />
Berlin nach Hamburg wurde anstandslos zurückgelegt. Aber auf<br />
der Rückfahrt von der Elbe über Büchen, Hagenow Land,<br />
Wittenberge und Neu stadt (Dosse) machte sich zwischen<br />
Paulinenaue und Nauen am Berger Damm, etwa 30 Kilometer vor<br />
Spandau, plötzlich Brand geruch im Fahrzeug bemerkbar, und die<br />
Geschwindigkeit fiel ab. Im Bahn hof Falkensee fiel sofort eine rotglühende<br />
Treibradnabe auf, denn die Achse war gebrochen.<br />
Kein Fehler der Konstruktion hatte wohl den Schaden verursacht,<br />
sondern vermutlich war ein nachlässig montiertes Achslager heißgelaufen.<br />
So entschlossen sich Kruckenberg, Westwaggon und<br />
<strong>Reichsbahn</strong>, eine Ersatzachse nach den vorhandenen<br />
Zeichnungen anfertigen zu las -<br />
sen. Weil die deutschen Maschinenfabriken<br />
durch Rüstungsaufträge inzwischen stark<br />
beschäftigt waren, sollte dies ein ganzes Jahr<br />
dauern.<br />
Die Rekordfahrt <strong>1939</strong><br />
Der Fahrplanwechsel am 15. Mai <strong>1939</strong> verging,<br />
bevor das Lieferwerk Westwaggon in<br />
Köln die Reparatur des SVT 137 155 abgeschlossen<br />
hatte. Noch vor der nächsten Probefahrt<br />
wünschte Kruckenberg, dass auch<br />
die Achsen des anderen Maschinenwagens<br />
unbedingt kontrolliert werden sollten. Er<br />
konn te aber die Kosten für den Ausbau nicht<br />
tragen, weshalb dies unterblieb.<br />
Am Freitag, dem 23. Juni <strong>1939</strong>, führte das<br />
<strong>Reichsbahn</strong>-Versuchsamt für Lokomotiven<br />
und Triebwagen in Grunewald eine glück -<br />
liche Probefahrt zwischen Berlin-Charlottenburg<br />
und Hamburg Hauptbahnhof durch.<br />
Dabei fiel als sehr erfreulich auf, wie nach<br />
der Anfahrt mit zwei Motoren eine der<br />
beiden Dieselmaschinen vollkommen ausreichte,<br />
um die für den Normalbetrieb des<br />
Wagens vorgesehene Höchstge schwindig -
Gruppenfoto nach der Rekordfahrt des SVT 137 155 am 23. Juni <strong>1939</strong><br />
auf dem Bahnhof Wittenberge. Mit dabei sind Ministerialrat Hermann<br />
Stroebe (5. v. l.) als Triebwagenreferent und Ministerialdirektor Werner<br />
Bergmann (7. v. l.) als Abteilungsleiter für Maschinentechnik im<br />
Reichsverkehrsministerium. Das Lokomotiv-Versuchsamt war durch<br />
Regierungsbaurat Ewald Hüttebräucker (6. v. l.) vertreten MTU Friedrichshfn.<br />
Seitenansicht des Schnelltriebwagens SVT 137 155. Bei ihm lagen<br />
die Motoren nicht mehr in den Drehgestellen, sondern waren erstmals<br />
in den Vorbauten untergebracht Nachlass F. Kruckenberg/Slg. Gottwaldt<br />
keit von 160 km/h zu fahren. Bei der Rückreise nach Berlin mochte<br />
sich Franz Kruckenberg wehmütig an die Zeit acht Jahre zuvor erinnert<br />
haben, als er hier am 21. Juni 1931 mit seinem ,,Schienenzeppelin“<br />
von Bergedorf nach Spandau dahingerast war und bei<br />
Karstädt ein Tempo von 230 km/h erreicht hatte. Auch am 23. Juni<br />
<strong>1939</strong> wurde kurz hinter Ludwigslust die höchste Fahrstufe eingelegt,<br />
bis die Tachometernadel schließlich auf 215 km/h Geschwindigkeit<br />
kletterte!<br />
Der Wagenlauf war überraschend gut und wurde zum Triumph<br />
für Franz Kruckenberg, dessen Ansehen unter den mitfahrenden<br />
<strong>Reichsbahn</strong>-Ingenieuren beständig wuchs. Die Auswertung des<br />
Mess streifens in Berlin ergab, dass genau fünf Minuten fünf<br />
Sekunden lang das Tempo mehr als 200 km/h betragen hatte.<br />
Voller Stolz ließen die Eisenbahnabteilungen des Reichsverkehrsministeriums,<br />
auf deren Rechnung der Wagen gebaut war, eine entsprechende<br />
Meldung durch die gleichgeschalteten Blätter im <strong>Deutsche</strong>n<br />
Reich gehen. In Heft 27 der Zeitschrift „Die <strong>Reichsbahn</strong>“ vom<br />
5. Juli <strong>1939</strong> erschien auf Seite 678 eine Mitteilung, die den Titel „Neuer<br />
Geschwindigkeitsrekord bei der <strong>Reichsbahn</strong> – Schnelltriebwagen<br />
fährt 215 Stundenkilometer“ trug. Darin hieß es: „Am 23. Juni <strong>1939</strong><br />
wurde auf der Strecke Berlin – Hamburg unter Leitung des <strong>Reichsbahn</strong>-Versuchsamts<br />
für Lokomotiven und Triebwagen in Berlin-<br />
Grunewald eine Versuchsfahrt mit einem dreiteiligen Schnelltriebwagen<br />
durchgeführt, der nach Vorschlägen des Ingenieurs Kruckenberg<br />
im Auftrag der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong> gebaut worden ist.<br />
Dieses Fahrzeug ist in Weiterentwicklung des von Ingenieur<br />
Kruckenberg gebauten Propellerwagens entstanden, hat jedoch an<br />
Stelle des Propellers den im Schnelltriebwagenbetrieb seit Jahren<br />
bewährten Achsantrieb erhalten.<br />
Die Gesamtdieselleistung von 1200 PS wird durch zwei Maybach-<br />
Motoren von je 600 PS erzeugt. Die hydraulischen Getriebe sind von<br />
Die außergewöhnliche Gestalt des<br />
Fahrzeugs war nach neuen strömungs -<br />
technischen Erkenntnissen entwickelt<br />
der AEG unter Mitwirkung von Professor Föttinger gebaut worden.<br />
Das dreiteilige Fahrzeug bietet 100 Sitzplätze 2. Klasse und enthält<br />
die für den Fernverkehr notwendigen Nebenräume. Besonders bemerkenswert<br />
ist die außergewöhnliche Gestalt des Fahrzeugs, die<br />
nach den neuesten strömungstechnischen Erkenntnissen entwickelt<br />
worden ist und daher bei hohen Geschwindigkeiten einen außerordentlich<br />
geringen Luftwiderstand bietet. Weiterhin ist als neuartige<br />
Lösung die Ausbildung des Laufwerks hervorzuheben, die dem Fahrzeug<br />
einen sehr ruhigen Lauf auch bei hohen Geschwindigkeiten<br />
verleihen soll.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 37
Fahrzeuge<br />
| SCHNELLTRIEBWAGEN „BAUART KRUCKENBERG“<br />
Werbeprospekt<br />
der Vereinigten<br />
Westdeutschen<br />
Waggonfabriken AG<br />
für den dreiteiligen<br />
Schnelltriebwagen<br />
„Bauart Kruckenberg“<br />
von 1938.<br />
Er zeigt auch<br />
das mit Kugeln<br />
gefederte Triebdrehgestell<br />
und<br />
das Laufdrehgestell<br />
Nachlass F. Kruckenberg/<br />
Slg. Gottwaldt<br />
Die jetzt ausgeführte Versuchsfahrt, die im Rahmen einer längeren<br />
Versuchsreihe zur eingehenden Erprobung des Fahrzeugs durchgeführt<br />
wurde, nahm einen recht befriedigenden Verlauf. Auf der Rückfahrt<br />
von Hamburg nach Berlin konnten ohne Schwierigkeit und bei überraschend<br />
gutem Lauf über einen längeren Streckenabschnitt Stundengeschwindigkeiten<br />
von über 200 km und eine Spitzen geschwin digkeit<br />
von 215 km Stundengeschwindigkeit erreicht werden.<br />
Mit dieser Triebwagenschnellfahrt hat die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong><br />
erneut einen Geschwindigkeitsrekord aufgestellt mit einem Fahr -<br />
zeug, das für den öffentlichen Verkehr bestimmt ist, also keine Sondereinrichtungen<br />
zur Erzielung außergewöhnlicher Leistungen enthält.<br />
Dieser dreiteilige Schnelltriebwagen wird nach Beendigung<br />
der Versuchsreihe demnächst auf der Strecke Berlin – Hamburg dem<br />
öffentlichen Verkehr übergeben werden.“<br />
...und der weitere Einsatz<br />
Schon zwei Tage nach der erfolgreichen Sonderfahrt mit dem<br />
SVT 137 155, am 25. Juni <strong>1939</strong>, wurde der neue Zug sonntags in nicht<br />
ausgenutzten FDt-Plänen zwischen Berlin Lehrter Bahnhof und<br />
Hamburg-Altona zur Prüfung der Batterieladung erprobt: Ein Tempo<br />
von 200 km/h war schon nach neun Minuten herausgefahren, als<br />
hinter Block Stresow plötzlich ein Ruck durch den ganzen Wagen<br />
ging! Die Motoren wurden abgestellt, eine Notbremsung eingeleitet,<br />
und der Zug kam kurz vor dem Bahnhof Karstädt zum Stillstand.<br />
Eine Achse des Triebgestells war blockiert!<br />
Kaum gelang es der herbeigerufenen Hilfslokomotive, den Triebwagen<br />
SVT 137 155 bis nach Wittenberge von der Strecke zu ziehen.<br />
Im nahegelegenen <strong>Reichsbahn</strong>-Ausbesserungswerk zeigte sich, dass<br />
wiederum eine Achse gebrochen war, diesmal am anderen Triebdrehgestell<br />
unter der Küche. In Essen erfuhr Franz Kruckenberg<br />
telefonisch, dass eine neue Konstruktion und die Herstellung eines<br />
Ersatzstücks bei Krupp mindestens 14 Monate dauern sollte: Lieferfrist<br />
Sommer 1940!<br />
38<br />
Als „kriegswichtig“ wurde der SVT 137 155 nicht angesehen und<br />
geriet bald in Vergessenheit. Vermutlich rollte er trotz seines Defekts<br />
noch während des Krieges nach Dresden, 1944 vielleicht sogar bis<br />
nach Altenberg, dann wieder nach Dresden-Pieschen. Ein Berliner<br />
Eisenbahner berichtete später, dieser Wagen sei noch 1950 einmal<br />
von Dresden nach Berlin-Karlshorst geschleppt worden. Dort habe<br />
ihn Kruckenberg persönlich untersucht.<br />
Nachkriegszeit in Ost und West<br />
Nach dem Krieg gelang es Franz Kruckenberg auch, mit der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundesbahn ins Geschäft zu kommen. Im Auftrag ihres Ersten<br />
Präsidenten Edmund Frohne (1891–1971) leitete er zwischen 1950<br />
und 1953 noch den Entwurf von zwei unterschiedlichen Schnelltriebwagen<br />
der Baureihe VT 10. Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> in der<br />
DDR hat ab 1963 ihre älteren Schnelltriebwagen im internationalen<br />
Verkehr durch neue Züge der „Bauart Görlitz“ mit der Baureihenbezeichnung<br />
VT 18.16 (spätere Baureihe VT 175) ersetzt. Auch deren<br />
Formgebung orientierte sich offensichtlich noch an Kruckenbergs<br />
Schnelltriebwagen von 1938, denn dieser war in der DDR verblieben.<br />
Danach wurde das Fahrzeug wieder für eine längere Zeit am Rande<br />
des <strong>Reichsbahn</strong>ausbesserungswerks Wittenberge abgestellt; seine<br />
Motoren waren längst ausgebaut.<br />
Im Mai 1967 war die Zerlegung des Wagens weitgehend abgeschlossen.<br />
Zurück blieb nur der Küchentrakt als eine Art von Gartenlaube.<br />
1989 fand man im Abstellgleis einige Teile vom Triebgestell<br />
des Wagens SVT 137 155 mit Motor, Flüssigkeitsgetriebe und den<br />
charakteristischen Gummikugeln. Zwischen Februar 1997 und Oktober<br />
2010 war eine daraus im Bw Leipzig Süd hergestellte abstrakte<br />
Fassung des „Silberlings“ mit einem Maybach-Motor im Verkehrsmuseum<br />
Dresden ausgestellt.<br />
Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Literaturhinweise – Mehr zum Thema SVT 137 155<br />
Franz Kruckenberg: Fernschnellbahn und Verkehrshaus.<br />
Heidelberg 1959.<br />
Alfred Gottwaldt: Der Schienenzeppelin. Freiburg 2006.<br />
Jan-Henrik Peters: Mit Weltrekord auf Abstellgleis.<br />
In: Eisenbahn geschichte Nr. 22 ( 2007).
Einfach mal<br />
Dampf ablassen ...<br />
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Journal<br />
Dampf & Heißluft<br />
Vor- und Nachname<br />
Straße<br />
PLZ<br />
Ort<br />
Datum und rechtsverbindliche Unterschrift Bahn 2/14
Bilderbogen<br />
| DIE LETZTEN EINSÄTZE DER AUSSICHTSTRIEBWAGEN<br />
Abschied von der „Fahrt ins Blaue“<br />
Die Ausflugstouren in den Aussichtstriebwagen waren der Renner im Sonderfahrtenprogramm<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>. Mit Kriegsbeginn <strong>1939</strong> fanden sie dann ein jähes Ende. Sowohl die beiden<br />
Elektrotriebwagen als auch die drei Dieseltriebwagen wurden abgestellt<br />
40
Mit zwei Elektrotriebwagen<br />
hatte die <strong>Reichsbahn</strong> 1935 das<br />
Angebot begonnen. Hier eines<br />
der Fahrzeuge im Bahnhof<br />
Garmisch-Partenkirchen<br />
Großzügig verglaste und komfortable Fahrzeuge für den Touristikverkehr<br />
auf der Schiene, wie man sie heute vom Glacierund<br />
Bernina-Express in der Schweiz kennt, sind keine Er -<br />
findung der jetzigen Zeit. Unter dem Konkurrenzdruck des Straßenomnibusses<br />
ließ schon die <strong>Reichsbahn</strong> in den 30er-Jahren spe -<br />
zielle Aussichtstriebwagen bauen – besser bekannt unter dem<br />
Namen „Gläserner Zug“. Es entstanden zwei elektrische Triebwagen<br />
(elT 1998 und 1999) sowie drei Fahrzeuge mit dieselhydraulischem<br />
Antrieb (VT 137 240, 462, 463).<br />
Eine „Fahrt ins Blaue“ mit den elektrischen Triebwagen (Baujahr<br />
1935) in die bayerischen und österreichischen Alpen oder mit den<br />
Dieseltriebwagen (Baujahre 1936–39) ins Rhein-, Mosel- oder<br />
Lahntal entwickelte sich sogleich zum Renner im Sonderfahrtenprogramm<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>. Den Ausflugsreisenden wurde nicht nur<br />
eine einmalige Sicht auf die Landschaft geboten, sie konnten auch<br />
dem Triebwagenführer über die Schulter blicken und die befahrene<br />
Strecke lief wie im Film vor ihren Augen ab. Die Sitze waren umklappbar,<br />
man saß immer in Fahrtrichtung. Etwas Besonderes waren<br />
die Dieseltriebwagen: Das Rollverdeck konnte geöffnet werden –<br />
bei schönem Wetter genoss man die Fahrt wie im Cabrio.<br />
Der Kriegsbeginn <strong>1939</strong> und die Folgen<br />
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs beendete <strong>1939</strong> den Einsatz. Noch<br />
war die Durchhalteparole „erst siegen, dann reisen“ nicht geschaffen,<br />
aber die „Fahrt ins Blaue“ trotzdem schon zu Ende. Die Strecken<br />
sollten militärischen Zwecken dienen. Die Fahrzeuge wurden abgestellt,<br />
zwei von ihnen – VT 137 462 und elT 1999 – fielen Luftangriffen<br />
zum Opfer. Die übrigen drei Triebwagen gelangten zur <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundesbahn. Dort wurden 1960 bzw. 1962 die Dieselfahrzeuge<br />
VT 137 240 und 463 (zuletzt VT 90 500 und 501) ausgemustert;<br />
elT 1998 (jetzt ET 91 01 bzw. ab 1968 dann 491 001) blieb im Einsatz<br />
und wurde am 12. Dezember 1995 bei einem Zugunglück im Bahnhof<br />
Garmisch-Partenkirchen schwer beschädigt. Er steht heute im Bahnpark<br />
Augsburg. Leonhard Bergsteiner<br />
Panoramasicht bei der<br />
Reise durch die Alpen:<br />
Die Fahrten der Gläsernen<br />
Züge erfreuten sich in der<br />
zweiten Hälfte der 1930er-<br />
Jahre großer Beliebtheit<br />
Aufnahmen des Beitrags: Slg. Gerhard<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 41
Bilderbogen<br />
| DIE LETZTEN EINSÄTZE DER AUSSICHTSTRIEBWAGEN<br />
Auch der <strong>Reichsbahn</strong>-Kalender<br />
würdigte die Fahrzeuge mit<br />
Abbildungen, hier ein Motiv mit<br />
einem Dieseltriebwagen 1937<br />
Damit die Rundumsicht der Reisenden nicht<br />
größer beeinträchtigt wurde, blieb dem<br />
Triebfahrzeugführer in den Dieselzügen nur<br />
eine „Nische“ zum Steuern des Fahrzeugs<br />
Nach dem großen Erfolg der Elektrozüge legte die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> mit drei Dieseltriebwagen nach. Im Bild<br />
VT 137 240 bei einem Halt in Wissen an der Sieg<br />
42
Rundumsicht und, so gewünscht, auch Fahrten unter freiem Himmel:<br />
Bei den gläsernen Dieseltriebzügen ließ sich das Dach öffnen<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 43
Betrieb<br />
| DIE VORBEREITUNGEN FÜR DEN POLENFELDZUG<br />
Das Jahr der<br />
„Mobilmachung“<br />
Seit Januar <strong>1939</strong> arbeitete die Wehrmacht Aufmarschpläne<br />
für den Angriffskrieg aus. Nachdem die „Resttschechei“ im März<br />
<strong>1939</strong> ohne Kampfhandlungen eingenommen worden war,<br />
konzentrierten sich die Vorbereitungen auf Polen. Der <strong>Reichsbahn</strong><br />
kam dabei von Beginn an eine wichtige Rolle zu<br />
Anfang Oktober 1938 hatte die Wehrmacht<br />
aufgrund des „Münchner<br />
Ab kommens“ die deutschsprachigen<br />
Randgebiete der Tschechoslowakei<br />
kampflos besetzen können. Hitler war enttäuscht,<br />
dass der vorbereitete Krieg gegen<br />
das Nachbarland ausgeblieben war. Wich -<br />
tige Industriebetriebe sowie für die klamme<br />
deutsche Finanzwirtschaft attraktive jüdi -<br />
sche Vermögen und staatliche Goldreserven<br />
waren außerhalb des deutschen Zugriffs<br />
geblieben.<br />
Einen von Hitler unterschriebenen Zettel<br />
mit einer angeblichen Garantie des „peace<br />
for our time” hatte der englische Ministerpräsident<br />
Chamberlain bei seiner Rückkehr<br />
Der Aufmarsch für den<br />
„Fall Weiß“ verlangte<br />
optimale Verschleierung<br />
nach London triumphierend vorgezeigt.<br />
Die deutsche Führung hielt sich mit solcher<br />
Romantik nicht auf. Am 13. Januar <strong>1939</strong> gab<br />
die Transportabteilung im Generalstab des<br />
Heeres eine Weisung über „Aufmarsch trans -<br />
porte im Mobilmachungsjahr <strong>1939</strong>/40“ he -<br />
raus.<br />
Der Begriff „Mobilmachung“ umschrieb<br />
einen riesenhaften Auftrag. Das aus stehenden<br />
Truppen und Reservisten zu bildende<br />
Kriegsheer umfasste 3.754.000 Mann, dazu<br />
mussten aus Wehrmachts- und Privatbeständen<br />
400.000 Pferde sowie 200.000 Straßenfahrzeuge<br />
beigebracht werden.<br />
Ziel <strong>1939</strong>: „Resttschechei“ und Polen<br />
Verharmlosend als Transportübungsaufgaben<br />
(„Trüa“) bezeichnet, sollten bis zum<br />
1. März zwei Varianten mit den Elementen<br />
„Grenzsicherung/Verteidigung West“ und<br />
„Fall Ost“ (Trüa 5) bzw. „Fall Südost“ (Trüa 8,<br />
Zerschlagung der „Resttschechei“) bear bei -<br />
tet werden. Nachdem am 15. März <strong>1939</strong> der<br />
„Fall Südost“ durch wiederum kampflosen<br />
44<br />
Einmarsch in die zentralen Gebiete Böh -<br />
mens unter Mährens erledigt war, erging am<br />
3. April die „Führerweisung 1 a“, wonach<br />
nunmehr ausschließlich ein Angriff gegen<br />
Polen vorzubereiten war. Wachsamkeitsoder<br />
Handlungsbedarf an allen anderen<br />
Grenzen wurde nicht gesehen. Die Erpressungspolitik<br />
des März <strong>1939</strong> hatte für den<br />
deutschen Aufmarsch den zusätzlichen Vorteil<br />
gebracht, nun auch die unter deutscher<br />
Kontrolle unabhängig gewordene Slowakei<br />
einbeziehen zu können. Der künftige Angriff<br />
würde also Polen vom Süden, Westen und<br />
Norden in die Zange nehmen können.<br />
Eine der schwierigsten Auflagen für die<br />
Wehrmacht war die Beachtung der propagandistischen<br />
Fiktion, dass Polen durch die<br />
Verweigerung von Verhandlungen über Verkehrsfragen<br />
zwischen dem Reich und Ostpreußen<br />
im „Korridor“ einen Angriff provoziere.<br />
Deshalb war optimale Verschleierung<br />
des Aufmarschs für den „Fall Weiß“ verlangt.<br />
Beginn der Detailplanung<br />
Die am 14. Januar <strong>1939</strong> herausgegebenen allgemeinen<br />
Bestimmungen über „Aufmarschvorbereitungen<br />
von Landmärschen und Eisenbahntransporten“<br />
sahen zur Entlastung<br />
der Eisenbahn vor:<br />
a) nicht motorisierte Truppen mit Standort<br />
in Grenznähe sollen die Straße benutzen,<br />
wenn das Aufmarschgebiet dadurch<br />
schneller als per Bahn zu erreichen ist.<br />
b) Bei Einheiten mit Kettenfahrzeugen und<br />
Standort nicht weiter als 100 Kilometer<br />
vom vorgesehenen ersten Einsatzraum<br />
sollen die Räderfahrzeuge auf der Straße,<br />
die Kettenfahrzeuge auf dem Schienenweg<br />
transportiert werden.<br />
c) Sonstige motorisierte Truppen sollen für<br />
Distanzen bis zu etwa 300 Kilometern und<br />
Einheiten von größerer Stärke als ein Regiment<br />
in jedem Fall die Straße benutzen.<br />
Ab Januar <strong>1939</strong> wurden dann allmählich in<br />
Kraft gesetzt
a) die Möglichkeiten der Personalverstärkung<br />
für die den Bahndienststellen beigeordneten<br />
Transportkommandanturen und<br />
Bahnbevollmächtigten der Wehrmacht,<br />
b) die Aktivierung des der Transport ab tei -<br />
lung eigenen Fernschreibnetzes „Hektor“<br />
wochentags von 9 bis 17 Uhr und sams -<br />
tags von 9 bis 14 Uhr,<br />
c) der Befehl zur ständigen Aktualisierung<br />
der Transportbearbeitungen bei Änderungen<br />
von Stärke oder Zusammensetzung<br />
derTruppen, Stand- und Aufstellungsorte,<br />
d) das Verbot, ohne Genehmigung des Transportchefs<br />
Umbauten von Strecken vorzunehmen,<br />
wenn diese entweder eine täg -<br />
liche Leistung von 72 Zügen hatten oder<br />
wenn ihre Betriebsfähigkeit für mehr als<br />
48 Stunden verringert würde,<br />
e) die Bereithaltung fahrbarer Laderampen<br />
an verschiedenen Orten und transpor -<br />
tabel in Güterwagen.<br />
Kalender für den Aufmarsch<br />
Im Hinblick auf die Kapazität der Reichs -<br />
bahn und die Geheimhaltung wurde ab Frühjahr<br />
eine Zweiteilung des Vorhabens konzipiert.<br />
Ab Ende des Monats Juni <strong>1939</strong> wurde un -<br />
terschie den in<br />
a) Schanzbewegungen der ersten und zweiten<br />
Rate sowie die Verlegung von vier Infanteriedivisionen<br />
zwischen 26. Juni und<br />
15. Juli und fünf weiteren zwischen 15. Juli<br />
und 4. August im Bahn- und Landtrans -<br />
port an die Ostgrenze; dieses Bündel von<br />
Maßnahmen konnte einem Beobachter<br />
noch als „die vom Führer befohlenen Maß -<br />
nahmen zur Sicherung der Ostgrenze“<br />
erklärt werden,<br />
b) Schanzbewegungen der dritten Rate 3. bis<br />
14. August und Übungen zur Verdeckung<br />
des beginnenden Aufmarschs in Form von<br />
üblichen Manövern, bei denen dann der<br />
offiziell noch angekündigte Rück trans -<br />
port entfallen sollte. Zur Terminierung<br />
un auffälliger Truppentransporte nach<br />
Ostpreußen bot es sich an, eine riesige<br />
Parade anlässlich des 25. Jahrestages der<br />
Schlacht bei Tannenberg 1914 anzukündigen.<br />
Zugleich wurden 30.000 Angehörige<br />
des Reichsarbeitsdienstes über die Ostsee<br />
nach Ostpreußen gebracht, die statt der<br />
ab Ende Juni einberufenen Reservis ten in<br />
der Landwirtschaft aushelfen sollten.<br />
Im Mai <strong>1939</strong> verlässt ein Truppentransportzug<br />
den Bahnhof Kitzingen. In ähnlicher Form<br />
beförderte die <strong>Reichsbahn</strong> ab Juni Verbände für<br />
den Angriff auf Polen Richtung Reichsgrenze –<br />
getarnt als Manöver, Teil eines Reichsparteitags<br />
bzw. der Feiern zu „25 Jahre Tannenberg-<br />
Schlacht“ Slg. Eisenbahnstiftung<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 45
Betrieb<br />
| DIE VORBEREITUNGEN FÜR DEN POLENFELDZUG<br />
Abschiedsfoto vor der Fahrt in den Krieg<br />
an einem <strong>Reichsbahn</strong>-Bahnhof. Auch wenn<br />
die Mehrzahl der Wehrmachtssoldaten<br />
auf der Schiene in Richtung polnische<br />
Grenze befördert wurden; einige Truppenteile<br />
nutzten auch Straßenverbindungen<br />
Slg. Stefan Ponzlet<br />
c) Manöver und Großereignisse im gesam -<br />
ten Reichsgebiet wie insbesondere der alljährliche<br />
Reichsparteitag sollten wie üblich<br />
transporttechnisch vorbereitet werden,<br />
um dann wie vorgeplant „plötzlich“<br />
auszufallen.<br />
Mit dem Übergang von der dritten Stufe der<br />
Schanzbewegungen zum endgültigen Truppenaufmarsch<br />
wurde die Tarnung schwie -<br />
riger.<br />
Auch wenn Soldaten in der Nähe der<br />
polnischen Grenze zeitweise für friedliche<br />
Erntearbeiten freigegeben wurden, war ihre<br />
Massierung im Osten nun doch unüber -<br />
sehbar geworden. Im nächsten Schritt<br />
musste die <strong>Reichsbahn</strong> etwa 220 Züge für<br />
die „A-Bewegung“ bereitstellen.<br />
Die reichsweite Information der regionalen<br />
Transportkommandanturen geschah bei<br />
einer Zusammenkunft von 21. bis 24. Juni<br />
im thüringischen Oberhof. Mit erstaunlicher<br />
Offenheit erstellte man von Mitte Juli bis<br />
19. August <strong>1939</strong> im Gebiet der Stadt Danzig<br />
über die untere Weichsel einen im Vergleich<br />
zur vorhandenen Fähre leistungsfähigeren<br />
46<br />
Waschpause in Köln-Mülheim; in kürzester Frist wurden im Spätsommer <strong>1939</strong> rund drei<br />
Millionen Menschen in die Bereitstellungsgebiete gebracht Slg. Stefan Ponzlet<br />
Übergang in Gestalt einer von deutschen Pionieren<br />
gebauten 36-Tonnen-Ponton brücke.<br />
Absage der Großereignisse<br />
Am 12. August wurde der <strong>Reichsbahn</strong> mitgeteilt,<br />
dass die beiden größten für das östliche<br />
Reichsgebiet angekündigten Manöver entfallen<br />
würden. Der gleichzeitige Hinweis,<br />
dass die dafür vorgesehenen Transporte<br />
trotzdem stattfinden würden, vermittelte den<br />
zuständigen Dienststellen in geschickter<br />
Form die Zielrichtung der Maßnahmen. Am<br />
15. August um 14:30 Uhr wurde der Chef der<br />
5. Abteilung des Generalstabes des Heeres<br />
davon in Kenntnis gesetzt, dass auch der<br />
„Reichsparteitag des Friedens“ (!) durch<br />
Hitler abgesagt war. Bis zum Mittag des<br />
17. August wurden die Bahndienststellen
über die neue, nunmehr militärische Verwendung<br />
des bereits zusammengezogenen Leermaterials<br />
informiert und zur Umbildung der<br />
Parteitagszüge in Militärzüge aufgefordert.<br />
Ebenfalls am 15. August wurde der 19. August<br />
zum ersten „A-Tag“ bestimmt.<br />
Die Fahrpläne der „A-Bewegung“ waren<br />
bereits zu Friedenszeiten aufgestellt worden<br />
und konnten problemlos in Kraft gesetzt werden.<br />
Damit überlappen sollte sich die „Y-Bewegung“,<br />
deren Tage rückwärts nummeriert<br />
waren. Sie sollte sich vom „Y - 6.“ (zu lesen<br />
Das Leermaterial der<br />
Parteitagszüge wurde in<br />
Militärzüge umgebildet<br />
als „Y minus 6“) Tag bis zum Tag des ersten<br />
Grenz über tritts „Y“ entwickeln. Dies sollte<br />
nach Hitlers Befehl vom 23. August („Y - 3“)<br />
der 26. August <strong>1939</strong> sein. Am 24. August wurden<br />
wesentliche für den „Y - 2“-Tag vorgesehene<br />
Befehle erteilt, und zwar<br />
a) der Befehl des Transportchefs an das<br />
Reichsverkehrsministerium zum Ablauf<br />
der Y-Bewegung,<br />
b) der Befehl zur Bereitstellung des Leermaterials<br />
für den „Fall Weiß“, nämlich 1.700<br />
Züge im Höchstleistungsfahrplan (diese<br />
Zahl entstand aus der Addition eines<br />
reduzierten Friedensfahrplans mit dem<br />
Militärfahrplan – im Gegensatz zu 1914,<br />
als der Militärfahrplan tagelang den gesamten<br />
zivilen Verkehr verdrängt hatte),<br />
c) der Y-Befehl an die motorisierten Teile zum<br />
Vorziehen aus dem „Bereitstellungsgebiet<br />
1“ bzw. den Standorten in das „Bereitstellungsgebiet<br />
2“,<br />
d) der Y-Befehl an fünf Infanteriedivisionen<br />
für Mobilmachung und<br />
e) der Befehl zur Verlegung von Teilen der<br />
Luftwaffe in Richtung Grenze.<br />
Am Abend des 24. August liefen die Transporte<br />
an. Am „Y - 1“-Tag 25. August musste<br />
bis spätestens 12:00 Uhr der endgültige Be -<br />
fehl Hitlers für den „Fall Weiß“ ergehen, da -<br />
mit ein höchstens zwei Stunden danach<br />
zu ergehender „X-Befehl“ den genauen An -<br />
griffs termin festsetzen konnte.<br />
Am 25. Au gust um 20:30 Uhr begann die<br />
Landmarschbewegung aller Truppen aus<br />
den Bereitstellungsgebieten in Richtung polnische<br />
Grenze. Die Absage der von allen informierten<br />
Beamten und Offizieren längst<br />
nicht mehr erwarteten Tannenbergfeier kam<br />
erst am 28. August.<br />
Verschiebung um sechs Tage<br />
Kurz nach Beginn der großen Bewegungen<br />
erreichte ein Haltebefehl Hitlers die Truppe.<br />
Die insbesondere gegenüber England gepflegte<br />
Fiktion einer Verhandlungsbereitschaft<br />
bis zum letzten Augenblick ließ einen<br />
Aufschub des Angriffs ratsam erscheinen.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014<br />
Dazu kamen plötzlich aufgetretene und<br />
bald wieder verdrängte Bedenken Hitlers<br />
wegen eines bekannt gewordenen britischpol<br />
nischen Bündnisvertrages. Durch die<br />
Verschiebung wurde es – unter Behebung<br />
ei niger Stauungen – möglich, einen Teil der<br />
für die „Y +“-Tage vorgesehenen Verlegungen<br />
noch vor Beginn der Kampfhand lun -<br />
gen zu erledigen.<br />
Einschließlich der vorsichtshalber getroffenen<br />
Sicherungsmaßnahmen im Westen<br />
wurden in kürzester Frist rund drei<br />
Millionen Menschen, 400.000 Pferde und<br />
200.000 Fahrzeuge in die Bereitstellungsgebiete<br />
gebracht. Dazu kamen die notwendigen<br />
Ergänzungen mit Waffen, Munition, Gerät,<br />
Verpflegung, Betriebsstoff usw.<br />
Der Angriffsbefehl<br />
Am 31. August <strong>1939</strong> um 12:40 Uhr befahl<br />
Hitler endgültig den Angriff am 1. September<br />
<strong>1939</strong> um 4:45 Uhr. (Seine Verkündung<br />
am selben Tage, „seit 5:45 Uhr“ werde „zurückgeschossen“,<br />
stimmte also nicht ein -<br />
mal in zeitlicher Hinsicht.) 57 aktive Divisionen<br />
be gannen befehlsgemäß mit dem<br />
Angriff, der schnell zum militärischen Erfolg<br />
führte.<br />
Das Reichsverkehrsministerium stellte<br />
anschließend eine Bilanz auf. Die <strong>Reichsbahn</strong><br />
hatte einsetzen müssen:<br />
– 13.800 Personenwagen,<br />
– 79.800 (von insgesamt 196.000) gedeck -<br />
ten Güterwagen,<br />
– 36.800 (von insgesamt 46.000) Rungenwagen,<br />
– 42.900 (von insgesamt 71.500) offenen<br />
Güterwagen und<br />
– 12.100 sonstige Wagen.<br />
Das waren mehr als dreimal so viele Wagen<br />
als von der Wehrmacht zuvor veranschlagt!<br />
Gefahren wurden<br />
– im Friedensfahrplan 337 Züge (vorhe-<br />
rige Wehrmachtsschätzungen: 300)<br />
– im Höchstleistungsfahrplan 4.107 Züge<br />
(vorherige Schätzung: 1.700).<br />
Kommende Katastrophe<br />
Einschließlich der Züge in Richtung Westen<br />
erbrachte die <strong>Reichsbahn</strong> nach eigener Bilanz<br />
eine Abfuhr von 14.857 Zügen im Vergleich<br />
zur Wehrmachtsprognose von 4.000<br />
Zügen. Der schnelle Sieg im Polenfeldzug<br />
und das Stillhalten der Franzosen und Engländer<br />
im Westen ließen den Kontrast zwischen<br />
der zu optimistischen militärischen<br />
Prognose und der tatsächlichen Auslastung<br />
der Bahn in diesem Krieg noch nicht zum<br />
Problem werden. Im Frankreich feld zug<br />
1940 waren jedoch krisenhafte Entwick -<br />
lungen im Transportwesen nicht mehr zu<br />
übersehen. Und im Ostfeldzug 1941 sollten<br />
sie schließlich zur kriegsentschei den den<br />
Katas trophe werden. Andreas Knipping<br />
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| ERSTE KÄMPFE MIT EISEN<strong>BAHN</strong>-BEZUG<br />
Der Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August <strong>1939</strong> hatte dem deut -<br />
schen Diktator die Sorge genommen, auf seinem Feldzug<br />
gegen Polen auch gleich einen Konflikt mit der Sowjetunion<br />
zu riskieren. Das wollte Adolf Hitler umgehend nutzen und setzte<br />
den Angriff auf das Nachbarland auf den 26. August <strong>1939</strong> fest. So -<br />
gleich sollten Kommandounternehmen verkehrstechnische Schlüs -<br />
selpositionen in Polen unter deutsche Kontrolle bringen.<br />
Vorstoß zum Jablunka-Pass<br />
In diesem Sinne sah die Wehrmacht den 800 Meter langen Eisenbahntunnel<br />
unter dem Jablunka-Pass als besonders interessant an.<br />
Er gehörte zu der ursprünglich von der Kaschau-Oderberger Bahn<br />
gebauten Strecke aus der zentralen Slowakei nach Oberschlesien;<br />
über diese Verbindung sollte die Wehrmacht in Richtung Teschen/<br />
Dzieditz vordringen können. Die nach dem wichtigsten Fluss benannte<br />
Region, als „Olsa-Gebiet“ in die Geschichte eingegangen, gehörte<br />
erst seit November 1938 zu Polen. Die von der Abtretung der<br />
Sudetengebiete an Deutschland geschwächte Tschechoslowakei<br />
hatte sich einer polnischen Gebietsforderung beugen müssen.<br />
Unter dem Kommando eines Leutnants Herzner überschritt am<br />
25. August <strong>1939</strong> eine „Kampforganisation Jablunka“ aus militärisch<br />
ausgebildeten Volksdeutschen bei Čadča die slowakisch-polnische<br />
Grenze. Gekleidet waren die etwa 30 Männer teils in Zivil und teils<br />
in polnische (!) Uniformen. Die Verschiebung des Angriffsbefehls<br />
am Abend des 25. August konnte dieser Truppe nicht mehr rechtzeitig<br />
mitgeteilt werden, weil ihre Funkgeräte in der zerklüfteten und bewaldeten<br />
Landschaft keinen Empfang hatten. So setzten sie ihren<br />
Vormarsch fort, noch bevor der Zweite Weltkrieg begann. Die Män -<br />
ner erklommen den Jablunka-Pass. Ihre Befehle lauteten, den Pass<br />
zu nehmen, die Sprengung des darunter verlaufenden Eisenbahntunnels<br />
zu verhindern und alle Sprengmittel zu demontieren. Für<br />
den nächsten Tag war die Übergabe an die von Žilina nach rückende<br />
Wehrmacht vorgesehen.<br />
Für den Fall eines deutschen<br />
Angriffs war mit einer polnischen<br />
Sprengung zu rechnen<br />
Die Einheit überrumpelte die polnischen Verteidiger des Grenzbahnhofs<br />
Mosty, zerschoss die Scheiben des Bahnhofgebäudes,<br />
besetzte Bahnhof und Telefonzentrale und nahm einige im Wartesaal<br />
sitzende Arbeiter gefangen. Jedoch übersahen die Eindringlinge<br />
ein im Keller eingerichtetes Telefon, mit dem die Telefonistin Dienst -<br />
stellen im Landesinneren informieren konnte. Als polnische Kräfte<br />
nachrückten und eigene Verstärkung ausblieb, entschied sich Herz -<br />
ner, zur slowakischen Grenze zurückzukehren. Seine Truppe schlug<br />
sich in sechseinhalb Stunden zur Grenze durch. Noch war Heuchelei<br />
angesagt: Am 26. August <strong>1939</strong> entschuldigte sich eine Abordnung<br />
Jablunka-Pass<br />
und<br />
Weichsel<br />
brücken<br />
Schon vor dem Überfall<br />
auf Polen versuchte ein deutscher<br />
Verband im August <strong>1939</strong>, eine<br />
polnische Eisenbahnstrecke<br />
einzunehmen. Ohne Erfolg. Auch<br />
das Vorhaben der Wehrmacht,<br />
nach Kriegsbeginn die Weichsel-<br />
Verbindung nach Dirschau<br />
unbeschadet zu erobern, misslang.<br />
Die Bilanz der ersten Kampf -<br />
handlungen mit Eisenbahn-Bezug<br />
war dennoch blutig<br />
48
deutscher Offiziere für einen angeblich „von einem Unzurechnungsfähigen<br />
verursachten Zwischenfall“. Als die Wehrmacht am 1. September<br />
<strong>1939</strong> tatsächlich angriff, funktionierte die von polnischer<br />
Seite ausgelöste Sprengung des Tunnels planmäßig. Die erste<br />
Militäraktion des Zweiten Weltkriegs mit Eisenbahn-Bezug war in<br />
jeder Hinsicht gescheitert.<br />
Die Weichselbrücken bei Dirschau<br />
Bei Kriegsbeginn versuchte die deutsche Wehrmacht erneut, ein<br />
Eisenbahn-Ziel in Polen zu vereinnahmen. Ein besonders neuralgischer<br />
Bereich der deutsch-polnischen Grenze war in der Zwischenkriegszeit<br />
– und im Falle eines Angriffs – der Unterlauf der Weichsel.<br />
Nur eine einzige leistungsfähige Verbindung führte von Marienburg<br />
(in Westpreußen, verkehrsgeographisch jedoch zum abgetrennten<br />
Ostpreußen gehörend) durch das Gebiet der Freien Stadt Danzig<br />
und sodann in Gestalt einer Straßen- und einer Eisenbahnbrücke<br />
über den breiten Strom in das im polnischen Korridor gelegene Dirschau.<br />
Für den Fall eines deutschen Angriffs war mit einer polnischen<br />
Sprengung zu rechnen.<br />
Ab Mitte Juli <strong>1939</strong> erkundete die deutsche Seite so heimlich wie<br />
sorgfältig die Aufstellung der polnischen Posten, den Verlauf der<br />
Sprengleitungen und die möglichen Sprengstellen.<br />
Am 1. September <strong>1939</strong> versteckten sich auf dem deutschen Grenzbahnhof<br />
und deutsch-polnischen Lokwechselbahnhof Marienburg<br />
mehrere Pionierkompanien in einem leeren Güterzug, der dann der<br />
polnischen Seite wie üblich als abholbereit gemeldet wurde. Aus<br />
Dirschau kam eine Lok mit polnischem Personal. Die <strong>Deutsche</strong>n<br />
töteten den Lokführer und den Heizer – es waren die ersten Toten<br />
des Zweiten Weltkriegs – und ersetzten sie durch eine deutsche<br />
Besatzung in polnischen Eisenbahneruniformen. Der Zug setzte<br />
sich in Richtung Danziger Gebiet und Weichselbrücke in Bewegung,<br />
in einigem Abstand gefolgt von einem behelfsmäßigen Panzerzug.<br />
Damit die Fahrt dieser Züge nicht in Richtung Dirschau gemeldet<br />
werden konnte, ermordeten von Danzig aus operierende Kommandotrupps<br />
20 an der Strecke Dienst verrichtende polnische Eisenbahner.<br />
Noch bevor die Züge die Brücke erreicht hatten, griffen Sturzkampfbomber<br />
der deutschen Luftwaffe um 04:33 Uhr den Bahnhof<br />
Dirschau und den Unterstand an, von dem aus die Sprengung geleitet<br />
werden sollte. Dadurch gewarnt, konnten polnische Kräfte die an<br />
der Brücke angebrachten Tore schließen und zusätz liche Sperren<br />
anbringen. Noch bevor die aus den Zügen gesprun genen deutschen<br />
Soldaten die Hindernisse überwinden und die Sprengleitungen<br />
durchschneiden konnten, sprengten die Polen um 06:10 Uhr und<br />
06:40 Uhr zwei Pfeiler der Eisenbahnbrücke.<br />
Für den Bahnverkehr war dies ein Debakel: Es sollte bis zum<br />
18. Oktober <strong>1939</strong> dauern, bis ein beschränkter Verkehr über eine<br />
Behelfsbrücke anlaufen konnte.<br />
Andreas Knipping<br />
Mit Kriegsbeginn versuchte die Wehrmacht, die Eisenbahnbrücken<br />
bei Dirschau unbeschadet zu erobern. Aber der Angriff vom<br />
1. September <strong>1939</strong> wurde zum Fiasko; den polnischen Verteidigern<br />
gelang die Sprengung der Brücke, die Verbindung blieb bis Mitte<br />
Oktober unterbrochen (Bild vom 8. September <strong>1939</strong>) Slg. Dr. Brian Rampp<br />
O l<br />
s a<br />
g e<br />
b i<br />
e t<br />
Jablunkapass<br />
Im November 1938<br />
hatte Polen seine<br />
Grenze westwärts<br />
ausgedehnt und<br />
tschechoslowakisches<br />
Gebiet<br />
vereinnahmt; die<br />
magentafarbene<br />
Linie markiert den<br />
übernommenen<br />
Bereich. In diesem<br />
liegt auch der<br />
Jablunka-Pass,<br />
den ein deutscher<br />
Verband im Vorfeld<br />
des Angriffs auf<br />
Polen für den Auf -<br />
marsch einnehmen<br />
wollte<br />
Slg. Andreas Knipping/<br />
Bearbeitung: Anneli Nau<br />
Das Streckennetz<br />
rund um Dirschau<br />
<strong>1939</strong>; von Marienburg<br />
aus versuchte<br />
die Wehrmacht,<br />
die Eisenbahn -<br />
brücken über die<br />
Weichsel unversehrt<br />
einzunehmen<br />
Slg. A. Knipping<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 49
Betrieb<br />
| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />
Verwaltung<br />
des Mangels<br />
Gestützt auf den Winterfahrplan 1935/36, wurde schon 1936 mit<br />
der Ausarbeitung eines Fahrplanes für den Kriegsfall begonnen.<br />
Spätestens 1938 war die <strong>Reichsbahn</strong> aktiv in die Vorbereitungen für<br />
den Krieg einbezogen und wurde das größte Transportunternehmen<br />
für die Wehrmacht. <strong>1939</strong> galt bei ihr letztmals ein Friedensfahrplan<br />
50
Dienst im Thüringer Wald: Am 1. Juni <strong>1939</strong> ist 94 1167 mit P 3073 auf dem Weg zum Rennsteig (Bild bei Thomasmühle).<br />
Auch im Nahverkehr reduzierte die <strong>Reichsbahn</strong> zu Kriegsbeginn den Betrieb, aber weniger als im Fernverkehr Slg. Brinker<br />
Am 20. April <strong>1939</strong>,<br />
dem reichsweit<br />
mit immensem<br />
Pathos began -<br />
genen „Führergeburtstag“,<br />
hält<br />
Carl Bellingrodt<br />
den nordwärts<br />
fahrenden FD 101<br />
„Rheingold“<br />
bei Boppard am<br />
Rhein im Bild<br />
fest. Es sollte<br />
der letzte Führergeburtstag<br />
sein,<br />
an dem der<br />
luxuriöse Fernschnellzug<br />
im<br />
Einsatz war<br />
Slg.der Eisenbahnstiftung<br />
Bereits 1938 musste die <strong>Reichsbahn</strong><br />
umfangreiche Veränderungen in der<br />
Betriebsführung vornehmen. Nach<br />
dem „Anschluss“ Österreichs an das <strong>Deutsche</strong><br />
Reich im Frühjahr wurde die Österreichische<br />
Bundesbahn (BBÖ) in die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Reichsbahn</strong> (DRB) überführt und der Betriebsdienst<br />
schleppend angeglichen. Die<br />
Zahl der über Passau abgefertigten Güterzüge<br />
hatte sich beispielsweise im Oktober<br />
1938 mehr als verdoppelt, doch wurde die<br />
zolltechnische Behandlung der Güter erst<br />
Ende 1938 abgeschafft. Anpassungen an die<br />
organisatorische Struktur der <strong>Reichsbahn</strong>,<br />
Fahrplanänderungen und die beschleunigte<br />
Ausrüstung der österreichischen Güterzuglokomotiven<br />
und -wagen mit Druckluft -<br />
bremsen zogen sich weit über das Jahr 1938<br />
hinaus.<br />
Diesem ersten expansiven Schritt folgten<br />
seit Anfang Oktober 1938 weitere Gebiets -<br />
besetzungen in benachbarten Staaten, die<br />
erst im März <strong>1939</strong> mit dem Einmarsch in Litauen<br />
und der Besetzung des Memelgebietes<br />
ein Ende fanden. Jeder dieser politischen<br />
Schrit te zur Einverleibung benachbarter Gebiete<br />
musste durch die <strong>Reichsbahn</strong> als größtem<br />
Verkehrsträger im <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />
ge tra gen werden. Die Transportleistungen<br />
wuch sen, die Fahrpläne im Reise- und Güter -<br />
zug verkehr waren beständig den neuen<br />
Er for dernissen anzupassen.<br />
Die großen militärischen und industriel -<br />
len Bauvorhaben im Reich hatten zudem<br />
zu einer erheblichen Wanderungsbewegung<br />
von Arbeitskräften geführt, welche vornehmlich<br />
die <strong>Reichsbahn</strong> bewältigen musste. Der<br />
Urlaubs- und Feiertagsverkehr brachte die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> immer wieder an den Rand ihrer<br />
Möglichkeiten. Gegenüber 1937 wurden 1938<br />
rund 30 Prozent mehr D-Züge und 20 Pro -<br />
zent mehr Eilzüge zur Verfügung gestellt,<br />
begleitet durch zusätzliche Saisonzüge und<br />
265 Feriensonderzüge. Der Fahrplan des<br />
Fernverkehrs wurde <strong>1939</strong> nur gering erweitert,<br />
blieb aber im Rahmen der angespannten<br />
Verhältnisse von 1938.<br />
Fernschnellzüge <strong>1939</strong> und danach<br />
In rascher Folge hatte die <strong>Reichsbahn</strong> seit<br />
1934 das Angebot an Fernschnellzügen (FD)<br />
ausgebaut. Neu hinzu kamen Verbindungen<br />
mit Dieseltriebzügen (FDt), die anfänglich<br />
eine schnelle Verbindung ausgewählter<br />
Groß städte mit Berlin darstellten. Ab 1935<br />
Noch zum Sommer <strong>1939</strong><br />
gab es neue FDt-Züge – sie<br />
fuhren bis Ende August<br />
wurden auch innerdeutsche Schnelltriebwagenverbindungen,<br />
zum Beispiel Köln – Hamburg-Altona,<br />
geschaffen. Diese meist kurzen,<br />
nur die 2. Wagenklasse führenden Züge stellten<br />
als FDt-Züge einen Zusatzverkehr zum<br />
vorhandenen D- und Eilzugverkehr sowie<br />
den dampfbespannten FD-Zügen dar. Mit<br />
dem Sommerfahrplan 1936 wurde ab Mai<br />
auf der Strecke Berlin – Breslau – Beuthen<br />
erstmals auch die 3. Wagenklasse in einem<br />
51
Betrieb<br />
| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />
Stichwort<br />
Projekt Einbett<br />
Um im Fernreiseverkehr den Wettbewerb<br />
mit Kraftwagen und Flugzeug bestehen<br />
zu können, plante die <strong>Reichsbahn</strong> Ende<br />
der 1930er-Jahre ein Projekt der „Einbettschlafwagenzüge“.<br />
Der gehobene Komfort<br />
sollte die Schiene als Reisemöglichkeit<br />
noch attraktiver machen; immerhin<br />
hatte die Zahl der Reisenden in Schlafwagen<br />
von 1933 bis 1938 um 386.326 Personen<br />
oder 74,18 Prozent zugenommen.<br />
Im Auftrag der <strong>Reichsbahn</strong> fertigten die<br />
Waggonfabrik Wegmann & Co, Kassel,<br />
und die Linke-Hofmann-Werke AG, Breslau,<br />
insgesamt fünf Entwürfe und Modelle<br />
für 26 Meter lange, eineinhalbstöckige<br />
Schlafwagen mit Seitengang. Für<br />
einen deutlichen Qualitätssprung sollten<br />
je nach Entwurf 15 bis 22 Einbettabteile<br />
pro Wagen sowie Dusch- und Frühstücksräume<br />
sorgen. Der Verzicht auf den Wagenklassenunterschied<br />
und ein tragbarer<br />
Preis für das Einzelabteil (Fahrkarte<br />
2. Klasse plus Liegewagenzuschlag)<br />
würde zudem eine erhebliche Zunahme<br />
der Schlafwagenfahrten bringen.<br />
Seit 1936 setzte die <strong>Reichsbahn</strong> auch elektrische Schnelltriebwagen ein, im Bild elT 1900 in<br />
Geislingen auf der Fahrt von München nach Stuttgart. Nach ziemlich genau drei Jahren wurden<br />
sie kriegsbedingt abgestellt Slg. Oliver Strüber<br />
Schlafwagen-<br />
Fahrplan der<br />
Mitropa von <strong>1939</strong>;<br />
die Planungen für<br />
die komfortablere<br />
Ein-Bett-Variante<br />
liefen zu der<br />
Zeit schon, eine<br />
Realisierung<br />
unterblieb aber<br />
Slg. Dieter Heckl<br />
Neben der Umstellung vorhandener<br />
Schlafwagenkurse auf Einbettschlaf -<br />
wagen sollten Einbettschlafwagenzüge<br />
in die Urlaubsgebiete verkehren. Um<br />
eine ausreichende Nachtruhe zu gewährleisten,<br />
wurde deren Höchstgeschwindigkeit<br />
auf 90 km/h festgelegt. Als Zuglokomotiven<br />
sah man die in Bau befindlichen<br />
Baureihen 45 (Dampflok, Bauart<br />
1’E1‘-h3) und E 94 (Ellok, Achsfolge<br />
Co’Co‘) vor. Die Dampflokomotive sollte<br />
einen 1.000-Tonnen-Zug aus Gepäckwagen<br />
und 19 Schlafwagen für 342 Reisende<br />
befördern; die Ellok war für einen<br />
2.000-Tonnen-Zug aus Gepäckwagen<br />
und 38 Schlafwagen für 684 Reisende<br />
vorgesehen.<br />
Doch dazu kam es nicht: Der Ausbruch<br />
des Zweiten Weltkriegs verhinderte<br />
die weitere Ausführung des Projekts.<br />
Heute erinnert daran nur noch eine<br />
Denkschrift.<br />
Leonhard Bergsteiner<br />
52<br />
Im Juni <strong>1939</strong> ist eine E 44 mit einem Sonderzug im Württembergischen unterwegs. Vor allem<br />
für den Ferienverkehr legte die <strong>Reichsbahn</strong> in jenem Sommer viele zusätzliche Züge ein –<br />
und dann wieder, als der Aufmarsch begann Slg. Dirk Winkler<br />
Schnelltriebwagen mitgeführt. Zudem ergänzte<br />
die <strong>Reichsbahn</strong> den repräsentativen<br />
Triebwagenverkehr durch den Einsatz<br />
des dampfbespannten Henschel-Wegmann-<br />
Zuges auf der Strecke Dresden – Berlin Anhalter<br />
Bahnhof – Dresden. Ab August 1936<br />
kamen erstmals elektrische Schnell trieb -<br />
wagen zwischen München und Stutt gart<br />
zum Einsatz.<br />
Die <strong>Reichsbahn</strong> passte die Verbindungen<br />
über die Jahre und im Rahmen der Ablieferung<br />
neuer Fahrzeuge der stetig wachsenden<br />
Nachfrage an. Mit Einführung des Sommerfahrplans<br />
<strong>1939</strong> richtete sie vier neue Verbindungen<br />
ein: Basel SBB – Karlsruhe – Frankfurt<br />
(Main) – Halle – Berlin Anhalter Bahnhof,<br />
Basel DRB – Karlsruhe – Frankfurt (Main) –<br />
Köln – Dortmund, Leipzig – Magdeburg –<br />
Hannover – Bremen – Wesermünde, Hamburg-Altona<br />
– Magdeburg – Halle – Leipzig –<br />
Dresden Hbf. Auf der Strecke Berlin Lehrter<br />
Bahnhof – Hamburg-Altona wurde ein zusätzliches<br />
Zugpaar eingelegt. Für Mitte August<br />
war weiterhin die Aufnahme eines Zugpaares<br />
auf der Strecke Breslau – Liegnitz –<br />
Görlitz – Dresden-Neustadt – Leipzig vorgesehen.<br />
Sie sollte jedoch nicht mehr zustande<br />
kommen.<br />
Denn am 22. August <strong>1939</strong>, noch vor dem<br />
Überfall auf Polen, schränkte die Reichs -
Auf die Gastlichkeit im Speiseabteil der Schnelltriebwagen (Foto) müssen die Reisenden ab<br />
22. August <strong>1939</strong> verzichten; mit dem in Kraft tretenden Notfahrplan stellt die <strong>Reichsbahn</strong> die<br />
Triebwagen ab. Auch das allgemeine Speisewagen-Angebot wird eingeschränkt Slg. Gerhard<br />
Das Erinnerungsfoto mit Soldat täuscht über<br />
den Ernst der Lage hinweg. Ab Spätsommer<br />
<strong>1939</strong> gelten für die zivilen Reisenden andere<br />
Regeln; die <strong>Reichsbahn</strong> reduziert die Zugzahl<br />
und verlängert die Fahrzeiten Slg. Peter Schricker<br />
bahn ihr Fernreiseangebot deutlich ein. Die<br />
Fernschnellzugverbindungen wurden nahe -<br />
zu komplett eingestellt; auch der FD 101/102<br />
„Rheingold“ Hoek van Holland/Amsterdam –<br />
Basel (– Mailand), bis dato der Paradezug<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>, und der Henschel-Wegmann-Zug<br />
verkehrten nicht mehr. Der Einsatz<br />
dieser teils luxuriös ausgestatteten Züge,<br />
die zudem nur einem ausgewählten, mengen -<br />
mäßig kleinen Publikum dienten, hatte in<br />
einem Krieg, der aller verfügbaren Reserven<br />
bedurfte, keinen Platz mehr. Der Sommerfahrplan<br />
von 1941 weist nur noch ein FD-Zugpaar<br />
aus. Einen Ersatz für diese Züge sollte<br />
es nicht geben. Die Reisenden waren nunmehr<br />
auf die verbliebenen Züge in den gleichen<br />
Relationen angewiesen, die allerdings<br />
meist wesentlich längere Fahrzeiten hatten.<br />
Vom Friedens- zum Kriegsfahrplan<br />
Die <strong>Reichsbahn</strong> ging auch in den Sommer<br />
des Jahres <strong>1939</strong> mit der großen Herausforderung,<br />
den Ferienverkehr zu bewältigen. Noch<br />
war es vielen Menschen im <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />
möglich, an die See oder ins Gebirge zur Erholung<br />
zu fahren. Dazu gab es die Urlauberströme<br />
der auswärtigen Arbeiter von den<br />
Großbaustellen im Reich, wie den Hermann-<br />
Göring-Werken bei Salzgitter, den Volkswagenwerken<br />
bei Fallersleben oder dem Bau<br />
des Westwalls. Einschränkungen wurde vor<br />
allem bei den Gesellschafts- und Verwaltungssonderzügen<br />
vorgenommen. Zusätzliche<br />
Sonderzugleistungen musste die <strong>Reichsbahn</strong><br />
hingegen für Wehrmachtsurlauber sowie<br />
den Wochenendverkehr auswärtig<br />
beschäftigter Arbeiter oder abgeordneter Beamter<br />
stellen. Im stark belasteten Güterverkehr<br />
suchte sie nach Entlastung durch betriebliche<br />
wie auch bauliche Maßnahmen.<br />
So wurden <strong>1939</strong> geschlossene Kohlezüge eingeführt,<br />
die zur Stabilisierung der Kohleversorgung<br />
im Reich beitragen sollten. Gleichzeitig<br />
war ein besonderer Kohleverkehr von<br />
Saar, Ruhr und Oberschlesien nach Italien<br />
sicherzustellen. Materialtransporte zu den<br />
Baustellen der Industrie, aber auch der Organisation<br />
Todt (Limesprogramm) banden<br />
beträchtliches Wagenmaterial und führten<br />
zu einer Anspannung des Güterzugfahrplans.<br />
Eine weitere Belastung des Regelbetriebs<br />
brachten die verschiedenen militärischen<br />
Aufmärsche für den Angriff. In dieser Zeit,<br />
bis zum Herbst <strong>1939</strong>, wurde der Reisezugverkehr<br />
auf die Züge des so genannten Stammplanes<br />
reduziert, die mit 350 bis 500 Tonnen<br />
Zuggewicht im Fernreiseverkehr nur ungenügend<br />
die Anforderungen erfüllten. Wer reisen<br />
wollte, brauchte Geduld und Zeit. Zusätzlich<br />
wurde der Verkehr durch die mit Kriegsbeginn<br />
eingeführte Verdunkelung von Zügen<br />
und Anlagen erschwert. Das Ein- und Aus-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 53
Betrieb<br />
| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />
Unterhalb von Burg Lauenstein im Frankenwald sind im Frühjahr <strong>1939</strong> zwei Schnelltriebwagen<br />
unterwegs. Die FDt-Verbindung Berlin – München, von der <strong>Reichsbahn</strong> stolz in solchen<br />
Bildern dokumentiert, hat bald darauf ausgedient; im Krieg sieht man sie als unnötig an<br />
steigen im Dunkeln verlängerte die nicht<br />
fahrplanmäßigen Aufenthalte auf den Bahnhöfen<br />
und führte zu Betriebsschwierigkeiten.<br />
Auch das Gefahrenrisiko stieg. Erst nach<br />
Ende des Polenfeldzuges wurden die Fahrpläne<br />
wieder erweitert, so dass ein ausreichender<br />
Reise- und Güterzugbetrieb gewährleistet<br />
werden konnte.<br />
Von einer Normalisierung konnte jedoch<br />
keine Rede sein. Das zeigt sich auch daran,<br />
dass die <strong>Reichsbahn</strong> jeweils zum 8. Oktober<br />
Besonderes Augenmerk<br />
auf der Sicherstellung<br />
des Weihnachtsverkehrs<br />
<strong>1939</strong>, zum 1. Dezember <strong>1939</strong> und nochmals<br />
zum 21. Januar 1940 einen offiziellen Fahrplanwechsel<br />
durchführte. Kleinere Fahrplanänderungen<br />
nahm sie nahezu wöchentlich<br />
vor und passte so den Betrieb den Erfordernissen<br />
des Kriegsverkehrs an. Das verfüg -<br />
bare Fahrzeugmaterial spielte hierbei eben -<br />
so eine Rolle wie das durch die Okkupation<br />
Polens neuerlich hinzugekommene Netz mit<br />
seinen Strecken und Zugbildungsstationen.<br />
Fronturlauberzüge waren neu mit einzuplanen,<br />
und gleichermaßen auch Lazarett- und<br />
Leichtkrankenzüge sowie Transporte für<br />
Umsiedler, Evakuierungen und Räumungen.<br />
54<br />
Die <strong>Reichsbahn</strong> versuchte der angespannten<br />
Lage durch eine generelle Reduzierung der<br />
Zahl der Reisezüge zu begegnen. Weniger,<br />
aber längere Züge sollten einerseits Transportkapazität<br />
sicherstellen, zum anderen<br />
Personal und Fahrzeuge einsparen helfen.<br />
Das Zuggewicht der Reisezüge wurde auf<br />
600 Tonnen erhöht.<br />
Neben dem Berufsverkehr, der reibungslos<br />
durchzuführen war, wurde besonderes<br />
Augenmerk im Reisezugbetrieb auf die Sicherstellung<br />
des Weihnachtsverkehrs <strong>1939</strong><br />
gelegt, zu dem man die letzten Betriebsre -<br />
serven benötigte. Unter diesen Bedingungen<br />
wurde auch die kurzzeitige Verwendung von<br />
Verbrennungstriebwagen vom 18. Dezember<br />
<strong>1939</strong> bis zum 4. Januar 1940 genehmigt.<br />
Kriegsfolgen für den Fahrzeugpark<br />
Der Geschäftsbericht der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong><br />
für das Jahr <strong>1939</strong> zeigt auf, welche Anforderungen<br />
der Krieg auch an ihren Fahrzeugbestand<br />
stellte. Die <strong>Reichsbahn</strong> musste<br />
zwei- und vierachsige Reisezugwagen für<br />
Truppentransporte sowie Lazarettzüge<br />
stellen, weiterhin höherwertige Reisezug-,<br />
Speise- und Schlafwagen für die zahlreichen<br />
Sonderzüge der Wehrmacht und der Reichsregierung.<br />
Der dadurch hervorgerufene<br />
Fahrzeugmangel ließ sich nicht ausgleichen.<br />
Abfahrsignal für den Schnellzug Berlin –<br />
München – Rom am Anhalter Bahnhof. Der<br />
Bedarf an vierachsigen Reisezugwagen<br />
für das Militär dünnte den Bestand bei der<br />
<strong>Reichsbahn</strong> ab Mitte <strong>1939</strong> aus Slg. Gerhard (2)<br />
Vielmehr hatte das Konsequenzen für den<br />
Regelbetrieb: So wurde der Einsatz von Speisewagen<br />
in den Zügen mit Kriegsbeginn eingeschränkt<br />
und ab dem 1. Juni 1942 gänzlich<br />
eingestellt.<br />
Zusätzliche Transportkapazitäten banden<br />
schon Ende <strong>1939</strong> hunderte von Sonderzügen<br />
für deutsche Flüchtlinge aus Polen, Umsied -<br />
ler aus dem Baltikum und der Sowjetunion<br />
sowie für erste Fremdarbeiter. Aus dem Baltikum<br />
über den Seeweg ankommende 70.000<br />
Baltendeutsche mussten <strong>1939</strong> im <strong>Deutsche</strong>n
Vergleich<br />
Fahrplanbeispiele <strong>1939</strong>/1940<br />
Schon am 22. August <strong>1939</strong> führte die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Reichsbahn</strong> einen Notfahrplan ein.<br />
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs<br />
kam es dann zu weiteren, erheblichen<br />
Einschränkungen im Zugverkehr.<br />
Das zeigt hier beispielhaft die Gegenüberstellung<br />
für die Strecke München –<br />
Ingolstadt (– Nürnberg). Die Tabelle verzeichnet<br />
den Zugverkehr im Sommer <strong>1939</strong><br />
und nach dem ab 21. Januar 1940 gültigen<br />
Kursbuch – nachdem bereits einige Fahrplanwechsel<br />
vorgenommen waren.<br />
Enthalten sind jeweils alle Züge zwischen<br />
München und Ingolstadt (ohne den Vorortverkehr<br />
München – Petershausen);<br />
darüber hinaus wurden nur die weitergehenden<br />
Zugläufe berücksichtigt.<br />
Der Übersichtlichkeit halber ist lediglich<br />
das Zugangebot in einer Richtung dar -<br />
gestellt, für die Gegenrichtung gilt analog<br />
das gleiche.<br />
Fahrplan Sommer <strong>1939</strong><br />
Zug-Nr D 47 P 217 FDt D 467 E 155 D 139 D 89 FD P 847 P 211 P 209 Vz P 213 D 503 P 207 P 255 E 390 P 889 P 235 D 387 D 463 P 271 D 363 P 243<br />
551 263 213<br />
Verkehrstage TGL TGL W Sais. TGL Sais. TGL TGL TGL TGL TGL Sa TGL Sais. TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL<br />
München Hbf ab 0:00 5:05 6:40 6:45 7:00 8:35 8:55 9:15 9:25 9:43 11:48 12:55 13:07 13:50 15:20 16:52 17:50 19:30 20:20 21:40 22:15 22:30 23:20 23:26<br />
Ingolstadt Hbf an 0:57 6:49 I 7:34 8:02 9:31 9:48 I 10:31 11:29 13:05 14:37 14:50 14:43 17:05 18:35 18:46 20:40 22:00 I I 23:45 I 0:53<br />
Ingolstadt Hbf ab 0:59 7:03 I 7:36 8:04 9:34 9:50 I 10:35 11:44 15:18 14:45 17:15 19:03 18:49 20:42 22:13 I I I 1:07<br />
Treuchtlingen an 1:48 8:36 I I 8:56 I I I 11:33 12:59 16:36 I 20:19 19:42 21:39 23:30 I I I<br />
Treuchtlingen ab 1:56 I I 9:04 I I I 11:41 16:47 I 20:34 19:50 21:47 I I I<br />
Nürnberg Hbf an 2:40 8:31 9:55 11:03 ~ ~ 12:39 18:02 ~ 21:58 20:38 22:47 ~ ~ ~<br />
Würzburg Hbf an 4:33 12:37 12:24 17:20 1:13 1:45 2:49<br />
weiter nach Dortm. Berl. Müns. Berl. Hamb. Hoek Leipz. Würz. Ingol. Eisen. Hamb. Köln Dort- Ingol.<br />
Nordd. An.Bf. Brem. v. H. (Dtm.) Nord Brem. mund Nord<br />
FahrplanJanuar 1940<br />
Zug-Nr D 47 P 217 E 155 D 139 FD P 847 P 209 Vz P 213 P 207 P 255 E 390 P 889 P 235 D 387 D 363 P 271<br />
263 213<br />
Verkehrstage TGL TGL TGL Sais. TGL TGL Sa Sa TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL TGL So<br />
München Hbf ab 0:00 4:53 6:40 10:05 8:50 8:55 11:50 13:00 13:10 14:50 16:40 18:00 20:18 20:30 21:40 22:20 22:30<br />
Ingolstadt Hbf an 1:01 6:51 7:49 11:07 I 10:06 13:13 14:53 15:03 16:37 18:38 19:01 21:32 22:19 I I 23:57<br />
Ingolstadt Hbf ab 1:04 7:03 7:52 11:10 I 10:10 15:28 17:15 19:16 19:05 21:36 I I<br />
Treuchtlingen an 1:55 8:30 8:48 I I 11:07 16:50 20:41 20:01 22:48 I I<br />
Treuchtlingen ab 1:58 8:56 I I 11:15 17:06 20:56 20:10 I I<br />
Nürnberg Hbf an 2:47 9:55 12:51 ~ 12:26 18:38 22:37 21:13 ~ ~<br />
Würzburg Hbf an 4:50 12:20 1:32 2:12<br />
weiter nach Dortm. Berl. HH Dort- Leipz. Ingol. Schw.- Hamb. Dort-<br />
Nordd. Brem. mund Nord furt mund<br />
Weitere bei Kriegsausbruch vorgenommene<br />
Einschränkungen können aus einer<br />
Mitteilung im Amtsblatt der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />
München vom 13. Oktober <strong>1939</strong><br />
abgeleitet werden. Dort wurde verkündet,<br />
dass ab Samstag, 14. Oktober <strong>1939</strong>, täglich<br />
folgende „neuen Züge“ verkehrten:<br />
Ke 155 München Hbf 7:00 Uhr – Treuchtlingen<br />
8:49 Uhr (weiter bis Nürnberg)<br />
Ke 156 (Nürnberg –) Treuchtlingen 21:20<br />
Uhr – München Hbf 23:08 Uhr<br />
E 390 München Hbf 17:48 Uhr – Treuchtlingen<br />
19:42 Uhr (weiter bis Schweinfurt)<br />
Drei weitere Züge wurden noch zwischen<br />
München und Dachau/Petershausen<br />
eingelegt.<br />
An Samstagen gab es diese „neuen Züge“:<br />
Kp 209 Sa München Hbf 12:00 Uhr – Ingolstadt<br />
Hbf 13:22 Uhr<br />
Kp 270 Sa Ingolstadt Hbf 13:48 Uhr – München<br />
Hbf 15:25 Uhr<br />
Ein weiteres Zugpaar wurde zwischen<br />
Mün chen Hbf und München-Allach eingelegt.<br />
Ab Sonntag, 15. Oktober, kam auch<br />
E 389 Schweinfurt – München (Gegenzug<br />
von E 390) neu hinzu.<br />
Bei den Kürzeln steht „Ke“ für „Kleiner<br />
Eilzug“ und „Kp“ für „Kleiner Personenzug“<br />
– dies waren interne Zuggattungs -<br />
bezeichnungen, die im Kursbuch nicht<br />
vorkamen.<br />
Beim Vergleich mit der Tabelle von <strong>1939</strong><br />
ist allerdings erkennbar, dass es diese<br />
Züge im Sommer <strong>1939</strong> schon gegeben hat.<br />
So gesehen waren sie nicht „neu“, sondern<br />
dürften bei Kriegsbeginn ausgefallen<br />
sein. Bemerkenswert ist, dass sich die<br />
angegebenen Fahrzeiten noch kaum verlängert<br />
haben; bei Ke 155 wäre sogar eine<br />
Verkürzung eingetreten. Diese Züge finden<br />
sich auch in dem ab 21. Januar 1940<br />
gültigen Fahrplan, nun aber mit verlängerten<br />
Fahrzeiten wie bei allen Zügen.<br />
Bei den Personenzügen gab es vor allem<br />
vormittags und abends deutliche Reduzierungen<br />
gegenüber dem Fahrplan von<br />
<strong>1939</strong>. Bei den Schnellzügen entfielen<br />
der Tageszug D 89 München – Hamburg/<br />
Bremen sowie der Nachtzug D 463 München<br />
– Köln. D 363, der die gleiche Relation<br />
bediente, wurde um eine Stunde verschoben<br />
und trat an die Stelle des D 463,<br />
FD 263 hatte das neue Ziel Dortmund statt<br />
Hoek van Holland.<br />
Bei den saisonierten Schnellzügen war<br />
im Sommer <strong>1939</strong> ein Verkehrszeitraum<br />
meist bis Mitte September vorgesehen<br />
(Sommerhauptsaison). Es kann davon<br />
ausgegangen werden, dass diese Züge<br />
auch ohne Kriegsausbruch im Winterfahrplan<br />
keine besondere Rolle gespielt hätten.<br />
Immerhin war noch D 139 München –<br />
Berlin mit Verkehrstagen im März (Ostern)<br />
Das Kursbuch vom Sommer <strong>1939</strong> dokumentiert<br />
den letzten „Friedensfahrplan“. Ihm<br />
folgten ab August <strong>1939</strong> meh rere Fahrplanwechsel<br />
kurz hintereinander Slg. A. Knipping<br />
und Mai (Pfingsten) enthalten; der Zug<br />
dürfte auch zur Weihnachtszeit gefahren<br />
sein. D 139 war schließlich der einzige<br />
Zug nach Berlin, der noch auf der Ingolstädter<br />
Strecke verkehrte. Auch vor<br />
Kriegsausbruch hatte die Strecke wenig<br />
Bedeutung im Berlin-Verkehr; diese Züge<br />
fuhren fast alle über Augsburg. Nur der<br />
Schnelltriebwagen FDt 551 durcheilte die<br />
Strecke ohne Halt bis Nürnberg; aber für<br />
diese Triebwagen war schon am 22. August<br />
<strong>1939</strong> das Aus gekommen. Josef Mauerer<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 55
Betrieb<br />
| REICHS<strong>BAHN</strong>-FAHRPLAN VOR UND NACH KRIEGSBEGINN<br />
Ab Januar 1940 galt für<br />
Reisezüge 90 km/h<br />
Höchstgeschwindigkeit<br />
Reisende am Anhalter Bahnhof in Berlin. Noch geht es recht unbeschwert zu – aber mit dem<br />
„Polenfeldzug“ haben zivile Reisen hinter militärischen Zwecken zurückzustehen Slg. Gerhard<br />
56<br />
Reich verteilt werden. Im Winter <strong>1939</strong>/40 waren<br />
über 120.000 <strong>Deutsche</strong> aus den in der<br />
Sowjetunion liegenden Gebieten von Wolhynien,<br />
Podolien und der Bukowina ins Reich<br />
zu transportieren. Unerwähnt bleibt in dem<br />
offiziellen Geschäftsbericht der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Reichsbahn</strong> für <strong>1939</strong>, dass bereits im Oktober<br />
<strong>1939</strong> erste Deportationszüge mit polnischen<br />
und österreichischen Juden rollten.<br />
Aufgrund des Krieges musste die <strong>Reichsbahn</strong><br />
den Güterzugfahrplan vollkommen<br />
überarbeiten und die Aufenthalts- und Fahrzeiten<br />
sowie die Zugbildung der Verkehrsentwicklung<br />
bis Ende <strong>1939</strong> anpassen. Die<br />
ständige Verdunkelung der Anlagen führte<br />
zu zusätzlichen Schwierigkeiten im Betrieb<br />
und ließ die Rangierleistung im Winter<br />
gegenüber der Vorkriegsleistung um bis zu<br />
20 Prozent sinken. Um die hohe Zahl von erforderlichen<br />
Wehrmachtszügen unter Schonung<br />
des zivilen Regelverkehrs auf den<br />
zweigleisigen Strecken fahren zu können,<br />
wur den im Dezember <strong>1939</strong> die Wehrmacht-<br />
Fahrpläne in den normalen Güterzugfahrplan<br />
eingearbeitet. Damit bestand zum Fahrplanwechsel<br />
zum 1. April 1940 ein gemein -<br />
samer Güter- und Wehrmachtfahrplan.<br />
Der Mangel wird zum Alltag<br />
Der Januar 1940 brachte der <strong>Reichsbahn</strong> die<br />
erste Transportkrise, die zu einer all ge mei -<br />
nen Annahmesperre im Güterverkehr führte.<br />
Am 9. Januar waren rund 100 Züge für die<br />
Wehrmacht in Betrieb, weitere 335 Züge waren<br />
für Truppentransporte und ähnliches bereitgestellt<br />
worden. Nach Angaben für den<br />
18. Januar befanden sich 1.500 Züge auf dem<br />
Gebiet des <strong>Deutsche</strong>n Reiches im Rückstau.<br />
Diese Zahl konnte bis Monatsende auf<br />
916 Züge reduziert werden.<br />
In Berlin und anderen deutschen Groß -<br />
städ ten führte die Transportkrise zu einem<br />
spürbaren Mangel an Kohle und Kartoffeln.<br />
Ursache war neben dem sehr kalten ersten<br />
Kriegswinter und den Wehrmachtstransporten<br />
vor allem die erwähnte Dunkelheit und<br />
die damit verbundene sinkende Rangierleistung<br />
auf den Rangierbahnhöfen. Aufhellungszonen<br />
auf den Rangierbahnhöfen so -<br />
wie der Transport von Kartoffeln in Gepäckund<br />
Reisezugwagen, die ein Beheizen zuließen,<br />
konnten die Krise kaum lindern.<br />
Nach dem sehr rasch erfolgreich abgeschlossenen<br />
Überfall auf Polen schlossen<br />
sich im Frühjahr 1940 die Überfälle auf Dänemark<br />
und Norwegen sowie die Niederlande,<br />
Belgien, Luxemburg und Frankreich<br />
an. Die hierzu notwendigen Mobilmachungen<br />
und Aufmärsche führten zu weiteren<br />
starken Einschränkungen des Eisenbahnverkehrs.<br />
Ausgenommen davon blieb zunächst<br />
nur der Berufs- und Güterverkehr. Die weitgehende<br />
Stilllegung des Omnibusverkehrs<br />
hatte zu einem erhöhten Bedarf im Bahnreiseverkehr<br />
geführt, der jedoch aufgrund der<br />
Truppenbewegungen nicht mehr in ausreichendem<br />
Maße bewältigt werden konnte.<br />
Zwar versuchte die <strong>Reichsbahn</strong> den Reiseverkehr<br />
noch so gut es ging aufrecht zu erhalten,<br />
musste allerdings das Reiseangebot<br />
und die mögliche Wagenzahl der Züge im -<br />
mer weiter reduzieren.<br />
Der zivile Reiseverkehr wurde ab dem<br />
10. Januar 1940 nochmals stark eingeschränkt.<br />
Eine Reduzierung der Reisezugleistungen<br />
auf den Stammfahrplan nahm die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> neuerlich zum 21. Januar 1940<br />
vor. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit<br />
für Reisezüge wurde auf 90 km/h reduziert,<br />
für Durchgangsgüterzüge auf 55 km/h und<br />
für Eil güterzüge auf 60 km/h, zusätzlich<br />
verlän gerte man für die Reisezüge die Aufenthalts-<br />
und Anschlusszeiten. Die Reduzierung<br />
der Güterzuggeschwindigkeiten hatte<br />
zu dem den Hintergrund, bei der nunmehr<br />
zuläs si gen Überladung der Wagen (ab 1940<br />
um eine Tonne) den Oberbau und das<br />
rollende Material zu schonen.<br />
Eine Rückkehr zum Friedensfahrplan<br />
sollte es in den folgenden Kriegsjahren nicht<br />
geben. Reiseeinschränkungen für die Be -<br />
völkerung wurden zum Alltag, Verkehrs -<br />
stockungen und Transportkrisen im Güterverkehr<br />
mehrten sich. Die <strong>Reichsbahn</strong>, das<br />
machten die Verhältnisse unmissver ständ -<br />
lich klar, war weder mit ihren Betriebs -<br />
mitteln und -anlagen noch mit ihrer Orga -<br />
nisation für einen Krieg vorbereitet.<br />
Dirk Winkler
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Die deutsch-deutschen Grenzbahnhöfe<br />
in der Zeit des Kalten<br />
Kriegs: Ein spannender und umfangreich<br />
bebilderter Band zur<br />
Eisenbahn- und Zeitgeschichte.<br />
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Am 7. Dezember 1835 rollte der<br />
»Adler« von Nürnberg nach Fürth:<br />
Das war der Beginn der deutschen<br />
Eisenbahn. Was seither passierte?<br />
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Bilderbogen<br />
| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />
Von Technik und Romantik<br />
Wer in den späten 1930er-Jahren für eine Veröffentlichung Aufnahmen vom <strong>Reichsbahn</strong>-Betrieb<br />
suchte, hatte eine zentrale Anlaufstelle: das Bildarchiv des Pressedienstes des Reichsverkehrsministeriums.<br />
Eine Vielzahl an Fotografen versorgte die Abteilung in Berlin mit Bildmaterial<br />
Alte und neue Verkehrsmittel, harmonisch<br />
in der Landschaft platziert: Diesen Eindruck<br />
vermittelt die <strong>Reichsbahn</strong> auf dem Bild, das bei<br />
Teterow an der Hauptbahn Lübeck – Güstrow –<br />
Stettin aufgenommen wurde. Die Einteilung<br />
mit Loks und Wagen am Rand wirkt recht<br />
außergewöhnlich, rückte man doch sonst eher<br />
den Zug in den Mittelpunkt Slg. Oliver Strüber<br />
Viele RVM-Fotografien entstanden aus dokumentarischer Absicht, wie hier von<br />
einem Stellwerk in Erfurt. Unter dem Foto die für RVM-Aufnahmen typische<br />
Kurzinformation in Schreibmaschinenschrift Slg. Oliver Strüber<br />
Auch der Gleisbau war Teil des (im Bild festgehaltenen) Betriebsgeschehens.<br />
Die Aufnahme verweist auf den Einsatz der <strong>Reichsbahn</strong> für ein intaktes Netz –<br />
das in den 1930er-Jahren unter finanziellen Engpässen litt Slg. Helmut Brinker<br />
58
Mal technisch, mal dokumentarisch, mal stimmungsvoll: Die<br />
Auswahl der Fotografien, die der Pressedienst des Reichsverkehrsministeriums<br />
(RVM) vom Bahnbetrieb besaß, war<br />
von beeindruckender Vielfalt. Fast ebenso beeindruckend war die<br />
Bandbreite derer, welche die Bilder dazu beisteuerten.<br />
Die <strong>Reichsbahn</strong> selbst ließ von den bei den jeweiligen <strong>Reichsbahn</strong>direktionen<br />
angestellten Fotografen Aufnahmen anfertigen.<br />
Sie dokumentierten Bahnbauten und Bauarbeiten, aber sie hielten<br />
auch Eisenbahner im Betriebsdienst, das Reisegeschehen im<br />
Bahnhof oder Züge in der Landschaft im Bild fest. Vielfach fanden<br />
Motive in der <strong>Reichsbahn</strong>-Werbung Verwendung oder dienten zur Illustration<br />
in Fachpublikationen, wie der Hauszeitschrift „Die <strong>Reichsbahn</strong>“.<br />
Zentralisiert war das Lichtbildwesen der <strong>Reichsbahn</strong> jedoch<br />
lange Zeit nicht; jede Direktion unterhielt ihr eigenes Lichtbildarchiv.<br />
Aus diesem wurden stets Aufnahmen an das Bildarchiv des <strong>Reichsbahn</strong>-Pressedienstes<br />
weitergegeben, dort auf hochwertigem Fotopapier<br />
vervielfältigt und an Redaktionen ausgehändigt. Erst seit<br />
1933, im Zuge der „Gleichschaltung“, erlangte das <strong>Reichsbahn</strong>-Bildarchiv<br />
in Berlin eine übergeordnete, zentrale Funktion.<br />
„Eigene“ und „fremde“ Fotografen<br />
Ein wichtiges Aushängeschild der <strong>Reichsbahn</strong> jener Jahre war auch<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>-Kalender, den ihr Pressedienst seit 1927 herausgab<br />
und den sie seit 1929 unter ein jährlich wechselndes Motto stellte.<br />
In dem Rahmen wollte man die Basis der Bildautoren erweitern –<br />
immerhin umfasste ein solcher Kalender mehr als 150 Seiten. Zu<br />
Direktionsfotografen wie Walter Hollnagel (RBD Altona), Paul Trost<br />
(Frankfurt (Main)) oder Ernst Below (Stettin) kamen nun auch<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 59
Bilderbogen<br />
| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />
Dem Pressedienst des RVM war die Betonung des guten Zusammenspiels<br />
der verschiedenen Verkehrsträger wichtig. In diesem Beispiel zu<br />
sehen in Form der Umladung der Luftfrachtgüter von der Bahn in<br />
einen bereitstehenden Lufthansa-Kleinlastwagen Slg. Helmut Brinker<br />
<strong>Reichsbahn</strong>er im Dienst<br />
waren ein gern gewähltes Motiv<br />
der Direktionsfotografen.<br />
Im Bahnhof Rheydt nahm<br />
Walter Hollnagel am 16. Februar<br />
1938 die beiden Mitarbeiter<br />
in ihrer Amtsstube im<br />
Empfangsgebäude auf – samt<br />
dem „Führer“ an der Wand<br />
Slg. Helmut Brinker<br />
60
enommierte Fotografen außerhalb der <strong>Reichsbahn</strong>, zum Beispiel<br />
Willy Pragher aus Berlin oder das renommierte Bildarchiv Dr. Paul<br />
Wolff & Tritschler in Frankfurt (Main). Und, nicht zu vergessen:<br />
eisenbahnbegeisterte Privatleute wie Carl Bellingrodt oder Hermann<br />
Maey. Die beiden gehörten zu den Begründern des „<strong>Deutsche</strong>n<br />
Lokomotivbild-Archivs“, kurz DLA, das bei der Technischen Hochschule<br />
Darmstadt angesiedelt war. Diese Sammlung standardisierter<br />
Lokomotiv-Typenaufnahmen umfasste Ende der 30er-Jahre mehr<br />
als 5.000 Glasplatten. Just zum 1. April <strong>1939</strong> hatte die <strong>Reichsbahn</strong><br />
das DLA samt dessen Leiter Hermann Maey in eigene Dienste übernommen<br />
und der <strong>Reichsbahn</strong>-Filmstelle in Berlin angegliedert; diese<br />
war, ebenso wie das <strong>Reichsbahn</strong>-Bildarchiv, mittlerweile eine Unter -<br />
abteilung des Reichsverkehrsministeriums und in der Berliner Voßstraße<br />
35 angesiedelt. Beide agierten nun als Teil des Pressedienstes<br />
des RVM.<br />
Der beginnende Krieg sollte den dortigen Bildbestand schon bald<br />
um weitere Motive „ergänzen“. Solchen nämlich, die das Kriegsgeschehen<br />
rund um die <strong>Reichsbahn</strong> zeigten; dazu wurden später auch<br />
Direktionsfotografen wie etwa Walter Hollnagel, Ernst Below oder<br />
Walter Berkowski an die Front abkommandiert.<br />
Ein Großteil der alten Direktionsarchive fiel dem Kriegsge sche -<br />
hen besonders der letzten Wochen und Monate zum Opfer, anderes<br />
wurde später blindlings „entsorgt“. Völlig überraschend blieb gerade<br />
das Bildarchiv der RVM-Pressestelle im zuletzt hart umkämpften<br />
Berlin erhalten. Das meiste davon konnte – von einem Straßen bah -<br />
ner geborgen – in einem Versteck noch über die DDR-Zeit hinweg<br />
als Ganzes erhalten werden.<br />
Daneben blieben in verschiedensten Archiven weitere Motive<br />
erhalten. Sie alle legen noch heute Zeugnis ab vom Eisenbahn -<br />
geschehen der späten 30er-Jahre – und vom oftmals meisterlichen<br />
Lichtbildschaffen ihrer Fotografen.<br />
Oliver Strüber<br />
Die Rationalisierung und Beschleunigung des Güterumschlags war<br />
seit den späten 1920er-Jahren ein wichtiges Anliegen der <strong>Reichsbahn</strong>.<br />
Der von den Siemens-Schuckert-Werken gefertigte Elektrohubkarren<br />
war ein Beitrag dazu Slg. Oliver Strüber<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 61
Bilderbogen<br />
| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />
<strong>1939</strong>/40 produzierte das Reichsverkehrs -<br />
ministerium den <strong>Reichsbahn</strong>-Film<br />
„D-Zug-Lok im Dienst“. Mitarbeiter<br />
von „Dix-Film München“ bei Dreharbeiten<br />
mit Protagonistin 03 147 im Bw Stolp<br />
DB Museum<br />
Die Höllentalbahn wird in den 1930er-Jahren zum Experimentierfeld für<br />
den elektrischen Betrieb mit Wechselstrom 25 kV/50 Hz. Das RVM lässt<br />
den technischen Fortschritt auch bildlich festhalten, hier zum Beispiel<br />
das Unterwerk bei Titisee Slg. Helmut Brinker<br />
Fast wie in einem Scherenschnitt rollt<br />
der Personenzug auf dem Bahndamm<br />
der Strecke Schneidemühl – Neustettin<br />
dahin. Künstlerische Motive wie dieses<br />
werden regelmäßig für den <strong>Reichsbahn</strong>-<br />
Kalender eingesetzt Slg. Oliver Strüber<br />
62
Als „Kathedralen der Technik“<br />
Als „Kathedralen der Technik“<br />
wurden Bahnhöfe oftmals gelobt.<br />
wurden Bahnhöfe oftmals gelobt.<br />
Etwas davon strahlt auch die<br />
Etwas davon strahlt auch die<br />
Bahnsteighalle des Personenbahnhofs<br />
von Frankfurt (Oder) aus<br />
Bahnsteighalle des Personenbahnhofs<br />
von Frankfurt (Oder)<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
aus<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 63
Bilderbogen<br />
| DAS BILDARCHIV DES REICHSVERKEHRSMINISTERIUMS (RVM)<br />
„Ankunft eines Wintersport-<br />
Sonderzuges in Weißenstein<br />
(Württ)“ heißt es zu diesem<br />
Bild aus dem Bestand der<br />
RVM-Pressestelle. In Szene<br />
gesetzt wurde es vom<br />
Direk tionsfotograf der<br />
RBD Stuttgart, Bachmann<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Die Ausstrahlung, die Kinder<br />
auf Fotos entfalten, wusste auch<br />
der Pressedienst des RVM für<br />
Werbezwecke zu nutzen. Alle<br />
Faszination des (Eisenbahn-)Reisens<br />
scheint das junge Mädchen<br />
am D-Zug-Fenster zu vereinen<br />
Slg. Helmut Brinker<br />
64
Carl Bellingrodt steuerte<br />
wiederholt Motive für den<br />
alljährlichen <strong>Reichsbahn</strong>-<br />
Kalender bei. Auf diese<br />
Weise landete die von ihm<br />
am 18. September 1938<br />
bei Zell am See aufgenommene<br />
E 22 106 mit dem<br />
P 511 in den Beständen des<br />
RVM-Bildarchivs<br />
Slg. Helmut Brinker<br />
Selbst Kölner Umgangssprache brachte sich bei der Dokumentation des<br />
Eisenbahnbetriebs ein. Der „Rasende Tünnes“, wie der Schnelltriebwagen hier<br />
genannt wird, war 1936 im <strong>Reichsbahn</strong>-Kalender zu finden Slg. Oliver Strüber<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 65
Fahrzeuge<br />
| DER LOKBESTAND DER RBD MÜNCHEN<br />
66
Moderne<br />
<strong>Reichsbahn</strong>?<br />
Junge Elektrotraktion,<br />
Schnelltriebwagen, erste<br />
Einheits dampfloks – das<br />
war die eine Seite des Münchner<br />
Triebfahrzeugparks anno <strong>1939</strong>.<br />
Die andere setzte sich zusammen<br />
aus Länderbahnloks verschiedener<br />
Provenienz und mit überholter<br />
Technik. Welche überwog?<br />
Stangen- und Blindwellen-Antriebe waren <strong>1939</strong> bereits technisch veraltet. Viele Elloks der<br />
RBD München funktionierten aber noch nach diesem Prinzip; so auch die E 79 02, 1927 gebaut<br />
und <strong>1939</strong> eine Einzelgängerin im Bestand (Bild in Berchtesgaden) Hermann Maey/Slg. Peter Schricker<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 67
Fahrzeuge<br />
| DER LOKBESTAND DER RBD MÜNCHEN<br />
M Der Lokbestand der RBD München 01.01.<strong>1939</strong> und 31.12.<strong>1939</strong><br />
ünchen Hauptbahnhof im Früh -<br />
jahr <strong>1939</strong>: Fahrdrähte über den<br />
Gleisen, eine aerodynamische<br />
E 18, stolze Gewinnerin dreier Großer Preise<br />
auf der Pariser Weltausstellung 1937, steht<br />
abfahrbereit vor einem Schnellzug nach<br />
Stuttgart. Ein schnittiger Schnelltriebwagen<br />
(SVT) setzt sich Richtung Berlin in Bewe -<br />
gung. Mit einer E 17 nähert sich eine weitere<br />
Ellok unter der Hackerbrücke der weiten<br />
Halle des neoromanischen Bahnhofsbaus,<br />
Elektrotriebwagen besorgen den Vorort -<br />
verkehr ins westliche Umland. Vier der<br />
sie ben von München ausgehenden Fern -<br />
strecken sind elektrifiziert. Die paar Dampfloks<br />
an den Bahnsteigen, die ihre bayeri -<br />
schen und preußischen Wurzeln nicht verhehlen<br />
können, fallen da kaum noch ins<br />
Gewicht. Die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> – ein<br />
modernes Unternehmen also?<br />
Repräsentative Loks und andere<br />
Der Direktionsbezirk München konnte <strong>1939</strong><br />
als einer der fortschrittlichsten der <strong>Reichsbahn</strong><br />
gelten, war er doch seit den 20er-Jahren<br />
das Zentrum des süddeutschen elektrischen<br />
Netzes. Sehr leistungsfähige und die neueste<br />
technische Entwicklung repräsentierende<br />
Lokomotivbauarten waren in München stationiert:<br />
E 04, E 17, E 18 für den Schnellzugdienst,<br />
dazu die laufachslosen Drehgestellmaschinen<br />
der Reihen E 44 und E 93 für Güterzüge.<br />
Diese seit April <strong>1939</strong> in Rosenheim<br />
stationierten „Krokodile“ standen im Dienst<br />
der deutschen Kohlelieferungen an Italien,<br />
mit denen sich Hitler die „Achsen“-Partnerschaft<br />
mit dem Faschisten Mussolini erkauft<br />
hatte. Außerdem gaben sich die nagelneuen<br />
E 19 aus Nürnberg vor Schnellzügen ein<br />
Stelldichein in München, genauso wie Stuttgarter<br />
und Augsburger E17 und E 18.<br />
Mit der Annexion Österreichs im März<br />
1938 hatte das elektrische Netz im Süden einen<br />
deutlichen Zuwachs erfahren. Da die<br />
österreichische Direktion Innsbruck auf die<br />
<strong>Reichsbahn</strong>direktionen (RBD) Augsburg<br />
Repräsentative Loks und<br />
Erbstücke – der Bestand<br />
war bunt gemischt<br />
und München aufgeteilt wurde, erhielt diese<br />
auch die leistungsfähigen BBÖ-Maschinen<br />
1670 (E 22¹), 1170.100 (E 45¹) und 1170.200<br />
(E 45²). Letztere gehörten ebenfalls bereits<br />
der Generation der Drehgestelllokomotiven<br />
an. D-Züge nach Italien wurden nun im Ab -<br />
schnitt München – Brenner durchgehend<br />
von den Innsbrucker E 22¹ bespannt.<br />
Freilich darf man dabei nicht vergessen,<br />
dass ein beträchtlicher Teil des Ellokparks<br />
<strong>1939</strong> technisch schon nicht mehr auf der<br />
Höhe der Zeit war. Das galt für alles, was wie<br />
E 32 und E 52 mit Blindwellen und Stangen-<br />
68<br />
Baureihe Bauart Baujahre Herkunft Anzahl davon Anzahl davon<br />
gesamt in Betrieb gesamt in Betrieb<br />
01.01.39 31.12.39<br />
17 5 2’Ch4v 1906 ff. BayStB 2 1 2 2<br />
18 4 2’C1’h4v 1908 ff. BayStB 18 12 19 17<br />
38 4 2’Ch4v 1921 BayStB (1) 25 25 25 22<br />
38 10 2’Ch2 1906 ff. KPEV 13 13 13 11<br />
41 1’D1’h2 1936 ff. DRB - - 21 16<br />
44 1’Eh3 1926 ff. DRB 6 6 7 3<br />
50 1’Eh2 <strong>1939</strong> ff. DRB - - 10 8<br />
54 15 1’Ch2 1919 ff. BayStB (1) 62 57 62 52<br />
55 0 Dn2 1893 ff. KPEV 5 4 19 17<br />
56 2 1’Dh2 1913 ff. (A) KPEV 3 3 3 2<br />
56 31 1’Dn2v 1898 ff. BBÖ - - 2 2<br />
57 5 Eh4v 1920 ff. BayStB (1) 3 - 3 1<br />
57 10 Eh2 1910 ff. KPEV 96 77 117 79<br />
58 10 1’Eh3 1917 ff. KPEV 35 24 24 15<br />
64 1’C1’h2t 1928 ff. DRB 28 23 28 20<br />
70 0 1Bh2t 1910 ff. BayStB 41 32 41 39<br />
71 2 1’B1’h2t 1906 ff. BayStB 1 1 1 1<br />
77 1 1’C2’h2t 1923 ff. BayStB (1) 10 9 10 7<br />
78 0 2’C2’h2t 1912 ff. KPEV 17 15 17 15<br />
89 6 Cn2t 1898 ff. BayStB 17 14 16 14<br />
89 7 Cn2t 1906 ff. BayStB 37 32 37 33<br />
91 3 1’Cn2t 1893 ff. KPEV 7 7 - -<br />
92 5 Dn2t 1910 ff. KPEV 11 8 19 16<br />
92 20 Dn2t 1918 ff. BayStB 6 5 6 6<br />
93 0 1’D1’h2t 1914 ff. KPEV 1 - 1 -<br />
94² Eh2t 1905 ff. KPEV 3 3 3 1<br />
94 5 Eh2t 1913 ff. KPEV 10 9 10 9<br />
98³ Bh2t 1908 ff. BayStB 10 6 10 10<br />
98 5 C1’n2t 1897 ff. BayStB 1 1 1 1<br />
98 8 Dh2t 1911 ff. BayStB 14 12 15 14<br />
98 10 D1’h2t 1929 ff. BayStB (1) 14 12 14 13<br />
98 15 C1’n2vt 1897 ff. LAG (x) - - 8 5<br />
98 6 Dn2t 1922 LAG (x) - - 2 1<br />
98 71 Cn2vt 1895 LAG (x) 1 1 2 -<br />
98 72 1’Cn2t 1892 LAG (x) - - 2 2<br />
E 04 1’Co1’ 1933 ff. DRB 4 3 4 4<br />
E 16 1’Do1’ 1927 ff. DRB (2) 21 16 21 18<br />
E 17 1’Do1’ 1928 DRB 6 3 7 5<br />
E 18 1’Do1’ 1935 ff. DRB 14 12 13 11<br />
E 22¹ (1’A)Bo(A1’) 1928 f. BBÖ - - 29 24<br />
E 32 1’C1’ 1925 f. DRB (2) 19 17 19 14<br />
E 36 1’C2’ 1914 ff. BayStB 4 2 4 2<br />
E 44 Bo’Bo’ 1930 ff. DRB 39 32 40 36<br />
E 45¹ Bo’Bo’ 1929 ff. BBÖ (x) - - 15 12<br />
E 45² Bo’Bo’ 1934 ff. BBÖ (x) - - 5 3<br />
E 52 2’BB2’ 1924 ff. DRB (2) 21 16 21 21<br />
E 60 1’C 1927 ff. DRB 14 12 14 11<br />
E 60¹ 1’C 1912 BBÖ (x) - - 2 1<br />
E 61 1’C1’ 1926 BBÖ (x) - - 3 2<br />
E 62 1’C1’ 1912 ff. BayStB 5 4 4 4<br />
E 63 C 1935 ff. DRB 5 5 - -<br />
E 69 Bo<br />
(B)<br />
LAG (x) - - 5 5<br />
E 70 B’B’ 1919 f. BayStB 2 2 2 1<br />
E 73 Bo’Bo’ 1914 BayStB 1 - 1 -<br />
E 75 1’BB1’ 1927 ff. DRB 12 11 12 9<br />
E 77 (1’B)(B1’) 1924 ff. DRB (2) 10 10 11 7<br />
E 79 2’D1’ 1927 DRB (2) 2 - 1 -<br />
E 80 (A1A)(A1A) 1928 f. DRB 5 5 5 4<br />
E 88 E 1924 f. BBÖ (x) - - 4 4<br />
E 89 (1’C)(C1’) 1923 f. BBÖ (x) - - 7 2<br />
E 91 C’C’ 1925 ff. DRB (3) 6 5 6 5<br />
E 93 Co’Co’ 1933 ff. DRB - - 4 4<br />
E 170 Bo’Bo’ 1923 Spandau Hfb. 1 1 1 -<br />
Kö I 6 3<br />
(4)<br />
Kö II 20 16<br />
(4)<br />
Ks 18 17<br />
(4)<br />
Köe 10 8<br />
(4)<br />
Die Versuchslok 18 1001 gehörte ebenfalls zum Bestand der RBD München, kam aber nicht im regulären Betrieb zum Einsatz.<br />
(A)<br />
1936 ff. Umbau aus 55 25 (B) verschiedene Bauformen und Baujahre (x) Im Januar <strong>1939</strong> in den RBD-Bestand übernommen.<br />
(1)<br />
Die Lokbaureihe wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auf der Basis bayerischer Entwürfe beschafft. Sie ist daher als Länderbahntype anzusehen.<br />
(2)<br />
Die Ellokbaureihe wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auf der Basis von Entwürfen der Gruppenverwaltung Bayern beschafft.<br />
(3)<br />
Die Lokbaureihe wurde von der <strong>Reichsbahn</strong> auf der Basis bayerischer/preußischer Entwürfe beschafft. (4) keine Angaben vorhanden<br />
Abkürzungen: BayStB = Königlich Bayerische Staatsbahn (bis 1919), BBÖ = Österreichische Bundesbahnen (bis 1938),<br />
DRB = <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong>, KPEV = Königlich Preußische Eisenbahn-Verwaltung (bis 1919), LAG = Localbahn AG,<br />
Spandau Hfb. = Spandauer Hafenbahn
Auf Basis der bayerischen Länderbahnlok<br />
GtL 4/4 ließ die <strong>Reichsbahn</strong> ab 1929 die Tenderlok<br />
98 10 bauen; bei der RBD München waren <strong>1939</strong><br />
insgesamt 14 dieser Maschinen beheimatet<br />
Hermann Maey/Slg. Peter Schricker<br />
Bayerische Zugloks unter sich: Am 10. Juni <strong>1939</strong> bespannen 17 417 (eine S 3/5)<br />
und 18 478 (eine S 3/6) den D 82 auf dem Weg von Lindau nach München. Beide<br />
Baureihen trugen dazu bei, dass Länderbahnloks im Personenverkehr dominierten<br />
– bei der RBD München wie in anderen Direktionen<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Peter Schricker<br />
Die modernste Ellok der <strong>Reichsbahn</strong> ist die E 19. Beheimatet in<br />
Nürnberg, kommt sie regelmäßig nach München; die Aufnahme<br />
zeigt E 19 02 im Bw München Hbf Slg. Peter Schricker<br />
So sieht zeitgemäße Traktion der späten 1930er-Jahre aus: E 44 509,<br />
eine Drehgestell-Ellok mit Tatzlagerantrieb, fährt Personen- und leichte<br />
Güterzüge. Im Bild E 44 509, gebaut 1934 Carl Bellingrodt/Slg. Peter Schricker<br />
antrieben bei geringer Geschwindigkeit<br />
durch die Lande orgelte. Und es galt für<br />
Loko motiven, die noch kein allzu hohes<br />
Alter erreicht hatten.<br />
Über drei elektrifizierte Streckennetze<br />
verfügte die <strong>Reichsbahn</strong> damals. Sie lagen<br />
wie verstreute Inseln im <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />
und wurden seit 1933 nur noch in geringem<br />
Umfang erweitert. Die Wehrmacht stand der<br />
Bahnelektrifizierung ohnehin skeptisch gegenüber;<br />
sie schätzte den elektrischen Bahnbetrieb<br />
in einem Krieg als zu störanfällig ein<br />
– zu Unrecht, wie sich zeigen sollte.<br />
Von daher würde man auch erwarten,<br />
dass die Reichsregierung bei ihren Kriegsvorbereitungen<br />
rechtzeitig die Massenproduktion<br />
von leistungsstarken und schnellen<br />
Güterzugdampflokomotiven veranlasst<br />
hätte. Doch dem war nicht so. Aus finanziellen<br />
wie wirtschaftlichen Gründen und wegen<br />
der vielen für höhere Achslasten noch nicht<br />
tauglichen Strecken unterblieb bis Mitte<br />
30er-Jahre die Serienbeschaffung und weitere<br />
Konstruktion von Einheitsdampfloks<br />
für den Güterverkehr. Erst ab 1936 gab die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> den Weiterbau der 44 und die<br />
Konstruktion sowie Auslieferung der 41 in<br />
Auftrag, die 50 folgte ab <strong>1939</strong>.<br />
Der Bestand für den Güterverkehr<br />
Werfen wir einen Blick auf die Güterbahnhöfe<br />
der RBD München. Fünfkuppler preußischer<br />
Provenienz, vor allem die Gattungen<br />
G 10 (57 10 ) und G 12 (58 10 ) bestimmten neben<br />
der bayerischen G 3/4 (54 15 ) das Bild – Maschinen<br />
mit 60 bzw. 65 km/h Höchst -<br />
geschwindigkeit und einer Leistung zwischen<br />
1.000 und 1.500 PS. Kurz vor Kriegs -<br />
beginn erhöhte man im Juli <strong>1939</strong> den Bestand<br />
der Nassdampftype G 7¹ (Baureihe 55º,<br />
660 PS, Höchstgeschwindigkeit 50 km/h),<br />
und zwar um 14 auf 19 Stück. Dazwischen<br />
tummelten sich Tenderloks – sämtlich aus<br />
der Länderbahnzeit. Während zu dieser Zeit<br />
eine mit modernster Technik hochgerüstete<br />
Armee einen Krieg gegen die führenden<br />
Mächte Europas vorbereitete, bot sich auf<br />
den Schienen der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />
München nicht selten das Bild des frühen<br />
20. Jahrhunderts.<br />
Auch wenn Südbayern für die ersten<br />
Kriegsmaßnahmen, nämlich den Überfall<br />
auf Polen, nicht gerade im Zentrum des Geschehens<br />
lag, hatte das dortige Schienennetz<br />
mit dem Knoten München am Schnittpunkt<br />
der West-Ost- und Nord-Süd-Magistralen<br />
eine wichtige Funktion in der Kriegs logistik<br />
und Versorgung der deutschen Wirtschaft<br />
und Bevölkerung. Außerdem befanden sich<br />
im Raum München sowie um Mühldorf<br />
kriegswichtige Unternehmen und große<br />
Für die Kriegslogistik<br />
hatten die Strecken der<br />
RBD große Bedeutung<br />
Militärareale. Und schließlich lagen in Südbayern<br />
noch die Zulaufstrecken ins jüngst<br />
annektierte Österreich sowie zu den verbündeten<br />
Staaten Italien, Ungarn, Rumänien<br />
und Bulgarien.<br />
Im Jahr zuvor hatte sich die RBD Mün -<br />
chen in unmittelbarer Nähe zu zwei vom NS-<br />
Regime provozierten Krisenherden befunden:<br />
Österreich (Februar/März 1938) und<br />
Tschechoslowakei (Mai bis September 1938).<br />
Zweimal musste deshalb der Bestand an Güterzuglokomotiven<br />
kurzfristig aufgestockt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 69
Fahrzeuge<br />
| DER LOKBESTAND DER RBD MÜNCHEN<br />
Rund um die bayerische<br />
Landeshauptstadt<br />
erstreckte sich einer von<br />
drei elektrischen Inselbetrieben<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>.<br />
Von der Stangen-Ellok E 77,<br />
15 Jahre vorher gefertigt,<br />
waren <strong>1939</strong> noch elf Stück<br />
bei der RBD München.<br />
Sie verrichteten vor allem<br />
Dienst vor Personenzügen<br />
Carl Bellingrodt/Slg. Peter Schricker<br />
werden. Die <strong>Reichsbahn</strong> konnte zur logistischen<br />
Unterstützung der eventuell notwendigen<br />
Militäraktionen jedoch nur preußische<br />
Länderbahnloks bereitstellen: bei der Österreichkrise<br />
16 G 10, bei der Sudetenkrise zehn<br />
G 7¹, 23 G 8¹ (55 25 ), 19 G 10 und 57 G 12.<br />
Erst ab November 1938 wies die <strong>Reichsbahn</strong><br />
der RBD München nagelneue Güterzugloks<br />
zu: zuerst sechs 44er (Bw Treuchtlingen)<br />
und ab Januar <strong>1939</strong> dann 21 Maschinen<br />
aus dem ersten Baulos der Baureihe 41.<br />
Diese stationierte man überwiegend in<br />
Ingolstadt und Treuchtlingen sowie beim<br />
Bw München Ost. Die 16 dort beheimateten<br />
41er liefen fast ausschließlich zwischen München<br />
Ost Rbf bzw. München-Trudering und<br />
Treuchtlingen. Zu ihren Leistungen zählte<br />
wie bei der E 93 auch der Transport der Kohlezüge<br />
für Italien. Kurz vor Kriegsbeginn<br />
teilte man dem Münchner Bezirk schließlich<br />
noch zehn fabrikneue 50er zu. Mit 38 G 10,<br />
die an die Bw München Hbf, Rosenheim und<br />
Garmisch überstellt wurden, erweiterte die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> den Bestand an Güterzugloks in<br />
Südbayern nochmals für die Transporterfordernisse<br />
des Krieges.<br />
Der Bestand im Personenverkehr<br />
Was den Personenverkehr betriftt, so dominierte<br />
auf vielen wichtigen Strecken der<br />
RBD München und nahezu allen ihren Nebenbahnen<br />
nach wie vor der Dampfbetrieb,<br />
von ein paar Diesel- und Speichertrieb wa -<br />
gen abgesehen. Was für den Güterverkehr<br />
festgestellt wurde, galt auch hier: Standard<br />
waren Loktypen aus der Länderbahnzeit.<br />
Schnell- und Eilzüge zählten zur Domäne<br />
der bayerischen S 3/6 (18 4 ), überwiegend Maschinen<br />
der älteren Baulose. Sie kam wie die<br />
preußische P 8 (38 10 ) und die bayerische<br />
P 3/5 H (38 4 ) auch vor Beschleunigten Personenzügen<br />
zum Einsatz. Im Umland ver kehr<br />
von München dampften preußische T 18 (78º)<br />
70<br />
und bayerische Pt 3/6 H (77¹). Auf den ländlichen<br />
Nebenbahnen verdingten sich weitere<br />
Bayern, so die Pt 2/3 (70º), das „Glaskastl“<br />
(98³) sowie D-Kuppler und Einzelgänger. Lediglich<br />
die 28 auf die Bahn betriebswerke<br />
Freilassing, Ingolstadt, Mühldorf, München<br />
Ost und Rosenheim verteilten Einheitsloks<br />
der Baureihe 64 erinnerten vor 1938 daran,<br />
Die NS-Politik zielte auf<br />
eine Vernachlässigung<br />
der <strong>Reichsbahn</strong><br />
Die Schlepptenderlok der<br />
Baureihe 41 war eine<br />
der Einheitsloktypen, die<br />
Ende der 1930er-Jahre den<br />
Bestand der Münchner<br />
Direktion aufstockten (im<br />
Bild eine Maschine in<br />
Aschaffenburg). Vorher<br />
hatte nur die Tenderlok der<br />
Baureihe 64 die moderne<br />
Generation der <strong>Reichsbahn</strong>dampfloks<br />
vertreten<br />
Slg. Dr. D. Hörnemann<br />
dass die <strong>Reichsbahn</strong> moderne Dampfloks<br />
entwickelt hatte. Sie machten ganze 15 Prozent<br />
aller Dampfpersonenzugloks der RBD<br />
München aus.<br />
Damit kehren wir zurück zur eingangs<br />
gestellten Frage: Wie modern war der Lokbestand<br />
der <strong>Reichsbahn</strong> am Vorabend des<br />
Zweiten Weltkriegs? Gerade die Hälfte der<br />
Elloks besaß moderne Antriebsarten (die<br />
Maschinen der vormaligen Österreichischen<br />
Bundes bah nen (BBÖ) und der Localbahn<br />
AG sowie Rangierelloks nicht mitgerechnet).<br />
Für die Logistik des Krieges benötigte die<br />
Wehrmacht Güterzugschlepptenderlokomotiven<br />
mit einer Höchstgeschwindigkeit von<br />
über 75 km/h und im Leistungsbereich von<br />
über 1.600 PS. Von 268 Güterzugschlepptendermaschinen<br />
bei der RBD München erfüllten<br />
ganze 38 (das sind 14 Prozent) diese Anforderung.<br />
Nimmt man die 35 Elloks der Reihen<br />
E 44 (abzüglich der neun zwischen Freilassing<br />
und Berchtesgaden eingesetzten<br />
E 44 5 ) und E 93 dazu, so verbessert sich die<br />
Bilanz an modernen Güterzugloks auf<br />
24 Prozent. Rechnet man die Kriegslok des<br />
Ersten Weltkriegs, die G 12, noch mit, so<br />
besaß die Direktion München 32 Prozent<br />
Güter zug loks im Leistungsbereich über<br />
1.500 PS. Das heißt aber auch: 68 Prozent<br />
lagen darunter. Ein weiteres Manko bestand<br />
in der unwirtschaftlichen Lokvielfalt aus<br />
35 Dampflok- und 29 Ellokgattungen (22<br />
ohne die Ex-BBÖ-Loks); darunter fanden<br />
sich nicht weniger als 23 Splittergattungen,<br />
Baureihen mit geringer Stückzahl also.<br />
Diese Zahlen bestätigen die These, dass<br />
die <strong>Reichsbahn</strong> das „Aschenputtel des Drit -<br />
ten Reiches“ war. Hinter einer propagan -<br />
distischen Fassade von Modernität verbarg<br />
sich die von der Hitler-Regierung gewollte<br />
Vernachlässigung der Eisenbahn. Damit waren<br />
auch die Transportkrisen zu Krieg s -<br />
beginn vorprogrammiert, vor denen unter<br />
anderem die „Dienststelle Wehrwirtschaftsstab“<br />
1938 gewarnt hatte. Die Folgen der<br />
NS-Verkehrspolitik sollten sogar noch den<br />
beiden deutschen Bahnen nach Krieg und<br />
Besatzungs zeit schwer zu schaffen machen.<br />
Peter Schricker
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Betrieb<br />
| DIE KATASTROPHE VON GENTHIN<br />
Unglück<br />
vor Weihnachten<br />
Am Morgen des 22. Dezember <strong>1939</strong><br />
ereignete sich in Genthin der schwerste<br />
Unfall der deutschen Eisenbahn -<br />
geschichte. Im Bahnhof fuhr D 180<br />
auf den zum Halten gebrachten D 10<br />
auf, es gab 186Tote und 106Verletzte.<br />
Hauptursache war menschliches<br />
Versagen; zum Unglück trug aber<br />
auch ein kriegsbedingter Mangel bei<br />
Am Abend des 21. Dezember <strong>1939</strong> stand der Potsdamer Bahnhof<br />
in Berlin ganz im Zeichen des vorweihnachtlichen Reiseverkehrs.<br />
Es waren die ersten Weihnachten im Krieg, was dem<br />
Auf kom men keinen Abbruch tat: Der Schnellzug D 10 mit dem Laufweg<br />
über Magdeburg nach Köln war außerordentlich überbelegt,<br />
selbst im Gepäckwagen fuhren noch Reisende mit. Zwar verließ er<br />
pünktlich um 23:15 Uhr die Station, doch die zeitbedingten Umstände<br />
machten sich unterwegs bald bemerkbar. Die kriegsbedingte<br />
Verdunkelung und der Andrang der Reisenden verzögerten das<br />
Aus- und Einsteigen in Potsdam und Brandenburg. Der Zug bekam<br />
27 Minuten Verspätung, was dazu führte, dass ihm der nächste<br />
Schnellzug D 180 über Kassel nach Neunkirchen schließlich im<br />
Blockabstand folgte.<br />
Eine Kette von Fehlern<br />
Auch in der Folge gab es Hindernisse im Betriebsablauf. Mit<br />
Rücksicht auf einen vorauslaufenden Eilzug musste D 10 nämlich<br />
außerplanmäßig im kleinen Bahnhof Kade stehen bleiben, wenig<br />
später verlangsamte er die Fahrt wieder, um regulär im Bahnhof der<br />
Kleinstadt Genthin zu halten. Für den Folgezug D 180 war dort kein<br />
Halt vorgesehen; er hätte vor Genthin warten müssen, bis der D 10<br />
das Bahnsteiggleis in Richtung Magdeburg geräumt hatte. Doch<br />
hier stellte sich der erste Fehler einer Kette ein, an deren Ende die<br />
Aufräumarbeiten an den Trümmern der beiden D-Züge<br />
in Genthin am 22. Dezember <strong>1939</strong>. In der Nacht zuvor<br />
ist im Bahnhof D 180 auf D 10 aufgefahren – 186 Menschen<br />
verlieren bei dem Unglück ihr Leben Slg. Erich Preuß<br />
72
Katastrophe geschah. Der Wärter des Blocks Belicke – vor Gen -<br />
thin gelegen – ließ sein Signal auf „Halt“ stehen, nur: D 180 hielt<br />
nicht. Zum Entsetzen des Wärters missachtete das Personal der<br />
Zuglok 01 158 das Signal, der Zug fuhr ohne jede Vermin derung<br />
der Geschwindigkeit weiter. Der Wärter stürzte ans Telefon und<br />
alarmierte den folgenden Schrankenposten sowie das Stellwerk<br />
Genthin Ost, dessen Personal die letzte Möglichkeit hatte, den<br />
auf D 10 auflaufenden D 180 zu bremsen – ihn zu stoppen, war<br />
schon nicht mehr möglich.<br />
Der Stellwerkswärter von Genthin Ost reagierte umgehend.<br />
Mit der Handlampe gab er dem Schnellzug das Notsignal, dieser<br />
hielt mit kreischenden Bremsen an. Allerdings handelte es sich<br />
um eine tragische Verwechslung, durch die der Unfall endgültig<br />
nicht mehr zu verhindern war. Denn der Zug, der nun vor Gen -<br />
thin stand, war nicht D 180, sondern der vorausfahrende D 10. Sekunden<br />
später, am 22. Dezember <strong>1939</strong> um 0:55 Uhr, fuhr D 180 mit<br />
etwa 100 km/h auf D 10 auf. Vier Wagen des D 10 entgleisten,<br />
ebenso Lok 01 158 und sechs Wagen des D 180. Aus den teilweise<br />
übereinander liegenden, schwer beschädigten Wagen wurden insgesamt<br />
186 Tote und 106 Verletzte geborgen. Der – völ lig unschuldige<br />
– Blockwärter von Belicke setzte in derselben Nacht seinem<br />
Leben ein Ende.<br />
Goldene Zeiten.<br />
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Ein technischer Missstand<br />
Aus technischer Sicht hätte sich das Unglück sogar noch vermeiden<br />
lassen. Die Strecke Berlin – Magdeburg war mit der hochmodernen<br />
Induktiven Zugsicherung ausge rüstet, beim Überfahren<br />
des Halt zeigenden Signals wären normalerweise die Bremsen<br />
der Lokomotive durch einen Gleismagneten ausgelöst worden.<br />
Doch war die Lok trotz Ausfalls der Anlage zur Fahrt zugelassen<br />
worden – der kriegsbedingte Lokmangel bei der <strong>Reichsbahn</strong><br />
machte es möglich. Zu einer Zeit, da es die Indusi erst auf wenigen<br />
Strecken und wenigen Triebfahrzeugen gab, kann freilich der Einsatz<br />
einer Schnell zug lok ohne Indusi nicht als ganz besonders<br />
sträfliche Ausnahme gelten. So lag die Schuld letztlich beim Lokführer<br />
und Heizer der 01 158. Der Lokführer wurde 1940 zu einer<br />
Gefängnisstrafe von drei Jahren verurteilt.<br />
In Genthin erinnert heute ein Denkmal vor dem Bahnhof an<br />
den Unglückstag, an dem sich der – von der Anzahl der Opfer her<br />
– schlimmste Unfall der deutschen Eisenbahngeschichte ereignete.<br />
Einige Stunden später kam es übrigens bei der <strong>Reichsbahn</strong> noch<br />
zu einem weiteren schweren Unglück: Eben falls am 22. Dezem -<br />
ber <strong>1939</strong> stießen auf der Strecke Radolfzell – Friedrichshafen<br />
Personenzug 21154 und ein Güterzug zusammen. 101 Tote und<br />
28 Menschen lautete die abermals traurige Bilanz.<br />
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zwischen Berlin und<br />
Magdeburg, dargestellt<br />
anhand des Sommerkursbuchs<br />
<strong>1939</strong>. Kurz<br />
hintereinander verließen<br />
D 10 und D 180<br />
Berlin, wobei D 180 bis<br />
Magdeburg großteils<br />
durchfuhr. So verhielt<br />
es sich auch in dem<br />
Fahrplan, der am<br />
22. Dezember <strong>1939</strong> galt<br />
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Betrieb<br />
| DIE NORDSÜD-S-<strong>BAHN</strong> IN BERLIN<br />
Im Krieg<br />
fertig gestellt<br />
Sechs Jahre lang wurde<br />
in Berlin an der Nordsüd-<br />
S-Bahn gebaut, einer<br />
großteils unterirdischen<br />
Strecke. Die durchgehende<br />
Eröffnung fiel bereits in die<br />
Kriegszeit: Am 9. Oktober<br />
<strong>1939</strong> fuhren die ersten<br />
Züge für die Öffentlichkeit<br />
Als am 1. September <strong>1939</strong> der Zweite<br />
Weltkrieg begann, war mancher Beamte<br />
bei der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />
Berlin davon überrascht. Die Gedanken<br />
drehten sich nämlich zuerst um etwas anderes:<br />
Man stand nur wenige Wochen vor der<br />
Eröffnung des letzten Abschnitts der Nordsüd-S-Bahn.<br />
Diese sollte – grob gesprochen<br />
– den Durchgang elektrischer Gleichstromzüge<br />
zwischen den Vororten Bernau, Oranienburg<br />
und Velten im Norden sowie den<br />
Vororten oder Städten Potsdam, Teltow und<br />
Zossen im Süden durch das Herz der Hauptstadt<br />
ermöglichen. Man war sechs Jahre lang<br />
damit beschäftigt gewesen und konnte das<br />
Projekt auch im Krieg nicht abbrechen.<br />
Am 9. Oktober <strong>1939</strong> ging der neue Tunnelabschnitt<br />
zwischen dem Tiefbahnhof „Potsdamer<br />
Platz“ und „Anhalter Bahnhof (un-<br />
ten)“ mit dem Anschluss zur Wannseebahn<br />
in öffentlichen Betrieb. Am 6. November <strong>1939</strong><br />
folgte noch die Verbindung vom Anhalter<br />
Bahnhof nach Lichterfelde Ost an der alten<br />
Vorortstrecke der Anhalter Bahn. Bereits ein<br />
halbes Jahr zuvor, am 15. April <strong>1939</strong>, war im<br />
Zentrum Berlins der Streckenabschnitt der<br />
Nordsüd-S-Bahn zwischen den Stationen<br />
„Unter den Linden“ und „Potsdamer Platz“<br />
eröffnet worden.<br />
74
Reichsverkehrsminister Julius Dorpmüller hält am 8. Oktober<br />
<strong>1939</strong> auf der Station „Anhalter Bahnhof (unten)“ der Berliner<br />
Nordsüd-S-Bahn eine Rede zur Eröffnung des durchgehenden<br />
Betriebs. Einen Tag später beginnt auf der Strecke auch der<br />
öffentliche Bahnverkehr Slg. Gottfried Marx<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 75
Betrieb<br />
| DIE NORDSÜD-S-<strong>BAHN</strong> IN BERLIN<br />
Bei der Eröffnungsfahrt am 8. Oktober <strong>1939</strong> entstand diese Aufnahme. Im Viererabteil der S-Bahn reisen (v.l.) die<br />
<strong>Reichsbahn</strong>beamten Max Grabski, Julius Dorpmüller, Werner Bergmann und Clemens Marx. Grabski hat das<br />
Projekt der Nordsüd-S-Bahn geleitet Slg. Gottfried Marx (Foto), Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (Broschüre)<br />
Mit dem Bau der Berliner Stadtbahn von<br />
1882, die auf Viadukten von West nach Ost<br />
oder umgekehrt durch die Innenstadt ver -<br />
läuft, war das Konzept einer oberirdischen<br />
Durchmesserlinie in einer Me tropole erfolgreich<br />
verwirklicht worden. Sie sollte die<br />
Kopfbahnhöfe der „ersten Generation“ aus<br />
der Anfangszeit der Eisenbahn funk tional<br />
ergänzen. Bereits um 1911 hatte der Architekten-Verein<br />
zu Berlin einen Wettbewerb<br />
ausgeschrieben, wie entsprechende Nordsüd-Verbindungen<br />
für den Fernverkehr und<br />
auch für den Nah verkehr aussehen könnten,<br />
die allerdings unter der Erde verlaufen soll -<br />
ten. Daraus wurde aufgrund der politischen<br />
und wirtschaftlichen Entwicklungen für<br />
viele Jahre nichts, obwohl sich die <strong>Reichsbahn</strong><br />
dem Gedanken nach 1920 nicht verschloss.<br />
Erst mit den autoritären Eingriffen<br />
Hitlers in die Berliner Stadtplanung ab 1933<br />
wurde dieses große Projekt für den Nahverkehr<br />
wieder in Angriff genommen.<br />
Mitwirken der RBD Berlin<br />
An dem Vorhaben zum „Bau der Nordsüd-<br />
S-Bahn“ in Berlin waren viele Architekten,<br />
Bauingenieure und andere Eisenbahner beteiligt.<br />
Von der örtlichen <strong>Reichsbahn</strong> direk -<br />
tion Berlin mit Sitz in ihrem markanten<br />
Verwaltungsgebäude am „Großadmiral-von-<br />
Koester-Ufer“ (heute Schöneberger Ufer) haben<br />
der Architekt und Abteilungs präsi dent<br />
76<br />
Die Strecke entsprach<br />
Ideen, die bis Anfang des<br />
Jahrhunderts reichten<br />
Max Grabski (1878–1968) als Leiter des Projekts<br />
sowie die beamteten Bau meis ter Richard<br />
Brademann und Günther Lüttich mitgewirkt.<br />
Zahllose Arbeiter der Baufirmen haben<br />
an dieser Strecke gebaut.<br />
Die umfangreiche Planung wurde in drei<br />
Teilen nacheinander realisiert: Der Nord -<br />
abschnitt reichte vom Stettiner Bahnhof bis<br />
zum Tiefbahnhof an der Friedrichstraße. Daran<br />
schloss sich der mittlere Abschnitt vom<br />
Bahnhof Friedrichstraße bis zum Potsdamer<br />
Platz an. Und schließlich folgte der Süd -<br />
abschnitt vom Potsdamer Platz über den<br />
Anhalter Bahnhof (unten) bis zum Bahnhof<br />
Kolonnenstraße.<br />
Während der Bauarbeiten nahe der Station<br />
„Unter den Linden“ kam es am 20. Au -<br />
gust 1935 zu einem Einsturz, bei dem im unsicheren<br />
märkischen Sand neben dem Brandenburger<br />
Tor nicht weniger als 19 Männer<br />
ihr Leben lassen mussten. Am 28. Juli 1936,<br />
also zu den Olympischen Spielen in Berlin,<br />
war bereits der Nordabschnitt zwischen dem<br />
Stettiner Tiefbahnhof, dem „Humboldthain“<br />
sowie der Station „Unter den Linden“ als die<br />
„erste unterirdische <strong>Reichsbahn</strong>strecke“ in<br />
Betrieb genommen worden.<br />
Ab 1. Juli 1937 ging die großräumige<br />
Ei senbahnplanung für Hitlers künftige Welthauptstadt<br />
„Germania“ auf die neue <strong>Reichsbahn</strong>baudirektion<br />
Berlin über. Zum Prä si -<br />
denten dieser <strong>Reichsbahn</strong>baudirektion wur -<br />
de Alfred Pückel (1881–1971) bestellt, der<br />
„den Entwurf und die Bauten zur Umgestaltung<br />
der Berliner Bahnanlagen“ leitete. Er<br />
hatte sich zuvor als Chef der Obersten Bauleitung<br />
für Reichsautobahnen in Frankfurt<br />
am Main bewährt. Doch trotz seiner raumgreifenden<br />
Ideen konnte die <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />
Berlin ihr Projekt mit der Nordsüd-<br />
S-Bahn noch ohne sein Zutun abschließen.<br />
„Schlichte Feierstunde“<br />
Wenige Wochen nach dem nicht für jeden<br />
vorhersehbaren Kriegsbeginn waren die<br />
Bau arbeiten am südlichen Abschnitt des Berliner<br />
Nord-Süd-Tunnels der S-Bahn doch beendet.<br />
Am Sonntag, dem 8. Oktober <strong>1939</strong>, eröffnete<br />
Reichsverkehrsminister und <strong>Reichsbahn</strong>-Generaldirektor<br />
Julius Dorpmüller<br />
(1869–1945) mit einer „schlichten Feier stun -<br />
de“ während einer Sonderfahrt den durchgehenden<br />
Betrieb auf dem Abschnitt zwischen<br />
den Stationen „Potsdamer Platz“ und<br />
„Anhalter Bahnhof (unten)“ in Richtung<br />
Schöneberg und zur Wannseebahn weiter<br />
nach dem Südwesten. Im Eröffnungszug der<br />
S-Bahn am 8. Oktober <strong>1939</strong> waren neben<br />
Dorpmüller und Grabski mit von der Par tie:
Die Linienführung der Berliner Nordsüd-S-Bahn mit sämtlichen Bahnanlagen innerhalb der Ringbahn; die Darstellung stammt von einem Plan<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>direktion Berlin von 1935 Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
der Leiter der Maschinentechnischen Ab tei -<br />
lung im Reichsverkehrsministerium, Werner<br />
Bergmann (1877–1956), sowie der Ber liner<br />
<strong>Reichsbahn</strong>-Direktionspräsident Clemens<br />
Marx (1871–1953). Er sollte wenige Wochen<br />
später aus Altergründen in den Ruhestand<br />
treten.<br />
Der Sonderzug kehrte nach kurzem Aufenthalt<br />
am Bahnhof Schöneberg zum Anhalter<br />
Tiefbahnhof zurück. Am folgenden Montag,<br />
dem 9. Oktober <strong>1939</strong>, wurde der durchgehende<br />
S-Bahn-Betrieb zwischen Wannsee<br />
und Oranienburg aufgenommen, wenige<br />
Tage später auch der Betrieb in den Relationen<br />
Mahlow – Velten und Lichterfelde Ost –<br />
Bernau.<br />
Der Architekt Richard Brademann<br />
Den unterirdischen S-Bahnhof „Stettiner<br />
Bahnhof“ an der Berliner Invalidenstraße<br />
hatte noch der Oberreichsbahnrat Günther<br />
Lüttich (1884–1957) geplant. Dagegen wurde<br />
die Architektur sämtlicher neuen S-Bahn -<br />
höfe zwischen dem Bahnhof Humboldthain<br />
im Norden und dem Anhalter Bahnhof (unten)<br />
im Süden von dem <strong>Reichsbahn</strong>-Architekten<br />
Richard Brademann (1884–1965) bestimmt.<br />
Er blieb ein bis heute wegen seiner<br />
Bauten bekannter und wegen seiner politischen<br />
Überzeugungen umstrittener Baumeister.<br />
Die gelungenen Entwürfe etwa zu<br />
den Bahnhöfen Wannsee, Sundgauer Straße<br />
Der Architekt Richard<br />
Brademann entwarf<br />
zwischen 1924 und<br />
1940 zahlreiche Bahn -<br />
höfe für die Berliner<br />
S-Bahn. Bei der Nordsüd-S-Bahn<br />
gestaltete<br />
er fast alle Stationen<br />
Bundesarchiv Berlin<br />
oder Westkreuz in Berlin, seine Kleingleichrichterwerke<br />
an der Ringbahn, die anderen<br />
Stromversorgungsbauwerke und seine Stellwerke<br />
für die <strong>Deutsche</strong> <strong>Reichsbahn</strong> weisen<br />
internationalen Rang auf. Doch er war be -<br />
reits am 1. März 1932 der NSDAP (Mitgliedsnummer<br />
1.011.267) beigetreten und hatte sich<br />
gleich nach der Machtübergabe an die<br />
NSDAP im Frühjahr 1933 als Denunziant<br />
jüdischer Kollegen hervorgetan. Vier Jahre<br />
später war er selbst blamiert, denn nun kam<br />
heraus, dass auch er eine „jüdische Großmutter“<br />
hatte. Nur nach einem „Gnaden erweis“<br />
Hitlers vom Dezember 1937 durfte er weiter<br />
in der Partei und bei der <strong>Reichsbahn</strong> bleiben.<br />
Der Baustil Richard Brademanns ent -<br />
wickelte sich allmählich fort. Bei der Ver -<br />
kleidung der Bahnsteigwände wich er von<br />
den dunklen Fliesen der frühen Jahre ab und<br />
wandte sich nach 1935 „wegen der beengten<br />
Höhe“ der Stationen einer Nutzung von<br />
weißen Opakglasplatten zu. Es handelt sich<br />
dabei um einen der seltenen Fälle von Dekoration<br />
im Stil des „Art Deco“ in Berlin. Zur<br />
Gestaltung des Tiefbahnhofs am Anhalter<br />
Bahnhof schrieb Brademann anlässlich der<br />
Eröffnung: „Hier wurden die Wandflächen<br />
mit Glasplatten in großem Format belegt, an<br />
denen der Staub nicht haftet und die leicht<br />
zu reinigen sind. Gegen diese weißen Wände<br />
setzen sich die Stützen auf den Bahnsteigen<br />
und zwischen den Gleisen mit grünblauer<br />
Glasverkleidung ab, so daß der Anhalter<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 77
Betrieb<br />
| DIE NORDSÜD-S-<strong>BAHN</strong> IN BERLIN<br />
Plan des Tiefbahnhofs am Anhalter<br />
Bahnhof mit dem Askanischen Platz<br />
und der Saarlandstraße (heute Stresemannstraße);<br />
darin ist auch ein<br />
geplanter Abzweig der S-Bahn zum<br />
Görlitzer Bahnhof eingezeichnet<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Bahnhof gegenüber dem Bahnhof Potsda -<br />
mer Platz eine eigene Note erhält und damit<br />
für den Reisenden leichter kenntlich ge -<br />
macht ist. Die Kapitelle der Säulen ergänzen<br />
mit ihrem Goldton das Weiß und Grünblau<br />
der Glasplatten.“ Ein Lieferant der Opakglasplatten<br />
am S-Bahnhof Potsdamer Platz war<br />
die „Schlesische Spiegelglas-Manu fak tur<br />
Carl Tielsch“ aus Waldenburg-Altwasser in<br />
Schlesien. Heute sind die Glasscheiben am<br />
Anhalter Bahnhof, die eine Fläche von mehr<br />
als 4.000 Quadratmetern aufwiesen, durch<br />
jüngere Kunststoffplatten ersetzt, während<br />
am Potsdamer Platz teilweise noch Glas zu<br />
finden ist.<br />
Von <strong>1939</strong> in die Zukunft?<br />
Die Schöpfer der Bahnhöfe „Potsdamer<br />
Platz“ und „Anhalter Bahnhof (unten)“ und<br />
ihre Kollegen bei der <strong>Reichsbahn</strong> träumten<br />
von einer Zukunft des Nahschnellverkehrs<br />
mit 160 Zügen pro Stunde. Die Planungen<br />
der Nationalsozialisten für ihre Welthauptstadt<br />
„Germania“ nahmen Bahngelände des<br />
vormaligen Anhalter und Potsdamer Fernbahnhofs<br />
für Prachtbauten in Anspruch; sie<br />
sahen unermessliche Neubauten in Berlin<br />
vor, darunter bei der S-Bahn. Dazu schrieb<br />
78<br />
der Journalist Wolfgang Peters in einem<br />
propagandistischen Heft des Reichsverkehrsministeriums<br />
aus der Serie „Großdeutschlands<br />
Eisenbahner“ von 1941/42<br />
siegesgewiss: „Der Nahverkehr wird einmal<br />
dadurch ausgebaut, dass weitere Eisen bahn -<br />
strecken, wie die nach Königswusterhausen,<br />
Nauen und Werneuchen, in das S-Bahnnetz<br />
einbezogen werden, und daß ferner der S-<br />
Bahn-Verkehr durch die Stadt wesentlich erweitert<br />
wird. Durch die Leitung der Fernzüge<br />
auf den Ring wird die alte Stadtbahn viergleisig<br />
für den Nahverkehr frei. Außer der<br />
Design der neuen<br />
Strecke: Die typische<br />
Bahnsteigbank<br />
auf dem Anhalter<br />
Tiefbahnhof am<br />
8. Oktober <strong>1939</strong>,<br />
da hinter eine der<br />
mit grünen Glasplatten<br />
verkleideten<br />
Hallenstützen<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
schon bestehenden Nordsüd-S-Bahn wird<br />
noch eine zweite Nordsüdbahnlinie geschaffen<br />
werden. Dadurch wird Berlin künftig in<br />
ostwestlicher und nordsüdlicher Richtung je<br />
zwei leistungsfähige S-Bahn-Verbindungen<br />
erhalten, die imstande sein werden, jede Erweiterung<br />
des Zubringerverkehrs aus den<br />
Außenbezirken aufzunehmen.“<br />
Mit dem kurzen Teilstück zwischen Lichterfelde<br />
Ost und Lichterfelde Süd wurde am<br />
9. August 1943 der letzte Abschnitt der Berliner<br />
S-Bahn während des Krieges auf elektrischen<br />
Betrieb umgestellt. Bald darauf waren
Der unterirdische S-Bahnhof Potsdamer Platz<br />
wurde am 15. April <strong>1939</strong> eröffnet. Wände<br />
und Stützen waren mit weißen Opakglasplatten<br />
verkleidet, im Zwischengeschoss der<br />
„mittleren Verkehrshalle“ befanden sich eine<br />
Ladenstraße und kreuzförmige Treppen<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
sämtliche Ausbaupläne nur noch Makulatur.<br />
Der weitere Kriegsverlauf verursachte enor -<br />
me Schäden und Zerstörungen bei der Berliner<br />
S-Bahn; nur wenige Tage vor Kriegsende<br />
im Mai 1945 wurde der Nordsüd-Tunnel am<br />
Landwehrkanal gesprengt.<br />
Oberirdisch wies ein modernes S-Bahn-<br />
Neonschild auf den Zugang zum S-Bahnhof<br />
Potsdamer Platz hin. Die Zugangstreppen<br />
erhielten „in Stahlkunstguß modellierte<br />
Umwehrungen“. Im Hintergrund sind die<br />
historischen Torhäuser von Karl Friedrich<br />
Schinkel zu erkennen (Bild von <strong>1939</strong>)<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Am 22. April <strong>1939</strong> nahm ein Amateur den<br />
Bahnhof unter dem Potsdamer Platz in Berlin<br />
mit seinen weißen Glasplatten auf. Soeben<br />
erreicht ein S-Bahn-Zug des „Stadtbahner“-<br />
Typs die Station Heinz Meyer/Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Die Zeit nach dem Krieg<br />
Der oberirdische Anhalter Fernbahnhof am<br />
Askanischen Platz wurde am 18. Mai 1952<br />
für den Bahnverkehr stillgelegt, seine Ruine<br />
1959 fast vollständig abgerissen. Vom 13. August<br />
1961 bis zum November 1989 zählten<br />
die „Geisterbahnhöfe“ an der Berliner Nordsüd-S-Bahn,<br />
ausgenommen der Tiefbahnhof<br />
Friedrichstraße als Zugang zu einer Kontrollstelle,<br />
zu den eisenbahntechnischen Kurio -<br />
sitäten der geteilten Stadt.<br />
Nach dem „S-Bahn-Vertrag“ vom Früh -<br />
jahr 1984 wurde der Anhalter Tiefbahnhof<br />
als letzte Station im amerikanischen Sektor<br />
von der BVG im Westen Berlins über nom -<br />
men und tatkräftig moder nisiert. Durch -<br />
gefärbte Glasplatten waren mittlerweile<br />
uner schwinglich geworden, so griff man zu<br />
Kunststoffmaterial.<br />
Ein Brand im August 2004 setzte dem Bauwerk<br />
nochmals zu, das noch immer den traditionsreichen<br />
Namen „Anhalter Bahnhof“<br />
trägt.<br />
Von modischen Umbenennungen blieb<br />
auch die Berliner Nordsüd-S-Bahn nicht verschont.<br />
Schon zu frühen DDR-Zeiten wurde<br />
aus dem Stettiner Bahnhof der politisch korrekte<br />
„Nordbahnhof“ gemacht. Weil an der<br />
Prachtstraße „Unter den Linden“ künftig weitere<br />
Tiefbahnhöfe der U-Bahn entstehen,<br />
heißt die Station der S-Bahn neuerdings<br />
„Brandenburger Tor“. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 79
Bilderbogen<br />
| REICHS<strong>BAHN</strong>-REKLAME DER SPÄTEN 1930ER<br />
Reiseträume in Schwarz und Orange:<br />
Reisetipps und Fahrtenangebote<br />
kombiniert diese Broschüre der<br />
<strong>Reichsbahn</strong>direktion Köln<br />
Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />
Für verschiedene deutsche Regionen<br />
gab die <strong>Reichsbahn</strong>zentrale für den<br />
deutschen Reiseverkehr so genannte<br />
Verkehrsbücher heraus, welche die<br />
dortigen Sehenswürdigkeiten in Wort<br />
und Bild erläuterten Slg. Oliver Strüber<br />
Die Ausflugstouren als Sonderfahrten waren ein fester Bestandteil im<br />
Reiseangebot der <strong>Reichsbahn</strong>; sie legte dafür auch eigene Grußkarten auf.<br />
Der Krieg machte dem bald ein Ende Slg. Peter Schricker<br />
Eine Heftreihe stellt die<br />
Magistralen vor. Dazu zählt<br />
in den 1930er-Jahren auch<br />
die Verbindung Berlin –<br />
Würzburg – Stuttgart<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Reisen und schauen<br />
Schöne Ziele in Deutschland und Europa, attraktive<br />
Zugverbindungen – die Werbung der <strong>Reichsbahn</strong> setzt gegen<br />
Ende des Jahrzehnts auf Romantik und Sehenswürdigkeiten.<br />
Nichts in den Heften deutet darauf hin, dass bald ein Krieg<br />
Erholungsfahrten unmöglich machen wird; es sei denn,<br />
es handelt sich um eine Erholung von der Front ...<br />
Wöchentlich erschien die Mitropa-Zeitung,<br />
hier die Ausgabe vom 21. August <strong>1939</strong>. Sie<br />
enthielt Reiseinformationen, Veranstaltungshinweise<br />
und Werbung Slg. Dieter Heckl<br />
80
Das Thema „Grüße von der<br />
Sonderfahrt“ legte die <strong>Reichsbahn</strong><br />
in verschiedenen Ausführungen<br />
auf. Plattformwagen<br />
wie in der romantischen Darstellung<br />
dieser Postkarte dürften<br />
im Betrieb dafür wohl eher<br />
selten verwendet worden sein<br />
Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />
Entspannte Urlaubsatmosphäre<br />
verspricht der <strong>Reichsbahn</strong>-Prospekt<br />
von <strong>1939</strong>. Wenige Monate später<br />
herrscht Krieg, und bald darauf gibt<br />
die NS-Propaganda Durchhalteparolen<br />
aus wie „erst siegen, dann reisen“<br />
Slg. Gerhard<br />
Im Ausland wirbt die <strong>Reichsbahn</strong>zentrale für den deutschen<br />
Reiseverkehr mit fremdsprachigen Broschüren für Besuche<br />
in Deutschland. Schwer vorstellbar, dass sich Werbende und<br />
viele der Beworbenen bald schon feindselig gegenüber stehen<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Der Rhein ist als Urlaubserlebnis eine<br />
der Paradestrecken der <strong>Reichsbahn</strong>.<br />
Und eine, bei der man den Titel der<br />
Broschüre wörtlich nehmen kann ...<br />
Slg. Oliver Strüber<br />
Die gedeckte Tafel für unterwegs:<br />
Als „Kaffee-Sonderfahrt“ bot die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> vermutlich eintägige<br />
Ausflugsreisen an<br />
Slg. Dr. Daniel Hörnemann<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 81
Betrieb<br />
| DIE „OST<strong>BAHN</strong>“ IN POLEN<br />
Die neue<br />
Verwaltung<br />
Das von Deutschland besetzte Polen wurde in zwei<br />
Interessensbereiche aufgeteilt: die „eingegliederten Gebiete“<br />
und das „Generalgouvernement“. Während in Ersteren<br />
die <strong>Reichsbahn</strong> den Eisenbahnbetrieb führte, entstand für<br />
Letzteres mit <strong>Reichsbahn</strong>-Beteiligung die „Ostbahn“<br />
Mit dem deutsch-sowjetischen Überfall<br />
auf Polen begann der Zweite<br />
Weltkrieg. Es war nicht Adolf<br />
Hitler allein, der diesen Krieg geplant hatte<br />
und ab dem 1. September <strong>1939</strong> führte, sondern<br />
es waren ebenso seine zahllosen Fachleute<br />
in Wehrmacht, Rüstung und Verwal -<br />
tung. Dazu gehörte auch der alte Reichs -<br />
verkehrsminister Julius Dorpmüller (1869–<br />
1945), der am 24. Juli <strong>1939</strong> seinen 70. Geburtstag<br />
begangen hatte. Dessen Ziel blieb es, die<br />
Leistungsfähigkeit der deutschen Staats -<br />
bahn selbst bei extremen Konflikten unter<br />
Beweis zu stellen. Am 6. September <strong>1939</strong> veröffentlichte<br />
er in Heft 36 der Zeitschrift „Die<br />
<strong>Reichsbahn</strong>“ einen unmissverständlichen<br />
Aufruf an sein Personal, das im Jahresdurchschnitt<br />
958.000 bis 971.000 Kräfte umfasste:<br />
„<strong>Deutsche</strong> Eisenbahner! <strong>Deutsche</strong> Männer<br />
des Flügelrades! Wir alle stehen entschlos -<br />
sen in unverbrüchlicher Treue hinter dem<br />
Führer im Kampf für die Zukunft unseres<br />
herrlichen Reiches!“<br />
Auch während des „Blitzkriegs“ gegen Polen<br />
bewährte sich als „rollendes Führerhauptquartier“<br />
der seit 1937 entstandene<br />
Dienstzug der Reichsregierung. Für die Hilfe<br />
der <strong>Reichsbahn</strong> in ihrem ersten Feldzug<br />
dankte der Oberbefehlshaber des Heeres,<br />
General Walther v. Brauchitsch (1881–1948),<br />
wortreich dem Verkehrsminister, nach dem<br />
sich die letzten polnischen Truppen am 6. Oktober<br />
<strong>1939</strong> ergeben hatten. In „Die <strong>Reichsbahn</strong>“,<br />
Heft 41 vom 11. Oktober <strong>1939</strong>, schloss<br />
Dorpmüller den nächsten Aufruf wie folgt:<br />
„Eure Leistungen in den letzten Wochen in<br />
der Heimat und im Operationsgebiet stellen<br />
sich den unvergänglichen Taten unserer<br />
Wehrmacht würdig zur Seite. Ich wußte, daß<br />
ich mich auf Euch verlassen kann, und ich<br />
bin stolz auf Euch! Es lebe der Führer und<br />
unser herr liches Großdeutschland!“<br />
In etwas mehr<br />
als vier Wochen<br />
nehmen die<br />
deutschen<br />
Truppen das<br />
Nachbarland<br />
ein. Zerstörte<br />
Eisenbahnbrücke<br />
und entgleiste<br />
polnische Güter -<br />
zuglokomotive<br />
an einem unbekannten<br />
Ort<br />
in Polen, <strong>1939</strong><br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
82
Ende Oktober <strong>1939</strong> unternimmt Reichsverkehrsminister und <strong>Reichsbahn</strong>-Generaldirektor<br />
Julius Dorpmüller eine Inspektionsreise in das Generalgouvernement<br />
und den Bereich der Ostbahn. Das Bild vom 31. Oktober zeigt ihn auf dem Bahnhof<br />
Petrikau mit feldgrauer Uniform in unbekannter Begleitung. Der Eisenbahner<br />
links trägt eine Bahnschutzuniform mit „Gardelitzen“ am Kragen, wie sie anfangs<br />
an die <strong>Reichsbahn</strong>beamten in Polen ausgegeben wurde<br />
Familienbesitz Dorpmüller/Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 83
Betrieb<br />
| DIE „OST<strong>BAHN</strong>“ IN POLEN<br />
Zur selben Zeit reiste der deutsche Verkehrsminister<br />
über die bisherige Grenze<br />
nach Danzig, Dirschau und Tschenstochau<br />
zu einer Inspektion; er wollte sich informieren,<br />
wie Polen auch mit Hilfe seiner, der deutschen<br />
Eisenbahnverwaltung unterworfen<br />
wurde. An Bildern fällt auf, dass er seit September<br />
<strong>1939</strong> bei öffentlichen Auftritten nun<br />
zumeist Uniform trug, denn nicht nur die<br />
Treffen mit Militärs und Eisenbahnpionieren<br />
ließen ihm ein solches Dienstkleid sinnvoll<br />
erscheinen.<br />
Neue Einteilung Polens<br />
Hier soll es vor allem um das erste Jahr der<br />
neuen Bahnverwaltung im eroberten Polen<br />
gehen, etwa den Zeitraum von September<br />
<strong>1939</strong> bis zum Sommer 1940. Anfangs wurden<br />
eigene Eisenbahnbetriebs direktionen in<br />
Lodsch – für das alte „Kongresspolen“ – und<br />
in Posen zur praktischen Instandsetzung der<br />
Strecken gebildet.<br />
Nach der deutschen Besetzung des Nachbarlandes<br />
im Oktober <strong>1939</strong> stand das Reichsverkehrsministerium<br />
vor der Aufgabe, die<br />
Eisenbahnen des eroberten Gebietes mit<br />
einer neuen Organisationsstruktur zu ver -<br />
sehen. Sie hatte dabei nach Hitlers Entscheidungen<br />
besondere Rücksicht auf die endgültige<br />
poli tische Aufteilung Polens zwischen<br />
den „eingegliederten Gebieten“ von Posen,<br />
Westpreußen und Ostoberschlesien einer -<br />
seits sowie dem „Generalgouverne ment“<br />
(GG) mit Regierungssitz in Krakau andererseits<br />
zu nehmen.<br />
Viele Beamte der <strong>Reichsbahn</strong> bewarben sich freiwillig zur Ostbahn, um Karriere zu machen.<br />
Doch auch schwache Eisenbahner wurden aus der Heimat abgeordnet, weil ihre Vorgesetzten<br />
etwas Abstand gewinnen wollten – hier ein Beispiel vom April 1940 Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Bildung neuer Direktionen<br />
Mit Wirkung vom 1. November <strong>1939</strong> entstanden<br />
zwei neue <strong>Reichsbahn</strong>direktionen für<br />
die ins <strong>Deutsche</strong> Reich aufgenommenen<br />
Gaue „Westpreußen“ in Danzig und „Wartheland“<br />
in Posen. Zu den wichtigsten Strecken<br />
der <strong>Reichsbahn</strong>direktion Danzig gehörten<br />
ein Abschnitt der vormals preußischen Ostbahn<br />
von Berlin nach Königsberg zwischen<br />
Konitz und Elbing sowie ein langer Abschnitt<br />
Durch Verordnung wurde<br />
am 9. November <strong>1939</strong><br />
die Ostbahn gegründet<br />
der „Kohlenmagistrale“ aus Oberschlesien<br />
zwischen Bromberg und der Ostseeküste. Im<br />
neuen „Warthegau“ übernahm die <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />
Posen den Betrieb. Die bereits<br />
vorhandene <strong>Reichsbahn</strong>direktion Oppeln<br />
wurde um den Raum Kattowitz in dem<br />
gleichfalls zum Reich geschlagenen Gebiet<br />
Ostoberschlesiens erweitert. Dort befand<br />
sich das große Steinkohlenrevier.<br />
Zugleich wurde mit „Verordnung des Generalgouverneurs<br />
über die Verwaltung des<br />
Eisenbahnwesens im General gouverne -<br />
ment“ vom 9. November <strong>1939</strong> eine „General-<br />
Übersichtskarte der Ostbahn; schraffiert ist die erst im August<br />
1941 hinzugekommene Direktion Lemberg dargestellt. Bild aus<br />
dem „Archiv für Eisenbahnwesen“ 1960, Seite 30 Slg. Gottwaldt<br />
84
<strong>Deutsche</strong> Eisenbahner aus der <strong>Reichsbahn</strong>direktion Kassel auf einer polnischen Dampflok in Krakau im Herbst <strong>1939</strong>. Die 117 Tonnen schwere<br />
Tenderlokomotive der Gattung OKz 32-3 mit der Achsfolge 1’E1’ wurde von der Ostbahn zur Baureihe 95 3 gemacht Slg. Dr. Gerhard Düsterhaus<br />
direktion der Ostbahn“ (Gedob) mit Sitz in<br />
Krakau gegründet, um die übrigen vormals<br />
polnischen Strecken zu betreiben. Am 17. November<br />
<strong>1939</strong> kam das „Gesetz über die Errichtung<br />
der Ostbahn“ für das Generalgouvernement<br />
heraus.<br />
Der Begriff „Ostbahn“ war früher schon<br />
mehrfach in Preußen und Bayern sowie in<br />
Österreich und Frankreich verwendet worden;<br />
aktuell gab es noch die „<strong>Reichsbahn</strong> -<br />
direktion Osten“ mit Sitz in Frankfurt (Oder).<br />
Bereits am 15. Dezember <strong>1939</strong> wurde der<br />
erste Fahrplan der Ostbahn veröffentlicht.<br />
Der Betriebsleiter ihrer Eisenbahnbetriebsdirektion<br />
Krakau, Oberreichsbahnrat Phi -<br />
lipp Mangold (1887–1955), rief zum Jahreswechsel<br />
<strong>1939</strong>/40 voller Überzeugung im<br />
Amtsblatt seiner Behörde aus: „Die Nach -<br />
welt wird uns einst um das Glück beneiden,<br />
in dieser großen Zeit gelebt und unserem genialen<br />
Führer beim Bau Großdeutschlands<br />
geholfen zu haben.“ Der einsetzende heftige<br />
Winter mit Temperaturen bis zu minus 40<br />
Grad Celsius machte es sehr schwierig, sämtliche<br />
Züge überhaupt zu fahren. Die „Krakauer<br />
Zeitung“ vom 27. Januar 1940 schrieb<br />
dazu: „Der letzte Kälteeinbruch und die immer<br />
wieder einsetzenden Schneefälle haben<br />
auch unserer <strong>Deutsche</strong>n Ostbahn einen<br />
Strich durch die Rechnung gemacht. Der Reiseverkehr<br />
mußte bis zu 30 Prozent eingeschränkt<br />
werden.“<br />
Die Generaldirektion der Ostbahn<br />
Von Anfang 1940 bis Anfang 1945 befand sich<br />
eine Behörde mit der Bezeichnung „Ge-<br />
neraldirektion der Ostbahn“ (Gedob) am<br />
Matejkiplatz 12 in Krakau. Das vormalige<br />
Dienstgebäude der Polnischen Staatseisenbahnen<br />
lag nur wenige Gehminuten vom<br />
Krakauer Hauptbahnhof entfernt. Der Platz<br />
war nach Jan Matejko benannt, einem Maler<br />
patriotischer Historiengemälde. Noch heute<br />
befinden sich polnische Eisenbahndienststellen<br />
in dem massiven Bauwerk.<br />
Nach dem Vorbild des Reichsverkehrs -<br />
ministeriums war die Gedob zunächst in<br />
sechs Abteilungen gegliedert, welche jeweils<br />
die üblichen Referate umfassten. Die zur Leitung<br />
des Eisenbahnwesens im Generalgouvernement<br />
erforderlichen oberen und mittleren<br />
deutschen Beamten bis hinab zum<br />
Bahnhofsvorsteher oder Gruppenleiter wurden<br />
noch im Oktober <strong>1939</strong> aus dem Personalbestand<br />
der <strong>Reichsbahn</strong> abgeordnet, teilweise<br />
nach freiwilligen Meldungen. Sie<br />
be hielten die Dienstbezeichnungen zum Beispiel<br />
als <strong>Reichsbahn</strong>inspektoren auch während<br />
ihrer Zeit bei der Ostbahn. Anfangs trugen<br />
sie Bahnschutzuniformen und bekamen<br />
Handfeuerwaffen.<br />
Die Zahl der deutschen Dienstkräfte im<br />
Bereich der Gedob stieg allmählich von etwa<br />
5.000 Mann im Jahr 1940 bis zuletzt – mit den<br />
<strong>Deutsche</strong> Dienstkräfte<br />
beaufsichtigten die<br />
polnischen Eisenbahner<br />
aus der besetzten Sowjetunion zurückgedrängten<br />
Kräften – auf mehr als 20.000 Mann<br />
im Jahre 1944 an. Sie führten im praktischen<br />
Bahnbetrieb die Aufsicht über die einhei -<br />
mischen Eisenbahner. Zur Weiterbildung<br />
dien te die „Zentralschule der Ostbahn“ in<br />
Makow-Podhalanski an der Strecke von Krakau<br />
nach Zakopane.<br />
Wichtigste Aufgaben der Ostbahn waren<br />
– nach Beseitigung der im September <strong>1939</strong><br />
entstandenen Schäden – eine beständige Mithilfe<br />
bei der Ausplünderung des unterworfe-<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 85
Betrieb<br />
| DIE „OST<strong>BAHN</strong>“ IN POLEN<br />
nen Landes, die Umsiedlung der „Wolhyniendeutschen“<br />
mit Pferd und Wagen aus der<br />
Sowjetunion ins Reich, die geheime Vorbereitung<br />
des Russlandfeldzugs bis Mitte 1941<br />
und danach die massive Versorgung der deutschen<br />
Besatzungsarmeen in der Sowjetunion.<br />
Ostbahn-Präsident Adolf Gerteis<br />
Die Ostbahn war 1940 in vier Betriebsdirektionen<br />
mit Sitz in Krakau, Lublin, Radom<br />
und Warschau unterteilt. Ab 1. August 1941<br />
kam mit Galizien die Direktion Lemberg<br />
hinzu. Die Direktion Lublin wurde daraufhin<br />
aufgelöst, so dass ab Ende 1941 in vier Direktionen<br />
in Krakau (1.333 Kilometer), Lemberg<br />
Adolf Gerteis<br />
war als deutscher<br />
Eisenbahnbeamter<br />
von 1911 bis 1952<br />
tätig. Bei der „Ostbahn“<br />
fungierte er<br />
ab Februar 1940 als<br />
Präsident; später<br />
machte er bei der<br />
Bundesbahn Karriere<br />
Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
(2.471 Kilometer), Radom (1.999 Kilometer)<br />
und Warschau (1.228 Kilometer) insgesamt<br />
7.090 Kilometer Streckenlänge bestanden.<br />
Im Mai 1943 wurde auch die Radomer Direktion<br />
auf die Nachbarbezirke aufgeteilt. Die<br />
Zahl der Lokomotiven bei der Ostbahn stieg<br />
von 1.135 Stück im Januar 1940 auf 2.400<br />
NSDAP-Mitglieder an<br />
der Spitze: Auf Emil Beck<br />
folgte Adolf Gerteis<br />
Stück im Sommer 1944 an. Eigene Ostbahn-<br />
Ausbesserungswerke bestanden 1940 in Neu-<br />
Sandez, Pruszkow, Radom, Tarnow und in<br />
Warschau-Praga.<br />
Chef der Ostbahn-Generaldirektion war<br />
während ihrer ersten Monate noch Emil<br />
Beck (1887–1982), ein altes NSDAP-Mitglied<br />
seit dem 1. Februar 1931, der Anfang 1940<br />
zum neuen Präsidenten der <strong>Reichsbahn</strong>direktion<br />
Berlin aufstieg. Vom 26. Februar 1940<br />
bis zum Kriegsende war aber der verantwortliche<br />
erste Mann bei der Ostbahn sein bisheriger<br />
erster Vertreter und Betriebsleiter, Adolf<br />
Gerteis (1886–1957). Der nunmehrige Präsident<br />
war NSDAP-Mitglied seit dem 1. April<br />
1936 und bei der Verstaatlichung der Lübeck-<br />
Büchener Eisenbahn von dieser Gesellschaft<br />
1938 wieder zur <strong>Reichsbahn</strong> gekommen.<br />
Sein Posten in Krakau wurde dadurch aufgewertet,<br />
dass Gerteis ab 6. April 1940 zugleich<br />
als „Leiter der Haupteilung Eisenbahn<br />
in der Regierung des General gouverne -<br />
ments“ besonders bestallt war.<br />
Organisatorische Unklarheiten<br />
Ob die Ostbahn eigentlich „ein Teil oder eine<br />
Tochter der <strong>Reichsbahn</strong>“ bildete, war zutiefst<br />
umstritten. Das Geld der Ostbahn sollte in<br />
das Budget des Generalgouverneurs Hans<br />
Frank (1900–1946) fließen, doch andererseits<br />
erhielt sie gewisse betriebliche Anweisungen<br />
sowie Betriebsmaterial vom Reichsverkehrsministerium.<br />
Diese unklare Regelung führte<br />
zu beständigen Reibungen zwischen Generalgouverneur<br />
und Reichsverkehrsminister.<br />
Diese wurden noch verschärft, als Dorpmüller<br />
im Januar 1942 auch den Bahnbetrieb in<br />
der besetzten Sowjetunion übernahm und<br />
seitdem etwa zwei Drittel der Züge aus dem<br />
Reich nach Russland über das Gebiet der<br />
Ostbahn als einer für die <strong>Reichsbahn</strong> „fremden<br />
Verwaltung“ hinweg geführt werden<br />
mussten.<br />
Seinen Kollegen bei der Eisenbahn galt<br />
Gerteis als Karrierist und Christ zugleich.<br />
Von 1940 bis 1945 war er mit der Ostbahn an<br />
Zwangsarbeit und Deportation der polnischen<br />
Juden beteiligt. Nach der Flucht in die<br />
amerikanische Besatzungszone Deutschlands<br />
wurde er im Januar 1950 noch zum<br />
Stellvertretenden Generaldirektor der <strong>Deutsche</strong>n<br />
Bundesbahn gemacht. Mitte 1952 trat<br />
er in den Ruhestand.<br />
Das polnische Personal<br />
Der Bahnbetrieb der Ostbahn litt von Anfang<br />
an unter gravierendem Personalmangel, verschärft<br />
durch erhebliche Defizite an Mate -<br />
rial, Bauten und Maschinen. Damit waren<br />
die von Politik, Militär und Wirtschaft geforderten<br />
großen Transportleistungen nur mühsam<br />
zu erbringen. Die Gedob versuchte deshalb,<br />
ihre etwa 50.000 polnischen Dienstkräfte<br />
durch „angemessene Bezahlung“ und<br />
„günstige Arbeitsbedingungen“ sowie gewisse<br />
„soziale Maßnahmen“ zu motivieren,<br />
den Dienst bei der Ostbahn zuverlässig zu<br />
Die Gliederung und die leitenden Mitarbeiter der Generaldirektion der „Ostbahn“, Stand vom April 1940.<br />
Die Mitarbeiter hatte man vielfach von der <strong>Reichsbahn</strong> gewonnen Slg. Dr. Alfred Gottwaldt (3)<br />
86
Szene vor dem Warschauer Hauptbahnhof, aufgenommen im Winter <strong>1939</strong>/40. Das neue, überhaupt erst unter deutscher Leitung fertig<br />
gestellte Empfangsgebäude trägt bereits zweisprachige Beschriftungen in deutsch und in polnisch Slg. Dr. Alfred Gottwaldt<br />
verrichten. Die „volksdeutschen“ Eisenbahner<br />
aus Polen hat man dabei stets bevorzugt.<br />
Durch Lohnerhöhungen für die polnischen<br />
wie für die deutschen Eisenbahner wurde<br />
die Zahl der nicht zur Arbeit erscheinenden<br />
nichtdeutschen Kräfte merklich vermindert,<br />
doch fand diese Politik nicht immer die Zustimmung<br />
des Generalgouverneurs Frank.<br />
Auf solche Weise wurde – bis 1944 weit ge -<br />
hend mit Erfolg – auch Sabotage bei der Ostbahn<br />
vorgebeugt.<br />
Juden bei der Ostbahn<br />
Das besetzte Gebiet Polens wurde bald zu einem<br />
Exerzierfeld für die deutsche Judenpolitik.<br />
Wie alle Dienststellen und Firmen im<br />
Generalgouvernement beschäftigte auch die<br />
Ostbahn seit <strong>1939</strong> an zahllosen Orten eine<br />
große Zahl jüdischer Zwangsarbeiter. Schon<br />
am 14. Oktober <strong>1939</strong> entstand eine propagandistische<br />
Aufnahme mit dem Titel „Zur Arbeit<br />
herangezogene Juden auf dem Bahnhof Warschau<br />
Hauptbahnhof“ für das Bildarchiv der<br />
Generaldirektion. Typische Tätigkeiten der<br />
Juden bestanden im kräfte zehrenden „Er-<br />
satz von nicht vorhandenen Maschinen“ bei<br />
der Ostbahn. Die Menschen wurden beim<br />
Verladen von Lokomotivkohle, beim Um -<br />
laden von Gepäck oder von Fracht sowie<br />
zum Schneeräumen eingesetzt, ferner zu<br />
Erd arbeiten bei Baumaßnahmen. Herabwürdigungen<br />
sollten folgen.<br />
Bereits am 26. Januar 1940 bestimmte Generalgouverneur<br />
Frank, dass den Juden in<br />
seinem Gebiet die Benutzung der Eisenbahn<br />
verboten sei. Einige Tage später wurde ein<br />
entsprechender Aushang auf sämtlichen<br />
Bahnhöfen der Ostbahn angebracht; übrigens<br />
viel früher als im Reich ab September<br />
1941. Schon am 2. Februar 1940 schrieb das<br />
Nachrichtenblatt der Generaldirektion der<br />
Ostbahn offen: „Die Ghettos in Warschau<br />
und Lublin vermitteln ein anschauliches Bild<br />
von der Gefahr, die das Judentum für die Völker<br />
bedeutet, denn auch die Juden, die früher<br />
Macht und Einfluß in Deutschland besaßen,<br />
haben ihre Urheimat in den schmutzigen<br />
und verwahrlosten – zum Teil unterirdischen<br />
– Behausungen dieser östlichen Ghettos.“<br />
Am 20. Februar 1941 wurde die Verordnung<br />
des Reiseverbots erneuert und fand so<br />
Eingang in die zweisprachige „Eisenbahn-<br />
Verkehrsordnung für das General gouverne -<br />
ment“ vom 1. Januar 1942.<br />
Gegen Jahresende 1941 setzten die systematische<br />
Deportation der polnischen Juden<br />
und ihre Ermordung im Vernichtungslager<br />
Belzec bei Lublin ein. Das Vernichtungslager<br />
Sobibor bei Lublin nahm seinen Betrieb im<br />
Frühjahr 1942 auf. Im Vernichtungslager<br />
Treblinka bei Malkinia fand binnen weniger<br />
Monate ab 22. Juli 1942 die Mehrzahl der<br />
Warschauer Juden den Tod. Insgesamt<br />
brachte die Ostbahn mehr als 1,5 Millionen<br />
Menschen in diese Mordfabriken.<br />
In den Ausbesserungswerken der Ost -<br />
bahn waren jüdische Facharbeiter unverzichtbar.<br />
Typisch für die geistige Haltung der<br />
deutschen Beamten bei der Ostbahn war die<br />
Bemerkung ihres Präsidenten Gerteis während<br />
einer Besprechung mit Generalgouverneur<br />
Frank am 22. September 1942. Dem -<br />
nach konnte er die noch bei der Ostbahn<br />
beschäftigten 24.000 Juden nicht für die Ver -<br />
nichtung freigeben – solange seine Ver wal -<br />
tung keine geeigneten „Ostarbeiter“ als<br />
Ersatz erhielt. Dazu kam es innerhalb von<br />
Jahresfrist bis zum Herbst 1943.<br />
Dr. Alfred Gottwaldt<br />
Literaturhinweise –<br />
Mehr zum Thema Ostbahn<br />
Werner Pischel: Die Generaldirektion<br />
der Ostbahn in Krakau <strong>1939</strong> – 1945.<br />
In: Archiv für Eisenbahnwesen 1964, S. 1.<br />
Michael Reimer, Volkmar Kubitzki:<br />
Eisenbahn in Polen <strong>1939</strong> – 1945.<br />
Stuttgart 2004.<br />
Wolfgang Scharf: Eisenbahnen zwischen<br />
Oder und Weichsel. Freiburg 1981.<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 87
Fahrzeuge<br />
| MODERNE TRAKTION IM KRIEG<br />
Wehrmachtsübung mit einer Kleinlok<br />
der <strong>Reichsbahn</strong> 1938/39. Im Krieg wurden die<br />
kleinen Triebfahrzeuge zahlreich von Wehrmachtsdienststellen<br />
eingesetzt Slg. Dirk Winkler<br />
Ende Mai 1934 beschloss der Verwaltungsrat<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Reichsbahn</strong>-<br />
Gesellschaft (DRG), ein umfang -<br />
reiches Programm zur Beschaffung von<br />
Triebwagen aufzulegen. Geringere Personalkosten<br />
durch den einmännigen Betrieb, niedrigere<br />
Betriebskosten, kürzere Reisezeiten<br />
und größere Flexibilität gegenüber lokbespannten<br />
Zügen gaben den Ausschlag dafür.<br />
Geplant war, den Bestand von rund 60.000<br />
Reisezugwagen zu halbieren und den Personen-<br />
und Eilzugverkehr auf Hauptbahnen<br />
sowie den gesamten Nebenbahnpersonenverkehr<br />
künftig mit Triebwagen durchzuführen.<br />
Ein 1935 vorgelegtes Vereinheitlichungsprogramm<br />
konzentrierte sich auf sechs Bauarten,<br />
das in der überarbeiteten Fassung nur<br />
noch vierachsige Triebwagen sowie einige<br />
Sonderbauarten enthielt. Mit den Verbrennungstriebwagen<br />
hatte die <strong>Reichsbahn</strong> sehr<br />
erfolgreich begonnen, auf Haupt- und Nebenbahnen<br />
Personenzugleistungen mit geringer<br />
Nachfrage abzudecken, sowie einige<br />
dampfgeförderte Eilzugleistungen durch<br />
Triebwagen ersetzt. Zudem hatte sie seit 1933<br />
kontinuierlich ein Netz von Schnelltrieb -<br />
wagenleistungen aufgebaut, das vornehm -<br />
lich im hochwertigen FD-Zugdienst, also nur<br />
für Reisende der 1. und 2. Wagenklasse,<br />
angesiedelt war.<br />
88<br />
Einfache Loks<br />
in großer Zahl<br />
Mitte der 1930er-Jahre hatte sich die <strong>Reichsbahn</strong> ein<br />
Modernisierungsprogramm für ihren Fahrzeugpark<br />
auferlegt. Schwerpunkte waren Verbrennungstriebwagen<br />
und eine Erweiterung des elektrischen<br />
Betriebs. Im Krieg blieb davon nicht viel übrig<br />
Zeitgleich hatte 1934 das <strong>Reichsbahn</strong>zentralamt<br />
ein Diesellokprogramm aufgelegt, in<br />
dem bis zu fünf Bauarten vorgesehen waren,<br />
von denen je eine Versuchslokomotive beschafft<br />
werden sollte, um die neuen tech -<br />
nischen Möglichkeiten zu erproben und<br />
Lo komotiven für höhere Leistungen und<br />
Fahr geschwindigkeiten zu entwickeln. Zu -<br />
dem wurden in großer Stückzahl Kleinlo<br />
ko motiven mit Verbrennungs motoren be -<br />
schafft, die den Rangierdienst auf Unterwegsbahnhöfen<br />
vereinfachen sollten.<br />
Eine größere Bedeutung maß die <strong>Reichsbahn</strong><br />
ab 1933 auch wieder der Elektrifizierung<br />
bei. Die Vorhaben umfassten die Weiterführung<br />
von Arbeiten in Bayern und Württemberg<br />
sowie als eines der größten Projek -<br />
te die durchgehende Elektrifizierung der<br />
Strecke München – Berlin. Zwar blieben die<br />
Stückzahlen der gelieferten elektrischen<br />
Lokomotiven im Vergleich zu den Dampfloks<br />
eher gering, doch zeichnete sich eine Typi -<br />
sierung der Lokomotiven und Triebwagen<br />
ab, die auch hier einen wirtschaftlicheren<br />
Betrieb erreichen sollte.<br />
Mit der beginnenden Aufrüstung kamen<br />
die Projekte ins Stocken. Nur eine Type aus<br />
dem fünf Bauarten umfassenden letzten
Truppen- und Materialtransport mit einer E 44. Neben der 1940 vorgestellten<br />
E 94 war dies die einzige Elloktype, welche die <strong>Reichsbahn</strong> – in vereinfachter<br />
Kriegsversion – weiter bauen ließ Slg. Stefan Ponzlet<br />
vor schweren Eisenbahngeschützen. Seit<br />
Mitte August <strong>1939</strong> wurden die <strong>Reichsbahn</strong>direktionen<br />
angewiesen, ausgewählte Triebwagenbauarten<br />
vordringlich ausbessern zu<br />
lassen. Ungenannter Hintergrund war ihr<br />
vorgesehener Einsatz für die Wehrmacht.<br />
Ende September <strong>1939</strong> waren rund 80 Verbrennungstriebwagen<br />
von der <strong>Reichsbahn</strong><br />
an die Wehrmacht abgegeben, zumeist<br />
bereits in neuer, dunkelgrauer Lackierung.<br />
Besonders im 1940 begonnenen Westfeldzug<br />
wurden die Triebwagen zur Streckenerkundungen<br />
und -inbesitznahmen in den überfallenen<br />
Gebieten eingesetzt. Später waren die<br />
<strong>Reichsbahn</strong>triebwagen verteilt über halb<br />
Europa; sie beförderten Mannschaften, Einsatzstäbe<br />
und Kriegsgerät an die Fronten,<br />
waren leicht verlegbare Stabsquartiere der<br />
Befehlshaber oder dienten als Zuggerät bei<br />
Eisenbahn-Geschützen. Auch die Kleinlokomotiven<br />
wurden gern und zahlreich durch<br />
Wehrmachtsdienststellen genutzt. Es gab Beschränkungen<br />
der Kraftstoffversorgung für<br />
den zivilen Verkehr, aber im militärischen Bereich<br />
setzte man Triebfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren<br />
ein. Die <strong>Reichsbahn</strong> war bemüht,<br />
wenigstens die Triebwagen mit Ottomoren<br />
auf Gas be trieb umzustellen, wodurch<br />
ein – geringer – Bestand weiterhin einer zivilen<br />
Nutzung zur Verfügung stand.<br />
Zwischen Saalfeld und Probstzella entstand das Bild mit E 18 045 und ihrem Schnellzug. Die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> wollte die E 18 im Krieg weiter beschaffen, stoppte diese Pläne aber Slg. Gerhard<br />
Fahrzeugprogramm von 1935 wurde realisiert:<br />
eine 1’C1’-Nebenbahn-Diesellok mit<br />
hydraulischem Blindwellenantrieb, die im<br />
Sommer 1935 als V 16 101 (spätere V 140 001)<br />
zur <strong>Reichsbahn</strong> gelangte. Im Februar 1936<br />
wurde das Diesellok-Programm der DRG<br />
mit Verweis auf die Schwierigkeiten bei der<br />
Beschaffung von Treiböl abgebrochen. Die<br />
Zahl der von 1937 bis <strong>1939</strong> ausgelieferten Verbrennungstriebwagen<br />
belief sich über alle<br />
Bauarten auf 181 Stück. Dem standen knapp<br />
1.000 Dampflokomotiven gegenüber. Zwar<br />
gab es nach 1937 ein überarbeitetes Ver -<br />
einheitlichungsprogramm bei den Verbren-<br />
nungstriebwagen, doch mit dem Überfall auf<br />
Polen und der weitgehenden Einstellung des<br />
zivilen Triebwagenverkehrs ab Ende August<br />
<strong>1939</strong> wurden alle Vorhaben zur Makulatur.<br />
Ende <strong>1939</strong> waren die bis dahin zuständigen<br />
Dezernate bereits aufgelöst.<br />
Dienstbare Helfer für das Militär<br />
Bereits vor Kriegsbeginn hatten militärische<br />
Stellen Triebwagen wie auch Kleinloks in unterschiedlichen<br />
Einsatzfällen erprobt. Seit<br />
November 1938 testete die Wehrmacht einzelne<br />
Verbrennungstriebwagen und begutachtete<br />
ihre Einsatzfähigkeit insbesondere<br />
Zuverlässiger elektrischer Betrieb<br />
Den elektrischen Betrieb hielt die Reichs -<br />
bahn in vollem Umfang aufrecht. Der Streckenausbau<br />
wurde fortgesetzt, wenn auch<br />
mit vermindertem Tempo, da Arbeitskräfte<br />
und Rohstoffe fehlten. Nur wenige Projekte<br />
wurden weitergeführt, darunter das Großvorhaben<br />
München – Berlin. Nach Verzögerungen<br />
erreichte der Fahrdraht von Saalfeld<br />
aus 1942 Leipzig.<br />
Insgesamt war der elek trische Betrieb,<br />
wie sich im Kriegsverlauf zeigte, weit<br />
weniger störanfällig als vom Generalstab erwartet.<br />
Nach Luftangriffen waren die Fahrleitungsanlagen<br />
oft schneller wieder instand<br />
gesetzt als Oberbau und Brücken. Trotzdem<br />
hatte der Chef des Transportwesens der<br />
Wehrmacht im Jahr 1941 die Zustimmung zu<br />
einem groß angelegten Ausbauprogramm<br />
verweigert.<br />
Anfang 1940 sah die <strong>Reichsbahn</strong> noch die<br />
Beschaffung der Baureihen E 18, E 44 und<br />
E 94 vor; zwei Jahre später wurde lediglich<br />
der Bau von E 94 und E 44 als Kriegs-Elektrolokomotiven<br />
– in vereinfachter Form – weiter<br />
zugelassen. Der Bau der Schnellzugloks<br />
E 180 und E 19 wurde dagegen <strong>1939</strong> einge -<br />
stellt, 1940 rollten auch die letzten Exemplare<br />
der aus Österreich stammenden E 18 2 (ex.<br />
BBÖ Rh 1870) auf die Gleise. Von nun an kamen<br />
einfache Massenprodukte in den Trieb -<br />
fahrzeug bestand – bis weit über den Krieg<br />
hinaus.<br />
Dirk Winkler<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 89
Bilderbogen<br />
| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />
Nach Polen<br />
Mit dem 1. September <strong>1939</strong> ist die – bestenfalls trügerische –<br />
Friedenszeit in Deutschland vorbei. Spätestens jetzt fährt die<br />
<strong>Reichsbahn</strong> unter Kriegsbedingungen. In einem Konflikt, der lange<br />
dauert und nach dem nichts mehr so sein wird wie vorher<br />
90
„Auf nach Ostpreußen!“ steht auf der Rückseite dieses Fotos, datiert auf <strong>1939</strong> mit<br />
dem Aufnahmeort Hagen Hauptbahnhof. Einheiten des Reichsarbeitsdienstes<br />
warten auf die Bahnfahrt in die (außer der Stadt Danzig) zum <strong>Deutsche</strong>n Reich<br />
gehörende Exklave, in der ebenfalls schon der Krieg gegen Polen vorbereitet<br />
wird. Der Reichsarbeitsdienst errichtet dort Verteidigungsanlagen und ersetzt<br />
Reservisten, welche die Wehrmacht für den Angriff einberufen hat Slg. Stefan Ponzlet<br />
und weiter<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 91
Bilderbogen<br />
| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />
In zahlreichen Zügen bringt die <strong>Reichsbahn</strong> militärisches Gerät an den „Gefechtsort“,<br />
wie diese Geschütze und Kübelwagen des Heeres. Die Transporte setzen sich<br />
fort; das Bild aus Polen entstand vermutlich im Frühjahr 1940 Slg. Stefan Ponzlet<br />
Während des „Blitzkriegs“ gegen Polen benutzen<br />
Adolf Hitler und sein Außenminister Joachim<br />
von Ribbentrop im September <strong>1939</strong> den<br />
Dienstzug der Reichsregierung als „rollendes<br />
Führerhauptquartier“. Der Sonderzug wurde<br />
eigens für die NS-Führung gebaut;<br />
in Bildmitte ein Salonwagen<br />
Library of Congress/<br />
Slg. Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz<br />
Noch ist es vor allem die Eisenbahn des<br />
Gegners, die ins Fadenkreuz der Angriffe<br />
gerät. Zerstörter polnischer Güterzug<br />
bei Graudenz am 27. September <strong>1939</strong><br />
Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Die andere Seite des Krieges:<br />
Für die Verwundeten auf<br />
deutscher Seite werden<br />
Lazarettzüge eingesetzt –<br />
zusammengestellt aus<br />
<strong>Reichsbahn</strong>-Wagenmaterial<br />
Slg. Dieter Heckl<br />
92
Der Krieg beginnt<br />
Ein von <strong>Deutsche</strong>n inszenierter „polnischer Überfall“ dient dem Hitler-<br />
Regime als Vorwand, um das Nachbarland anzugreifen. Polen kann dem<br />
deutschen Vormarsch nur wenig entgegen setzen; auch mit Hilfe des<br />
Transportmittels <strong>Reichsbahn</strong> kommt die Wehrmacht schnell voran<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 93
Bilderbogen<br />
| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />
Die neuen Machthaber<br />
Ohne Skrupel etabliert die deutsche Führung ihre Herrschaft im eroberten<br />
Polen; Alltagsgeschäfte stehen dabei neben Verfolgung und Rassenwahn.<br />
Die <strong>Reichsbahn</strong> erweitert ihr Streckennetz und ihren Fahrzeugbestand<br />
Zum Schutz vor bzw. Auskurieren von Krankheiten<br />
müssen Soldaten „Entseuchungszüge“ aufsuchen.<br />
Bild in Debica, 24. Oktober <strong>1939</strong> Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Im September <strong>1939</strong> war die<br />
deutsche Eroberung der<br />
Weichsel brücken bei Dirschau<br />
misslungen, im Oktober<br />
<strong>1939</strong> ermöglicht eine Notbrücke<br />
wieder den Übergang. Die<br />
Postkarte zeigt die Einweihung<br />
Slg. Stefan Ponzlet<br />
94
Insignien der Macht:<br />
auf <strong>Reichsbahn</strong>-Besitz<br />
umgezeichneter<br />
Wagen der Polnischen<br />
Staatsbahn, aufgenommen<br />
im Oktober <strong>1939</strong><br />
Slg. Dr. Brian Rampp<br />
Wehrmachtssoldaten warten in Kattowitz auf den Zug. Der Bahnhof ist bereits „umgeschildert“<br />
und verfügt nun auch über eine „NSDAP-Reiseleitung“ Slg. Stefan Ponzlet<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 95
Bilderbogen<br />
| DIE ERSTE KRIEGSZEIT<br />
Eine Lok der Baureihe 50 steht mit einem<br />
Militärzug abfahrbereit, aus den Wagen<br />
blicken Leute des Heeres. In strategischer<br />
Hinsicht wird die Eisenbahn im Zweiten<br />
Weltkrieg noch eine wichtige Rolle spielen –<br />
als Verkehrsträger ebenso wie als Ziel<br />
Slg. Stefan Ponzlet<br />
„Von Warschau zum Rhein<br />
und Westwall“ steht auf<br />
dem Wagen, aus dem sich<br />
Männer des Maschinengewehr-<br />
Bataillons 31 für ein Erinnerungsfoto<br />
lehnen. Der Einsatz in Polen<br />
scheint beendet, der nächste<br />
Kriegsschauplatz wartet<br />
Slg. Stefan Ponzlet<br />
96
Wenig spektakulär geht das erste Kriegsjahr in Friedrichsruh (Strecke<br />
Hamburg – Büchen) zu Ende. Eine Dampflok der Baureihe 56 20 fährt am<br />
Silvestertag <strong>1939</strong> durch ruhige Winterlandschaft. Wer ahnt, dass diesem<br />
Kriegswinter noch fünf weitere folgen, mit wachsendem Elend und Leid<br />
auf allen Seiten? Walter Hollnagel/Slg. Eisenbahnstiftung<br />
Die nationalsozialistische Propaganda<br />
geht leichtfertig darüber hinweg, tatsächlich<br />
fordern auch die Kämpfe in Polen Opfer.<br />
Wehrmachtssoldaten erweisen in Lamza<br />
den getöteten Kameraden die letzte Ehre<br />
RVM/Slg. Gerhard<br />
Der Krieg geht weiter<br />
Noch im Herbst <strong>1939</strong> plant die NS-Führung die nächsten<br />
Angriffe. Polen galt nur als ein Zwischenziel. Auch deshalb<br />
wird dies der schlimmste Konflikt der Menschheitsgeschichte;<br />
am Ende gibt es mehr als 60 Millionen Tote weltweit<br />
<strong>BAHN</strong> <strong>EXTRA</strong> 2/2014 97
<strong>Vorschau</strong><br />
| IM NÄCHSTEN HEFT<br />
Impressum<br />
2/2014 | März/April<br />
25. Jahrgang | Nummer 129<br />
Thema: Bahn-Atlas Deutschland<br />
Reisetipps für die Saison<br />
Internet: www.eisenbahnwelt.de<br />
Redaktionsanschrift:<br />
<strong>BAHN</strong>-<strong>EXTRA</strong><br />
Postfach 40 02 09 l 80702 München<br />
Tel. +49 (0) 89.13.06.99.720, Fax -700<br />
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Redaktionsleitung: Michael Krische<br />
Verantwortl. Redakteur: Thomas Hanna-Daoud<br />
Redaktion: Martin Weltner, Alexandra Wurl<br />
Redaktionsassistenz: Brigitte Stuiber<br />
Layout: Ralf Puschmann, Rico Kummerlöwe<br />
Mitarbeit: Norbert Bartel, Leonhard Bergsteiner,<br />
Helmut Brinker, Joachim Bügel,<br />
Dr. Alfred Gottwaldt, Andreas Knipping,<br />
Alexander Losert, Josef Mauerer, Anneli Nau,<br />
Erich Preuß, Dr. Brian Rampp, Michael Reimer,<br />
Peter Schricker, Oliver Strüber, Dirk Winkler,<br />
Markus Wunderlich u.v.m.<br />
Abo-Hotline, Kundenservice,<br />
GeraMond-Programm<br />
Tel. (0180) 5 32 16 17*<br />
Fax (0180) 5 32 16 20*<br />
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Der Weg in den Krieg<br />
Das Jahr <strong>1939</strong> wird für die <strong>Reichsbahn</strong> ein Jahr der Gegensätze<br />
und ein Jahr des Wandels: Sie erhält neue Lokbaureihen<br />
und setzt die Elektrifizierung fort, aber ab dem Spätsommer<br />
bestimmt der Krieg den Bahnbetrieb. Dieses Heft dokumentiert<br />
ein Eisenbahn-Jahr, nach dem nichts mehr so war wie zuvor<br />
www.eisenbahnwelt.de ISBN 978-3-86245-195-1