WIRTSCHAFT+MARKT Messen 2014 (Vorschau)
25. Jahrgang | Heft 1 | Februar/März 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618 WIRTSCHAFT+ MARKT DAS OSTDEUTSCHE E UNTERNEHMERMAGAZIN ationale Automobil-Ausstellung Personenkraftwagen · CeBIT · Internationale Grü tionale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse · Auto Mobil International · Ha rlin Air Show · Games Convention · ight+Buildung · Orgatec · Paperworld · Domot izeit · interpack · photokina · ITB Internationale Tourismus-Börse · Leipziger Buc · IMM Cologne · didacta · InnoTrans · IAA Internationale Automobil-Ausstellung P n · CeBIT · Internationale Grüne Woche · IFA Internationale Funkausstellung · Fran e Länderreport · Auto Mobil International · Hannover Messe · ILA Berlin Air Show · Games Conv dung Brandenburgs · Orgatec · Paperworld · Domotex · Haus-Garten-Freizeit · interpack · photo ale Großprojekte Tourismus-Börse · Leipziger Buchmesse · hanseboot · IMM Cologne · didacta ationale Automobil-Ausstellung Personenkraftwagen · CeBIT · Internationale Grü tionale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse · Auto Mobil International · Ha rlin Ratgeber Air Show · Games Convention · Light+Buildung · Orgatec · Paperworld · Domo izeit Familienfreundliche it · interpack · photokina · ITB Internationale Tourismus-Börse · Leipziger Buc · Unternehmen IMM Cologne · didacta · InnoTrans · IAA Internationale Automobil-Ausstellung P n · CeBIT · Internationale Grüne Woche · IFA Internationale Funkausstellung · Fran e · Auto Mobil International · Hannover Messe · ILA Berlin Air Show · Games Conv dung International · Orgatec · Paperworld · Domotex · Haus-Garten-Fre - reizeit · interpack · photo ale Die Tourismus-Börse Start-up- · Leipziger Buchmesse · hanseboot · IMM Cologne · didacta ationale Hauptstadt Automobil-Ausstellung Berlin Personenkraftwagen · CeBIT · Internationale Grü tionale Funkausstellung · Messen Frankfurter Buchmesse · 2014: Auto Mobil International · Ha rlin Air Show · Games Convention · ·Light+Buildung · Orgatec · Paperworld · Dom izeit · interpack · photokina · ITB Internationale Tourismus-Bö ourismus-Börse · Leipziger Buc · IMM Cologne · didacta · InnoTrans · IAA Internationale Automobil-Ausstellung P n · CeBIT · Internationale Grüne Hier Woche · IFA trifft Internationale sich Funkausstellung · Fran e · Auto Mobil International · Hannover Messe · ILA Berlin Air Show · Games Conv dung · Orgatec · Paperworld · Domotex · Haus-Garten-Freizeit · interpack · photo ale Tourismus-Börse · Leipziger der Buchmesse Mittelstand · hanseboot · IMM Cologne · didacta ationale Automobil-Ausstellung lung Personenkraftwagen · CeBIT · Internationale Grü tionale Funkausstellung · Frankfurter Buchmesse · Auto Mobil International · Ha rlin Air Show · Games Convention · Light+Buildung · Orgatec · Paperworld · Domo
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25. Jahrgang | Heft 1 | Februar/März <strong>2014</strong> | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE E UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
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<strong>Messen</strong><br />
Frankfurter Buchmesse ·<br />
<strong>2014</strong>:<br />
Auto Mobil International · Ha<br />
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der Buchmesse<br />
Mittelstand<br />
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Messe Berlin – ein ausgezeichneter Platz für<br />
<strong>Messen</strong> und Kongresse<br />
Perfekte Infrastruktur, intelligente Services und eine weltberühmte Stadt voller<br />
Kultur und Leben.<br />
messe-berlin.de
W+M Editorial | 3<br />
Schwarz-roter Koalitionsvertrag setzt zu<br />
wenig auf Wachstum und Beschäftigung<br />
Zum Ende des abgelaufenen Jahres hat es dann doch noch geklappt<br />
– CDU, CSU und SPD einigten sich auf die Bildung einer Großen<br />
Koalition, die bis 2017 die Geschicke des Landes lenken soll.<br />
Der zähe Prozess der Erarbeitung eines Koalitionsvertrages lässt<br />
zumindest Bedenken aufkommen, ob diese in beiden Lagern ungeliebte<br />
„Vernunft-Ehe“ in der Praxis zu wichtigen und richtigen Entscheidungen<br />
fähig sein wird. Spätestens seit Jahresbeginn stehen<br />
Union und Sozialdemokraten hier unter öffentlicher Beobachtung.<br />
Aus Sicht der Wirtschaft scheint es so, als sei mit dem Koalitionsvertrag<br />
nicht der große Wurf gelungen. Trotz einiger guter<br />
Aspekte – etwa dem Verzicht auf Steuererhöhungen – finden sich im<br />
Regierungsprogramm zu viele Regelungen, die die Wirtschaft, den<br />
Arbeitsmarkt und auch künftige Generationen zusätzlich belasten.<br />
Leider befasst sich der Koalitionsvertrag an vielen Stellen mit dem<br />
Umverteilen und zu wenig damit, wie Wachstum, Beschäftigung<br />
und damit auch Steuereinnahmen erwirtschaftet werden können.<br />
Auch wenn im Wahlkampf vielstimmig ein flächendeckender und<br />
einheitlicher Mindestlohn gefordert worden war, könnte er in den<br />
neuen Ländern wie ein Bumerang wirken. Nach Ansicht von Experten<br />
gefährdet der geplante Mindestlohn von 8,50 Euro speziell in<br />
etlichen Branchen in Ostdeutschland viele Arbeitsplätze und verschlechtert<br />
die Beschäftigungschancen von Geringqualifizierten.<br />
Zwischen Rügen, Rheinsberg und dem Rennsteig ist jeder vierte<br />
Arbeitnehmer von dem geplanten Mindestlohn betroffen. Gerade<br />
für kleine Betriebe im Handel und für Dienstleister steigen durch<br />
den Mindestlohn die Kosten, was letztlich zum Abbau von Stellen<br />
führen könnte.<br />
Beim Thema Energiewende zeigt die Große Koalition bislang keinen<br />
überzeugenden Weg aus der Kostenfalle auf. Der Anstieg der EEG-<br />
Umlage wird nicht gestoppt und damit ist zu befürchten, dass sie in<br />
den kommenden Jahren auf über 30 Milliarden Euro klettert. Damit<br />
werden die hohen Energiepreise ein großes Konjunktur- und Wachstumsrisiko<br />
bleiben.<br />
Investitionen in die Infrastruktur sind dringend erforderlich. Doch<br />
auch hier springt die Koalition sehr kurz – sie hat lediglich fünf<br />
Milliarden Euro für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen vorgesehen.<br />
Das wird bei Weitem nicht reichen.<br />
Es bleibt zu hoffen, dass öffentlich kommunizierte Ideen, wie man<br />
die Staatseinnahmen weiter erhöhen könnte, von den Regierungspartnern<br />
nicht in die Praxis umgesetzt werden. Der Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland sollte nicht durch zusätzliche Abgaben, wie<br />
etwa die angedachte Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen,<br />
belastet werden.<br />
Das Kapitel „Deutsche Einheit stärken“ nimmt im 185 Seiten<br />
umfassenden Koalitionsvertrag knapp anderthalb Seiten ein. Der<br />
Inhalt ist auch hier – wie insgesamt – vage und allgemein gehalten.<br />
Zitat: „Wir wollen eine stabile und gute wirtschaftliche sowie<br />
soziale Entwicklung Ostdeutschlands erreichen. Investitionen in<br />
die gewerbliche Wirtschaft, in Forschung und Entwicklung sowie<br />
in die Chancen des ländlichen Raumes haben einen hohen Stellenwert,<br />
um dieses Ziel zu erreichen.“<br />
Dieser grundsätzlich positiven Rhetorik müssen Maßnahmen<br />
folgen, die die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den<br />
neuen Ländern verbessern. Unser Magazin wird die Umsetzung des<br />
Koalitionsvertrages intensiv verfolgen und journalistisch begleiten.<br />
Ihr<br />
Karsten Hintzmann<br />
Chefredakteur<br />
KH@wundm.info<br />
Impressum<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />
Ausgabe 1/<strong>2014</strong><br />
Redaktionsschluss: 10.01.<strong>2014</strong><br />
Verlag: Verlag Frank Nehring GmbH<br />
Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030 479071-0<br />
Fax: 030 479071-20<br />
www.NehringVerlag.DE<br />
Verlagsleiter: Dr. Robert Nehring<br />
Herausgeber/Geschäftsführer: Frank Nehring,<br />
Tel.: 030 479071-11, FN@NehringVerlag.DE<br />
(Alleiniger Inhaber und Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />
Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />
Tel.: 030 479071-24, KH@wundm.info<br />
Redaktion: Janine Pirk-Schenker<br />
Tel.: 030 479071-21, JP@NehringVerlag.DE<br />
Constanze Treuber, Matthias Salm, Steffen Uhlmann,<br />
Thomas Schwandt, Dr. Ulrich Conrad, Harald Lachmann,<br />
Hannelore Koard, Tomas Morgenstern, Anette Pröber,<br />
Dr. Wolfgang Schwarz<br />
Abo- und Anzeigenverwaltung; Vertrieb:<br />
Tobias Meier, Tel.: 030 479071-28,<br />
TM@NehringVerlag.DE<br />
Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und Abonnementpreis:<br />
Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint zweimonatlich.<br />
Als Magazin der Interessengemeinschaft der Unternehmerverbände<br />
Ostdeutschlands und Berlin erhalten die Mitglieder die<br />
Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft. Einzelpreis: 3,50 €,<br />
Jahresabonnement (Inland): 20 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement<br />
(Ausland): 20 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />
Layout & Design: Drechsel Kommunikations-Design,<br />
www.drechsel-berlin.com<br />
Druck: möller Druck und Verlag GmbH, ISSN 0863-5323. Alle<br />
Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur mit vorheriger<br />
schriftlicher Genehmigung des Verlages. Namentlich gekennzeichnete<br />
Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion<br />
übereinstimmen. Für unverlangt eingesandte Manuskripte<br />
und Fotos übernehmen wir keine Haftung.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
4 | W+M Inhalt<br />
22 <strong>Messen</strong><br />
<strong>2014</strong>: Sprungbrett für den Mittelstand<br />
58 Klassikhochburg<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
12 ADAC<br />
Postbusse starten durch 64<br />
Ma<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M Inhalt | 5<br />
W+M Titelthema<br />
Messemarkt Ostdeutschland 26<br />
W+M Aktuell<br />
Köpfe 6<br />
Nachrichten 8<br />
W+M Länderreports<br />
Berlin: Weltmarktführer aus Ostdeutschland 10<br />
Berlin-Brandenburg: ADAC Postbusse starten durch 12<br />
Sachsen: Problem Unternehmensübergabe 14<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Energiewende braucht neue Rahmenbedingungen 16<br />
Brandenburg: Großprojekte auf Umwegen zum Erfolg 18<br />
Berlin: Steckdosen für Elektromobilität 20<br />
W+M Titelthema<br />
<strong>Messen</strong> <strong>2014</strong>: Sprungbrett für den Mittelstand 22<br />
Interview mit Christian Göke, Geschäftsführer Messe Berlin 25<br />
Messemarkt Ostdeutschland 26<br />
ILA: Gute Aussichten für Zulieferer 28<br />
W+M Politik<br />
Kolumne: Klaus von Dohnanyi 30<br />
Pro und Contra: Deutschland und die Energiewende 31<br />
Die neue Ostbeauftragte Iris Gleicke im Porträt 32<br />
Erwartungen der Finanzwirtschaft an das neue Jahr 34<br />
W+M International<br />
Berlin wirbt mit Start-ups in New York 36<br />
W+M Ratgeber<br />
Tourismus: Interview mit DRV-Präsident Jürgen Büchy 38<br />
Familienfreundliche Unternehmen 46<br />
Steuern 48<br />
Immobilien 50<br />
Management und Personal 52<br />
Finanzen und Multimedia 54<br />
Kultur 56<br />
W+M Netzwerk<br />
VBIW: Aktuelles aus dem Verein 60<br />
Nachrichten aus den Unternehmerverbänden 62<br />
W+M Rückblick<br />
Was macht eigentlich Manfred Stolpe? 64<br />
W+M Die letzte Seite<br />
Ausblick und Personenregister 66<br />
nfred Stolpe<br />
W+M Weitere Beiträge<br />
Editorial 3<br />
Impressum 3<br />
Sonderveröffentlichung KfW 40<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
6 | W+M Köpfe<br />
Maria Groß<br />
Erfurt. Die Küchenchefin des Restaurants „Clara“ im Kaisersaal ist der neue<br />
Stern am Thüringer Kochhimmel. Die 34-jährige Spitzenköchin, die auch studierte<br />
Philosophin ist, wurde erstmalig mit einem Michelin-Stern bedacht. Sie<br />
hatte die Leitung der Küche im „Clara“ erst vor knapp einem Jahr übernommen.<br />
Ihre Ausbildung absolvierte sie im Berliner Gourmetlokal „Guy“, danach<br />
sammelte sie Berufserfahrung in diversen Restaurants in Nordrhein-Westfalen<br />
und der Schweiz. Maria Groß ist eine von bundesweit drei Köchinnen, die neu<br />
mit einem Stern prämiert wurden.<br />
Hendrik Richter<br />
Burg. Der Geschäftsführer der AiMECC Services<br />
GmbH kann mit Fug und Recht stolz<br />
darauf sein, zu den „National Champions“ im<br />
European Business Award zu gehören.<br />
AiMESS Services ist Dienstleister für 3D-<br />
Messtechnik und wird Deutschland neben<br />
weiteren 21 deutschen Preisträgern bei dem<br />
Wettbewerb vertreten – darunter sind in anderen<br />
Kategorien zum Beispiel Bombardier<br />
Transportation, Deutsche Telekom Kundenservices<br />
und Katjes International GmbH. „Wir<br />
haben unsere Vision des Infrarot-Scanners<br />
zum Leben erweckt und etwas weltweit Einzigartiges<br />
hervorgebracht“, sagt Hendrik<br />
Richter. „Dass wir nun mit internationalen<br />
Top-Unternehmen um den Innovations-<br />
Award konkurrieren dürfen, ist ein großartiger<br />
Erfolg für das gesamte AiMESS-Team.“<br />
Die Preisträger werden im Mai <strong>2014</strong> bekannt<br />
gegeben.<br />
Thomas Lambusch<br />
Rostock. Neuer Präsident des Arbeitgeberverbandes<br />
Nordmetall ist seit November<br />
2013 der Rostocker Unternehmer Thomas<br />
Lambusch. Der 60-Jährige folgte im Amt<br />
Ingo Kramer, der zuvor zum Präsidenten der<br />
Bundesvereinigung der deutschen Arbeit-<br />
Werner Schwarze<br />
Götz Sobisch<br />
Ralf Scheler<br />
Jena. Der findige Biophysiker und Geschäftsführer<br />
der Jena Med Tech GmbH dehnt kontinuierlich<br />
das weltweite Vertriebsnetz für<br />
sein selbst entwickeltes Nierensteinzertrümmerungssystem<br />
LithoSpace® aus. Mittlerweile<br />
erreicht er für den urologischen Arbeitsplatz<br />
mit extrakorporaler Stoßwelle Absatzpartner<br />
auf allen fünf Erdteilen. Ende<br />
Januar <strong>2014</strong> präsentiert er sich darüber<br />
hinaus wieder auf der Fachmesse Arab<br />
Health in Dubai sowie im April auf dem größten<br />
Urologen-Kongress Europas in Stockholm.<br />
Halle. Trotz seiner mittlerweile 71 Jahre tritt<br />
Götz Sobisch nicht kürzer. Der langjährige<br />
Geschäftsführer des hochspezialisierten Unternehmens<br />
JOSCH Strahlschweißtechnik<br />
GmbH in Teicha bei Halle, gilt nicht nur in<br />
Fachkreisen als der „innovativste Schweißer<br />
der Nation“. Sobisch wurde zudem seit 2006<br />
mehrfach als ehrenamtlicher Bürgermeister<br />
von Teicha wiedergewählt und engagiert<br />
sich für den Ort auch im Parlament der Einheitsgemeinde<br />
Petersberg (Saalekreis). Nach<br />
Feierabend surft er mit Kite-Drachen und<br />
fährt Alpinski.<br />
Eilenburg. Der Sachse Ralf Scheler wurde<br />
Ende 2013 in das Präsidium des Zentralverbandes<br />
des deutschen Handwerks (ZDH) gewählt.<br />
Der 49-jährige Maschinenbauingenieur<br />
ist geschäftsführender Gesellschafter der<br />
Schlüssel-Kratzsch GmbH im nordsächsischen<br />
Eilenburg. Seit 2011 agiert er auch als<br />
ehrenamtlicher Präsident der Handwerkskammer<br />
Leipzig. Im ZDH setzt er sich vor allem<br />
für Nachjustierungen beim Rundfunkbeitrag<br />
zugunsten von Betrieben mit mehreren<br />
Filialen sowie die Beibehaltung des<br />
Meisterbriefes ein.<br />
Fotos: Harald Lachmann, Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M Köpfe | 7<br />
geberverbände gewählt worden war. Lambusch<br />
ist geschäftsführender Gesellschafter<br />
der SEAR GmbH, die auf den Elektroanlagenbau<br />
spezialisiert ist.<br />
Matthias Machnig<br />
In eigener Sache<br />
W+M erweitert Kompetenz durch Gründung eines Beirates<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hat einen Beirat gegründet und erste Mitglieder berufen. Der<br />
Beirat wird künftig die Arbeit von Herausgeber und Redaktion flankierend mit Ideen<br />
unterstützen und somit dazu beitragen, dass das Magazin permanent engen Kontakt<br />
zu den Lesern hält. Herausgeber Frank Nehring: „Wir versprechen uns darüber hinaus<br />
tatkräftige Unterstützung bei der Weiterentwicklung von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
als Kommunikationsplattform.“<br />
Erfurt. Der SPD-Politiker Matthias Machnig<br />
gab Ende 2013 sein Amt als Thüringens Wirtschaftsminister<br />
auf. Er wechselte nach Berlin,<br />
wo der 53-Jährige den Europawahlkampf der<br />
Sozialdemokraten organisieren soll. Er kommt<br />
damit Bitten von SPD-Chef Sigmar Gabriel sowie<br />
des Präsidenten des Europäischen Parlaments,<br />
Martin Schulz (SPD), nach. Machnigs<br />
Nachfolger als Minister wird der studierte<br />
Feinwerkingenieur und bisherige Thüringer<br />
SPD-Landtagsfraktionschef Uwe Höhn (55).<br />
Zu den jetzt berufenen Beiratsmitgliedern<br />
zählen Eberhard Walter, Präsident<br />
des Unternehmerverbandes Brandenburg-Berlin,<br />
Manuela Balan, Geschäftsführerin<br />
des Unternehmerverbandes<br />
Rostock-Mittleres Mecklenburg und<br />
Rolf Kammann, Geschäftsführer der<br />
Wirtschaftsfördergesellschaft Vorpommern.<br />
Dr. Milos Stefanovic, Geschäftsführer<br />
der Bürgschaftsbank Brandenburg,<br />
unterstützt das Gremium, das<br />
perspektivisch noch erweitert werden<br />
soll, beratend.<br />
Manuela Balan<br />
Geschäftsführerin des<br />
Unternehmerverbandes<br />
Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />
Rolf Kammann<br />
Geschäftsführer der<br />
Wirtschaftsfördergesellschaft<br />
Vorpommern<br />
Eberhard Walter<br />
Präsident des Unternehmerverbandes<br />
Brandenburg-Berlin<br />
Marcus Mattes<br />
Ralf Brummer<br />
Hans-Joachim Polk<br />
Potsdam. Der geschäftsführende Gesellschafter<br />
der Naturwerksteinfirma Mattes<br />
Granit GmbH aus dem brandenburgischen<br />
Brück, Marcus Mattes, engagiert sich nun<br />
auch im Ausschuss für Recht und Steuern der<br />
IHK Potsdam. Hier wirkt der 35-Jährige bei<br />
der Formulierung des Gesamtinteresses der<br />
regionalen Wirtschaft gegenüber der Landesverwaltung<br />
mit. Im Jahr 2013 sponserte<br />
Mattes zudem die erste „Experimentierkiste“<br />
im Potsdamer IHK-Bereich. Sie ging an die<br />
Kindertagesstätte „Rappelkiste“ in Linthe.<br />
Unter dem Titel „Wie funktioniert die Welt?“<br />
enthält das Überraschungspaket 30 Experimente,<br />
mit denen bei Kindern das Interesse<br />
an Naturwissenschaften, speziell Physik und<br />
Mathematik, gefördert werden soll.<br />
Leipzig. Dank des Unternehmers Ralf<br />
Brummer findet sich der Pamir-Gipfel „Pik<br />
Leipzig“ nun auch auf den Landkarten der<br />
Welt wieder. Der 62-Jährige, der in Leipzig<br />
die Alpin Maler und Werterhaltung GmbH<br />
führt, hatte den 5.725 Meter hohen Berg in<br />
Kirgisistan bereits 1989 als Erster bestiegen<br />
und auf den Namen seiner Heimatstadt<br />
getauft. Doch da es von dieser Expedition<br />
unter damals noch sowjetischen Verhältnissen<br />
keine Aufzeichnungen gab, zog Brummer<br />
2012 noch einmal los. Zudem besorgte<br />
er sich exakte Daten der US-Raumfahrtbehörde<br />
NASA, auf deren Basis nun der Kartograph<br />
Rolf Böhm aus Bad Schandau eine<br />
detaillierte Karte im Maßstab 1:100.000 erstellte.<br />
Leipzig. Zu Jahresbeginn hat Hans-Joachim<br />
Polk als neues Vorstandsmitglied das Ressort<br />
„Infrastruktur/Technik“ der Verbundnetz Gas<br />
AG übernommen. In diesem Ressort werden<br />
jetzt die Geschäftsbereiche Netz, Speicher<br />
sowie die Exploration und Produktion gebündelt.<br />
Polk wurde 1966 in Essen geboren<br />
und absolvierte ein Masterstudium in Erdölund<br />
Erdgastechnik an der Universität Clausthal-Zellerfeld.<br />
Danach arbeitete er viele Jahre<br />
bei der RWE Dea AG mit den Schwerpunkten<br />
Speicherung von Erdgas, Feldentwicklungsprojekte<br />
sowie Produktion von Öl und<br />
Gas. In den letzten zwei Jahren war er Managing<br />
Director der RWE Dea Norge AS und Managing<br />
Director der RWE Dea UK Holdings<br />
Limited.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
8 | W+M Nachrichten<br />
Leipzig und Dresden<br />
Hochburg der Kreativen<br />
Dresden. Kultur- und Kreativwirtschaft in<br />
Sachsen befinden sich im Aufwind: In Dresden<br />
und Leipzig liegt ihr Anteil an der Gesamtwirtschaft<br />
laut Wirtschaftsministerium<br />
bei über zehn Prozent. Die meisten Beschäftigten<br />
sind in der Software- und Gamesindustrie<br />
tätig. 2012 erhielt die Branche 28 Millionen<br />
Euro Förderung, 2013 dürfte diese Summe<br />
erneut erreicht worden sein.<br />
Hoffnung in Frankfurt:<br />
Chinesen kaufen Conergy<br />
Frankfurt (Oder). Die Modulfabrik des insolventen<br />
Photovoltaikunternehmens Conergy<br />
in Frankfurt (Oder) ist durch den chinesischen<br />
Hersteller Astronergy übernommen<br />
worden. Nach Managementangaben will Astronergy<br />
die Produktion fortführen, um mit<br />
Modulen „Made in Germany“ seine Marktposition<br />
auszubauen. 210 der zuletzt rund 280<br />
Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben.<br />
Vorbild in Sachen<br />
Energieeffizienz<br />
Magdeburg. Die Börde-Stadt ist von der<br />
Deutschen Energie-Agentur neben Remseck<br />
am Neckar als erste dena-Energieeffizienz-Kommune<br />
ausgezeichnet worden. Beide<br />
Städte haben das Energie- und Klimaschutzmanagement<br />
der dena durchlaufen. Magdeburg<br />
will den Energieverbrauch bis 2015 vor<br />
allem durch Verbesserungen an kommunalen<br />
Immobilien um mehr als fünf Prozent senken.<br />
Inspiration für Kreative: Blick von der Carolabrücke auf die Skyline von Dresden.<br />
Fotos: Antje Knepper/pixelio.de, Müritz-Yacht-Management<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M Nachrichten | 9<br />
Große Nachfrage nach Booten von der Müritz<br />
Rechlin. Die Müritz-Yacht-Technik GmbH in Rechlin verlegt ihren<br />
Bootsbau an einen neuen Standort in der de Lärz. Dort sollen künftig Sportboote te und Motoryachten nach<br />
Kundenwünschen hergestellt werden, während Service und Re-<br />
Nachbargemeinparatur<br />
in Rechlin erfolgen. Grund für<br />
die Erweiterung ist die gestiegene<br />
Nachfrage nach Booten von vier<br />
bis sieben Metern Länge.<br />
W+M-Medientreff auf<br />
Potsdamer WirtschaftsForum<br />
Potsdam. Das Magazin <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
präsentiert sich am 3. März <strong>2014</strong> auf einem mMe-<br />
dientreff des WirtschaftsForum Brandenburg<br />
e. V. Im Rahmen der Veranstaltung, die ab<br />
18 Uhr im Dorint Hotel Potsdam (Jägerallee<br />
20) stattfindet, wird W+M-Verleger Frank<br />
Nehring Struktur und Schwerpunkte des ostdeutschen<br />
Unternehmermagazins für <strong>2014</strong><br />
vorstellen. Anschließend besteht die Möglichkeit,<br />
mit Frank Nehring, Chefredakteur<br />
Karsten Hintzmann und Mitgliedern der Redaktion<br />
bei einem Get-Together ins Gespräch<br />
zu kommen. W+M-Leser sind herzlich eingeladen.<br />
Bei Interesse melden Sie sich bitte<br />
bis zum 15. Februar <strong>2014</strong> bei Janine Pirk-<br />
Schenker unter folgender Mailadresse an:<br />
JP@NehringVerlag.DE.<br />
Chemikalien für Plastik<br />
aus Biomasse<br />
Leuna. Die Global Bioenergies GmbH wird in<br />
Leuna eine Pilotanlage zur industriellen Erzeugung<br />
von Chemikalien aus Biomasse errichten.<br />
Sie ist für jährlich bis zu 100 Tonnen<br />
Isobuten ausgelegt, das an Hersteller von<br />
Kunststoffen, Elastomeren und Treibstoffen<br />
geliefert wird. Das Vorhaben wird durch das<br />
Bundesforschungsministerium mit 5,7 Millionen<br />
Euro gefördert.<br />
250. InnoPrämie geht<br />
an Dresdner Unternehmen<br />
Dresden. Die Gummitechnik Ziller GmbH<br />
in Dresden-Langebrück hat die 250. „Inno-<br />
Prämie“ erhalten. Diese wird seit 2010 innerhalb<br />
der Innovationsförderung in Sachsen<br />
vergeben. Das Kleinunternehmen realisiert<br />
mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft<br />
Dresden ein Projekt zur Oberflächenbehandlung<br />
von Gummiformteilen, zum Beispiel<br />
von Scheibenwischergummis.<br />
Touchscreen erkennt<br />
erstmals Fingerabdruck<br />
Potsdam. Den weltweit ersten Touchscreen,<br />
der Fingerabdrücke erkennt, haben Forscher<br />
des Hasso-Plattner-Instituts Potsdam entwickelt.<br />
Damit entfällt das „Einloggen“ des Nutzers<br />
zum Beispiel auf Smartphone oder Tablet.<br />
Ein unberechtigter Zugriff ist praktisch<br />
unmöglich. Das Team um den Masterstudenten<br />
Sven Köhler ist für den CeBIT-Award <strong>2014</strong><br />
nominiert.<br />
Hitfox Group<br />
wächst rasant<br />
Berlin. Die Berliner Hitfox Group, ein 2011<br />
gegründetes Start-up mit Büros in San Francisco<br />
und Seoul, will seine Mitarbeiterzahl<br />
auf 300 verdoppeln. Im ersten Quartal sollen<br />
drei neue Unternehmen präsentiert werden,<br />
derzeit gehören Applift, Ad2games und<br />
Gamefinder zur Gruppe. Sie arbeiten als Mittler<br />
zwischen Spieleherstellern und großen Internetplattformen.<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
setzt auf längere Ferien<br />
Schwerin. Mecklenburg-Vorpommern setzt<br />
auf die Verlängerung des Sommerferienkorridors<br />
ab 2018: Während im Juli und August<br />
auch 2013 jeweils über fünf Millionen Übernachtungen<br />
gezählt wurden, sind es im Juni<br />
und September stets nur rund drei Millionen.<br />
Der Tourismus erwirtschaftet mit fünf Milliarden<br />
Euro einen Anteil von zehn Prozent am<br />
Primäreinkommen des Landes.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
10 | W+M Länderreport<br />
Ein „Ufo“ aus Berlin im New Yorker Hudson River Park.<br />
Heimliche Spitzenreiter<br />
„We are the Champions“ – Unternehmen, die das von sich behaupten dürfen, tragen nicht unbedingt<br />
bekannte Namen. Weltmarktführer wie die Berliner Seilfabrik sind oft mit Nischenprodukten<br />
erfolgreich.<br />
Von Constanze Treuber<br />
Ein Baum, findet David Köhler, ist das<br />
perfekte Klettergerät für Kinder: „Es<br />
wäre anmaßend zu behaupten, unsere<br />
Seilspielgeräte seien besser, obwohl sie zweifellos<br />
sicherer sind. Unser Anspruch ist aber,<br />
nach dem Baum die Zweitbesten zu sein und<br />
zwischen ihm und uns keine Lücke zu lassen.“<br />
Gemeinsam mit seinem Vater Karl-Heinz Köhler<br />
führt er die Berliner Seilfabrik GmbH & Co.,<br />
ein mittelständisches Unternehmen in Berlin-<br />
Reinickendorf, das vor 148 Jahren mit der Herstellung<br />
von Stahlseilen für Aufzüge begann.<br />
In den 1970er Jahren wurde dort das weltweit<br />
erste Spielplatz-Raumnetz aus polyesterummantelten<br />
Stahlseilen gebaut. Seither hat sich<br />
die Firma zu einem jener Spezialisten entwickelt,<br />
für die seit einiger Zeit die Bezeichnung<br />
„Hidden Champions“ in Umlauf ist – zu einem<br />
der Weltmarktführer, von denen die Öffentlichkeit<br />
kaum etwas weiß. Denn sie gehören<br />
nicht zu jenen „großen Tausend“ in Deutschland,<br />
die mit imposanten Milliardenumsätzen<br />
und oft weltbekannten Namen auftrumpfen<br />
und deren Gros mit schöner Regelmäßigkeit<br />
in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen<br />
und Bayern verortet wird.<br />
Die heimlichen Gewinner haben Nischen<br />
durchaus auch anderswo besetzt, viele von<br />
ihnen traten ihre wirtschaftlichen Siegeszüge<br />
inzwischen von den neuen Bundesländern<br />
und Berlin aus an. Vor zwei Jahren stellten<br />
Wissenschaftler des Leipziger Leibniz-Instituts<br />
für Länderkunde fest, dass überproportional<br />
viele nach 1989 gegründete Marktführer-<br />
Unternehmen aus dem Osten stammen. Dort<br />
kamen 1,8 junge Weltmarktführer auf eine<br />
Million Einwohner, im Westen nur etwa 1,4.<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen<br />
rangierten in dieser Studie vor Bayern<br />
Fotos: Berliner Seilfabrik<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Berlin | 11<br />
David und Karl-Heinz Köhler.<br />
„Greenville“, die jüngste Kreation, wurde mit dem reddot design award 2013 ausgezeichnet.<br />
und Baden-Württemberg. Berlin hatte Hamburg<br />
überholt und war 2011 zur Stadt mit den<br />
zahlenmäßig meisten jungen, global besonders<br />
erfolgreichen Firmen aufgestiegen.<br />
Abgesehen davon, dass 148 Jahre für eine<br />
Firma ein stattliches Alter sind, entspricht die<br />
Berliner Seilfabrik mit ihren 50 Mitarbeitern<br />
fast exemplarisch dem Bild eines sehr vitalen<br />
Hidden Champion. David Köhler führt das auf<br />
ganz bestimmte Vorzüge seiner Firma zurück.<br />
Seit sein Vater die Berliner Seilfabrik 1995 im<br />
Management-Buy-out aus einer größeren<br />
Firmengruppe herauskaufte, ist es wieder ein<br />
reines Familienunternehmen. „Man bringt<br />
nicht nur privates Vermögen ein“, sagt David<br />
Köhler, „sondern auch enormen persönlichen<br />
Ehrgeiz und Einsatz. Das ist bei vielen kleineren<br />
Marktführern so.“<br />
Dazu passt der ständige Drang nach Innovation,<br />
der nicht nur dem Konkurrenzdruck<br />
geschuldet ist, sondern auch der Begeisterung<br />
der Köhlers für das immer Bessere. „Im<br />
Segment der Seilspielgeräte haben wir weltweit<br />
maximal sieben Mitbewerber“, so der<br />
Juniorchef, „davon zwei in Berlin. Ihnen allen<br />
wollen wir als tonangebender Hersteller immer<br />
mindestens einen Schritt voraus sein. Wir<br />
legen größten Wert auf kontinuierliche Entwicklung,<br />
um technologischer Weltmarktführer<br />
zu bleiben.“ Die Berliner Seilfabrik stellt<br />
fast alle Komponenten ihrer Produkte selbst<br />
her und hat so immer die Qualität im Blick. Sie<br />
besitzt 15 internationale Patente und entwickelt<br />
das mehrfach preisgekrönte Design der<br />
Spielgeräte im eigenen Haus. Die neue, sehr<br />
erfolgreiche Produktgruppe Greenville folgt<br />
mit dem Einsatz von Bambuspaneelen dem<br />
aktuellen Trend zu optischer Natürlichkeit,<br />
während das Innenleben höchsten High-Tech-<br />
Standards entspricht.<br />
Seinen Umsatz kann das Berliner Unternehmen<br />
nicht so leicht mit anderen vergleichen.<br />
„Ich denke aber, dass wir meistens knapp<br />
vorn liegen“, sagt David Köhler, „vor allem in<br />
so ausnehmend guten Jahren wie 2013, als<br />
wir unseren Umsatz um 20 Prozent steigern<br />
konnten – wegen einer neuen Vertriebsstruktur<br />
vor allem in Deutschland.“ Das hatte zur<br />
Folge, dass das Unternehmen aktuell nur noch<br />
einen Exportanteil von 60 statt zuvor über 70<br />
Prozent hat. Außer in China, Russland und<br />
dem überwiegenden Teil Afrikas ist es weltweit<br />
auf allen Märkten aktiv, besonders erfolgreich<br />
dort, wo es von sorgfältig ausgewählten,<br />
engagierten Partnern vertreten wird wie<br />
beispielsweise in Chile und Australien. In den<br />
USA betreibt die Berliner Seilfabrik eine eigene<br />
Niederlassung.<br />
Ein weiteres Pfund, mit dem das Familienunternehmen<br />
wuchert, ist die ausgiebig genutzte<br />
Möglichkeit, auf individuelle Wünsche der<br />
meist kommunalen Kunden einzugehen. Und<br />
die Schnelligkeit: Drei bis vier Wochen nach<br />
Auf tragseingang – länger soll es in der Regel<br />
nicht dauern, bis ein Berliner Seilspielgerät<br />
irgendwo in der Welt ausgeliefert wird. W+M<br />
Die Berliner<br />
Seilfabrik<br />
produziert<br />
Klettergeräte<br />
für<br />
Spielplätze<br />
in aller Welt.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
12 | W+M Länderreport<br />
ADAC Postbus startet durch<br />
Ziel: Qualitätsführer am Fernbusmarkt<br />
Die ADAC Postbusse wollen sich durch Sicherheit und Komfort am Markt behaupten.<br />
2013 hat sich der Fernbusmarkt in Deutschland geöffnet. Der Konkurrenzschutz für die Bahn und<br />
die vorhandenen Fernbuslinien wurde aufgehoben. Das Ergebnis ist ein boomender, aber auch hart<br />
umkämpfter Markt mit bereits ca. 200 Linien. Zuletzt haben ADAC und Deutsche Post mit einem gemeinsamen<br />
Angebot die Konkurrenz erweitert. Über den ADAC Postbus sprach Wirtschaft+Markt<br />
mit Manfred Voit, dem Vorstandsvorsitzenden des ADAC Berlin-Brandenburg.<br />
W+M: ADAC und Deutsche Post sind Riesen<br />
in ihrem Markt. Warum lassen Sie sich auf<br />
das Experiment Fernbus ein?<br />
Manfred Voit: Die Initiative ging von der<br />
Deutschen Post aus, die bis in die 1980er-Jahre<br />
mit Postbussen bereits diesen Markt bedient<br />
hatte. Aber auch auf Seiten des ADAC<br />
war schnell klar, dass zwei so starke Marken<br />
prädestiniert sind für ein gemeinsames Linienangebot.<br />
Es gehört zu unseren wichtigsten<br />
Aufgaben, die individuelle Mobilität der Menschen<br />
zu fördern. Natürlich lassen wir unsere<br />
Kompetenzen im Bereich Sicherheit einfließen.<br />
Mit dem ADAC Postbus können wir also<br />
eine attraktive Alternative zu Bahn, Flugzeug<br />
und Pkw anbieten.<br />
W+M: Wie ist der ADAC Postbus organisiert?<br />
Manfred Voit: Für die Umsetzung des Joint<br />
Ventures wurde die Deutsche Post Mobility<br />
GmbH gegründet. ADAC und Deutsche Post<br />
beteiligten sich mit je 50 Prozent. Mitarbeiter<br />
aus beiden Mutterhäusern bilden das Team.<br />
Tickets gibt es online, in den Postfilialen und<br />
unseren ADAC-Geschäftsstellen sowie direkt<br />
beim Busfahrer.<br />
W+M: Ist der Marktstart gelungen?<br />
Manfred Voit: Wir sind derzeit auf sechs<br />
Linien unterwegs und verbinden 24 deutsche<br />
Fotos: ADAC e. V. (3), Marcus Altmann (1)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Berlin-Brandenburg | 13<br />
Städte. Insgesamt können wir als Neueinsteiger<br />
sehr zufrieden sein mit der Auslastung.<br />
Einige Busse waren bereits ausgebucht. Interessant<br />
ist, dass nicht wie erwartet Kurzstrecken,<br />
sondern vor allem die mittleren und<br />
langen Strecken – etwa Berlin–Köln – sehr gut<br />
genutzt werden. Die Kunden scheinen auf<br />
unseren Komfort zu setzen.<br />
W+M: Heben Sie sich dadurch von der Konkurrenz<br />
ab?<br />
Manfred Voit: Unser Ziel ist klar: Qualitätsführer<br />
am Fernbusmarkt zu sein. Wir wollen<br />
nicht die Günstigsten sein, sondern die<br />
Sichersten. Deshalb lassen wir uns auch nicht<br />
auf einen Preiskampf um jeden Euro ein. Wir<br />
bieten eine preisgünstige Form des Reisens,<br />
Manfred Voit<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
ADAC Berlin-Branden burg<br />
die zudem besonders umweltfreundlich und<br />
kraftstoffsparend ist. Der ADAC Postbus soll<br />
„der Bus für Deutschland“ werden.<br />
W+M: Was heißt das im Einzelnen?<br />
Manfred Voit: Im ADAC Postbus haben wir<br />
moderne 3-Punkt-Gurte, mit denen man auch<br />
Kleinkinder in Kindersitzen sicher anschnallen<br />
kann. Unsere Busse sind mit allen modernen<br />
Fahrassistenzsystemen ausgestattet, zudem<br />
durchlaufen unsere Fahrer spezielle Schulungen.<br />
Ein von der Lufthansa entwickeltes<br />
WLAN-System macht den Bus zum mobilen<br />
Büro. Onboard-Entertainment, Snacks und<br />
unsere Wunschplatz-Garantie machen die Fahrten<br />
noch angenehmer. Wir werden außerdem<br />
an großen Haltestellen Personal haben, das<br />
unseren Fahrgästen zur Seite steht.<br />
M+W: Seit 1. November gehört Berlin zu Ihrem<br />
Liniennetz. Welche Rolle spielt die Hauptstadt?<br />
Manfred Voit: Von Berlin aus steuern wir 15<br />
deutsche Großstädte auf vier Linien an. Mit<br />
17 Abfahrten und Ankünften täglich ist der<br />
Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) am Funkturm<br />
eine der wichtigsten Stationen im bundesweiten<br />
Netz. Zu den befahrenen Linien<br />
gehört auch die beliebteste Fernverbindung<br />
Berlin ist eine der wichtigsten Stationen<br />
im Netz der ADAC Postbusse.<br />
Deutschlands: die Linie Berlin–Hamburg. Diese<br />
Strecke ist außerdem Pilotlinie für den barrierefreien<br />
Fernbusverkehr – ein absolutes Novum.<br />
Befahren wird sie mit Bussen, die neben<br />
barrierefreien Sitzplätzen sogar einen Platz für<br />
Rollstuhlfahrer bieten.<br />
M+W: Profitieren auch regionale Unternehmen<br />
vom Fernbus?<br />
Manfred Voit: Die Linien des ADAC Postbusses<br />
werden von zehn regionalen Busunternehmen<br />
bedient, die ein bundesweites Netz bilden.<br />
Als Subunternehmer sind sie ganz wichtige<br />
Partner für uns. Dazu zählt beispielsweise der<br />
Berliner Traditionsbetrieb „Der Tempelhofer“.<br />
M+W: Bislang steuern Sie von Berlin aus drei<br />
ostdeutsche Städte an. Soll das Netz ausgebaut<br />
werden?<br />
Seit 1. November 2013 steuern die ADAC Postbusse 17 Mal täglich die Hauptstadt an.<br />
Manfred Voit: Zunächst wollen wir die<br />
aktuellen Linien am Markt etablieren, danach<br />
ist ein sukzessiver Ausbau geplant. Bis zum<br />
Frühjahr <strong>2014</strong> wird der ADAC Postbus 30 Städte<br />
mit rund 60 Bussen verbinden. Erfurt gehört<br />
dann beispielsweise dazu. Bis Sommer <strong>2014</strong><br />
wird über einen weiteren Ausbau entschieden.<br />
Interview: Janine Pirk-Schenker<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
14 | W+M Länderreport<br />
Warum Unternehmensübergaben<br />
oft problematisch sind<br />
Ein Erfahrungsbericht aus Dresden<br />
Mit der Wende kam die Freiheit. Meine<br />
Eltern hatten schon immer von<br />
einem eigenen kleinen Hotel geträumt<br />
und überlegten nicht lange. Sie<br />
kauften mit Anfang 50 einen alten Gasthof,<br />
den Waldgasthof Hirschbachmühle, krempelten<br />
die Ärmel hoch und bauten um. Als<br />
Sicherheit für den Kredit verpfändeten sie<br />
ihr Wohnhaus an die Bank. 100 Prozent<br />
Risiko, während sich im Westen die nur<br />
wenige Jahre älteren Vetter ertragreiche<br />
Lebensversicherungen auszahlen ließen und<br />
an ihren Ruhestand dachten. Die Erfahrungen<br />
der DDR – mit wenig auszukommen, nach<br />
Lösungen zu suchen und mindestens „Plan<br />
B“ in der Hinterhand zu haben – sind die<br />
Stärken meiner Eltern. Sie sind flexibel und<br />
krisenerprobt. Es geht um die Sache, ums<br />
Voranbringen und Verwirklichen. Die Firma<br />
ist Lebenswerk, Lebensmittelpunkt und Lebenssinn.<br />
Sie bauen ihr Unternehmen auf<br />
und bringen es zum Gedeihen. Führen charismatisch<br />
und autoritär, sind präsent für<br />
Gäste und Mitarbeiter.<br />
Das Problem der geordneten Übergabe von Familienunternehmen<br />
an die nächste Generation stellt sich zunehmend<br />
auch in den neuen Bundesländern. Denn die erste Gründergeneration,<br />
die zu Beginn der 1990er Jahre ins kalte Wasser<br />
sprang und sich in der damals noch ungewohnten Marktwirtschaft<br />
ausprobierte, erreicht mehr und mehr das Pensionsalter.<br />
Katrin Ziebart, eine 43-jährige Unternehmerin<br />
aus Dresden, schildert im folgenden Beitrag ihre persönlichen<br />
Erfahrungen bei der Übergabe des elterlichen Gastronomiebetriebes.<br />
Die Autorin<br />
Katrin Ziebart arbeitet seit 20 Jahren als Geschäftsführerin<br />
und Teilhaberin in der elterlichen Firma bei Dresden. Darüber<br />
hinaus unterstützt sie als Coach und Beraterin Familienunternehmen<br />
und Unternehmerfamilien darin, inmitten familiärer<br />
Beziehungen und Rollen selbstbestimmt, frei und achtsam zu<br />
handeln.<br />
www.katrinziebart.de<br />
Als meine Eltern mich mit Anfang 20 fragen,<br />
ob ich einsteige, habe ich nicht lange überlegt.<br />
Eigentlich gar nicht. Habe nicht darüber<br />
nachgedacht, wie mein eigener Lebensentwurf<br />
aussieht, was mich die Entscheidung<br />
kostet, was auf dem vorgefertigten Weg<br />
für mich verloren gehen könnte. Laut Verträgen<br />
war ich Gesellschafterin und Miteigentümerin.<br />
Informell hatten meine Eltern das<br />
Sagen. Gemäß dem Motto: „Selbstverständlich<br />
kannst Du machen, was Du willst. Aber<br />
nicht so!“ Heute weiß ich, dass mein Vater<br />
und ich zwei Dickköpfe und viel zu stark waren,<br />
als dass wir nebeneinander in einem<br />
kleinen Hotel Platz finden konnten. Mein<br />
Vater hatte in der DDR viel schlucken und<br />
sich unterordnen müssen. Ein Kraftakt, vor<br />
dem ich den Hut ziehe. Das ging für ihn jetzt<br />
nicht mehr, auch nicht mir zuliebe.<br />
Ich entwickelte mich zur rebellischen Juniorchefin.<br />
Wollte verändern, meine Kompetenz<br />
beweisen, stellte Abläufe in Frage.<br />
Es diente eher dem Beweis meiner eigenen<br />
Unabhängigkeit als dem Wohl des Miteinanders.<br />
Und führte zwangsläufig zu Konflikten<br />
mit den Senioren. Beim Wort „Veränderung“<br />
gingen meine Eltern in Verteidigungsstellung.<br />
Ich wurde getrieben von der<br />
Sehnsucht, mich abzugrenzen und auszuprobieren.<br />
Schaute neidisch auf meine „freie“<br />
Schwester. Einerseits ermöglichte mir die<br />
Mühle viel, allein in finanzieller Hinsicht.<br />
Andererseits verhinderte sie auch vieles. Ich<br />
musste mir nicht die Frage stellen, was ich<br />
mit meinem Leben anfangen will. Es war eingegrenzt<br />
und absehbar. Ein Fakt, den ich<br />
Fotos: Katrin Ziebart<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Sachsen | 15<br />
Waldgasthof Hirschbachmühle bei Dresden.<br />
meinen Eltern heftig und bitter vorwarf. Sie<br />
mir im Gegenzug Undankbarkeit.<br />
Mit 29 gründete ich meine eigene Familie,<br />
mit Ende 30 wollte ich die Mühle übernehmen.<br />
Allerdings hatte ich ausgeblendet, dass<br />
meine Eltern Macher waren, die sich nicht<br />
einfach so aufs Nebengleis rangieren lassen.<br />
Wer mit 50 gründet, plant nicht mit 65, sein<br />
Unternehmen zu übergeben. Denkt ganz sicher<br />
nicht an Ruhestand, an das eigene Alter<br />
und Bilanz ziehen. Die Gespräche zum Thema<br />
Nachfolge führten wir mit großer Emotionalität<br />
und Heftigkeit. Wir kämpften darum,<br />
vom anderen gesehen und wertgeschätzt<br />
zu werden. Enttäuschungen und Frust, jahrelang<br />
akribisch geführt auf geheimen Beziehungskonten,<br />
entluden sich und verhinderten<br />
jedes sachliche Gespräch. Die Gefühle<br />
siegten über die Ratio. An eine Lösung war<br />
nicht zu denken.<br />
Wir machten, was viele Familienunternehmer<br />
an dieser Stelle tun, und baten einen<br />
bewährten Vertrauten um Rat. Unser Steuerberater<br />
sollte richten, was uns offensichtlich<br />
nicht gelang: eine Einigung bezüglich<br />
der Nachfolge. Er mühte sich redlich mit Paragraphen<br />
und Zahlenkolonnen. Doch der<br />
Vertragsentwurf im Aktenkoffer brachte uns<br />
keinen Schritt weiter. Das vermeintlich Klare<br />
wurde uns keineswegs klar. Es ging hier<br />
um uns als Menschen, die nicht nur ökonomische<br />
Probleme zu bewältigen haben, sondern<br />
in erster Linie emotionale. Ein gemeinsames<br />
Unternehmen und Eigentum als Familie<br />
schafft Verwicklungen, die sich enorm<br />
verschärfen, wenn sie unter den Tisch gekehrt<br />
werden.<br />
Einer Beraterin, die ich für unseren Prozess<br />
vorschlug, begegnete der Rest der Familie<br />
mit einem typischen Phänomen von Familienunternehmen:<br />
Sie neigten zur Sprachlosigkeit.<br />
Erst recht Externen gegenüber. Der<br />
Hof bleibt sauber! Stillschweigend einigten<br />
wir uns darauf, das Thema Nachfolge ab sofort<br />
zu ignorieren. Ich vermute, meine Eltern<br />
hofften, was andere auch hoffen: „Wir<br />
sind eine Familie. Wir kriegen das schon<br />
hin.“ Dies offenbarte sich leider als Trugschluss.<br />
Meine Eltern vertieften ihre persönliche<br />
Beziehung zur Mühle, an Loslassen<br />
war nicht ansatzweise zu denken. Ich<br />
verschwieg mein mittlerweile entstandenes<br />
Desinteresse an einer Übernahme. Wir arbeiteten<br />
weiter, mehr neben- und gegeneinander<br />
als miteinander. Nach außen konnten wir<br />
die Differenzen gut abfedern und weiterhin<br />
glaubwürdig auftreten. Die Nachfolgeregelung<br />
wurde allerdings für unbestimmte Dauer<br />
auf Eis gelegt.<br />
Mein Vater ist im Sommer gestorben. Der<br />
Krebs war stärker. Vieles blieb unausgesprochen.<br />
Er hat Großes geleistet, ich bin verdammt<br />
stolz auf ihn. Sehr traurig macht<br />
mich, dass ich es ihm nie gesagt habe. Wir<br />
haben uns zwischen all den schrägen Erwartungen<br />
und Verstrickungen einfach verpasst.<br />
Die Mühle rattert vorerst weiter als Gasthof<br />
und kleines, gemütliches Seminarhaus. Mein<br />
Wunsch ist, ein Sowohl-als-auch zu finden,<br />
die Verbindung zwischen dem Lebenswerk<br />
meines Vaters und einem Sinn für mich ganz<br />
persönlich.<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
16 | W+M Länderreport<br />
Die notwendige gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende setzt voraus, dass Klimaund<br />
Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit sowie Bezahlbarkeit als gleichrangige<br />
Ziele gelten. Das Unternehmen EWE plädiert für eine nachhaltige Energiemarktreform.<br />
Energiewende braucht neue<br />
Rahmenbedingungen<br />
Fotos: EWE, W. Mausolf/IHK Ost-Brandenburg<br />
EWE zählt bei der Offshore-Stromerzeugung zu<br />
den Pionieren auf dem deutschen Markt.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Mecklenburg-Vorpommern | 17<br />
W+M: Herr Dr. Müller, Energie aus regenerativen Quellen macht in<br />
den Netzen von EWE schon heute über 70 Prozent der Gesamteinspeisung<br />
aus. Die Energiewende soll dazu führen, dass der Anteil der Erneuerbaren<br />
Energien (EE) am gesamten deutschen Stromverbrauch<br />
bis 2050 auf 80 Prozent steigt. Da kann Ihr Unternehmen sich quasi<br />
Zeit lassen, oder?<br />
Ulrich Müller: Das tun wir keineswegs, denn schließlich geht es um<br />
die Zukunft unserer Energieversorgung. EWE hat mit Riffgat gerade<br />
seinen zweiten Offshore-Windpark in der Nordsee fertig gestellt. Spätestens<br />
im Februar <strong>2014</strong> wird dort dann auch erneuer barer Strom produziert.<br />
Und in unserer Geschäftsregion Brandenburg/Rügen<br />
geht es ebenfalls weiter voran.<br />
Im Mai vergangenen Jahres haben wir eine<br />
Kooperationsvereinbarung unterzeichnet, um<br />
gemeinsam mit Landwirten und der Kommune<br />
Breydin einen Windpark im Barnim zu bauen.<br />
Bis zu 15 Windkraftanlagen der Multimegawatt-Klasse<br />
sollen entstehen. Neben den Vertragspartnern<br />
werden sich auch Bürger, Unternehmen<br />
und andere Kommunen beteiligen können.<br />
Wir wollen den nachhaltigen Umbau der<br />
Energieversorgung gemeinsam mit den Menschen<br />
in der Region vollziehen und so auch<br />
die Akzeptanz der Energiewende dauerhaft sicherstellen.<br />
W+M: Aus der EWE Unternehmenszentrale in<br />
Oldenburg sind seit längerem Forderungen zu<br />
vernehmen, die Rahmenbedingungen der Energiewende<br />
müssten dringend neu justiert werden.<br />
Konzerne setzen sich in solchen Fällen<br />
rasch dem Verdacht aus, vornehmlich die eigene<br />
Gewinnoptimierung im Visier zu haben.<br />
Was passt Ihnen denn konkret nicht?<br />
Ulrich Müller: An vorderer Stelle zum Beispiel,<br />
dass die Stromkosten für die Verbraucher, für Millionen<br />
von Privathaushalten und Unternehmen,<br />
derzeit immer teurer werden, je mehr Energie aus<br />
erneuerbaren Quellen produziert wird. Die Mengen<br />
drücken zwar den Strompreis an der Börse<br />
immer öfter in den Keller, aber zum Ausgleich<br />
– gesetzlich festgelegt – steigt die so genannte<br />
EEG-Umlage, die direkt in die Verbraucherpreise<br />
eingeht. Hier muss am Fördermechanismus etwas<br />
geändert werden. Das gilt auch im Hinblick<br />
darauf, dass Neuanlagen zur regenerativen Energieerzeugung<br />
künftig nur noch an bestens geeigneten<br />
Standorten und zugleich möglichst auch<br />
nicht mehr in Regionen errichtet werden sollten,<br />
Dr. Ulrich Müller<br />
Leiter Geschäftsregion<br />
Brandenburg/Rügen der EWE AG<br />
in denen bereits Engpässe in den Übertragungsnetzen bestehen. Und<br />
schließlich sehen wir die Gefahr, dass aus wirtschaftlichen Gründen<br />
in die notwendigen konventionellen Kraftwerkskapazitäten zur Wahrung<br />
der Versorgungssicherheit angesichts des höchst volatilen Dargebots<br />
an Wind und Sonne in absehbarer Zeit Lücken gerissen werden<br />
könnten. All das sieht im Übrigen keineswegs nur EWE so, dazu gibt es<br />
breiten Konsens unter Experten. Wir haben zu all diesen Fragen auch<br />
substanzielle Reformvorschläge unterbreitet.<br />
W+M: Dann lassen Sie uns einige Stichworte aufrufen: Wie stehen<br />
Sie zur Förderung erneuerbarer Energien?<br />
Ulrich Müller: EWE spricht sich dafür aus, das bestehende<br />
Modell aus Einspeisevorrang und fester Vergütung auslaufen zu<br />
lassen. Für alle EE-Neuanlagen sollte ab einem bestimmten Zeitpunkt,<br />
etwa 2015, eine verpflichtende Direktvermarktung eingeführt werden.<br />
Die Betreiber sollten zusätzlich eine Marktprämie erhalten, die die Vermarktungserlöse<br />
flankiert.<br />
W+M: Und zum Thema Netzeinspeisung?<br />
Ulrich Müller: Zur effizienten Integration regenerativer Ener gien<br />
hat EWE den sogenannten 5%-Ansatz entwickelt. Statt wie bisher 100<br />
Prozent sollten die Netzbetreiber zukünftig nur 95 Prozent der Erneuerbaren<br />
Energien aufnehmen müssen. Innerhalb der letzten fünf<br />
Prozent sollte den Netzbetreibern ein intelligentes Einspeisemanagement<br />
ohne Verpflichtung zum Netzausbau und bei Neuanlagen auch<br />
ohne Verpflichtung zur finanziellen Entschädigung entgangener<br />
Einspeisemengen ermöglicht werden. In Kombination mit neuen Konzepten<br />
zur Spannungsoptimierung könnten so die Netzanschlusskapazität<br />
deutlich erhöht, das geschätzte Investitionsvolumen in<br />
den klassischen Netzausbau bis 2030 hingegen um nahezu 70 Prozent<br />
gesenkt werden. Dieser 5%-Ansatz wurde übrigens in der Koalitionsvereinbarung<br />
der neuen Bundesregierung berücksichtigt.<br />
W+M: Brauchen wir weiterhin konventionelle Kraftwerke?<br />
Ulrich Müller: Sie werden auch zukünftig eine entscheidende Voraussetzung<br />
für eine sichere und zuverlässige Stromversorgung sein –<br />
bis weit über 2020 hinaus. Aus Sicht von EWE sollte daher ein Kapazitätsmechanismus<br />
eingerichtet werden, der das Vorhalten gesicherter<br />
Leistung angemessen entlohnt und so die erforderlichen Investitionen<br />
in Erhalt und Zubau konventioneller Kapazitäten sicherstellt.<br />
Interview: Dr. Wolfgang Schwarz<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
18 | W+M Länderreport<br />
Auf Umwegen zum Erfolg<br />
Mit Millioneninvestitionen hat das Land Brandenburg in den 1990er Jahren ehrgeizige Großprojekte<br />
zur Entwicklung strukturschwacher Regionen gefördert. Doch die in die Chipfabrik in Frankfurt<br />
(Oder), den Chemiestandort Premnitz oder den Cargolifter-Luftschiffbau gesetzten Hoffnungen<br />
erfüllten sich nicht. Auch am künftigen Hauptstadt-Flughafen BER in Schönefeld herrscht sieben<br />
Jahre nach Baubeginn Stillstand.<br />
Von Tomas Morgenstern<br />
Im Jahr 1996 von den Ländern Berlin und<br />
Brandenburg gemeinsam mit dem Bund als<br />
wichtigstes Infrastrukturprojekt der Region<br />
in Angriff genommen, hat der Neubau des<br />
BER alle Zeit- und Kostenpläne gesprengt.<br />
Dagegen haben die „exotischsten“ Vorhaben<br />
von einst möglicherweise ihren Weg heraus<br />
aus der Problemzone gefunden.<br />
An eine Investruine erinnert die Baustelle<br />
des künftigen Berliner Großflughafens<br />
BER in Schönefeld. Das bedeutendste Infrastrukturprojekt<br />
von Berlin-Brandenburg liegt<br />
seit seiner im Juni 2012 geplatzten Eröffnung<br />
in Agonie. Nur mühsam lässt sich das<br />
Planungschaos entwirren, werden Strukturund<br />
Baumängel aufgedeckt. Mitte Dezember<br />
übernahm Berlins Regierender Bürgermeister<br />
Klaus Wowereit, der den Vorsitz des Aufsichtsrates<br />
ein Jahr zuvor als einer der Verantwortlichen<br />
für das Desaster räumen musste,<br />
erneut die Leitung dieses Kontrollgremiums.<br />
Wowereit und auch Flughafenchef Hartmut<br />
Mehdorn legen sich nicht mehr auf einen neuen<br />
Eröffnungstermin fest und schweigen sich<br />
derzeit auch über die Kostenentwicklung am<br />
Flughafen aus. Noch gilt also ein Kostenrahmen<br />
von insgesamt 4,3 Milliarden Euro, doch<br />
Experten rechnen mit deutlich mehr. Millionensummen<br />
werden allein für den Unterhalt<br />
des unfertigen Airports, durch notwendige<br />
Nacharbeiten, Umbauten, Vertragsstrafen und<br />
zusätzlichen Lärmschutz für Anwohner fällig.<br />
Bis am Flughafen BER einmal bis zu 27 Millionen<br />
Flugreisende pro Jahr abfertigen können,<br />
müssen auch die überlasteten Flughäfen in<br />
Tegel und Schönefeld ertüchtigt werden.<br />
Wie ein gestrandetes Ufo erhebt sich bei der<br />
Ortschaft Brand an der Autobahn A13 die Halle<br />
der Freizeitwelt Tropical Islands. Sie ist das<br />
Eine tropische Ferienwelt mit Lagunen, Badestränden und verschlungenen Dschungelpfaden<br />
ist seit 2004 in der ehemaligen Luftschiffhalle entstanden.<br />
eindrucksvollste Überbleibsel des gescheiterten<br />
Cargolifter-Großprojekts. Die Cargolifter<br />
AG hatte sich ab 1998 die auf einem früheren<br />
sowjetischen Militärflugplatz errichtete<br />
Werfthalle für ihre geplante Produktion<br />
von Transportluftschiffen 78 Millionen<br />
Euro kosten lassen, das Land hatte 40 Millionen<br />
Euro Fördermittel bereitgestellt. Als sich<br />
2002 die Zweifel an der technischen Machbarkeit<br />
des Luftschiffprojekts mehrten, die<br />
Geldgeber ausblieben und der Bund weitere<br />
Bürgschaften ablehnte, ging Cargolifter in<br />
die Insolvenz. Der malaysische Tanjong-Konzern<br />
kaufte die leer stehende und mit 107m<br />
Höhe, 360m Länge und 210m Breite größte<br />
freitragende Halle der Welt. Er ließ sie für<br />
70 Millionen Euro umbauen und eröffnete im<br />
Dezember 2004 darin seine Freizeitwelt Tropical<br />
Islands. Das anfangs von Spott und Häme<br />
begleitete Unternehmen hat sich in den<br />
neun Jahren seines Bestehens als Attraktion<br />
etabliert. Kamen zunächst hauptsächlich Neugierige<br />
aus dem Berliner Umland, so parken<br />
mittlerweile Busse und Pkw aus ganz Deutschland,<br />
Polen, Tschechien und sogar Skandinavien<br />
vor der Freizeitwelt. Bis zu einer Million<br />
Besucher wollen jedes Jahr bei tropischen<br />
Temperaturen an künstlichen Sandstränden<br />
baden, exotisch speisen oder in der Saunawelt<br />
entspannen. Nach Unternehmensangaben<br />
checken immer mehr Gäste für mehrere Tage<br />
ein, die Tropenhalle verfügt über 1.000 Hotelbetten<br />
und bietet rund um die Uhr vielfältige<br />
kulturelle und sportliche Zerstreuung. Insgesamt<br />
200 Millionen Euro wurden in den Ausbau<br />
der Anlage investiert. Rund 600 Menschen<br />
Fotos: Tropical Islands, EuroSpeedway, Flughafen Berlin-Brandenburg<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Brandenburg | 19<br />
sind bei Tropical Islands fest angestellt. Und<br />
die Freizeitwelt soll weiter wachsen. Derzeit<br />
läuft das Raumplanungsverfahren für das 550<br />
Hektar große Außengelände, auf dem eigenständige<br />
Resorts mit Feriendomizilen im Western-,<br />
Mittelalter-, Piraten- oder auch 1950er-<br />
Jahre-Stil entstehen sollen.<br />
Ein BMW-Bolide passiert beim Rennen der Deutschen<br />
Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) die Zuschauertribüne<br />
des Lausitzrings.<br />
Im Tagebauland um Schipkau reiften nach<br />
1990 kühne Formel-1-Träume, als die Idee einer<br />
international konkurrenzfähigen Rennstrecke<br />
Gestalt annahm. Die Lausitz war bereits<br />
in den 1970er Jahren Domizil des einheimischen<br />
Motorgeländesports. Zwar hatte<br />
sich der DDR-Motorsport wegen knapper Ressourcen<br />
weitgehend vom internationalen Geschehen<br />
abgekoppelt, doch das öffentliche Interesse<br />
war ungebrochen<br />
groß. Der Wunsch nach einer<br />
modernen Sicherheitsstandards<br />
genügenden<br />
Rennstrecke fand 1986<br />
als Vorhaben sogar Eingang<br />
in den letzten Fünfjahrplan<br />
der DDR. Nach<br />
der Wende von der Landesregierung<br />
gefördert,<br />
wurde im August 2000<br />
auf dem Gelände des ehemaligen<br />
Tagebaus Meuro<br />
der Euro Speedway Lausitz<br />
eröffnet. 159 Millionen<br />
Euro kostete das, 126<br />
Millionen Euro davon flossen<br />
als Fördermittel. Seit 2009 führt die Euro-<br />
Speedway Verwaltungs GmbH die Anlage, die<br />
– seit 2013 wieder unter ihrem Traditionsnamen<br />
Lausitzring – heute eine der modernsten<br />
Motorsportarenen der Welt ist. Auf 434 Hektar<br />
können zehn verschiedene Streckenvarianten<br />
befahren werden, die Tribünen fassen bis zu<br />
40.000 Schaulustige. Für 2013<br />
rechnet man damit, dass die<br />
Besucherzahl auf 340.000 gestiegen<br />
ist. Am Lausitzring entstanden<br />
45 feste und 150 Saisonarbeitsplätze.<br />
Der Betreiber<br />
schätzt, dass vom Betrieb der<br />
Anlage der Fremdenverkehr, Hotels<br />
und Gaststätten sowie zahlreiche<br />
Dienstleister in der Region<br />
mit insgesamt bis zu 1.500<br />
Arbeitsplätzen profitieren.<br />
Wichtigstes wirtschaftliches<br />
Standbein des Unternehmens ist<br />
die Streckenvermietung – in der<br />
Saison ist die Strecke nahezu<br />
täglich belegt. <strong>2014</strong> geht am<br />
Ring eine Motocross-Strecke in Betrieb. Pro<br />
Jahr gibt es bis zu 20 Publikumsveranstaltungen.<br />
Highlight ist das jährliche Rennen der<br />
Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM),<br />
2013 zog es 65.000 Besucher an.<br />
Der Mehrzahl der Brandenburger Großprojekte<br />
blieb anhaltender Erfolg indes versagt.<br />
So scheiterten bereits im Februar 2002 alle<br />
Rettungsversuche für die insolvente Prefil<br />
Der Flughafen<br />
Berlin-Brandenburg „Willy Brandt”.<br />
GmbH in Premnitz. Am Ende verloren die 200<br />
Beschäftigten ihre Arbeit. Überdies gelang es<br />
dem Land nicht, den Chemiestandort Premnitz,<br />
an dem bis zum Zusammenbruch der DDR<br />
7.500 Menschen beschäftig waren, zu erhalten.<br />
Die öffentliche Hand kostete der vergebliche<br />
Versuch ab 1990 rund 430 Millionen Euro.<br />
Auch der Entwicklung von Frankfurt (Oder)<br />
zum Zentrum der Elektronik- und Solar-Branche<br />
war kein Glück beschieden. Am Standort<br />
des nach der Wende geschlossenen DDR-<br />
Halbleiterwerks sollte ab 1998 für 1,3 Milliarden<br />
Euro eine Chipfabrik zur Herstellung von<br />
Bauelementen für Mobiltelefone gebaut werden.<br />
Die Fertigungshalle an der Autobahn A12,<br />
in der 1.500 Menschen arbeiten sollten, stand<br />
bereits, als das Projekt im November 2003<br />
wegen der ungeklärten Finanzierung gestoppt<br />
wurde. 2007 investierte das Hamburger Unternehmen<br />
Conergy 250 Millionen Euro und<br />
baute die Halle in eine Produktionsstätte für<br />
Solarmodule mit 1.000 Arbeitsplätzen um, 40<br />
Millionen Euro steuerte das Land bei. Als die<br />
Krise der Solarbranche 2012 Frankfurt erreichte,<br />
mussten zunächst die Mitbewerber Odersun<br />
(260 Beschäftigte) und First Solar (1.200<br />
Beschäftigte) aufgeben. Im Juli 2013 meldete<br />
auch Conergy Insolvenz an. Im Dezember<br />
2013 kaufte das chinesische Unternehmen<br />
Astroenergy die Frankfurter Fabrik. Die Chinesen<br />
wollen in der Oderstadt mit 210 der zuletzt<br />
280 Arbeitskräfte die Produktion von Solarmodulen<br />
fortsetzen.<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
20 | W+M Länderreport<br />
Strom tanken – aber wo?<br />
Elektro-Fahrzeuge rollen als Car-Sharing-Angebot oder bei den Stadtfahrten von Dienstleistern.<br />
Bei leerem Akku müssen sie an die Steckdose. Rund 10.000 Euro kostet eine davon – das Berliner<br />
Start-up ubitricity senkt die Kosten um 90 Prozent.<br />
Von Dr. Ulrich Conrad<br />
In diesem Elektroauto A2 hat ubitricity sein Konzept des intelligenten Ladekabels umgesetzt – die speziell dafür entwickelte kleine<br />
Systemsteckdose befindet sich im Mast der Straßenlaterne.<br />
Fotos: ubitricity, Vattenfall<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Berlin | 21<br />
Nach anfänglichem Zögern bringen die Autohersteller nun<br />
doch mehr oder weniger alltagstaugliche Elektroautos auf<br />
den Markt. Noch sind sie sehr teuer, der Komfort meist eingeschränkt<br />
und die Reichweite im rein elektrischen Betrieb zu gering.<br />
Für Kurzstrecken und Stadtfahrten könnten sie trotzdem bald<br />
zur ernsthaften Alternative zum Verbrennungsmotor werden, so auch<br />
der kritische ADAC. Offenbar zeigen die mit großen Summen geförderten<br />
Entwicklungsarbeiten Wirkung. Schon gibt es zudem Konzepte,<br />
den Pendlerverkehr in Ballungsgebieten wie Berlin, München oder<br />
Hamburg zumindest zum Teil mit E-Cars zu bewältigen. Grüne denken<br />
dabei eher an Fahrräder mit Elektromotor und große Pedelec-Parkplätze<br />
an der S-Bahn. Andere Visionäre sehen die Lösung des Speicherproblems<br />
erneuerbarer Energien: In einem „intelligenten“ Stromnetz<br />
hängen die Autos zum Aufladen an den Steckdosen, können<br />
aber bei hohem Strombedarf auch Elektrizität ins Netz einspeisen. Natürlich<br />
so, dass die Besitzer oder Nutzer trotzdem noch fahren können<br />
– wenn sie das möchten. Bevor das intelligente Stromnetz mit<br />
neuartigen Zählern, komplexer Steuerungstechnologie und einer funktionierenden<br />
Software für die Abrechnung der Kosten bzw. Einspeisevergütung<br />
aufgebaut wird, steht eine ganz andere, einfache Frage:<br />
Wie viele Stromsteckdosen werden in Zukunft gebraucht? Eine für<br />
jedes Fahrzeug oder eine für zwei im Durchschnitt? In Berlin gibt es<br />
derzeit rund 400 öffentlich zugängliche Ladepunkte, rund 1.200 elektrisch<br />
angetriebene Pkw und Nutzfahrzeuge laufen im Test, sie gehören<br />
überwiegend zu Projekten im „Internationalen Schaufenster<br />
Elektromobilität Berlin-Brandenburg“, das vom Bundesforschungsministerium<br />
gefördert wird. Am Quartier Potsdamer Platz, das sich als<br />
Hotspot der Elektromobilität versteht, konzentrieren sich die Ladesäulen,<br />
jede hat zwei oder mehr Ladepunkte. Größte Anbieter sind die<br />
Stromerzeuger Vattenfall und RWE. Die Kosten liegen bei rund 10.000<br />
Euro für einen Ladepunkt – kaum vorstellbar, dass diese aufwendigen<br />
Systeme einmal die Straßenränder in noch kürzerem Abstand als<br />
Alleebäume zieren werden.<br />
Ein Berliner Start-up mischt jetzt die Szene der Ladeinfrastruktur auf:<br />
„Warum muss die Ladestation unbedingt die teure Technik zur Abrechnung<br />
enthalten?“, fragt Dr. Frank Pawlitschek, Geschäftsführer der<br />
ubitricity Gesellschaft für verteilte Energiesysteme mbH. „Es ist wesentlich<br />
effizienter, wenn der Nutzer die Technik selbst mitbringt, genau wie<br />
beim Mobiltelefon. Ubitricity verlagert die Intelligenz ins Ladekabel der<br />
Fahrzeuge. Damit können die Ladepunkte einfache und günstige Systemsteckdosen<br />
sein, die nahezu keine laufenden Kosten verursachen.<br />
Autofahrer bringen ihren mobilen Stromzähler also selbst mit, wenn sie<br />
Energie zapfen, mobile metering nennen es die Fachleute. Überall, wo<br />
sie parken, können die Kunden Ladestrom vom Stromlieferanten ihrer<br />
Wahl beziehen und bezahlen an diesen mit nur einer Stromrechnung.<br />
Auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main<br />
im September hat ubitricity seine Entwicklung vorgestellt. Die Fachwelt<br />
zeigte sich hochinteressiert, vor allem, weil die Kosten für Ladepunkte<br />
beim Einsatz des Systems um bis zu 90 Prozent sinken würden.<br />
Installation einer Wallbox, einer intelligenten Ladestation<br />
an der Hauswand.<br />
Schon für rund 300 Euro ließe sich zum Beispiel eine geeignete Straßenlaterne<br />
mit einer Systemsteckdose ausrüsten. Am EUREF-Campus<br />
der TU in Berlin-Schöneberg, wo ubitricity seinen Sitz hat, kann man<br />
sich dies an einer normalen Straßenlampe ansehen.<br />
Seit der Gründung 2008 ist ubitricity inzwischen auf 27 Mitarbeiter<br />
gewachsen. Das Team ist so vielseitig wie das Aufgabenfeld: Neben<br />
Systemingenieuren, Diplom-Physikern oder Diplom-Informatikern ist<br />
auch das Wissen von Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlern sowie<br />
Kommunikationswissenschaftlern gefragt. Das Start-up arbeitet mit<br />
großen Unternehmen zusammen und hat auch die internationalen Märkte<br />
im Fokus. Das Sicherheitskonzept und die Spezifikation der sicheren<br />
Datenkommunikation wurden mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt<br />
in Berlin entwickelt. Falls in den nächsten Jahren tatsächlich<br />
massenhaft Steckdosen für Elektroautos installiert werden<br />
müssen, dürfte das Konzept gute Karten haben.<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
22 | W+M Titelthema<br />
<strong>Messen</strong> <strong>2014</strong>:<br />
Sprungbrett für den Mittelstand<br />
Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zum international<br />
bedeutendsten Messeplatz gemausert. Mehr als 65 Prozent<br />
aller Weltleitmessen finden hier statt. Insgesamt richten deutsche<br />
Messeveranstalter pro Jahr 150 internationale <strong>Messen</strong> mit<br />
gut 160.000 Ausstellern und 10 Millionen Besuchern aus. Damit<br />
erzielt die Messebranche einen Gesamtjahresumsatz von mehr<br />
als 2,5 Milliarden Euro.<br />
Über 56.000 deutsche Unternehmen engagieren<br />
sich als Aussteller im Business-to-Business-Segment.<br />
Durchschnittlich fließen bis<br />
zu 40 Prozent der Ausgaben für Business-to-<br />
Business-Kommunikation von Firmen in Messebeteiligungen.<br />
Auch das gerade begonnene Jahr <strong>2014</strong> und<br />
das darauffolgende Jahr versprechen zahlreiche<br />
wichtige und innovative <strong>Messen</strong>, die<br />
speziell für mittelständische Unternehmer<br />
– auf Aussteller- wie Besucherebene – interessant<br />
sein dürften. W+M stellt auf den folgenden<br />
Seiten ausgewählte <strong>Messen</strong> und Messemärkte<br />
vor.<br />
Den Auftakt im Frühjahr bildet die „analytica“,<br />
die Internationale Leitmesse für Labortechnik,<br />
Analytik und Biotechnologie, die<br />
vom 1. bis 4. April stattfindet. 2013 kamen<br />
mehr als 30.000 Fachbesucher aus über 110<br />
Ländern zu dieser Leistungsschau nach München.<br />
Die diesjährige Messe geht mit einer<br />
Neuerung an den Start: Erstmals wird mit einer<br />
Sonderschau der Bereich Arbeitsschutz<br />
und Arbeitssicherheit im Labor abgebildet.<br />
Auf der IFAT, der Weltleitmesse für Wasser-,<br />
Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft,<br />
trifft sich zwischen dem 5. und 9. Mai alles,<br />
was in der „Green Economy“ Rang und Namen<br />
hat. Die im Zwei-Jahres-Turnus stattfindende<br />
Gut besucht: die alle zwei Jahre in<br />
München stattfindende IFAT.<br />
Messe verbuchte 2012 mit mehr als 125.000<br />
in- und ausländischen Gästen einen historischen<br />
Besucherrekord.<br />
Ein Besuchermagnet dürfte auch die ebenfalls<br />
alle zwei Jahre durchgeführte AUTO-<br />
MATICA werden, die vom 3. bis 6. Juni ihre<br />
Tore öffnet. Die Fachmesse für Automation<br />
und Mechatronik richtet sich an Anwender<br />
und Entwickler von Automatisierungs- sowie<br />
Systemkomponenten. In diesem Jahr wird<br />
München erwartet<br />
zwei Millionen Messebesucher<br />
Die Messe München rechnet in diesem Jahr mit 30.000 Ausstellern.<br />
Am Messeplatz München wird <strong>2014</strong> eine Vielzahl<br />
von hochwertigen Fachmessen stattfinden.<br />
Veranstalter sind die Messe München<br />
International sowie diverse Gastveranstalter,<br />
wie zum Beispiel die Gesellschaft für<br />
Handwerksmessen. Die Messegesellschaft<br />
rechnet damit, dass in diesem Jahr mindestens<br />
30.000 Aussteller und insgesamt mehr<br />
als zwei Millionen Besucher an den Veranstaltungen<br />
auf dem Münchner Messegelände<br />
und im Internationalen Congress Center<br />
teilnehmen werden.<br />
Fotos: Messe München International, Koelnmesse<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Messejahr <strong>2014</strong> | 23<br />
es zum ersten Mal einen extra Bereich für<br />
Service-Robotik geben. Bewusst stellt sich<br />
die Messe internationaler Konkurrenz. Dr.<br />
Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Messe<br />
München: „Wir wollen die Messe auf Basis<br />
der Vorbilder 2008 und 2010 erfolgreich weiterführen<br />
und haben uns dazu entschieden,<br />
die AUTOMATICA parallel zur Intersolar Europe<br />
zu halten.“<br />
Die internationale Fachmesse für Gewerbeimmobilien<br />
und Investitionen EXPO REAL (6.<br />
bis 8. Oktober) gilt als zentrale Leistungsschau<br />
für Networking bei branchen- und länderübergreifenden<br />
Immobilienprojekten, Investitionen<br />
und Finanzierungen. Sie bildet<br />
das gesamte Spektrum der Immobilienwirtschaft<br />
ab und bietet eine internationale Networking-Plattform<br />
für die wichtigsten Märkte<br />
von Europa über Russland, den mittleren<br />
Osten bis in die USA.<br />
25 Branchen<br />
mit Leitmessen in Köln<br />
Die Koelnmesse gehört mit 75 <strong>Messen</strong> und 2.000 Kongressen zu den<br />
großen Playern im Messemarkt.<br />
Mit rund 75 internationalen Fachmessen und<br />
Fachausstellungen im In- und Ausland und<br />
rund 2.000 Kongressen gehört die Koelnmesse<br />
zweifellos zu den großen Playern im Messegeschäft.<br />
Fest im Fokus hat die Kölner Messegesellschaft<br />
einen wichtigen Kundenstamm<br />
– den Mittelstand, darunter auch zahlreiche<br />
ostdeutsche Unternehmen, die Köln seit Jahren<br />
die Treue halten. Gerald Böse, Vorsitzender<br />
der Geschäftsführung der Koelnmesse, ist<br />
denn auch voll des Lobes: „Es ist beeindruckend,<br />
wie viele ostdeutsche Unternehmen<br />
heute ihren Erfolg – neben der Qualität ihrer<br />
Produkte – gerade ihrem Bekenntnis zu ihrer<br />
regionalen Herkunft verdanken. Für weiteres<br />
Wachstum brauchen sie aber Plattformen, auf<br />
denen sie sich dem Weltmarkt präsentieren<br />
können. Die Koelnmesse bietet diese Foren,<br />
in Köln finden für rund 25 Branchen die weltweit<br />
führenden <strong>Messen</strong> statt. Das haben ostdeutsche<br />
Unternehmen in den vergangenen<br />
beiden Jahrzehnten erkannt, das hat für viele<br />
von ihnen bereits entscheidend zum Erfolg<br />
beigetragen. Und sie sind in bester Gesellschaft:<br />
90 Prozent unserer Aussteller kommen<br />
aus dem Mittelstand und finden via Köln<br />
ihren Weg zur internationalen Nachfrage.“<br />
Speziell für Aussteller und Besucher aus den<br />
neuen Ländern sind diverse in Köln ausgerichtete<br />
<strong>Messen</strong> der Ernährungsbranche interessant,<br />
etwa die Leitmesse für die globale<br />
Ernährungswirtschaft Anuga (fand zuletzt<br />
im Oktober 2013 statt), die internationale<br />
Süßwarenmesse ISM (26. bis 29. Januar<br />
<strong>2014</strong>) oder die internationale Fachmesse für<br />
Lebensmittel- und Getränkeindustrie „Anuga<br />
FoodTec“ (24. bis 27. März 2015). Wichtig waren<br />
und sind zudem internationale Einrichtungs-<br />
und Küchenmessen, wie die „imm cologne“<br />
(13. bis 19. Januar <strong>2014</strong>) oder die „LivingKitchen“,<br />
die im kommenden Jahr vom<br />
19. bis 25. Januar 2015 stattfinden wird.<br />
Hamburg als Mekka<br />
der maritimen Industrie<br />
Alle zwei Jahre im September wird der Messeplatz<br />
Hamburg zum Mekka der internationalen<br />
maritimen Industrie. In 26. Auflage findet<br />
vom 9. bis 12. September <strong>2014</strong> die weltweit<br />
führende Schiffbaumesse SMM statt.<br />
Mehr als 2.000 Austeller und 50.000 Fachbesucher<br />
werden in diesem Jahr erwartet. Die<br />
SMM bildet vom Schiffbau über die Schifffahrt,<br />
die Zuliefer- und Offshore-Industrie<br />
bis hin zur Schiffsfinanzierung alle Bereiche<br />
der maritimen Wirtschaft ab. Traditionell<br />
sind etliche Vertreter der Branche aus<br />
Mecklenburg-Vorpommern in Hamburg vertreten.<br />
Die maritime Industrie im Nordosten<br />
erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von<br />
1,9 Milliarden Euro. Auf der SMM langjährig<br />
präsent ist zum Beispiel das Schiffbauunternehmen<br />
Nordic Yards, das sich mit dem Bau<br />
von riesigen Konverterplattformen für Offshore-Windparks<br />
empfiehlt. Die Werft mit<br />
Standorten in Wismar und Warnemünde ist<br />
in kurzer Zeit zum Weltmarktführer in dieser<br />
Sparte avanciert.<br />
Die Mecklenburger Metallguss GmbH aus<br />
Waren/Müritz, weltgrößter Hersteller von<br />
Schiffspropellern, hat der SMM in der Vergangenheit<br />
ihren besonderen Stempel aufgedrückt.<br />
Regelmäßig zierte ein tonnenschwerer<br />
Schiffspropeller den Vorplatz am Eingang<br />
Ost der Hamburg Messe.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
24 | W+M Titelthema<br />
aller Zeiten sein. Ihr Rang als weltweit<br />
bedeutendster Branchentreff<br />
ist so unbestritten, dass sie sich<br />
2013 sogar den Namen „Spielwarenmesse“<br />
als Wortbegriff schützen<br />
lassen konnte. Traditionell ist<br />
sie nur Fachbesuchern zugänglich,<br />
die sie als das Ereignis des Jahres<br />
ansehen wie John Tong, Vizepräsident<br />
des Hong Kong Toys Council,<br />
bekräftigt: „Nürnberg ist die führende<br />
Spielwarenmesse der Welt<br />
und ermöglicht es, an einem Ort<br />
zugleich Einkäufer, Hersteller, Erfinder<br />
und Designer zu treffen.“<br />
Im September wird Hamburg zum Mekka der internationalen maritimen Industrie.<br />
Im Kontext des wachsenden Ausbaus der<br />
Windenergie auf Land und auf See erlebt der<br />
Messeplatz an der Alster in der zweiten Jahreshälfte<br />
eine Premiere. Zum ersten Mal wird<br />
die Fachmesse „WindEnergy Hamburg“ veranstaltet.<br />
Sie offeriert vom 23. bis 26. September<br />
<strong>2014</strong> die gesamte Bandbreite der<br />
Onshore- und Offshore-Windindustrie. Unter<br />
den gut 1.000 Ausstellern werden aus Mecklenburg-Vorpommern<br />
etwa die KGW Schweriner<br />
Maschinen- und Anlagenbau GmbH, Hersteller<br />
von Stahlrohrtürmen für Windräder<br />
und der Windkraftanlagenbauer Nordex SE<br />
aus Rostock vertreten sein.<br />
Während die SMM und „WindEnergy“ auf<br />
maritime Großprojekte und den Anlagenbau<br />
fokussiert sind, geben sich in Hamburg<br />
alljährlich Bootsbauer sowie Ausrüster<br />
und Dienstleister im maritimen Freizeitbereich<br />
ein Stelldichein auf der Messe „hanseboot“.<br />
Vom 25. Oktober bis 2. November <strong>2014</strong><br />
werden neben gut 600 Ausstellern auch ca.<br />
80.000 Besucher erwartet, die sich rund um<br />
den Wassersport informieren können. Großes<br />
Interesse weckte in den letzten Jahren<br />
die HanseYachts AG aus Greifswald, die die<br />
Hamburger Bootsmesse regelmäßig nutzt,<br />
um ihre neuesten Yachtmodelle einem breiten<br />
Publikum zu präsentieren.<br />
Nürnberg lockt<br />
mit Spielwarenmesse<br />
Mit der Erfahrung von 65 Jahren, 170.000<br />
Quadratmetern Ausstellungsfläche, 2.700<br />
nationalen und internationalen Ausstellern,<br />
über 73.000 Fachbesuchern aus weit<br />
mehr als 100 Ländern und etwa einer Million<br />
Exponaten wird die Nürnberger Spielwarenmesse,<br />
die vom 29. Januar bis 3. Februar<br />
<strong>2014</strong> stattfindet, die größte Spielwarenmesse<br />
Auch namhafte ostdeutsche Hersteller,<br />
wie die Eichsfelder Technik<br />
eitech GmbH, die Kösener Spielzeugmanufaktur<br />
oder PIKO Spielwaren<br />
aus Sonneberg, sind mit<br />
Ständen vertreten. Erstmals präsentiert die<br />
Spielwarenmesse <strong>2014</strong> Trends und Neuheiten<br />
auf einer gemeinsamen Fläche in der Trend-<br />
Gallery. Ein wichtiges Thema ist die Eröffnung<br />
neuer Spielräume: Kombinationen von<br />
traditionellen Spielen und digitalen Sphären<br />
ziehen erfahrungsgemäß nicht nur Kinder<br />
in ihren Bann.<br />
Karsten Hintzmann,<br />
Thomas Schwandt und<br />
Constanze Treuber<br />
Die Spielwarenmesse Nürnberg gilt weltweit als größter Treff der Branche.<br />
Fotos: Alex Schelbert/Spielwarenmesse, Thomas Schwandt, Messe Berlin<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Messejahr <strong>2014</strong> | 25<br />
„<strong>2014</strong> wird das Jahr der Leitmessen“<br />
W+M-Interview mit Christian Göke, Geschäftsführer Messe Berlin<br />
W+M: Herr Dr. Göke, Sie sind seit Juli 2013 neuer Geschäftsführer der<br />
Messe Berlin. Welche strategischen Ziele verfolgen Sie?<br />
Christian Göke: Wir wollen mit unserem Unternehmen ein immer<br />
besserer Arbeitgeber werden, weil wir zutiefst von der These überzeugt<br />
sind, dass in unserem Markt der Mensch der entscheidende Erfolgsfaktor<br />
ist.<br />
W+M: Wo sieht sich die Messe Berlin im Wettbewerb mit Köln,<br />
Frankfurt, München und Düsseldorf positioniert?<br />
Christian Göke: Deutschland ist der weltweit bedeutendste Messemarkt.<br />
Zwei Drittel aller Leitmessen finden hier statt. Kein anderes Land<br />
hat so viele starke Messeplätze und -gesellschaften. Gemeinsam versuchen<br />
wir, diesen Status beizubehalten und stehen uns ansonsten im<br />
fairen Wettbewerb gegenüber, für den wir uns mit unserem starken<br />
Veranstaltungsportfolio und der Attraktivität unserer Hauptstadt gut<br />
gewappnet sehen.<br />
W+M: Wie wichtig sind ostdeutsche Unternehmen sowohl als Aussteller<br />
als auch Besucher?<br />
Christian Göke: Ostdeutschland zählt für uns zum direkten Einzugsgebiet.<br />
Je nach Branche und Veranstaltung verbuchen wir dabei einen<br />
stetigen Zuwachs bei der Anzahl von Ausstellern, Fachbesuchern und<br />
Besuchern, beispielsweise bei der belektro, Boot & Fun Berlin, bautec<br />
oder Hippologica Berlin.<br />
W+M: Was sind die wich tigsten <strong>Messen</strong> und Kongresse in diesem<br />
Jahr?<br />
Christian Göke:<br />
Im Jahr <strong>2014</strong> finden<br />
alle unsere Leitmessen<br />
statt: Internationale<br />
Grüne Woche, Fruit-<br />
Logistica, ITB Ber lin,<br />
ILA Berlin Air Show,<br />
Dr. Christian Göke<br />
Geschäftsführer<br />
Messe Berlin<br />
IFA und InnoTrans. Aber auch unsere kleineren <strong>Messen</strong> haben ihre<br />
Bedeutung und sind für die jeweilige Branche und die Hauptstadtregion<br />
wichtig. Am 10. Mai <strong>2014</strong> werden wir voraussichtlich mit dem Bundeskongress<br />
des Deutschen Gewerkschaftsbundes unsere neue Multifunktionshalle<br />
CityCube einweihen.<br />
W+ M: Sind neue Messeprojekte geplant?<br />
Christian Göke: Im Mai <strong>2014</strong> startet die „tools“, mit<br />
der wir ein Messeformat rund um webbasierte Anwendungen<br />
anbieten. Dabei stehen nicht die Entwickler,<br />
sondern die Anwender im Focus. Im Juni 2015<br />
folgt dann die „stage/set/scenery“. Mit dieser neuen<br />
Veranstaltung sprechen wir die gesamte professionelle<br />
Bandbreite der Theaterfachplanung, Film,<br />
Bühnen-, Licht-, Ton-, Video- und Medientechnik,<br />
Maske, Kostümdesign, Dekorationsbau, Architektur,<br />
Akustik, Studio-, Ausstellungs- und Museumstechnik<br />
an.<br />
W+M: Wie und mit welchen Projekten entwickelt sich<br />
das Auslandsgeschäft der Messe Berlin?<br />
Der multifunktionelle Haupteingang Süd der Messe Berlin.<br />
Christian Göke: Mit unseren Veranstaltungen ITB<br />
Asia in Singapur und der AsiaFruitLogistica in Hongkong<br />
sichern wir unsere Berliner Leitmessen. Beide Veranstaltungen<br />
sind mittlerweile Marktführer im asiatischen<br />
Markt und wachsen weiter.<br />
Interview: Torsten Holler<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
26 | W+M Titelthema<br />
Messemarkt Ostdeutschland:<br />
Ein Leuchtturm und viele Blinklichter<br />
Leipzig hat sich als einziger Messestandort Ost unter den nationalen Top 10 etabliert. Einige regionale<br />
Messegesellschaften brachten es dank satter steuerlicher Alimentierung zumindest in die<br />
zweite Liga – allen voran Erfurt, gefolgt von Dresden, Chemnitz, Rostock, Magdeburg, Halle.<br />
Von Harald Lachmann<br />
Leipzigs futuristisches Messegelände wurde bereits international mit Architekturpreisen geehrt.<br />
Es geht aufwärts in Leipzig. Die gut 85 Millionen<br />
Euro Umsatz, die Messechef Martin<br />
Buhl-Wagner für 2013 verkündete,<br />
be deuteten nicht nur ein Plus von 17 Prozent<br />
gegenüber 2012, sondern das überhaupt beste<br />
Geschäftsjahr seit der Wende. Mithin etablierte<br />
sich die traditionsreiche Messe national fest<br />
in den Top 10. Das war 1990 weiß Gott nicht<br />
zu erwarten. Denn keiner brauchte da noch<br />
wirklich jenen einstigen Welthandelsplatz, an<br />
dem man 1895 das Prinzip der Mustermesse<br />
erfand und wo sich zuvor auf den Rundgängen<br />
von Erich Honecker gleich noch viel Politisches<br />
(ver)handeln ließ. Immerhin lagen da<br />
schon fünf der zehn weltgrößten Messegesellschaften<br />
in Westdeutschland.<br />
Leipzig belegt mit einer Hallenfläche sowie<br />
einem Freigelände von 111.300 bzw. 70.000<br />
Quadratmetern jeweils Platz 8 in Deutschland.<br />
Fünf der größten <strong>Messen</strong> finden sich heute<br />
unter jenen Events, die stabil 100.000 und<br />
mehr Besucher anlocken: neben der Buchmesse<br />
und der zweitgrößten deutschen Automesse<br />
AMI auch die Publikumsschauen „Haus-Gar-<br />
Fotos: Harald Lachmann<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Messejahr <strong>2014</strong> | 27<br />
ten-Freizeit“ und „Modell-Hobby-Spiel“. Hinzu<br />
kam lange das Computerspiele-Forum „Games<br />
Convention“, das jedoch nach dem sensationellen<br />
Aufbauerfolg auf unfeine Weise nach Köln<br />
verschoben wurde. Dennoch wurden in Leipzig<br />
weitere internationale Branchengradmesser<br />
heimisch, etwa die Weltleitmesse für Orthopädie<br />
und Rehatechnik „OT World“, Europas Leitmesse<br />
für Denkmalpflege und Restaurierung<br />
„denkmal“ und die Fachschau für Kommunalund<br />
Regionalentwicklung „euregia“.<br />
Typisch für Leipzigs Messestrategie ist ein<br />
internationaler oder zumindest konsequent<br />
überregionaler Fokus. Damit beherbergt man<br />
den einzigen Messeleuchtturm Ost. Doch dunkel<br />
ist es darunter nicht. Es wimmelt nur so<br />
an Blinklichtern, Streulichtern und zuweilen<br />
auch Irrlichtern zwischen Rügen und Vogtland,<br />
Eisenach und Frankfurt/Oder. Die Fülle<br />
an Gewerbe-, Verkaufs- oder Regionalschauen<br />
ist kaum zu überschauen. Keine Kreisstadt,<br />
kein Mittelzentrum, erst recht keine frühere<br />
Bezirks metropole, die sich nicht als Messestandort<br />
feiert. Und da sie fast durchweg aus<br />
Steuergeldern alimentiert werden (was indes<br />
auch auf alle ganz Großen an Rhein und Main<br />
und natürlich auch Leipzig zutrifft), haben sie<br />
auch einen langen Atem – und einen gewissen<br />
Hang zum Kannibalismus. Fast jeder Lokalfürst<br />
will sich im eigenen Messeareal sonnen, selbst<br />
wenn nur 30 Autominuten weiter ein weiterer<br />
Reisemarkt oder Lifestyle-Basar buhlt. Man<br />
Die lichtdurchflutete Glashalle des Leipziger Messegeländes.<br />
kennt Vergleichbares bei Regionalflugplätzen.<br />
Damit schafften es weitere Oststandorte zumindest<br />
in die zweite Liga. Thüringen powerte<br />
etwa die Messe Erfurt als seine 100-Prozent-Tochter<br />
nach schwerem Neustart 2011 zur<br />
Nummer 2 im Osten: sowohl bei Hallenfläche<br />
(25.070 Quadratmeter) und Umsatz (knapp<br />
acht Millionen Euro) als auch den Jahresgesamtzahlen<br />
bei Veranstaltungen (200 – darunter<br />
auch Rock, Sport, Flohmärkte, etc.), Ausstellern<br />
(7.000) und Besuchern (600.000). Zudem<br />
holte man mit Thomas Tenzler Leipzigs Ex-<br />
Messesprecher an Bord und will sich so nun<br />
internationaler öffnen. Bereits recht erfolgreich<br />
ist die „Rapid.Tech“, gekoppelt an eine<br />
Anwendertagung zur Rapid-Technologie.<br />
Umsatzmäßig auf den Plätzen folgt erneut<br />
zweimal Sachsen: Chemnitz und Dresden mit<br />
6,3 bzw. 5,2 Millionen Euro. Auch diese Zahlen<br />
resultieren aus einem breiten Mix von Pop<br />
bis hochkarätiger Fachschau. Immerhin richtet<br />
Dresden (23.000 Quadratmeter Hallenfläche)<br />
mit der SEMICON Europas Leitmesse für<br />
Mikroelektronik aus. Zuletzt zählte man 420<br />
Aussteller. Chemnitz (19.000 Quadratmeter)<br />
musste dagegen sein bisher erfolgreichstes<br />
Eigengewächs – Ostdeutschlands wichtigste Industriemesse<br />
Intec – nach Leipzig verlagern:<br />
Hier lässt es sich einfach besser verkaufen.<br />
Größere Messekomplexe leisten sich auch<br />
Magdeburg, wo die Stadt als 91-Prozent-Gesellschafter<br />
indes immer wieder bitter für<br />
Liquiditätszuschüsse blutet, Rostock, Halle,<br />
Cottbus sowie Potsdam, wo man jedoch Anfang<br />
2013 Insolvenz anmeldete. Das Portfolio<br />
der Veranstaltungen – teils von Fremdpromotern<br />
gestemmt – beschränkt sich hier noch<br />
deutlich regionaler auf die Felder Auto, Reise,<br />
Eigenheim, Fashion, Floristik oder Handwerkliches<br />
für Endkunden. Zuweilen ist die Messe<br />
auch nur eine Sparte einer kommunalen<br />
Kongress- und Immobilienagentur. So lassen<br />
sich auch schwer exakte Umsatzzahlen vergleichen.<br />
Auch nicht in Halle, wo das heimische<br />
Paar Beate und Roland Zwerenz das erste<br />
privat finanzierte Messegelände im Osten<br />
errichtete. Doch auch das ist seit 2008 einem<br />
Dresdner Medienkonzern angegliedert. W+M<br />
Thüringens Landesregierung verfolgt als Alleinbesitzer der Messe Erfurt GmbH<br />
ehrgeizige Pläne mit dem modernen neuen Gelände.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
28 | W+M Titelthema<br />
ILA: Gute Aussichten für Zulieferer<br />
Neuheiten wie der Prototyp eines Airbus A320-214 (WL) ziehen alle zwei Jahre über 230.00 Besucher auf die ILA.<br />
Die Internationale Messe für Luft- und<br />
Raumfahrt, die ILA Berlin Air Show, ist<br />
die älteste Luftfahrtmesse der Welt. Nach der<br />
Premiere 1909 in Frankfurt/Main fand sie<br />
von 1912 bis zum Zweiten Weltkrieg in Berlin<br />
statt. Nach einer mehr als 30 Jahre dauernden<br />
Präsenz in Hannover – bedingt durch den<br />
kalten Krieg – feierte sie 1992 am Standort<br />
Berlin-Brandenburg ein furioses Comeback.<br />
2012 waren 1.243 Aussteller aus 46 Ländern<br />
und allen Bereichen der Aerospace präsent,<br />
282 Fluggeräte aller Größen und Kategorien<br />
wurden präsentiert.<br />
Mit ähnlichen Zahlen ist zu rechnen, wenn<br />
die ILA vom 20.–25. Mai <strong>2014</strong> ihre diesjährigen<br />
Türen öffnet, davon an den ersten<br />
drei Tagen ausschließlich für Fachbesucher.<br />
Gute Aussichten bieten sich den Zulieferern,<br />
speziell auch aus den neuen Bundesländern,<br />
mit den Großen der Branche ins Geschäft zu<br />
kommen. Mit dem International Suppliers<br />
Center (ISC) hat die ILA eine Marketingplattform<br />
für die gesamte Zuliefererindustrie<br />
etabliert. Neben Vertretern des Einkaufs werden<br />
<strong>2014</strong> erstmalig auch Experten aus dem<br />
Entwicklungsbereich eingeladen. Mehr als<br />
40 Vertreter internationaler Hersteller und<br />
Fachbesucherausweise<br />
Preis: 55 € pro Tag<br />
bzw. 135 € für alle Tage<br />
Bestellung auf www.ila-berlin.de<br />
Zulieferer der ersten Führungsebene haben<br />
ihre Teilnahme an den Internationalen Buyers'<br />
Days zugesagt. Ebenfalls zum ersten Mal<br />
werden die Gespräche an allen drei Fachbesuchertagen<br />
stattfinden. Bereits im Vorfeld<br />
der Messe werden etwaige Gesprächswünsche<br />
durch ein Matchmaking-System koordiniert.<br />
Bereits heute liegen bei der Produktion von<br />
Flugzeugen ca. 80 Prozent aller wertschöpfenden<br />
Leistungen in den Händen der Zulieferer.<br />
Das ist vor dem Hintergrund eines prosperierenden<br />
Wachstumsmarktes ein hochinteressantes<br />
Potenzial, auch gerade für mittelständische<br />
Unternehmen. In den nächsten<br />
zwanzig Jahren wird sich die weltweite<br />
Flotte von Passagierflugzeugen auf 32.000<br />
nahezu verdoppeln. Torsten Holler<br />
Foto: Markus Pirk<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
MESSEN & VERANSTALTUNGEN <strong>2014</strong><br />
27.02. – 02.03. IMMOBILIEN<br />
27.02. – 28.02. Gewerbe & Kongress<br />
28.02. – 02.03. Wohnen & Eigentum<br />
www.immobilienmesse-leipzig.de<br />
01.03. – 03.03. CADEAUX Leipzig*<br />
Fachmesse für Geschenk- und Wohntrends<br />
www.cadeaux-leipzig.de<br />
13.03. – 16.03. Leipziger Buchmesse / Lesefest Leipzig liest<br />
www.leipziger-buchmesse.de<br />
13.05. – 16.05. OTWorld<br />
Orthopädie + Reha-Technik <strong>2014</strong><br />
Internationale Fachmesse und Weltkongress<br />
www.ot-world.com<br />
31.05. – 08.06. AMI Auto Mobil International<br />
www.ami-leipzig.de<br />
31.05. – 04.06. AMITEC<br />
Fachmesse für Wartung, Pfl ege und<br />
Instandsetzung von PKW, Nutzfahrzeugen<br />
und mobilen Großgeräten aller Art<br />
www.amitec-leipzig.de<br />
05.06. – 06.06. CosmeticBusiness*<br />
Die internationale Fachmesse der Kosmetik<br />
Zulieferindustrie<br />
Veranstaltungsort: MOC München<br />
www.cosmetic-business.com<br />
* nur für Fachbesucher<br />
Auszug · Änderungen vorbehalten<br />
06.09. – 08.09. CADEAUX Leipzig*<br />
Fachmesse für Geschenk- und Wohntrends<br />
www.cadeaux-leipzig.de<br />
06.09. – 08.09. COMFORTEX *<br />
Fachmesse für Raumgestaltung<br />
www.comfortex.de<br />
06.09. – 08.09. MIDORA Leipzig*<br />
UHREN- & SCHMUCKMESSE<br />
www.midora.de<br />
03.10. – 05.10. modell-hobby-spiel<br />
Ausstellung für Modellbau, Modelleisenbahn,<br />
kreatives Gestalten und Spiel<br />
www.modell-hobby-spiel.de<br />
23.10. – 26.10. Designers’ Open<br />
Design Festival Leipzig<br />
www.designersopen.de<br />
27.10. – 29.10. new mobility<br />
Mobilität neu denken<br />
www.new-mobility-leipzig.de<br />
04.11. Absolventenmesse Mitteldeutschland<br />
www.absolventenmesse-mitteldeutschland.de<br />
06.11. – 08.11. denkmal<br />
Europäische Messe für Denkmalpfl ege,<br />
Restaurierung und Altbausanierung<br />
www.denkmal-leipzig.de<br />
www.leipziger-messe.de
30 | W+M Politik<br />
Dohnanyi-Kolumne<br />
Die Wahl war gestern, die Regierung in Berlin<br />
ist heute – was aber wird morgen sein?<br />
Denn was eine Regierung „heute“ entscheidet,<br />
das wird frühestens „morgen“ zu sehen sein;<br />
oft sogar erst sehr viel später: „übermorgen“.<br />
Heute zum Beispiel, 25 Jahre nach dem Fall<br />
der Mauer, tragen wir noch immer an einer<br />
Last von Staatsschulden, die 1989 nur knapp<br />
40 Prozent unserer Jahreswirtschaftsleistung<br />
(Bruttoinlandsprodukt) betragen hatte, aber<br />
bis 2007 (also vor der Krise!) auf über 63 Prozent<br />
anstieg – nur weil sich die Regierung Kohl<br />
trotz der voraussehbaren Aufbau-Ost-Kosten<br />
weigerte, die Steuern zu erhöhen!<br />
Wie wollen wir<br />
regiert werden?<br />
„Ich finde, wir alle sollten<br />
uns bemühen, unsere politischen<br />
Urteile sorgfältiger<br />
auch auf ihre möglichen<br />
Spätfolgen zu prüfen.“<br />
Oder: Bundeskanzler Gerhard Schröder entschied<br />
im März 2003 für einen flexibleren<br />
Arbeitsmarkt, verlor aber dann 2005 die Bundestagswahlen,<br />
weil damals erst die Schmerzen<br />
seiner Entscheidungen zu spüren waren,<br />
noch nicht die guten Folgen. Zehn Jahre später,<br />
im Bundestagswahlkampf 2013, rühmte sogar<br />
seine christlich-liberale Nachfolgerin Angela<br />
Merkel die mutigen Entscheidungen ihres<br />
Vorgängers; Schröders Weichenstellungen von<br />
2003 waren eben erst „übermorgen“ wirklich<br />
spürbar geworden.<br />
Ich finde, wir alle sollten uns bemühen, unsere<br />
politischen Urteile sorgfältiger auch auf<br />
ihre möglichen Spätfolgen zu prüfen. Und gerade<br />
eine Koalition, die sich auf eine so überwältigende<br />
Parlamentsmehrheit stützen kann<br />
wie die heutige, sollte sich dessen bewusst sein<br />
und sich gegen die Kräfte augenblicklicher Gefälligkeiten<br />
stemmen.<br />
Zwei große Linien der unsere Zukunft bestimmenden<br />
politischen Herausforderungen müssen<br />
wir als Richtschnur stets beachten: die<br />
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und eine<br />
soziale und gerechte Verteilung ihrer Erträge.<br />
Beide Leitplanken sind aber heute höchst gefährdet.<br />
Warum?<br />
Deutschlands gegenwärtiger Wirtschaftserfolg<br />
ist nicht nur das Ergebnis innovationsstarker<br />
Unternehmen und fleißiger Menschen. Wir verdanken<br />
unsere Welterfolge auch einer ungewöhnlichen,<br />
aber vermutlich vorübergehenden<br />
Konstellation in der Weltwirtschaft: Viele<br />
Länder wollen sich heute industrialisieren,<br />
aber nur wenige sind – wie<br />
Deutschland – in der Lage,<br />
die dafür notwendigen Maschinen<br />
und Anlagen zu<br />
liefern. Wann werden das<br />
auch Andere können? Chinesen,<br />
die einen kleinen<br />
Forschungswagen auf dem<br />
Mond landen konnten, werden<br />
wohl auch hier nicht<br />
allzu lang auf sich warten<br />
lassen.<br />
Unser Kolumnist Klaus von Dohnanyi war<br />
von 1972 bis 1974 Bundesminister für Bildung<br />
und Wissenschaft und von 1981<br />
bis 1988 Erster Bürgermeister der Freien<br />
und Hansestadt Hamburg. Von 1990 bis<br />
1994 arbeitete er an der Privatisierung des<br />
Kombinats Tagebau-Ausrüstungen, Krane<br />
und Förderanlagen TAKRAF. Von 2003 bis<br />
2004 war er Sprecher des Gesprächskreises<br />
Ost der Schröder- Regierung.<br />
Auch wir werden uns also auf neue Wettbewerbssituationen<br />
einstellen müssen. Dafür<br />
brauchen wir in erster Linie eine hohe Flexibilität<br />
der Unternehmen. Wird diese den Unternehmern<br />
heute belassen? Gegenwärtig regulieren<br />
wir immer mehr, als dass wir Freiheiten<br />
schaffen. Ohne diese flexiblen Freiheiten geraten<br />
Unternehmen aber in Gefahren der Stagnation.<br />
Nicht „heute“, aber vielleicht schon<br />
„morgen“?<br />
Was die gerechte Verteilung angeht, so unterliegen<br />
wir in der öffentlichen Debatte vielen<br />
Irrtümern. Denn bei den Einkommen erreichen<br />
wir (nach einem sozialen Ausgleich<br />
durch Transferzahlungen), im internationalen<br />
Vergleich ein relativ gutes Ergebnis; Ausreißer<br />
ausgenommen z. B. beim Fußball. Aber<br />
wir finden bisher keinen Weg, die wachsende<br />
Ungleichheit der Vermögen aufzuhalten. Denn<br />
hier drohen dann gefährliche Belastungen für<br />
die Substanz der Unternehmen. Den Parteien<br />
fehlen pragmatische Ideen für heute, morgen<br />
und übermorgen.<br />
Unsere Zukunft verlangt auf beiden Gebieten<br />
eine offene, grundsätzliche und problemorientierte<br />
politische Debatte. Parteipolitik hilft<br />
uns da nicht weiter. Eine Große Koalition wäre<br />
die Chance.<br />
W+M<br />
Foto: luise/pixelio.de, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, DIHK/ Thomas Kierok, Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M Politik | 31<br />
Deutschland als<br />
Vorreiter bei der Energiewende?<br />
PRO<br />
Deutschland ist leider nicht mehr Vorreiter der Energiewende.<br />
Union und FDP haben diese Position vergeigt.<br />
Spätestens mit dem schwarz-roten Koalitionsvertrag verliert<br />
unser Land auch noch den Anschluss an die Spitze.<br />
Das ist klimapolitisch und ökonomisch hoch riskant, denn<br />
damit wird einerseits ein Innovationsvorsprung verspielt.<br />
Andererseits geben Union und SPD einen wertvollen Erfahrungsvorsprung<br />
auf. Denn mit dem Erneuerbare-Energien-<br />
Gesetz (EEG) hat Deutschland Umweltgeschichte geschrieben<br />
und durch den Aufbau einer neuen Branche zukunftsfähige<br />
Arbeitsplätze geschaffen. Auf den Weltklimakonferenzen<br />
konnte Deutschland bis vor wenigen Jahren sogar zum<br />
Nachmachen motivieren.<br />
Aus nüchternen, wirtschaftlichen und politischen Überlegungen<br />
sollte Deutschland wieder Vorreiter der Energiewende werden.<br />
Denn nur Vorreiter können Entwicklungen prägen. Als Vorreiter<br />
für Erneuerbare Energien könnte Deutschland Ideen und<br />
Produkte exportieren.<br />
W+M<br />
CONTRA<br />
Die Politik muss die Energiewende dringend bezahlbar<br />
gestalten. Die EEG-Umlage wird <strong>2014</strong> mit einem Volumen<br />
von 24 Milliarden Euro fast fünf mal so hoch sein wie<br />
vor fünf Jahren. Nicht die Ausnahmen für die Industrie<br />
sind das Problem, sondern die Kostenexplosion. Die Energiepreise<br />
sind das Risiko Nummer 1 für den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland.<br />
Unternehmen und Bürger dürfen durch die Energiewende<br />
nicht über Gebühr belastet werden. Die Politik muss<br />
wieder ein stärkeres Gewicht auf wettbewerbsfähige<br />
Preise und Versorgungssicherheit setzen. Die Erneuerbaren<br />
Energien können heute schon mehr, als ihnen<br />
zugetraut wird. Das heißt: Sie müssen sich schnellstmöglich<br />
selbst vermarkten. Sie könnten ihren Strom<br />
als „Grünstrom Made in Germany“ verkaufen. Es ist<br />
Zeit, dass sich Erneuerbare Energien jenseits der Einspeisevergütung<br />
einen Platz am Markt erobern. Dann<br />
kann der Ausbau ohne immer weiter steigende Kosten<br />
gelingen.<br />
W+M<br />
Anton Hofreiter<br />
Vorsitzender der Bundestagsfraktion<br />
Bündnis 90/Die Grünen<br />
Eric Schweitzer<br />
Präsident des Deutschen Industrieund<br />
Handelskammertages (DIHK)<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
32 | W+M Politik<br />
Ostbeauftragte Iris Gleicke:<br />
Investitionszuschüsse erhöhen und<br />
Exportförderung ankurbeln<br />
Die SPD-Politikerin Iris Gleicke fungiert seit Mitte Dezember 2013<br />
als Ostbeauftragte der neuen Bundesregierung. Die 49 Jahre alte<br />
Hochbau-Ingenieurin stammt aus Schleusingen, einer Kleinstadt<br />
mit knapp 6.000 Einwohnern am südlichen Abhang des Thüringer<br />
Waldes. Sie ist verheiratet und Mutter eines Sohnes.<br />
Von Karsten Hintzmann<br />
Ostbeauftragte des Bundesregierung:<br />
Iris Gleicke.<br />
Obwohl Iris Gleicke bislang kaum überregionale<br />
Schlagzeilen gemacht hat, ist sie im<br />
Politikgeschäft keine Unbekannte. Seit Dezember<br />
1990 ist sie ohne Unterbrechung Mitglied<br />
des Deutschen Bundestages, gewann<br />
zwischen 1998 und 2005 drei Mal in Folge<br />
das Direktmandat in ihrem Heimatwahlkreis,<br />
der die Region Suhl, Schmalkalden und Hildburghausen<br />
umfasst. Unter dem damaligen<br />
SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck arbeitete<br />
Gleicke von 1998 bis 2002 als Vize-<br />
Fraktionschefin. Von 2002 bis 2005 wirkte sie<br />
unter Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe<br />
(SPD), der parallel auch Ostbeauftragter im<br />
Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder<br />
(SPD) war, als Parlamentarische Staatssekretärin.<br />
Stolpe hält bis heute große Stücke<br />
auf Gleicke. Gegenüber W+M sagte er: „Iris<br />
Gleicke ist eine resolute Frau, sehr durchsetzungsfähig.<br />
Ich verspreche mir, dass sie<br />
den nach wie vor nötigen Druck macht und<br />
im Kabinett sehr deutlich aufzeigen wird, mit<br />
welchen Förderprogrammen und Maßnahmen<br />
die Dinge angegangen werden müssen, damit<br />
eine Angleichung der Wirtschaftskraft zwischen<br />
Ost und West gelingt.“<br />
Im Gegensatz zu ihrem Amtsvorgänger Christoph<br />
Bergner, der als Staatssekretär im Bundesinnenministerium<br />
angebunden war, hat<br />
Gleicke künftig einen direkten Draht zur<br />
Wirtschaft – als Parlamentarische Staatssekretärin<br />
bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar<br />
Gabriel (SPD).<br />
Im Gespräch mit W+M kündigte Gleicke an,<br />
sie setze als Ostbeauftragte klar auf die Fortsetzung<br />
der Wirtschaftsförderung. Gleicke:<br />
„Die ist unverzichtbar, um die Unterschiede<br />
in der Wirtschaftskraft weiter abzubauen.<br />
Nach allen Kennziffern betragen die Ost-<br />
West-Unterschiede noch immer zwischen 20<br />
bis 30 Prozent, sei es bei der Wirtschaftsleistung<br />
pro Kopf mit rund 30 Prozent oder<br />
bei der Produktivität der Betriebe mit rund<br />
20 Prozent.“ Wichtig sei in diesem Zusammenhang,<br />
so die Thüringer SPD-Politikerin,<br />
die Erhöhung der Investitionszuschüsse im<br />
Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung<br />
der regionalen Wirtschaftsstruktur.<br />
„Damit stehen den Ländern mehr Mittel<br />
für die Ansiedlung und die Wachstumsförderung<br />
von Unternehmen zur Verfügung. Wir<br />
werden die wichtige Innovationsförderung<br />
auf hohem Niveau fortsetzen – hier denke<br />
ich an die Programme meines eigenen Ministeriums<br />
sowie die des Forschungsministeriums.<br />
Außerdem wird ein Schwerpunkt auf<br />
der Exportförderung und der Investorenwerbung<br />
liegen, um den vielen kleinen und mittelgroßen<br />
ostdeutschen Betrieben dabei zu<br />
helfen, mit den Chancen und Herausforderungen<br />
der internationalen Märkte zurechtzukommen,“<br />
so Gleicke.<br />
Weit oben auf ihrer Agenda stehe zudem<br />
die Vorbereitung von Anschlussregelungen<br />
beim Länderfinanzausgleich, da der bisherige<br />
„Solidarpakt II“ zum 31. Dezember 2019<br />
ausläuft. Hierbei wolle sie jedoch den Blick<br />
auf ganz Deutschland ausweiten: „Alle strukturschwachen<br />
Regionen und Länder in Ost<br />
und West müssen sich künftig auf ein verlässliches<br />
Finanzierungssystem stützen können.<br />
Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart,<br />
dass die Grundzüge dafür bis zur Mitte<br />
der Legislaturperiode erarbeitet werden<br />
sollen.“ In dieser Neuregelung, betont Gleicke,<br />
liege der Schlüssel für die richtige Antwort<br />
auf die Frage nach der künftigen Struktur<br />
der gesamtdeutschen Solidarität. Ihr seien<br />
alle Regionen, alle Menschen in Ost und<br />
West gleich wichtig und gleich viel wert: „Wir<br />
müssen endlich weg von diesen ganzen idiotischen<br />
Neiddebatten. Die sind ja nur Öl ins<br />
Feuer unter dem Kessel all derer, die darauf<br />
ihr politisches Süppchen kochen möchten.“<br />
W+M<br />
Foto: Büro Gleicke/Sandra Ludewig<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Einfach verlässlich<br />
scannen<br />
Die wegweisende Technik zum<br />
Scannen von Dokumenten – damit<br />
Ihre Geschäftsprozesse durchlaufen.<br />
you can<br />
ScanFront 330 P-208 P-215 DR-C125/W DR-C120<br />
DR-C130<br />
DR-M140 DR-M160 DR-6010C DR-6030C DR-G1100 DR-X10C<br />
DR-G1130<br />
Strom und Platz sparen dank CMOS<br />
Contact Image Sensor<br />
Die Canon Dokumentenscanner verfügen<br />
über einen CMOS Contact Image Sensor. Dank<br />
mehrerer Linsen, die auf dem Sensor untergebracht<br />
sind, werden scharfe, saubere Scans<br />
erzielt. Zudem werden die Lesbarkeit von<br />
Texten und das OCR verbessert. Da das<br />
reektierte Licht direkt vom Dokument zum<br />
Sensor gelangt, ist die Bauweise des Scanners<br />
sehr leicht und kompakt. Durch den extrem<br />
kurzen Lichtweg und den Einsatz von LEDs als<br />
Lichtquelle wird der Strom verbrauch gesenkt*<br />
und der Scanner ist ohne Aufwärmzeit sofort<br />
einsatzbereit. Über zwei Scanleisten werden<br />
Vorder- und Rückseite gleichzeitig eingelesen.<br />
Variabler, zuverlässiger<br />
Dokumenteneinzug<br />
Höchst vielseitig: Die Canon Scanner<br />
verarbeiten mühelos unterschiedlichste<br />
Vorlagen vom Stapel – von schwerem Papier<br />
über Durchschläge bis hin zu Scheckkarten.<br />
Der Papiereinzug ist unkompliziert und<br />
zuverlässig und umfasst bei den meisten<br />
Systemen auch eine Ultraschall-Doppelzufuhrerkennung.<br />
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* Der Stromverbrauch für den CIS Sensor und die LEDs zusammen ist in etwa nur 1/16 dessen, was konventionelle CCD Sensoren und Fluoreszenzlampen benötigen
34 | W+M Politik<br />
Erwartungen deutscher Finanz<br />
Dr. Gertrud R. Traud<br />
Chefvolkswirtin und Leitung<br />
Research der Landesbank<br />
Hessen-Thüringen<br />
Zieh an die<br />
Wanderschuh‘<br />
In unserem Hauptszenario „Wanderschuhe“<br />
setzt sich der Ende 2012 begonnene Aufschwung<br />
der Weltwirtschaft fort, der konjunkturelle<br />
Gipfel wird nun in Angriff genommen.<br />
Der Vorteil dieser Fortbewegungsart ist, dass<br />
nicht alle das gleiche Tempo gehen müssen.<br />
Das können sie auch nicht, da die einzelnen<br />
Länder mit unterschiedlich schweren Rucksäcken<br />
bepackt sind und ihr Trainingszustand<br />
stark variiert.<br />
<strong>2014</strong> werden die maßgeblichen Impulse für das<br />
globale Wachstum von den Industrieländern<br />
ausgehen, mit den USA als Schrittmacher. Im<br />
Euroraum ist die konjunkturelle Wende nach<br />
einer langen Durststrecke geschafft. Alle Euroländer<br />
bewegen sich wieder aufwärts, aber<br />
mit sehr unterschiedlichem Tempo. Deutschland<br />
geht in dieser Gruppe voran.<br />
Andreas Schulz<br />
Mitglied des Vorstandes<br />
der Mittelbrandenburgischen<br />
Sparkasse<br />
„Kreditklemme“<br />
bleibt Fremdwort<br />
Fast alle Auguren prognostizieren mit knapp<br />
zwei Prozent ein gegenüber 2013 deutlich stärkeres<br />
Wachstum der deutschen Wirtschaft –<br />
trotz der nach wie vor vorhandenen Probleme<br />
andernorts in Europa. Diese positive Grundstimmung<br />
nehmen wir auch bei uns wahr.<br />
Wir setzen uns dafür ein, dass „Kreditklemme“<br />
in unserem Geschäftsgebiet auch weiterhin ein<br />
Fremdwort bleibt. Gerade die vielen kleinen<br />
und mittelständischen Unternehmen hierzulande<br />
können <strong>2014</strong> voll Zuversicht angehen.<br />
Als Großsparkasse freuen wir uns, unseren Firmenkunden<br />
allumfassend und in jeder Lage als<br />
Partner zur Verfügung zu stehen, vom klassischen<br />
Bankgeschäft über Leasing, Versicherungen<br />
bis zu Zins- und Währungssicherungen.<br />
Kunden erwarten Stabilität und Verlässlichkeit;<br />
und die finden sie bei uns.<br />
Dr. Ralph Solveen<br />
Economic Research der<br />
Commerzbank AG<br />
Wirtschaft wächst<br />
wieder stärker<br />
Nach zwei Jahren mit einer Null vor dem Komma<br />
dürfte die deutsche Wirtschaft <strong>2014</strong> mit 1,7<br />
Prozent wieder stärker wachsen. Denn die Unternehmen<br />
scheinen ihre Investitionszurückhaltung<br />
aufzugeben, und die Exporte profitieren<br />
von einer stärkeren Nachfrage aus anderen<br />
Euro-Ländern.<br />
Deutsche Börse in Frankfurt.<br />
Allerdings wird das durch die expansive Geldpolitik<br />
angeschobene kräftige Wachstum verdecken,<br />
dass Deutschland innerhalb der Währungsunion<br />
an Wettbewerbsfähigkeit verliert,<br />
auch wegen der Wirtschaftspolitik der neuen<br />
Regierung. Als erstes Warnsignal dürfte<br />
die Teuerung anziehen. Im Euroraum dürften<br />
die meisten Krisenländer die Talsohle<br />
zwar durchschritten haben, Italien und<br />
Frankreich bremsen aber durch mangelnde<br />
Reformen und lassen im Euro raum nur eine<br />
quälend langsame Erholung mit einer Wachstumsrate<br />
von 0,9 Prozent zu.<br />
Fotos: La-Liana/pixelio.de, Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M Politik | 35<br />
institute an das Jahr <strong>2014</strong><br />
Harald Eisenach<br />
Vorstandsvorsitzender des<br />
Ostdeutschen Bankenverbandes<br />
und Vorsitzender der Geschäftsleitung<br />
der Region Ost<br />
der Deutschen Bank<br />
Solide aufgestellt<br />
und erfolgreich<br />
Die ostdeutsche Wirtschaft präsentiert sich<br />
aus Sicht der privaten Banken in einer guten<br />
Ausgangslage für <strong>2014</strong>. Die Unternehmen<br />
sind weithin solide aufgestellt und zum<br />
Teil sogar weltweit erfolgreich. Die realwirtschaftliche<br />
Lage hat sich in den letzten Jahren<br />
verändert: Die ostdeutsche Wirtschaftsstruktur<br />
hat sich an jene Gesamtdeutschlands<br />
angenähert. So tragen mittlerweile<br />
auch das Verarbeitende Gewerbe und die<br />
Unternehmensdienstleister entscheidend zur<br />
Wertschöpfung bei. Auch beim Export gelang<br />
der Anschluss an Deutschlands starke Wettbewerbsposition.<br />
Die privaten Banken sind<br />
nach den Daten der Bundesbank Marktführer<br />
bei Mittelstandskrediten im Osten. Über<br />
die Finanzierung hinaus steht den Unternehmen<br />
auch <strong>2014</strong> ein breites Produkt- und<br />
Dienstleistungsangebot der privaten Banken<br />
zur Verfügung.<br />
Tillmann Stenger<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
der Investitionsbank des<br />
Landes Brandenburg<br />
Kräftiger<br />
Wachstumspfad<br />
Aktuell deuten die Frühindikatoren darauf<br />
hin, dass die wirtschaftliche Entwicklung in<br />
Deutschland zunehmend an Fahrt aufnimmt<br />
und <strong>2014</strong> einen kräftigen Wachstumspfad einschlagen<br />
wird.<br />
Auch im Land Brandenburg entwickelt sich<br />
die Wirtschaft weiterhin erfreulich. Die Konjunkturbefragungen<br />
der brandenburgischen<br />
Kammern und die starke Nachfrage nach Finanzierungen<br />
der ILB zeigen, dass ein Großteil<br />
der Unternehmen optimistisch auf das<br />
Jahr <strong>2014</strong> blickt.<br />
Von der anziehenden Konjunktur dürfte der<br />
Bankensektor insgesamt profitieren. Das historisch<br />
niedrige Zinsumfeld und die Umsetzung<br />
aufsichtsrechtlicher Regularien stellen<br />
allerdings Herausforderungen für die Kreditwirtschaft<br />
dar.<br />
Die Investitionsbank des Landes Brandenburg<br />
hat vor diesem Hintergrund ihr Finanzierungsangebot<br />
weiterentwickelt und wird<br />
in <strong>2014</strong> attraktive und passgenaue Programme<br />
in den Förderfeldern Wirtschaft, Arbeit,<br />
Infrastruktur und Wohnungsbau anbieten.<br />
Die Bank rechnet mit einem Neuzusage volumen<br />
von knapp unter einer Milliarde Euro.<br />
W+M<br />
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www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
36 | W+M International<br />
Berlin gehört im internationalen Vergleich zu den attraktivsten Städten für junge Menschen im<br />
Alter zwischen 15 und 29 Jahren. In einer von der Organisation „Youthfulcities“ weltweit durchgeführten<br />
Studie landete die Bundeshauptstadt hinter der kanadischen Metropole Toronto auf Platz<br />
zwei und ließ damit u. a. Städte wie New York, Dallas, Paris oder London hinter sich.<br />
Von Karsten Hintzmann<br />
„Start-up-Hauptstadt“ Berlin wirbt<br />
uf diese gewachsene Beliebtheit bei der<br />
A jungen Generation setzen auch Berlins<br />
Wirtschaftsförderer. Jüngst warb die Fördergesellschaft<br />
„Berlin Partner“ in New York für<br />
die „Start-up-Hauptstadt“ Deutschlands, in der<br />
laut offizieller Statistik alle zwölf Minuten ein<br />
neues Unternehmen gegründet wird. Gemeinsam<br />
mit amerikanischen Partnern wurde die<br />
dreitägige „Transatlantic Entrepreneur Partnership<br />
Conference“ durchgeführt, an der politische<br />
Prominenz, Start-up-Gründer aus Berlin<br />
und New York, amerikanische Kapitalgeber,<br />
Vertreter wirtschaftsnaher Institutionen und<br />
von Universitäten teilnahmen. Wie hoch diese<br />
Veranstaltung angesiedelt war, zeigte sich daran,<br />
dass von Berliner Seite sowohl Wirtschaftssenatorin<br />
Cornelia Yzer als auch Senatskanzleichef<br />
Björn Böhning teilnahmen.<br />
In Richtung der zahlreich anwesenden Manager<br />
von Venture Capital Gesellschaften sagte<br />
Yzer: „Start-ups haben in Berlin im ersten<br />
Fotos: Karsten Hintzmann, SenWTF/Lopata, Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M International | 37<br />
in New York um US-Investoren<br />
Halbjahr 2013 rund 200 Millionen Euro umgesetzt.<br />
Der kreative Sektor ist eine der am<br />
stärksten wachsenden Branchen in unserer<br />
Stadt. Ich lade Sie herzlich ein, sich bei uns<br />
zu engagieren.“ Sie wisse sehr wohl, so Yzer,<br />
dass US-Investoren mitunter Vorbehalte gegenüber<br />
Aktivitäten in Deutschland hätten. Yzer:<br />
Blick von der Brooklyn Bridge<br />
auf Manhattan.<br />
Cornelia Yzer<br />
Senatorin für Wirtschaft,<br />
Technologie<br />
und Forschung des<br />
Landes Berlin<br />
Christian Gräff<br />
Wirtschaftsstadtrat<br />
im Berliner Bezirk<br />
Marzahn-Hellersdorf<br />
„Aber ich kann Ihnen Hoffnungen machen: Die<br />
neue Bundesregierung wird die Rahmenbedingungen<br />
für ausländische Investitionen attraktiver<br />
gestalten.“ In Berlin sei schon heute vieles<br />
möglich, versicherte die Wirtschaftssenatorin,<br />
und sowohl ihre Verwaltung als auch „Berlin<br />
Partner“ würden sich bemühen, konkrete<br />
Wünsche von Investoren zu erfüllen.<br />
Mit der Reise in die vom Gründergeist beseelte<br />
Stadt New York erfüllte sich auch Stephan<br />
Bayer, Geschäftsführer des Berliner Start-up-<br />
Unternehmens „Sofa Tutor“ einen Wunsch. Er<br />
präsentierte vor Ort seine Geschäftsidee, die in<br />
Deutschland schon passabel funktioniert und<br />
rund 100 Mitarbeitern Beschäftigung bringt:<br />
„Wir bieten Online-Nachhilfe für Schüler von<br />
der ersten bis zur zwölften Klasse an. Der Unterrichtsstoff<br />
wird in kurzen Filmen erklärt.<br />
Dazu gibt es Live-Chats mit Lehrern. Das ganze<br />
Paket ist für eine Monatsgebühr von ca. 15<br />
Euro erhältlich.“ Der „Sofa Tutor“-Chef war auf<br />
der Konferenz nicht vorrangig auf der Suche<br />
nach US-Kapital für die Berliner Firma. Stephan<br />
Bayer: „Wir haben großes Interesse an<br />
der Internationalisierung unserer Dienstleistung<br />
und tragen uns mit dem Gedanken, ähnliche<br />
Bildungsangebote für die USA und Brasilien<br />
zu entwickeln. In beiden Ländern gibt<br />
es einen starken Mittelstand, der sehr auf die<br />
Bildung der eigenen Kinder achtet und in Bildung<br />
investiert. Hier in New York wollen wir<br />
ausloten, wie die konkreten Bedingungen auf<br />
dem US-Markt sind.“<br />
Als „Region des spektakulären Wandels“ – von<br />
der ehemals grauen Plattenbau-Schlafstadt<br />
hin zu einem grünen, lebenswerten und wirtschaftlich<br />
prosperierenden Standort – stellte<br />
sich der Ostberliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf<br />
in New York vor. Ein Bild, das bei vielen<br />
amerikanischen Konferenzteilnehmern auf Interesse<br />
stieß. Sie erfuhren unter anderem, dass<br />
im citynahen „CleanTech-Business-Park“, der<br />
im kommenden Jahr eröffnet werden soll, ideale<br />
Ansiedlungsmöglichkeiten für produzierendes<br />
Gewerbe und Dienstleister vorhanden<br />
sind. Darüber hinaus stellte der Bezirk die aufstrebende<br />
Gesundheitswirtschaft mit international<br />
renommierten Leuchttürmen, wie dem<br />
Unfallkrankenhaus Berlin, in den Fokus. Nicht<br />
zuletzt sorgten die Pläne für die im Jahr 2017<br />
in Marzahn-Hellersdorf stattfindende Internationale<br />
Gartenausstellung (IGA), die weltweit<br />
rund 2,4 Millionen Besucher anlocken<br />
soll, für Aufmerksamkeit. Die bislang größte<br />
Gartenschau Berlins wird auf einer Fläche von<br />
mehr als 100 Hektar und 20 Kilometern entlang<br />
des Flüsschens Wuhle stattfinden und als<br />
voraussichtliche Attraktion eine Seilbahn bieten,<br />
die Touristen auf den 102 Meter hohen<br />
Kienberg bringt. Wirtschaftsstadtrat Christian<br />
Gräff begründete das Engagement seines<br />
Bezirks in New York mit den Worten: „Bei vorangegangenen<br />
Veranstaltungen haben wir registriert,<br />
wie groß das Interesse bei US-Unternehmen<br />
am Wirtschaftsstandort Marzahn-Hellersdorf<br />
ist. Mit unserer Konferenzteilnahme<br />
wollten wir gezielt Netzwerkarbeit betreiben<br />
und mögliche Investoren identifizieren und<br />
ansprechen. Das ist uns gelungen.“ W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
38 | W+M Ratgeber<br />
DRV-Präsident Jürgen Büchy zur Bilanz der Tourismusbranche, über politische<br />
Rahmenbedingungen für die Reiseindustrie und abenteuerliche Steuerbescheide.<br />
Zehntausende Arbeitsplätze in Gefahr<br />
W+M: Herr Büchy, die Bücher für das Geschäftsjahr<br />
2012/13 sind geschlossen. Sind<br />
Sie mit den Ergebnissen der Branche zufrieden?<br />
Jürgen Büchy: Sehr zufrieden, denn die<br />
Deutschen haben im abgelaufenen Geschäftsjahr<br />
rund 40 Millionen professionell organisierte<br />
Reisen bei Reiseveranstaltern und<br />
Reisebüros gebucht und damit für ein neues<br />
Allzeithoch beim Umsatz in Höhe von mehr<br />
als 25 Mrd. Euro gesorgt.<br />
W+M: Erwarten Sie für 2013/14 eine Fortsetzung<br />
dieser Entwicklung?<br />
Jürgen Büchy: Ja, denn die Reiselaune der<br />
Deutschen ist ungebrochen, wie der aktuelle<br />
Stand der Vorausbuchungen vermuten<br />
läßt – dieser liegt rund fünf Prozent über<br />
dem Vorjahr.<br />
W+M: Worauf führen Sie das zurück?<br />
Jürgen Büchy: Auf die Steigerung des<br />
gewachsenen Einkommens, die hohe Konsumneigung,<br />
die gesunkene Arbeitslosigkeit<br />
sowie die positiven Erwartungen für die<br />
Zukunft der Mehrheit unserer Bürger.<br />
W+M: Welchen Anteil hat die Reiseindustrie<br />
gegenwärtig an der Wirtschaftsleistung<br />
Deutschlands?<br />
DRV-Präsident Jürgen Büchy.<br />
Jürgen Büchy: Sie trägt jährlich rund 214<br />
Mrd. Euro zum Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik<br />
bei. Darin eingerechnet sind<br />
Aufträge für die Werftindustrie zum Bau von<br />
Kreuzfahrtschiffen, Nutzungsentgelte von<br />
Fluggesellschaften an die Betreiber deutscher<br />
Flughäfen sowie Ausgaben für Einzelhandel<br />
und Dienstleister.<br />
Fotos: Torsten George<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Tourismus | 39<br />
W+M: Weiß die Politik den Stellenwert der<br />
Branche für die Wirtschaftsleistung Deutschlands<br />
zu schätzen und spiegelt sich das im<br />
schwarz-roten Koalitionsvertrag entsprechend<br />
wider?<br />
Jürgen Büchy: Bedingt, aber immerhin<br />
finden wir auf 14 Zeilen des 185 Seiten<br />
dicken Vertragswerkes Erwähnung. Dennoch<br />
darf bezweifelt werden, ob die neue Regierung<br />
bereits verstanden hat, welches wirtschaftliche<br />
Gewicht die Reiseindustrie im<br />
Vergleich mit der Automobilindustrie für<br />
unsere Volkswirtschaft hat.<br />
W+M: Was erwarten Sie in der kommenden<br />
Legislatur von ihren Partnern in Parlament<br />
und Regierung?<br />
Jürgen Büchy: Wir erwarten, dass sie für<br />
ein gesundes Wirtschaftsklima sorgen und<br />
unserer Branche keine neuen Knüppel zwischen<br />
die Beine werfen.<br />
W+M: Welche Knüppel?<br />
Jürgen Büchy: Bettensteuer, Luftverkehrssteuer,<br />
Gewerbesteuer – allesamt zusätzliche<br />
betriebswirtschaftliche Belastungen für die<br />
Mehrzahl unserer Klientel, die sie bei einer<br />
Marge von ein bis drei Prozent kaum noch<br />
zusätzlich zu verkraften vermag.<br />
W+M: Was hat es mit der aktuellen Auslegung<br />
der im Jahre 2008 erfolgten Novellierung<br />
des Gewerbesteuerrechts auf sich?<br />
Jürgen Büchy: In einigen Bundesländern<br />
fordern plötzlich deren Finanzämter auf<br />
weltweit eingekaufte Hotelbetten für Reisepakete<br />
fünf Jahre rückwirkend zusätzliche<br />
Steuerleistungen.<br />
W+M: Was hat die Steuerforderung des<br />
Fiskus zur Folge?<br />
Jürgen Büchy: Wenn diese Forderung<br />
deutschlandweit vollzogen wird, kostete<br />
das die Reisebranche zusätzlich mehrere<br />
Millionen Euro pro Jahr – rückwirkend seit<br />
2008 summiert sich das auf 1,4 Mrd. Euro.<br />
Zusätzliche Belastungen dieser Art treiben<br />
insbesondere kleine und mittlere Veranstalter<br />
zwangsläufig in die Pleite, vernichten mit<br />
einem Schlag zehntausende Arbeitsplätze.<br />
W+M: Was muss geschehen, um den drohenden<br />
Kahlschlag in der deutschen Tourismuswirtschaft<br />
durch eine offensichtliche Fehlinterpretation<br />
des 2008 novellierten Gewerbesteuerrechts<br />
abzuwenden?<br />
Jürgen Büchy: Die Finanzministerien der<br />
Länder müssen dem Treiben ihrer Finanzämter<br />
bei der kontraproduktiven Auslegung des<br />
Gewerbesteuerrechts einen Riegel vorschieben.<br />
Die Zeit drängt!<br />
W+M: Wie beurteilen Sie die Aussichten?<br />
Jürgen Büchy: Im Moment zeigt die politische<br />
Ebene wenig Bereitschaft, sich des<br />
Problems anzunehmen. Weder der Bund, der<br />
für die Handhabung der Steuergesetze nicht<br />
verantwortlich ist, noch die 16 Bundesländer,<br />
die sich in der Sache zum Nachteil der<br />
Tourismuswirtschaft geeinigt haben. Das<br />
bereitet uns große Sorge.<br />
Der Deutsche Reiseverband e. V. (DRV)<br />
ist der Fachverband der Tourismusbranche<br />
in Deutschland und vertritt die<br />
Interessen der Reisebüros und Reiseveranstalter<br />
auf nationaler und internationaler<br />
Ebene gegenüber Politik und<br />
Öffentlichkeit. Präsident Jürgen Büchy<br />
wurde Mitte November 2013 auf dem<br />
Verbandstag in Salzburg bis zum Jahr<br />
2016 im Amt bestätigt.<br />
W+M: Sorge bereitet Ihnen vermutlich auch<br />
Brüssel, das 2013 einen Entwurf für die überarbeitete<br />
EU-Pauschalreise-Richtlinie vorgelegt<br />
hat, die Rechte und Pflichten für Verbraucher<br />
und Reiseveranstalter neu regelt?<br />
Jürgen Büchy: Sorge insofern, da die Reiseveranstalter<br />
auch in Fällen höherer Gewalt<br />
die Kunden finanziell entschädigen sollen.<br />
Dabei trifft den Veranstalter in solchen<br />
Situationen keinerlei Schuld an der Störung<br />
einer Reise. Durch solch eine Reglung würde<br />
das allgemeine Lebensrisiko des Kunden dem<br />
Veranstalter aufgebürdet. Das wird zu Mehrkosten<br />
bei den Veranstaltern führen und damit<br />
die Preise für Pauschalreisen verteuern.<br />
W+M: Stichwort Online-Vertrieb: Wird er das<br />
Reisebüro auf Dauer überflüssig machen?<br />
Jürgen Büchy: Das glaube ich nicht. Noch<br />
verfügen wir deutschlandweit über ca. 10.000<br />
Reisebüros, in denen gegenwärtig 90 Prozent<br />
aller Pauschalreisen gebucht werden, wobei<br />
in Ostdeutschland Thüringen und Sachsen<br />
die größte Dichte bezogen auf die Einwohnerzahl<br />
aufweisen. Dennoch muss auf Dauer<br />
auch der stationäre Vertrieb eine angemessene<br />
Antwort auf den unaufhaltsamen<br />
Vormarsch des Online-Vertriebs finden, was<br />
allerdings gegenwärtig schon geschieht. Es<br />
gibt kaum noch ein stationäres Reisebüro<br />
ohne Internetauftritt und Buchungsmöglichkeit.<br />
W+M: Wie würden Sie den reisefreudigen<br />
Kunden des Jahres <strong>2014</strong> charakterisieren?<br />
Jürgen Büchy: Er ist zunehmend qualitätsbewusst.<br />
Für seine Kaufentscheidung ist der<br />
Preis allein nicht mehr das ausschließliche<br />
Kriterium. Vielmehr erwartet er vom Veranstalter<br />
ein differenziertes Angebot. Die<br />
Urlaubsreise von der Stange ist ein Auslaufmodell.<br />
Interview: Klaus George<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
40 | Sonderveröffentlichung<br />
Spezialisiert auf innovative Displays für Industrie und Handel: Jürgen Schoepe, Gründer und Geschäftsführer der Schoepe Display GmbH.<br />
Mit KfW-Krediten<br />
in die Zukunft investieren<br />
Als größter Mittelstandsfinanzierer in Deutschland fördert die KfW mit zinsgünstigen Krediten und<br />
attraktiven Beratungszuschüssen die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen.<br />
Wie im Falle der brandenburgischen Schoepe Display GmbH: Mit Hilfe eines KfW-Unternehmerkredits<br />
investierte Firmenchef Jürgen Schoepe in moderne Digitaldrucktechnik zur Display-Herstellung<br />
und konnte so neue Kundenkreise erschließen.<br />
Von Matthias Salm<br />
B<br />
esucher der Schoepe Display GmbH<br />
(www.schoepe-display.com) im südbrandenburgischen<br />
Dahme/Mark erwartet<br />
schon im Eingangsbereich des Unternehmens<br />
ein illustres Empfangskomitee:<br />
Hollywoodstar Will Smith gesellt sich hier zu<br />
Wolfgang Amadeus Mozart und auch Benjamin<br />
Blümchen, der sprechende Elefant aus<br />
dem gleichnamigen Hörspiel-Klassiker für<br />
Kinder, gibt sich ein Stelldichein.<br />
Das Staraufgebot in den Firmenräumen des<br />
renommierten Display-Herstellers ist allerdings<br />
im wahrsten Wortsinne nur von Pappe<br />
– Musterbeispiele aus der Ideenschmiede<br />
des Unternehmens, die die Schoepe Display<br />
GmbH zu einem der führenden deutschen<br />
Produzenten von Werbeaufstellern aus Karton<br />
und Wellpappe haben werden lassen.<br />
Ob in Kinofoyers, Spielzeughandlungen<br />
oder im Kassenbereich der Supermärkte –<br />
die Kurzzeitdisplays aus dem Hause Schoepe<br />
kommen bundesweit bei verkaufsfördernden<br />
Maßnahmen am Point of Sale zum<br />
Einsatz. Ein Gang durch das Warenlager<br />
des Unternehmens gleicht denn auch einem<br />
Blick ins Who is Who der weltweit agierenden<br />
Markenartikelhersteller. Vom Radeberger<br />
Bier über Nivea-Creme bis hin zu den<br />
CDs des Elektronikkonzerns Sony – für sie<br />
alle hat der ursprünglich 1984 im Westteil<br />
Fotos: Torsten George<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Sonderveröffentlichung | 41<br />
Kritischer Blick: Geschäftsführer Jürgen Schoepe begutachtet das Ergebnis des<br />
Druckprozesses.<br />
Im Einsatz: Der Digitaldruck bietet hohe Druckqualität zu günstigen Kosten bei kleinen<br />
Druckauflagen unter 1.000 Bogen.<br />
Berlins gegründete Displayspezialist bereits<br />
warentragende Displays, Dekorationen<br />
oder Sonder- und Präsentverpackungen<br />
designt und gefertigt.<br />
Das Kompetenzzentrum der Schoepe Display<br />
GmbH hat ihren Sitz in Dahlewitz nahe der<br />
Berliner Stadtgrenze. Hier tüftelt das Grafikteam<br />
an ausgefallenen Ideen für die Warenpräsentationen,<br />
die bereits mehrfach mit<br />
dem Branchenpreis „Display-Superstar“ ausgezeichnet<br />
wurden. Auch die Stanzwerkzeuge<br />
fertigen die Dahlewitzer im eigenen Unternehmen<br />
– eine Ausnahme in der Branche.<br />
In der kleinen Fläming-Gemeinde Dahme/Mark<br />
übernahm Firmengründer Jürgen<br />
Schoepe 1991 einen Verpackungsbetrieb und<br />
baute diesen sukzessive zum Produktionsstandort<br />
aus. „Von der damaligen Belegschaft<br />
sind übrigens immer noch 15 Mitarbeiter im<br />
Unternehmen“, verweist Geschäftsführer<br />
Schoepe nicht ohne Stolz auf die jahrelange<br />
Erfahrung seiner Belegschaft, denn in der<br />
Display-Fertigung ist an vielen Stellen immer<br />
noch sorgfältige Handarbeit gefragt.<br />
Insgesamt beschäftigt Schoepe Display heute<br />
knapp 200 Mitarbeiter. Eine ausgeklügelte<br />
elektronische Vernetzung und ein beispielloses<br />
Warenwirtschaftsprogramm der beiden<br />
Standorte sorgen dabei für die reibungslose<br />
Zusammenarbeit zwischen Kompetenz- und<br />
Produktionszentrum.<br />
Das Herzstück der Produktion in Dahme/<br />
Mark ist aber die „Durst Rho 1000“, eine moderne<br />
Digitaldruckmaschine, in die das Management,<br />
neben Firmengründer Schoepe<br />
auch sein Mit-Gesellschafter und Geschäftsführer<br />
Andreas Grathwohl, im Mai 2013 rund<br />
1,5 Millionen Euro investierte. Im Juni 2013<br />
wurde Schoepe Display als erstes Unternehmen<br />
weltweit nach Fogra Standard für Digitaldruck<br />
auf Wellpappe zertifiziert.<br />
„Die aktuelle Marktsituation verlangt zunehmend<br />
nach Klein- und Kleinstauflagen zu bezahlbaren<br />
Preisen“, beschreibt Schoepe den<br />
gegenwärtigen Markttrend. Mit dem traditionellen<br />
Offsetdruckverfahren können den<br />
Kunden für solche Auflagen keine akzeptablen<br />
Konditionen geboten werden. „Beim Offsetdruck<br />
fallen hohe Einrichtungskosten und<br />
oft auch ein massenhafter Drucküberschuss<br />
an“, so Schoepe. „Diese Faktoren machen den<br />
Offsetdruck für kleine Auflagen unrentabel.“<br />
Mit seiner Investition in den Digitaldruck<br />
nahm der Brandenburger Mittelständler auch<br />
einen Strategiewechsel vor. Der Offsetdruck<br />
erfolgt außer Haus, weil die Auslastung der<br />
Maschinen in der Displayherstellung traditionell<br />
schwankt – Schoepe nennt Weihnachten,<br />
Ostern, Muttertag und den Schulanfang<br />
als Spitzenzeiten der Branche – und eine Investition<br />
in eigene Offsetdruck-Kapazitäten<br />
daher stets als zu kostspielig erschien.<br />
Mit dem Erwerb einer Digitaldruckmaschine<br />
hat Schoepe Display dagegen nun Druckkompetenz<br />
im eigenen Unternehmen aufgebaut.<br />
„Für die rund 1,5 Millionen Euro Investitionskosten<br />
haben wir einen Finanzierungsmix<br />
aus Eigenkapital, einem Hausbankkredit<br />
sowie dem KfW-Unternehmerkredit<br />
eingesetzt“, erläutert Schoepe seine Finanzierungsstrategie.<br />
Von der gesamten<br />
Investitionssumme konnten rund 869.000<br />
Euro über den zinsgünstigen KfW-Unternehmerkredit<br />
abgesichert werden.<br />
Der KfW-Unternehmerkredit wird Unternehmen<br />
bis maximal 500 Millionen Euro Umsatz<br />
sowie Freiberuflern, die jeweils mehr als drei<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
42 | Sonderveröffentlichung<br />
Roland und Sebastian Habeck leiten gemeinsam die Hawart OMV Landtechnik GmbH.<br />
Jahre am Markt aktiv sind, bereitgestellt.<br />
Damit können die Unternehmen beispielsweise<br />
in Anlagen und Maschinen, Grundstücke,<br />
Gebäude oder in die Betriebs- und<br />
Geschäftsausstattung investieren. Insgesamt<br />
lassen sich dafür Darlehenssummen<br />
bis zu 25 Millionen Euro pro Vorhaben abrufen.<br />
Außerdem gewährt der KfW-Unternehmerkredit<br />
den Darlehensnehmern eine<br />
langfristige Planungssicherheit. Bei Investitionsfinanzierungen<br />
sind beispielsweise<br />
Laufzeiten der Förderkredite bis zu<br />
20 Jahre möglich. KMU erhalten den KfW-<br />
Das KfW-Infocenter<br />
Telefonische Beratung zu den gewerblichen<br />
Förderprogrammen der KfW:<br />
Tel.: 0800 539-9001<br />
Weitere Informationen: www.kfw.de<br />
Unternehmerkredit im Rahmen des „KMU-<br />
Förderfensters“ mit einer zusätzlichen Zinsverbilligung<br />
angeboten.<br />
Auch für Mittelständler Schoepe waren die<br />
günstigen Konditionen des KfW-Unternehmerkredits<br />
ausschlaggebend: „Bei fast allen<br />
Finanzierungen der zurückliegenden Jahre<br />
haben wir deshalb KfW-Kredite mit eingebunden.“<br />
Im Falle der neuen Digitaldrucktechnik<br />
hat sich die Investition für den Brandenburger<br />
Displayprofi bereits jetzt ausgezahlt.<br />
Von „einer Revolution im Druckhandwerk,<br />
ausgelöst durch den Digitaldruck“,<br />
schwärmt Jürgen Schoepe bezogen auf die<br />
Produktion von Kurzzeitdisplays. Das Ziel,<br />
damit neue Kundenkreise im Segment der<br />
kleinvolumigen Auflagen zu erschließen, hat<br />
das Unternehmen bereits nach kurzer Zeit<br />
erreicht. „Wir registrieren eine gestiegene<br />
Nachfrage, die nicht nur von neuen Kunden<br />
herrührt“, freut sich Schoepe. „Auch viele<br />
unserer langjährigen Partner nutzen nun<br />
die Möglichkeit, Displays in kleinen Auflagen<br />
produzieren zu können.“<br />
Auch Roland Habeck weiß die günstigen<br />
Konditionen des KfW-Unternehmerkredits<br />
für zukunftsorientierte Finanzierungsvorhaben<br />
in seinem Unternehmen zu schätzen.<br />
Der gelernte Maschinenbauingenieur wagte<br />
1990 mit vier Mitarbeitern den Sprung in die<br />
Selbständigkeit. Aus dem ursprünglich noch<br />
absichtlich weit gefassten Geschäftszweck<br />
„Handelswaren aller Art“, der sich heute noch<br />
im Firmennamen Hawart OMV Landtechnik<br />
GmbH (www.hawartomv.de) ablesen lässt,<br />
kristallisierte sich schon Mitte der 90er Jahre<br />
einer der führenden Handels- und Servicebetriebe<br />
für Landmaschinentechnik in Mecklenburg-Vorpommern<br />
heraus.<br />
Die wesentliche Grundlage für diesen Erfolg<br />
bildete der Abschluss eines Händlervertrags<br />
mit dem US-amerikanischen Weltmarktführer<br />
für Landtechnik, John Deere. „Unser Vertriebsgebiet<br />
umfasst grob gesagt alles südlich<br />
der Autobahn A20 und nördlich der<br />
Landesgrenze zu Brandenburg“, beschreibt<br />
Firmengründer Roland Habeck, der heute<br />
gemeinsam mit seinem Sohn Sebastian die<br />
Firmengeschicke leitet, den Einzugsbereich<br />
seines Unternehmens.<br />
Habeck profitiert dabei auch vom gegenwärtigen<br />
Boom in der Landtechnik. Laut einer<br />
Erhebung des Verbands Deutscher Maschinen-<br />
und Anlagenbau e. V. wird der deutsche<br />
Landtechnikmarkt 2013 ein neues, mittlerweile<br />
drittes Rekordhoch in Folge einfahren.<br />
Bei einem Umsatz von 5,6 Milliarden<br />
Euro wird ein Zuwachs von drei Prozent erwartet.<br />
Bereits im ersten Halbjahr stieg der<br />
Verkauf von Landmaschinen und Traktoren<br />
um vier Prozent.<br />
Die Traktoren und Erntemaschinen des US-<br />
Herstellers John Deere sind dabei auch auf<br />
dem deutschen Markt ein Verkaufsschlager.<br />
„Wir haben Anfang der 90er Jahre da-<br />
KfW-Unternehmerkredit<br />
Förderung für KMU<br />
Antragsberechtigt:<br />
Unternehmen bis maximal 500 Millionen<br />
Umsatz und Freiberufler, die drei Jahre<br />
am Markt aktiv sind.<br />
Kreditsumme:<br />
Bis 25 Millionen Euro pro Vorhaben.<br />
Förderzwecke:<br />
- Erwerb von Grundstücken und Gebäuden<br />
- Kauf von Maschinen, Anlagen, Fahrzeugen<br />
und Einrichtungen<br />
- Erwerb von Patenten und Lizenzen<br />
- Übernahmen und tätige Beteiligungen<br />
- Finanzierung von Warenlagern und<br />
Betriebsmitteln<br />
- Beratungsleistungen<br />
- Erstteilnahme <strong>Messen</strong><br />
Laufzeiten:<br />
Bis zu 5, 10 oder 20 Jahre.<br />
Fotos: Sebastian Habeck, John Deere, Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Sonderveröffentlichung | 43<br />
rauf vertraut, dass die Zukunft der großflächigen<br />
Agrarwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern<br />
gehören wird“, erinnert sich Habeck.<br />
„Daher erschien uns die Firma John<br />
Deere, deren Technik ja auf die Bearbeitung<br />
von Großflächen spezialisiert ist, als geeigneter<br />
Partner.“<br />
Weitere Vertriebspartnerschaften mit anerkannten<br />
Herstellern im Bereich Ernte- und<br />
Melkmaschinen runden das Produktportfolio<br />
des Neubrandenburger Unternehmens ab, das<br />
mittlerweile an elf Standorten Handels- und<br />
Serviceleistungen für die Agrarwirtschaft im<br />
Küstenland bereitstellt. Mehr als 980 Traktoren<br />
und 400 Erntemaschinen werden von<br />
der Hawart OMV Landtechik GmbH im mittleren<br />
und südlichen Mecklenburg-Vorpommern<br />
betreut.<br />
Breites Angebot: Die Harwart OMV Landtechnik GmbH bietet von Traktoren über Mähdrescher<br />
bis hin zu Melkmaschinen nahezu ein Komplettangebot für Agrarbetriebe.<br />
Marktvorteile schaffen<br />
Claudia Schneider, Direktorin der KfW, über<br />
das ERP-Innovationsprogramm der KfW.<br />
W+M: Mit dem ERP-Innovationsprogramm<br />
fördert die KfW Innovationen von kleinen<br />
und mittleren Unternehmen. Wie innovativ<br />
muss ein Vorhaben sein, um einen solchen<br />
Förderkredit zu erhalten?<br />
Schneider: Der verwendete Innovationsbegriff<br />
ist transparent und sehr einfach: Im<br />
Fokus des Programms steht eine unternehmensbezogene,<br />
nicht zwingend hochgradige<br />
oder technologisch sehr anspruchsvolle<br />
Innovation.<br />
W+M: Der Innovationsbegriff ist also sehr<br />
weit gefasst?<br />
Schneider: Ja, es muss sich keinesfalls<br />
um eine patentwürdige Marktneuheit handeln.<br />
Es geht vielmehr um eine Innovation,<br />
die das Unternehmen weiterbringt und<br />
ihm Marktvorteile verschafft, beispielsweise<br />
auch merkliche Produktweiterentwicklungen<br />
und -verbesserungen. Hauptsache ist, dass<br />
das Vorhaben für das Unternehmen neuartig<br />
ist. Lediglich bei Unternehmen mit einem<br />
Jahresgruppenumsatz von mehr als 125<br />
Millionen Euro muss es sich um ein Vorhaben<br />
handeln, das für Deutschland neuartig ist.<br />
W+M: Wie groß ist der bürokratische Aufwand<br />
bei der Antragstellung, wie detailliert<br />
muss beispielsweise die Vorhabensbeschreibung<br />
ausfallen?<br />
Scheider: Aus der Beschreibung muss das<br />
Neue, das Innovative hervorgehen. Dazu<br />
kann in manchen Fällen schon eine Seite<br />
als Vorhabenbeschreibung ausreichen.<br />
Interview: Matthias Salm<br />
Claudia Schneider<br />
Direktorin der KfW<br />
Um die Kompetenzen weiter zu bündeln und<br />
mit der Zielsetzung, Marktführer bei der<br />
Betreuung landwirtschaftlicher Systeme<br />
und Maschinen zu werden, entschied sich<br />
Roland Habeck 2011 zur Übernahme eines<br />
weiteren John Deere-Vertriebspartners, der<br />
im mecklenburgischen Plau am See ansässigen<br />
Ottomeyer MV GmbH & Co. KG. Im Zuge<br />
eines Asset Deals wurden deren Standorte<br />
und Mitarbeiter in die Hawart OMV Landtechnik<br />
GmbH inte griert. „Durch die Übernahme<br />
wird das weitere Wachstum des Unternehmens<br />
abgesichert. Die Bündelung der<br />
Kräfte entspricht auch dem Vertriebskonzept<br />
von John Deere“, erläutert Firmenchef Habeck.<br />
Der wachsenden Spezialisierung und<br />
Serviceorientierung der Kunden soll so ein<br />
möglichst dichtes Service- und Vertriebsnetz<br />
entgegengesetzt werden.<br />
Der sorgfältig vorbereitete Übernahmeprozess<br />
konnte zu Jahresbeginn 2012 abgeschlossen<br />
werden. Die Finanzierung der<br />
Übernahme erfolgte über die Hausbank unter<br />
Einbeziehung eines zinsgünstigen KfW-<br />
Unternehmerkredits. „Die Kreditgewährung<br />
verlief auch dank der von uns vorgelegten<br />
betriebswirtschaftlichen Daten zügig und<br />
reibungslos,“ lobt der gebürtige Mecklenburger<br />
die Zusammenarbeit mit den Finanzierungspartnern.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
44 | Sonderveröffentlichung<br />
Die Finanzierungsangebote der<br />
KfW will der 62-jährige Mittelständler,<br />
der mit der Einbeziehung<br />
seines Sohnes Sebastian<br />
in die Geschäftsleitung<br />
bereits langfristig die Nachfolgeregelung<br />
in Angriff genommen<br />
hat, auch künftig nutzen.<br />
Etwa bei Investitionen in<br />
eines der wichtigsten Zukunftsthemen<br />
der Agrarwirtschaft: Die<br />
Fernüberwachung von landtechnischen<br />
Maschinen und Anbaugeräten<br />
zur Optimierung des<br />
Maschinenein satzes. Dadurch<br />
sollen nicht nur Landwirte in<br />
der Lage sein, jederzeit die Effizienz<br />
ihrer Maschinen überprüfen<br />
zu können.<br />
Auch die Harwart OMV Landtechnik<br />
GmbH als Servicebetrieb<br />
will so erste Diagnosen über einen<br />
möglichen Reparaturbedarf an den Maschinen<br />
via Fernüberwachung vornehmen.<br />
„Dazu müssen wir aber sowohl in Gebäude<br />
als auch in die entsprechende EDV-Technik<br />
investieren“, weiß Habeck, dass es für die<br />
Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens<br />
unabdingbar ist, mit dem rasanten Innovationstempo<br />
in der Agrartechnik Schritt zu<br />
halten.<br />
Um im Unternehmen neue und innovative<br />
Verfahren zu implementieren, so wie es<br />
beispielsweise die Harwart OMV Landtechnik<br />
GmbH in den kommenden Jahren plant,<br />
können KMU zur Finanzierung solcher Vorhaben<br />
nicht nur den KfW-Unternehmerkredit<br />
heranziehen. Die KfW fördert mit dem ERP-<br />
Innovationsprogramm gezielt die Entwick-<br />
Die KfW fördert gezielt die Entwicklung<br />
innovativer Produkte<br />
und Verfahren im Unternehmen.<br />
Die größten Innovationshemmnisse für KMU<br />
Mangel an<br />
Finanzierungsquellen<br />
Zu hohe Innovationskosten<br />
Bürokratie<br />
Mangel an Fachpersonal<br />
Organisatorische Probleme<br />
Fehlen von relevanten<br />
Marktinformationen<br />
Fehlen von<br />
technologischem Know-how<br />
Quelle: KfW-Research, KFW-Mittelstandspanel<br />
13,2<br />
20,0<br />
19,0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />
Anteile in Prozent<br />
telständischen Betrieben aufgebracht. Dies<br />
gilt gerade auch für den ostdeutschen Mittelstand:<br />
Der soeben veröffentlichte Innovationsindikator<br />
2013, der gemeinsam von<br />
der Deutschen Telekom Stiftung und dem<br />
Bundesverband der deutschen Industrie<br />
(BDI) herausgegeben wird, preist etwa die<br />
Forschungslandschaft an den Innovationsschwerpunkten<br />
Dresden und Chemnitz, aber<br />
auch in der Region Leipzig oder Zwickau. Von<br />
1,2 Milliarden Euro, die die Wirtschaft allein<br />
im Freisaat Sachsen in Forschung und Entwicklung<br />
investierte, flossen rund 500 Millionen<br />
Euro aus den Kassen des Mittelstands,<br />
z. B. im Mikroelektronik- oder Biotechnologiecluster<br />
des Landes.<br />
Doch der Innovationstätigkeit von kleinen<br />
und mittleren Unternehmen<br />
sind finanziell<br />
oft Grenzen<br />
gesetzt. So<br />
untersuchte die<br />
KfW in einer Studie<br />
2009 die wesentlichen<br />
Innovationshemmnisse für den deutschen<br />
Mittelstand. Das eindeutige Ergebnis:<br />
Mangelnde Finanzierungsquellen stellen die<br />
größte Hürde bei der Umsetzung innovativer<br />
Vorhaben dar. Kleine und mittlere Unterneh-<br />
31,0<br />
47,1<br />
54,1<br />
57,6<br />
62,3<br />
ERP-Innovationsprogramm<br />
Kapital für Ideen<br />
Antragsberechtigt:<br />
Freiberufler und Unternehmen, die mindestens<br />
zwei Jahre am Markt aktiv sind.<br />
Kreditbetrag:<br />
Maximal fünf Millionen Euro pro Vorhaben,<br />
im Rahmen der Energiewende<br />
maximal 25 Millionen Euro pro Vorhaben<br />
und 50 Millionen Euro pro Kalenderjahr.<br />
Laufzeiten:<br />
- Fremdkapitaltranche: zehn Jahre bei<br />
höchstens zwei tilgungsfreien Jahren.<br />
- Nachrangtranche: zehn Jahre bei<br />
sieben tilgungsfreien Jahren.<br />
lung innovativer<br />
Produkte und Verfahren<br />
im Unternehmen,<br />
weil diese wesentlich<br />
zum Erhalt<br />
der Wettbewerbsfähigkeit<br />
des Mittelstands<br />
beitragen. Und umgekehrt leisten<br />
gerade KMU einen erheblichen Beitrag zur<br />
Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.<br />
Knapp ein Drittel der Innovationsaufwendungen<br />
hierzulande werden von mitmen<br />
müssen solche Vorhaben überwiegend<br />
aus internen Quellen finanzieren. Bankkredite<br />
spielen dagegen aufgrund der hohen Risiken<br />
innovativer Prozesse nur eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
An dieser Stelle setzt das ERP-Innovationsprogramm<br />
der KfW als Finanzierungsalternative<br />
für die marktnahe Forschung und<br />
Foto: Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Sonderveröffentlichung | 45<br />
die Entwicklung von neuen Produkten und<br />
Verfahren an. Zur Innovationsfinanzierung<br />
können Unternehmen Darlehen bis zu fünf<br />
Millionen Euro pro Vorhaben beantragen.<br />
Ausgereicht werden die Förderkredite als<br />
Finanzierungspaket aus einem klassischen<br />
Darlehen und einem Nachrangdarlehen. Diese<br />
spezielle Konstruktion stärkt die Bilanzen<br />
des mittelständischen Betriebs zusätzlich,<br />
wie Claudia Schneider, Direktorin der KfW,<br />
erläutert: „Bei der Bilanzanalyse und dem<br />
Rating durch Kreditinstitute kann die Nachrangtranche<br />
mit bestimmten Restlaufzeiten<br />
als wirtschaftliches Eigenkapital gewertet<br />
werden. Das Nachrangdarlehen verbessert<br />
somit die rechnerische Eigenkapitalquote<br />
des geförderten Unternehmens.“ Zudem ergibt<br />
sich durch die unbesicherte Nachrangtranche<br />
für das Unternehmen freies Besicherungspotenzial,<br />
das für andere Finanzierungen<br />
genutzt werden kann. Und – last but not<br />
least – ermöglichen die sieben tilgungsfreien<br />
Anlauf jahre der Nachrangtranche den Unternehmen<br />
die Thesaurierung von Gewinnen<br />
und schonen den operativen Cashflow, der<br />
Betriebliche Energieeffizienz<br />
wird zukünftig zu einem wichtigen<br />
Faktor im Wettbewerb.<br />
dann für andere betriebliche Maßnahmen<br />
zur Verfügung steht.<br />
Als erhebliche Belastung für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
kleiner und mittelständischer<br />
Unternehmen haben sich in den zurückliegenden<br />
Jahren die stark steigenden<br />
Energiekosten erwiesen. Betriebliche Energieeffizienz<br />
wird deshalb immer mehr zu einem<br />
wichtigen Faktor im Wettbewerb. Die<br />
KfW unterstützt aktiv KMU, die ihren Energieverbrauch<br />
und damit ihre Energiekosten<br />
senken wollen.<br />
Das Thema steht bei mittelständischen Betrieben<br />
mittlerweile oft an erster Stelle der<br />
Prioritätenliste, wie Corneli us Ober, Geschäftsführer<br />
der ESA-Energieberatung –<br />
Cornelius Ober GmbH (www.esa-energieberatung.de)<br />
im thüringischen Eisenach bestätigt:<br />
„Als Energieberater stoßen wir in den<br />
Unternehmen angesichts steigender Energiekosten<br />
zunehmend auf offene Ohren. Wenn<br />
Unternehmen im Gegenzug zu Entlastungen<br />
bei der Stromsteuer künftig zudem den<br />
Einsatz eines Energiemanagementsystems<br />
nachweisen müssen, wird dies die Nachfrage<br />
nach Energieberatungen noch weiter steigern.“<br />
Cornelius Ober<br />
Geschäftsführer der<br />
ESA-Energieberatung –<br />
Cornelius Ober GmbH<br />
Der Einsatz eines professionellen Energieberaters<br />
kann aber schon jetzt helfen, energetische<br />
Schwachstellen im Unternehmen aufzudecken.<br />
„Die Beleuchtungssysteme, die<br />
Heizungsanlagen, aber auch verschwenderisches<br />
Verhalten von<br />
Mitarbeitern sind immer wiederkehrende<br />
Ansatzpunkte für eine<br />
Verbesserung der Energieeffizienz.<br />
Oft nutzen die Unternehmen<br />
zudem nicht die für sie optimalen<br />
Tarife bei der Energieversorgung.<br />
Auch die Vorteile einer<br />
eigenständigen Energieerzeugung,<br />
beispielsweise durch<br />
den Einsatz von Photovoltaik,<br />
werden unterschätzt“, weiß<br />
Ober aus seiner Beratungstätigkeit<br />
bei mittelständischen Betrieben<br />
in der Region Hessen, Thüringen<br />
und Sachsen zu berichten.<br />
Die KfW fördert Energieberatungen<br />
gleich in zweifacher Weise:<br />
Im Förderprogramm „Energieberatung<br />
Mittelstand“ zahlt sie<br />
einen Zuschuss zu den Kosten einer<br />
Energieberatung für kleine<br />
und mittlere Unternehmen. Dabei<br />
wird sowohl eine Initialberatung<br />
bezuschusst, bei der die bestehenden<br />
Mängel vom Energieberater<br />
identifiziert und erste Vorschläge<br />
für Einsparmaßnahmen erarbeitet<br />
werden. Ebenfalls gefördert<br />
wird eine anschließende Detailberatung,<br />
bei der der Energieberater<br />
eine tiefergehende Analyse<br />
vornimmt und konkrete Handlungs- und Finanzierungsmöglichkeiten<br />
aufzeigt. „Leider<br />
ist diese Fördermöglichkeit bei den Unternehmen<br />
noch nicht ausreichend bekannt“,<br />
hat Energie-Profi Cornelius Ober feststellen<br />
müssen. „Dabei sind Einsparungen von zehn<br />
Prozent nach einer Energieberatung in der<br />
Regel immer zu realisieren, in vielen Fällen<br />
liegt das Einsparpotenzial aber noch weitaus<br />
höher.“<br />
Wer die Handlungsempfehlungen des Energieberaters<br />
in die Tat umsetzen möchte, erhält<br />
auch bei den dafür notwendigen Investitionen<br />
staatliche Unterstützung. Bei Investitionsmaßnahmen,<br />
die wesentliche Einspareffekte<br />
erzielen, ist eine Finanzierung<br />
mit Krediten aus dem KfW-Energieeffizienzprogramm<br />
möglich.<br />
W+M<br />
Energieberatung Mittelstand<br />
Lohnende Zuschüsse<br />
Antragsberechtigt:<br />
KMU und Freiberufler.<br />
Zuschusshöhe:<br />
- Initialberatung: 80 Prozent der förderfähigen<br />
Beratungskosten, maximal 1.280 Euro.<br />
- Detailberatung: 60 Prozent der förderfähigen<br />
Beratungskosten, maximal 4.800 Euro.<br />
KfW-Energieeffizienz programm<br />
Energiekosten senken<br />
Antragsberechtigt:<br />
Unternehmen mit einem Gruppenumsatz<br />
bis zu vier Milliarden Euro sowie Freiberufler.<br />
Kreditsumme:<br />
Bis zu 25 Millionen Euro pro Vorhaben.<br />
Förderzwecke:<br />
Investitionen, die wesentliche Energieeinspareffekte<br />
erzielen.<br />
Laufzeiten:<br />
Bis zu 5, 10 oder 20 Jahre.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
46 | W+M Ratgeber<br />
Personalpolitik<br />
im Zeichen der Familie<br />
Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind für junge Eltern längst zum wichtigen Kriterium<br />
bei der Auswahl des Arbeitgebers geworden. Für Unternehmen bieten sie eine Chance, sich im<br />
Wettbewerb um die rar gewordenen Fachkräfte zu behaupten – auch mit staatlicher Unterstützung.<br />
Von Matthias Salm<br />
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird zur Zukunftsaufgabe<br />
von Unternehmen.<br />
Seit dem 17. Dezember ist sie offiziell im Amt – Mecklenburg-Vorpommerns<br />
Vorzeige-Sozialdemokratin Manuela<br />
Schwesig hat die eher glücklos agierende Kristina<br />
Schröder im Amt der Bundesfamilienministerin abgelöst.<br />
Damit hat die gebürtige Brandenburgerin auch<br />
eines der Lieblingsthemen ihrer christdemokratischen<br />
Vorgängerin geerbt – die Förderung der Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie.<br />
Dass die von der Landes- zur Bundesministerin aufgestiegene<br />
Schwesig den eingeschlagenen Kurs fortsetzen,<br />
gar noch intensivieren wird, steht außer Zweifel:<br />
Schließlich haben die Koalitionäre die Fortsetzung des<br />
Förderprogramms „Betriebliche Kinderbetreuung“ bereits<br />
in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Auch das<br />
Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“, in dessen<br />
Rahmen das Familienministerium gemeinsam mit<br />
großen Stiftungen, Spitzenverbänden der Wirtschaft und<br />
den Gewerkschaften für eine familienfreundliche Ausrichtung<br />
von Unternehmen wirbt, bleibt auf der Agenda<br />
der neuen Bundesregierung. Dass Schwesig mit ihrem ersten<br />
Vorstoß, einer zum Teil steuerfinanzierten 32-Stunden-Woche<br />
für Eltern, gescheitert ist, wird den Elan der<br />
neuen Ministerin nicht bremsen. Umgehend kündigte sie<br />
Gespräche mit Arbeitgebern und Gewerkschaften über<br />
praktikable Modelle zur Familienarbeitszeit an.<br />
Unternehmen sollten die staatlichen Informations- und<br />
Förderangebote jetzt nutzen, um die eigene Attraktivität<br />
im Kampf um die begehrten Fachkräfte zu steigern.<br />
Denn laut DIHK-Arbeitsmarktreport 2013, basierend auf<br />
einer Umfrage unter mehr als 20.000 Betrieben, fürchten<br />
viele Unternehmer, dass sich der Fachkräftemangel<br />
gleichermaßen zu einer Wachstumsbremse und zu einem<br />
Innovationshemmnis für den eigenen Betrieb auswachsen<br />
kann. Mit flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten<br />
hingegen können Unternehmen, so die Empfehlung des<br />
DIHK, gerade die noch ungenutzten Potenziale berufstätiger<br />
Frauen besser ausschöpfen. Auch die finanziel-<br />
Foto: Sundikova/fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Unternehmen | 47<br />
le oder organisatorische Unterstützung der<br />
Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung sollten<br />
sich Unternehmen verstärkt auf die Fahnen<br />
schreiben.<br />
Unternehmer, die die Belange berufstätiger<br />
Eltern bei der Gestaltung des Arbeitsumfeldes<br />
stärker berücksichtigen wollen, können<br />
dafür die staatlichen Förder- und Informationsangebote<br />
in Anspruch nehmen.<br />
Das Förderprogramm „Betriebliche<br />
Kinderbetreuung” schafft beispielsweise<br />
finanzielle Anreize für die Einrichtung<br />
neuer Betreuungsgruppen<br />
für Mitarbeiterkinder bis zum vollendeten<br />
dritten Lebensjahr.<br />
Ansatzpunkt für die Förderung ist<br />
die Kooperation der Unternehmen mit<br />
den Trägern von Betreuungseinrichtungen.<br />
Dazu wird seitens des Bundes ein<br />
Zuschuss zu den Betriebskosten in Höhe von<br />
400 Euro monatlich pro neu geschaffenem<br />
Ganztagsbetreuungsplatz gezahlt. Die Förderung<br />
durch das Bundesfamilienministerium<br />
versteht sich als Startfinanzierung für<br />
einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren.<br />
Für kleinere Unternehmen, die trotz staatlicher<br />
Förderung an finanzielle Grenzen stoßen,<br />
empfiehlt es sich dabei, die Zusammenarbeit<br />
mit anderen Unternehmen der Region<br />
zu suchen, um neue Betreuungsplätze zu<br />
schaffen.<br />
Die Fördermittel erhalten entweder die Träger<br />
der Kinderbetreuungseinrichtungen, mit denen<br />
die Arbeitgeber zur Schaffung der neuen<br />
Betreuungsplätze kooperieren, oder die<br />
Betriebe selbst, wenn sie als Träger der Kinderbetreuungseinrichtung<br />
fungieren. Ein<br />
Wermutstropfen bleibt allerdings: Die bisher<br />
Familienfreundliche Arbeitsbedingungen<br />
steigern die Attraktivität des Unternehmens<br />
bei der Personalsuche.<br />
zur Verfügung stehenden Mittel waren Ende<br />
2013 wegen der großen Nachfrage nahezu<br />
ausgeschöpft. Hier gilt es nun abzuwarten,<br />
wie die Ankündigung der neuen Bundesregierung,<br />
das Förderprogramm fortzusetzen,<br />
in die Tat umgesetzt wird. Eine erste Anlaufstelle<br />
für allgemeine Informationen, wie Unternehmen<br />
Kinderbetreuungsangebote einrichten<br />
und betreiben können, leistet im Übrigen<br />
die Servicestelle Betriebliche Kinderbetreuung<br />
(Tel.: 0800 0000945).<br />
Während sich die Einführung von Betreuungsangeboten<br />
organisatorisch und finanziell<br />
aufwändiger gestaltet, sind auf Familienbedürfnisse<br />
abgestimmte Arbeitszeiten<br />
leichter zu verwirklichen. Dazu bedarf es<br />
aber bei der Planung immer der engen Abstimmung<br />
mit den Mitarbeitern. Dies gilt übrigens<br />
nicht nur für Mitarbeiter mit Kleinkindern.<br />
Auch die Betreuung pflegebedürftiger<br />
Angehöriger wird in den kommenden Jahren<br />
verstärkt zur zeitlichen Herausforderung für<br />
ältere Mitarbeiter im Unternehmen<br />
heranwachsen. Hilfreiche Leitfäden<br />
zur Einführung flexibler Arbeitszeitmodelle<br />
bietet die Initiative<br />
„Familienbewusste Arbeitszeiten”<br />
(www.erfolgsfaktor-familie.de).<br />
Die Initiative ist Teil des<br />
Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie”.<br />
Auf dieser Plattform können Unternehmen<br />
zum Erfahrungsaustausch im Netzwerk<br />
zusammenfinden. Zudem hat die Initiative<br />
zahlreiche Best-Practice-Beispiele<br />
gesammelt, die anschaulich belegen, wie Unternehmen<br />
aus ganz unterschiedlichen Branchen<br />
und verschiedener Größenordnungen<br />
betriebsindividuelle Lösungen von Gleit- und<br />
Teilzeitangeboten über Vertrauensarbeitszeit<br />
und Jahresarbeitszeitkonten bis hin zu Teilzeitmodellen<br />
in Verbindung mit Telearbeit erfolgreich<br />
umgesetzt haben. W+M<br />
Anteile der Unternehmen, die mindestens eine Maßnahme im Jahr 2012 verwirklicht haben<br />
Mindestens eine Maßnahme<br />
zur Arbeitszeitflexibilisierung/Telearbeit<br />
95,8<br />
Mindestens eine Maßnahme<br />
im Bereich Elternzeit/Elternförderung<br />
86,3<br />
Mindestens eine Maßnahme<br />
im Bereich Kinder/Angehörigenbetreuung<br />
54,7<br />
Mindestens eine Maßnahme<br />
im Bereich Familienservice<br />
16,4<br />
Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Anteile in Prozent<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
48 | W+M Ratgeber<br />
Pferdestärken<br />
für China<br />
<strong>2014</strong> ist das Chinesische Jahr des Pferdes. Das Pferd<br />
steht im Reich der Mitte für den Aufbruch zu neuen<br />
Abenteuern. Für Unternehmer bedeutet das vielleicht<br />
die Erschließung neuer Märkte oder den Aufbau neuer<br />
Produktionsstätten in Fernost. Immer mehr fordern<br />
die Konzerne, allen voran in der Automobilindustrie<br />
und im Maschinen- und Anlagenbau, dass die Zulieferer,<br />
viele davon aus Ostdeutschland, eigene Produktionsstätten<br />
in Fernost errichten.<br />
Das Pferd steht aber im chinesischen Jahr auch für<br />
finanzielle Sicherheit. Investitionen in Fernost sollten<br />
deshalb sehr gut geplant werden. Sie erfordern kreative<br />
Lösungen, dies habe ich bei der Begleitung zahlreicher<br />
Mittelständler auf ihrem Gang nach Fernost<br />
erfahren. Und gerade dann, wenn die Finanzierung<br />
erfolgreich war, war der Gang nach China ein wunderbarer<br />
Aufbruch ins Reich der aufgehenden Sonne.<br />
Die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner mit ihren<br />
Büros in Berlin und Dresden wird die Leser von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> in diesem Jahr mit Finanzierungs-<br />
und Steuerthemen begleiten. Scheuen Sie sich<br />
nicht, uns zu fragen, was Sie bewegt. Wir freuen uns<br />
auf Sie.<br />
Ihr Michael Bormann<br />
Anlagenfinanzierung in Fernost<br />
Dass mittelständische Zulieferer von ihren Großkunden angesprochen<br />
werden, in China ein Werk zu errichten, hat auch Hubertus<br />
Bartsch, geschäftsführender Gesellschafter der Neuen Zahnradwerk<br />
Leipzig GmbH (NZWL) erlebt. Nach Prüfung aller Optionen wie etwa<br />
einem Joint Venture, entschied sich Geschäftsführer Bartsch gemeinsam<br />
mit bdp dafür, eine eigene Produktionsstätte in China zu<br />
errichten. Das Investitionsvolumen: 40 Mio. Euro.<br />
Bei einer Investition direkt in China stellt sich häufig die Frage der<br />
ausreichenden Sicherheiten. So wird eine chinesische Bank einer<br />
für sie neuen Firma nur unter größeren Schwierigkeiten einen Kredit<br />
für die Anfangs- und Investitionsphase gewähren, ohne zusätzlich<br />
eine Bürgschaft oder Garantieerklärung der deutschen Muttergesellschaft<br />
zu bekommen. Die Anforderungen an Eigenkapital in<br />
China sind hoch (s. Tabelle).<br />
Eigenkapitalanforderungen in China<br />
Gesamtinvestition<br />
bis 3 Mio. USD<br />
über 3 Mio. bis 10 Mio. USD<br />
über 10 Mio. bis 30 Mio. USD<br />
über 30 Mio. USD<br />
Mindesteigenkapital<br />
70 % der Gesamtinvestition<br />
50 % der Gesamtinvestition,<br />
mindestens 2,1 Mio. USD<br />
40 % der Gesamtinvestition,<br />
mindestens 5 Mio. USD<br />
33,3 % der Gesamtinvestition,<br />
mindestens 12,5 Mio. USD<br />
Die zweite Möglichkeit einer Direktfinanzierung in China könnte<br />
jedoch auch eine ganz andere Bedeutung bekommen, wenn die Ansiedlung<br />
der deutschen Tochtergesellschaft in der betreffenden Provinz<br />
gefördert wird. Hier gibt es Subventionen in Form von verbilligten<br />
Krediten oder aber auch Bürgschaften für Kredite. Dies muss<br />
individuell von Provinz zu Provinz analysiert werden.<br />
Als dritte Alternative bietet sich die Überlegung an, die Finanzierung<br />
der Investitionen durch Emission einer Unternehmensanleihe<br />
in Deutschland vorzunehmen.<br />
Eine vierte Möglichkeit der Investitionsfinanzierung stellt die Finanzierung<br />
über so genannte Objektfinanzierer dar, die nicht selten<br />
von den Maschinenverkäufern unterstützt oder vermittelt werden.<br />
Hier ist dann zu prüfen, ob sich der Objektfinanzierer mit einer<br />
Verbringung dieser Maschine in das chinesische Tochterunternehmen<br />
einverstanden erklärt.<br />
Fazit: Anlagenfinanzierungen in Fernost sollten kreativ gestaltet<br />
und an die Rahmenbedingungen vor Ort geknüpft werden. NZWL-<br />
Chef Bartsch bekam unter anderem finanzielle Unterstützung durch<br />
die chinesische Niederlassung der Commerzbank und der CCB China<br />
Construction Bank.<br />
Fotos: Privat, Tiberius Gracchus/fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Steuern | 49<br />
Sale-and-Lease-Back mit<br />
Betriebsimmobilien verbessert<br />
die Eigenkapitalquote und<br />
optimiert die Erbschaftssteuer<br />
Mit der Finanzierungsform Sale-and-Lease-Back stärken Unternehmen<br />
die Liquidität und verbessern gleichzeitig die Bilanzrelationen.<br />
Dabei steht insbesondere eine Steigerung der Eigenkapitalquote<br />
im Fokus. So funktioniert das Sale-and-Lease-Back-Modell<br />
mit Betriebsimmobilien: Der Verkauf und eine Rückvermietung<br />
von Anlagen und Maschinen helfen den Unternehmen, stille Reserven<br />
zu heben und frei gewordene Liquidität im Unternehmen<br />
einzusetzen. Außerdem können derartige Modelle gut bei einer<br />
erbschaftssteuerlich optimierten Unternehmensnachfolge helfen.<br />
Hier liegt der Vorteil darin, dass die Betriebsimmobilie der steuerlichen<br />
Erbmasse entzogen wird, gleichzeitig der Erbe aber Inhaber<br />
des Ankaufsrechts sein kann. Die Betriebsimmobilie ist im<br />
Anlagevermögen des Unternehmens bilanziert und im Idealfall lastenfrei.<br />
Das Unternehmen erhält vom Erwerber bzw. Leasinggeber<br />
den Verkaufspreis, in der Regel in Höhe des Verkehrswertes, und<br />
least die Immobilie über einen vorab vertraglich fest vereinbarten<br />
Zeitraum von beispielsweise 20 Jahren zur weiteren betrieblichen<br />
Nutzung zurück. Das Hauptziel der Leasingstruktur ist es, die<br />
Finanzierung und Nutzung des Objektes in der Zukunft bilanzneutral<br />
zu gestalten. Weiter verschafft sich der Leasingnehmer<br />
bisher in der Immobilie gebundene Liquidität zur freien Disposition<br />
und gestaltet die Immobilienfinanzierung eigenkapitalschonend.<br />
Rückkauf der Immobilie ist möglich<br />
Das Unternehmen profitiert auf verschiedene Weise: Die Bilanzstruktur<br />
des Unternehmens verbessert sich bei Eigenkapitalquote<br />
und Verschuldungsgrad. Dem Unternehmen wird Liquidität in Höhe<br />
des Verkehrswertes des Objektes zugeführt. Die Nutzung bleibt weiterhin<br />
vollständig beim<br />
Unternehmen. Der Zugriff<br />
auf das Objekt bleibt<br />
durch die Regelungen im<br />
Ankaufsrecht erhalten.<br />
Vorhandene stille Reserven<br />
im Objekt können ertragssteuerlich<br />
neutral<br />
im Zeitpunkt der Veräußerung<br />
realisiert werden.<br />
Der Leasingnehmer erhält<br />
einen entsprechenden<br />
Leasingvertrag mit meist<br />
zwei aufeinanderfolgenden Mietperioden. Im Rahmen einer ersten<br />
Mietperiode werden die anfallenden Investitionskosten durch die<br />
Leasingraten des Leasingnehmers je nach Modellgestaltung entweder<br />
vollständig oder teilweise amortisiert. Dies erhöht Gestaltungsspielräume<br />
und Flexibilität. Zudem wird parallel zum Immobilien-Leasing-Vertrag<br />
ein Ankaufsrechtsvertrag zum Vertragsende<br />
geschlossen, welcher die Wertsteigerungschance am Objekt dem<br />
Ankaufsberechtigten, in der Regel der Leasingnehmer, zuordnet.<br />
Jetzt auch Lohnsteuer-Nachschau<br />
Ab <strong>2014</strong> hat der Gesetzgeber aufgrund des großen Erfolgs der<br />
schon vor Jahren eingeführten Umsatzsteuer-Nachschau auch<br />
eine Lohnsteuer-Nachschau eingeführt. Während der normalen<br />
Geschäftszeiten kann der Lohnsteuer-Nachschauer, in der Regel ein<br />
Betriebsprüfer, völlig unangemeldet beim Unternehmen läuten,<br />
um Einlass bitten und dann Einsicht in die Lohnsteuerunterlagen<br />
verlangen. Dazu muss keine formelle Prüfungsanordnung mit dann<br />
mindestens zehn Tagen Vorlauf vorliegen. Sinn und Zweck ist hierbei,<br />
den Unternehmer auf dem falschen Fuß zu erwischen, etwa<br />
dass er eine nicht ganz richtige Auskunft gibt und so dem Nachschauer<br />
das Recht gibt, die Nachschau sofort zu einer vollständigen<br />
Lohnsteuer-Betriebsprüfung auszuweiten. Das hat zur Konsequenz,<br />
dass dann keine strafbefreiende Selbstanzeige mehr möglich ist.<br />
Kreditkarte: Nach Unterschrift<br />
als Betriebsausgabe buchen<br />
Neues Urteil bei Kreditkartennutzung: Die Betriebsausgabe fließt<br />
bereits dann ab, wenn der Belastungsbeleg unterzeichnet wird.<br />
Beim Kreditkartengeschäft wird mit der Unterschrift des Belastungsbelegs<br />
die Leistung gemäß §11 Abs. 2 S. 1 Einkommensteuergesetz<br />
(EStG) bewirkt. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht des<br />
Kreditkarteninhabers auf das Vertragsunternehmen wird übertragen,<br />
sobald der Kreditkarteninhaber den Belastungsbeleg unterzeichnet.<br />
Bei Zahlung mittels Kreditkarte erfolgt somit der Abfluss<br />
mit der Unterschrift auf dem Belastungsbeleg und nicht erst<br />
im Zeitpunkt der Belastung des Kontos, so das Finanzgericht (FG)<br />
Rheinland-Pfalz. Das FG folgte in seiner Entscheidung der herrschenden<br />
Meinung. Danach liegt die Zahlung mit Kreditkarte im<br />
steuerrechtlichen Sinne dann vor, wenn die Unterschrift auf dem<br />
Belastungsbeleg erfolgt. Bei der Kreditkarte fallen zwar Leistungsund<br />
Erfüllungszeitpunkt auseinander. Jedoch dient die Kreditkarte<br />
als Zahlungsmittel im bargeldlosen Zahlungsverkehr, während<br />
ihre Kreditfunktion nicht im Vordergrund steht.<br />
Für den redaktionellen Inhalt der Seiten 48/49 zeichnet die Sozietät bdp Bormann, Demant & Partner, Berlin, verantwortlich.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
50 | W+M Ratgeber<br />
Der neue Mittelpunkt<br />
Erfurt wächst wieder und gehört inzwischen zu den dynamischsten deutschen<br />
Städten. Das Geheimnis: die Lage im Zentrum Deutschlands. Und<br />
dieser Vorteil wird sich noch verstärken, wenn die Stadt in drei Jahren zum<br />
Verkehrsdrehkreuz aufsteigt.<br />
Von Steffen Uhlmann<br />
„Eine Stadt in der Mitte der Mitte – die zentral<br />
gelegenste Großstadt Deutschlands.“<br />
Schon Martin Luther pries vor über 500 Jahren<br />
die geographischen Vorzüge Erfurts.<br />
Anno <strong>2014</strong> tut das auch Katrin Hoyer, wenn<br />
sie nach dem Erfurter Erfolgsgeheimnis gefragt<br />
wird. „Lage, Lage, Lage“, sagt die energische<br />
Beigeordnete des Bürgermeisters für<br />
Wirtschaft und nennt nüchtern noch andere<br />
Gründe für den Wechsel der Hauptstadt Thüringens<br />
von der regionalen Bratwurstmetropole<br />
zur bundesweit bekannten Residenz,<br />
die mit wachsender Dynamik ihre Zukunft<br />
gestaltet: „Coole Lage, gute Bedingungen,<br />
fitte Verwaltung – das wissen die Unternehmen<br />
zu schätzen.“<br />
Handfester Beleg für den unaufhaltsamen<br />
Aufstieg der Kommune ist der jüngste Handelsblatt-Zukunftsatlas<br />
der 402 deutschen<br />
Regionen und kreisfreien Städte: 2004 belegte<br />
Erfurt in der Gesamtwertung noch Platz<br />
315. Sechs Jahre später schaffte die Stadt<br />
schon Platz 258. Jetzt ist sie auf Rang 124 geklettert.<br />
Keine deutsche Stadt konnte in der<br />
Zeit mehr Plätze gutmachen. Die Investitionsquote<br />
ist hoch, in Sachen Dynamik steht<br />
Erfurt im Bundesvergleich gar auf Rang 35 –<br />
bei nur reichlich 200.000 Einwohnern.<br />
Das mit der Einwohnerzahl aber könnte sich<br />
ändern: Nach vielen Jahren der massenhaften<br />
Abwanderung nach Westdeutschland und<br />
Blick über die Dächer der thüringischen Landeshauptstadt.<br />
Fotos: Marco Barnebeck/pixelio, Matthias Plhak/pixelio, Ingrid Kranz/pixelio.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Immobilien | 51<br />
auch in das Umland verzeichnet die Hauptstadt<br />
des zweiten ostdeutschen Freistaates<br />
nun eine ausgeglichene Bilanz bei Zuwanderung<br />
und Abwanderung. Und diese Entwicklung<br />
dürfte sich in den Folgejahren sogar<br />
noch verbessern. Auf Basis aktueller statistischer<br />
Prognosen geht der Beigeordnete<br />
für Stadtentwicklung Uwe Spangenberg<br />
davon aus, dass sich Erfurts Einwohnerzahl<br />
von derzeit knapp 207.000 in den nächsten<br />
zehn Jahren um jeweils 500 bis 600 Bürger<br />
erhöhen könnte. Seine Hoffnung macht sich<br />
dabei vor allem an der Zuwanderung junger<br />
Leute fest, die zum Studium nach Erfurt<br />
kommen oder aus Westdeutschland zurückkehren.<br />
Ohne junge Leute, sagt er, werde es<br />
kein Wachstum für Erfurt geben. Indes, ob<br />
sie wirklich kommen und auch bleiben, hängt<br />
vor allem von Ausbildungsmöglichkeiten und<br />
Arbeitsplätzen in der Stadt ab. Und auch da<br />
kann Erfurt trotz drastischer Rückschläge in<br />
der heimischen Solarbranche punkten: Zum<br />
Beispiel mit dem Stuttgarter Buchgroßhändler<br />
KNV und dem Online-Schuhhändler Zalando,<br />
die beide neue Logistikzentren am Rande<br />
Erfurts bauen und dabei jeweils 1.000 neue<br />
Arbeitsplätze schaffen.<br />
Mit Erfurts Anbindung an den ICE-Verkehr,<br />
die nun endlich 2017 kommen soll, werde<br />
Der Fischmarkt im Zentrum von Erfurt.<br />
Erfurter Neubausiedlung.<br />
Erfurt endgültig zum neuen Mittelpunkt<br />
Deutschlands aufsteigen, hofft die Landespolitik.<br />
Auf dem Immobilienmarkt ist das<br />
schon jetzt zu spüren. Steigende Einwohner-<br />
und Haushaltszahlen produzieren Wohnraumnachfrage.<br />
Der Leerstand ist seit 2005<br />
von knapp elf Prozent auf deutlich unter sieben<br />
Prozent zurückgegangen. Mit dem drohenden<br />
Wohnungsmangel aber steigen Kaufwie<br />
Mietpreise, vornehmlich in bevorzugten<br />
Lagen der Innenstadt. Dort, wo es sich in<br />
Erfurt am schönsten leben lässt, erhöhten<br />
sich die Kaupreise um bis zu 15 Prozent. Im<br />
Dichterviertel (Löbervorstadt) sind inzwischen<br />
für Einfamilienhäuser sogar Spitzenpreise<br />
bis zu 1,5 Millionen Euro zu erzielen.<br />
Der Durchschnittspreis aller Einfamilienhäuser,<br />
die nach 1990 errichtet worden sind, hat<br />
mit 209.000 Euro die 200.000-Euro-Grenze<br />
deutlich überschritten.<br />
Auf dem Vermietermarkt das gleiche Bild: Der<br />
durchschnittliche Mietzins (kalt) ist binnen<br />
eines Jahres zwischen vier und neun Prozent<br />
gestiegen – auf derzeit 6,20 Euro pro Quadratmeter.<br />
Für die nächsten Jahre sind Steigerungen<br />
in gleicher Größenordnung prognostiziert.<br />
Lokalpolitiker beobachten die Entwicklung<br />
mit gemischten Gefühlen. Denn der<br />
Neubau kommt nicht in Gang und die Zahl<br />
der fertiggestellten Wohnungen hinkt hinter<br />
dem kommenden Bedarf deutlich hinterher.<br />
Umso wichtiger sind Pläne der Kommune<br />
für die Entwicklung neuer Wohnviertel, die<br />
jetzt – zumindest auf dem Papier – Gestalt<br />
annehmen. Sogar ein komplett neues Stadtviertel<br />
befindet sich darunter. Es ist für die<br />
Brachflächen gleich neben dem Hauptbahnhof<br />
geplant und der erste Abschnitt soll nach<br />
Willen der Stadtoberen mit der Einweihung<br />
des ICE-Knotens 2017 bezogen werden. Eine<br />
Fläche von acht Hektar steht für diesen ersten<br />
Bauabschnitt bereit. Entstehen sollen<br />
Wohnungen, Büros, Gaststätten, Handelsund<br />
Dienstleistungseinrichtungen. Für weitere<br />
Bauabschnitte könnten dann noch einmal<br />
fast 50 Hektar erschlossen werden. Viel<br />
Platz für die großen Erfurter Träume und<br />
Visionen.<br />
W+M<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
52 | W+M Ratgeber<br />
Ausländische Fachkräfte gewinnen<br />
Wer Fachkräfte aus Europa und der Welt in Deutschland<br />
beschäftigen möchte, muss einige Formalitäten beachten.<br />
Finden Unternehmen in Deutschland<br />
keine geeigneten Fachkräfte,<br />
so ist es durchaus möglich, Arbeitnehmer<br />
aus dem Ausland einzustellen.<br />
Hierbei muss zwischen<br />
EU-Ausländern und Nicht-EU-Ausländern<br />
unterschieden werden, da<br />
bei beiden unterschiedliche Voraussetzungen<br />
für eine Arbeitsaufnahme<br />
in Deutschland existieren.<br />
Am einfachsten lässt sich eine Anwerbung<br />
von Fachkräften aus dem<br />
EU-Ausland realisieren, da innerhalb<br />
der Europäischen Union die<br />
Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt<br />
und Arbeitnehmer aufgrund dessen<br />
keine Arbeitserlaubnis benötigen.<br />
Diese Regelung gilt zudem für<br />
Island, Norwegen, Liechtenstein<br />
und die Schweiz, welche nicht der<br />
EU angehören. Für Rumänien und<br />
Bulgarien besteht die Freizügigkeit<br />
seit 1. Januar <strong>2014</strong>, für Kroatien<br />
erst ab Juli 2015. Für die Suche<br />
nach ausländischen Fachkräften<br />
können sich Unternehmen direkt<br />
an die örtlichen Arbeitsagenturen<br />
wenden, aber auch an die Zentrale Arbeitsvermittlung<br />
der Bundesagentur für Arbeit<br />
(ZAV) oder das europäische Portal zur<br />
beruflichen Mobilität (EURES). Dort erhalten<br />
Arbeitgeber auch weitere nützliche Informationen<br />
zur Einstellung von EU-Ausländern.<br />
Schwieriger gestaltet sich die Situation bei<br />
Nicht-EU-Ausländern. Hier muss vorerst geprüft<br />
werden, ob in Deutschland für die zu<br />
besetzende Position ein Mangelberuf vorliegt.<br />
Dies lässt sich aus einer entsprechenden<br />
Liste unter www.zav.de/positivliste entnehmen.<br />
Besteht in dem Herkunftsland des<br />
Bewerbers ebenfalls ein Mangel an Fachkräften<br />
in diesem Beruf, so kann eine Genehmigung<br />
ausgeschlossen werden. Für<br />
die Staaten Serbien, Bosnien und Herzegowina,<br />
Philippinen und Tunesien existiert<br />
beispielsweise das Sonderprogramm<br />
für Pflegeberufe „Triple Win“ der ZAV und<br />
der Deutschen Gesellschaft für Internationale<br />
Zusammenarbeit (GIZ). Ziel des Programms<br />
ist die Vermittlung von 2.000 qualifizierten<br />
Fachkräften nach Deutschland bis<br />
Ende <strong>2014</strong>. Um an dem Programm teilzunehmen,<br />
müssen potentielle Arbeitgeber für die<br />
Vermittlung und Qualifizierung der Fachkräfte<br />
eine Gebühr entrichten.<br />
Möglich ist aber auch die Ausbildung von Ausländern<br />
zu Fachkräften vor Ort in Deutschland.<br />
So kann sichergestellt werden, dass die<br />
Auszubildenden deutsche Standards von der<br />
Pike auf erlernen können. Zudem erhalten<br />
erfolgreiche Absolventen ein Bleiberecht in<br />
Deutschland. Weitere Informationen unter<br />
www.management-praxis.de<br />
Hund im Büro?<br />
Arbeitgeber entscheidet darüber, ob<br />
Haustiere im Büro erlaubt sind<br />
Ob ein Hund ins Büro mitgebracht werden<br />
darf, liegt bis auf wenige Ausnahmefälle<br />
allein im Ermessen des Arbeitgebers. Ein<br />
Anspruch auf die Mitnahme eines Vierbeiners<br />
besteht nur, wenn es sich etwa um einen<br />
begleitenden Blindenhund handelt.<br />
Über die Mitnahme eines Haustiers ins Büro<br />
sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine<br />
schriftliche Übereinkunft festhalten. Sollten<br />
sich aber die Verhältnisse ändern, so kann der<br />
Arbeitgeber jederzeit von der Vereinbarung<br />
zu rücktreten, beispielsweise bei einer Tierhaarallergie<br />
oder Ängsten von Mitarbeitern.<br />
Ist ein Haustier erkrankt, so besteht kein Anspruch<br />
auf Sonderurlaub oder darauf, das Tier<br />
mit ins Büro zu nehmen. Entstehen durch ein<br />
Haustier im Büro Schäden, so muss der Halter<br />
dafür aufkommen. Studien belegen, dass<br />
Tiere am Arbeitsplatz das Wohlbefinden<br />
und den kollegialen Zusammenhalt der Mitarbeiter<br />
stärken können. Weitere Infos unter<br />
www.dashoefer.de<br />
Abmahnung ohne Folgen<br />
Wirksamkeit der Kündigung bei<br />
mehreren Abmahnungen<br />
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat<br />
jüngst entschieden, dass eine ordentliche<br />
Kündigung nach sieben erfolgten Abmahnungen<br />
unter bestimmten Voraussetzungen<br />
nicht wirksam ist. Im vorliegenden Fall hatte<br />
ein Arbeitnehmer wiederholt unentschuldigt<br />
gefehlt und dadurch innerhalb von viereinhalb<br />
Jahren sieben Abmahnungen erhalten.<br />
Die Abmahnungen enthielten jeweils die<br />
Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen<br />
bis hin zur fristlosen Kündigung. Allerdings<br />
war eine Steigerung der Intensität nicht zu<br />
Fotos: arahan/fotolia.com, WavebreakMediaMicro/fotolia.com, Twinlili/pixelio.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Management und Personal | 53<br />
erkennen und ein Abmahngespräch fand<br />
auch nicht statt. Das LAG entschied deshalb,<br />
dass die Kündigung unrechtmäßig sei, da das<br />
Unternehmen die Warnfunktion durch das<br />
inkonsequente Verhalten selbst entwertet<br />
hatte. Um einem solchen Fall vorzubeugen,<br />
sollten Arbeitgeber daher auf eine gesteigerte<br />
Intensität der Abmahnung achten.<br />
Az 11 Sa 119/12<br />
Gefahr Burnout<br />
Präventionsmaßnahmen in<br />
Unter nehmen noch kaum verbreitet<br />
Einer Studie des Hernstein Instituts für Management<br />
und Leadership zufolge ist das<br />
Thema Burnout in den Unternehmen angekommen.<br />
Knapp ein Viertel der Befragten<br />
schätzt das Risiko für Burnout-Erkrankungen<br />
im Unternehmen als sehr hoch und eher<br />
hoch ein, 58 Prozent jedoch als weniger hoch.<br />
Da Burnout keine eigenständig definierte<br />
Krankheit ist und mit verschiedensten Symptomen<br />
auftreten kann, sollten Mitarbeiter<br />
möglichst geschult und sensibilisiert werden.<br />
Maßnahmen zur Burnout-Prävention finden<br />
aber nur in 37 Prozent der befragten Unternehmen<br />
statt. Als geeignete Maßnahmen werden<br />
z. B. die Sensibilisierung von Führungskräften<br />
und Mitarbeitern genannt, gefolgt von<br />
einem Überdenken der Arbeitsorganisation.<br />
Lediglich 22 Prozent der Befragten sehen in<br />
der Kürzung des Arbeitspensums und dem<br />
Abbau von Überstunden geeignete Maßnahmen.<br />
Weitere Infos unter www.hernstein.at<br />
Sabbatical beliebt<br />
Arbeitgeber sollten Regelungen der<br />
Finanzbehörden beachten<br />
Immer mehr Arbeitnehmer wünschen sich<br />
eine Auszeit vom Berufsalltag und finden<br />
Gefallen an so genannten Sabbaticals. Aber<br />
auch den Unternehmen nützt diese Auszeit.<br />
Sie können in wirtschaftlich schwächeren<br />
Phasen Personalkosten einsparen und verbessern<br />
ihr Image als Arbeitgeber. Die Arbeitnehmer<br />
verzichten zunächst auf einen<br />
Teil des Gehaltes bei gleichbleibender Arbeitszeit.<br />
Im Gegenzug gewährt ihnen der<br />
Arbeitgeber dann eine mehrmonatige Jobpause<br />
unter Fortzahlung der Bezüge. Zu diesem<br />
Zweck richten Arbeitgeber ein Zeitwertkonto<br />
als Langzeitkonto ein. Typische Stolperfallen<br />
stellen hierbei eine fehlende Zinsregelung<br />
für das Zeitwertkonto, überhöhte<br />
Ansparungen, die nicht mehr vollständig aufgebraucht<br />
werden können, sowie planwidrige<br />
Auszahlungen dar. Arbeitgeber sollten<br />
sich daher rechtzeitig professionellen Rat holen.<br />
Weitere Infos unter www.dhpg.de<br />
Kündigung<br />
Wie sich Unternehmen fair und<br />
reibungslos von Mitarbeitern trennen<br />
Es gibt viele Gründe, warum sich Arbeitgeber<br />
auch von leistungsfähigen Mitarbeitern<br />
trennen müssen. Outplacement kann dafür<br />
sorgen, dass die Trennung fair abläuft und<br />
juristische Auseinandersetzungen und Imageschäden<br />
vermieden werden. Über einen<br />
externen Outplacement-Berater wird der<br />
Trennungsprozess moderiert. Dieser führt<br />
das klärende Gespräch, analysiert die Fähigkeiten<br />
des Mitarbeiters und begleitet seinen<br />
Bewerbungsprozess. Arbeitgeber profitieren<br />
davon, wenn ihre ehemaligen Mitarbeiter<br />
nach der Kündigung aufgefangen<br />
und betreut werden. Er gewinnt dadurch<br />
auch Vertrauen bei der bleibenden Belegschaft.<br />
Zudem entsteht der deutschen Wirtschaft<br />
jährlich allein durch erhöhte Fehlzeiten<br />
von gekündigten Mitarbeitern ein<br />
Verlust von 18,3 Milliarden Euro. Weitere<br />
Infos unter www.business-wissen.de<br />
ORGANISATION<br />
KOMPAKT<br />
TEAMARBEIT<br />
Faulenzer erkennen<br />
Bereits vor 100 Jahren wurde erforscht,<br />
dass die individuelle Leistung mit der<br />
Größe des Teams kontinuierlich sinkt. Einfallstore<br />
für soziales Faulenzen sind somit<br />
die Größe der Gruppe und damit die Gelegenheit,<br />
sich zu verstecken. Aber auch die<br />
Teamzusammensetzung, schwer teil- und<br />
messbare Aufgaben, eine schlechte Teamführung,<br />
fehlende Leistungs- und Fortschrittskontrollen<br />
sowie eine ungerechte<br />
Aufgabenverteilung können sich negativ<br />
auf die Leistung des einzelnen Teammitglieds<br />
auswirken. Die Forschung hat bisher<br />
folgende „Faulenzer-Typen“ definiert:<br />
• Zuspätkommer und Zufrühgeher<br />
(nimmt es nicht so genau mit den<br />
Arbeitszeiten)<br />
• Jovialer Müßiggänger (klassischer Kumpeltyp,<br />
der vor lauter Reden nicht zum<br />
Arbeiten kommt)<br />
• Operativer Hektiker (entweder ein<br />
Unorganisierter, der sich verzettelt,<br />
oder ein Simulant, der Arbeit bewusst<br />
vortäuscht)<br />
• Phlegmatischer Bremser (versucht,<br />
das Tempo des Teams auf seines zu<br />
drosseln)<br />
• Schnorrer (lässt gern andere für sich<br />
arbeiten und nutzt die Gutmütigkeit<br />
seiner Kollegen aus)<br />
• Blendender Abstauber (schmückt sich<br />
gern mit fremden Federn und kann sich<br />
gut verkaufen)<br />
• Alphatier (lässt seinen Hofstaat für sich<br />
arbeiten, ist charismatisch und dominant)<br />
• Böswilliger Blutsauger (kennt die<br />
schwachen Punkte seines Gegenübers<br />
und beutet dies gnadenlos aus).<br />
Um sich und das Team vor solchen Faulenzern<br />
zu schützen, sollten Arbeitgeber<br />
und Führungskräfte versuchen, kleine und<br />
übersichtliche Teams mit etwa gleichstarken<br />
Mitarbeitern zu bilden, die ein gemeinsamer<br />
Leistungswille eint.<br />
www.business-wissen.de<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
54 | W+M Ratgeber<br />
Neue Energieeinsparverordnung ab Mai <strong>2014</strong><br />
Verabschiedete Novelle setzt neue Standards bei zulässigen<br />
Werten der Energieeffizienz von Gebäuden<br />
Im Mai dieses Jahres tritt mit zweijähriger Verspätung die „Zweite Verordnung zur Änderung<br />
der Energieeinsparverordnung“ (EnEV) in Kraft. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel,<br />
bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Daher setzt die neue<br />
Verordnung vor allem für Neubauten höhere energetische Standards; aber auch Besitzer älterer<br />
Gebäude müssen einige neue Regelungen beachten.<br />
Ab 1. Januar 2016 müssen neu gebaute Wohn- und Nichtwohngebäude<br />
höhere energetische Anforderungen erfüllen: Der<br />
zulässige Wert für die Gesamtenergieeffizienz (Jahres-<br />
Primär energiebedarf) wird um 25 Prozent gesenkt. Ab<br />
2021 gilt dann für alle Neubauten der von der EU festgelegte<br />
Niedrigstenergie-Gebäudestandard. Insgesamt<br />
sind für den Gebäudebestand keine wesentlichen<br />
Ver schärfungen vor ge sehen. Trotzdem müssen<br />
auch Besitzer von Bestandsgebäuden einige<br />
Vorgaben beachten: So müssen Öl- und Gasheizkessel,<br />
die vor 1985 eingebaut wurden, ab 2015<br />
außer Betrieb genommen werden. Wurden die<br />
entsprechenden Heizungsanlagen nach dem<br />
1. Januar 1985 eingebaut, müssen sie nach<br />
30 Jahren ersetzt werden. Beispielsweise<br />
Niedertemperatur- und Brennwertkessel<br />
sind von der Austauschpflicht ausgenommen.<br />
Zudem müssen oberste<br />
Geschossdecken, die nicht die Anforderungen<br />
an den Mindestwärmeschutz<br />
erfüllen, bis Ende 2015<br />
gedämmt sein.<br />
Zudem bekommt der Energieausweis<br />
für Gebäude<br />
mehr Gewicht. Verkäufer<br />
und Vermieter müssen<br />
den Ausweis künftig<br />
bereits bei der Besichtigung<br />
vorlegen.<br />
Nach Abschluss des<br />
Vertrags muss der<br />
Ausweis dann<br />
unverzüglich<br />
an den Käufer<br />
bzw. Mieter<br />
übergeben werden – zumindest in Kopie. Die wichtigsten energetischen Kennwerte aus dem<br />
Energieausweis müssen außerdem schon in der Immobilienanzeige genannt werden, zum<br />
Beispiel der durchschnittliche Endenergiebedarf des Gebäudes. Die energetischen Kennwerte<br />
werden künftig nicht mehr nur auf einer Skala von grün bis rot dargestellt, sondern<br />
zusätzlich einer Effizienzklasse zugeordnet, ähnlich wie bei der Kennzeichnung von Elektro-<br />
und Haushaltsgeräten. Weitere Infos unter<br />
www.dena.de<br />
Verbot privater E-Mails<br />
Kündigung des Arbeitnehmers bei<br />
Verstoß unter Umständen unzulässig<br />
Die private E-Mail-Nutzung am Arbeitsplatz,<br />
welche zudem durch eine Betriebsvereinbarung<br />
verboten ist, führt regelmäßig zu<br />
einer rechtmäßigen Kündigung des Arbeitnehmers.<br />
Im vorliegenden Fall wurden im<br />
Rahmen einer staatsanwaltschaftlichen Ermittlung<br />
Computer eines Unternehmens beschlagnahmt.<br />
Dabei wurden pornografische<br />
Bilder und lange E-Mail-Kontakte mit sexuellem<br />
Inhalt auf dem PC eines Mitarbeiters<br />
entdeckt. Die daraufhin ausgesprochene<br />
Kündigung durch das Unternehmen wurde<br />
vom Landesarbeitsgericht Köln zurückgewiesen,<br />
da der Arbeitnehmer mehr als 30<br />
Jahre beanstandungsfrei beim Unternehmen<br />
gearbeitet hatte und seine Arbeitsleistung<br />
durch den privaten E-Mail-Verkehr<br />
nicht eingeschränkt wurde. Daher wäre dem<br />
Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung zumutbar<br />
und das mildere Mittel der Abmahnung<br />
zu wählen gewesen.<br />
Az. 14 Ca 1740/11<br />
Zwei Milliarden für KMU<br />
Leichterer Zugang zu Finanzmitteln<br />
durch EU-Rahmenprogramm COSME<br />
Am 5. Dezember 2013 hat der Europäische<br />
Rat das neue Rahmenprogramm COSME<br />
gebilligt. Damit stehen in der kommenden<br />
Förderperiode von <strong>2014</strong> bis 2020 2,3 Milliarden<br />
Euro für die Förderung von kleinen<br />
und mittelständischen Unternehmen (KMU)<br />
bereit. Das Programm COSME soll dazu beitragen,<br />
die Wettbewerbsfähigkeit europäischer<br />
Unternehmen zu erhöhen. Ziel ist es,<br />
den KMU einen erleichterten Zugang zu<br />
Finanzmitteln zu ermöglichen und ein günstiges<br />
Umfeld für Gründungen und Wachs-<br />
Fotos: Scanrail/fotolia.com, styleuneed/fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Finanzen und Multimedia | 55<br />
tum von Unternehmen zu schaffen. Zudem<br />
sollen die Unternehmerkultur in Europa, die<br />
Expansion ins Ausland und der Zugang zu<br />
Märkten unterstützt werden. Weitere Infos<br />
unter<br />
www.dihk.de<br />
Sicherheitsrisiko<br />
Gefahr durch öffentliche<br />
Ladestationen für Mobiltelefone<br />
Vor allem an Flughäfen befinden sich<br />
öffentliche Ladestationen für Handys, welche<br />
für alle gängigen Geräte Ladekabel bereithalten.<br />
Diese nützliche Erfindung birgt<br />
aber Sicherheitsrisiken und ist nur bedingt<br />
zu empfehlen. Ist eine Ladestation manipuliert,<br />
können unbemerkt Daten vom<br />
Telefon kopiert oder auch Schadsoftware auf<br />
das Handy geladen werden. Nutzer können<br />
sich schützen, indem sie stets ihr eigenes<br />
Ladegerät dabei haben, was sie direkt an eine<br />
Steckdose anschließen. Zudem gibt es das<br />
sogenannte USB-Kondom, das zwischen die<br />
Ladestation und das Handy geschaltet werden<br />
und so Zugriffe verhindern kann. Weiter<br />
Infos unter<br />
www.datenschutzbeauftragter-info.de<br />
Vernachlässigte Pflicht<br />
Bei Datenschutz erklärungen auf<br />
Webseiten Nachholbedarf<br />
Unter Beteiligung des Hessischen Datenschutzbeauftragten<br />
fand 2013 eine überblicksartige<br />
Internetrecherche statt. Hierbei<br />
wurde festgestellt, dass etwa ein Fünftel<br />
aller überprüften Webseiten und Apps über<br />
keine Datenschutzerklärung verfügten.<br />
Nach §13 des Telemediengesetzes (TMG)<br />
besteht in Deutschland die Pflicht, eine Datenschutzerklärung<br />
auf der Webseite einzubinden.<br />
Der Diensteanbieter darf personenbezogene<br />
Daten eines Nutzers nur erheben<br />
und verwenden, soweit dies erforderlich<br />
ist, um die Inanspruchnahme von<br />
Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen.<br />
Diese sogenannten Nutzungsdaten<br />
sind insbesondere Merkmale zur Identifikation<br />
des Nutzers, Angaben über Beginn, Ende<br />
und Umfang der jeweiligen Nutzung sowie<br />
Angaben über die vom Nutzer in Anspruch<br />
genommenen Telemedien (§15 TMG). Wer<br />
den Nutzer nicht, nicht richtig, nicht vollständig<br />
oder nicht rechtzeitig unterrichtet,<br />
begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer<br />
Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet<br />
werden kann. Weitere Infos unter<br />
www.datenschutz.hessen.de<br />
Leichterer Zugang<br />
Unternehmen können EU-Fördergelder<br />
künftig komplett digital beantragen<br />
Beim Thema E-Government kämpfen 86<br />
Prozent der durch das Beratungsunternehmen<br />
Steria Mummert Consulting befragten<br />
Behörden noch immer mit Medienbrüchen.<br />
Fehlende Schnittstellen unterbrechen<br />
automatisierte, durchgängige Prozesse und<br />
sind potenzielle Fehlerquellen. Wenn es um<br />
Gelder aus den europäischen Strukturfonds<br />
geht, erzeugt das Verfahren einen zu großen<br />
Aufwand. So kämpft sich nahezu jeder<br />
Fördermittelempfänger über hohe bürokratische<br />
Hürden, indem er zahlreiche Dokumente<br />
sowie Angaben zur Person in Papierform<br />
einreicht. Die EU will diesen Vorgang<br />
künftig einfacher gestalten und plant<br />
mit Hilfe des Programms E-Cohesion die<br />
schrittweise Umsetzung des Prozesses in einen<br />
komplett digitalen bis 2016. Knackpunkt<br />
bei der Umsetzung war bislang das Beharren<br />
des Gesetzgebers auf der Schriftform. In<br />
Deutschland wurde diese Barriere im Bundesrecht<br />
durch das neue E-Government-<br />
Gesetz beseitigt. Weiter Infos unter<br />
www.steria.com/de<br />
FINANZEN<br />
KOMPAKT<br />
GESCHÄFTSKONTO<br />
Vergleich lohnt sich<br />
In Deutschland sind lediglich Kapitalgesellschaften<br />
die Nutzung von Geschäftskonten<br />
vorgeschrieben, dennoch empfiehlt sich für<br />
Unternehmer die Führung eines solchen<br />
Kontos. Werden Privatkunden von Banken<br />
oft mit kostenlosen Girokonten gelockt, so<br />
kommen auf Geschäftskontoinhaber dagegen<br />
einige Gebühren zu. Daher lohnt sich<br />
ein Vergleich der einzelnen Faktoren:<br />
• Kontoführungsgebühren<br />
In der Regel verlangen Bankinstitute von<br />
Geschäftskontoinhabern eine Kontoführungsgebühr.<br />
Einige Banken reduzieren<br />
diese ab einem gewissen Guthaben.<br />
• Buchungsvorgänge<br />
Zudem fallen bei Geschäftskonten meist<br />
Gebühren bei allen Buchungsvorgängen<br />
an – sowohl mit und ohne Beleg. Diese<br />
können von Institut zu Institut erheblich<br />
variieren. Einige Tarife beinhalten bereits<br />
ein bestimmtes Kontingent an Buchungen,<br />
das in den Kontoführungsgebühren<br />
beinhaltet ist.<br />
• EC-/Kreditkarte<br />
Idealerweise sollte im Firmenkonto bereits<br />
eine EC- und Kreditkarte enthalten<br />
sein. Auch hierfür können zusätzliche<br />
Gebühren erhoben werden.<br />
• Zinsen<br />
In der Regel gewähren Banken Zinsen<br />
auf Kontoguthaben. Diese variieren je<br />
nach Institut und Tarif.<br />
• Bargeld<br />
Durch die Verbundnetze der Banken haben<br />
Kunden heute eine große Auswahl<br />
an Bankautomaten für den Bezug von<br />
Bargeld. Bei Einzahlungen hingegen<br />
können – gerade bei Direktbanken – zusätzliche<br />
Kosten anfallen.<br />
Um hohe Kosten zu vermeiden, sollten Geschäftskunden<br />
die Tarife der verschiedenen<br />
Bankinstitute miteinander vergleichen und<br />
je nach Nutzungsintensität Modellrechnungen<br />
aufstellen. Weitere Infos unter<br />
www.banktip.de<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
56 | W+M Ratgeber<br />
Wirtschaftsliteratur – Empfehlungen der Redaktion<br />
Dirk Müller:<br />
„Showdown: Der Kampf um Europa<br />
und unser Geld“,<br />
Droemer 2013, 272 S., 19,99 Euro.<br />
Daniel Kahnemann/Thorsten Schmidt:<br />
„Schnelles Denken, langsames Denken“,<br />
Siedler 2012, 624 S., 26,99 Euro.<br />
Martin Wehrle:<br />
„Ich arbeite immer noch in einem<br />
Irrenhaus: Neue Geschichten aus<br />
dem Büroalltag“,<br />
Econ 2012, 320 S., 14,99 Euro.<br />
Matthias Weik/Marc Friedrich:<br />
„Der größte Raubzug der Geschichte:<br />
Warum die Fleißigen immer ärmer und<br />
die Reichen immer reicher werden“,<br />
Tectum 2012, 381 S., 19,90 Euro.<br />
Julia Scharnhorst:<br />
„Burnout. Präventionsstrategien und<br />
Handlungsoptionen für Unternehmen“,<br />
Haufe 2012, 279 S., 39,95 Euro.<br />
Catri Tegtmeier/Michael A. Tegtmeier:<br />
„Wie Streß im Beruf krank macht und<br />
wie Sie sich schützen“,<br />
Walhalla 2013, 240 S., 29,00 Euro.<br />
Henryk M. Broder:<br />
„Die letzten Tage Europas. Wie wir eine<br />
gute Idee versenken“,<br />
Albrecht Knaus 2013, 224 S., 19,99 Euro.<br />
Katharina Daniels/Manfred Engeser/<br />
Jens Hollmann:<br />
„Sieg der Silberrücken. Beruflicher<br />
Richtungswechsel in der Lebensmitte.<br />
Zehn Neustarter verraten ihr Erfolgsgeheimnis“,<br />
Linde 2013, 176 S., 19,90 Euro.<br />
Rolf Dobelli:<br />
„Die Kunst des klaren Denkens:<br />
52 Denkfehler, die Sie lieber anderen<br />
überlassen“,<br />
Carl Hanser 2011, 256 S., 14,90 Euro.<br />
Robert Skidelsky/Edward Skidelsky:<br />
„Wie viel ist genug? Vom Wachstumswahn<br />
zu einer Ökonomie des guten<br />
Lebens“,<br />
Kunstmann Antje 2013, 318 S., 19,95 Euro.<br />
Der Weg durch die Steuererklärung ist gar nicht so schwer, wie man<br />
denkt. In diesem Ratgeber steht alles, was Selbstständige und Existenzgründer<br />
für die Steuererklärung wissen müssen – in leicht verständlicher<br />
Sprache ohne Steuerchinesisch. Der Ratgeber informiert mit gut<br />
lesbaren und knappen Texten, vielen praktischen Beispielen, Tipps, Tabellen<br />
und nachvollziehbaren Berechnungen und führt Selbstständige<br />
sicher und lösungsorientiert durch die Steuererklärung. Geeignet ist<br />
dieser Ratgeber vor allem für kleine Unternehmen, Freiberufler und Existenzgründer.<br />
Hans W. Fröhlich: „Steuererklärung 2013/<strong>2014</strong> – Selbstständige, Existenzgründer“,<br />
Stiftung Warentest 2013, 272 S., 16,90 Euro.<br />
Richtig wahrzunehmen, wie andere sich fühlen, ist in nahezu allen beruflichen<br />
und privaten Situationen die Basis für ein gutes Miteinander, eine<br />
harmonische und erfolgreiche Zusammenarbeit sowie für Vertrauen und<br />
Wertschätzung. Nirgends werden Emotionen so deutlich wie im Gesicht.<br />
Wer seine Empathiefähigkeit ausbauen möchten, für den lohnt sich ein<br />
Training im Erkennen und Deuten von Gesichtsausdrücken, insbesondere<br />
von Mikroexpressionen. Letztere zeigen sich nur für den Bruchteil<br />
einer Sekunde und geben Aufschluss über unbewusste oder unterdrückte Emotionen.<br />
So kann man erkennen, wie andere Menschen sich fühlen oder z. B. auch besser sehen,<br />
ob jemand lügt.<br />
Dirk W. Eilert: „Mimikresonanz. Gefühle sehen, Menschen verstehen“,<br />
Junfermann 2013, 232 S., 22,90 Euro.<br />
Der GmbH-Geschäftsführer erhält durch das Buch einen Überblick<br />
über seine Pflichten und Rechte als Organ der GmbH. Es beinhaltet alle<br />
wichtigen rechtlichen Aspekte rund um die Geschäftsführung einer<br />
GmbH, von den Anforderungen an und die Bestellung des Geschäftsführers,<br />
Anstellungsvertrag, Sozialversicherung und Altersvorsorge,<br />
Aufgaben und Pflichten, Abberufung und Beendigung, Haftung und<br />
Haftungsvermeidung bis hin zu strafrechtlicher Verantwortung. Beispiele<br />
und praktische Tipps machen die Ausführungen anschaulich und<br />
erleichtern die Umsetzung. Im Anhang finden sich zudem zahlreiche Muster – vom<br />
Anstellungsvertrag bis zur Geschäftsordnung.<br />
Christian Kühn: „GmbH-Geschäftsführer. Pflichten, Anstellung, Haftung, Haftungsvermeidung,<br />
Abberufung und Kündigung“, dtv 2013, 2. Aufl., 240 S., 16,90 Euro.<br />
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verfügen meistens über wenig<br />
Kapazitäten und sehr enge Ressourcen. Trotzdem müssen sie besonders<br />
innovativ sein – eine Herausforderung, an der viele KMU scheitern.<br />
Das Buch zeigt, speziell auf die Situation von KMU abgestimmt,<br />
wie ganzheitliche Innovationsstrategien entwickelt und umgesetzt werden.<br />
Dabei werden nicht nur Technologien, sondern auch Geschäftsmodelle<br />
überdacht sowie Kernkompetenzen identifiziert. Konkrete Handlungsanweisungen<br />
mit Fallbeispielen, Checklisten und Tipps, aber auch<br />
Hinweisen auf mögliche Hürden und Fallstricke erleichtern den Transfer in die unternehmerische<br />
Praxis.<br />
Oliver Gassmann/Peter Granig: „Innovationsmanagement. 12 Erfolgsstrategien<br />
für KMU“, Carl Hanser 2013, 198 S., 29,90 Euro.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Kultur | 57<br />
Senk ju vor treffeling<br />
Englisch is janz light, behauptet<br />
Ernst Röhl, you can learn it in nullkommanothing<br />
R<br />
Ernst Röhl<br />
udolf Wijbrand Kesselaar aus Alkmaar<br />
galt unter dem Künstlernamen Rudi<br />
Carrell seinerzeit als berühmtester Fernseh-Entertainer<br />
Deutschlands. „Als ich aus<br />
Holland kam“, sagte er, „beherrschte ich nur<br />
eine einzige Fremdsprache: Englisch. Doch<br />
weil sich das Deutsche im Laufe der Zeit so<br />
viele englische Wörter einverleibte, spreche<br />
ich mittlerweile fließend deutsch.“<br />
Dieser Trend setzt sich ungebrochen fort.<br />
In Berlin weigern sich die Nutten, auf den<br />
Strich zu gehen, sie gehen lieber professionally<br />
online. Der bayerische Turnerbund<br />
anglisierte den Volkssport Tauziehen zu<br />
Ropeskipping, und wer auf Parties nicht<br />
als oldfashioned gelten will, verwendet<br />
Lifestyle-Vokabeln am laufenden Band:<br />
the briefing – die Postzustellung, the laptop<br />
– der Topplappen, the job – die Joppe,<br />
the dog – der Doktor, the patchwork<br />
– die Fliegenklatsche, the striptease-table<br />
– der Ausziehtisch. Oder coffee to go –<br />
Kaffee zum Davonlaufen. Ein monumentales<br />
Gebäude in der Mitte Berlins heißt Upper<br />
East Side, eine Bockwurschtbude in der<br />
Nähe des einstigen Grenzübergangs Snack<br />
Point Scharlie und ein Lokal in Reichstagsnähe<br />
Oval Office Snack, offenbar ein Versuch<br />
der Inhaber, sich dem Weißen Haus<br />
in Washington sprachlich anzuschmiegen.<br />
Die Deutsche Telekom lehnt es ab, die Sprache<br />
ihrer deutschen Kunden zu sprechen.<br />
Sie deckt uns ein mit Call by Call von Town<br />
to Town, mit Sunshine- und Moonshine-<br />
Tarifen, mit Flatrate, Hotline und Global<br />
Call zum Weekend-Tarif. Um rauszukriegen,<br />
was dies alles bedeutet, müsste<br />
der Kunde schon die Auskunft bemühen,<br />
doch ist es unwahrscheinlich, dass<br />
bei der Deutschen Telekom noch irgendeiner<br />
deutsch versteht. Nur der liebe Gott<br />
kann helfen, und er ist auch dazu bereit.<br />
„Rufe mich an in der Not“, spricht der HERR.<br />
Die Bereitschaft, gegen das denglische<br />
Kauderwelsch etwas zu unternehmen, war<br />
in der Bildungsrepublik Deutschland lange<br />
Zeit nur schwach entwickelt. Vor kurzem<br />
aber ging in Ermangelung größerer Projekte<br />
ausgerechnet das Bundesverkehrsministerium<br />
in die Offensive. Schwungvoll<br />
wurde das Travel Management in Reisestelle<br />
rückübersetzt, der Team Manager<br />
wurde wieder zum Zugführer, die DB-<br />
Lounge zum Wartesaal und der McClean<br />
Point zum Bahnhofsklo. Und damit kein<br />
Fahrgast argwöhnt, die Bahn-Mitarbeiter<br />
beherrschten keine Fremdsprachen, verabschieden<br />
sich die ICE-Schaffner weltmännisch<br />
von ihren Passagieren: „Senk ju vor<br />
treffeling wiss Deutsche Bahn!“<br />
Mit dem guten, alten Deutsch ist bis auf weiteres<br />
kein Blumentopf zu gewinnen. English<br />
is in, Deutsch ist out. Im Management deutscher<br />
Global Player ist das Englische schon<br />
seit Jahren Pflicht. Die Firmenbereiche<br />
beim Sportartikelhersteller adidas in Herzogenaurach<br />
beispielsweise haben allesamt<br />
klangvolle Namen: Supply Chain Management,<br />
Product Creation, Finance & Controlling,<br />
Human Resources and so on. Merke:<br />
Schlechtet Englisch is’ det beste Deutsch.<br />
Psychologie – eine Nachhilfe der besonderen Art<br />
Psychopathen gelten landläufig als<br />
schwer gestörte Menschen. Zur Einschätzung<br />
von solchen Persönlichkeiten<br />
wird die Psychopathy Checklist, kurz<br />
PCL, eingesetzt. Wer mehr als 75 Prozent<br />
der Merkmale erfüllt, gilt als Psychopath. Es<br />
ist nicht überraschend, dass sich die größte<br />
Dichte an Psychopathen in den Hochsicherheitstrakten<br />
findet. Aber nicht nur Kriminelle,<br />
sondern sehr viele „normale“ Menschen<br />
haben das eine oder andere Merkmal von<br />
dieser Liste. Und einige wirken keineswegs<br />
zerstörerisch, sondern dienen der Gesellschaft,<br />
indem sie besondere Aufgaben besonders<br />
gut erfüllen.<br />
Nach Ansicht von Kevin Dutton kann man<br />
sich also sehr wohl fragen, was man von Menschen<br />
lernen kann, die solche Eigenschaften<br />
besitzen und sie nicht zerstörerisch, sondern<br />
konstruktiv einsetzen. Dazu muss man sich<br />
mit ihm in eine psychologische Achterbahn<br />
begeben und eintauchen in eine eigene<br />
Welt, die bevölkert ist von Verbrechern, Helden,<br />
Bankern, Anwälten und Filmstars. Die<br />
neuesten Erkenntnisse der Forschung sind<br />
eingebettet in eine Fülle von Fallbeispielen,<br />
Anekdoten und Begegnungen, die Kevin<br />
Dutton bei der Arbeit an „Psychopathen“<br />
erlebt hat.<br />
Kevin Dutton:<br />
„Psychopathen.<br />
Was man von Heiligen,<br />
Anwälten und Serienmördern<br />
lernen kann“,<br />
dtv 2013, 5. Auflage,<br />
320 Seiten, 14,90 Euro.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
58 | W+M Ratgeber<br />
Klassik in Schlössern, Kirchen und<br />
Werfthallen<br />
Es sind die ungewöhnlichen und verwunschenen<br />
Konzertorte, die den Reiz<br />
der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern<br />
ausmachen und die selbst große<br />
internationale Orchester, Musiker und Künstler<br />
in die Provinz locken. Beispielsweise in<br />
eine ehemalige Rostocker Werfthalle, die heute<br />
rostigen Charme besitzt. „A GREAT HALL“<br />
schrieb der 2013 verstorbene Dirigent Sir Colin<br />
Davis nach seinem Festspiele-Konzert 2007 mit<br />
großen Lettern ins Gästebuch. Einer, der alle<br />
großen Konzertsäle der Welt gesehen hat. Auf<br />
der Werft-Bühne standen Nigel Kennedy (Violine),<br />
Till Brönner (Trompete), Hélene Grimaud<br />
(Piano) und Armin Mueller-Stahl (Schauspieler)<br />
und begeisterten ihre Fans.<br />
Und wer kannte vor 20 Jahren den Ort Ulrichshusen<br />
in der Nähe von Waren-Müritz? Helmuth<br />
Freiherr von Maltzahn und seine Familie erweckten<br />
ihn 1993 aus dem Schlaf und bauten<br />
die alte Wasserburg samt Feldsteinscheune mit<br />
viel Engagement aus. Die große Scheune wurde<br />
1994 mit einem Konzert von Lord Yehudi Menuhin<br />
eingeweiht und ist heute eine der größten<br />
Konzertsäle des Nordens. Künstler aus aller<br />
Welt kommen regelmäßig nach Ulrichshusen<br />
und sind begeistert: von der großartigen<br />
Akustik und von der einzigartigen Atmosphäre<br />
des Ortes zwischen Hügeln, Feldern und Seen<br />
– mitten in der Mecklenburgischen Schweiz.<br />
Das Klassikfestival in Mecklenburg-Vorpommern<br />
gilt in Deutschland als drittgrößtes seiner<br />
Art, nach dem Schleswig-Holstein Musik-<br />
Festival und dem Rheingau Musik-Festival. In<br />
den neuen Bundesländern sind die Festspiele<br />
nahezu einzigartig – vor allem durch die<br />
Vielzahl der Angebote und das große Spektrum<br />
von Sinfonie-Konzerten, Kammermusik<br />
bis hin zum musikalischen Wandertheater mit<br />
Pantomime, Tanz und Akrobatik. Es gibt keine<br />
Einschränkung auf Komponisten, Themen<br />
oder Orte – wie sie die Bach- oder Mozartfeste<br />
im sächsischen oder thüringischen Raum<br />
Open-Air-Konzert vor Schloss Bothmer mit Justus Frantz und seinem Orchester<br />
„Philharmonie der Nationen“ im Sommer 2013.<br />
Die 25. Festspiele Mecklenburg-Vorpommern präsentieren vom<br />
20. Juni bis 21. September <strong>2014</strong> rund 125 Konzerte mit großen<br />
Klassikstars und jungen Nachwuchskünstlern. Erstmalig werden<br />
die Berliner Philharmoniker und Sir Simon Rattle auftreten. Die<br />
Festspiele sind die „schönste Marke“ des Landes.<br />
Von Anette Pröber<br />
oder viele andere Musikfestspiele in Potsdam<br />
und Berlin schon im Namen tragen. Noch am<br />
ehesten vergleichbar sind die Festspiele des<br />
Nordostens mit den Brandenburgischen Sommerkonzerten.<br />
Allerdings zählen diese ca. 30<br />
Konzerte und 20.000 Besucher. Die Festspiele<br />
Mecklenburg-Vorpommern können jeden<br />
Sommer auf 110 bis 130 Konzerte und rund<br />
70.000 Besucher verweisen. Musiker aus der<br />
ganzen Welt sind zum Fest geladen, das den<br />
Spagat zwischen großen Namen und Orchestern<br />
und noch unbekannten jungen Talenten<br />
wagt. Denn in der Reihe „Junge Elite“ ringt<br />
der Nachwuchs um begehrte Preise. Künstler<br />
wie Julia Fischer (Violine), Daniel Hope (Violine)<br />
und Daniel Müller Schott (Cello) gehörten<br />
zu den ersten Preisträgern. Heute füllen<br />
sie weltweit die Konzertsäle.<br />
Die ländliche Idylle in Mecklenburg-Vorpommern<br />
haben aber auch schon die Wiener Philharmoniker,<br />
die Academy of St. Martin in the<br />
Fields, das Australian Youth Orchestra, der<br />
Thomanerchor oder Weltstars wie Anne-Sophie<br />
Mutter (Violine), Christoph Eschenbach<br />
(Pianist und Dirigent), Joshua Bell (Violine),<br />
Sol Gabetta (Cello) und Rudolf Buchbinder<br />
(Pianist) genossen. Außerdem lud der USamerikanische<br />
Geiger Daniel Hope, die letzten<br />
Jahre Künstlerischer Direktor der Festspiele,<br />
erfolgreich viele amerikanische Kollegen ein.<br />
Und weil sich die „sehr familiäre Atmosphäre<br />
zwischen Künstlern aus aller Welt“ herumgesprochen<br />
hatte, kamen die „Friends“ zahlreich.<br />
Die Landespolitik zeigt sich begeistert von der<br />
Weltoffenheit und den hochkarätigen Veranstaltungen.<br />
Ministerpräsident Erwin Sellering<br />
(SPD) betont als Schirmherr gern, dass die<br />
Festspiele zu den schönsten „Marken“ des Landes<br />
zählen. Über die Hälfte der jährlich rund<br />
70.000 Konzertbesucher sind in anderen Bun-<br />
Fotos: Anette Pröber, Bernd Schwarz/pixelio.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Kultur | 59<br />
Schloss Ulrichshusen in der Mecklenburger Schweiz wurde<br />
zum zentralen Festspiele-Ort.<br />
desländern zu Hause. Finanziert werden die<br />
Festspiele im Übrigen zu über 90 Prozent durch<br />
private Sponsoren und Eintrittsgelder.<br />
Bei dem Erfolg verwundert es nicht, dass das<br />
Klassikfestival inzwischen durch das ganze<br />
Jahr klingt. So beginnen die Festspiele mit<br />
den Neujahrskonzerten in Ulrichshusen (4.<br />
und 5. Januar) und dem Festspielfrühling auf<br />
Rügen (14. bis 23. März <strong>2014</strong> mit Fokus Russland)<br />
und reichen über das umfangreiche Sommerprogramm<br />
bis hin zu<br />
den jährlichen Adventskonzerten<br />
im Schloss Ulrichshusen<br />
und im Gutshaus<br />
Stolpe (bei An klam).<br />
Ehemalige<br />
Rostocker Werfthalle<br />
besitzt tolle Akustik<br />
für Klassikkonzerte.<br />
Das 25. Jahr der Festspiele<br />
<strong>2014</strong> beginnt mit einem neuen<br />
Intendanten. Der erfolgreiche<br />
Gründervater Dr. Matthias<br />
von Hülsen übergibt<br />
den Staffelstab an Dr. Markus<br />
Fein. Dieser will die Erfolgsgeschichte<br />
fortschreiben und<br />
durch eigene Akzente ergänzen.<br />
Konzertliebhaber dürfen<br />
sich beispielsweise erstmals<br />
auf ein dreitägiges Streichquartett-Festival<br />
freuen, das<br />
auch Künstlergespräche,<br />
Hörexperimente und offenen<br />
Unterricht mit jungen Musikern<br />
beinhaltet. Oder auf die<br />
neuen Formate „Pavillons der<br />
Jahrhunderte“, die sich <strong>2014</strong><br />
der Romantik und der Wiener<br />
Klassik widmen und das kulturgeschichtliche<br />
Panorama<br />
der jeweiligen Epoche von der<br />
Bildenden Kunst über die Literatur<br />
bis zur Musik erlebbar<br />
machen. „Der Brückenschlag<br />
zu den anderen Künsten kann<br />
den Zuhörern ganz neue Perspektiven<br />
und ein noch tieferes Verständnis<br />
der Musik ermöglichen“, sagt Intendant Fein.<br />
Mit dem Preisträger in Residence, der das Konzertprogramm<br />
mitgestalten wird, gibt es eine<br />
bewährte Konstante. Diesmal wird der 26-jährige<br />
Pianist Igor Levit in rund 20 Konzerten zu<br />
erleben sein. Der von der Fachwelt hochgelobte<br />
Künstler aus Nischni Nowgorod sorgte zuletzt<br />
mit Beethoven-Sonaten für Furore. Er war<br />
2004 erstmals Gast der Festspiele, errang 2012<br />
den Solistenpreis und kann nun seine gesamte<br />
künstlerische Breite offerieren. Und als besonderes<br />
Erlebnis gilt ohne Frage in diesem Sommer<br />
das Picknick-Klassik-Sinfoniekonzert mit<br />
den Berliner Philharmonikern und Sir Simon<br />
Rattle an der Spitze.<br />
W+M<br />
AUSGESUCHTE<br />
KLASSIK-MUSIKFESTIVALS<br />
Festspiele Mecklenburg-Vorpommern<br />
20. Juni bis 21. September <strong>2014</strong><br />
Konzertkarten telefonisch unter 0385<br />
5918585 oder www.festspiele-mv.de.<br />
Brandenburgische Sommerkonzerte<br />
Mitte Juni bis Mitte September <strong>2014</strong><br />
Das Programm ist ab dem Frühjahr abrufbar<br />
unter www.brandenburgische-sommerkonzerte.de.<br />
Thüringer Bachwochen<br />
8. März bis 16. August <strong>2014</strong><br />
Die Thüringer Bachwochen sind das größte<br />
Musikfestival Thüringens. Mit seiner<br />
Spezialisierung auf Barockmusik und die<br />
Aufführung der Werke Johann Sebastian<br />
Bachs an den authentischen Bachstätten<br />
verfügt das Festival über große Anziehungskraft.<br />
www.thueringer-bachwochen.de<br />
Usedomer Musikfestival<br />
20. September bis 11. Oktober <strong>2014</strong><br />
In diesem Jahr wird es vorrangig deutschpolnische<br />
Musikbegegnungen geben.<br />
www.usedomer-musikfestival.de<br />
Musikfestspiele Potsdam<br />
13. bis 29. Juni <strong>2014</strong><br />
Die Musikfestspiele feiern <strong>2014</strong> ihr 60. Jubiläum<br />
und wollen ihre Gäste mit mehr als<br />
60 Konzerten, Opern, Open Airs und dem<br />
Fahrradkonzert verzaubern. Karten telefonisch<br />
unter 0331 2888828.<br />
www.musikfestspiele-potsdam.de<br />
Musikfestspiele Dresden<br />
23. Mai bis 10. Juni <strong>2014</strong><br />
Seit über 30 Jahren reisen namhafte Orchester,<br />
gefeierte Solisten und Ensembles<br />
für drei Festivalwochen nach Dresden,<br />
um die Stadt mit Musik zu erfüllen. Karten<br />
telefonisch unter 0351 65606700.<br />
www.musikfestspiele.com<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
60 | W+M Netzwerk<br />
Seit Juni 2013 ist die tausende<br />
Jahre alte Himmelsscheibe von<br />
Nebra UNESCO-Dokumentenerbe.<br />
Mitglieder des VBIW erkundeten vor<br />
Ort im Rahmen des Projekts „Technik<br />
im Urlaub“ die Bronzescheibe und<br />
erhielten spannende Einblicke in die<br />
Erkenntnisse der damaligen Zeit.<br />
Die Himmelsscheibe von Nebra – Blick zum Westhorizont (gedreht und bearbeitet).<br />
Die Himmelsscheibe von Nebra<br />
Von Rudolf Miethig<br />
Nebra. Das Original der Himmelsscheibe von Nebra<br />
wird im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle<br />
(Saale) verwahrt. In Nebra (Unstruttal), wo die<br />
Himmelsscheibe einst gefunden wurde, sind im extra<br />
errichteten Ausstellungskomplex „Arche Nebra“<br />
Nachbildungen der Himmelscheibe ausgestellt. Die<br />
Mitglieder des VBIW informierten sich vor Ort in der<br />
Arche Nebra über das auf ihr verschlüsselte Wissen<br />
und begeisterten sich an der Schönheit der Scheibe.<br />
Für sie ist die Himmelsscheibe von Nebra in mehrfacher<br />
Hinsicht interessant – als Objekt der Schmiedekunst,<br />
als Beweis weitreichender astronomischer<br />
Kenntnisse der Menschen in der Bronzezeit, als bäuerlicher<br />
Kalender und als Schaltkalender.<br />
Es handelt sich dabei um eine 3.600 Jahre alte Bronzescheibe<br />
von 32 cm Durchmesser mit Applikationen<br />
aus Gold. Die Scheibe war aus einer gegossenen<br />
Bronzeplatte getrieben worden und musste dabei wiederholt erhitzt<br />
werden, um Spannungsrisse zu vermeiden.<br />
Die Forscher haben inzwischen drei Phasen der Entstehung der Himmelsscheibe<br />
identifiziert. In der ersten Phase waren nur Vollmond, Neumond<br />
und das Siebengestirn der Plejaden dargestellt. Weitere 25 Sterne<br />
ordnen sie keinem konkreten Sternbild zu. Harald Meller, Landesarchäologe<br />
von Sachsen-Anhalt, und Prof. Dr. Wolfhard Schlosser von<br />
der Ruhr-Universität Bochum fanden heraus, warum ausgerechnet<br />
die Plejaden ausgewählt worden sind. Denn Mond und Plejaden stehen<br />
für zwei Termine, den 10. März und den 17. Oktober, also für Beginn<br />
und Ende des bäuerlichen Jahres. Dabei wird am 10. März in<br />
Plejadennähe der Mond als Neumond und am 17. Oktober als Vollmond<br />
sichtbar. Damit könnte die Himmelsscheibe als Erinnerung für die Vorbereitung<br />
des Ackers und dem Abschluss der Ernte gedient haben.<br />
Der Astronom Rahlf Hansen vom Planetarium Hamburg interpretiert<br />
diese erste Phase der Himmelsscheibe noch weitgehender. Er sieht darin<br />
den Versuch einer Harmonisierung des Mondjahres (354 Tage) mit<br />
dem Sonnenjahr (365 Tage). Für Naturvölker begann stets bei Neulicht<br />
ein neuer Monat. Weil das Mondjahr elf Tage kürzer als das Sonnenjahr<br />
ist, musste ein Schaltmonat eingelegt werden, wenn eine dicke Mondsichel<br />
bei den Plejaden stand. Dieser Umstand geschieht ungefähr alle<br />
drei Jahre und ist auf der Scheibe von Nebra dargestellt.<br />
In einer zweiten Phase wurden der Himmelsscheibe zwei Horizontbögen<br />
hinzugefügt. Sie überstreichen jeweils einen Winkel von 82 Grad. Peilt man<br />
über den rechten Bogen nach Westen, geht die Sonne um den 21.12. am<br />
linken Ende des Bogens und um den 21.06. am rechten Ende des Bogens<br />
unter.<br />
In einer letzten und dritten Phase wurde ein weiterer goldener Bogen<br />
hinzugefügt, der u. a. als Sonnenbarke gedeutet werden kann, wie<br />
man sie aus ägyptischen Abbildungen kennt. Ihm wird keine kalendarische<br />
Bedeutung zugeordnet. Die Löcher am Rand der Scheibe dienten<br />
vermutlich zu ihrer Befestigung auf einer Unterlage und ihrer Verwendung<br />
für kultische Zwecke.<br />
Die Himmelsscheibe von Nebra ist die älteste bekannte Darstellung des<br />
Kosmos, daher wurde sie im Juni 2013 in das UNESCO-Dokumentenerbe<br />
„Memory of the World“ aufgenommen.<br />
Fotos: Dbachmann/Creative Commons, Wikimedia Commons, Bernd Geller (VBIW)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
VBIW | 61<br />
Goethe als Förderer der<br />
Naturwissenschaften<br />
Rheinsberg. Auf Einladung des VBIW-Regionalvereins Nordwestbrandenburg<br />
hielt der Chemiker Prof. Dietmar Linke einen ansprechenden<br />
Vortrag zum Thema „Goethe als Anreger für Naturforscher<br />
und Techniker“.<br />
Als Staatsminister bemühte sich Goethe, anderswo gefundene wissenschaftlich-technische<br />
Lösungen auch für das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach<br />
nutzbar zu machen, beispielsweise bei der Gewinnung<br />
von Rübenzucker und Stärkesirup. Er beschäftigte sich<br />
darüber hinaus mit der Stahlverbesserung durch das Schmelzen<br />
von Eisen mit Braunstein und Kienruß sowie mit der Gasbeleuchtung,<br />
Feuer- und Glutversuchen zur synthetischen Nachbildung<br />
von Steinen und Glasschmelzversuchen zur Verbesserung der optischen<br />
Eigenschaften.<br />
Besonders erfolgreich erwiesen<br />
sich seine Anregungen<br />
an andere Forscher, so<br />
an den später in Oranienburg<br />
als Entdecker des Anilins<br />
berühmt gewordenen<br />
Friedlieb Ferdinand Runge.<br />
Dieser promovierte in Jena<br />
und so bot sich die Gelegenheit,<br />
Goethe die Pupillenerweiterung<br />
eines lebendigen<br />
Katzenauges unter Einwirkung<br />
des aus der Tollkirsche<br />
stammenden Atropins<br />
vorzuführen. Goethe erahnte<br />
die Bedeutung der Chemie<br />
in der Botanik und übergab<br />
Runge eine Schachtel mit<br />
Kaffeebohnen. Kurz darauf<br />
konnte Runge aus ihnen das<br />
Johann Wolfgang von Goethe<br />
(Gemälde von Joseph Karl<br />
Stieler).<br />
Coffein isolieren. Vom Chemiker H. W. F. Wackenroder wünschte sich<br />
Goethe, „die chemischen Pflanzenfarben isoliert zu sehen“. Der entnahm<br />
daraufhin das Carotin aus Möhren. Große Unterstützung durch<br />
Goethe erfuhr auch der Erfinder des gleichnamigen Feuerzeugs J. W.<br />
Döbereiner. Er beauftragte Döbereiner, das in Dornburg/Saale anstehende<br />
Coelestin (Strontiumsulfat SrSO4) zu analysieren. Das Ergebnis<br />
brachte Dobereiner auf die nach ihm benannte Döbereinersche<br />
Triade (Calcium–Strontium–Barium), ein erster Schritt zum späteren<br />
Periodensystem der Elemente.<br />
Prof. Linke verdeutlichte in seinem Vortrag die Rolle Goethes in der<br />
Chemie. Zwar hatte dieser keine eigenen Entdeckungen gemacht,<br />
gab aber Anregungen an Forscher, man könnte es Forschungsaufträge<br />
nennen, die sich als fruchtbar erwiesen.<br />
Dr. Norbert Mertzsch<br />
Besuch der neuen Papierfabrik<br />
Eisenhüttenstadt. Der VBIW-Ortsverein Eisenhüttenstadt besichtigte<br />
die neue, seit 2010 produzierende Papierfabrik am Oder-Spree-<br />
Kanal. Sie gehört der Progroup AG aus Rheinland-Pfalz, welche hier<br />
die größte und schnellste Anlage für Wellpappen-Rohpapier weltweit<br />
betreibt. Als Rohstoff wird Altpapier verarbeitet.<br />
Die neue Papierfabrik in Eisenhüttenstadt.<br />
Zur Standortwahl trugen offenbar auch die Möglichkeiten der Wasser-<br />
und Abwasserversorgung, der Energieversorgung, die neue das<br />
Stadtzentrum umgehende Straßenanbindung an die B112 und die<br />
Bereitstellung von 30 Wohnungen durch die Stadt bei, vermutet der<br />
Ortsverein. Er freut sich, dass der regionale Wachstumskern Eisenhüttenstadt-Frankfurt/Oder<br />
ein weiteres Standbein erhalten hat.<br />
In der Fabrik arbeiten 145 Beschäftigte. Da rüber hinaus wurden in<br />
den Branchen Wasseraufbereitung und -klärung, Energieversorgung,<br />
etc. etwa 500 Arbeitsplätze in ihrem Umfeld geschaffen.<br />
VBIW – Verein Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />
Landesgeschäftsstelle:<br />
Fürstenwalder Straße 46<br />
15234 Frankfurt (Oder)<br />
Tel.: 0335 8692151<br />
E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />
Internet: www.vbiw-ev.de<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
62 | W+M Netzwerk<br />
UV Rostock/Schwerin/Vorpommern<br />
Termine<br />
UV Berlin<br />
25.02.<strong>2014</strong>: 18:30 Uhr UV-Unternehmerstammtisch<br />
„Der Snowden-Effekt – Wie<br />
sicher sind die elektronischen Netze<br />
kleiner und mittlerer Unternehmen?”,<br />
Holiday Inn Berlin City East, Landsberger<br />
Allee 203, 13055 Berlin<br />
1. UV-Branchentag Metall/Elektro<br />
Beim ersten Branchentreffen für Unternehmen der Bereiche Metall/Elektro,<br />
organisiert von den drei größten regionalen Unternehmerverbänden Mecklenburg-<br />
Vorpommerns, wurde nach gemeinsamen Ideen und Möglichkeiten gesucht.<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
13.02.<strong>2014</strong>: 18:00 Uhr „Herausforderung<br />
Burnout – Streß bei Angestellten und<br />
Familienmitgliedern“, Krankenhaus<br />
Strausberg, Prötzeler Chaussee 5,<br />
15344 Strausberg<br />
Dr. Stefan Rudolph, Staatssekretär im Ministerium<br />
für Wirtschaft, Bau und Tourismus,<br />
überbrachte nicht nur die Grüße des Wirtschaftsministeriums,<br />
sondern damit verbunden<br />
auch die Wertschätzung der Landesregierung<br />
für diesen wichtigen Wirtschaftszweig.<br />
Zwar ist die Metall- und Elektroindustrie<br />
in Mecklenburg-Vorpommern<br />
nicht stark ausgeprägt, dennoch schafft<br />
diese Branche dort 34.000 sozialversicherungspflichtige<br />
Arbeitsplätze. Im Mittelpunkt<br />
der Branchenkonferenz standen so<br />
auch die Klein- und mittelständischen Unternehmer<br />
des Landes. Für diese gab es in<br />
Vorträgen und zwei Workshops Tipps und<br />
Vorschläge zur Energieeffizienz und neue<br />
Informationen über Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten.<br />
25.02.<strong>2014</strong>: 18:00 Uhr „Gesundheitsmanagement<br />
– Das Kreuz mit dem Kreuz,<br />
Regionalgeschäftsstelle Oderland-Spree<br />
18.03.<strong>2014</strong>: „Zusammenarbeit Kommune<br />
und Wirtschaft“, Rathaus Fürstenwalde/Spree,<br />
Am Markt 4-6, 15517 Fürstenwalde/Spree<br />
UV Sachsen<br />
21.03.<strong>2014</strong>: 9:00 Uhr Technologie-Tag<br />
Teltow, Pentahotel Teltow, Warthestraße<br />
20, 14513 Teltow<br />
Neue Kooperation<br />
Die UV Sachsen Projektentwicklungs- und<br />
Verwaltungsgesellschaft mbH, vertreten<br />
durch Geschäftsführer Rüdiger Lorch,<br />
und ARBEIT UND LEBEN Sachsen e. V.,<br />
vertreten durch Geschäftsführer Frank<br />
Schott, haben eine Kooperationsvereinbarung<br />
zur künftigen Zusammenarbeit<br />
unterzeichnet.<br />
Im Zuge der derzeitigen Entwicklung am<br />
Arbeitsmarkt und der damit einhergehenden<br />
Anforderungen an die Beschäftigten positionieren<br />
sich die UV Sachsen GmbH sowie<br />
ARBEIT UND LEBEN Sachsen e. V. zu neuen<br />
Formen der Zusammenarbeit. Dabei bringt<br />
die UV Sachsen GmbH ihr Know-how als<br />
unternehmenszentriert wirkender Dienstleister<br />
und Partner des Unternehmerverbandes<br />
Sachsen ein, während ARBEIT UND LEBEN<br />
Sachsen seine Kompetenz bei der Beantragung,<br />
Durchführung und Abrechnung von<br />
Bildungsprojekten beisteuert.<br />
UV Rostock-Mittleres<br />
Mecklenburg<br />
05.02.<strong>2014</strong>: Neumitgliedertreffen,<br />
Steigenberger Hotel Sonne,<br />
Neuer Markt 2, 18055 Rostock<br />
20.02.<strong>2014</strong>: Führungskräfteseminar<br />
Team player-Workshop<br />
Veränderungen von Themen, Terminen<br />
und Veranstaltungsorten können nicht<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Fotos: UV Sachsen, UV Schwerin<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
Unternehmerverbände | 63<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
Hilfe für die Philippinen<br />
Mitglieder des Unternehmerverbands<br />
spenden für das vom Wirbelsturm verwüstete<br />
Land.<br />
UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />
Mutmachervideo für Schüler<br />
Dem Arbeitskreis Schule–Wirtschaft des<br />
Unternehmerverbands Rostock-Mittleres<br />
Mecklenburg liegt viel daran, Jugendlichen<br />
aufzuzeigen, dass es auch in Mecklenburg-<br />
Vorpommern gute berufliche Chancen gibt.<br />
Gemeinsam mit TV Rostock haben deshalb<br />
engagierte Rostocker Unternehmen<br />
Die Mitgliedsunternehmen des Unternehmerverbands<br />
Brandenburg-Berlin setzen<br />
sich für die von dem verheerenden Wirbelsturm<br />
betroffenen Philippiner ein. „Einige<br />
Unternehmer haben von sich aus im<br />
Gespräch mit mir das Thema angeschnitten.<br />
Es berührt die Menschen sehr“, sagt<br />
Geschäftsführer Steffen Heller. Daher empfiehlt<br />
der Verband die gemeinsame Sammlung<br />
vom Deutschen Roten Kreuz und der<br />
Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ)<br />
zu unterstützen, für die Manfred Stolpe die<br />
Schirmherrschaft übernommen hat. Wenn<br />
auch Sie helfen möchten, so überweisen Sie<br />
Ihre Spende auf das Hilfskonto des Deutschen<br />
Roten Kreuzes, Kontonummer 41 41<br />
41, BLZ 370 205 00, Bank für Sozialwirtschaft,<br />
Stichwort „Wirbelsturm“.<br />
und der Unternehmerverband auf eigene<br />
Kosten und ohne Fördermittel einen Film<br />
produziert, der den Schulen für die Berufsorientierung<br />
kostenfrei als Unterrichtsmaterial<br />
zur Verfügung gestellt wird. Unter dem<br />
Titel „Bleib bei uns und mach was draus!“<br />
verfolgt der Film das Ziel, Mädchen und<br />
jungen Frauen Mut zu machen, sich etwas<br />
zuzutrauen.<br />
Einladung<br />
zum Ostsee-Kongress<br />
Wer in den vergangenen Jahren schon<br />
dabei war, wird sich den 10. Ostsee-Kongress<br />
sicherlich auch nicht entgehen lassen.<br />
Der Ostsee-Kongress hat sich in Rostock<br />
als Anlaufpunkt für Wissenshungrige<br />
und Erfolgsinteressierte etabliert und auch<br />
als Begegnungsplattform für Fach- und Führungskräfte<br />
sowie Selbstständige in der<br />
Region Nord. Zum nunmehr zehnten Mal findet<br />
der Ostsee-Kongress am 4. April <strong>2014</strong> in<br />
der Stadthalle Rostock statt. Experten aus<br />
den Bereichen Persönlichkeit & Erfolg,<br />
Management & Führung und Marketing &<br />
Verkauf sorgen für kompetenten Wissenstransfer<br />
und fesselnde Unterhaltung. Ab<br />
sofort können vergünstigte Karten über den<br />
Unternehmerverband erworben werden.<br />
GESCHÄFTSSTELLEN<br />
Unternehmerverband Berlin e. V.<br />
Präsident: Armin Pempe<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: Andreas Jonderko<br />
Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />
Tel.: +49 30 9818500<br />
Fax: +49 30 9827239<br />
E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />
Internet: www.uv-berlin.de<br />
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />
Präsident: Eberhard Walter<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführer: Steffen Heller<br />
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />
Tel.: +49 355 22658<br />
Fax: +49 355 22659<br />
E-Mail: cottbus@uv-brandenburg-berlin.de<br />
Internet: www.uv-brandenburg-berlin.de<br />
Bezirksgeschäftsstelle Potsdam<br />
Hegelallee 35, 14467 Potsdam<br />
Tel.: +49 331 810306<br />
Fax: +49 331 8170835<br />
E-Mail: potsdam@uv-brandenburg-berlin.de<br />
Repräsentanz Frankfurt Oder:<br />
Repräsentant: Detlef Rennspieß<br />
Perleberger Straße 2, 15234 Frankfurt Oder<br />
Tel.: +49 335 4007458<br />
Fax: +49 335 4007457<br />
E-Mail: detlef.rennspiess@signal-iduna.net<br />
Unternehmerverband Norddeutschland<br />
Mecklenburg-Schwerin e. V.<br />
Präsident: Rolf Paukstat<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />
Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin<br />
Tel.: +49 385 569333<br />
Fax: +49 385 568501<br />
E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />
Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Rostock-Mittleres Mecklenburg e. V.<br />
Präsident: Frank Haacker<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />
Wilhelm-Külz-Platz 4, 18055 Rostock<br />
Tel.: +49 381 242580<br />
Fax: +49 381 2425818<br />
E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />
Internet: www.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />
Präsident: Hartmut Bunsen<br />
Geschäftsführer: Lars Schaller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />
Tel.: +49 341 52625844<br />
Fax: +49 341 52625833<br />
E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />
Internet: www.uv-sachsen.de<br />
Geschäftsstelle Chemnitz<br />
Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />
Tel.: +49 371 49512912<br />
Fax: +49 371 49512916<br />
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Dresden<br />
Repräsentant: Klaus-Dieter Lindeck<br />
Semperstraße 2b, 01069 Dresden<br />
Tel.: +49 351 8996467<br />
Fax: +49 351 8996749<br />
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Präsident: Jürgen Sperlich<br />
Geschäftsstelle Halle/Saale<br />
Berliner Straße 130, 06258 Schkopau<br />
Tel.: +49 345 78230924<br />
Fax: +49 345 7823467<br />
Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />
Präsident: Peter Baum<br />
c/o IHK Erfurt – Abteilung Standortpolitik<br />
Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />
Tel.: +49 361 4930811, Fax: +49 361 4930826<br />
E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />
Internet: www.uv-thueringen.de<br />
Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />
Präsident: Gerold Jürgens<br />
Geschäftsstelle<br />
Geschäftsstellenleiter: Steffen Hellmuth<br />
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />
Tel.: +49 3834 835823, Fax: +49 3834 835825<br />
E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />
Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
64 | W+M Rückblick<br />
Was macht eigentlich Manfred Stolpe, langjähriger Ministerpräsident<br />
Brandenburgs und ehemaliger Bundesverkehrsminister?<br />
Der Mutmacher aus Potsdam<br />
Erholung vom Ministerpräsidenten-Alltag: Manfred und Ingrid Stolpe im Urlaub im österreichischen Seefeld im März 1996.<br />
Manfred Stolpe hat das Bundesland Brandenburg<br />
geprägt wie kein anderer Politiker<br />
in den 24 Jahren seit der deutschen Wiedervereinigung.<br />
Der im Jahr 1936 in Stettin<br />
geborene Stolpe übernahm am 1. November<br />
1990 das Amt des Ministerpräsidenten in dem<br />
damals neu gebildeten Bundesland. Knapp<br />
zwölf Jahre fungierte er als Landesvater zwischen<br />
Prenzlau und Finsterwalde. Kein leichter<br />
Job in einer Zeit, als die regionale Wirtschaft<br />
einen brutalen Transformationsprozess<br />
durchlaufen musste, der von Firmenpleiten,<br />
Massenarbeitslosigkeit und damit einhergehender<br />
Perspektivlosigkeit – besonders bei den<br />
Menschen in den ländlichen Gebieten, fernab<br />
des Berliner Speckgürtels – geprägt war.<br />
Doch Stolpe schaffte es, Aufbruchstimmung,<br />
neuen Lebensmut und ein brandenburgisches<br />
Selbstwertgefühl zu erzeugen. Als Ministerpräsident<br />
war er der oberste Kümmerer im ersten<br />
Jahrzehnt nach der deutschen Einheit. Stolpe<br />
war überall im Land unterwegs und nahm<br />
sich der kleinen und großen Probleme „seiner“<br />
Brandenburger an. Stolpe machte keine leeren<br />
Versprechungen, er half, wo es eben ging. Und<br />
so gelang es, landesweit insgesamt 47 industrielle<br />
Kerne zu sichern und gewachsene Strukturen<br />
in der Landwirtschaft zu retten.<br />
Vor gut zwei Jahren, zum 75. Geburtstag von<br />
Manfred Stolpe, brachte Amtsnachfolger Mat-<br />
Fotos: Karsten Hintzmann, Scmidtke/Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Helga Simon<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
W+M Rückblick | 65<br />
Manfred Stolpe im Gespräch mit Bundespräsident<br />
Roman Herzog und Ehefrau Christiane.<br />
Der Kanzler und sein Verkehrsminister:<br />
Gerhard Schröder und Manfred Stolpe.<br />
Gern gesehene Ballgäste:<br />
Ingrid und Manfred Stolpe.<br />
thias Platzeck gemeinsam mit dem damaligen<br />
SPD-Fraktionschef im Brandenburger Landtag,<br />
Ralf Holzschuher, ein Buch heraus, dessen Titel<br />
für die wohl wichtigste Lebensleistung des<br />
ersten märkischen Ministerpräsidenten steht:<br />
„Der Mutmacher.“ Stolpe gehört zu den wenigen<br />
Politikern, die es über die Jahre geschafft<br />
haben, auf private Eitelkeiten völlig zu verzichten<br />
und die Entwicklung des Landes zur persönlichen<br />
Hauptaufgabe zu deklarieren. Legendär<br />
ist ein Zitat Stolpes aus den schweren<br />
Anfangsjahren: „Nicht Dienst nach Vorschrift,<br />
sondern Pioniergeist ist gefragt. Wir<br />
wollen nicht wissen, warum es nicht vorwärts<br />
geht, sondern wie es trotzdem zu schaffen ist.“<br />
Vermutlich wird auch Stolpe in privaten Stunden<br />
gegrübelt und mitunter auch gezweifelt<br />
haben – vor allem im Zusammenhang mit der<br />
über Jahre ausgetragenen öffentlichen Debatte<br />
über seine früheren Kontakte als Konsistorialpräsident<br />
der evangelischen Kirche zur DDR-<br />
Staatssicherheit. Aber äußerlich ließ er sich<br />
nie etwas anmerken. Er strahlte stets Ruhe,<br />
Besonnenheit, Souveränität und eine fast<br />
preußisch anmutende Bereitschaft zur Pflichterfüllung<br />
aus.<br />
So verwunderte es nicht, dass Stolpes politische<br />
Karriere auch nach dem selbst gewählten<br />
Rückzug vom Amt des Brandenburger Ministerpräsidenten<br />
am 26. Juni<br />
2002 nicht zu Ende war. Bundeskanzler<br />
Gerhard Schröder berief<br />
ihn am 22. Oktober 2002 als<br />
Minister für Verkehr, Bau- und<br />
Wohnungswesen sowie als Ostbeauftragten<br />
in sein neues Kabinett. Auch<br />
in diesen Job kniete er sich mit voller Kraft<br />
hinein, ohne Rücksicht auf den eigenen Körper<br />
und die angeschlagene Gesundheit zu nehmen.<br />
Als ihn der Krebs im Jahr 2004 das erste Mal ereilte,<br />
verschob er eine nachhaltige Behandlung<br />
wegen der vielfältigen dienstlichen Aufgaben.<br />
Mit dem vorzeitigen Ende der rot-grünen Bundesregierung<br />
im Herbst 2005 trat Stolpe einen<br />
geordneten Rückzug aus dem aktiven<br />
Politgeschäft an. Heute, so sagt<br />
er, sei er in der glücklichen Lage, sich<br />
aussuchen zu können, was er mache.<br />
Bei einem Treffen in einem gemütlichen<br />
Restaurant mit Havelblick in Potsdam<br />
verrät Stolpe: „Nur still sitzen und über<br />
Krankheiten nachzudenken, ist nichts<br />
für mich.“ Ein Satz, der nicht lapidar daher<br />
gesagt ist. Inzwischen kämpft Stolpe<br />
das zehnte Jahr gegen die heimtückische<br />
Erkrankung. Auch seine Frau Ingrid<br />
ist davon betroffen. Im Jahr 2009<br />
machten sie die Krebserkrankung in der ARD-<br />
Sendung „Menschen bei Maischberger“ gemeinsam<br />
publik. Der eiserne Wille, sich nicht<br />
unterkriegen zu lassen, hat Kraft gekostet. Das<br />
sieht man Manfred Stolpe an. Aber er blickt unbeirrt<br />
nach vorn: „Ich habe drei Dinge, für die<br />
ich mich aktuell engagiere: Erstens kümmere<br />
ich mich um die Verbindung zu unseren osteuropäischen<br />
Nachbarn. Zweitens versuche ich,<br />
in meiner Funktion als Vorsitzender des Landesdenkmalrates,<br />
die gebaute Kultur zu erhalten<br />
und zu nutzen. Drittens engagiere ich mich<br />
im Aktionsbündnis ‚Tolerantes Brandenburg‘<br />
gegen Intoleranz und Rassismus.“<br />
Speziell das erstgenannte Thema treibt ihn um:<br />
„Nach meiner Überzeugung müssen wir mehr<br />
Vertrauen zu Russland und Polen aufbauen.<br />
Ich arbeite im deutsch-russischen Forum mit<br />
und beim Petersburger Dialog. Ich mache mir<br />
Sorgen über das unnötig schlechte Verhältnis<br />
zu Russland. Wir sind mittel- und langfristig<br />
auf eine enge Kooperation angewiesen. Wir<br />
sollten daher nicht das Trennende betonen,<br />
sondern an die langen gemeinsamen Traditionen<br />
unserer Länder anknüpfen.“<br />
Vor einigen Wochen sorgte<br />
Manfred Stolpe mit<br />
Überlegungen zur Länderehe<br />
zwischen Berlin und<br />
Brandenburg für bundesweite<br />
Aufmerksamkeit.<br />
Bei einem Vor trag<br />
im Haus der Brandenburgisch<br />
Preußischen Geschichte<br />
sagte er: „Brandenburg<br />
als Flächenland<br />
und Berlin als eine hochverdichtete<br />
Metropole ergänzen<br />
sich zu einer Region mit vielfältigen<br />
Entwicklungspotenzialen. Deshalb ist der Gedanke<br />
richtig, dass beide Länder zusammengehen<br />
sollten, um Kräfte zu bündeln.“ Einordnend<br />
ergänzt er im Gespräch mit W+M: „Die<br />
Fusion ist keine aktuelle Aufgabe. Aber wir<br />
sollten uns vor Augen halten, dass am Silvestertag<br />
2019 die Sonderfinanzierung für den<br />
Osten ausläuft. Ich bin mir sicher, dass schon<br />
im Vorfeld Druck von den Geberländern und<br />
dem Bund kommen wird, der uns zwingt, über<br />
andere Strukturen nachzudenken. Wir sollten<br />
darauf vorbereitet sein.“<br />
Manfred Stolpe wird sich auch zu diesem<br />
Thema künftig wieder zu Wort melden.<br />
Karsten Hintzmann<br />
Stolpe auf dem<br />
Roten Platz in Moskau.<br />
www.wundm.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>
66 | W+M Die letzte Seite<br />
Ausblick:<br />
Die nächste Ausgabe von W+M<br />
In diesem Jahr finden in drei ostdeutschen Bundesländern Landtagswahlen<br />
statt – in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Mit den bevorstehenden<br />
Urnengängen und den unterschiedlichen politischen<br />
Kräfteverhältnissen wenige Monate vor den Wahlen befasst sich<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> in der Titelgeschichte des nächsten Magazins.<br />
Dazu ein ausführliches Interview mit Brandenburgs Ministerpräsident<br />
Dietmar Woidke, der sich zu den Wahlchancen seiner SPD, dem politischen<br />
Erbe seiner prominenten Amtsvorgänger Matthias Platzeck und<br />
Manfred Stolpe sowie seinen Ideen für die wirtschaftliche Entwicklung<br />
Brandenburgs äußert.<br />
Darüber hinaus lesen Sie einen umfassenden Rückblick auf den<br />
W+M-Medientreff beim Brandenburger WirtschaftsForum im Potsdamer<br />
Dorint Hotel, interessante Länderporträts und einen ausführlichen<br />
Ratgeberteil.<br />
Die nächste Ausgabe von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />
27. März <strong>2014</strong>.<br />
Personenregister<br />
Balan, Manuela 7<br />
Bartsch, Hubertus 48<br />
Bayer, Stephan 37<br />
Bell, Joshua 59<br />
Bergner, Christoph 32<br />
Böhm, Rolf 7<br />
Böhning, Björn 36<br />
Bormann, Michael 48<br />
Böse, Gerald 23<br />
Broder, Henryk M. 56<br />
Brönner, Till 58<br />
Brummer, Ralf 7<br />
Buchbinder, Rudolf 59<br />
Büchy, Jürgen 38, 39<br />
Daniels, Katharina 56<br />
Davis, Colin 58<br />
Dobelli, Rolf 56<br />
Dohnanyi, Klaus von 30<br />
Dutton, Kevin 57<br />
Eilert, Dirk W. 56<br />
Engeser, Manfred 56<br />
Eschenbach, Christoph 59<br />
Fein, Markus 59<br />
Fischer, Julia 59<br />
Frantz, Justus 58<br />
Friedrich, Marc 56<br />
Fröhlich, Hans W. 56<br />
Gabetta, Sol 59<br />
Gabriel, Sigmar 7, 32<br />
Gassmann, Oliver 56<br />
Gerhard Schröder 65<br />
Gleicke, Iris 32<br />
Göke, Christian 25<br />
Gräff, Christian 37<br />
Granig, Peter 56<br />
Grathwohl, Andreas 41<br />
Grimaud, Hélene 58<br />
Groß, Maria 6<br />
Habeck, Roland 42, 43, 44<br />
Habeck, Sebastian 42, 44<br />
Hansen, Rahlf 60<br />
Heller, Steffen 63<br />
Herzog, Roman 65<br />
Hofreiter, Anton 31<br />
Höhn, Uwe 7<br />
Hollmann, Jens 56<br />
Holzschuher, Ralf 65<br />
Hope, Daniel 59<br />
Hoyer, Katrin 50<br />
Hülsen, Matthias von 59<br />
Kahnemann, Daniel 56<br />
Kammann, Rolf 7<br />
Kennedy, Nigel 58<br />
Köhler, David 10, 11<br />
Köhler, Karl-Heinz 10, 11<br />
Köhler, Sven 9<br />
Kramer, Ingo 6<br />
Kühn, Christian 56<br />
Lambusch, Thomas 6<br />
Levit, Igor 59<br />
Linke, Dietmar 61<br />
Lorch, Rüdiger 62<br />
Machnig, Matthias 7<br />
Maltzahn, Helmut Freiherr von 58<br />
Mattes, Marcus 7<br />
Mehdorn, Hartmut 18<br />
Meller, Harald 60<br />
Menuhin, Yehudi 58<br />
Merkel, Angela 30<br />
Mueller-Stahl, Armin 58<br />
Müller Schott, Daniel 59<br />
Müller, Dirk 56<br />
Müller, Ulrich 16, 17<br />
Mutter, Anne-Sophie 59<br />
Nahles, Andrea 46<br />
Nehring, Frank 9<br />
Ober, Cornelius 45<br />
Pawlitschek, Frank 21<br />
Pfeiffer, Reinhard 23<br />
Platzeck, Matthias 65<br />
Polk, Hans-Joachim 7<br />
Rattle, Simon 59<br />
Richter, Hendrik 6<br />
Rudolph, Stefan 62<br />
Scharnhorst, Julia 56<br />
Scheler, Ralf 6<br />
Schlosser, Wolfhard 60<br />
Schmidt, Thorsten 56<br />
Schneider, Claudia 43, 45<br />
Schoepe, Jürgen 40, 41, 42<br />
Schott, Frank 62<br />
Schröder, Gerhard 30, 32, 65<br />
Schulz, Andreas 34<br />
Schulz, Martin 7<br />
Schwarze, Werner 6<br />
Schweitzer, Eric 31<br />
Schwesig, Manuela 46<br />
Sellering, Erwin 59<br />
Skidelsky, Edward 56<br />
Skidelsky, Robert 56<br />
Smith, Will 40<br />
Sobisch, Götz 6<br />
Solveen, Ralph 35<br />
Spangenberg, Uwe 51<br />
Stefanovic, Milos 7<br />
Stenger, Tillmann 35<br />
Stolpe, Ingrid 64, 65<br />
Stolpe, Manfred 32, 63, 64, 65<br />
Struck, Peter 32<br />
Tegtmeier, Catri 56<br />
Tegtmeier, Michael A. 56<br />
Tenzler, Thomas 27<br />
Tong, John 24<br />
Traud, Gertrud R. 34<br />
Voit, Manfred 12, 13<br />
Walter, Eberhard 7<br />
Wehrle, Martin 56<br />
Weik, Matthias 56<br />
Wowereit, Klaus 18<br />
Yzer, Cornelia 36, 37<br />
Ziebart, Katrin 14, 15<br />
Zwerenz, Beate 27<br />
Zwerenz, Roland 27<br />
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68 | W+M Länderreport<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 1 / <strong>2014</strong>