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Arnold Fritzsch (Kreis)<br />
Vom<br />
Disco-Sound<br />
Wagner-<br />
zur<br />
Schwere<br />
Von Jens-Uwe Berndt<br />
Es war die Schönheit des Klangs, die Arnold Fritzsch zur Orchestermusik<br />
führte. „In den 90ern habe ich das Interesse an Popmusik mehr und mehr<br />
verloren", versucht er, seine Entwicklung zu erklären. „Damals wurden Attitüden<br />
immer wichtiger, die Musik spielte eine Nebenrolle. Das war nichts mehr<br />
für mich." In der Freizeit genoss er die großen<br />
Klassiker: Mozart, Tschaikowski, Wagner. Die Festspiele<br />
in Bayreuth wurden fester Bestandteil seines<br />
Terminkalenders. Hinzu kam ein Schlüsselerlebnis<br />
bei einem Konzert seines Idols Paul McCartney.<br />
„Bei der Zugabe spielte er 'Helter Skelter' von den<br />
Beatles", erinnert sich Arnold Fritzsch. „Das war<br />
zu viel für mich. Da bin ich noch vor Ende des<br />
Auftritts nach Hause gegangen." Es war aber nicht<br />
etwa das Lied, das er nicht mochte, denn die Fab<br />
Four sind dem Ost-Berliner heilig. „Ich habe den<br />
Lärm nicht mehr ertragen", sagt er. Der Soundbrei<br />
habe ihn gequält. „Ein philharmonisches Orchester<br />
klingt einfach nur schön, jedes einzelne Instrument<br />
ist zu hören, nichts muss verstärkt werden."<br />
Mit der vor 40 Jahren gegründeten Gruppe Kreis war<br />
er in den 70ern der größte Popstar der DDR. Heute<br />
hält er es mit wagnerscher Dramatik. Arnold Fritzsch ist<br />
ein musikalisches Phänomen. Sein bisher ambitioniertestes<br />
Werk, das Ora<strong>to</strong>rium „Hadubrant", erlebte Anfang März<br />
dieses Jahres seine Uraufführung in Berlin. Er machte sich<br />
als Filmkomponist ebenso einen Namen wie als Erfinder leicht<br />
verdaulicher Schlagermelodien. Und die populäre Unterhaltungsmusik<br />
in den 80er Jahren in Ostdeutschland wäre ohne ihn faktisch<br />
undenkbar.<br />
Ein Trumpf von Kreis:<br />
hübsche junge Menschen in stilvollen Klamotten<br />
Seite 24 ■ <strong>GoodTimes</strong> 2/2013 ■ <strong>Music</strong> <strong>from</strong> <strong>the</strong> <strong>60s</strong> <strong>to</strong> <strong>the</strong> <strong>80s</strong><br />
Und vom Genuss zur schöpferischen Kreativität<br />
ist es bei Arnold Fritzsch seit jeher nur<br />
ein relativ kleiner Schritt. Als er 2010 „Planet der<br />
Drachen" komponiert hatte, ein „Weltraumabenteuer<br />
für Orchester und Erzähler", spürte er, dass<br />
er in der Lage sein könnte, den Menschen Musik<br />
zu hinterlassen, die die Zeit überdauert. Und so<br />
entstand „Hadubrant". Fritzsch sieht das Projekt<br />
von Carl Orffs „Carmina Burana" ebenso beeinflusst<br />
wie vom „neu erwachten Selbstbewusstsein<br />
der Deutschen". Die Geschichte des Vaters,<br />
der seine Familie verlässt, um in den Krieg zu<br />
ziehen, und nach vielen Jahren bei seiner Rückkehr<br />
einem Heer gegenübersteht, das sein Sohn anführt, transportiert für Fritzsch<br />
aber nicht nur His<strong>to</strong>rie. „Die Familiengeschichte, die sich dahinter verbirgt, ist<br />
brandaktuell", sagt er. „Viele Väter gehen weg von ihren Kindern und kommen<br />
erst später zurück. Auch ich habe meinen Sohn verlassen, als er vier war." Dass<br />
„Hadubrant" in Althochdeutsch vorgetragen wird,<br />
stellt für den Komponisten keine Barriere für das<br />
Verständnis dar. „Dass man den Text nicht immer<br />
nachvollziehen kann, ist völlig in Ordnung", meint<br />
der 61-Jährige. „Eigentlich ist das Problem der<br />
deutschen Popmusik ja gerade, dass man jedes<br />
gesungene Wort versteht. Das ist gar nicht nötig,<br />
wenn das Lied gut genug ist." Nicht umsonst sei<br />
die englischsprachige Musik weltweit so populär<br />
–<br />
obwohl die Texte von den meisten Hörern nicht<br />
verstanden werden.<br />
Arnold Fritzsch ist zufrieden mit sich. „Ich fühle<br />
mich derzeit so wohl wie nie zuvor in meinem<br />
Leben", sagt er mit Euphorie in der Stimme. „Das<br />
ist schon merkwürdig. Denn zur Zeit meiner größten<br />
Popularität hatte ich fast nur Depressionen."<br />
Gemeint sind die Jahre mit der Gruppe Kreis, die<br />
die ostdeutsche Rock- und Popszene für einige<br />
Jahre gehörig durcheinanderwirbelte. „Die Bands<br />
in der DDR klangen zu Beginn der 70er alle ziemlich<br />
ähnlich", erzählt Fritzsch. „Electra, Lift, Stern-<br />
Combo Meißen und wie sie alle hießen – das fand<br />
ich alles doof. Ich wollte Musik, die tanzbar ist, in<br />
die Beine geht." Und so wurde 1975 ausgerechnet<br />
die B-Seite der ersten Single, "Doch ich wollt' es<br />
wissen", zu einem Überhit. Der Song erlangte eine<br />
derart große Popularität, dass er ein Jahr später<br />
bei Decca in der Bundesrepublik in zwei verschie-