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Leseprobe - Hoffen auf das Bessere

Eine virtuos montierte Familiengeschichte, die fast beiläufig und mit genialer Leichtigkeit ein Stück epochaler Zeitgeschichte erzählt: den Zeitwechsel von der Monarchie zur Demokratie. Ungemein reflektierend und perösnlich schildert Sybil Gräfin Schönfeldt, wie sie als Kind in Göttingen, als Studentin in Hamburg und Wien und später als junge Journalistin wie in einem Puzzle die Geschichte ihrer Familie entdeckt - eine vergangene Welt der Schlösser und Paläste, deren Protagonisten versuchen, sich in der neuen Zeit zurechtzufinden. Ein berührendes Zeitengemälde, Das persönlichste Buch einer großen Autorin.

Eine virtuos montierte Familiengeschichte, die fast beiläufig und mit genialer Leichtigkeit ein Stück epochaler Zeitgeschichte erzählt: den Zeitwechsel von der Monarchie zur Demokratie. Ungemein reflektierend und perösnlich schildert Sybil Gräfin Schönfeldt, wie sie als Kind in Göttingen, als Studentin in Hamburg und Wien und später als junge Journalistin wie in einem Puzzle die Geschichte ihrer Familie entdeckt - eine vergangene Welt der Schlösser und Paläste, deren Protagonisten versuchen, sich in der neuen Zeit zurechtzufinden. Ein berührendes Zeitengemälde, Das persönlichste Buch einer großen Autorin.

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durch einen schmalen Kanal getrennt, steht der Palazzo meiner großmütterlichen<br />

Familie, die Casa Minotto, gotischer Kern, zierlich wie<br />

ein Puppenhaus. Irgendwann hatte jemand im ersten Stock einen kleinen<br />

braunen Holzbalkon angebaut, der wie ein Vogelhaus über dem<br />

Wasser hängt. Viele Jahre später besuchte ich <strong>das</strong> Haus mit dem<br />

Deckengemälde von Tiepolo und, im alten Teil, mit den byzantinischen<br />

Friesen aus dem 12. Jahrhundert. Die Minottos müssen schon<br />

früh erkannt haben, <strong>das</strong>s es für einen noch so reichen und stolzen<br />

Stadtstaat eher möglich ist, durch Handel mächtig zu bleiben als<br />

durch Kriege. So war in Konstantinopel, der glänzenden Hauptstadt<br />

des Byzantinischen Reiches, eine venezianische Handelsniederlassung<br />

gegründet worden. Als jedoch türkische Truppen unter<br />

Mohammed II. Byzanz überrannten und zerstörten, wurde Girolamo<br />

Minotto, dem Führer der Niederlassung und des Widerstandes, der<br />

Kopf abgeschlagen, und Byzanz ging unter. Später wurde die Niederlassung<br />

wieder eingerichtet und von den Türken bestätigt.<br />

Seit Napoleon gehörte Venezien zur österreichischen Monarchie,<br />

doch 1848 strebten auch die Venezianer nach nationaler Eigenständigkeit.<br />

Dar<strong>auf</strong>hin rückten die Österreicher an, um den drohenden<br />

Aufstand niederzuschlagen. Einer meiner Vorfahren, Giovanni<br />

Minotto, Vizepräsident der Assemblea, der Stadtverwaltung, die<br />

nun <strong>das</strong> Amt des Dogen ersetzte, wollte um jeden Preis Widerstand<br />

leisten. Und so standen sich während der Belagerung drei Männer<br />

gegenüber, die nicht ahnen konnten, <strong>das</strong>s ihre Familien in gar nicht<br />

so ferner Zukunft miteinander verwandt sein würden: <strong>auf</strong> der einen<br />

Seite Giovanni Minotto, <strong>auf</strong> der anderen Seite ein junger Offizier<br />

aus Karlsruhe, Anton Haizinger, Adjutant von Feldmarschall Graf<br />

Radetzky, dem österreichischen Befehlshaber, und als dritter<br />

sein Freund Karl Graf Schönfeldt, ebenfalls Ordonnanzoffizier bei<br />

Radetzky. Ein selt sames Familientreffen inmitten von Krieg und<br />

Gefahr, und da bin ich heute, fast zweihundert Jahre später, die aus<br />

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