in einem Dokument zusammengefasst - bfu

fu – Positionen
Alkoholverbot für Neulenkende ............................................................................................................... 2
bfu-Modell «Tempo 50/30» ..................................................................................................................... 3
Blackbox .................................................................................................................................................. 4
Elektrofahrräder / E-Bikes ....................................................................................................................... 5
Gotthard-Strassentunnel ......................................................................................................................... 6
Handy am Steuer .................................................................................................................................... 7
Handzeichenzwang an Fussgängerstreifen? .......................................................................................... 8
Helmobligatorium im Schneesport .......................................................................................................... 9
Intervalle zwischen den Motorfahrzeugkontrollen für Personenwagen................................................. 10
Kein Alkoholausschank in Autobahnraststätten .................................................................................... 11
Kitesurfen .............................................................................................................................................. 12
Lawinengefahr beim Freeriden und Tourenfahren ................................................................................ 13
Polizeikontrollen .................................................................................................................................... 14
«Raserinitiative».................................................................................................................................... 15
Rechtsüberholen ................................................................................................................................... 16
«Risikokompensation» – kein Argument gegen Unfallverhütungsmassnahmen .................................. 17
Risikosportanbieter-Gesetz ................................................................................................................... 18
Schock-Kampagnen .............................................................................................................................. 19
Sportförderungsgesetz umsetzen ......................................................................................................... 20
Tempo-30-Zonen ................................................................................................................................... 21
Tempo 140 auf Autobahnen – die unterschätzte Gefahr ...................................................................... 22
Unfallprävention im Strassenverkehr: PW-Lenkerinnen im Fokus? ..................................................... 23
Velohelm tragen .................................................................................................................................... 25
Verkehrsfluss auf den Nationalstrassen verbessern ............................................................................ 26
Verve ..................................................................................................................................................... 27
Via sicura ............................................................................................................................................... 28
Vorgezogene Fahrausbildung? ............................................................................................................. 29
Winterreifen-Obligatorium ..................................................................................................................... 30
Zweiphasenausbildung / Führerausweis auf Probe .............................................................................. 31

Alkoholverbot für Neulenkende
Die bfu setzt sich seit mehreren Jahren für die Einführung eines Alkoholverbots für Neulenkende ein.
Aufgrund ihrer höheren Risikobereitschaft und der mangelnden Fahrerfahrung sind diese bei Alkoholunfällen
stark übervertreten. Bei den jungen Lenkern genügt schon eine kleine Menge Alkohol im
Blut und ihre Fahrfähigkeit ist beeinträchtigt. Bereits bei 0,3 Promille verdoppelt sich ihr Unfallrisiko
beinahe. 18- bis 24-jährige Lenker verschulden fast doppelt so viele Alkoholunfälle wie 25- bis 44-jährige
und knapp 4-mal so viele wie 45-bis 64-jährige. Schätzungen der bfu zeigen, dass mit der Null-
Promille-Vorschrift für Neulenkende pro Jahr gut 5–10 Todesopfer und ungefähr 50–70 Schwerverletzte
vermieden werden könnten.
Das Alkoholverbot für Neulenkende hat sich in anderen Ländern bereits als wirksame und kosteneffiziente
Massnahme erwiesen. Auch aus diesem Grund sieht die bfu eine solche Bestimmung als prioritäre
zukünftige Verkehrssicherheitsmassnahme und empfiehlt eine schnelle Einführung. Das Verbot
soll während der dreijährigen Probephase nach Erhalt des Fahrausweises gelten.
In einer repräsentativen Umfrage 2009 begrüssten 68 Prozent der Befragten die Null-Promille-Grenze
für Neulenkende.
Das Alkoholverbot für Neulenkende ist Bestandteil des Verkehrssicherheitsprogramms Via sicura, das
von den Eidgenössischen Räten im Juni 2012 beschlossen worden ist.
Juli 2012

fu-Modell «Tempo 50/30»
Das bfu-Modell Tempo 50/30 basiert auf der Unterscheidung des innerörtlichen Strassennetzes in
siedlungsorientierte und verkehrsorientierte Strassen. Um letztere übergeordnete Strassen für den
fliessenden Verkehr attraktiv und leistungsfähig zu erhalten, soll hier in der Regel Tempo 50 generell
gelten und die Sicherheit mit gestalterischen Massnahmen verbessert werden (Einbezug in Tempo-
30-Zone in Ausnahmefällen möglich; BGE 1C_17/2010). Auf den siedlungsorientierten Strassen innerhalb
einer Gemeinde hingegen soll die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h limitiert werden. Tempo
30 erhöht die Sicherheit und Wohnqualität in Quartieren. Tiefere Geschwindigkeiten führen zu ruhigerem
Fahrverhalten und reduzieren Abgas- sowie Lärmemissionen. Die Anzahl und Schwere von
Unfällen nimmt ab, die Wege für Schulkinder sind weniger gefährlich. Die verletzlicheren Verkehrsteilnehmenden
fühlen sich sicherer, und die Fahrzeuglenkenden verlieren trotzdem kaum Zeit.
Die bfu hat ihr Modell Tempo 50/30 evaluiert und festgestellt, dass bis Ende 2006 in der Schweiz
insgesamt 2057 Tempo-30-Zonen bewilligt und 211 verkehrsorientierte Strassen umgestaltet wurden.
Insgesamt 729 Gemeinden haben dabei zumindest eine dieser beiden Massnahmen umgesetzt, rund
2000 zumeist kleinere Kommunen haben jedoch bis 2006 weder das eine noch das andere realisiert.
Erste Schritte sind also gemacht, es bleibt aber noch viel zu tun.
Sichere Strassen sind das Ziel der bfu. Tempo-30-Zonen in Quartieren sind ein wichtiger Beitrag
dazu, weil tiefere Geschwindigkeiten nachweislich die Sicherheit erhöhen. Fahrzeuglenkende tragen
durch ihr Verhalten zur Sicherheit bei. Sie sollten:
Tempo 30 einhalten, um die Sicherheit für alle zu gewährleisten,
jederzeit mit spielenden Kindern rechnen,
den Rechtsvortritt anderer Fahrzeuge beachten.
Mai 2011

Blackbox
Der Begriff «Blackbox» wird für Datenaufzeichnungsgeräte verwendet, die in aller Regel der Unfallrekonstruktion
dienen. Entsprechende Geräte werden deshalb auch als Unfalldatenspeicher (UDS) oder
Crash-Recorder bezeichnet. Derartige Geräte erfassen verschiedene Parameter (wie z. B. Verzögerung,
Querbeschleunigung und Fahrgeschwindigkeit) in hohem Detaillierungsgrad. Festgehalten wird
jedoch lediglich ein kurzer Zeitraum vor und nach einem Unfall – beim Crash-Recorder der AXA
Winterthur beispielsweise 20 Sekunden vor und 10 Sekunden nach dem Aufprall.
Die bfu befürwortet grundsätzlich den Einbau eines UDS. Neben einer erleichterten Beweissicherung
und Unfallanalyse ist im Falle eines institutionellen Datenzugriffs auch eine präventive Wirkung
möglich.
Neben dem UDS existiert noch eine andere Art von «Blackbox»: der Fahrdatenschreiber (FDS). Diese
Geräte zeichnen Informationen nicht nur bei einem Unfall auf, sondern kontinuierlich während der
ganzen Fahrt. Da derartige Systeme die Daten typischerweise mit einem Zeitintervall von einer
Sekunde aufzeichnen, sind sie zur Rekonstruktion eines Unfalls zu ungenau. Fahrdatenschreiber
erlauben aber aufgrund des fortlaufenden Monitorings verschiedene präventive Anwendungen:
Berechnung einer individuellen, risikobezogenen Versicherungsprämie
Kontrolle von Flottenfahrzeugen in Betrieben
Rehabilitation von verkehrsauffällig gewordenen Lenkenden (z. B. Rasern)
In Via sicura, dem Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes, wird vorgeschlagen, «Lenker nach
einem Führerausweisentzug wegen einer schweren Widerhandlung gegen die Geschwindigkeitsvorschriften
zum Einbau von Datenaufzeichnungsgeräten zu verpflichten». Die bfu unterstützt diesen
Vorschlag, weil er eine Lücke schliesst zwischen präventiven Massnahmen, die sich an alle Fahrzeuglenkenden
richten, und harten Sanktionen gegen Extremtäter.
Oktober 2010

Elektrofahrräder / E-Bikes
Seit 2005 wachsen die Verkaufszahlen von Elektrofahrrädern. 2010 war bereits jedes neunte Velo ein
E-Bike. Sie erreichen je nach Modell Spitzengeschwindigkeiten über 50 km/h.
Seit 2011 werden Unfälle mit E-Bikes in den Unfallaufnahmeprotokollen der Polizei als eigene Kategorie
erfasst. Erste Auswertungen zeigen, dass diese Unfälle gravierendere Folgen haben als Unfälle mit
Velos: Der Anteil der schwer verletzten und getöteten Velofahrenden lag für Velos bei 26 Prozent, für
E-Bikes bei 35 Prozent. Ausländische Studien und die Fachleute der bfu warnen vor folgenden Gefahren:
Der Bremsweg von E-Bikes ist länger, weil die durchschnittliche Geschwindigkeit eines E-Bikes
höher ist. Die Fahrer sind sich dessen oft nicht bewusst.
Wer gewohnt ist, auf dem Velo in eher gemütlichem Tempo zu fahren oder seit längerer Zeit gar
nicht mehr Velo gefahren ist, beherrscht die höheren Geschwindigkeiten von E-Bikes nicht
genügend.
Die anderen Verkehrsteilnehmer unterschätzen die Geschwindigkeit von E-Bikes.
Die bfu begrüsst daher, dass am 1. Mai 2012 geänderte Verordnungen in Kraft treten. Diese unterscheiden
zwischen 2 Kategorien;
1. Langsame E-Bikes: Leicht-Motorfahrräder mit einer Tretunterstützung bis 25 km/h und maximaler
Motorleistung von 500 Watt, kein Kontrollschild nötig.
2. Schnelle E-Bikes: Motorfahrräder mit einer Tretunterstützung von 25 bis 45 km/h und beliebiger
Motorleistung bis 1000 Watt, Kontrollschild erforderlich.
Ab 1. Juli 2012 wird das Tragen eines Velohelms beim Fahren schneller E-Bikes obligatorisch. Für
langsame E-Bikes empfehlen Bundesrat und bfu, ebenfalls einen Velohelm zu tragen. Für noch
schnellere Fahrzeuge (Tretunterstützung über 45 km/h) gilt Motorradhelmpflicht.
April 2012

Gotthard-Strassentunnel
Im Zusammenhang mit der geplanten Sanierung des Gotthard-Strassentunnels wird zurzeit der Bau
einer zweiten Röhre diskutiert. Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung hat untersucht, wie sich
dieses Vorhaben auf das Unfallgeschehen auswirken könnte.
Aus Sicht der Verkehrssicherheit kann festgehalten werden, dass zwischen 1999–2009 im Gotthard-
Strassentunnel jährlich durchschnittlich 10 Unfallopfer zu beklagen waren. Im Jahresdurchschnitt
wurden 1,1 Personen getötet. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum gab es in der ganzen Schweiz
durchschnittlich pro Jahr über 28 000 Verkehrsunfallopfer (davon 470 Getötete).
Wirkung einer zweiten Gotthardröhre bei gleichbleibendem Verkehrsaufkommen
Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass der Ausbau eines einröhrigen Tunnels auf zwei Röhren die
Anzahl Unfallopfer um gut die Hälfte reduziert. Der zu erwartende Verkehrssicherheitsgewinn beträgt
im Falle des Gotthardtunnels jährlich rund 5 Verunfallte (4 Leichtverletzte, 1 Schwerverletzter und alle
zwei Jahre 1 Getöteter). Der volkswirtschaftliche Nutzen beträgt jährlich 2,3 Mio. CHF. Diese Analyse
stützt sich auf die Periode 1992–2012.
Eine zweite Röhre verhindert in 40 Jahren Betriebsdauer rund 220 Verunfallte, davon rund 160
Leichtverletzte, 40 Schwerverletzte und 20 Getötete. Der volkswirtschaftliche Sicherheitsgewinn aus
den eingesparten Kosten der Unfälle beträgt in 40 Jahren rund 90 Millionen Franken.
Januar 2014

Handy am Steuer
Studien kommen zum Schluss, dass sich das Unfallrisiko beim Telefonieren während des Fahrens um
das 4- bis 5-Fache erhöht. Zudem stellte sich heraus, dass es in Bezug auf das Risiko kaum einen
Unterschied macht, ob man eine Freisprechanlage oder ein Handy benutzt. Das Schreiben von SMS
beim Lenken erhöht das Risiko noch um ein Vielfaches.
Ein generelles Verbot der Handybenutzung am Steuer (inkl. Freisprechanlage und SMS) würde aus
Sicht der bfu erheblich zur Steigerung der Verkehrssicherheit beitragen. Die bfu ist sich bewusst, dass
es zurzeit für ein Verbot kaum politische Unterstützung gibt. Auf jeden Fall muss die Kontrollintensität
in Kombination mit Sensibilisierungskampagnen erhöht werden. Zudem soll das Thema «Handy am
Steuer» bei der Fahrausbildung vertieft werden.
Januar 2011

Handzeichenzwang an Fussgängerstreifen?
Die gelegentlich zu lesende Behauptung, das Handzeichen am Fussgängerstreifen sei abgeschafft
worden, entspricht nicht den Tatsachen. Das Bundesgericht hat bereits 1964 (!) eine
Handzeichenpflicht verneint, das heisst, eine Handzeichenpflicht hat es gar nie gegeben. Trotzdem
taucht in Politik und Medien immer wieder die Forderung nach "Wiedereinführung des Handzeichens"
auf. Per Gesetz soll den Fussgängern ein Zwang zum Handzeichen auferlegt werden. Dies würde das
heutige Vortrittsrecht der Fussgänger aushöhlen.
Selbstverständlich ist es nicht verboten, ein Handzeichen zu geben. In vielen Situationen kann dies
hilfreich sein. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Verkehrsteilnehmern (beispielsweise durch
Blickkontakt) ist generell empfehlenswert.
Die Einführung des obligatorischen Handzeichens hingegen ist aus Sicht der bfu – Beratungsstelle für
Unfallverhütung ein Rückschritt für die Verkehrssicherheit. Es ist zu befürchten, dass diese Änderung
zu einer Zunahme von Unfällen mit Kindern und älteren Menschen führen würde.
Folgende beiden Hauptargumente sprechen für die Beibehaltung der geltenden Regelung:
Das Handzeichen mag zwar auf den ersten Blick überzeugend erscheinen. Es ist aber erwiesen,
dass Kinder aus entwicklungspsychologischer Sicht nicht fähig sind, Handzeichen
situationsgerecht zu geben oder diese korrekt zu interpretieren. Sie können sie weder Distanzen
noch Geschwindigkeiten von Fahrzeugen richtig einschätzen. Deshalb haben die
Verkehrsinstruktoren der Polizei und die Verkehrssicherheitsfachleute von TCS und bfu ganz
bewusst beschlossen, Kindern das Handzeichen nicht beizubringen, und auch nicht auf
Handzeichen von Automobilisten zu achten. Es wäre zu gefährlich. Alle Kinder lernen im
Verkehrsunterricht, am Fussgängerstreifen zu warten, bis die Fahrzeuge anhalten. Erst wenn die
Räder wirklich ganz stillstehen, sollen die Kleinen über die Strasse gehen.
In Europa gelten weitgehend die gleichen Verkehrsregeln. Diese Standardisierung ist ein Vorteil
für alle Verkehrsteilnehmer. Sie müssen im Ausland keine neuen Regeln lernen. Eine
Sonderregelung in der Schweiz würde zu Missverständnissen und einer Reduzierung der
Verkehrssicherheit führen. Bundesrat und Parlament haben sich denn auch folgerichtig bereits
mehrmals gegen die Einführung des obligatorischen Handzeichens ausgesprochen.
Bereits in der geltenden Regelung hat die Fussgänger kein Recht, ohne Beachtung des Verkehrs den
Fussgängerstreifen zu betreten: Die Fussgänger dürfen vom Vortrittsrecht nicht Gebrauch machen,
wenn das Fahrzeug bereits so nahe ist, dass es nicht mehr rechtzeitig anhalten könnte. (VRV Art. 47
Abs.2).
August 2013/Fr/Mc

Helmobligatorium im Schneesport
Jährlich verletzen sich durchschnittlich rund 70 000 Personen aus der Schweizer Wohnbevölkerung
beim Ski- und Snowboardfahren, darunter 26 000 Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre. Der Anteil der
Kopfverletzungen beträgt dabei rund 15 %. Die Schutzwirkung des Schneesporthelms ist wissenschaftlich
bestätigt: Das Tragen eines solchen Helms reduziert das Risiko einer Kopfverletzung bei
einem Sturz oder einer Kollision um bis zu 45 %.
Aus diesem Grund setzt sich die bfu seit 2003 mit Präventionskampagnen dafür ein, dass möglichst
viele Ski- oder Snowboardfahrende ihren Kopf mit einem Helm schützen. Die bfu empfiehlt auch fürs
Schlitteln einen Schneesporthelm. Die Helmtragquote hat sich in diesen Jahren verdreifacht. Rund
76 % der Schneesportlerinnen und Schneesportler auf Schweizer Pisten haben in der Wintersaison
2009/2010 einen Schutzhelm getragen. Bei Kindern liegt die Tragquote bei fast 100 %.
Eine gesetzliche Helmtragpflicht im Schneesport drängt sich nicht auf. Sinnvoll ist es, dass bei Kursen,
Skilagern und ähnlichen Veranstaltungen das Tragen des Schneesporthelms vorgeschrieben
wird. Dies ist ohne weiteres realisierbar und trägt zur Sensibilisierung der Teilnehmenden und ihren
Angehörigen bei.
Oktober 2010

Intervalle zwischen den Motorfahrzeugkontrollen
für Personenwagen
In der Schweiz wird die Betriebssicherheit von Personenwagen erstmals nach 4 Jahren kontrolliert,
dann nach weiteren drei Jahren und anschliessend im zweijährigen Turnus.
Angesichts der geringen Anzahl Unfälle, die laut Strassenverkehrsunfallstatistik durch technische
Mängel verursacht werden, und angesichts der Tatsache, dass viele Kantone aufgrund personeller
Engpässe die vorgegebenen Fristen gar nicht einhalten können, gibt es Überlegungen, die Kontrollintervalle
zu verlängern. Auch die in modernen Fahrzeugen integrierte Diagnoseelektronik wird als
Argument für eine Ausdehnung der Fristen angeführt.
Grundsätzlich ist zu begrüssen, dass Aufwand und Nutzen der Motorfahrzeugkontrollen überprüft und
optimiert werden. In Anbetracht der Tatsache, dass mit zunehmendem Fahrzeugalter vermehrt sicherheitsrelevante
Mängel auftreten, steht die bfu einer Verlängerung der Kontrollfristen eher kritisch gegenüber.
Die bfu erachtet diese Massnahme jedoch dann als prüfenswert, wenn die dadurch eingesparten
Personalressourcen zugunsten der praktischen Führerprüfungen eingesetzt werden. Bestehende
und von der bfu unterstützte Bestrebungen zur qualitativen und quantitativen Erweiterung der
Führerprüfungen drohen nämlich an den knappen Personalkapazitäten zu scheitern.
Die Verlagerung der frei werdenden Ressourcen von der technischen Kontrolle zu den Führerprüfungen
dürfte insgesamt einen Sicherheitsgewinn generieren. Sie wäre insofern praktikabel, als die
Verkehrsexperten bei den Strassenverkehrsämtern in aller Regel für beide Prüfungsarten zuständig
sind.
Dennoch: Aus Sicht der bfu wäre lediglich die Verlängerung der ersten Kontrollfrist um ein Jahr vertretbar.
Die darauffolgenden Prüfungsintervalle sind unbedingt beizubehalten, weil die Häufigkeit
technischer Mängel mit zunehmendem Fahrzeugalter überproportional stark steigt.
Bern, Mai 2013

Kein Alkoholausschank in Autobahnraststätten
In der Schweiz ist der Ausschank von Alkohol in Nebenanlagen von Autobahnen – also in Versorgungs-,
Verpflegungs- und Beherbergungsbetrieben (Raststätten) und an Tankstellen sowie Autobahnrastplätzen
– verboten (Art. 6, Abs. 2 und Art. 7, Abs. 4 Nationalstrassenverordnung NSV). Das
Verbot besteht seit 1964 und dient der Verkehrssicherheit. Parlamentarische Vorstösse, das Verbot
aufzuheben, wurden von Bundesrat und Parlament stets abgelehnt.
Das Verbot trägt dazu bei, dass Schweizer Autobahnen erfreulicherweise relativ sicher sind. Es sind
zu keiner Zeit Klagen aufgetaucht, dass Betreiber oder Gäste von Raststätten sich durch diese Unfallverhütungsmassnahme
diskriminiert fühlen. Die Akzeptanz für die geltende Regelung ist also gross.
Im Parlament ist ein Vorstoss hängig, der den Alkoholausschank zulassen will. Dies würde ein
falsches Zeichen setzen und für Fahrzeuglenkende neue Anreize zum Alkoholkonsum schaffen. Es
wäre ein negatives und verwirrendes Signal an die Bevölkerung, nachdem das Parlament kürzlich
dem breit abgestützten Massnahmenpaket «Via sicura» zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zugestimmt
hat. Zu den beschlossenen Massnahmen zählt die Einführung eines Alkoholverbots für Neulenkende,
das am 1.1.2014 in Kraft treten wird.
Studien zeigen, dass eine höhere Verfügbarkeit von Alkohol zu einer Zunahme alkoholbedingter
Probleme wie z. B. Autounfälle führt. Das trifft insbesondere auf jüngere Personen zu. Es ist aus Sicht
der Verkehrssicherheit paradox, von den Junglenkenden zu verlangen, ganz auf Alkohol zu verzichten,
ihnen aber gleichzeitig in Verpflegungsstätten, die speziell PW-Lenkenden und -Insassen zur
Verfügung stehen, alkoholische Getränke anzubieten. Kommt dazu, dass bereits heute Falschfahrer-
Unfälle («Geisterfahrer») überdurchschnittlich oft auf alkoholisierte Lenker zurückzuführen sind.
Es ist zu befürchten, dass nach einer Aufhebung des Verbots des Alkoholausschanks in Raststätten
vermehrt unter Alkoholeinfluss gefahren würde. Das würde zu einer zusätzlichen Gefährdung der anderen
Verkehrsteilnehmenden führen. Die bfu empfiehlt daher, die Zulassung des Alkoholausschanks
in Raststätten abzulehnen.
Januar 2013

Kitesurfen
Der Bundesrat hat das Verbot für Kitesurfen ausserhalb bewilligter Zonen per 15. Februar 2014
aufgehoben. Die Kitesurfer dürfen ihren Sport auf allen Schweizer Seen betreiben, ausser wenn ein
Kanton ein örtliches Kitesurf-Verbot erlässt.
Basierend auf Analysen der vorhandenen Unfallstatistiken geht die bfu davon aus, dass jährlich rund
200 Personen infolge eines Unfalls beim Kitesurfen ärztlich behandelt werden müssen. Die meisten
Unfälle ereignen sich aufgrund unkontrollierter Manöver, misslungener Sprünge oder anderer
fahrtechnischer Fehler. Auch Unfälle infolge von Kollisionen und die Verletzungsgefahr für Dritte im
Wasser oder an Land können nicht ausgeschlossen werden. Zudem besteht – wie bei allen
Wassersportarten – Ertrinkungsgefahr.
Um Unfälle beim Kitesurfen möglichst zu vermeiden, rät die bfu den kantonalen Behörden, spezielle
Korridore für Kitesurfer einzurichten. Die Ein- und Ausstiegsstellen müssen sicher gestaltet und klar
signalisiert sein, wobei auch die Sicherheit von Fussgängern oder Radfahrern an Land beachtet
werden muss. Anderseits sollten Zonen mit besonderen Risiken (z. B. Badezonen, vielbefahrene
Kursschifffahrtsrouten) für das Kitesurfen gesperrt werden.
Im Weiteren empfiehlt die bfu folgende Sicherheitsmassnahmen:
eine gute Ausbildung absolvieren
moderne Sicherheitselemente wie Safety-Leash und Quick-Release-Systeme verwenden
genügend Abstand zu anderen Kitesurfern, gegenüber Booten und weiteren Nutzern der
Gewässer (z. B. Schwimmern) einhalten
die Vortrittsregelung auf dem Wasser beachten
Schutzausrüstung tragen: Wassersporthelm, Neoprenanzug, Prallschutzweste mit einem
Auftrieb gemäss der Schweizerischen Norm SN EN ISO 12402-5
Februar 2014

Lawinengefahr beim Freeriden und Tourenfahren
Tourenfahren, Variantenfahren (= Freeriden) und Schneeschuhlaufen abseits der gesicherten Pisten
und Routen beinhalten spezielle Risiken wie Absturz- und besonders Lawinengefahr. In der Schweiz
sterben jährlich rund 20 Schneesportler durch Lawinen. 90 Prozent der von einer Lawine Erfassten
haben diese selbst ausgelöst; 2 von 5 Wintersportlern, die ganz verschüttet werden, finden den Tod.
Mehr als 9 von 10 Opfern befanden sich in steilem Gelände, d. h. über 30 Grad.
Das Lawinenrisiko ist schwierig einzuschätzen. Für die Beurteilung spielen neben der Hangneigung
viele weitere Faktoren eine Rolle. Deshalb sind dafür spezifische Kenntnisse und sehr viel Erfahrung
nötig. Und selbst dann bleibt ein gewisses Risiko bestehen. Darum rät die bfu grundsätzlich zu defensivem
Verhalten und zum Einbau einer Sicherheitsreserve.
Das bedeutet zum Beispiel, dass man
bei blinkenden Warnleuchten im Schneesportgebiet (ab Gefahrenstufe 3) und auch im Zweifel auf
das Freeriden verzichtet und auf der Piste resp. auf gesicherten, gelb markierten Abfahrtsrouten
bleibt;
beim Schneeschuhlaufen signalisierte und geöffnete Routen benützt oder in mässig steilem
Gelände bleibt;
auf Ski- und Snowboardtouren ohne Lawinenkenntnisse und viel Erfahrung in mässig steilem
Gelände bleibt;
sich lawinenkundigen Profis oder erfahrenen Leitern anschliesst, wenn man selbst über wenig
Kenntnisse und Erfahrung verfügt;
immer mit der nötigen Notfallausrüstung unterwegs ist.
Freerider, Tourenfahrer und Schneeschuhläufer bewegen sich nicht in einem rechtsfreien Raum,
sondern können für allfälliges Fehlverhalten zivil- und strafrechtlich verantwortlich gemacht werden.
Zudem kann die Versicherung im Schadenfall Leistungen kürzen.
Transportunternehmungen wie Bergbahnen oder Skiliftbetreibern empfiehlt die bfu, vermehrt
gesicherte Abfahrtsrouten anzubieten.
September 2012

Polizeikontrollen
Aus Sicht der Prävention steht die Wirksamkeit von Polizeikontrollen ausser Zweifel. Geht die
polizeiliche Verkehrsüberwachung einher mit einer transparenten Kommunikation, zum Beispiel über
die verfolgten Ziele, erfüllt sie eine doppelte Funktion: Einerseits werden Zuwiderhandelnde bestraft,
andererseits werden den Verkehrsteilnehmenden die gesetzlichen Bestimmungen in Erinnerung
gerufen – was letztlich zu einem besseren Verhalten im Strassenverkehr beiträgt.
Wissenschaftliche Studien zu diesem Thema haben aufgezeigt, dass die Berücksichtigung bestimmter
Kriterien die Wirksamkeit von Polizeikontrollen steigern kann. So sollten diese nicht isoliert, sondern
wiederholt stattfinden, damit sich die Verkehrsteilnehmenden bewusst sind, dass sie kontrolliert
werden könnten. Die Kombination von angekündigten, gut sichtbaren, gross angelegten Kontrollen
und «Überraschungskontrollen» zeigt die besten Resultate. Auf jeden Fall aber ist es wesentlich, dass
die Verkehrsteilnehmenden den Sinn von Polizei­kontrollen einsehen und sie als Mittel zur Gewährleistung
ihrer eigenen Sicherheit sowie derjenigen der anderen Strassenbenutzenden akzeptieren.
Im internationalen Vergleich ist die Dichte der Geschwindigkeitskontrollen in der Schweiz angemessen,
Alkoholkontrollen finden aber noch immer zu selten statt. Die polizeiliche Verkehrsüberwachung,
bei der vor allem Geschwindigkeitsübertretungen auf der Autobahn ins Visier genommen werden,
sollten häufiger auch innerorts und ausserorts stattfinden sowie alle gefährlichen Verkehrsverhalten
abdecken.
Oktober 2010

«Raserinitiative»
Geschwindigkeitsübertretungen sind eine der zentralen Unfallursachen. Würden sich in der Schweiz
alle Autolenkenden an die Limiten halten, müssten jährlich im Durchschnitt rund 35 Menschen weniger
im Strassenverkehr sterben. Wegen deutlicher Überschreitung der angepassten Geschwindigkeiten
werden jährlich über 30 000 Führerausweise entzogen. Ein Thema, das im Zusammenhang mit den
Geschwindigkeitsdelikten immer wieder auftaucht, sind die sogenannten Raser.
Die Volksinitiative «Schutz vor Rasern» (Raserinitiative) von RoadCross definiert Raser wie folgt:
«... In jedem Fall gilt als besonders krasse Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit die
Überschreitung um mindestens 40 km/h bei 30 km/h zulässiger Höchstgeschwindigkeit, um
mindestens 50 km/h innerorts, um mindestens 60 km/h ausserorts und um mindestens 80 km/h auf
Autobahnen.». Folgende Tabelle verdeutlicht die Definition:
Ortslage (signalisierte
Höchstgeschwindigkeit)
Tempo-30-Zonen (30 km/h)
Innerorts (50 km/h)
Ausserorts (80 km/h)
Autobahnen (120 km/h)
Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit, um gemäss
Raserinitiative als Raser zu gelten
um 40 km/h oder mehr
um 50 km/h oder mehr
um 60 km/h oder mehr
um 80 km/h oder mehr
Diese Grenzwerte wurden inzwischen in Via sicura eingebaut und vom Parlament beschlossen. Die
bfu könnte sich allerdings auch tiefere Grenzwerte vorstellen. Zudem müssen die Witterungsverhältnisse
und die tatsächliche Gefährdung von anderen Verkehrsteilnehmenden miteinbezogen werden.
Auf jeden Fall müssen Extremtäter scharf bestraft werden.
Raser sind zwar sehr auffällig, aber nur für einen geringen Teil des Problems verantwortlich. Nur ein
Drittel der Lenkenden wird bei Geschwindigkeitsunfällen mit einem Führerausweisentzug sanktioniert
und nur ein Teil dieses Drittels kann als Raser im Sinn der Initiative bezeichnet werden. Die Gruppe
hingegen, die nur leicht auffällig ist (= etwas zu schnell fahren), ist viel grösser und demzufolge auch
viel öfter ein Teil des Problems von Unfällen wegen überhöhter Geschwindigkeit.
Deshalb ist die bfu der Meinung, dass es einerseits Massnahmen gegen die Hochrisikogruppe braucht
– beispielsweise die Volksinitiative «Schutz vor Rasern», anderseits auch gegen die breite Masse von
Schnellfahrern. Dafür eignen sich u. a. die konsequente Umsetzung des vom Parlament beschlossenen
Massnahmenpakets Via sicura, der Ausbau der Geschwindigkeitskontrollen und Sensibilisierungskampagnen,
die das Fahren mit angepasstem Tempo propagieren (z. B. Kampagne «Slow
down. Take it easy»).
Juli 2011
Wortlaut «Volksinitiative Schutz vor Rasern»

Rechtsüberholen
Das Strassenverkehrsgesetz verbietet das Rechtsüberholen (Art. 35 Abs. 1 SVG). Eine Ausnahme
sieht die Verkehrsregelnverordnung auf Autobahnen beim Fahren in parallelen Kolonnen vor (Art.
8 Abs. 3 VRV). Das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen ist darin jedoch ausdrücklich
untersagt.
Der Bundesrat wurde in einer Motion aufgefordert, das Rechtsüberholen auf Autobahnen in der
Schweiz zuzulassen. Diese Forderung wird damit begründet, dass der Verkehr flüssiger laufe, da die
rechte Fahrspur besser genutzt werde. Dies insbesondere bei hohem Verkehrsaufkommen. Als Beispiel
werden die USA aufgeführt, die das Rechtsüberholen teilweise erlauben. Es wird argumentiert,
dass sich in den USA wegen des Rechtsüberholens weniger Unfälle ereignen.
Tatsache ist jedoch, dass es in der Schweiz im Vergleich zu den USA pro Milliarde gefahrene Kilometer
etwa halb so viele Verkehrstote auf Autobahnen gibt (im Jahr 2007: 2,2 in der Schweiz, 4,5 in
den USA). Ausserdem gilt auch in vielen Staaten der USA ein Rechtsfahrgebot auf Autobahnen mit
nur 2 Spuren pro Fahrtrichtung. Erst ab 3 und mehr Spuren ist Rechtsüberholen erlaubt und das
Fahren auf der mittleren Fahrspur wird empfohlen. Da es in der Schweiz nur sehr wenig Autobahnstrecken
mit 3 Spuren in eine Fahrtrichtung gibt, ist eine diesbezügliche Ausnahmeregelung kaum
sinnvoll.
Die bfu teilt die Meinung des Bundesrats (vgl. Antwort auf die Motion Thomas Hurter vom
02.02.2011), dass das Verbot des Rechtsüberholens eine wichtige Verkehrsregel sei, die insbesondere
auf Autobahnen der Vermeidung von Unfällen dient. Der Spurwechsel vom linken auf den
rechten Fahrstreifen gestaltet sich sicherer, weil die Fahrzeuglenkenden darauf vertrauen dürfen, dass
sich nicht ein schneller fahrendes Fahrzeug von hinten nähert. Zudem sind gerade bei hohem Verkehrsvolumen
zusätzliche Rechts-Überholmanöver nicht sinnvoll, da damit ein Beschleunigen und
Bremsen und somit eine Gefahr verbunden ist.
Mit dem Aufheben des Verbots würde die Verkehrssicherheit gemindert. Gleichzeitig würde das
Rechtsfahrgebot aufgeweicht, das in allen kontinentaleuropäischen Staaten gilt.
März 2011

«Risikokompensation» – kein Argument gegen
Unfallverhütungsmassnahmen
Die Risikokompensationstheorie wird häufig ins Feld geführt, um unbequeme Sicherheitsmassnahmen
zu bekämpfen. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Problematik in der Regel als vernachlässigbar.
Die Theorie geht auf das Risikohomöostase-Modell von G.J.S. Wilde (1982) zurück, wonach Menschen
ein individuelles Risikobedürfnis aufweisen, das bei Über- und Unterschreiten zu einem veränderten
Verhalten führt. Gemäss dieser Theorie wird die positive Schutzwirkung (technischer) Sicherheitsmassnahmen
durch ein riskanteres Verhalten wieder zunichte gemacht.
Die Risikokompensationstheorie ist wissenschaftlich widerlegt. Zwar lässt sich eine gewisse Risikokompensation
nicht von vornherein für alle Situationen ausschliessen, bisherige Erfahrungen entkräften
aber viele Befürchtungen. So ist bekannt, dass kompensatorische Verhaltenseffekte in den meisten
Fällen nur vorübergehend während der Einführungsphase auftreten. Zudem ist die Schutzwirkung
der Präventionsmassnahme deutlich grösser als allfällige Nebenwirkungen der Risikokompensation.

Risikosportanbieter-Gesetz
Das «Bundesgesetz über das Bergführerwesen und Anbieten weiterer Risikoaktivitäten» ist aus Sicht
der Unfallprävention sinnvoll und nützlich. Alle inländischen und ausländischen Firmen, die in der
Schweiz kommerziell Risikoaktivitäten anbieten, müssen künftig Mindestanforderungen erfüllen. Das
führt zu einem Sicherheitsgewinn für die Kunden und stärkt die bestehende Selbstregulierung, die vor
allem durch die Stiftung «Safety in adventures» wahrgenommen wird.
Die bfu engagiert sich seit Jahren in dieser breit abgestützten Stiftung – zusammen mit dem Bundesamt
für Sport BASPO, der Suva, dem Schweizerischen Versicherungsverband SVV, der Swiss Outdoor
Association SOA, dem Schweizer Tourismus-Verband STV, Schweiz Tourismus ST sowie den
Kantonen BE, ZH, SG, BS, AG, VD und TI.
Juli 2012

Schock-Kampagnen
Präventionsfachleute stehen häufig einer grossen Herausforderung gegenüber – nämlich der, eine
Botschaft so zu übermitteln, dass eine Verhaltensänderung herbeigeführt werden kann. Diese Aufgabe
ist umso schwieriger, wenn das korrekte Verhalten eigentlich schon allen bekannt ist: Geschwindigkeitsbegrenzungen
einhalten, kein Alkohol am Steuer, Sicherheitsgurten tragen usw.
Seit einigen Jahren wird in verschiedenen Ländern versucht, die Allgemeinheit mit sogenannten
«Schockkampagnen» wachzurütteln, besonders zur Verhütung von Strassenverkehrsunfällen. Zum
Beispiel durch schockierende Slogans, blutüberströmte Menschen, demolierte Autos. Sind diese
Kampagnen effizienter als andere?
Um zum Nachdenken anzuregen und nach Möglichkeit eine Verhaltensänderung zu bewirken, muss
eine Botschaft folgenden Kriterien entsprechen:
Aufmerksamkeit wecken
verständlich und glaubhaft sein
akzeptiert werden
persönliche Betroffenheit auslösen
zu einer anhaltenden Einstellungsänderung führen
Handlungsmöglichkeiten aufzeigen
Der Einsatz von Schockbildern als einzelne Präventionsmassnahme kann Sinn machen, jedoch nur
nach einer gründlichen Situationsanalyse, bei einzelnen Zielgruppen und durch eine einordnende
Begleitmassnahme. Zum Beispiel in einem Kurs für Neulenkende: Die Bilder dienen als Grundlage für
einen Gedankenaustausch und für Selbstreflexion sowie für eine gezielte Information über korrektes
und falsches Verhalten und mögliche Verhaltensänderungen.
Zu brutale Schockbilder verlieren allerdings auch an Glaubhaftigkeit. Zudem können solche Bilder bei
Personen, die sie unerträglich finden, zu einer Abwehrhaltung führen, und von jenen, die sie mit einschlägigen
Bildern beispielsweise aus Videospielen in Verbindung bringen, banalisiert werden.
Die bfu sieht deshalb von Kampagnen ab, die ausschliesslich schocken. Die konkrete Bildsprache ist
abhängig von Thema und den anzusprechenden Zielgruppen. Dabei ist es der bfu wichtig, zum Nachdenken
anzuregen und für Gefahren zu sensibilisieren. Und auf dieser Basis mit positiven Anweisungen
zu einem sicherheitsfördernden Verhalten zu motivieren.
Januar 2011

Sportförderungsgesetz umsetzen
Im neuen Sportförderungsgesetz hat das Parlament den Stellenwert der Unfallverhütung deutlich erhöht.
In den Zielsetzungen des Gesetzes ist die «Verhinderung von Unfällen bei Sport und Bewegung»
explizit aufgeführt. In der Verordnung werden die Organisatoren von J+S-Angeboten (Art.11),
die J+S-Leiter und -Kader (Art. 15) sowie die Verantwortlichen für die Förderung des Erwachsenensports
(Art. 35) verpflichtet, die erforderlichen Massnahmen zur Verhinderung von Unfällen zu treffen.
Das Gesetz und die Verordnungen traten am 1. Oktober 2012 in Kraft. In Zusammenarbeit mit dem
BASPO erarbeitet die bfu nun Minimalanforderungen zur Verhinderung von Sportverletzungen. Diese
sollen in die Leiter- und Kaderausbildung einfliessen. Die spezifischen Risiken der rund 70 vom Bund
geförderten Sportarten werden berücksichtigt.
Die Steigerung der unfallverhütenden Qualität von Trainings, Wettkämpfen, Sportveranstaltungen und
Sportanlagen ist aus Sicht der bfu eine erfolgversprechende und nachhaltige Art der Sportförderung.
Fernziel ist ein Anreizsystem, das die Einhaltung von Sicherheitsstandards in intelligenter Form mit
der finanziellen Unterstützung durch öffentliche Gelder verknüpft.
Die bfu ist vom Nutzen der Sport- und Bewegungsförderung für die Gesundheit überzeugt. Die Zunahme
der Anzahl der Sporttreibenden darf nicht dazu führen, dass die Sportunfälle im selben Ausmass
ansteigen. «Clever im Sport» heisst, möglichst viel Sport mit möglichst wenigen Unfällen. Die
durch Sportunfälle verursachten direkten Behandlungskosten betragen über 700 Millionen Franken
pro Jahr. Die gesamten materiellen Kosten, in denen auch der Produktivitätsausfall infolge Arbeits
absenzen enthalten ist, belaufen sich auf über 1,8 Milliarden Franken jährlich.
Dezember 2012

Tempo-30-Zonen
Gemäss aktueller Rechtslage gilt auf allen Strassen innerorts die Höchstgeschwindigkeit Tempo 50
generell. Davon abweichende Tempolimiten – also auch Tempo-30-Zonen – müssen gemäss Art. 108
SSV (Abweichungen von den allgemeinen Höchstgeschwindigkeiten) mit einem Gutachten begründet
werden.
Mit Art. 108 SSV beabsichtigte der Gesetzgeber ursprünglich, abweichende Tempolimiten auf
spezifischen Streckenabschnitten einheitlich zu regeln (z. B. 60 km/h ausserorts oder 100 km/h auf
Autobahnen). Für Zonenregelungen ist dieser Artikel in seiner heutigen Form jedoch ungeeignet.
Um die Einführung von Tempo-30-Zonen zu vereinfachen, unterstützt die bfu Bestrebungen, Tempo-
30-Zonen auf siedlungsorientierten Strassen von Art. 108 SSV auszuklammern. Insbesondere
befürwortet die bfu die Aufhebung der Gutachtenspflicht für diese Zonen. Dadurch kann das bfu-
Modell 50/30 in den Gemeinden ohne aufwendige und teure Verfahren umgesetzt werden.
Im Gegenzug fordert die bfu rechtlich verbindliche Vorgaben zur Ausgestaltung von Tempo-30-Zonen:
Die Tempo-30-Zonen auf siedlungsorientierten Strassen müssen einheitlich ausgestaltet und von allen
Verkehrsteilnehmenden sofort erkannt werden. Diese Wiedererkennbarkeit fördert die Einhaltung der
tieferen Tempolimite und leistet damit einen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit.
Auch auf verkehrsorientierten Strassenabschnitten in Ortszentren kann es punktuell sinnvoll sein,
Tempo-30-Zonen einzuführen. Aus Sicht der Verkehrssicherheit sind dafür ebenfalls klare und
zwingende Kriterien rechtlich festzuhalten. Auf solchen verkehrsorientierten Strassenabschnitten ist
die Gutachtenspflicht aufrechtzuerhalten. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Tempo 30 effektiv
auch eingehalten wird und gleichzeitig keinesfalls Schleichverkehr auf siedlungsorientierten Strassen
entsteht.
Januar 2014

Tempo 140 auf Autobahnen – die unterschätzte
Gefahr
Eine «Facebook-Initiative» fordert eine Heraufsetzung der Tempolimite auf Schweizer Autobahnen
von 120 auf 140 km/h. Sie stützt sich u. a. auf die Behauptung, auf deutschen Autobahnen gäbe es
nicht mehr Unfälle als in der Schweiz, obwohl es in Deutschland keine generelle Tempolimite gibt.
Diese Behauptung ist falsch: Auswertungen von IRTAD-Daten zeigen, dass es in Deutschland pro
gefahrenen Kilometer 40 % mehr Verkehrstote auf Autobahnen gibt als in der Schweiz.
In der Unfallforschung gibt es zudem einen zentralen, weltweit unbestrittenen Zusammenhang: Je
schneller man fährt, umso wahrscheinlicher und schwerwiegender sind die Verkehrsunfälle.
Wissenschaftlich belegte Erfahrungen mit Änderungen der Geschwindigkeitslimiten sind eindeutig (z.
B. Elvik & Vaa: The Handbook of Road Safety Measures): Wird die Geschwindigkeitslimite erhöht,
steigt auch die Zahl der schweren Verkehrsunfälle. Wird die Limite gesenkt, sinken auch die
Unfallzahlen. Als in der Schweiz 1985 die Geschwindigkeitslimite auf Autobahnen von 130 auf 120
km/h reduziert wurde, verzeichnete die Statistik entsprechend einen klaren Rückgang der schweren
Unfälle.
Die Behauptung, dass die Fahrzeuglenkenden mit Tempo 120 quasi «eingeschläfert» werden,
entbehrt jeder Grundlage. Es gibt keinen Beleg, dass man aufmerksamer fährt, wenn man mit 140
statt 120 km/h unterwegs ist. Hingegen ist erwiesen, dass die Reaktionsgeschwindigkeit der
Fahrzeuglenkenden immer limitiert ist und der Bremsweg bei höherer Geschwindigkeit länger wird. Bei
der Heraufsetzung der Tempolimite auf 140 km/h werden zudem Geschwindigkeitsdifferenzen der
verschiedenen Fahrzeugtypen auf Autobahnen (z. B. Personenwagen versus LKW) grösser, was
unweigerlich negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit hat.
Statt einer generellen Erhöhung der Tempolimite auf Autobahnen sind vielmehr temporäre
Reduktionen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einzelnen Autobahnteilstücken sinnvoll. Diese
gewährleisten auch bei hoher Verkehrsdichte ein regelmässiges und damit letztlich schnelleres
Vorankommen.
Februar 2014

Unfallprävention im Strassenverkehr:
PW-Lenkerinnen im Fokus?
Die Suva empfiehlt in einer Studie bzw. der dazugehörigen Medienmitteilung vom 9. Januar 2013, im
Strassenverkehr gezielte Präventionsmassnahmen für – insbesondere berufstätige – Frauen zu erarbeiten.
Begründet wird diese Empfehlung mit der Tatsache, dass bei Frauen das Risiko eines Autounfalls
rund 25 % höher liegt als bei Männern. Die bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung widerspricht
indessen vehement der Schlussfolgerung, dass die Prävention sich jetzt auf Frauen konzentrieren
soll.
Absolute Unfallzahlen sind die relevante Grösse für die Unfallprävention
Für die Ausrichtung der Unfallprävention bilden die absoluten Unfallzahlen die relevante Grösse, nicht
die relativen Risiken, auf die sich die Suva stützt. Denn es geht darum, das tatsächliche Unfallgeschehen
zu reduzieren. Analysiert man diese absoluten Unfallzahlen, zeigt sich ein eindeutiges Bild:
2 von 3 schwer verletzen oder getöteten PW-Lenkenden sind Männer (736, 64 %; Frauen: 421, 36 %).
Männer sind häufiger Verursacher, Frauen Opfer von Verkehrsunfällen
Die einzige Unfallart, um die Schuldfrage nach Geschlecht unverfälscht zu untersuchen, ist die direkte
Kollision zwischen einem PW-Lenker und einer PW-Lenkerin. In über der Hälfte der Fälle (54 %) ist
der Mann allein verantwortlich, in 40 % ist es die Frau und in den restlichen 6 % der Fälle sind beide
schuld.
Verkehrsdelinquenz ist primär ein Männerproblem
Männer verletzen die Verkehrsregeln deutlich häufiger als Frauen. Der Anteil der Männer bei Verurteilungen
nach Strassenverkehrsgesetz liegt im Fünfjahresschnitt bei 86 %, Frauen machen lediglich
14 % aus. 17 % der fehlbaren verunfallten Männer gegenüber 10 % der Frauen sind zu schnell gefahren.
Noch grösser ist die Differenz beim Fahren unter Alkohol: Hier sind es 11 % der Männer versus
3 % der Frauen.
Frauen sind verletzlicher als Männer
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Frauen sind medizinisch gesehen verletzlicher, d. h., sie
erleiden bei gleichem Unfallhergang schwerere Verletzungen als Männer. Diese Tatsache wird auch
von der Suva in ihrer Studie erwähnt.
Frauen haben weniger Fahrpraxis und sind häufiger auf weniger sicheren Strassen unterwegs
Frauen ab der Altersklasse der 25- bis 30-Jährigen haben pro gefahrenen Kilometer tatsächlich ein
höheres Unfallrisiko. Das liegt daran, dass PW-Lenkerinnen weniger Kilometer zurücklegen als PW-
Lenker und damit über weniger Fahrpraxis verfügen, was die Unfallgefahr erhöht. Zudem fahren
Frauen auch weniger auf Autobahnen als Männer. Gerade dieser Strassentyp ist aber besonders
sicher und senkt damit das Unfallrisiko bei den Männern pro gefahrenen Kilometer.
Fazit
Eine Unfallprävention, die ihren Hauptfokus auf die Frauen legt, ist aus Sicht der bfu nicht zweckmässig.
Zum einen bilden die Männer – gemessen an den absoluten Unfallzahlen, aber auch an der
Schuldfrage – nach wie vor die Hauptrisikogruppe. Zum anderen betreffen die in der Suva-Studie
postulierten «Schwächen» der PW-Lenkerinnen Faktoren, die durch Präventionsmassnahmen nicht

zu verändern sind bzw. deren Veränderung nicht wünschenswert ist.
So ist die höhere Verletzlichkeit von Frauen ein physiologisches Faktum, gegen das die Unfallprävention
nichts ausrichten kann. Eine Verbesserung der Fahrpraxis würde durch eine Steigerung der
Fahrleistung von Frauen (besonders auf Autobahnen) erreicht. Dieser Mehrverkehr würde aber nicht
nur zu (absolut gesehen) mehr Unfällen führen, sondern wäre auch ökologisch kaum zu vertreten.
Aus Sicht der bfu ist es somit sinnvoll, die bewährte Unfallprävention im Strassenverkehr weiterzuführen,
ohne den Fokus neu zu justieren. Sichere Strasseninfrastrukturen, sichere Fahrzeuge und die
Bekämpfung von Risikofaktoren wie Alkohol, nicht angepasste Geschwindigkeit (davon sind vor allem
Männer betroffen) oder Ablenkung kommen sämtlichen Verkehrsteilnehmenden zugute, unabhängig
vom Geschlecht und von den Fortbewegungsmitteln.
Januar 2013

Velohelm tragen
Jedes Jahr werden rund 900 Radfahrerinnen und Radfahrer bei Verkehrsunfällen auf Schweizer
Strassen schwer verletzt, zwischen 30–50 werden getötet. Kopfverletzungen gehören zu den häufigsten
Todesursachen. Ein Helm kann Kopfverletzungen reduzieren oder verhindern – nicht in jedem
Fall, aber oft. In wissenschaftlichen Studien wird kaum je an der Wirksamkeit des Helms gezweifelt.
Vielmehr dreht sich die Forschung um die Frage, welche Art Kopfverletzungen der Helm um wie viel
zu reduzieren vermag.
Mitunter wird der Velohelm pauschal kritisiert, weil befürchtet wird, wegen des Helms werde weniger
Velo gefahren. Es gibt aber keine Evidenz für einen langfristigen und nennenswerten Effekt dieser Art.
Das Parlament hat es im Juni 2012 abgelehnt, ein Velohelmobligatorium für Kinder unter 14 Jahren
einzuführen. Die Parlamentarier haben aber einhellig gefordert, das Helmtragen zu fördern, unter
anderem mit Präventionskampagnen. Die bfu kommt diesem Wunsch nach und motiviert die Bevölkerung
mit der Kampagne «LOVE VELO – immer mit Helm» (www.lovevelo.ch), der Abgabe von
Velohelmbons sowie diversen Ratgebern und Schulungsunterlagen.
Die Sicherheit der Velofahrenden hängt nicht nur vom Velohelm ab. Die bfu empfiehlt in ihrem
Sicherheitsdossier «Fahrradverkehr» eine Vielzahl von Massnahmen, u. a. im Bereich der
Strassenraumgestaltung oder Geschwindigkeitsreduktionen innerorts.
Juli 2012

Verkehrsfluss auf den Nationalstrassen
verbessern
Um Staus auf Autobahnen zu reduzieren und den Verkehrsfluss zu erhöhen, schlägt der Bundesrat
eine Reihe von Massnahmen vor:
Pannenstreifen-Umnutzung
Punktuelle Lastwagen-Überholverbote
Temporäre schrittweise Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einzelnen Autobahnteilstücken
Umfassende Information der Verkehrsteilnehmenden über Staus und Umfahrungsempfehlungen
Bewirtschaftung von Autobahnanschlüssen
Zusätzliche Fahrspuren zur Beseitigung von Engpässen
Die bfu unterstützt die Vorschläge weitgehend. Bedenken hat die bfu zur Pannenstreifen-Umnutzung.
Aus Sicht Unfallverhütung ist eine dauernde Umnutzung nicht empfehlenswert, weil das Unfallrisiko
ansteigt (weniger Raum für Pannenfahrzeuge, zum seitlichen Ausweichen bei Hindernissen auf der
Fahrbahn, für Absperr- und Markierungsmassnahmen bei Baustellen etc.). Die Nutzung von Pannenstreifen
muss daher von Sicherheitsmassnahmen begleitet werden, u. a. Geschwindigkeitsreduktionen
und stärkere Verkehrsüberwachung.
Besonders begrüssenswert sind aus Sicht bfu die temporäre schrittweise Reduktion der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit auf einzelnen Autobahnteilstücken sowie die umfassende Information der
Verkehrsteilnehmenden über Staus und Umfahrungsempfehlungen. Diese Massnahmen erhöhen
nicht nur den Verkehrsfluss, sondern leisten auch einen Beitrag zur Unfallverhütung.
Februar 2012

Verve
Der Bund möchte mit dem Projekt Verve (Verwesentlichung der Verkehrsregeln) die Verhaltensvorschriften
im Strassenverkehr vereinfachen und bürgerfreundlicher gestalten. Der «Verkehrsschilderwald»
soll reduziert werden. Verve ist Teil des Handlungspakets Via sicura.
Die bfu begrüsst dieses Vorhaben des Bundes. Die Vereinfachungen dürfen allerdings die Verkehrssicherheit
nicht beeinträchtigen. Im Rahmen der Anhörung hat die bfu ausführlich zu einzelnen Vorschlägen
der geplanten Verordnungsrevisionen Stellung genommen (vgl. Link).
Einer der auffälligsten Revisionspunkte ist der Vorschlag zur Abschaffung der Tafel «Höchstgeschwindigkeit
50 generell». Künftig soll die Innerorts-Geschwindigkeitsregel ab der Ortstafel gelten,
ähnlich wie es bereits in einigen umliegenden Ländern gehandhabt wird. Die Folgen für die Verkehrssicherheit
sind noch nicht absehbar. Eine Arbeitsgruppe sollte die Implementierung der geplanten
Regelung eingehend prüfen und beispielsweise Vorgaben für die Standortwahl der künftigen Ortstafeln
nach Kriterien der Unfallsicherheit entwickeln. Es ist eine angemessene Übergangszeit vorzusehen
und die Verkehrsteilnehmenden müssen rechtzeitig und verständlich informiert werden.
April 2011

Via sicura
Das Parlament hat im Juni 2012 dem Handlungsprogramm des Bundes zur Erhöhung der Sicherheit
auf den Schweizer Strassen «Via sicura» zugestimmt. Das Paket umfasst eine Reihe von Gesetzesänderungen,
die in den Jahren 2013 bis 2016 schrittweise in Kraft treten werden. Wichtige Elemente
von Via sicura sind:
Pflicht zur Berücksichtigung der Strassenverkehrssicherheit bei Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb
von Strassen
Behebung der Unfallschwerpunkte und Gefahrenstellen auf den Strassen
Vorschriften für sichere Fussgängerstreifen
Bund und Kantone ernennen Sicherheitsbeauftragte für den Verkehrssicherheitsbereich
Null-Promille-Grenze für Personengruppen mit besonderen Unfallrisiken (z. B. Neulenker)
Ausbau der Fahreignungsabklärung und der Nachschulung für Verkehrsdelinquenten
Vorschriften bzw. Rückfallprophylaxe für Verkehrsdelinquenten (z. B. Einbau einer Blackbox,
Alkoholwegfahrsperre)
Mehr Alkoholkontrollen der Verkehrspolizei dank der Ablösung der aufwändigen Blutprobe durch
die effiziente, beweissichere Atemalkoholprobe
Möglichkeit, Raser aus dem Verkehr zu ziehen, bevor ein schwerer Unfall passiert ist
Die konsequente Umsetzung dieses Verkehrssicherheitsprogramms wird rund 100 Todesfälle und
1000 Schwerverletzte (davon 100 neue IV-Fälle) pro Jahr verhindern. Die bfu wird mit einem wissenschaftlichen
Monitoring die Umsetzung der gesetzlichen Massnahmen begleiten.
Juli 2012

Vorgezogene Fahrausbildung?
Der TCS schlägt eine Herabsetzung des Alters für den Lernfahrausweis vor. Begründet wird der Vorschlag
mit dem Argument, dass eine vorgezogene Ausbildung eine längere Übungsphase erlaube und
sich diese positiv auf die Unfallbilanz der Neulenkenden auswirke. Als Beispiel wird die erfolgreiche
Einführung der vorgezogenen Fahrausbildung in Schweden und weiteren europäischen Ländern
angeführt.
Der Positiveffekt vermehrter Übung ist unbestritten und würde auch in der Schweiz die schlechte
Unfallbilanz der Neulenkenden verbessern. Eine längere Ausbildungsphase ermöglicht das Sammeln
von mehr Erfahrung in einem begleiteten und damit geschützten Rahmen. Zudem passieren während
den begleiteten Fahrten praktisch keine Unfälle.
Aber es gibt auch einen Negativeffekt, der zu mehr Unfällen führt: Rund 40 000 junge Fahrerinnen
und Fahrer würden ein halbes Jahr früher auf die Strasse kommen, weil sie dank dem früheren Lernfahrausweis
unmittelbar nach dem 18. Geburtstag den Führerschein erwerben könnten (das aktuelle
Durchschnittsalter für die Fahrprüfung liegt heute bei 19,1 Jahren).
Eine bessere Sicherheitsbilanz wäre erreichbar, wenn das begleitete Üben mit Laien (z. B. Eltern)
ohne Vorziehen der Fahrausbildung gefördert würde. Die Unfallforschung zeigt, dass diese Form der
Ausbildung sehr nützlich ist. Um die Laienbegleitenden besser zu unterstützen, sollte die Arbeit der
Fahrlehrer mit dem Üben durch Laien besser koordiniert werden, beispielsweise durch die Einführung
eines Lernportfolios, in dem die absolvierten Übungsfahrten ausgewiesen würden. Die Förderung der
Laienbegleitung entspräche auch den aktuellen Diskussionen und Vorschlägen von OPERA-3, dem
nationalen Projekt zur Optimierung der ersten Phase der Fahrausbildung.
Oktober 2012

Winterreifen-Obligatorium
In der Schweiz besteht keine gesetzliche Pflicht, das Auto im Winter mit Winterreifen auszurüsten.
Personen, die aber im Winter mit einem Fahrzeug mit Sommerreifen unterwegs sind, gefährden sich
und andere Verkehrsteilnehmende. Sommerreifen haben nämlich schon bei 7 Grad Celsius keine
optimale Bodenhaftung mehr. Wird wegen der mangelhaften Ausrüstung des Fahrzeugs ein Unfall
verursacht, kann die Versicherung Leistungen kürzen oder Regress nehmen. Selbst wer wegen
Sommerpneus im Winter stecken bleibt und dadurch den Verkehrsfluss beeinträchtigt, kann unter
Umständen wegen Verletzung der Grundverkehrsregeln zur Rechenschaft gezogen werden.
Noch sind jeden Winter zu viele Personenwagen mit Sommerreifen auf Schweizer Strassen unterwegs.
Die Nachbarländer der Schweiz kennen gesetzliche Regelungen, die die Verwendung von
Winterreifen vorschreiben. In Deutschland zum Beispiel besteht bei winterlichen Strassenbedingungen
(Glatteis, Schnee, Schneematch) eine solche Pflicht, genauso in Österreich (vom 1. November bis
15. April). In Italien kann ebenfalls für einzelne Strecken zu bestimmten Zeiten und bei entsprechenden
Winterverhältnissen kurzfristig die Benützung von Winterreifen vorgeschrieben werden.
Die bfu befürwortet die Einführung eines Winterreifen-Obligatoriums auch für die Schweiz und würde
einen entsprechenden Vorstoss unterstützen. Praktikabel wäre eine Pflicht von November bis März,
auch in den wärmeren Regionen der Schweiz wie im Tessin. Bereits heute empfiehlt die bfu, Winterreifen
mit mindestens 4 Millimeter Profil von Oktober bis Ostern zu montieren (Merkregel: von O bis
O).
Wichtig ist festzuhalten: Winterreifen bilden eine notwendige Ergänzung, keineswegs aber einen
Ersatz für eine an die Strassenverhältnisse angepasste Fahrweise.
Januar 2011

Zweiphasenausbildung / Führerausweis auf Probe
In der Schweiz ist Ende 2005 die sogenannte Zweiphasenausbildung in Kraft getreten. Damit wurde
die damals bestehende Fahrausbildung um eine dreijährige Probephase erweitert. Alle Neulenkenden
müssen während der Probezeit zwei ganztägige Weiterausbildungskurse absolvieren. Zudem gilt ein
verschärftes Sanktionsregime: Im Fall von verkehrsgefährdenden Widerhandlungen, die zu einem
Führerscheinentzug führen, wird die Probephase zunächst um ein Jahr verlängert. Bei einem weiteren
Vergehen wird der Ausweis auf Probe annulliert. Ein neues Gesuch um einen Lernfahrausweis kann
frühestens ein Jahr nach der Annullierung gestellt werden, sofern ein verkehrspsychologisches Gutachten
die Fahreignung bejaht.
Ob die Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe tatsächlich unfallreduzierend wirken, hat die bfu –
Beratungsstelle für Unfallverhütung in einer umfassenden Evaluationsstudie wissenschaftlich geprüft.
Nebst den vom Bundesamt für Strassen ASTRA in Auftrag gegebenen Analysen der amtlichen Unfallstatistik
wurden zusätzlich Befragungsdaten erhoben und ausgewertet, um vertiefte Kenntnisse zu
den Funktions- und Wirkungsstrukturen der Massnahme zu erhalten.
Die durchgeführten Unfallanalysen konnten die erwarteten Unfallreduktionen nachweisen: Junge
Neulenkende in der Probephase verursachen weniger Unfälle mit schweren Verletzungsfolgen als
aufgrund des allgemeinen Sicherheitstrends zu erwarten wären. Die Reduktion beträgt über 10 %. In
Anbetracht der schwierigen Datenlage, vorliegender Datenlücken und einer unstetigen Unfallentwicklung
im Vorfeld empfiehlt sich eine zurückhaltende Interpretation der berechneten Unfallreduktionen.
Die Befragungsdaten belegen die positiven Auswirkungen der Sanktionsandrohung auf das Fahrverhalten.
Indessen konnten die Sicherheitseffekte der Weiterausbildungskurse nicht im erhofften Ausmass
nachgewiesen werden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, im Rahmen des laufenden
ASTRA-Projekts zur Optimierung der Fahrausbildung die Weiterausbildungskurse zu verbessern. Um
dem weitverbreiteten Hinauszögern der Kursbesuche durch die Neulenkenden entgegenzuwirken,
sollte ein frühes Zeitfenster für die Absolvierung der Weiterausbildungskurse vorgeschrieben werden.
Nur so wird die Zeitspanne mit dem grössten Unfallrisiko abgedeckt.
Insgesamt leistet die Probephase bereits jetzt einen nachweislichen Beitrag zur Verkehrssicherheit,
der durch verschiedene Anpassungen weiter gesteigert werden kann.
November 2013