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ATTICUS<br />
N°-3<br />
NICHT LUSTIG<br />
Titelbild: Felix Gephart; Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators<br />
Manche Begriffe gehen einem nach der<br />
Lektüre eines Textes nicht mehr aus<br />
dem Kopf, weil sie so treffend sind – oder<br />
so sperrig. Oder beides <strong>auf</strong> einmal. „Erlebnisund<br />
gewaltorientierte Jugendliche“ ist ein<br />
solcher Begriff aus Alexander Marguiers<br />
Titelgeschichte über Gewaltausbrüche in<br />
deutschen Großstädten. So nennt die<br />
Polizei offiziell jene Testosteron‐Touristen,<br />
die sich schwarz einkleiden und zu den<br />
Prügelpartys der Republik tingeln.<br />
Vor Weihnachten versammelten sich<br />
die Spaßschläger in Hamburg und prügelten<br />
sich mit der Polizei, angeblich zur<br />
Rettung des Kulturzentrums „Rote Flora“.<br />
In Berlin werden sie zum 1. Mai wieder<br />
einfallen, um so zum Spaß Sch<strong>auf</strong>ensterscheiben<br />
einschmeißen zu können, das<br />
Ganze verbrämt als politischer Kampf für<br />
die armen unterdrückten Arbeiter.<br />
Man hat sich an dieses Phänomen<br />
schon beinahe schleichend gewöhnt.<br />
Alle Jahre wieder die Heimsuchung der<br />
Hirnverbrannten. Dieses Magazin fühlt<br />
sich der politischen Kultur verpflichtet,<br />
und deshalb sagt <strong>Cicero</strong>: Es gibt kein <strong>Recht</strong><br />
<strong>auf</strong> <strong>Randale</strong>. Es gibt keine Legitimationsgrundlage<br />
für rechtsfreie Räume der<br />
Gewalt. Das Monopol der Gewalt liegt<br />
beim Staat und nur dort. In dieser Ausgabe<br />
geben wir daher auch den Polizisten Raum,<br />
denjenigen, die buchstäblich den Kopf<br />
hinhalten müssen für den perversen Spaß<br />
der Partyschläger ( Seite 26 ). Nicht nur<br />
nebenbei macht der oberste Interessenvertreter<br />
der Polizisten, Oliver Malchow,<br />
deutlich, wer die Party am Ende bezahlt<br />
( Seite 28 ). Frank A. Meyer, ein Freund<br />
klarer Worte, hat seinen eigenen Begriff<br />
für erlebnis- und gewaltorientierte Jugendliche.<br />
Er nennt sie: „Pack“ ( Seite 30 ).<br />
Wir bei <strong>Cicero</strong> lieben den Spaß.<br />
Aber hier verstehen wir keinen. Das ist<br />
eine Frage des Prinzips.<br />
Ums Prinzip geht es auch bei der<br />
sogenannten Rente mit 63. Wir fragten<br />
den Vater der Rente mit 67, ob er nicht<br />
seine Meinung zur Rentenpolitik der<br />
Großen Koalition <strong>auf</strong>schreiben wolle.<br />
Eines Mittwochs klingelte es dann an der<br />
Tür der Redaktion. Ein Mann mit rotem<br />
Schal um den Hals stand davor, hatte<br />
einen hellbraunen Umschlag dabei, darin<br />
ein Manuskript, <strong>auf</strong> seiner berühmten<br />
„Gabriele“ geschrieben und von Hand<br />
hie und da korrigiert. Darüber stand unterstrichen:<br />
„für CICERO, Franz Müntefering,<br />
8. 2. 14“. Ab Seite 82 können Sie nachlesen,<br />
was der frühere Vizekanzler von<br />
der Rentenpolitik seiner früheren Regierungschefin<br />
Merkel und seinen beiden<br />
Parteifreunden Sigmar Gabriel und<br />
Andrea Nahles hält. Ungefähr so viel<br />
wie wir von Gewaltpartys.<br />
Mit besten Grüßen<br />
CHRISTOPH SCHWENNICKE<br />
Chefredakteur<br />
5<br />
<strong>Cicero</strong> – 3. 2014