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Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013 ... - AWO Karlsruhe

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<strong>Wahlprüfsteine</strong> der <strong>AWO</strong> im<br />

Landkreis <strong>Karlsruhe</strong> und Stadt <strong>Karlsruhe</strong> <strong>zur</strong> <strong>Bundestagswahl</strong> <strong>2013</strong><br />

Sehr geehrte Damen und Herren,<br />

Bruchsal / <strong>Karlsruhe</strong>, 28. August <strong>2013</strong><br />

die <strong>Bundestagswahl</strong> <strong>2013</strong> steht kurz bevor und mit ihr entstehen an vielen Punkten Themen,<br />

die uns beschäftigen. Oft sind diese Themen an konkrete Fragen geknüpft, die wir uns<br />

stellen und bei denen wir uns als Bürgerinnen und Bürger wünschen würden, in der Politik<br />

stärker Gehör zu finden.<br />

Als <strong>AWO</strong> Kreisverband <strong>Karlsruhe</strong>-Land e.V. und <strong>AWO</strong> Kreisverband <strong>Karlsruhe</strong>-Stadt e.V.<br />

haben wir dieses Interesse aufgegriffen und Fragen rund um die Themen Kinderbetreuung,<br />

familienbezogene Leistungen, Pflege, Fachkräftemangel, Altersarmut und Menschen mit<br />

Behinderungen an die Bundestagskandidatinnen und –kandidaten der im Bundestag<br />

vertretenen Parteien in unseren <strong>Bundestagswahl</strong>kreisen Bruchsal-Schwetzingen, <strong>Karlsruhe</strong>-<br />

Land und <strong>Karlsruhe</strong> gestellt.<br />

Die Antworten zu unseren Fragen haben wir getrennt nach Landkreis und Stadtgebiet<br />

veröffentlicht. Erfreulicherweise ist die Mehrzahl der Kandidatinnen und Kandidaten unserem<br />

Aufruf gefolgt, sodass umfangreiche Vergleichsmöglichkeiten geschaffen wurden.<br />

Bedauerlicherweise liegen uns trotz mehrmaliger Nachfrage keine Antworten von Herrn<br />

Gutting (CDU / Bruchsal-Schwetzingen), Frau Biedermann (FDP / Bruchsal-Schwetzingen)<br />

und Herrn Bayaz (Bündnis 90/die Grünen / <strong>Karlsruhe</strong>-Land) vor.<br />

Dank der verschiedenen Wahlkreise können wir Ihnen eine breite Palette an Antworten<br />

präsentieren, die wir in die verschiedenen Wahlkreise aufgeteilt haben.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen.<br />

Ihre<br />

<strong>AWO</strong> Kreisverband <strong>Karlsruhe</strong>-Land e.V.<br />

<strong>AWO</strong> Kreisverband <strong>Karlsruhe</strong>-Stadt e.V.<br />

Roland Herberger Gustav Mangei Angela Geiger Gustav Holzwarth<br />

Vorsitzender Geschäftsführer Vorsitzende Geschäftsführer


Wahlkreis <strong>Karlsruhe</strong><br />

Die Reihenfolge wurde nach Eingang der Antworten der Bundestagskandidaten/innen<br />

festgelegt.<br />

1. Rechtsanspruch sicherstellen, Qualität gewährleisten<br />

Am 1. August <strong>2013</strong> tritt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab dem ersten<br />

Lebensjahr in Kraft. Dieser wird vielerorts nicht eingehalten werden können bzw. zu Lasten der<br />

Qualität der Kinderbetreuung gehen. Die <strong>AWO</strong> engagiert sich für mehr Kita-Plätze bei hoher<br />

Betreuungsqualität.<br />

Frage:<br />

Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um den Ausbau der<br />

Kinderbetreuungsplätze voran zu treiben ohne die Qualität der Betreuung zu gefährden?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

Wir wollen im Falle eines Erfolgs bei der <strong>Bundestagswahl</strong> einen Drei-Stufen-Plan <strong>zur</strong> Kinderbetreuung<br />

umsetzen, der die Kinderbetreuung in Deutschland weiter voranbringt:<br />

1. Fortsetzung des Kita-Ausbaus: Die SPD will 200.000 zusätzliche Plätze bis 2017 schaffen und<br />

den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz erweitern. Das Betreuungsgeld soll abgeschafft und die<br />

Mittel in den Kita-Ausbau investiert werden.<br />

2. Erhöhung der Betreuungs-Qualität: Mit einer Fachkräfteoffensive wird die SPD Erzieherinnen<br />

und Erziehen akquirieren. Außerdem sollen die Arbeitsbedingungen in den Kitas verbessert und<br />

kleinere Gruppen ermöglicht werden.<br />

3. Abschaffung der Kita-Gebühren: Durch die Gebührenfreiheit sparen Eltern durchschnittlich bis<br />

zu 160 Euro im Monat. Im Jahr sind das rund 1900 Euro. Damit werden insbesondere Familien der<br />

Mittelschicht entlastet.<br />

Zur Umsetzung des Stufenplans wird SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück innerhalb der ersten 100<br />

Tage nach der Wahl Bund, Länder, Kommunen, Fachleute und Elternorganisationen zu einer Krippen-<br />

Konferenz einladen. Zwischen Bund und Ländern soll darüber hinaus ein Staatsvertrag geschlossen<br />

werden, der die Finanzierung der Kinderbetreuung fair und transparent regelt und sicherstellt, dass<br />

das Geld bei den Kitas auch wirklich ankommt.<br />

Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

CDU und CSU haben in dieser Legislaturperiode den Ausbau der U3 Betreuung mit 4.5 Mrd. Euro<br />

seitens des Bundes durchgesetzt. Für die laufenden Betriebskosten haben wir für die kommenden<br />

Jahre jeweils 75 Mio. Euro jährlich vorgesehen. Wir wollen weiter offensiv für die Gewinnung von<br />

Fachkräften im Bereich Kinderbetreuung werben.<br />

Mir persönlich ist es seit Jahren ein wichtiges Anliegen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu<br />

verbessern. Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf trägt erheblich <strong>zur</strong> Steigerung der<br />

Attraktivität <strong>Karlsruhe</strong>s für junge Familien und gut ausgebildete Frauen und Männer bei. Für<br />

Alleinerziehende ist sie sogar von existentieller Bedeutung. Sie hilft, die Herausforderungen des<br />

demographischen Wandels besser zu bewältigen. Sie ist zugleich Wirtschaftsförderung im besten<br />

Sinne, weil davon <strong>Karlsruhe</strong> im Wettbewerb um die klügsten Köpfe profitiert. Wir können es uns nicht<br />

leisten, auf die Fähigkeiten und die Arbeitskraft gerade vieler junger, ausgezeichnet ausgebildeter<br />

Frauen zu verzichten. Dabei geht es in keiner Weise darum, Eltern eine bestimmte Art der Erziehung<br />

und Betreuung vorzuschreiben, sondern ihnen zu ermöglichen, ihren eigenen Lebensentwurf zu leben<br />

und damit Wahlfreiheit zu schaffen.<br />

2


Der Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter 3 Jahren ist in <strong>Karlsruhe</strong> in den letzten<br />

Jahren mit meiner vollen Unterstützung in Fahrt gekommen. Aber der Weg, um den Bedarf zu<br />

decken, ist noch weit. Ich halte deshalb den Ausbau von qualitativ hochwertigen, zeitlich flexiblen<br />

Kinderbetreuungsmöglichkeiten in <strong>Karlsruhe</strong> für das wichtigste sozialpolitische Projekt der nächsten<br />

Jahre. Es muss von Seiten der Stadt mit erster Priorität angegangen werden.<br />

Das bedeutet, dass der Neubau von Kindertagesstätten durch freie Träger von der Stadt gefördert<br />

wird, indem sie geeignete Grundstücke <strong>zur</strong> Verfügung stellt. Ein zusätzlicher Anreiz, wie die<br />

vollständige Übernahme der ungedeckten Betriebskosten in den ersten drei Jahren durch die Stadt,<br />

kann den notwendigen Ausbau beschleunigen. Auch an eine Umnutzung leer stehender<br />

Räumlichkeiten durch einen adäquaten Umbau ist zu denken.<br />

Ein Schwerpunkt sollte auch auf mehr betrieblichen Kinderbetreuungseinrichtungen gelegt werden,<br />

indem die Stadt mit der Wirtschaft Möglichkeiten für gemeinsame Angebote mehrerer kleiner Betriebe<br />

erörtert.<br />

Neben der baulichen Herausforderung, die der Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen<br />

bedeutet, stellt die nicht ausreichende Zahl von Erzieherinnen und Erziehern eine große Aufgabe dar.<br />

Es müssen daher Wege gefunden werden, die Attraktivität und die Wertschätzung dieses wichtigen<br />

und verantwortungsvollen Berufs zu steigern.<br />

Eine Zulage oder höhere Besoldung der Erzieherinnen und Erzieher in <strong>Karlsruhe</strong> halte ich nicht zuletzt<br />

deswegen für notwendig, weil wir durch die hohen Mietpreise gegenüber dem Umland einen<br />

Wettbewerbsnachteil bei der Anwerbung dieser nachgefragten Berufsgruppe haben.<br />

Die neue duale Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher, die bereits während der Ausbildung eine<br />

Bezahlung für die Azubis vorsieht, ist ein guter Ansatz. Um zu gewährleisten, dass die Träger diese<br />

neue, kostenintensivere Ausbildung anbieten, bedarf es eines Zuschusses des Landes oder der Stadt<br />

an die Träger. lm Gegenzug sollten sich die Erzieherinnen und Erzieher nach der Ausbildung für eine<br />

gewisse Zeit an eine Tätigkeit in <strong>Karlsruhe</strong> binden.<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Die Gesamtkapazität in Tageseinrichtungen der Stadt <strong>Karlsruhe</strong> wird voraussichtlich Ende <strong>2013</strong> bei<br />

2.944 und Ende 2014 bei 3.409 Plätzen für Kinder unter Dreijahren liegen. Ein Schwerpunkt liegt auch<br />

in Zukunft in der steten Verbesserung der Qualität der Betreuung, in der Qualifizierung von<br />

Erzieherinnen und Erziehern aber auch im quantitativen Ausbau, z. B. bei den „Randzeiten“. Auch<br />

Private Anbieter sollen dabei stärker einbezogen werden.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Der Rechtsanspruch muss angemessener finanziert, der Bedarf realistischer geplant werden. Damit<br />

die Qualität nicht auf der Strecke bleibt, legen wir bundesweite Qualitätsstandards fest. Außerdem<br />

fordern wir die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz in der Kita bzw. in der<br />

Kindertagespflege und unterstützen den bedarfsgerechten Ausbau der Ganztagsbetreuung in allen<br />

Altersgruppen. Das von der Bundesregierung eingeführte, in unseren Augen unsinnige<br />

Betreuungsgeld wollen wir wieder abschaffen und das Geld stattdessen in den Ausbau von<br />

Kinderbetreuungsinfrastruktur investieren.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Im SGB VIII zu verankernde Mindeststandards für die Kinderbetreuung sind am besten durch eine<br />

qualifizierte Ausbildung und bessere Bezahlung der Erzieher/innen zu erreichen. Zur Attraktivität des<br />

Erzieherberufs sind die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss<br />

auch Kita-Beschäftigten ermöglicht werden. Zur Finanzierung ist das Betreuungsgeld zu streichen und<br />

der Bund stärker und dauerhaft an der Finanzierung der Kindertagesbetreuung zu beteiligen.<br />

3


2. Kinderarmut<br />

Armut ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, das hat die <strong>AWO</strong><br />

in ihrer Langzeitstudie: „Von alleine wächst sich nichts aus…“ 1 nachgewiesen. Die <strong>AWO</strong> fordert die<br />

Einführung einer Kindergrundsicherung, die alle Kinder mit 536 Euro monatlich absichert. Diese<br />

Leistung, deren Höhe stets an die Inflationsrate angepasst werden soll, würde alle bisherigen<br />

Leistungen, wie das Kindergeld, den steuerlichen Kinderfreibetrag, den Kinderzuschlag und das<br />

Sozialgeld im SGB II ersetzen und den grundlegenden Bedarf, den das Bundesverfassungsgericht für<br />

Kinder festgestellt hat, decken. Darüber hinaus fordert die <strong>AWO</strong> eine Verfahrensvereinfachung und<br />

die Neugestaltung des Bildungs- und Teilhabepakets, um die Bildungs- und Teilhabechancen junger<br />

Menschen zu erhöhen.<br />

1 Langzeitstudie der Arbeiterwohlfahrt (<strong>AWO</strong>) und des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) „Von alleine wächst<br />

sich nichts aus ...“, Lebenslagen von (armen) Kindern und Jugendlichen und gesellschaftliches Handeln bis zum Ende der<br />

Sekundarstufe I.<br />

Frage:<br />

Welche Konzepte verfolgen Sie und Ihre Partei, um familienbezogene Leistungen<br />

bedarfsgerechter auszubauen?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

- Vor dem Hintergrund eines Armutsrisikos für ca. 2,5 Millionen der Kinder und Jugendlichen<br />

in Deutschland besteht dringender Handlungsbedarf, der schnelle Verbesserungen z. B. durch<br />

den Ausbau der Infrastruktur und zusätzliche Geldtransfers erfordert. Bei der Suche nach<br />

Lösungen für die Verringerung von Kinderarmut in Deutschland dürfen die Bereiche „Geld“ und<br />

„Infrastruktur“ nicht gegeneinander ausgespielt werden.<br />

- Eine familienbewusste und armutsvermeidende Arbeitsmarktpolitik, insbesondere die<br />

Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, sind die wichtigsten Aktivitäten hinsichtlich einer<br />

nachhaltigen Vermeidung von Kinderarmut. Da Kinderarmut immer auch Familienarmut bedeutet,<br />

ist die wirksamste Strategie gegen Kinderarmut, jedes Elternteil in eine existenzsichernde<br />

Beschäftigung zu bringen und alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich zu qualifizieren. Nichts<br />

verringert das Armutsrisiko so nachhaltig, wie ein hoher Bildungsgrad.<br />

- Dringlichstes Ziel bleibt zunächst weiterhin eine verfassungsgemäße, d.h. transparente,<br />

sachgerechte und realitätsgerechte Berechnung der Regelsätze und die Einführung<br />

eigenständiger Regelsätze für Kinder, inklusive spezifischer atypischer Sonderbedarfe.<br />

- Das Bildungs- und Teilhabepaket muss ergänzt und in Richtung eines Rechtsanspruchs auf<br />

gebührenfreie, ganztägige vorschulische und schulische Bildung und Betreuung, inkl.<br />

Mittagessen und Förderunterricht, ausgebaut werden.<br />

- Reform des Kindergeldes: Das neue Kindergeld wird nach Einkommen gestaffelt. Familien mit<br />

niedrigen und kleinen mittleren Einkommen (je nach Modell bis zu etwa 3.000 Euro<br />

Bruttoeinkommen) erhalten mehr: Sie bekommen ein erhöhtes Kindergeld, das maximal 324 Euro<br />

beträgt. Dieses erhöhte Kindergeld wird degressiv ausgestaltet. In der Förderung für Familien mit<br />

niedrigem Einkommen führen wir den bereits bestehenden Kinderzuschlag mit dem Kindergeld zu<br />

einer Leistung zusammen. Alle anderen Familien bekommen weiterhin das Kindergeld in seiner<br />

aktuellen Höhe, also 184 Euro für die ersten beiden Kinder, für das dritte Kind 190 Euro sowie für<br />

das vierte und jedes weitere Kind 215 Euro monatlich.<br />

Genauso wie das jetzige Kindergeld wird das neue Kindergeld voll auf die Regelsätze im SGB II<br />

angerechnet. Profitieren werden also Geringverdiener/innen-Familien, die mit<br />

ihrem Einkommen oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze liegen. Daneben bleibt es bei<br />

unserer Forderung nach einem eigenständigen Regelsatz für Kinder im ALG-II-Bezug.<br />

- Kinderrechte gehören in das Grundgesetz, damit ihnen ein besonderer Stellenwert eingeräumt<br />

wird.<br />

4


Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

Wir erwarten das vollständige Ergebnis der Evaluation familienbezogener Leistungen im Laufe der<br />

kommenden Wochen. Auf dieser Grundlage werden wir prüfen, ob und ggf. wo Veränderungen und<br />

Verbesserungen notwendig sind.<br />

Unser erklärtes Ziel ist es, bei der Einkommenssteuer die Kinderfreibeträge auf dasselbe Niveau des<br />

Freibetrags für Erwachsene anzuheben und zugleich das Kindergeld zu erhöhen. CDU und CSU<br />

befürworten daher nicht die Einführung einer Kindergrundsicherung.<br />

Die aktuellen Zahlen belegen: Das Bildungs- und Teilhabepaket kommt an und es kommt<br />

gut an. 73 Prozent der berechtigten Kinder und Jugendlichen erhalten tatsächlich Leistungen<br />

aus dem Bildungspaket. Am häufigsten genutzt werden dabei das Mittagessen und mehrtägige<br />

Klassenfahrten. Weiter hinten auf der Liste stehen Schülerbeförderung und Lernförderung. Unser Ziel<br />

ist es, das noch mehr Kinder die Teilhabeangebote nutzen, insbesondere Kinder mit<br />

Migrationshintergrund und Kinder, deren Eltern das Bildungspaket noch nicht kennen.<br />

Bereits heute bringt das Bildungs- und Teilhabepaket auch für <strong>Karlsruhe</strong> beachtliche Vorteile: Für<br />

bedürftige Kinder bedeutet es einen Schritt hin zu mehr Teilhabe. Sie bekommen das Gefühl, dazu zu<br />

gehören. Für finanzschwache Eltern schafft es die Möglichkeit, die Bildungs und damit die<br />

Zukunftschancen ihrer Kinder zu verbessern. Für den Sozialhaushalt der Stadt <strong>Karlsruhe</strong> bedeutet es<br />

eine finanzielle Entlastung in Höhe von mehr als einer halben Million Euro jährlich. Die Umsetzung des<br />

Bildungs- und Teilhabepakets des Bundes in <strong>Karlsruhe</strong> muss weiterhin von Seiten der Stadt gefördert<br />

werden. Der <strong>Karlsruhe</strong>r Kinderpass ist eine vorbildliche Maßnahme, die ich unterstütze.<br />

Sehr wichtig ist mir der Kampf gegen Kinderarmut, denn Kinderarmut darf es in einer wohlhabenden<br />

Stadt wie <strong>Karlsruhe</strong> eigentlich nicht geben. Dass beispielsweise bedürftige Kinder aus finanziellen<br />

Gründen kein tägliches warmes Mittagessen haben, ist inakzeptabel. Deshalb habe ich Ende 2008<br />

den Verein „<strong>Karlsruhe</strong>r Kindertisch“ gegründet, der im letzten Jahr ca. 400 Kindern aus über 20<br />

Schulen und Projekten täglich ein warmes Mittagessen finanziert. Unabhängig davon muss es auch<br />

Aufgabe der Politik sein, diese Situation von Kindern zu verbessern.<br />

Ende 2010 haben wir im Gemeinderat einstimmig die „<strong>Karlsruhe</strong>r Leitlinien gegen Kinderarmut"<br />

beschlossen. Diese Leitlinien sind eine sehr gute Grundlage und dürfen nicht nur zum Download<br />

bereit stehen. Sie müssen von der Verwaltung ernst genommen und in konkrete Maßnahmen<br />

umgesetzt werden.<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Wir als FDP sind der Ansicht, dass die derzeitigen familienbezogenen Leistungen - es sind mehr als<br />

150 - effizienter gestaltet werden müssen. Noch liegt die Evaluation der familienpolitischen Leistungen<br />

nicht komplett vor. Es wäre denkbar, Leistungen für Kinder zusammenzuführen. Bestehende<br />

Umsetzungsprobleme beim Bildungs- und Teilhabepaket müssen gelöst werden. Im Modellversuch<br />

einer "Kinderkarte" soll die Bündelung aller Leistungen für Kinder erprobt werden.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Wir setzen uns für Bildung und bessere Betreuung vom frühesten Kindesalter an, die allen Kindern<br />

unabhängig von der Herkunft die gleichen Chancen eröffnet, aber auch für mehr Familienberatung<br />

und Gesundheitsleistungen. Davon können Eltern und Kinder profitieren, weil so Erwerbsarbeit beider<br />

Eltern leichter möglich wird. Zum anderen brauchen Kinder und ihre Eltern mehr Geld:<br />

Kinderregelsätze, die deren Bedarf - auch auf Bildung - wirklich decken und eine<br />

Kindergrundsicherung, mit deren Aufbau wir in der kommenden Legislatur beginnen wollen.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Kinder aus einkommensschwachen Familien dürfen in unserer Gesellschaft und unserem<br />

Bildungssystem nicht länger benachteilig werden. Statt HartzIV, Ehegattensplitting, ein Privileg für<br />

Gutverdienende, sowie Bildungs- und Teilhabepaket wollen wir Kinder und Jugendliche über eine<br />

Kindergrundsicherung direkt absichern. Qualifizierte Betreuung, Sport und Kulturangebote sowie<br />

5


gebührenfreie Kita- und Schulverpflegung sollen, durch den Bund mitfinanziert, jedem Kind eine<br />

gesunde Entwicklung ermöglichen.<br />

3. Altenhilfe<br />

Im Jahr 2030 wird fast jeder dritte Bundesbürger über 65 Jahre alt sein. Deshalb muss die<br />

Finanzierungsgrundlage für das Pflegesystem erweitert und sozial gerecht gestaltet werden. Die <strong>AWO</strong><br />

fordert die Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung, eine hervorragende Möglichkeit, die<br />

finanzielle Grundlage der Pflege zu stärken. Die Pflege-Bürgerversicherung umfasst, nach<br />

Vorstellung der <strong>AWO</strong>, eine Versicherungspflicht der gesamten Bevölkerung. Alle Einkommensarten,<br />

auch Selbständige und Beamte, sollten einbezogen und die Beitragsbemessungsgrenzen auf das<br />

Niveau der Rentenversicherung angehoben werden. Auch sollte Zugriff auf die Rücklagen der privaten<br />

Krankenversicherer erfolgen.<br />

Frage:<br />

Wie stehen Sie und Ihre Partei <strong>zur</strong> Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

Ohne Wenn und Aber: Ja! Allerdings glaube ich, dass für die massiven Investitionen in den<br />

Pflegebereich im kommenden Jahrzehnt dennoch eine Beitragssatzsteigerung erforderlich sein wird.<br />

Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

CDU und CSU lehnen die Konzepte <strong>zur</strong> sogenannten Bürgerversicherung ab. Wenn alle Bürger in<br />

eine einheitliche Zwangsversicherung einzahlen müssen, findet Wettbewerb nicht mehr statt. Die<br />

Bürgerversicherung führt außerdem nicht <strong>zur</strong> Entkoppelung von Arbeits- und Gesundheitskosten;<br />

steigen die Aufwendungen für die Gesundheit, steigen wie bisher auch die Arbeitskosten.<br />

Für die Herausforderungen der Pflegeversicherung hat die Bürgerversicherung keine Lösung. Für die<br />

stetig steigenden Ausgaben der Pflegeversicherung bietet sie keine Abhilfe, sie erhöht lediglich die<br />

Beiträge und Belastungen. Diese Form der Versicherung wirkt wie eine Sondersteuer für kleine und<br />

mittlere Einkommen.<br />

Die von CDU und CSU eingeführte Pflegeversicherung hat sich bewährt. Sie muss auch in Zukunft<br />

verlässlich dazu beitragen, das Pflegerisiko abzusichern und eine würdevolle Pflege und Betreuung zu<br />

bieten. Dafür wollen wir die Pflegeversicherung weiterentwickeln. Eine umfassende soziale<br />

Absicherung ist unverzichtbar. Unser Ziel ist es, ein hohes Niveau der Pflegeleistung sicherzustellen.<br />

Gleichzeitig wollen wir einen steigenden Zuzahlungsbedarf zu Lasten der Pflegebedürftigen, ihrer<br />

Angehörigen und der Sozialhilfeträger verhindern.<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Wir als FDP lehnen die Bürgerversicherung ab, da sie lediglich auf die Erschließung neuer<br />

Einnahmequellen abzielt, ohne die Leistungen für die Versicherten zu verbessern. Die Konzentration<br />

auf eine reine Umlagefinanzierung löst die demographischen Probleme nicht. Außerdem steigt in<br />

einem staatlich kontrollierten Einheitssystem die Gefahr von Rationierungen, wenn der Wettbewerb<br />

um Preise, Leistungen und Qualität weiter eingeschränkt wird.<br />

6


Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Wir sind für die Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung. Unser Konzept entspricht im<br />

wesentlichen dem Ihren.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Das LINKE Modell einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung für die Pflege kann unter<br />

Einbeziehung aller Einkommensbezieher den Beitragssatz dauerhaft unter 2 Prozent halten und<br />

gewährleistet gleichzeitig um 25 Prozent erhöhte Sachleistungen. Das schafft finanzielle Sicherheit<br />

und Spielraum für eine grundlegende Pflegereform. So werden soziale Gerechtigkeit, eine stabil<br />

finanzierte Pflegeabsicherung und höhere Löhne gleichermaßen ermöglicht (Bundestagsdrucksache<br />

17/7197).<br />

Frage:<br />

Auf welche Art und Weise planen Sie den Ausbau der ambulanten Pflege zu verbessern?<br />

Wie können Ihrer Meinung nach neue bezahlbare Wohnformen gefördert werden?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

Die ambulante Pflege ist Stützpfeiler unserer Gesellschaft. Sie gewinnt zunehmend an Bedeutung,<br />

weil es aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr ältere Menschen bei uns geben wird.<br />

Auch in Zukunft muss der Grundsatz gelten: ambulant vor stationär.<br />

Begleitung und Unterstützung der pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen braucht eine<br />

umfassende, sozialräumliche und integrierte Sozialplanung, die nur auf örtlicher Ebene erfüllt werden<br />

kann. Diese Vernetzung der sozialen Dienstleistungen und anderer infrastruktureller Angebote muss<br />

auch die Selbsthilfe, das Ehrenamt und die nachbarschaftlichen Hilfen einbeziehen. Integrierte<br />

Sozialplanung, wie wir sie verstehen, umfasst auch die Wohnungswirtschaft, die Wirtschaftsförderung,<br />

den ÖPNV und die Bauleitplanung.<br />

Insbesondere die Beratungsangebote sind wichtige Bausteine für ein umfassendes<br />

Versorgungskonzept. Die Ausgestaltung und Qualität der Beratungsangebote sind wichtig für ihre<br />

Akzeptanz und letztlich entscheidend für eine erfolgreiche Beratung und damit zentral für die<br />

Lebensqualität von Menschen, die einen Hilfebedarf haben, pflegebedürftig sind oder sich präventiv<br />

beraten lassen wollen. Pflegestützpunkte und andere Beratungsstellen sind daher entsprechend<br />

auszubauen, um so auch Folgekosten für den Sozialhilfeträger zu vermeiden. Zudem ist langfristig auf<br />

eine Pflege- und Teilhabeberatung aus einer Hand hinzuwirken.<br />

Unsere Forderungen zum Ausbau der wohnortnahen Pflegeinfrastruktur:<br />

- §8 SGB XI (Aufforderung an die Kommunen für eine Infrastruktur zu sorgen) und §9<br />

SGB XI (Vorhaltung einer Versorgungsstruktur über nähere Regelung im Landesrecht) sind<br />

konkreter zu fassen, um vernetzte, quartiersbezogene Angebote für Pflege und Betreuung<br />

aufzubauen. Die Zusammenarbeit von Sozialversicherungsträgern sowie quartiersbezogene<br />

Kooperationen müssen verbindlicher geregelt werden.<br />

- Zum Ausbau der kommunalen Pflegeinfrastruktur brauchen die Kommunen eine bessere<br />

Finanzausstattung . Deshalb setzen wir uns für eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer und<br />

weiterer Entlastungen bei den Sozialausgaben ein.<br />

- Im Rahmen ihres Sicherstellungsauftrages (§69 SGB XI und §3 SGB XI) müssen Pflegekassen in<br />

enger Kooperation mit Ländern und Kommunen für einen Ausbau der Pflegeinfrastruktur sorgen.<br />

Regionale Pflegekonferenzen sollen den Ausbau der Pflegeinfrastruktur gestalten. Wir wollen die<br />

Kommunen hierin finanziell unterstützen. In Absprache mit den Ländern und Kommunen wollen<br />

wir, dass die Pflegekassen wie bereits 2008 geplant, in den nächsten Jahren hinreichende Mittel<br />

für die Anschubfinanzierung des flächendeckenden Aufbaus von Pflegestützpunkten<br />

<strong>zur</strong> Verfügung stellen.<br />

7


- Barrierefreiheit muss bei Bau und Umbau selbstverständlich werden. Bei der Förderung von<br />

Wohnungsneubau und der Sanierung des Wohnungsbestandes muss das Kriterium<br />

altersgerecht/barrierefrei höchste Priorität genießen. Das KfW-Programm "Altersgerecht<br />

umbauen" muss fortgeführt und verstetigt werden. Gemeinsam mit den Bundesländern ist die<br />

Musterbauordnung zu überarbeiten, um die Anforderungen an Barrierefreiheit bei Neu- und<br />

Umbau zu optimieren und bei Verstößen auch zu sanktionieren.<br />

Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

Mit dem Pflegeneuordnungsgesetz haben CDU und CSU bereits wichtige Verbesserungen auf den<br />

Weg gebracht. Pflegebedürftige, die in vollstationären Einrichtungen leben, bekommen so anteilig<br />

auch für die Tage das volle Pflegegeld ausgezahlt, an denen sie zu Hause gepflegt werden. Dadurch<br />

wird häusliche Pflege sowie der familiäre Kontakt gestärkt. Erstmals bekommen auch Menschen mit<br />

erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (z.B. dementiell erkrankte Menschen oder in einigen<br />

Fällen Menschen mit sogenannter „geistiger“ Behinderung) in der Pflegestufe Null für zusätzliche<br />

Betreuungsleistungen ein Pflegegeld und Pflegesachleistungen gezahlt.<br />

Die ambulanten Leistungen in den Pflegestufen I und ll wurden erhöht. Auch für Arztbesuche<br />

in Heimen werden mehr finanzielle Mittel bereitgestellt. Bei einem Aufenthalt von pflegenden<br />

Angehörigen in Rehabilitationseinrichtungen wird es künftig unter bestimmten Voraussetzungen<br />

zudem möglich sein, dass der pflegebedürftige Mensch den zu pflegenden Angehörigen begleitet.<br />

Auch die Förderungen ambulant betreuter Wohngruppen schaffen Alternativen zu einem Aufenthalt in<br />

Pflegeheimen. Selbsthilfegruppen im Bereich der Pflege erhalten mehr Beteiligungsrechte und eine<br />

finanzielle Förderung durch die Pflegekassen von jährlich etwa 8 Millionen Euro.<br />

Grundsätzlich vertrete ich die Auffassung, dass es von großer Bedeutung ist, dass in <strong>Karlsruhe</strong> ältere<br />

Menschen aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben können und in dieses mit ihrer<br />

Lebenserfahrung und ihrem Wissen eingebunden sind. Mein Ziel ist ein <strong>Karlsruhe</strong>, das den<br />

Bedürfnissen der älteren Generation gerecht wird.<br />

ln der konkreten Umsetzung stellt der sehr engagiert und bewährt arbeitende Seniorenbeirat für mich<br />

den wichtigsten Ansprechpartner dar. Möglichkeiten gemeinsamer Mittagstische für Senioren sollten<br />

geprüft werden. Als Vorbild kann dabei das Projekt von Volkswohnung und <strong>AWO</strong> im Wohncafé im<br />

Rintheimer Feld dienen.<br />

Mehrgenerationenhäuser leisten wichtige Beiträge für mehr Solidarität in der Gesellschaft und für ein<br />

gutes generationenübergreifendes Miteinander. Als Pate des „Brunhilde Baur Hauses“ in Neureut will<br />

ich mich weiterhin für die Förderung derartiger Einrichtungen einsetzen.<br />

lm Sinne eines „Generationenvertrages“ sollte mit den zuständigen Gremien über die Etablierung<br />

einer Seniorengenossenschaft beraten, bei der man für Dienstleistungen gegenüber Senioren Punkte<br />

ansammelt, die man dann selbst im Alter für Dienstleistungen in Anspruch nehmen kann.<br />

Nicht zuletzt aufgrund des demographischen Wandels ist mehr seniorengerechter Wohnraum<br />

notwendig. Aus Gesprächen mit vielen älteren Mitbürgern weiß ich, dass ihnen ihre Wohnungen und<br />

Häuser nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Ehepartners oft eigentlich zu groß geworden<br />

sind und sie diese nur noch mühsam bewirtschaften können. Sie scheuen allerdings meist einen<br />

Umzug, weil sie ihre gewohnte Umgebung nicht verlassen möchten. Durch ein adäquates Angebot<br />

barrierefreier Wohnungen in den Stadtteilen könnte man nicht nur den Seniorinnen und Senioren,<br />

sondern zugleich jungen Familien helfen, die den Platz in den frei werdenden Wohnungen dringend<br />

brauchen könnten.<br />

Die Schaffung von bezahlbarem, barrierefreiem Wohnraum z.B. in Stupferich oder in Bulach mit guten<br />

Nahversorgungsmöglichkeiten ist mir ebenso wichtig wie die Quartiersentwicklung, die folgende Ziele<br />

verfolgt: Ein wertschätzendes gesellschaftliches Umfeld, eine tragende soziale und<br />

generationsgerechte räumliche Infrastruktur, bedarfsgerechte Wohnangebote und Dienstleistungen<br />

sowie wohnortnahe Beratung und Begleitung. Zur Umsetzung sind die entsprechenden „Eckpunkte“<br />

des Seniorenbüros der Stadt <strong>Karlsruhe</strong> zu verfolgen. Modelle für „Mehrgenerationenwohnen“ können<br />

dem Mangel an Pflegepersonal begegnen, zu sozialen Kontakten beitragen und so verhindern, dass<br />

Menschen im Alter vereinsamen.<br />

8


In einigen Stadtteilen, wie beispielsweise in Weiherfeld Dammerstock, Rüppurr oder<br />

Hohenwettersbach, herrscht ein Mangel an wohnortnahen Lebensmittelläden und Einkaufszentren.<br />

Gerade für ältere und mobilitätseingeschränkte Personen ist dies ein ernst zu nehmendes Problem.<br />

Die Stadt muss ihre Bemühungen verstärken, Verbesserungen zu erreichen, indem die<br />

planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ansiedelung von Lebensmittel Einzelhandel<br />

geschaffen, Lebensmittelversorger gezielt angesprochen und potenzielle Grundstücke ausreichender<br />

Größe <strong>zur</strong> Verfügung gestellt werden.<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Der demographische Wandel stellt die Frage der Finanzierung der Pflegeversicherung neu. In einer<br />

Gesellschaft mit weniger Kindern müssen wir stärker auf private Vorsorge setzen. Mit der staatlich<br />

geförderten privaten Pflegezusatzversicherung haben wir einen ersten wichtigen Schritt erreicht, damit<br />

jeder für seine Pflege vorsorgen kann. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Durch eine stärkere Personenzentrierung der Leistungen und die Einführung eines Pflegebudgets<br />

wollen wir die Wahlmöglichkeiten erhöhen, was die Nachfrage nach ambulanten Leistungen steigert.<br />

Das Spektrum unterschiedlicher Formen von Pflege, Begleitung, Unterstützung, Assistenz und<br />

Tagesstrukturierung muss erweitert werden. Der Bund kann hier aber nur (sozialrechtlich) förderliche<br />

Rahmenbedingungen schaffen und einzelne Projekte fördern. Letzteres wollen wir verstärkt tun.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Die Einrichtung mobiler Pflegedienste z.B. in Stadtteilzentren sollte gesellschaftlich mehr gefördert<br />

und der laufende Betrieb finanziell, fachlich und personell unterstützt werden.<br />

Der Ausbau ambulanter Pflege ist jedoch nur erfolgversprechend, wenn alte Menschen, auch im<br />

Pflegefall, die Möglichkeit haben, länger eigenständig und selbstbestimmt in der eigenen Wohnung zu<br />

bleiben. Dazu muss das Angebot an altengerechten und auch barrierefreien Wohnungen wachsen.<br />

Deshalb ist im sozialen Wohnungsbau die demografische Entwicklung stärker zu berücksichtigen und<br />

altengerechte Wohnungen gezielt zu fördern. Auch das Angebot an Einrichtungen betreuten Wohnens<br />

könnte im Rahmen von Sozialem Wohnungsbau gezielt ausgebaut werden<br />

4. Attraktivität sozialer Berufe<br />

Um soziale Dienstleistungen von hoher Qualität erbringen zu können, werden gut ausgebildete<br />

Fachkräfte benötigt. Um die Attraktivität sozialer Berufe zu verbessern und auch zukünftig Fachkräfte<br />

in ausreichender Anzahl gewinnen zu können, bedarf es nach unserer Auffassung einer Verbesserung<br />

des Images sozialer Berufe und einer adäquaten Vergütung.<br />

Frage:<br />

Was planen Sie gegen den vorhandenen Fachkräftemangel im Bereich der Erzieher/innen und<br />

Pflegefachkräfte zu unternehmen?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

- Reform der Pflegeausbildung Notwendig ist eine generalistische Erstausbildung von Alten-,<br />

Kranken- und Kinderkrankenpflege mit einer daran anschließenden weiterführenden<br />

Spezialisierung. Wir wollen einen Berufsaufstieg in der Pflege. Im Interesse der jungen<br />

9


Menschen soll nur noch ein Berufsabschluss am Ende der gemeinsamen dreijährigen Ausbildung<br />

stehen.<br />

- Finanzierung der Ausbildung: Auch für die Ausbildung in der Alten-, Kranken- und<br />

Kinderkrankenpflege muss gelten: Ausbildung ist gebührenfrei. Es ist zu prüfen, ob und wie eine<br />

bundeseinheitliche Lösung möglich ist, damit die Kosten der Ausbildung von der gesamten<br />

Pflegebranche über eine bundeseinheitliche Ausbildungsplatzumlage getragen und<br />

durch Umlagefinanzierung bzw. Einrichtung eines Ausbildungsfonds finanziert werden können.<br />

So werden auch nicht ausbildende Einrichtungen der Altenpflege künftig an der Finanzierung<br />

der Ausbildung und Ausbildungsvergütung beteiligt. Die Finanzierung der Pflegeschulen ist eine<br />

öffentliche Aufgabe. Wir wollen die Abschaffung des von Auszubildenden selbst zu zahlenden<br />

Schulgeldes.<br />

- Weiterbildung: Berufserfahrenen Pflegehilfskräften mit Eignung <strong>zur</strong> Pflegefachkraft müssen<br />

Bildungswege <strong>zur</strong> Weiterqualifizierung eröffnet werden. Generell muss diese durchlässig sein und<br />

Aufstiegsmöglichkeiten garantieren. Die Richtlinie <strong>zur</strong> Heilkundeübertragung muss von den<br />

gesetzlichen Krankenkassen und Leistungserbringern schnell in die Praxis umgesetzt werden.<br />

Pflegefachkräfte müssen Weiterbildungsmöglichkeiten <strong>zur</strong> Ausübung der in der Richtlinie<br />

aufgeführten Tätigkeiten erhalten. Die fachliche Aufwertung des Pflegeberufs durch die<br />

Übertragung ärztlicher Tätigkeiten muss bei den Lohnverhandlungen der Tarifpartner<br />

entsprechend Berücksichtigung finden. Die Ausbildung von Pflegefachkräften muss hinsichtlich<br />

der neuen Tätigkeiten angepasst werden.<br />

- Insgesamt gilt für Pflege und Erzieher/innen: Bessere Integrationsmöglichkeiten von Quer- und<br />

Wiedereinsteigern. Die Hürden und Barrieren für Umschulung und Qualifizierungsmaßnahmen<br />

müssen gesenkt werden.<br />

- Mit einer Kampagne, die von der Politik, von Pflegekassen, den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden<br />

getragen wird, sollen junge Menschen über Pflege- und Erzieherberufe informiert und auf die<br />

Attraktivität von Umschulungen hingewiesen werden.<br />

- Wesentlich bessere, leistungsgerechtere Bezahlung von Pflege- und Erziehungsfachkräften<br />

(Tarifpartner sind gefordert). Mindestlohn für Erzieher/innen.<br />

- Wir wollen Pflegefachkräfte entlasten und Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen<br />

durch die Einführung EDV-gestützter Pflegedokumentation unterstützen. Modellprojekte <strong>zur</strong><br />

Einführung EDV-gestützter Pflegedokumentation sollen gezielt gefördert werden. Der Aufbau von<br />

elektronischen Systemen soll zudem dem Ziel der stärkeren Vernetzung ambulanter und<br />

stationärer Einrichtungen dienen. Pflegefachkräfte müssen für die Verwendung von EDVgestützten<br />

Systemen von den Einrichtungen weitergebildet werden. Bei der Einführung der EDVgestützten<br />

Dokumentation müssen die Datenschutzbestimmungen gewahrt werden.<br />

- Wir brauchen eine Kampagne für das „Freiwillige Soziale Jahr“ und für den Bundesfreiwilligendienst<br />

in Pflegeeinrichtungen. Diejenigen jungen Menschen, die ein solches Jahr<br />

geleistet haben, „entdecken“ oft ihre Begeisterung und Fähigkeit für einen Beruf in der Pflege.<br />

Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

Für die Versorgung der Bevölkerung, etwa im Gesundheits- und Pflegebereich und im<br />

Bildungswesen, sind Fachkräfte unverzichtbar. Das betrifft in gleicher Weise alle Fachkräfte, die über<br />

eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen.<br />

Die Anstrengungen <strong>zur</strong> Sicherung der Fachkräftebasis nicht nur bei den sozialen Berufen müssen alle<br />

Zielgruppen des Arbeitsmarktes umfassen. Sie müssen die Ausbildung junger Menschen genauso<br />

beinhalten wie die Intensivierung von Qualifizierungs- und Weiterbildungsanstrengungen für alle<br />

Alters und Qualifikationsgruppen. Insbesondere die Potenziale von Frauen und Älteren, aber auch die<br />

von Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderungen sind für den Arbeitsmarkt<br />

besser als bisher zu erschließen.<br />

Unser Land braucht einen starken Sozialstaat mit fairen Löhnen und sicheren Renten. Ein starker<br />

Sozialstaat kann nur nach den Grundsätzen der Sozialen Marktwirtschaft funktionieren. Soziale<br />

Schieflagen und unfaire Löhne sind mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar. Faire Löhne sind zudem<br />

eine wichtige Basis, um im Alter eine auskömmliche Renten zu haben und nicht der Gefahr von<br />

Altersarmut ausgesetzt zu sein. Löhne sind und bleiben aber eine Sache der Tarifpartner. Wenn diese<br />

sich auf einen Entgelttarifvertrag Soziales verständigen, begrüßen wir das.<br />

Ebenso setzen wir uns für eine Stärkung der Tarifpartner ein. Überall dort, wo Tariflohne gezahlt<br />

werden, haben die Menschen ein höheres Einkommensniveau als in tariflosen Bereichen.<br />

10


ln Bezug auf den Fachkräftemangel bei Erzieher/innen vgl. auch meine Ausführungen zu<br />

Frage 1 (insbesondere am Ende der Antwort).<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Soziale Berufe wie etwa Alten- und Krankenpflege, Erzieher oder Tagespflege nehmen nicht nur eine<br />

wichtige Funktion in der Gesellschaft ein, es handelt sich angesichts des Fachkräftemangels auch um<br />

Berufsfelder mit großen Chancen. Um die Attraktivität dieser Berufe gerade unter den jungen<br />

Menschen zu steigern, setzen wir auf Qualität der Ausbildungswege, bessere Aufstiegschancen und<br />

vor allem mehr Wertschätzung in der Gesellschaft z.B. durch Imagekampagnen wie www.ich-pflegeweil.de.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Wir setzen uns dafür ein, Berufe im Bildungs-, Betreuungs- und Pflegesektor gesellschaftlich und<br />

finanziell aufzuwerten. Pflegekräfte müssen mehr Anerkennung erfahren, angemessen bezahlt und<br />

ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden. Wir wollen gezielt in die Schaffung von<br />

Ausbildungsplätzen investieren und mehr Möglichkeiten <strong>zur</strong> beruflichen Entwicklung eröffnen.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Eine deutlich höhere gesellschaftliche Anerkennung der sozialen Berufe beginnt mit der angemessen<br />

Bezahlung, also deutlich höheren Löhnen. Ein gesetzlicher Mindestlohn und die<br />

Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen im Bereich sozialer Berufe bilden dazu wichtige<br />

Grundlagen. Ein verbesserter Gesundheitsschutz (physisch und psychisch) und familienfreundlichere<br />

Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten sorgen für eine höhere Attraktivität dieser Berufe. Dazu<br />

müssen gerade auch für Beschäftigte im Bereich Pflege und Betreuung bedarfsgerechte,<br />

gebührenfreie Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen flächendeckend ausgebaut<br />

werden.<br />

5. Rente<br />

Altersarmut ist ein Problem, das in den kommenden Jahren in höherem Maße auf uns zukommen<br />

wird. Zum einen, weil die Rentenreformen der vergangenen Jahre zum Tragen kommen, zum anderen<br />

weil die Erwerbsbiografien zunehmend bröckeln.<br />

Ältere, die ihren Job verlieren, sind noch immer so gut wie chancenlos am Arbeitsmarkt. Für diese<br />

Menschen kommt die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 einer faktischen Rentenkürzung<br />

gleich.<br />

Frage:<br />

Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um die immer stärker auftretende Altersarmut zu<br />

verhindern?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

- Nur aus guten Löhnen werden gute Renten: Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn von<br />

8,50 Euro, die Stärkung der Tarifbindung und das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“<br />

durchsetzen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssen <strong>zur</strong>ückgedrängt werden: Gegenwärtig<br />

beziehen 350.000 Vollzeitbeschäftigte zusätzliche Leistungen des Arbeitslosengelds II. Ein<br />

Alleinstehender erwirbt daraus im Höchstfall eine monatliche Rentenanwartschaft von circa<br />

11 Euro im Jahr.<br />

11


- SPD-Forderung zum Rentenniveau: bleibt bis zum Ende des Jahrzehnts stabil. 2020 gilt es neu<br />

zu bewerten, wie die Ankopplung der Renten an die Erwerbseinkommen vorzunehmen ist. Eine<br />

Überprüfung schreibt auch das Gesetz vor. Wir wollen eine wachsende Sicherungslücke in der<br />

gesetzlichen Rente verhindern. Würde heute die für die Zeit nach 2030 prognostizierte untere<br />

Haltgrenze von 43 Prozent gelten, müsste ein Durchschnittsverdiener rund 5 Jahre länger<br />

arbeiten (33 statt 27 Jahre), um eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu erreichen.<br />

- Einführung einer Solidarrente: von 850 Euro erhält zukünftig, wer auch nach 30 Beitragsjahren<br />

und 40 Versicherungsjahren trotz einer Aufwertung von Zeiten des Niedriglohnbezugs oder langer<br />

Arbeitslosigkeit sowie einer verbesserten Berücksichtigung von Teilzeitarbeit während<br />

Kindererziehung/ Pflege unter diesem Betrag bleibt und bedürftig ist. 31 Prozent der<br />

Rentenzugänge mit 40 und mehr Versicherungsjahren erzielt unterdurchschnittliche<br />

Rentenanwartschaften. Bei 30 Beitragsjahren entspricht ein früheres Einkommen von durchgängig<br />

2/3 des Durchschnitts eine Rente von 562 Euro.<br />

Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

Wir wollen, dass sich Lebensleistung in der Rente auszahlt. In der nächsten Legislaturperiode sollen<br />

alle Mütter oder Väter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, einen zusätzlichen Rentenpunkt<br />

erhalten. Das entspricht bei zwei Kindern durchschnittlich 650 Euro mehr Rente im Jahr.<br />

Wer jahrzehntelang gearbeitet, in den Generationenvertrag eingezahlt und zusätzlich vorgesorgt hat,<br />

muss im Alter eine auskömmliche Rente haben und darf nicht auf Grundsicherung angewiesen sein.<br />

Für langjährig Versicherte streben wir eine Aufstockung der Rente auf 850 Euro an.<br />

Die erfolgreiche Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik von CDU und CSU führt zu stabilen und<br />

sicheren Renten. Der Generationenvertrag zwischen Jung und Alt steht vor allem wegen der guten<br />

Beschäftigungslage und stabiler Preise auf einer soliden und verlässlichen Grundlage. Die erfreuliche<br />

Entwicklung der Löhne und Gehälter kommt den Rentnerinnen und Rentner unmittelbar zugute. Wir<br />

wollen auch zukünftig eine Entwicklung der Renten, die Rentnerinnen und Rentner verlässlich und<br />

gerecht an der allgemeinen Einkommensentwicklung beteiligt, ohne der jüngeren Generation Chancen<br />

auf Entfaltung und Wohlstand zu nehmen.<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Die FDP vertritt einen präventiven Ansatz in der Altersvorsorge. Wir treten dafür ein, Anreize zu<br />

setzen, dass Erwerbstätige schon in jungen Jahren mit dem Aufbau einer kapitalgedeckten<br />

Altersvorsorge beginnen. Wir wollen private Vorsorge für jeden Geringverdiener attraktiv machen.<br />

Daher dürfen Einkommen aus privater und betrieblicher Vorsorge nur teilweise auf die<br />

Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Wir wollen außerdem Selbständigen den Weg <strong>zur</strong><br />

Riester-Förderung eröffnen.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Im Sinne der Generationengerechtigkeit bleiben die Rentenreformen notwendig. Wir wollen eine<br />

Grüne Garantierente einführen, um zu verhindern, dass immer mehr Menschen im Alter auf<br />

Grundsicherung angewiesen sein werden. Mit Maßnahmen <strong>zur</strong> Bekämpfung von Lohnarmut, „Equal<br />

Pay“, der schrittweisen Entwicklung der Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung und der<br />

Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen wollen wir ein angemessenes Rentenniveau bei stabilen<br />

Beiträgen erreichen.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ist für die meisten Rentner/innen ein nicht zu<br />

verantwortendes Rentenkürzungsprogramm und muss deshalb dringend <strong>zur</strong>ückgenommen werden.<br />

Die Rente ab 65 Jahren wäre nach wie vor finanzierbar, wenn alle Erwerbstätigen in die gesetzliche<br />

Rentenversicherung einbezogen und der Beitragssatz wieder paritätisch erhoben würde. Menschen<br />

sollen ab 60 Jahren mit 40 Beitragsjahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Zur Bekämpfung<br />

der Altersarmut müsste aber auch das Rentenniveau wieder angehoben und Abschläge auch auf<br />

12


Erwerbsminderungsrenten abgeschafft werden. Zeiten der Kindererziehung und Pflege, aber auch<br />

Zeiten der Erwerbslosigkeit müssen mit höheren Rentenpunkten entsprechend bewertet werden.<br />

DIE LINKE will Altersarmut vor allem auch dort bekämpfen, wo sie entsteht: am Arbeitsmarkt. Wir<br />

wollen dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen ausreichende Rentenansprüche aus ihrer<br />

Erwerbstätigkeit aufbauen können. Längst überfällig ist ein gesetzlicher Mindestlohn von 10 Euro in<br />

der Stunde. Prekäre Beschäftigung muss eingedämmt werden und die Bedingungen in den Betrieben<br />

für Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen deutlich verbessert werden.<br />

Um ein Leben frei von Armut und in Würde im Alter führen zu können, wird unsere Forderung nach<br />

einer solidarischen Mindestrente von 1.050 Euro unumgänglich.<br />

6. Arbeitsmarktpolitik<br />

Die positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt gehen an Menschen mit mangelnder oder schlechter<br />

Qualifikation, gesundheitlichen Einschränkungen und geringen Sprachkenntnissen vorbei. Die <strong>AWO</strong><br />

fordert deshalb die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes, der in einem ersten Schritt vor allem der<br />

Förderung sozialer Teilhabe dient, und die Entwicklung von Strategien <strong>zur</strong> Integration von<br />

Langzeitarbeitslosen. Darüber hinaus sieht die <strong>AWO</strong> eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe<br />

darin, Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt zu integrieren.<br />

Frage:<br />

Welche Vorstellungen hat Ihre Partei von der Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

Der Aufbau eines echten sozialen Arbeitsmarkts ist der richtige Schritt, um die Spaltung am<br />

Arbeitsmarkt zu überwinden. Menschen die ganz am Rand stehen, brauchen eine echte Chance auf<br />

Beschäftigung.<br />

Der von der SPD vorgeschlagene „soziale Arbeitsmarkt“ solle Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern –<br />

insbesondere aus der freien Wirtschaft – ermöglichen, Langzeitarbeitslose mit mehreren<br />

Vermittlungshemmnissen, die in der Regel bereits seit 36 Monaten im Leistungsbezug sind,<br />

sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen. Diese Arbeitsuchenden im SGB II können mit den<br />

bislang <strong>zur</strong> Verfügung stehenden Förderinstrumenten nicht in erforderlichem Maße erreicht und<br />

unterstützt werden. Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren, indem bislang passive Mittel für<br />

die Unterstützung von Langzeitarbeitslose aktiviert werden. Vorreiter ist hier das Land Baden-<br />

Württemberg, das diesen "Passiv-Aktiv-Transfer" bereits erprobt. Der Bund muss mindestens<br />

3 Milliarden Euro für dieses Programm investieren.<br />

Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

Langzeitarbeitslosen müssen als Fachkräfte für den ersten Arbeitsmarkt qualifiziert<br />

werden. An ihnen ist vielfach der Aufschwung am Arbeitsmarkt vorbeigegangen, obschon die<br />

Zahl der Langzeitarbeitslosen seit 2008 nahezu halbiert wurde. Auch diese Menschen<br />

brauchen Chancen. Gerade in Zeiten der abnehmenden Arbeitslosigkeit stoßen wir auf den<br />

Kern der schwer Vermittelbaren. Auch wenn wir die Instrumente <strong>zur</strong> Wiedereingliederung in<br />

den Arbeitsmarkt gestrafft und effizienter gestaltet haben, bedarf es weiterhin der<br />

Unterstützung für diese Menschen. Wir wollen daher die Instrumente für die<br />

Langzeitarbeitslosen weiterentwickeln und erfolgreiche Maßnahmen wie Betriebliche<br />

Trainingsmaßnahmen für einen sozialen und integrativen Arbeitsmarkt ausbauen.<br />

13


Hein Golombeck, FDP:<br />

Für die FDP hat Priorität, möglichst allen Menschen Perspektiven auf dem ersten Arbeitsmarkt zu<br />

vermitteln. Niemand soll ausgegrenzt werden. Durch unsere Politik haben wir hier schon viel erreicht.<br />

Für Personen, die eine intensivere Unterstützung brauchen, wollen wir wirksame Instrumente<br />

entwickeln, die Teilhabe an Arbeit und Qualifizierung gleichermaßen und sinnvoll ermöglichen. Dafür<br />

sollen künftig „passive“ Leistungen des SGB II in „aktive“ Arbeitsmarktmaßnahmen umgewandelt<br />

werden können.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Bisher fehlt ein Angebot, das Menschen ohne absehbare Chancen am Arbeitsmarkt neue<br />

Perspektiven jenseits des Arbeitslosengeld II-Bezugs eröffnet. Wir wollen diese Lücke schließen und<br />

einen Sozialen Arbeitsmarkt fest in das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium aufnehmen. Das nützt<br />

insbesondere Menschen mit vielfältigen Beschäftigungshemmnissen, die auch bei einer guten<br />

Arbeitsmarktlage keine Chance auf eine Stelle auf dem ersten<br />

Arbeitsmarkt haben.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

DIE LINKE will mit Bundesmitteln einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor schaffen. Dort<br />

sollen vor allem Erwerbslose, die aus unterschiedlichsten Gründen längere Zeit keiner Beschäftigung<br />

nachgehen konnten, die Möglichkeit zu sinnvollen Tätigkeiten bekommen. Im Rahmen freiwilliger,<br />

sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, die wenigstens den Mindestlohn erhalten<br />

müssen, sollen gesellschaftlich notwendige Arbeiten erledigt werden, die vor allem in Zeiten knapper<br />

Kommunaler Haushalte ansonsten nicht mehr ausgeführt würden.<br />

Öffentlich geförderte Beschäftigung soll vor Ort von regionalen Beiräten organisiert werden.<br />

Frage:<br />

Sehen Sie Förderungsbedarf bei der Integration von Menschen mit Behinderungen auf dem<br />

Arbeitsmarkt? Wenn ja, welche Maßnahmen würden Sie vorantreiben?<br />

Antworten:<br />

Parsa Marvi, SPD:<br />

Die SPD will für behinderte Menschen einen fairen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen.<br />

Um für schwer behinderte Menschen eine bessere Beschäftigungsquote zu erreichen, wollen die<br />

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. Dazu soll<br />

die Ausgleichsabgabe mehr als verdoppelt werden und die Pflichtquote von fünf auf sechs Prozent<br />

angehoben werden. Letztere war 2003 abgesenkt worden mit der Verpflichtung für die Unternehmen,<br />

schwerbehinderte Arbeitslose in Arbeit zu bringen. Das hat jedoch nicht funktioniert. Also soll die<br />

Quote wieder erhöht werden.<br />

Die Ausgleichsabgabe soll bei einer Erfüllungsquote von drei bis sechs Prozent von 115 Euro auf<br />

250 Euro, bei einer Beschäftigungsquote von zwei bis unter drei Prozent von 200 Euro auf 500 Euro<br />

und bei einer Beschäftigungsquote von weniger als zwei Prozent von 290 Euro auf 750 Euro<br />

angehoben werden. Diese Abgabe soll künftig für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in<br />

den Arbeitsmarkt zu verwendet werden und nicht mehr für Behindertenwerkstätten und Wohnheime.<br />

Insbesondere will die SPD die Beschäftigung in Integrationsunternehmen und -projekten fördern.<br />

Ziel der im Antrag genannten Maßnahmen ist die bessere Umsetzung der UN-<br />

Behindertenrechtskonvention für den Arbeitsmarktbereich. Dazu soll in den Arbeitsagenturen und<br />

Jobcentern speziell ausgebildetes Personal <strong>zur</strong> Verfügung stehen, das besser beraten und Menschen<br />

mit Behinderung in Arbeit vermitteln kann. In Betrieben, in denen Menschen mit Behinderung arbeiten<br />

sind, will die SPD ihre Interessenvertretung verbessern. Deshalb soll die Schwerbehindertenvertretung<br />

zu einer Behindertenvertretung weiterentwickelt werden.<br />

14


Ingo Wellenreuther, CDU:<br />

CDU und CSU liegen die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Menschen mit Behinderung auf dem<br />

ersten Arbeitsmarkt besonders am Herzen. Wir haben das Arbeitsmarktprogramm „lnitiative Inklusion“<br />

verabschiedet: Der Bund fördert mit 100 Mio. Euro künftige Aktivitäten <strong>zur</strong> Eingliederung von<br />

Menschen mit Behinderung entsprechend ihren individuellen Bedarfen. Weiterhin wird ein wichtiger<br />

Beitrag <strong>zur</strong> Verbesserung der Berufsorientierung geleistet und die Schaffung neuer betrieblicher<br />

Ausbildungsplätze für schwerbehinderte junge Menschen gefördert.<br />

Zudem eröffnet das Projekt „TrialNet“ durch die Entwicklung und Erprobung von<br />

Ausbildungsbausteinen individuelle Lernwege für behinderte Jugendliche, die (noch) keine<br />

komplette Ausbildung absolvieren können.<br />

Generell liegt mir die gute Integration von Menschen mit Behinderung in unserer Gesellschaft sehr am<br />

Herzen. Sie sollten selbstverständlicher Teil unserer Arbeitswelt sein.<br />

Initiativen, wie die Elterninitiative EFI, und Vereine, die sich um die Belange von Menschen<br />

mit Beeinträchtigungen kümmern, möchte ich mit dem Ziel unterstützen, dass Menschen mit<br />

Behinderung in <strong>Karlsruhe</strong> bestmögliche Lebensverhältnisse vorfinden.<br />

Das Gehörlosenzentrum <strong>Karlsruhe</strong> ist eine vorbildliche Einrichtung, die ich weiter unterstützen<br />

möchte. Aufgrund des großen Einzugsgebiets des Zentrums sollte das Ziel sein, den Landkreis<br />

<strong>Karlsruhe</strong> in die Weiterentwicklung mit einzubinden.<br />

Junge Familien mit behinderten Kindern zu unterstützen, ist mir wichtig. Die Stadt <strong>Karlsruhe</strong><br />

muss diesen Kindern eine gleichberechtigte Integration in unserer Gemeinschaft ermöglichen. Die<br />

Kinder müssen als ein Teil der Gesellschaft anerkannt werden und einen Zugang zu einem<br />

integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden<br />

Schulen in naher Umgebung haben.<br />

Heinz Golombeck, FDP:<br />

Die Möglichkeit zu arbeiten und sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen gehört zu den<br />

Kernbereichen gesellschaftlicher Teilhabe. Bereits bestehende Leistungen müssen auch für<br />

Arbeitgeber noch bekannter und für alle Beteiligten handhabbarer gemacht werden. Um Menschen mit<br />

Behinderung mehr Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wollen wir das<br />

Persönliche Budget für Arbeit personenbezogen ausgestalten und flexiblere Sachleistungen bei<br />

hohem Unterstützungsbedarf anbieten.<br />

Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen:<br />

Wir sind der Ansicht, dass die vorhandenen Instrumente besser eingesetzt werden müssen. Zudem ist<br />

es unser Ziel, dass viele Menschen, die heute noch in Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten,<br />

auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Hierzu bedarf es der Ausweitung der<br />

Unterstützten Beschäftigung dauerhafter Lohnkostenzuschüsse und der Verzahnung der Leistungen<br />

des SGB III und der Eingliederungshilfe. Wir sind für die Anhebung der Pflichtquote auf 6% und eine<br />

Erhöhung der Ausgleichsabgabe.<br />

Karin Binder, Die Linke:<br />

Im Antrag „Gute Arbeit für Menschen mit Behinderung“ (BT-Drs. 17/9758) fordert DIE LINKE: Die<br />

Schaffung von Rahmenbedingungen für einen inklusiven Arbeitsmarkt – so wenig<br />

Sonderarbeitswelten wie möglich; langfristige und bedarfsgerechte Förderprogramme <strong>zur</strong><br />

Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen; die Erhöhung der Beschäftigungsquote auf sechs<br />

Prozent sowie die Anhebung der Ausgleichsabgabe; die Änderung der Arbeitstättenverordnung <strong>zur</strong><br />

Schaffung einer barrierefreien Arbeitsumwelt; den Ausbau von Integrationsfirmen und –Abteilungen;<br />

die Verbesserung von Beratung und Vermittlung von Menschen mit Behinderungen durch die<br />

Bundesagentur für Arbeit, das Recht auf reguläre Arbeitsverhältnisse und eine tarifliche Entlohnung<br />

für Beschäftigte in den Werkstätten für behinderte Menschen sowie Mitwirkungsrechte für deren<br />

Werkstatträte und Stärkung der Schwerbehindertenvertretungen.<br />

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