in Genossenschaften - Berliner Abendblatt
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leben <strong>in</strong> genossenschaften<br />
2 NovEMBER 2013<br />
Sonderveröffentlichung<br />
Berl<strong>in</strong> – Seit über 100 Jahren Standort genossenschaftlicher Wohnreform<br />
E<strong>in</strong>e besondere Mischung<br />
Die Suche nach geme<strong>in</strong>schaftlichen und mietsicheren<br />
Wohnformen ist auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
der demografischen Entwicklung und sich<br />
wandelnder Wohnungsmärkte aktuell geblieben.<br />
Wenn dabei von e<strong>in</strong>er Renaissance des Genossenschaftsgedankens<br />
gesprochen wird, so liegt<br />
dies auch <strong>in</strong> der Besonderheit der Idee begründet.<br />
In ke<strong>in</strong>er anderen Trägerform verb<strong>in</strong>det sich die soziale<br />
Utopie vom Leben <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft so eng<br />
mit dem Pragmatismus des Handelns im realen Wirtschaftsleben.<br />
Bis heute zeichnen sich Wohnungsgenossenschaften<br />
durch ihren Doppelcharakter als<br />
Wirtschaftsunternehmen sowie als bewohnerorientierte<br />
Selbsthilfee<strong>in</strong>richtungen aus. Nicht nur Planen<br />
und Bauen stehen im Vordergrund, sondern ebenso<br />
die spätere Aneignung und demokratische Teilhabe<br />
der Mitglieder.<br />
Wie ke<strong>in</strong>e andere deutsche Stadt ist Berl<strong>in</strong> über<br />
Jahrzehnte durch ihre Wohnungsgenossenschaften<br />
geprägt. Bestimmt wird diese Wirkung durch die über<br />
185.000 Wohnungen von über 90 genossenschaftlichen<br />
Unternehmen. Die ersten Wohnungsgenossenschaften<br />
entstehen <strong>in</strong> der wilhelm<strong>in</strong>ischen Kaiserzeit<br />
als Gegenentwürfe zur Mietskaserne. Sie weisen e<strong>in</strong>e<br />
große Bandbreite von staatstreuen Beamten-Bau-<br />
Vere<strong>in</strong>en über sozialreformerische Initiativen bis h<strong>in</strong> zu<br />
oppositionellen Siedlerbewegungen auf. Abhängig von<br />
baulichen, wirtschaftlichen und sozialen Reformansätzen<br />
bieten die frühen Bauten e<strong>in</strong> breites Spektrum von<br />
<strong>in</strong>nerstädtischen Wohnanlagen bis h<strong>in</strong> zu Gartenstadtsiedlungen<br />
<strong>in</strong> den Vorstädten. Quantitativ zeigen sie <strong>in</strong><br />
dieser Ära noch wenig Wirkung, umso größer aber ist<br />
ihre Bedeutung für die damalige politische Diskussion<br />
als e<strong>in</strong>zige Alternative zum spekulativen Wohnungsbau.<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber:<br />
BVZ Anzeigenzeitungen GmbH<br />
Karl-Liebknecht-Straße 29<br />
10178 Berl<strong>in</strong><br />
Tel.: 030 | 293 88 88<br />
Fax: 030 | 293 88 74 49<br />
Anzeigen & Werbung:<br />
Bernd Trautmann<br />
Tel.: 030 | 293 88 74 26<br />
Geschäftsführer:<br />
Jens Kauerauf<br />
Michael Braun<br />
Stefan Hilscher<br />
Druck:<br />
BVZ Zeitungsdruck GmbH, Berl<strong>in</strong><br />
Satz und Repro:<br />
MZ Satz GmbH, Halle<br />
Gestaltung:<br />
Medienbüro Schwenkenbecher<br />
Christian Schwenkenbecher<br />
(v.iS.d.P.)<br />
Ste<strong>in</strong>bachstr. 79 | 12489 Berl<strong>in</strong><br />
www.schwenk-media.de<br />
Nachdruck, auch auszugsweise,<br />
nur mit schriftlicher Genehmigung<br />
des Herausgebers.<br />
Erst ab Mitte der 20er Jahre wird mit dem Ausbau<br />
staatlicher Förderprogramme der genossenschaftliche<br />
Wohnungsbau auf e<strong>in</strong>e breitere Basis gestellt.<br />
Viele der kle<strong>in</strong>en Mitgliederunternehmen vervielfachen<br />
<strong>in</strong>nerhalb der wenigen wirtschaftlich stabilen<br />
Jahre der Weimarer Republik ihre Bestände.<br />
Mehr als 100 Jahre<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vertreten<br />
Die sozialdemokratisch orientierten <strong>Genossenschaften</strong><br />
kooperieren <strong>in</strong> dieser Phase im gewerkschaftlichgeme<strong>in</strong>wirtschaftlichen<br />
Gehag-Verbund. Die Bestimmungen<br />
der neuen Bauordnungen von 1925 und<br />
1929 sowie der Ausweis größerer Baulandflächen <strong>in</strong><br />
den e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>deten Vorortgebieten Berl<strong>in</strong>s führen<br />
erstmals zu genossenschaftlichen Wohnquartieren <strong>in</strong><br />
neuen Dimensionen. Bis heute haben die baulichen<br />
und sozialen Qualitäten der Reformsiedlungen der<br />
20er Jahre Vorbildcharakter. Die Weltwirtschaftskrise<br />
und ab 1933 die Gleichschaltungspolitik der Nationalsozialisten<br />
beenden die lebenskulturelle Vielfalt der<br />
wohnreformerischen Initiativen abrupt.<br />
Mit der politischen Spaltung der Stadt teilt sich auch<br />
die genossenschaftliche Entwicklung. In Ostberl<strong>in</strong><br />
„Arbeiterpalast“:<br />
Der 1900 auf der Pariser Weltausstellung<br />
ausgezeichnete „Arbeiterpalast“<br />
<strong>in</strong> der Friedrichsha<strong>in</strong>er Proskauer<br />
Straße des Berl<strong>in</strong>er Spar- und Bauvere<strong>in</strong>s.<br />
Quelle: Genossenschaftsforum<br />
entsteht mit der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft<br />
(AWG) e<strong>in</strong> eigener Typus. Die ersten Häuser<br />
werden zunächst noch mit umfangreicher staatlicher<br />
Unterstützung und baulicher Selbsthilfe der Mitglieder<br />
errichtet, im Zuge fortschreitender Industrialisierung<br />
des Bauens verlieren die <strong>Genossenschaften</strong><br />
ihre eigene Bauherrenfunktion und beschränken sich<br />
auf die Verwaltung. Im Westberl<strong>in</strong> werden <strong>Genossenschaften</strong><br />
unter den Bed<strong>in</strong>gungen des Wohnungsgeme<strong>in</strong>nützigkeitsrechts<br />
zu Organen staatlicher Wohnungspolitik.<br />
In beiden Teilen tragen ihre Neubauten<br />
erheblich zur Entlastung des Wohnungsmarkts bei.<br />
Erst nach der Wiedervere<strong>in</strong>igung beg<strong>in</strong>nen sich die<br />
Konturen der genossenschaftlichen Unternehmen<br />
jedoch wieder zu schärfen. E<strong>in</strong>zelne Neugründungen<br />
und e<strong>in</strong>e Neuorientierung der bestehenden <strong>Genossenschaften</strong><br />
tragen zur Wiederbelebung geme<strong>in</strong>schaftlicher<br />
Ansätze bei.<br />
Heute s<strong>in</strong>d die Berl<strong>in</strong>er Initiativen durch weitgehend<br />
modernisierte Bestände mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von<br />
geme<strong>in</strong>schaftlichen E<strong>in</strong>richtungen sowie kle<strong>in</strong>ere<br />
Neubauvorhaben geprägt. Seit mehr als 100 Jahren<br />
stellt das genossenschaftliche Modell hier die Leistungsfähigkeit<br />
solidarischen Wirtschaftens e<strong>in</strong>drucksvoll<br />
unter Beweis.<br />
Der Text ist dem Stadtführer: „Wohnungsgenossenschaften vor<br />
Ort, E<strong>in</strong> Stadtführer durch die Berl<strong>in</strong>er Bezirke“ entnommen, der<br />
2012 vom Genossenschaftsforum e.V. herausgegeben wurde.<br />
Anpacken:<br />
Eigenleistungen Mitte der 1950er Jahre auf der<br />
Baustelle der AWG 7. oktober <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Weißensee.<br />
Quelle: Genossenschaftsforum