Pressetext - Albertina
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SAALTEXTE<br />
Matisse und die Fauves<br />
Was Matisse und seine Freunde 1905 im Pariser Herbstsalon zeigen ist die erste<br />
Avantgardekunst der Moderne. Der radikale Bruch mit dem Realismus stellt eine völlig neue<br />
Wendung in der Kunstgeschichte dar.<br />
Der Fauvismus greift zwar auf die Neuerungen des 19. Jahrhunderts zurück, geht aber<br />
entscheidend darüber hinaus. Die Impressionisten erkennen immer noch die seit<br />
Jahrhunderten gültige Idee von Kunst als Imitation der Wirklichkeit an. Henri Matisse,<br />
André Derain, Maurice de Vlaminck, Kees van Dongen, Albert Marquet, Henri Manguin und<br />
Othon Friesz emanzipieren ihre Malerei radikal vom Prinzip der Naturnachahmung. Sie<br />
verzichten auf Raumkonstruktion und anatomische Richtigkeit, auf Farbperspektive und<br />
Lokalkolorit. Dafür gewinnen sie eine noch nie da gewesene Farbsättigung und Leuchtkraft.<br />
Zeichnung, Farbe, Raum und Licht werden gleichwertig behandelt. Der Verzicht auf Hell-<br />
Dunkel-Modellierung verstärkt die neue ästhetische Einheit der Farbräume.<br />
Den Spottnamen erhält die Bewegung der »Fauves« vom Kunstkritiker Louis Vauxcelles<br />
gleich bei ihrem ersten Auftritt im Pariser Herbstsalon. Auf den Leinwänden dieser »wilden<br />
Tiere« scheint die Anarchie ausgebrochen zu sein.<br />
Matisse ist das Sprachrohr der Gruppe und kraft seines Alters ihr Anführer. Von Van Gogh<br />
übernehmen die Künstler den pastosen Farbauftrag, von Gauguin die radikale Flächigkeit<br />
und willkürliche Farbgebung, von Cézanne die Freiheit, oft große Teile der Leinwand nicht<br />
zu bemalen. Die von den Impressionisten angeregte flüchtige Maltechnik erweckt den<br />
Eindruck des Unfertigen.<br />
Collioure, das kleine Fischerdorf in Südfrankreich, ist der Geburtsort des Fauvismus. Hier<br />
vollziehen Matisse und Derain im Sommer 1905 den Übergang vom Pointillismus zu jener<br />
neuen Malerei, die der Kunstskandal des Herbstes und die Geburtsstunde der Moderne<br />
werden sollte. Matisse setzt strahlende Kontraste von Rot-Grün und Blau-Orange<br />
teppichartig nebeneinander: So entsteht der vom Maler angestrebte intensive Farbraum<br />
reiner Harmonie.<br />
Bestärkt werden die Fauves in ihrer neuen Ästhetik auch durch die Skulpturen Afrikas. In<br />
diesen »primitiven« Meisterwerken begegnen sie einer überraschenden Subjektivität. Die<br />
Fauves verdanken den afrikanischen Kunstwerken, die sie seit 1906 selbst sammeln, die<br />
Lizenz zu willkürlichen Proportionen und zur Deformierung der Körper.