Alpen-Masters Special - BMW Motorrad
Alpen-Masters Special - BMW Motorrad
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<strong>BMW</strong> F 800 GT, Moto Guzzi California Touring,<br />
Triumph Trophy SE, Yamaha FJR 1300 A<br />
Tourer<br />
Auf Tourern schrumpfen die Distanzen und erweitert sich der Horizont.<br />
Doch lässt sich mit den Reisemobilen auch am alpinen Ziel der Spaß<br />
finden, der mit ihnen gesucht wurde?<br />
War der Weg schon das Ziel?<br />
Manchen in der Vierergruppe<br />
beschleicht ein mulmiges Gefühl,<br />
als wir in Vinadio von der<br />
Hauptverkehrsader im Sturatal in Richtung<br />
Col de la Lombarde abbiegen. Denn gleich<br />
zu Beginn winden sich die Serpentinen<br />
so eng wie ein vom Schmerz gekrümmter<br />
Regenwurm den dicht bewaldeten Hang<br />
entlang. Da hinauf? Mit bis zu sieben Zentner<br />
schweren Tourern?<br />
Denn so viel – 345 Kilogramm, um genau<br />
zu sein – wiegt die opulenteste unter den<br />
vier Kilometerfressern: die Moto Guzzi California<br />
Touring. Also, mal nicht zu viel vor-<br />
nehmen. Doch das Szenario von permanent<br />
kratzenden Trittbrettern, die Masse träge<br />
nach oben schiebendem Motor und einem<br />
Fahrwerk, das nur mit viel Muskelschmalz um<br />
die Kehren zu wuchten ist, bleibt aus. Auch<br />
wenn die lässige Sitzhaltung, Trittbretter,<br />
Schaltwippe und hohe Frontscheibe American-Cruiser-Feeling<br />
vermitteln. Doch diesen<br />
Spirit, der oft auch so manche fahrphysikalische<br />
Unzulänglichkeit verzeihen helfen soll,<br />
braucht es für die Cali kaum. Selbst in den<br />
Erster-Gang-Wenden im unteren Teil des<br />
Passes geht der V2 mit seiner gut abgestimmten<br />
Ride-by-Wire-Motorsteuerung am<br />
Kurvenscheitelpunkt geschmeidig ans Gas<br />
6 2 T e s t + T e c h n i k 17/ 2 0 13 w w w. m o t o r r a d o n l i n e . d e<br />
T e s t + T e c h n i k 6 3
Plat z 1<br />
<strong>BMW</strong> F 800 GT<br />
P lu s<br />
• hervorragendes Handling<br />
• extrem neutrales Fahrverhalten<br />
• geringer Verbrauch<br />
• vergleichsweise mäßiger<br />
Preis<br />
• pflegeleichter Riemenantrieb<br />
• ordentlicher Windschutz<br />
M i n u s<br />
• Sitzhaltung eher sportlich<br />
als touristisch<br />
Plat z 2<br />
Triumph Trophy SE<br />
P lu s<br />
• für die Gewichtsklasse<br />
agiles Handling<br />
• homogene Federungsabstimmung<br />
• brillanter Motor<br />
• Vollausstattung<br />
• guter Soziuskomfort<br />
M i n u s<br />
• hohes Gewicht<br />
• ausladende Dimensionen<br />
• umständliche Menüführung<br />
der Elektronik<br />
*inkl. Safety-Paket (690 Euro), Comfort-Paket (450 Euro) und Koffersatz (535 Euro)<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>: Tourer<br />
und drückt anschließend linear voran. Kräftig<br />
obendrein. In der Durchzugsmessung<br />
im zweiten Gang (siehe Kasten unten)<br />
hängte die Guzzi gleich zwei ihrer drei Kolleginnen<br />
ab. Angesichts ihrer Masse lässt<br />
sie sich zudem unerwartet behände durch<br />
die Kurven bugsieren. Trotzdem: Objektiv<br />
betrachtet besitzt sie in diesem Vergleich<br />
die geringste Schräglagenfreiheit, das<br />
trägste Handling und eine Federung mit<br />
Daten<br />
und Messwerte<br />
<strong>BMW</strong><br />
F 800 GT<br />
den geringsten Reserven. Weshalb sie ihren<br />
Mitstreiterinnen den Vortritt lassen muss.<br />
Verzeihlich, denn schließlich hat sich die<br />
Cali mit der High Society des Tourer-Segments<br />
angelegt. Trotz der für verbesserten<br />
Windschutz geänderten Verkleidung<br />
kommt die Yamaha FJR 1300 auch im<br />
2013er-Modelljahr zeitlos daher. Und wirft<br />
mit ihrem Motor gleich das dickste Pfund in<br />
den Ring. Dieser famose Reihenvierer gibt<br />
sich nicht zuletzt durch das neue Ride-by-<br />
Wire als Universaltalent. Butterweich in der<br />
Moto Guzzi<br />
California<br />
Touring<br />
Triumph<br />
Trophy SE<br />
Motor Zweizylinder Zweizylinder Dreizylinder Vierzylinder<br />
Hubraum 798 cm³ 1380 cm³ 1215 cm³ 1298 cm³<br />
Leistung 90 PS 97 PS 135 PS 146 PS<br />
Drehmoment 86 Nm 120 Nm 120 Nm 138 Nm<br />
Gewicht 221 kg 345 kg 303 kg 292 kg<br />
Zuladung 199 kg 202 kg 251 kg 212 kg<br />
Preis 10 300 Euro 19 600 Euro 18 670 Euro 17 595 Euro<br />
Preis Testmotorrad 11 975 Euro* 19 600 Euro 18 670 Euro 17 595 Euro<br />
Testverbrauch Pässe 3,9 l/100 km 6,1 l/100 km 4,9 l/100 km 5,3 l/100 km<br />
theoretische Reichweite Pässe 384 km 334 km 532 km 469 km<br />
Durchzug in 2000 m über NN, 8,6 sek 9,8 sek 8,8 sek 8,5 sek<br />
50–100 km/h<br />
Durchzug bergauf mit Sozius, 7,0 sek 5,2 sek 4,7 sek 5,6 sek<br />
2. Gang, 25–75 km/h<br />
Bremsweg bergab mit Sozius,<br />
75–25 km/h<br />
22,6 m 27,3 m 28,3 m 25,0 m<br />
Yamaha<br />
FJR 1300 A<br />
Gasannahme, hervorragend beim Lastwechsel,<br />
grandios im Antritt und gewaltig<br />
in der Drehfreude. Ein Traum.<br />
Den das Fahrwerk der FJR nicht weiterträumt.<br />
Nicht dass man nach einer in diesem<br />
Segment angesagten elektronischen<br />
Federung rufen würde. Immerhin zieht die<br />
292 Kilogramm schwere Yamaha auf den<br />
langen Bögen des Col de Larche wie an der<br />
Schnur gezogen ihre Bahn. Doch auf den<br />
gekräuselten Rampen des Lombarde irritiert<br />
sie gehörig. Als ob ein kleiner Berggeist<br />
am Lenker zöge, lässt sich die FJR störrisch<br />
von Bodenwellen aus der Spur hebeln, fühlt<br />
sich unpräzise und unhandlich an. Und<br />
kann deshalb erstaunlicherweise – trotz formidablem<br />
Motor, einer riesigen Reichweite<br />
und komfortabler Federung – der touristischer<br />
ausgerichteten Triumph Trophy SE<br />
nicht das Wasser reichen.<br />
Denn der wuchtig wirkenden Britin<br />
wür de kein Mensch eine derartige Wuseligkeit<br />
zutrauen. Mit viel Druck auf dem<br />
Vorderrad sticht die Trophy SE zielsicher<br />
in die Kehren, lässt sich trotz ihrer Masse<br />
mit sanftem Zug von einer in die nächste<br />
schwenken und ist mit ihrer fein abgestimmten,<br />
elektronisch justierbaren Federung<br />
prima ausbalanciert. Und weil er diese<br />
Qualitäten mit dem vom Drehzahlkeller bis<br />
in höchste Regionen kultivierten und kräftigen<br />
Dreizylindermotor kombiniert, fühlt<br />
sich der Luxusliner in den <strong>Alpen</strong> so wohl<br />
wie seine Konstrukteure beim Five o’Clock<br />
Tea. Zumindest bis beim Wenden auf den<br />
Aussichtsparkplätzen oder dem Ausparken<br />
aus der Hotelgarage die Dimensionen der<br />
Trophy wieder ins Bewusstsein rücken.<br />
Dann verlangen die stattlichen 303 Kilogramm<br />
Lebendgewicht nach bedachtem<br />
Handeln. Wer aus der Balance gerät, hat<br />
verloren – und überlegt sich vielleicht gerade<br />
in diesen Momenten, das Kontrastprogramm<br />
zu wählen.<br />
Laut röhrten plötzlich viele dicke Motoren<br />
am Col de la Bonette. Wir waren<br />
in den Coupe des Alpes geraten, eine<br />
Rallye für Oldtimer. Nicht alle schafften<br />
es aber ganz nach oben. So strandete ein<br />
Ferrari 250 GT Lusso aus den 60er-Jahren<br />
auf halber Höhe. Während die MOTOR-<br />
RAD-Crew noch den Zwölfzylinder beäugte,<br />
eilte schon Hilfe herbei – Mechaniker-<br />
und/oder Abschleppservice sind<br />
bei der Nobelrallye im Preis inbegriffen.<br />
17/ 2 0 13 w w w. m o t o r r a d o n l i n e . d e<br />
Plat z 3<br />
Plat z 4<br />
Yamaha FJR 1300 A<br />
P lu s<br />
• kultivierter Motor<br />
• verbessertes Ansprechverhalten<br />
durch Ride-by-Wire<br />
• klare Rückmeldung<br />
• gute Fahrleistungen<br />
• große Reichweite<br />
• einfache Menüführung<br />
der Elektronik<br />
M i n u s<br />
• starke Aufstellneigung bei<br />
unebener Fahrbahn<br />
• mäßiges Handling<br />
Moto Guzzi California Touring<br />
P lu s<br />
• ausdrucksstarker, aber<br />
dennoch kultivierter Motor<br />
• guter Durchzug<br />
• ausgeprägter Windschutz<br />
• für einen Cruiser ordentliches<br />
Handling<br />
• entspannte Fahrhaltung<br />
M i n u s<br />
• hohes Gewicht<br />
• relativ hoher Verbrauch
Das<br />
XTREME<br />
XFEDERBEIN<br />
Xfür Ihre <strong>BMW</strong> R1200GS<br />
2013<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>: Tourer<br />
Denn mit der <strong>BMW</strong> F 800 GT gehen die Bayern das Reisethema<br />
quasi von der gegenüberliegenden Seite an. Der Sporttourer<br />
wirkt trotz Vollverkleidung in diesem Kreis fast wie ein<br />
Minibike. Schmal, niedrig, leicht. Und setzt sich mit genau diesen<br />
Qualitäten auf der Achterbahn der Bergwelt in Szene. Vor<br />
allem der gegenüber den Verfolgerinnen mindestens 80 Kilogramm<br />
große Gewichtsvorteil lässt die 221 Kilo schwere GT<br />
in Sachen Handling in einer anderen Liga spielen. Ein zarter<br />
Schubs wirft die Bayerin von einer Schräglage in die nächste,<br />
bombensicher hält sie selbst über übelste Verwerfungen die Linie<br />
und pariert jede alpine straßenbauliche Herausforderung<br />
mit einem Achselzucken.<br />
Dieses unkomplizierte Wesen<br />
ergänzt der gemessene 94<br />
Pferde starke Twin mit sanftem<br />
Leistungseinsatz und kurzer<br />
Übersetzung. Doch weil mit<br />
diesen Attributen sich auch jedes<br />
sportliche Naked Bike zum<br />
<strong>Alpen</strong>-Meister aufschwingen<br />
könnte, wertet erst der ordentliche<br />
Windschutz, die erstaunliche<br />
Soziustauglichkeit<br />
und nicht zuletzt der moderate<br />
Verbrauch (3,9 Liter/100<br />
km) das Spaßmobil zum Passmobil<br />
auf. Ganz abgesehen<br />
davon ist die GT in Vollausrüstung<br />
mit knapp 12 000 Euro<br />
das mit Abstand günstigste<br />
Touren-Bike. So geht das Kopfan-Kopf-Rennen<br />
knapp zugunsten<br />
der GT aus.<br />
Motorleistung<br />
L e i s t u n g<br />
Fazit <br />
200 Kilometer weiter<br />
nördlich hätte die erstaunliche<br />
Triumph gesiegt.<br />
Doch kaum ein<br />
<strong>Motorrad</strong> kombiniert<br />
eine kommode Anreise<br />
mit so viel Fahrspaß in<br />
den Serpentinen wie<br />
die <strong>BMW</strong>. Vor dieser<br />
Leichtigkeit des Seins<br />
muss auch der Rest kapitulieren.<br />
Die Yamaha<br />
wegen ihres Fahrwerks<br />
und die Guzzi wegen<br />
ihres Gewichts.<br />
Drehmoment in Nm<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>-Wertung<br />
Maximale<br />
Punktzahl<br />
<strong>BMW</strong><br />
F 800 GT<br />
Moto Guzzi<br />
California Touring<br />
Triumph<br />
Trophy SE<br />
Yamaha<br />
FJR 1300 A<br />
Motor<br />
Beschleunigung 0–140 km/h 20 15 9 15 18<br />
Durchzug in 2700 m über NN 20 12 9 12 12<br />
Durchzug im 2. Gang bergauf mit Sozius 20 13 17 19 16<br />
Leistungsentfaltung 20 15 15 17 16<br />
Ansprech-/Lastwechselverhalten 20 14 15 15 16<br />
Kupplung 20 13 11 12 13<br />
Schaltung 20 13 9 11 12<br />
Getriebeabstufung 10 9 8 8 7<br />
Summe 150 104 93 109 110<br />
Fahrverhalten<br />
Abstimmung/Komfort 20 14 8 14 12<br />
Federungsreserven bei Beladung 20 13 9 14 12<br />
Handlichkeit auf Passstraßen 20 18 9 12 10<br />
Stabilität in Kurven 20 16 9 13 13<br />
Lenkpräzision/Rückmeldung 20 17 10 14 12<br />
Bremswirkung 20 16 11 15 14<br />
Bremsverhalten bergab/Fading 20 16 11 12 14<br />
ABS 15 13 9 10 11<br />
Traktionskontrolle 5 3 3 3 3<br />
Aufstellmoment beim Bremsen 10 8 7 5 5<br />
Schräglagenfreiheit bei Beladung 10 8 2 4 4<br />
Summe 180 142 88 116 110<br />
Alltag<br />
Ausstattung 20 16 6 18 16<br />
Gepäckunterbringung 10 8 5 9 9<br />
Reichweite Pässe 20 17 14 20 20<br />
Zuladung 20 12 13 20 15<br />
Handhabung beladen 10 7 1 1 2<br />
Sicht Yamaha nach FJR 1300 vorn/hinten A 10 8 6 6 7<br />
103,3 kW (140 PS) bei 8100/min<br />
Bodenfreiheit mit 133 Nm Sozius bei 6800/min und Gepäck 10 9 10 9 5<br />
110<br />
140 Yamaha FJR 1300 A<br />
100<br />
130 103,3 kW (140 PS) bei 8100/min<br />
90<br />
133 Nm bei 6800/min<br />
120<br />
Triumph Trophy SE<br />
Triumph Troph 1200 Summe SE 100 77 55 83 74<br />
80 110 97,3 kW (132 PS) bei 8800/min<br />
97,3 kW (132 PS) bei 8800/min<br />
100 117 Nm bei 6800/min<br />
Komfort 117 Nm bei 6800/min<br />
70<br />
Moto Guzzi California<br />
90 Moto Guzzi California Touring<br />
70,3 Sitzkomfort kW (96 PS) bei 7200/min Fahrer 20 16 13 18 17<br />
60 80<br />
70,3 kW (96 PS) bei 7200/min<br />
113 Sitzkomfort Nm bei 5500/min Sozius 20 16 18 19 17<br />
113 Nm bei 5500/min <strong>BMW</strong> F 800 GT<br />
Wind- und Wetterschutz 20 14 16 19 18<br />
50 70<br />
68,9 kW (94 PS)<br />
<strong>BMW</strong> F 800 GT<br />
68,9 kW Laufruhe (94 PS) bei 8400/min<br />
60<br />
bei 8400/min<br />
Motor 10 4 4 8 6<br />
88 Nm bei 5700/min<br />
88 Nm bei 5700/min<br />
Summe 70 50 51 64 58<br />
40<br />
50<br />
140<br />
30 40<br />
120<br />
20<br />
30<br />
100<br />
Gesamtsumme 500 373 287 372 352<br />
10<br />
kW PS<br />
60<br />
10<br />
20<br />
80<br />
Platzierung Gruppe 1. 4. 2. 3.<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11<br />
Motordrehzahl in 1/min x 1000<br />
Leistung an der Kurbelwelle. Messungen auf dem Dynojet-Rollenprüfstand 250,<br />
korrigiert nach 95/1/EG, maximal mögliche Abweichung ± 5 %<br />
17/ 2 0 13<br />
Touratech Suspension Federbein hinten für<br />
<strong>BMW</strong> R 1200 GS (ab 2013), Typ *Extreme*<br />
Schlechte Pisten, volle Beladung, wechselnde Fahrzustände: Gerade bei Fernreisen ist das Fahrwerk einer Enduro härtesten<br />
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Triumph Tiger Explorer, Triumph Street Triple<br />
Finale<br />
Die fünf Klassensieger treffen auf die beiden Champions des Vorjahres,<br />
die <strong>BMW</strong> R 1200 GS und die Triumph Explorer. Am Ende der<br />
finalen Tagestour fällt am Col de la Bonette die Entscheidung.<br />
Von Gert Thöle; Fotos: Jörg Künstle<br />
Der letzte Tag, die letzte Stunde,<br />
der letzte Job des <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>.<br />
Es ist nach zehn Uhr abends auf<br />
einem der höchsten Pässe der<br />
<strong>Alpen</strong>, dem Col de la Bonette, 2715 Meter<br />
über dem Meer. Die Sonne ist hinter den<br />
Gipfeln abgetaucht, die sich nur noch<br />
schwach am westlichen Horizont abzeichnen.<br />
Mit ihren letzten Strahlen leuchtet sie<br />
den Abendhimmel in blaugelben Pastellfarben<br />
malerisch aus. Außer uns beiden –<br />
Fotograf Jörg Künstle und dem Autor – ist<br />
weit und breit kein Mensch zu sehen. Kein<br />
anderes Lebewesen, rein gar nichts regt<br />
sich mehr hier oben. Nach einer Woche<br />
angespannter Arbeit und einem strammen<br />
Testprogramm erleben wir nun einen<br />
Augenblick voller majestätischer Stille und<br />
monumentaler Kraft.<br />
Die restliche Testmannschaft der Finalrunde<br />
dürfte inzwischen bereits im Hotel in<br />
Pietraporzio angekommen sein. Wir beide<br />
stehen kurz unterhalb der Passhöhe des<br />
Bonette, blicken gen Westen und warten.<br />
Warten auf den optimalen Zeitpunkt, die<br />
op timale Lichtstimmung, um den Sieger<br />
des diesjährigen <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong> gebührend<br />
in Szene zu setzen. Exakt diesen kurzen,<br />
perfekten Moment inmitten eines gewaltigen<br />
Panoramas will Jörg einfangen.<br />
„Alles richtig gemacht“, pflegt Top-Tester<br />
Karsten in solchen Augenblicken zu<br />
sagen. Hinter uns liegt eine intensive, aber<br />
reibungslose Testwoche und als Höhepunkt<br />
der längste Tag des <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>, das<br />
große Finale. Ein eindrückliches Erlebnis auf<br />
den besten Maschinen des aktuellen Jahrgangs<br />
in der grandiosen Gebirgslandschaft<br />
der Seealpen. Am Ende einer 206 Kilometer<br />
langen Runde über fünf Pässe mit völlig unterschiedlichem<br />
Charakter wird am Bonette<br />
schließlich der Sieger gekürt.<br />
6 8 T e s t + T e c h n i k 17/ 2 0 13<br />
w w w. m o t o r r a d o n l i n e . d e<br />
T e s t + T e c h n i k 6 9
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong> Die Finalrunde<br />
Pass par tous<br />
Pass für alle, Spaß für alle: Gerade rechtzeitig öffneten nach<br />
dem langen Winter die hohen Pässe, Schnee war beim diesjährigen<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong> das Dauerthema. Just in time frei war zum<br />
Beispiel der erste Pass der Finalrunde, der Col de la Lombarde, ein<br />
anspruchsvoller, eng verschlungener Pass, der mit viel Tauwasser<br />
und Dreck auf der Fahrbahn besondere Anforderungen an Mensch<br />
und Maschine stellte. Auf der französischen Seite ist die Straße ab<br />
dem Retorten-Skiort Isola 2000 breit und zügig ausgebaut, dort<br />
kann man es schön laufen lassen. In Saint-Sauveur biegen die Finalisten<br />
zum Col de la Couillole ab, einem kleinen, verwinkelten Pass<br />
abseits der üblichen Routen und praktisch ohne Verkehr. Über die<br />
Hochebene um den Touristenort Valberg geht es an malerischen<br />
Felswänden entlang nach Guillaumes, wo das Finalteam über<br />
Saint-Martin-d’Entraunes zum Col de la Cayolle fährt. Die teilweise<br />
recht holprige und enge Abfahrt hinunter nach Barcelonnette<br />
stellt höchste Ansprüche an Fahrwerk und Handling. Der Höhepunkt<br />
des Finales ist dann im Wortsinn der Col de la Bonette,<br />
dessen Schleife Cime de la Bonette mit 2802 Metern der höchste<br />
asphaltierte <strong>Alpen</strong>pass ist. Die war jedoch nicht passierbar, weil<br />
sich noch die Fräsen durch die Schneemassen kämpften.<br />
GAP<br />
Barcelonnette<br />
Jausiers<br />
I t a l i e n<br />
Pietraporzio<br />
„Der Wolf im Schafspelz“<br />
Eva Breutel (52), Italien-<br />
Korrespondentin, mag handliche<br />
Maschinen<br />
Ein Frauenmotorrad sei<br />
die <strong>BMW</strong> F 800 GT, sagte<br />
einer meiner Kollegen<br />
beim Finale. Aha. Sollte<br />
er damit meinen, dass<br />
Frauen oft Understatement-Motorräder<br />
bevorzugen,<br />
so trifft der Begriff auf die GT zu,<br />
denn sie ist der typische Wolf im Schafspelz:<br />
sieht täuschend harmlos aus, entpuppt<br />
sich aber als brillante Bergsteigerin.<br />
Der 94-PS-Motor ist immer präsent und<br />
wie geschaffen fürs <strong>Alpen</strong>karussell, die<br />
aktive Sitzposition lädt zur flinken Attacke<br />
auf Kurven und Kehren ein. In meiner<br />
Wertung landet sie vor den drei großen<br />
und schwe ren Reiseenduros, denn nach<br />
einem langen Tag am Berg finde ich zwar<br />
nicht das Fah ren, aber das Auf- und Absteigen<br />
und das Rangieren mit der niedrigeren<br />
und leichteren GT viel einfacher.<br />
Und so gewinnt bei mir das <strong>Motorrad</strong>,<br />
das mir auch in schwa chen Momenten<br />
Entspannung gönnt.<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>: Finale<br />
Gekürt bedeutet in diesem Jahr, dass<br />
die sieben Fahrer – alles international routinierte,<br />
professionelle Tester – am Ende des<br />
Tages ihr persönliches Ranking erstellen.<br />
Sieben Maschinen, sieben Fahrer, sieben<br />
Meinungen: Sieger sind sie alle, aber am<br />
Ende kann es nur einen wahren Champion<br />
des <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong> geben.<br />
Üblicherweise jedenfalls, denn bei der<br />
letztjährigen Ausgabe ergab sich eine Pattsituation,<br />
<strong>BMW</strong> R 1200 GS und Triumph<br />
Tiger Explorer teilten sich den Titel. Diese<br />
beiden treffen nun auf die fünf diesjährigen<br />
Gruppensieger. Wobei im Fall der GS erstmals<br />
eine neue Regelung erforderlich ist,<br />
denn bei ihr gab es bekanntlich mit dem<br />
neuen Wasserboxer einen Modellwechsel.<br />
Wie damit umgehen? Das MOTORRAD-<br />
Testteam entschied, die neue GS als Ersatz<br />
für die alte direkt ins Finale zu schicken, also<br />
ohne die übliche Qualifikationshürde der<br />
Vorrunde. Vor allem deshalb, weil die GS im<br />
Alt/Neu-Vergleich sowie in den großen<br />
Reise enduro-Storys des Frühjahrs ihre Qualitäten<br />
bereits hinlänglich unter Beweis<br />
gestellt hat. Kurz gesagt: Die neue GS ist<br />
besser als die alte und kann sie daher<br />
ohne Wenn und Aber würdig ersetzen.<br />
Grundsätzlich ist das große Finale auch<br />
ein Vergleich der unterschiedlichen Konzepte.<br />
Natürlich spielt das einzelne <strong>Motorrad</strong><br />
die tragende Rolle, aber es geht zudem<br />
um den besten <strong>Motorrad</strong>typ für alpines<br />
Fah ren. Wegen des Reiseenduro-Doppelsiegs<br />
im letzten Jahr ist diese Gattung in<br />
diesem Jahr gleich dreimal vertreten; zu<br />
206 Kilometer, 6062 Höhenmeter: Im<br />
großen Finale des <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong> führte<br />
die Route über fünf sehr unterschiedliche<br />
Pässe der grandiosen Seealpen<br />
Höhe über NN<br />
2800 m<br />
2600 m<br />
2400 m<br />
2200 m<br />
2000 m<br />
1800 m<br />
1600 m<br />
1400 m<br />
1200 m<br />
1000 m<br />
800 m<br />
700 m<br />
Pietraporzio,<br />
1246 m<br />
Col de la Lombarde,<br />
2350 m<br />
Le Villar d´Abas<br />
Col de la Cayolle<br />
Entraunes<br />
A l p<br />
Isola<br />
Col de la<br />
Couillole<br />
Guillaumes<br />
Valberg<br />
Col de Valberg<br />
e s<br />
Col de la Couillole,<br />
1678 m<br />
Col de la Bonette<br />
M a r i t i m<br />
Col de la Cayolle,<br />
2372 m<br />
Col de Valberg,<br />
1672 m<br />
e s<br />
GRASSE<br />
Vinàdio<br />
Col de la<br />
Lombarde<br />
Isola 2000<br />
St. Sauveurs.-Tinée<br />
F r a n k r e i c h<br />
Col de la Bonette,<br />
2715 m<br />
NIZZA<br />
M i t<br />
t e l<br />
m e e r<br />
600 m<br />
km<br />
0<br />
20<br />
40<br />
60<br />
80<br />
100<br />
120<br />
140<br />
160 180 200 205<br />
7 0 T e s t + T e c h n i k<br />
17/ 2 0 13 w w w. m o t o r r a d o n l i n e . d e
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„Ein Sonderlob für<br />
Hondas kleine CB 500 X“<br />
„Quick and dirty – die GS<br />
beherrscht beides“<br />
Minirack<br />
Francesco Gulinelli (36),<br />
Italien, fährt als Ingenieur auf<br />
modernste Elektronik ab<br />
Gert Thöle (57), Deutschland,<br />
mag sanfte Motoren und<br />
knackige Fahrwerke<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>: Finale<br />
den Champions des Vorjahres, der R 1200<br />
GS und der Explorer, gesellt sich der aktuelle<br />
Klassensieger, die KTM 1190 Adventure R.<br />
Wenn auch dieses Konzept für die <strong>Alpen</strong><br />
wie geschaffen scheint, so errangen in der<br />
Vergangenheit doch Modelle aus anderen<br />
Kategorien den Gesamtsieg, nämlich die<br />
<strong>BMW</strong> R 1200 R oder die Honda CB 1300.<br />
„Die Explorer wirkt massig,<br />
fährt aber easy“<br />
Jedes Jahr bringen die<br />
Motorräder im <strong>Alpen</strong>-<br />
<strong>Masters</strong> mehr Elektronik<br />
mit und werden somit<br />
immer komplexer. <strong>BMW</strong><br />
ist den anderen Herstellern<br />
in Sachen Bedienbarkeit<br />
einen Schritt voraus. Auf den drei<br />
Finalistinnen aus Bayern findet man sich<br />
auf Anhieb zwischen allen Schaltern und<br />
Knöpfen zurecht, die Einstellungen gelingen<br />
sicher und lenken nicht vom Fahren ab<br />
– ein Aspekt, den man nicht unterschätzen<br />
sollte. Daher steht in meiner Wertung <strong>BMW</strong><br />
ganz vorn, vor allem mit der rundum gelungenen<br />
neuen GS. Ein Sonderlob gibt es<br />
für die Honda CB 500 X: Sie kostet kaum<br />
mehr als die Sonderausstattung der GS,<br />
macht aber viel Spaß und ist ein ernst zu<br />
nehmendes <strong>Motorrad</strong>. Sie hat mich auf<br />
den <strong>Alpen</strong>pässen erstaunt und überzeugt.<br />
Wenn mir das einer<br />
vor zehn Jahren gesagt<br />
hätte, dass <strong>BMW</strong> die<br />
emotional schärfsten<br />
Geräte baut. Aber es ist<br />
so, GS und HP4 machen<br />
am meisten an. Dass die<br />
GS vorn liegt, darüber gibt es aus meiner<br />
Sicht gar keine Diskussionen, auch wenn die<br />
KTM mich als Offroad-Fan besonders anspricht.<br />
Aber der Wasserboxer ist mit seiner<br />
Bandbreite nicht zu schlagen. Er bietet mit<br />
ausgefeilten Assistenzsystemen die besten<br />
Reserven in puncto Sicherheit und schafft<br />
den Spagat zwischen Vernunft und Emotion,<br />
er kann gleichermaßen bequem und<br />
sportlich, quick and dirty. Die HP4 ist ein<br />
unglaublicher Spaß, aber eben auch die<br />
pure Unvernunft und zu aggressiv in diesem<br />
sensiblen Umfeld. Und auch die dritte <strong>BMW</strong>,<br />
die F 800 GT, schlägt sich mehr als wacker.<br />
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Oscar Pena (40), Spanien,<br />
geht als Vollblut-Racer<br />
emotional ans Thema<br />
V<br />
Ve<br />
Ich hab die neue GS hier<br />
das erste Mal probiert,<br />
und sie hat mich stark<br />
beeindruckt. Sie fühlt<br />
sich sportlicher und<br />
leichter an als die alte,<br />
die Elektronik funktioniert<br />
perfekt. Die Explorer überrascht ebenfalls:<br />
im Stand schwerfällig, auf den Pässen<br />
aber neutral und leicht zu kontrollieren.<br />
Und der Dreizylinder verwöhnt mit seiner<br />
sanften Kraftentwicklung. Dahinter habe<br />
ich die Street Triple gesetzt, die hat ausreichend<br />
Power für Passfahrten, dazu ein<br />
fantastisches Handling. Sicher keine ideale<br />
Reisemaschine, aber ein lustiges Spielzeug<br />
für enge Passstraßen. Die HP4 ist der beste<br />
Supersportler aller Zeiten, aber selbst als<br />
Racer muss ich zugeben, dass die Bandbreite<br />
beschränkt ist. Trotzdem ist die HP4<br />
für mich die pure Leidenschaft.<br />
Gute Chancen müsste man auch einem<br />
modernen Cross-over-Konzept wie dem der<br />
Honda CB 500 X einräumen. Man sitzt bequem,<br />
hat guten Windschutz, die Federung<br />
arbeitet komfortabel – alles gewichtige Argumente<br />
fürs alpine Fahren. Zumal die kleine<br />
Honda die engen Kehren des Lombarde<br />
mit ungeahnter Leichtigkeit hin aufwieselt.<br />
Ginge es allein ums Vergnügen, läge der<br />
Einstiegszweizylinder ganz weit vorn.<br />
Trotz breiter Sympathie bleibt die CB als<br />
schwächste Maschine jedoch Außenseiter.<br />
Seine eigene Leistungsklasse mischte der<br />
quirlige Twin zwar gehörig auf, zwischen<br />
den Großen und Starken wäre jeder andere<br />
Platz als der letzte hingegen eine Überraschung,<br />
zumal hier eher leistungsverwöhnte<br />
Testprofis werten. Doch Kristijan,<br />
der die Sache wie gewohnt von der genießerischen<br />
Seite angeht, setzt die 48-PS-Maschine<br />
sogar auf Rang 4, vor drei- bis viermal<br />
so starken Gegnern wie der Tiger Explorer<br />
oder der HP4. So teilt sich die flinke Honda<br />
am Ende den fünften Platz mit der Street<br />
Triple, was auf jeden Fall bemerkenswert ist.<br />
Der 675er-Dreizylinder gefällt vor allem<br />
den beiden sportlichen Piloten Lars und<br />
Oscar. In puncto Fahrspaß und Emotionen<br />
sehen auch andere Tester die Street Triple<br />
vorn. Eine Maschine für engagierte Solisten.<br />
Aber die Rationalisten bemängeln den<br />
schma len Einsatzbereich; die Tourentauglichkeit<br />
fällt mangels Fahrkomfort, Gepäckunterbringung<br />
und Windschutz eher kläglich<br />
aus. Immerhin, Rang fünf bedeutet<br />
zumindest nicht die rote Laterne.<br />
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<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>: Finale<br />
Die geht an das sicherlich heißeste Bike<br />
dieses Finales, die HP4. Konzeptbedingt hat<br />
es ein kompromissloser Supersportler in<br />
diesem Umfeld grundsätzlich schwer. Besonders<br />
einer wie die <strong>BMW</strong>, als Rennreplika<br />
für schnelle Runden auf der Piste ausgelegt.<br />
Doch sie kann auch ganz anders, verfügt<br />
über technische Highlights, die ihr sogar auf<br />
anspruchsvollen <strong>Alpen</strong>pässen das Leben<br />
erleichtern. Elektronisches Fahrwerk, Traktionskontrolle,<br />
variable Mappings, ein umstellbares<br />
ABS – all das bringt auch im alltäglichen<br />
Leben Vorteile. Rennfreak Oscar<br />
platziert den Überflieger im Überschwang<br />
„HP4 als Letzte – das war<br />
eine einfache Wahl“<br />
Kristijan Ticak (39), Kroatien,<br />
Chefredakteur, mag<br />
anspruchslose Motorräder<br />
Eine <strong>BMW</strong> HP4 auf dem<br />
letzten Platz? Das gibt es<br />
nur beim <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>.<br />
So weit war es für mich<br />
einfach, aber die anderen<br />
sind schwieriger zu<br />
platzieren. Nie war die<br />
Konkurrenz so stark. Die KTM ist ein harter<br />
Gegner für die GS, leider kommt die Power<br />
erst im oberen Teil der Skala. F 800 GT und<br />
CB 500 X haben mich positiv überrascht.<br />
Die beiden Twins arbeiten schön gleichmäßig<br />
und beweisen, dass es hier nicht um<br />
hohe Leistung geht. Beide sind leicht zu<br />
fahren, das gilt besonders für weniger<br />
rou tinierte Piloten. Sie gehen zudem sparsam<br />
mit dem Sprit um und sind auch sonst<br />
anspruchslos. Wenn der Preis bei der Bewertung<br />
eine Rolle spielen würde, wären<br />
die Mittelklasse-Maschinen für mich heiße<br />
Kandidaten auf den Sieg.<br />
„Den höchsten Genuss<br />
bietet die Street Triple“<br />
Lars Bosson (49), Schweden,<br />
zweifacher nationaler Superbike-Meister<br />
Am meisten Genuss<br />
bietet die Street Triple<br />
mit dem kleinen, aber<br />
wunderbaren Dreizylinder.<br />
Das Handling ist<br />
perfekt, allerdings das<br />
Fahrwerk ziemlich straff<br />
abgestimmt. An der GS kann ich höchstens<br />
die Sitzhöhe kritisieren, obwohl ich mit<br />
1,83 Meter nicht gerade klein bin. Die<br />
KTM ist leider noch höher, zudem hat sie<br />
schmale Fußrasten und einen zu kurzen<br />
Schalt hebel. Ansonsten ein tolles <strong>Motorrad</strong><br />
mit viel Power und exzellentem Fahrwerk.<br />
Die Explorer ist komfortabel und durchzugsstark,<br />
die Gabelfedern sind aber zu<br />
weich und das Gewicht ist zu hoch. Die<br />
F 800 GT fährt sich zwar leicht und easy,<br />
der Motor wirkt aber brav und konservativ.<br />
Als Racer gefällt mir die HP4 natürlich, aber<br />
hier in den <strong>Alpen</strong> ist sie zu anstrengend.<br />
der Gefühle sogar auf den vierten Rang.<br />
Dass die Mehrheit das etwas anders beurteilt,<br />
zeigen drei letzte Plätze, wobei niemand<br />
das Potenzial und die Qualitäten der<br />
<strong>BMW</strong> bezweifelt. Schade eigentlich, wenn<br />
nicht einmal die HP4 beim <strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong><br />
eine Chance hat, welcher Sportler dann?<br />
Aber vielleicht hängt der letzte Platz mit<br />
den vielen engen und holprigen Pisten<br />
der diesjährigen Finalrunde zusammen.<br />
„Die KTM kann alles –<br />
aber nur fast so gut“<br />
Karsten Schwers (41),<br />
Deutschland, Top-Tester und<br />
Filigrantechniker<br />
Letztes Jahr war die<br />
Entscheidung ziemlich<br />
schwierig, dieses Jahr<br />
war es für mich einfach:<br />
Die GS hat den Entenschnabel<br />
klar vorn. Nicht<br />
weil die neue sportlicher<br />
ist als die alte, sondern weil sie in jeder<br />
Hinsicht gewonnen hat. Die KTM ist toll,<br />
kann aber alles „nur“ fast so gut. Bei der<br />
Triumph missfallen die überdämpfte Gabel<br />
und das hohe Gewicht. Damit liegen also<br />
in meiner Wertung drei Reiseenduros vorn,<br />
dieses Konzept macht hier mit viel Komfort<br />
und drehmomentstarken Antrieben am<br />
meisten Sinn. Ich liebe zwar die HP4, aber<br />
die macht erst dann Laune, wenn mich das<br />
schlechte Gewissen plagt. Bei der zurückhaltenden<br />
CB 500 X ist es genau andersrum,<br />
da fehlt mir doch etwas Druck, und<br />
das Fahrwerk ist ziemlich schlaff.<br />
Die Hoppelpiste des Cayolle etwa meistern<br />
bequeme Reiseenduros mit schluckfreu<br />
diger Federung deutlich besser – und<br />
überraschenderweise mischt die nassforsche<br />
<strong>BMW</strong> F 800 GT da ebenfalls mit. Allein<br />
die Finalteilnahme war im Grunde schon<br />
eine Auszeichnung für den Mittelklasse-<br />
Sporttourer, der in seiner Kategorie die<br />
dicken Tourer von Yamaha und Triumph aus<br />
dem Feld schlug. Und dann setzt ihn Eva<br />
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7 4 T e s t + T e c h n i k<br />
17/ 2 0 13
Der Sieger<br />
<strong>BMW</strong> R 1200 GS<br />
Das ist ihr Terrain, hier war sie in diesem Jahr unschlagbar:<br />
Hoch oben auf dem Dach der <strong>Alpen</strong> darf die GS einen überlegenen<br />
Sieg auskosten. Sie überzeugt mit unglaublicher Bandbreite,<br />
denn sie beherrscht den Spagat zwischen Tour und<br />
Sport, zwischen Spaß und Pflicht auf beinahe perfekte Weise.<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>-Finale<br />
<strong>Alpen</strong>-<strong>Masters</strong>: Finale<br />
wegen seiner Leichtigkeit gar an die Spitze<br />
ihres persönlichen Rankings. Die anderen<br />
Tester teilen diese Begeisterung nicht ganz,<br />
Sportfreak Oscar bezeichnet den 800er-<br />
Twin als Langweiler. Okay, der vibrierende,<br />
gleichmäßig durchziehende Motor entfacht<br />
sicher keine Begeisterungsstürme, dafür<br />
besticht die GT mit deutschen Tugenden,<br />
mit tollem Handling und neutraler Lenkung.<br />
Was unterm Strich einen soliden<br />
vierten Rang ergibt.<br />
So dürfen schließlich die drei Reiseenduros<br />
das Treppchen dann doch unter<br />
sich ausmachen. Die Triumph Tiger Explorer<br />
überzeugt wie im letzten Jahr mit bärigem<br />
Motor und einer Lässigkeit, die der massigen<br />
Dreizylinder-Enduro kaum jemand zutraut.<br />
Sie glänzt auf langen Etappen mit sattem<br />
Komfort. Dass ihr in diesem Jahr nur<br />
die Bronzemedaille bleibt, liegt an der über-<br />
dämpften Gabel, die mit grobem Geläuf<br />
Schwierigkeiten hat, sowie am hohen Gewicht,<br />
das sich zum Beispiel in den vielen<br />
Spitzkehren des Bonette sowie beim Rangieren<br />
negativ bemerkbar macht.<br />
Bleiben die beiden neuen Enduromodelle<br />
von KTM und <strong>BMW</strong>. Die Österreicherin<br />
bringt mit großen, schmalen Rädern<br />
sicher die besseren Offroad-Qualitäten mit,<br />
allerdings führt die Finalrunde ausschließlich<br />
über Asphalt, wenn auch teilweise von<br />
miserabler Qualität. Toll, wie die Adventure<br />
schwierigste Passagen mit hervorragendem<br />
Fahrwerk und Spitzenbremsen meistert.<br />
Der gierige Motor hämmert die steilsten<br />
Auffahrten hinauf, hängt trotzdem sauber<br />
und fein dosierbar am Gas. Und auch bezüglich<br />
der Ausstattung muss sich der<br />
<strong>Alpen</strong>-V2 nicht verstecken, wenn die R auch<br />
ohne elektronische Federung kommt. Warum<br />
es trotzdem nur zum Vizetitel reicht?<br />
Die KTM wirkt eben immer einen Tick<br />
schwerfälliger als die <strong>BMW</strong>, und sie baut für<br />
manchen Fahrer einfach zu hoch.<br />
In der Schlussabrechnung erübrigen<br />
sich alle Diskussionen: Sechs Fahrer sehen<br />
die <strong>BMW</strong> R 1200 GS vorn, die einzige Fahrerin<br />
hat sie auf Platz zwei. Ein klarer, erwarteter<br />
Sieg. Und der Autor darf die Siegermaschine<br />
zum Hotel zurückfahren, nachdem<br />
das Abschlussbild im Kasten ist. Mittlerweile<br />
ist die Straße im Dämmerlicht kaum noch<br />
erkennbar. Vor allem im oberen Teil des Bonette<br />
erfordert das rutschige Konglomerat<br />
aus Tauwasser und Dreck volle Konzentration.<br />
Bedingungen, unter denen die GS zu<br />
Höchstform aufläuft. Etwas zu forsch am<br />
Gas, fängt das ASC das Hinterrad wieder<br />
ein. Etwas zu spät auf der Bremse, ankert<br />
die GS dank Telelever stabil und brutal. Und<br />
im Notfall greift schließlich auch das ABS<br />
ein. 80 Kilometer, die noch einmal deutlich<br />
vor Augen führen, warum selbst stärkste<br />
Konkurrenten an der GS scheiterten.<br />
Jury-Mitglied<br />
Gert Thöle<br />
Karsten Schwers<br />
Eva Breutel<br />
Francesco Gulinelli<br />
Lars Bosson<br />
Oscar Penar<br />
Kristijan Ticak<br />
<strong>BMW</strong><br />
R 1200 GS<br />
KTM<br />
1190<br />
Adventure R<br />
Triumph<br />
Tiger<br />
Explorer<br />
<strong>BMW</strong><br />
F 800 GT<br />
Honda<br />
CB 500 X<br />
Triumph<br />
Street Triple<br />
R<br />
<strong>BMW</strong><br />
HP4<br />
1 2 4 3 5 6 7<br />
1 2 3 4 7 6 5<br />
2 3 4 1 5 6 7<br />
1 3 2 4 5 7 6<br />
1 2 3 5 7 4 6<br />
1 6 2 7 5 3 4<br />
1 2 5 3 4 6 7<br />
Punktzahl 8 20 23 27 38 38 42<br />
platzierung 1. 2. 3. 4. 5. 5. 7.<br />
Sieben Fahrer, sieben<br />
Mei nungen, unterm Strich<br />
aber ein überlegener Sieger:<br />
Die GS räumt bis auf<br />
einen alle ersten Plätze ab.<br />
Die weiteren Podestplätze<br />
teilen sich die beiden anderen<br />
Reiseenduros von<br />
KTM und Triumph. Oscar<br />
bereitete die Sitzhöhe der<br />
Adventure Probleme, daher<br />
sein sechster Rang. An<br />
der F 800 GT scheiden sich<br />
die Geister, hier gibt es sowohl<br />
einen ersten wie auch<br />
einen letzten Platz. Der<br />
Underdog CB 500 X bekam<br />
viel Lob und Sympathie, für<br />
eine bessere Platzierung<br />
fehlt es schlicht an Power.<br />
Davon hat die Street Triple<br />
genug, sie ist aber zu einseitig<br />
auf Sport und Spaß<br />
getrimmt. Was auf den<br />
Überflieger-Sportler HP4<br />
noch mehr zutrifft.<br />
7 6 T e s t + T e c h n i k 17/ 2 0 13 w w w. m o t o r r a d o n l i n e . d e T e s t + T e c h n i k 7 7