Ausgabe 2-2013 - Evangelische Kirchengemeinde Hirschberg ...
Ausgabe 2-2013 - Evangelische Kirchengemeinde Hirschberg ...
Ausgabe 2-2013 - Evangelische Kirchengemeinde Hirschberg ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Luther kommt !<br />
Vor 500 Jahren:<br />
Das „Turmerlebnis“<br />
(Fortsetzung zu Zwiebelturm 1/2012<br />
von ARne Rosenau. Teilweise Übernahme<br />
von KGS Hage-Norden)<br />
Seit Herbst 1512 ist Luther Doktor<br />
der Theologie und Professor für<br />
Bibelkunde an der Universität Wittenberg.<br />
Der Augustiner-Eremit<br />
wohnt im „Schwarzen Kloster“<br />
und besitzt zum ersten Mal einen<br />
eigenen, sogar heizbaren Raum.<br />
Von Beginn an übernimmt er jene<br />
beiden Tätigkeiten, welcher er<br />
lebenslang ausübt: Universitäts-<br />
Professor und Prediger, zuerst im<br />
Kloster, dann auch an der Stadtkirche.<br />
„Katheder und Kanzel<br />
gaben Luther die Basis für sein<br />
reformatorisches Wirken, und dies<br />
brachte von selbst eine dauernde<br />
gegenseitige Durchdringung von<br />
Theorie und Praxis mit sich.“<br />
(Zahrnt, S. 73).<br />
Die durch seine Tätigkeit bedingte<br />
intensive Beschäftigung mit der<br />
Bibel hat Luther in den Jahren bis<br />
1518 sukzessive zu seiner reformatorischen<br />
Erkenntnis geführt;<br />
in der Forschung ist allerdings<br />
nach wie vor umstritten, wann<br />
der Durchbruch, das von Luther<br />
später zitierte „Turmerlebnis“,<br />
stattfand. Wir schließen uns der<br />
gängigen Meinung an, dass es<br />
im Frühjahr 1513 war. Ansonsten<br />
war 1513 in Luthers Biografie ein<br />
ereignisloses Jahr.<br />
Wie bekomme ich<br />
einen gnädigen Gott?<br />
Vor 500 Jahren bildet der Begriff<br />
der „Gerechtigkeit Gottes“, der<br />
justicia dei, für Luther das Leitund<br />
Reizwort in seinem über<br />
Jahre andauernden Denk- und<br />
Erfahrungsprozess. Luther hatte<br />
diesen Begriff bis dato in seinem<br />
Leben stets nur als die strafende<br />
Gerechtigkeit des Weltenrich-<br />
ters verstanden und war daran<br />
verzweifelt: Christus richtet, so<br />
verstanden, im Jüngsten Gericht<br />
kraft seiner göttlichen Natur mit<br />
der reinen Gerechtigkeit, die ihm<br />
eigen ist. Diese Gerechtigkeit kann<br />
im Vollzug für den Sünder nur die<br />
Strafe, und zwar die Strafe ewiger<br />
Verdammnis, zur Folge haben.<br />
Luther beschäftigt sich 1513 im<br />
Zuge seiner wissenschaftlichen<br />
Bibelexegese mit der Problematik<br />
dieser justitia dei. Er arbeitet am Römerbrief,<br />
zunächst Römer 3,21-24:<br />
„21 Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes<br />
die Gerechtigkeit, die vor<br />
Gott gilt, offenbart, bezeugt durch<br />
das Gesetz und die Propheten. 22 Ich<br />
rede aber von der Gerechtigkeit<br />
vor Gott, die da kommt durch<br />
den Glauben an Jesus Christus<br />
zu allen, die glauben. Denn es<br />
ist hier kein Unterschied: 23 Sie sind<br />
allesamt Sünder und ermangeln des<br />
Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,<br />
24 und werden ohne Verdienst gerecht<br />
aus seiner Gnade durch die Erlösung,<br />
die durch Christus Jesus geschehen<br />
ist.“ Und beim Lesen von Kapitel<br />
1,17 durchzuckt ihn urplötzlich<br />
die Erkenntnis, von der er 1545<br />
in seinem Selbstzeugnis bekennt:<br />
„Da fühlte ich mich völlig neugeboren<br />
– als wäre ich durch die<br />
geöffneten Pforten ins Paradies<br />
selbst eingetreten.“ Römer 1,17<br />
lautet: „Denn darin wird offenbar die<br />
Gerechtigkeit, die vor Gott gilt,<br />
welche kommt aus Glauben in<br />
Glauben; wie geschrieben steht<br />
(Habakuk 2,4): ‚Der Gerechte<br />
wird aus Glauben leben.‘“<br />
Gerechtigkeit aus Glauben<br />
vs. Werkgerechtigkeit<br />
Luther flieht von dem zornigen zu<br />
dem gnädigen Gott, dem er sich<br />
auf Gedeih und Verderb ausliefert,<br />
was auch immer Gottes Wille über<br />
ihn sein mag. Er muss sich fortan<br />
nicht mehr vor Gott durch immer<br />
neue eigene Leistungen behaupten,<br />
sondern kann sich Gott zur Seite<br />
stellen und fühlt sich geborgen.<br />
In seinem Glauben an Christus<br />
kann Luther darauf bauen, dass<br />
ihm durch eben diesen Glauben<br />
die Gerechtigkeit Gottes zuteil<br />
wird, weil Gott ihn gerecht<br />
macht.<br />
Luthers in Konsequenz dieser<br />
Überlegungen geprägte „Rechtfertigungslehre“<br />
bildet das theologische<br />
Ergebnis seines Denkprozesses<br />
ab. Im Kern lässt sich diese<br />
Lehre von der Rechtfertigung des<br />
Menschen vor Gott in einer fast<br />
mathematisch klingenden Gleichung<br />
so ausdrücken: „Wer Gottes<br />
Urteil über sich zustimmt<br />
und sich vor ihm mit Gottes<br />
gerechtem Urteil überein; er<br />
geht mit dem gerechten Gott<br />
‚konform‘ – und eben damit<br />
erweist er sich selbst als ‚gerecht‘.“<br />
(Zahrnt S. 76)<br />
14