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ennpunkt<br />

3/<strong>2013</strong> 4,00 Euro 29. Jahrgang Magazin für Fotografie<br />

Juli bis September <strong>2013</strong><br />

Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />

Portfolio Nadine Dinter


FÜR ORIGINALE<br />

2 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />

Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />

zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />

mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />

oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />

mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />

P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .


Impressum:<br />

<strong>brennpunkt</strong><br />

Magazin für Fotografie<br />

Erscheint vierteljährlich,<br />

erhältlich in Fotogalerien,<br />

Geschäften, Buchhandlungen<br />

und über Abonnement.<br />

Jahresabo 13,50 Euro<br />

Einzelpreis 4,00 Euro<br />

Konten:<br />

Postbank Berlin<br />

Konto-Nr. 3751 06-104<br />

BLZ 100 100 10<br />

Redaktionsschluss:<br />

jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />

Herausgeber:<br />

<strong>edition</strong> <strong>buehrer</strong><br />

c/o Dietmar Bührer<br />

Odenwaldstraße 26<br />

12161 Berlin<br />

Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />

e-Mail: <strong>buehrer</strong>-berlin@t-online.de<br />

Internet: www.<strong>edition</strong>-dibue.de<br />

Copyright bei Edition<br />

Druck:<br />

schöne drucksachen<br />

Bessemerstraße 76a, 12103 Berlin<br />

Redaktion:<br />

Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />

Michael Gebur<br />

Klaus Rabien<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Udo Rzadkowski<br />

Hinweis:<br />

Für unverlangt eingesandte<br />

Manuskripte und Fotografien<br />

wird keine Haftung übernommen.<br />

Galerien<br />

Ute Behrend »Conifer Club / Second Glance« ................................................... 5<br />

CAMERA WORK rocks ...................................................................................... 6<br />

Lutz Matschke »Schaufenster Berlin« ................................................................. 8<br />

AnnA J. Franken »Versunken« ............................................................................. 9<br />

Janos Frecot »Die Jahre mit der Kamera« ........................................................... 10<br />

Arnd Weider »Foucault´sche Interieurs« ............................................................. 12<br />

Marek Požniak »Berlin-London-New York« ....................................................... 14<br />

Christian Reister »BERLIN TRILOGIE« ................................................................ 16<br />

125 Jahre NATIONAL GEOGRAPHIC ................................................................ 19<br />

Kristin Maria Hachenberg »WASSER - SPIEGEL« ................................................. 20<br />

Lutz Müller-Bohlen »Faces of Rock« ................................................................... 21<br />

Frank Machalowski / Thomas Graichen »laut & leise« ......................................... 22<br />

Schidlowski, Sperling, Sundheim, Tschirner, Warmuth ........................................ 23<br />

Efraim Habermann »Berlin und auch Wilmersdorf« ............................................. 24<br />

Shooting Kitty – neun Fotografen, ein Model ...................................................... 26<br />

Ingo Porschien »Someone’s going to win the Lottery. Just not you.« .................. 28<br />

Calin Kruse »Raunen« ........................................................................................ 29<br />

Klassenausstellung »9Blickwinkel« ...................................................................... 30<br />

Harakiri / alles wird gut ...................................................................................... 32<br />

Dietmar Bührer »Grauzone Knast« ..................................................................... 33<br />

Bastienne Schmidt »Rituale« ............................................................................... 34<br />

Sameer Makarius »Buenos Aires in the Sixties« ................................................... 36<br />

The Flood Wall II – Projektion und Ausstellung um das Fotobuch ....................... 37<br />

Karin Idelson & Anke Schüttler »Privado« / »Book of Life« .................................. 38<br />

Galeriebesprechungen<br />

Mixed Pixels (Klaus Rabien) ............................................................................... 39<br />

Ausstellungen in Berlin ............................................................................................ 43<br />

Ausstellungen<br />

Justine Wodtke »Jenseits der Schärfe« ................................................................. 44<br />

Ursula Kelm »weit draußen und tief drinnen« ...................................................... 45<br />

Weege »The Famous« ........................................................................................ 46<br />

Ono Ludwig »Ikonen und Helden Werkschau« .................................................. 48<br />

about – 16 fotografische Positionen ..................................................................... 50<br />

Portfolio<br />

Nadine Dinter ..................................................................................................... 52<br />

Fotoszene<br />

UPON PAPER ..................................................................................................... 42<br />

Pepper & Winfried Bullinger ............................................................................... 62<br />

Efraim Haberman »zum 80.« ............................................................................... 64<br />

<strong>brennpunkt</strong> AWARD <strong>2013</strong> .................................................................................. 66<br />

Michael Gebur, Ulrich Meyer »Leben am Mekong« ............................................ 67<br />

Dietrich Oltmanns »Arche bauen ...« .................................................................. 67<br />

Edition Carpentier ............................................................................................... 67<br />

Kann man einem Bild trauen? (Manfred Kriegelstein) .......................................... 68<br />

Andy Warhol & Weegee, o.J. © Weegee/<br />

Institut für Kulturaustausch, Tübingen <strong>2013</strong><br />

Buchbesprechungen<br />

Harald Hauswald »Ferner Osten« ...................................................................... 58<br />

Der große Fotokurs ............................................................................................ 69<br />

Fotografie als Meditation ................................................................................... 69<br />

Naturfotografie – die große Fotoschule ............................................................... 69<br />

Vorschau 4-<strong>2013</strong> ..................................................................................................... 70<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

3


Galerien<br />

Ute Behrend<br />

»Conifer Club /<br />

Second Glance«<br />

Ute Behrend arbeitet mit Bildpaaren,<br />

die sich wie in ihren in der Alfred Ehrhardt<br />

Stiftung gezeigten Serien »Second<br />

Glance« und »Conifer Club« zu Bilderzählungen<br />

zusammenfügen. Ihre<br />

Zusammenstellungen schaffen Assoziationsräume,<br />

die über das Einzelbild<br />

hinaus weisen. Dabei berücksichtigt<br />

die Künstlerin, dass das visuelle Assoziationsvermögen<br />

dem Sprachsystem<br />

voraus geht. Anders als die Sprache<br />

oder die Schrift greift die Fotografie als<br />

sehr direktes Mitteilungsmedium offensiv<br />

in die Vorstellungswelt ein. Die poetische<br />

Kraft ihrer Bilder beruht darauf,<br />

dass sie Gefühle von Berührtsein oder<br />

Unbehagen auslösen, die sich nicht<br />

erklären lassen. Für Ute Behrend sind<br />

»Intuition und die Suche nach Klarheit«<br />

die wichtigsten Parameter ihres künstlerischen<br />

Schaffens.<br />

Ute Behrend, 2011,<br />

47,7 x 60 cm, Fine Art Print, © Ute Behrend, (Original in Farbe)<br />

In der eigens für die Alfred Ehrhardt Stiftung<br />

konzipierten Serie »Conifer Club«<br />

untersucht die Künstlerin ein gesellschaftliches<br />

Phänomen und seine Institutionalisierung:<br />

dass Koniferen als<br />

Platzhalter und Projektionsflächen für<br />

private oder öffentliche Inszenierungen<br />

ihrer Freiheit beraubt und »verschönert«<br />

werden. Die gestutzten Bäume<br />

und Hecken bezeugen auch »das vorprogrammierte<br />

Scheitern der rührenden<br />

Bemühung, dem eigenen Dasein vielleicht<br />

doch so etwas wie Größe zu verleihen«<br />

(Ute Behrend). Koniferen sind<br />

oft in bestimmten Dörfern und Stadtvierteln<br />

anzutreffen, wo sie von einem<br />

erkennbaren Willen zur Gestaltung<br />

zeugen. Die Sehnsucht des Hausbesitzers<br />

nach einer leicht zu reinigenden<br />

Außenanlage führt manchmal zu Tristesse.<br />

Koniferen erscheinen als ideales<br />

Mittel, dem abzuhelfen. Außerdem<br />

bieten sie Sichtschutz, garantieren Privatheit<br />

und kommen dem Bedürfnis<br />

nach Sicherheit entgegen. Für die Fotografin<br />

war es daher nicht immer einfach,<br />

diese Serie zu fotografieren. Sie wurde<br />

Ute Behrend, 2011, 47,7 x 60 cm, Fine Art<br />

Print, © Ute Behrend,<br />

(Original in Farbe)<br />

misstrauisch beäugt, zur Rede gestellt,<br />

ihre Autonummer wurde notiert, sie<br />

wurde beschimpft und zu guter Letzt<br />

- Ironie der Sache - hat man sie auch<br />

fotografiert. »Bleibt die Frage nach<br />

der Pflanze: Mögen unsere schönen<br />

Brüder und Schwestern dies, was man<br />

mit ihnen tut? Schwer zu sagen, aber<br />

eines ist sicher, sie wehren sich gegen<br />

die Form. Sie sind nur an Licht interessiert<br />

und dahin geht ihr tägliches Streben.<br />

Zur wahren Größe eben«.<br />

Ute Behrend<br />

Eröffnung:<br />

Freitag, 5. Juli <strong>2013</strong> um 19 Uhr<br />

in Anwesenheit der Künstlerin<br />

Ute Behrend, 2012,<br />

47,7 x 60 cm, Fine Art Print, © Ute Behrend,<br />

(Original in Farbe)<br />

6. Juli bis 22. September <strong>2013</strong><br />

Alfred Ehrhardt Stiftung<br />

Auguststraße 75<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Di – So 11 – 18 Uhr<br />

Do 11 – 21 Uhr<br />

www.alfred-ehrhardt-stiftung.de<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

5


Galerien<br />

CAMERA WORK<br />

rocks<br />

© Ellen von Unwerth, Rihanna, 2009<br />

Die eigenkuratierte Ausstellung zeigt<br />

mit über 100 Photoarbeiten der bekanntesten<br />

Künstler der Welt eine Auswahl<br />

an herausragenden Porträts der einflussreichsten<br />

Musiker der vergangenen Jahrzehnte.<br />

Zwischen Selbstverwirklichung und<br />

Selbstinszenierung Bedeutsame Porträtphotographien<br />

können ein Leben<br />

erzählen, das Persönlichkeitsbild und<br />

die Reputation in der Öffentlichkeit<br />

prägen, ein Image kreieren oder manifestieren<br />

und sich letztlich im kollektiven<br />

Bewusstsein verankern. Ein visuelles<br />

Bild korreliert mit dem Denkbild<br />

des Rezipienten und vervollständigt den<br />

Blick auf und die Meinung über die Persönlichkeit.<br />

Die Darstellung eines Musikers<br />

in der Photographie ist differenziert<br />

zu betrachten: Paparazzi-Aufnahmen,<br />

Dokumentar- oder On- Stage-Photographien<br />

besitzen sowohl einen individuellen<br />

ästhetischen als auch inhaltlichen<br />

Charakter und dienen jeweils<br />

anderen Verwendungszwecken. Alleinig<br />

der Photokunst bleibt es aber vorbehalten,<br />

eine Symbiose zwischen<br />

dem Photographen und dem Porträtierten<br />

entstehen zu lassen und das Bestreben<br />

beider nach künstlerischer Selbstverwirklichung<br />

umzusetzen. Nur dieses<br />

gemeinsame »Spiel« der Protagonisten<br />

lässt künstlerische Arbeiten entstehen,<br />

die sich durch eine herausragende Bildsprache,<br />

eine besondere Ausdruckskraft<br />

und Wirkung sowie einen teilweise inszenierenden,<br />

narrativen und stets faszinierenden<br />

Inhalt auszeichnen – und<br />

»CAMERA WORK rocks« gibt Einblick in<br />

diese Sphäre. Photographen wie Richard<br />

Avedon, Anton Corbijn, Annie Leibovitz,<br />

Gered Mankowitz oder Albert Watson<br />

haben viele der berühmtesten Musiker<br />

und Bands aus der Geschichte des<br />

Rock und Pop zu Symbolen eines Lifestyles<br />

geformt und mit ihnen gemeinsam<br />

einen bedeutenden Teil zur Prägung der<br />

Photokunst beigetragen.<br />

Queens, Bad Boys und Chamäleons<br />

Dementsprechend nicht als Chronik<br />

der Musikgeschichte, sondern als<br />

exklusive Auswahl herausragender Porträts<br />

der Photokunst aus über fünf Jahrzehnten<br />

zeigt »CAMERA WORK rocks«<br />

insgesamt über 100 Arbeiten mit mehr<br />

als 30 Musikern und Bands, photographiert<br />

von über 20 der berühmtesten<br />

Photokünstler. Unter den ausgestellten<br />

Arbeiten befinden sich u.a. die legendäre<br />

Beatles-Serie von Richard Avedon,<br />

berühmte Porträts von Johnny Cash oder<br />

Tom Waits von Anton Corbijn, eines<br />

der bekanntesten Jimi-Hendrix-Porträts<br />

aller Zeiten von Gered Mankowitz<br />

oder eine moderne Photomontage im<br />

Panoramaformat von Kanye West des<br />

Künstlers Ralph Mecke. Auch Meister<br />

der Selbstinszenierung und Enfant Terribles<br />

wie die Rolling Stones – photographiert<br />

von Sante D’Orazio, Peter Lindbergh<br />

oder Terry O’Neill – und Iggy Pop<br />

sind Teil der Ausstellung, die auch zahlreiche<br />

weltbekannte Photographien von<br />

David Bowie präsentiert. Brian Duffys<br />

großformatiges Porträt von Bowie, welches<br />

1973 für sein Album »Aladdin<br />

Sane« gemacht wurde oder Albert Watsons<br />

surreal anmutendes Bild des Sängers<br />

offenbaren die Wandelbarkeit und<br />

6 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

© Anton Corbijn, Patti Shmith<br />

© Olaf Heine, Snoop Dog, Los Angeles, 2004<br />

© Herb Ritts, Elton John, WITH TOP HAT, Los Angeles, 1989<br />

das verinnerlichte Kunstverständnis des<br />

»Chamäleon des Pop«. Zwischen fantasievoller<br />

Eigendarstellung und selbst<br />

kreierter Kunstfigur bewegen sich nicht<br />

nur die Porträts von David Bowie. Auch<br />

Lady Gaga oder Boy George entfalten<br />

vollends ihr Dasein als extravagante<br />

Schöpfungen in den Werken Ellen<br />

von Unwerth oder Michel Comte und<br />

erhalten ihre gerahmte Würdigung bei<br />

»CAMERA WORK rocks«.<br />

Dabei ist es nicht immer der exzentrische<br />

Wahnsinn und stereotypisierte<br />

»Sex, Drugs and Rock’n’Roll«-Lebensstil,<br />

der von Musikern nach außen<br />

getragen werden muss. Ein provokatives<br />

Madonna-Porträt von Herb Ritts,<br />

ein laszives Gruppenporträt der Pussycat<br />

Dolls von Martin Schoeller oder ein<br />

pittoresker Ganzkörperakt der Sängerin<br />

Rihanna von Russell James reihen sich<br />

in bedächtige, melancholische und feinfühlige<br />

Darstellungen ein. Der Rapper<br />

Snoop Dogg in kriegerischer Pose, photographiert<br />

von Olaf Heine, oder eine<br />

Darstellung von Sting mit der bekannt<br />

sinnlichen Bildästhetik von Paolo<br />

Roversi offenbaren ruhige Stimmungen<br />

und zeigen eine weitere Facette<br />

der emotionalisierten Inszenierung von<br />

Musikern in der Photokunst.<br />

Künstler in der Ausstellung<br />

Richard Avedon, Harry Benson, Michel<br />

Comte, Anton Corbijn, Michelangelo<br />

Di Battista, Sante D’Orazio, Brian<br />

Duffy, Bob Gruen, Olaf Heine, Dominique<br />

Issermann, Russell James, Nadav<br />

Kander, Astrid Kirchherr, Steven Klein,<br />

Robert Lebeck, Annie Leibovitz, Peter<br />

Lindbergh, Gered Mankowitz, Elaine<br />

Mayes, Ralph Mecke, Romney Müller-<br />

Westernhagen, Eugenio Recuenco,<br />

Terry O’Neill, Bettina Rheims, Herb<br />

Ritts, Paolo Roversi, Jerry Schatzberg,<br />

Martin Schoeller, Ellen von Unwerth,<br />

Albert Watson, u.a.<br />

bis 17. August <strong>2013</strong><br />

Galerie Camera Work<br />

Kantstraße 149<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Sa<br />

11– 18 Uhr<br />

Homepage:<br />

www.camerawork.de<br />

Facebook:<br />

www.facebook.com/cameraworkberlin<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

7


Galerien<br />

Lutz Matschke<br />

»Schaufenster Berlin«<br />

Was ist wirklich? Was spiegelt wen?<br />

Angezogene Puppen hinter Glas. Lutz<br />

Matschke fotografierte in Berlin die<br />

Resultate einer Textilindustrie, der<br />

Modebranche, inszeniert in Schaufenstern.<br />

Das Zur-Schau-Gestellte sucht<br />

stetig unseren Blick. Wir stehen an der<br />

Seite des Fotografen und blicken von<br />

Außen. Wir behaupteten, wir wären<br />

achtlos an den Schaufenstern vorüber<br />

gegangen und ahnen doch, dass das nur<br />

die halben Wahrheit ist.<br />

Diese Fenster sind Teil einer Stadtkultur.<br />

Sie üben ihren Einfluss aus, haben<br />

Showcharakter, sind gegebenenfalls<br />

Event. Hier wird nicht aufgeklärt; hier<br />

wird geprägt. Das Geschäft ist dabei<br />

längst gemacht.<br />

Was wird dabei wem versprochen oder<br />

gehen wir mit dieser Frage bereits allem<br />

auf den Leim? Nicht zu übersehen: Individualisierungsverpflichtung<br />

als Chimäre<br />

eines Konsumversprechens. Die<br />

Folie: ein temporäres Ideal. Subjektivität,<br />

die ihre Zeit hat und auf der Haut<br />

getragen wird. Massenkonsum als Lieferant<br />

der Selbstinszenierung. Werbung<br />

als Verheißung, dass dies auf diesem<br />

Wege möglich sei (als schlössen sich<br />

Masse, Konsum und Subjekt nicht aus).<br />

Und schließlich: nicht selber sehen aber<br />

gesehen werden. Fassaden scheinbarer<br />

Bewegung. Moralischer Verschleiß.<br />

So viel Haut – und dennoch entsteht<br />

keine Erotik, nichts Amouröses. Es sind<br />

Oberflächen und diese werden zu<br />

Markte getragen; sie sind glatt, steril,<br />

aseptisch. Hinter den Scheiben Atmosphären<br />

von lauwarm bis kalt.<br />

Die Fantasie der Hersteller trifft auf die<br />

Fantasie der Werbegestalter, die nicht<br />

zwangsläufig eine freiwillige sein muss.<br />

Es wird nicht denunziert. Die Abhängigkeiten<br />

sind zu klar. Meinung ist nicht<br />

gefragt. Spannend wäre es allerdings.<br />

Alle funktionieren – und das sieht man<br />

- bis zum nächsten Mal.<br />

Die Fotografien deuten an, dass diese<br />

Räume ein Gegenüber haben; es muss<br />

irgendwo eine Gesellschaft geben. Bestenfalls<br />

ist sie es, die diesen Stillstand<br />

aufhebt und die dem Schein ein Ende<br />

macht. Uwe Warnke, Mai <strong>2013</strong><br />

© Lutz Matschke, »CHANEL Berlin«, June 2011, LM 0128, (Original in Farbe)<br />

© Lutz Matschke, »STOFFHAUS Berlin«,<br />

Friedrichshain, March 2011, LM 0126,<br />

(Original in Farbe)<br />

bis 18. Juli <strong>2013</strong><br />

unterwegs<br />

Antiquariat & Galerie<br />

Torstraße 93<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr<br />

Sa<br />

15 – 19 Uhr<br />

12 – 15 Uhr<br />

8 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

AnnA J. Franken<br />

»Versunken«<br />

AnnA J. Franken begann während ihres<br />

Stipendiums vom Fonds voor Podiumkunsten<br />

für Tangogesang in Buenos Aires<br />

(2011-2012) die Arbeit ihrer Musikerkollegen<br />

fotografisch zu dokumentieren.<br />

Ihr Fokus lag hierbei auf dem Einfangen<br />

der faszinierenden Atmosphäre von<br />

Konzerten: geprägt von den schummrig<br />

bis grellen Lichtverhältnissen der Theater,<br />

Bars, Spelunken und Wohnzimmer<br />

der Tangueros, dem Lebensgefühl der<br />

Menschen die den Tango erleben und<br />

dieses durch individuelle Mimiken und<br />

Gesten ausdrücken.<br />

© AnnA J. Franken<br />

© AnnA J. Franken, (Original in Farbe)<br />

© AnnA J. Franken<br />

Gesichter waren und sind der Schwerpunkt<br />

ihres fotografischen Tuns. Die<br />

Sängerin sucht das Gespräch mit der<br />

Person die sie portraitiert, sei es der<br />

Violaspieler im Café bei Probenpausen,<br />

die Journalistikstudentin inmitten<br />

ihrer viel zu kleinen Einzimmerwohung<br />

oder das Liebespaar das den Moment<br />

ihrer ersten Begegnung Revue passieren<br />

lässt. Es entstehen intieme Momentaufnahmen<br />

von Menschen die Geschichten<br />

aus ihrem Leben erzählen.<br />

© AnnA J. Franken, (Original in Farbe)<br />

bis 6. September <strong>2013</strong><br />

Caritas Galerie Berlin<br />

Residenzstraße 90<br />

13409 Berlin-Wedding<br />

Mo – Do 8 – 17 Uhr<br />

Fr 8 – 15 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

Telefon 030 666 331 044<br />

www.caritas-spenden-berlin.de<br />

www.facebook.com/caritas.<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

9


Galerien<br />

Janos Frecot<br />

»Die Jahre mit der<br />

Kamera«<br />

© Janos Frecot, Berlin 1965/66<br />

Manche Wunden des Krieges in Berlin<br />

waren bereits geheilt, als Janos Frecot<br />

zwischen 1964 und 1966 mit seiner<br />

Kamera durch die Stadt flanierte, ganz<br />

im Geiste Franz Hessels. Er interessierte<br />

sich für die steinernen Brachen, für die<br />

Denkmäler auf der leeren Bühne, die der<br />

Bombenkrieg und die Trümmerbeseitigung<br />

geschaffen hatten. In dieser Zeit<br />

entwickelte Frecot einen genauen und<br />

sachlichen Blick für die Berliner Architektur<br />

und stadtplanerische Details. So<br />

entstand in kürzester Zeit ein autonomes,<br />

konzeptionelles Werk einer provisorischen<br />

Stadtlandschaft fast ohne<br />

Menschen. Dabei konzentrierte er sich<br />

auf einen Teil Berlins rund um die südliche<br />

Friedrichstadt sowie auf Hausfassaden<br />

und Brandwände, die er mit<br />

all ihren Zeitspuren und großflächigen<br />

Schattenwürfen in unvergleichlichen<br />

Grauwertabstufungen wiedergab. Eine<br />

genaue Lokalisierung der Aufnahmestandpunkte<br />

ist für den heutigen Bildbetrachter<br />

schwer, mitunter unmöglich,<br />

zumal alle Bilder der Serie pauschal<br />

den schlichten Titel »Berlin 1965/66«<br />

tragen.<br />

Janos Frecot wurde im Nachkriegsberlin<br />

geprägt, nicht nur visuell. Dem jungen<br />

Mann, geboren 1937 in Freidorf, einem<br />

Stadtteil des westrumänischen Timisoara,<br />

und aufgewachsen in Erkner bei<br />

Berlin, wurde die Handhabung einer<br />

Kamera von seinem Vater vermittelt.<br />

Doch bis zu den ersten relevanten Aufnahmen<br />

war es noch ein weiter Weg.<br />

1957, kurz nach dem Abitur, kaufte er<br />

sich eine gebrauchte Balgenkamera und<br />

richtete sich bald danach eine eigene<br />

Dunkelkammer ein. Doch erst die Aufnahmen<br />

des Bildhauersymposiums<br />

im österreichischen St. Margarethen<br />

von 1964 bewertet er selbst als erste<br />

inhaltlich und künstlerisch akzeptierte<br />

Sequenz im eigenen Werk. Sie stehen<br />

formal den etwa gleichzeitig entstandenen<br />

Stadtaufnahmen in Berlin nahe. Eine<br />

Auswahl von 20 Berlin-Motiven publizierte<br />

er bereits 1965 unter dem schlichten<br />

Titel »Mauern« in kleiner Auflage im<br />

Berliner Madgalinski Verlag.<br />

Janos Frecot war in den wenigen Jahren<br />

als Fotograf nicht am schnellen, politischen<br />

Tagesgeschehen interessiert, sondern<br />

an den langsamen, schleichenden<br />

Veränderungen im Gefüge der Stadt. So<br />

fokussierte er seinen Blick auf die häufig<br />

ruinöse Gründerzeitarchitektur, gleichsam<br />

auf das Skelett der kriegsversehrten<br />

Stadt. Wir entdecken nur marginale<br />

Hinweise auf das sich langsam normalisierende<br />

Leben in dieser aufgeräumten<br />

Trümmerwelt, etwa auf den Zirkus Sarrasani,<br />

eine Tankstelle oder das winzige<br />

Schild eines Fotoateliers, das als einziges<br />

inmitten von Kriegsruinen zahlende<br />

Kunden anlocken sollte. Mauern und<br />

die Lücken zwischen den Ruinen mit<br />

all ihren Zeitspuren blieben bei Frecot<br />

in den meisten Fällen Hauptmotive: So<br />

wird auch die Leere zum Motiv, vielleicht<br />

zum Symbol für die Hoffnung<br />

auf den visionären Architekturentwurf.<br />

Frecot nimmt mit seiner Fotografie keine<br />

Wertung vor, sondern zeigt schlicht den<br />

Ist-Zustand – und legt mit seinen Bildern<br />

der stummen, steinernen Zeugen den<br />

Finger in die noch offene Wunde der<br />

schwierigen, lange währenden Kriegsbewältigung.<br />

Viele der Aufnahmen zeigen fleckige<br />

Oberflächen der Brandwände, die auch<br />

Zeitzeichen und Zeitschichten sind, wei-<br />

10 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

© Janos Frecot, Berlin 1965/66<br />

terhin Risse, an manchen Stellen abgeplatzter<br />

Putz, wodurch das Ziegelmauerwerk<br />

sichtbar wird, oder verwitterte<br />

Werbeschriften, mit denen für Waschmittel,<br />

Leihhäuser und Beerdigungsinstitute<br />

geworben wird. An manche<br />

Hauswände haben Kinder mit Kreide<br />

ein Fußballtor aufgezeichnet; die freie<br />

Fläche zwischen den Häusern wird zu<br />

einem Rückzugsort kindlichen Spiels,<br />

es kommt zu einer Rückeroberung und<br />

Umwidmung städtischen Raumes.<br />

Stets ist es ein Spiel mit Oberflächen, mit<br />

hermetischen und blickdichten Wänden<br />

und architektonischen Außenhäuten,<br />

die keinen Blick auf das Dahinterliegende<br />

zulässt. Manche urbane Freifläche<br />

verwandelt sich trotz ihrer Weite in<br />

eine klaustrophobische Enge.<br />

Verblüffend bleibt, dass die Berliner<br />

Mauer, die für nahezu alle damals nach<br />

West-Berlin reisenden Fotografen zu<br />

einem wichtigen Bildmotiv wurde, bei<br />

Frecot überhaupt keine Rolle spielte,<br />

ebenso wenig die Architektur der Grenzanlagen<br />

mit Stacheldraht und Wachtürmen.<br />

Dabei war Frecot immer wieder<br />

auch in der Nähe der Mauer unterwegs;<br />

er unterschied nicht zwischen Hauptwegen<br />

und Nebenwegen auf seinen Streifzügen<br />

über die Insel West-Berlin. Ihm<br />

ging es nicht um eine lückenlose und<br />

beispielhafte Charakterisierung seines<br />

Hauptaufnahmeortes, vielmehr um eine<br />

teilweise kaum zu lokalisierende, aber<br />

typische Architektur der Stadt. Auf diese<br />

Weise verschob er traditionelle Charakteristika<br />

der Stadtfotografie.<br />

Seine fotografische Position bleibt ungewöhnlich<br />

und solitär. Die legendäre<br />

Aufnahme des einflussreichen Grenzgängers<br />

Arno Fischer, der »Riss in der<br />

Mauer« eines Wohnhauses in Berlin-<br />

Wedding von 1953, steht am Anfang<br />

dieses grundsätzlichen wie sinnbildhaften<br />

Mauer-Themas – und wird 1965 von<br />

Frecot mit ähnlicher Radikalität einer<br />

Detailansicht unbewusst paraphrasiert.<br />

Das was wir auf seinen Bildern nicht<br />

sehen (können), ist die Begeisterung für<br />

das Werk einiger Kollegen, stattdessen<br />

äußerte er seine Zuneigung in Gesprächen<br />

mit Studenten oder in Form von<br />

Essays: Die Freude etwa mit Blick auf<br />

manche Aufnahmen von Herbert Tobias,<br />

mit denen dieser eine zugleich freudige<br />

und melancholische Stimmung einfing,<br />

die wohl nur derjenige verstehen und<br />

erspüren konnte, der damals in ähnlichen<br />

Verhältnissen in Berlin lebte und<br />

auf diese Stadt schaute. Wer Frecot<br />

bei seinen Vorträgen oder Seminaren<br />

erlebte, kam in den Genuss eines tiefen<br />

Verständnisses und einer grundlegenden<br />

Kenntnis um das Medium Fotografie<br />

– jenseits kunsthistorischer oder bildwissenschaftlicher<br />

Terminologie.<br />

Nach den Stationen Werkbund-Archiv<br />

© Janos Frecot, Berlin 1965/66<br />

und Akademie der Künste folgte 1978<br />

eine Position, die indirekt auch die<br />

Beschäftigung mit der eigenen Fotografie<br />

weiterführte, die er zwölf Jahre zuvor<br />

aufgegeben hatte: Für die Berlinische<br />

Galerie, das Landesmuseum für Bildende<br />

Kunst, baute er unter den Direktoren<br />

Eberhard Roters und Jörn Merkert<br />

eine fotografische Sammlung auf, die<br />

nicht nur in Berlin ihresgleichen suchte<br />

und die er bis zur Pensionierung im Jahr<br />

2002 leitete. Die immer weiter wachsende<br />

Sammlung wurde in zahlreichen<br />

thematischen oder monografischen<br />

Ausstellungen im Martin-Gropius-Bau,<br />

dem früheren Kunstgewerbemuseum,<br />

gezeigt – und zwar zu einem Zeitpunkt,<br />

als es für die Fotografie in Berlin kaum<br />

andere Ausstellungsorte gab.<br />

So entstand ein bedeutendes Lebenswerk,<br />

aktiv und vermittelnd, von dem<br />

ein wichtiges Kapitel, eine in nur drei<br />

Jahren entstandene subjektive Zeitgeschichte<br />

Berlins in Bildern, nun endlich<br />

wiederzuentdecken ist.<br />

Matthias Harder<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalogbuch<br />

im Nicolai-Verlag:<br />

Janos Frecot<br />

Die Jahre mit der Kamera<br />

Fotografien aus Berlin 1964–1966<br />

ca. 120 Seiten, ca. 75 Abbildungen im<br />

Duotone, ca. Euro 39,95<br />

25. August bis 29. September <strong>2013</strong><br />

Kommunale Galerie<br />

Hohenzollerndamm 176<br />

10713 Berlin-Wilmersdorf<br />

Di – Fr<br />

Mi<br />

So<br />

10 – 17 Uhr<br />

10 – 19 Uhr<br />

11 – 17 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

11


Galerien<br />

Arnd Weider<br />

»Foucault’sche<br />

Interieurs«<br />

Die Räume, die Arnd Weider in Berlin<br />

und anderswo in Szene setzt, haben es<br />

(im wahrsten Sinne des Wortes) in sich:<br />

Denn sie tragen etwas in sich oder auf<br />

den sie begrenzenden Wänden, etwas<br />

Auratisches, Metaphysisches. Weider<br />

ist mit seiner Architekturphotographie<br />

auf der Suche nach dem Foucault’schen<br />

Begriff der Heterotypien. Dies sind, so<br />

der französische Philosoph Michel Foucault,<br />

wirksame Orte, in die die Gesellschaft<br />

hineingezeichnet ist – es seien tatsächlich<br />

realisierte Utopien.<br />

Und Weider wird auf dieser Suche immer<br />

wieder fündig. Der Flughafen Tempelhof<br />

entspricht beispielsweise diesem<br />

Schema. Ausgestattet mit dem »Tempelhof-Schöneberger<br />

Fotostipendium«<br />

fotografierte er dort vor zwei Jahren<br />

ausgiebig – und nennt die Bildserie<br />

»Das Provisorium«. Vieles in der Berliner<br />

Architektur (aber nicht nur hier)<br />

gleicht einem Provisorium. »Zwischennutzung«<br />

ist nicht nur zu einem geläufigen,<br />

ja inflationären Begriff geworden,<br />

faktisch ist sie eine aus der Not<br />

geborene Tugend. Und Flughäfen sind<br />

genuin transitorische Orte, Schleusen<br />

zwischen den kaum fassbaren Zeitstufen<br />

Nicht-Mehr und Noch-Nicht.<br />

Der Tempelhofer Flughafen hat bekanntlich<br />

eine wechselvolle Geschichte: Er<br />

war nach seiner Eröffnung 1923 einer<br />

der ersten großen Flughäfen in Europa,<br />

steht aber auch für die verbrecherische<br />

Ideologie der Nationalsozialisten sowie<br />

später, zu Zeiten der so genannten Luftbrücke,<br />

für die Hoffnung einer ganzen<br />

Stadt. In mehreren Bauabschnitten,<br />

zuletzt während des NS-Regimes, entstand<br />

eines der größten Gebäude der<br />

Welt. Der zivile Luftverkehr lief dort (auf<br />

recht niedrigem Niveau) immer weiter<br />

und wurde erst vor fünf Jahren eingestellt.<br />

Inzwischen gastiert dort in einigen<br />

Gebäudeteilen mal eine Modemesse,<br />

mal eine Kunstmesse. Es gibt viele Vorschläge<br />

für eine zukünftige Nutzung<br />

© Arnd Weider, Flughafen Tempelhof, Eingangsbereich, aus der Serie: Das Provisorium,<br />

Berlin 2011, (O.i.F. )<br />

(oder Zwischennutzung), vielleicht wird<br />

auch das Alliiertenmuseum dort eines<br />

Tages untergebracht.<br />

Arnd Weider sucht in den Gebäuden<br />

und Räumen des ehemaligen Flughafens<br />

nach Zeitspuren, die die unterschiedlichen<br />

politischen Systeme, die<br />

unterschiedlichen Gebäudefunktionen<br />

und die vielen Menschen dort hinterlassen<br />

haben. Im Idealfall existiert im<br />

finalen Bild nicht nur das Provisorische<br />

oder Zeitspezifische sondern auch ein<br />

Nebeneinander der Zeiten.<br />

Zeitspuren und Zeitschichten existieren<br />

fast überall, in Kirchen und Bürgerhäusern,<br />

in Sportstadien oder Arbeitsämtern.<br />

Doch Arnd Weider spürt mit<br />

seinem Werk besondere Orte auf, in<br />

denen eine besondere atmosphärische<br />

Stimmung herrscht, die er kongenial ins<br />

Bild übersetzt. Möglicherweise würden<br />

wir diese Stimmung, die wir in der Aufnahme<br />

spüren können, im realen Raum<br />

nicht empfinden. In diesem Fall wäre<br />

Weiders photographischer Blick mehr<br />

als eine Übersetzung, vielmehr eine<br />

Stilisierung oder Inszenierung.<br />

12 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

Mal besticht in seinen Aufnahmen die<br />

kühle Funktionalität in Axel Schultes<br />

Krematorium, mal die klinische Reinheit<br />

im Krankenhaus Moabit – Räume<br />

mit zartem Lichteinfall oder überstrahlten<br />

Fenstern. Dann wiederum begegnet<br />

uns das noch heute erhaltene propagandistische<br />

Menschenbild in Form<br />

eines Flachreliefs im Berliner Olympiapark<br />

und schließlich immer wieder auch<br />

pure, schlichte Räume, nach mehreren<br />

Renovierungsschritten zeitlos, ohne<br />

Verortung. Der leere, schmucklose<br />

Raum ist dann nurmehr bloße Hülle.<br />

Der Flughafen Tempelhof wird von<br />

Weider hingegen in überraschenden,<br />

unterschiedlichen Blickwinkeln porträtiert:<br />

Dem Photo der Glasfassade im<br />

Eingangsbereich sieht man keineswegs<br />

die enorme Größe der dahinter liegenden<br />

repräsentativen Halle an und in den<br />

technischen Räumen des Flugzeugbaus<br />

entdeckt man an den Wänden zahlreiche<br />

Schleifspuren oder Staubablagerungen.<br />

Dieses flächige Bild besteht eigentlich<br />

nur aus der rückliegenden Wand,<br />

einem Stück Boden und Decke; eine<br />

raumkonstituierende Ecke existiert hier<br />

nicht. Die Funktionalität des Stahlträgers,<br />

jenseits seiner statischen Bedeutung,<br />

erschließt sich uns nicht mehr, und<br />

das angeschnittene Verkehrsschild am<br />

rechten Bildrand lässt den Ort weder<br />

eindeutig als Außen- oder Innenraum<br />

erscheinen. Weider zwingt uns grundsätzlich<br />

zum genauen Hinschauen und<br />

Nachdenken.<br />

Die völlige Aufhebung früherer Funktionen<br />

fällt schließlich auch beim Bild des<br />

ehemaligen Flughafenhotels ins Auge:<br />

Weider wählt ein einfaches Zimmer und<br />

blickt dort in eine Raumecke mit halbzugezogenem<br />

Fenster. So entsteht auch<br />

hier unweigerlich ein Dualismus zwischen<br />

Innen und Außen, selbst wenn<br />

die freiliegende Fensterhälfte hell überstrahlt<br />

und insofern blind bleibt. Die früheren<br />

Nutzer des Hotelzimmers sind<br />

kaum mehr zu imaginieren. Alle diese<br />

Orte sind aufgegeben, verblasst, vergessen<br />

und haben höchstens in einer radikalen<br />

Umnutzung eine Zukunft. Durch<br />

das Bild wird der Ort dem Vergessen<br />

entrissen, jedoch nur exemplarisch und<br />

nur für einen kurzen Moment.<br />

© Arnd Weider, Flughafenhotel, aus der Serie:<br />

Das Provisorium, Berlin 2011, (O.i.F.)<br />

Der Photograph arbeitet in Serien, und<br />

er arbeitet mit seinen Mittel- und Großformatkameras<br />

formal und inhaltlich auf<br />

sehr hohem Niveau. Es sind auch soziologische<br />

Studien, kritische Bestandsaufnahmen,<br />

die wie jede Photographie<br />

zugegebenermaßen subjektiv bleiben.<br />

Weider untersucht unsere Lebensräume<br />

inklusive ihrer Effizienzkriterien,<br />

dies wird besonders deutlich in der<br />

Sequenz mit dem Titel »Aisthesis«, entstanden<br />

über einen Zeitraum von sechs<br />

Jahren, zwischen 2005 und 2011. Er<br />

zeigt dort Außenräume und Naturelemente,<br />

etwa blickdichte Hausfassaden<br />

und einzeln stehende Bäume. Auch hier<br />

fehlt der Mensch, der die Architektur<br />

gebaut und die Natur domestiziert hat:<br />

Es sind Abwesenheitsnotizen, gemeinhin<br />

Stellvertreter.<br />

Mitunter überrascht, ja verstört die radikale<br />

Leere und Stille der menschenleeren<br />

Räume. Photographieren ist für ihn<br />

ein kontemplativer Moment, ein Verschmelzen<br />

äußerer und innerer Wahrnehmung;<br />

insofern spiegeln seine Aufnahmen<br />

auch eine innere Weltsicht<br />

wieder – und entsprechen vielleicht<br />

einer Art Selbstportrait.<br />

Mit bewusst gewählten Kameraperspektiven<br />

und im Wechselspiel zwischen<br />

Dokumentation und Inszenierung kreiert<br />

Weider diese Räume erst für unsere<br />

Rezeption. Insbesondere mit der Aisthesis-Bildserie<br />

thematisiert er Wahrnehmung,<br />

eine Verbindung sinnlichen und<br />

kognitiven Erfassens. Vor seiner Photographieausbildung<br />

unter anderem an<br />

der Ostkreuzschule studierte er unter<br />

anderem Philosophie – und inzwischen<br />

verbindet er konsequent und intelligent<br />

diese unterschiedlichen Interessensgebiete.<br />

Dem eigentlichen photographischen<br />

Werk vorgeschaltet ist die Suche nach<br />

einem geeigneten Ort sowie die Recherche<br />

und Analyse dieses Ortes als Untersuchungsgegenstand.<br />

Die jüngste Bildserie<br />

entstand in Prora unter dem Titel<br />

»Schichtungen« – noch ein Relikt aus<br />

der NS-Zeit mit ihrer damaligen architektonischen<br />

Großmannssucht. Heute<br />

gleicht dieses völlig überdimensionierte<br />

Ferienlager an der Ostsee, dessen Bau<br />

zu Kriegsbeginn gestoppt und dennoch<br />

später unterschiedlich genutzt wurde,<br />

einer Märchenlandschaft, wie Weider<br />

es nennt. Es sind Häuser, die langsam<br />

zerfallen, eingebettet in einen geradezu<br />

mystischen Wald. So entsteht in seinen<br />

Aufnahmen eine unentwirrbare Melange<br />

aus Vergangenheit und Gegenwart, aus<br />

Wirklichkeit und Illusion, kurzum: die<br />

Verdichtung deutscher Geschichte und<br />

der unterschiedlichen Ideologien der<br />

vergangenen acht Jahrzehnte.<br />

Arnd Weider ist natürlich nicht der erste<br />

Photograph, der sich selbst, ohne Auftrag,<br />

solche gesellschaftlich relevanten<br />

Themen setzt, aber er formuliert es mit<br />

seiner Kamera autonom, ungewöhnlich<br />

und überzeugend.<br />

Matthias Harder<br />

bis 26. Juli <strong>2013</strong><br />

Rathaus Tempelhof<br />

Tempelhofer Damm 165<br />

12099 Berlin-Tempelhof<br />

Mo – Fr<br />

9 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

13


Galerien<br />

Marek Požniak<br />

»Berlin – London –<br />

New York«<br />

Photographien<br />

von 1985 bis 2010<br />

Lichtstrahlen fallen durch ein Loch in<br />

einen dunklen Kasten und erzeugen<br />

auf der gegenüber liegenden Fläche ein<br />

Abbild der Außenwelt. Das Prinzip der<br />

»Camera obscura« war lange bekannt,<br />

bevor es den Pionieren der Photographie<br />

gelang, diese Zeichnungen des<br />

Lichts auf Bildträgern zu fixieren. Joseph<br />

Nicéphore Niépce hielt 1826 den Blick<br />

aus seinem Arbeitszimmer in Le Gras<br />

auf die umliegenden Gebäude und<br />

die Landschaft fest. Das früheste erhaltene<br />

Papiernegativ aus dem Jahre 1835<br />

von Sir William Henry Fox Talbot zeigt<br />

ein Erkerfenster in Lacock Abbey, und<br />

Louis Jacques Mandé Daguerre gelang<br />

schließlich 1838 eine detailreiche Photographie<br />

vom Boulevard du Temple<br />

in Paris. Aufgrund der langen Belichtungszeit<br />

werden die bewegten Fußgänger<br />

und Pferdekutschen in Daguerres<br />

Aufnahme unsichtbar, nur zwei Personen<br />

sind dank ihrer ruhigen Körperhaltung<br />

sichtbar geblieben: ein Schuhputzer<br />

und sein Kunde. Marek Požniaks<br />

Photographien erinnern an diese Magie<br />

der Anfänge. Wo Dauerhaftigkeit und<br />

flüchtiger Moment zusammenkommen,<br />

Formen sich hier verdichten und dort<br />

im Licht vergehen, entstehen Kompositionen<br />

von faszinierender Schönheit.<br />

Požniak verführt uns zum Sehen. Er<br />

zeigt was wir zu kennen glauben, Menschen<br />

mit Rucksäcken und Sonnenbrillen,<br />

die flanieren, zur Arbeit gehen, telefonieren<br />

oder in den Straßencafés sitzen.<br />

Zugleich erscheinen die Protagonisten<br />

seiner Bilder herausgelöst aus dem Fluss<br />

der Zeit; der Musikant auf der Brücke,<br />

die Wartenden an den Bahnsteigen<br />

ebenso wie die Skulptur im Park, das<br />

abgestellte Fahrrad, die Zuckerdose auf<br />

dem Tisch – Spuren menschlicher Präsenz,<br />

die in Požniaks Aufnahmen wie<br />

in unserem Gedächtnis Abdrücke hinterlassen.<br />

© Marek Požniak, Berlin-Schöneberg<br />

Berlin, London, New York: Tausendfach<br />

sind uns die Ansichten dieser Metropolen<br />

vertraut, in denen das Leben vermeintlich<br />

nie stillsteht. Požniak durchwandert<br />

sie mit dem Blick eines guten<br />

Freundes, der ihre maskierten und<br />

unmaskierten Gesichter kennt – und<br />

beide Seiten liebt. Er folgt den alltäglichen<br />

Wegen der Menschen, den belebten<br />

Straßen, dem Verlauf der Stadtbahnen,<br />

Brücken und Tunnels, den gläsernen<br />

Gewölben der Bahnhofshallen<br />

und Shopping Malls. Leise Melancholie<br />

schwingt mit, wenn er unscheinbare<br />

und doch eigenwillige Orte aufspürt,<br />

den verlassenen Vergnügungspark,<br />

den versteckten Winkel zwischen<br />

Graffiti und Ziegelmauern. Der Photograph<br />

nimmt sich Zeit, um die Motive<br />

in seinem Inneren sichtbar werden zu<br />

lassen, bevor er die Kamera einsetzt.<br />

Dem Aspekt des Offensichtlichen, des<br />

schnellen Zugriffs setzt er ein Moment<br />

der Verzögerung entgegen, den subtilen<br />

Einsatz der künstlerischen Mittel,<br />

der auch den kleinen und beiläufigen<br />

Dingen Bedeutung zugesteht. Unter<br />

dem Deckmantel des Vertrauten führen<br />

Marek Požniaks Bilder ein zauberisches<br />

Eigenleben.<br />

14 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

© Marek Požniak, The Museum of Modern Art, New York<br />

© Marek Požniak, Flatiron Building<br />

Er arbeitet mit Unschärfen und Spiegelungen,<br />

mit den Wirkungen des Lichts,<br />

das Strukturen schafft und Räume öffnet,<br />

das einerseits präzisiert und beleuchtet,<br />

andererseits verbirgt und verwischt.<br />

Mit Bedacht wählt er Standort und Ausrichtung<br />

seiner Kamera, bestimmt die<br />

Komposition durch räumliche Tiefenwirkung,<br />

perspektivische Linienführung<br />

oder angeschnittene Gegenstände.<br />

Andere Motive sind in verschiedenen<br />

Bildebenen gestaffelt, geometrisch flächenhaft<br />

gestaltet oder ziehen an uns<br />

vorüber, während wir aus dem Fenster<br />

eines fahrenden Zuges schauen.<br />

Die Wirklichkeit ist auch eine Frage<br />

der persönlichen Wahrnehmung, und<br />

Požniaks Photographien machen dies<br />

deutlich. Wenn die im Schaufenster<br />

eines Ladens ausgestellten Schuhe<br />

scheinbar zu laufen beginnen, wenn<br />

die Stammkneipe zu einem geheimnisvollen<br />

Ort wird, dann spiegelt sich in<br />

diesen Bildern das Staunen über eine<br />

Welt, die es neu zu entdecken gilt, eine<br />

Welt voller Codes, an denen wir uns orientieren,<br />

ohne uns dessen bewusst zu<br />

sein. Požniak macht diese Regeln sichtbar,<br />

indem er sie bricht. In ungewohnter<br />

Untersicht richtet er im New Yorker<br />

Museum of Modern Art sein Kamera-<br />

Auge auf Andy Warhols weltberühmte<br />

Pop Art Sequenz der Campbell-Suppendosen.<br />

Schon der Verlust der bekannten<br />

plakativen Farbigkeit bewirkt Erstaunliches,<br />

unsere Seh-Erwartungen werden<br />

© Marek Požniak, Berlin-Kurfürstendamm<br />

ebenso außer Kraft gesetzt wie die von<br />

Warhol intendierte Gleichförmigkeit.<br />

Die einfache photographische Technik,<br />

die Ungleichmäßigkeit des Lichts<br />

und die Schatten der vorübergehenden<br />

Museumsbesucher verleihen dem<br />

Kunstwerk, dem wir bereits einen festen<br />

Platz zugewiesen haben, ein neues<br />

Dasein in der Zeit.<br />

Požniak nutzt abstrahierende und vereinfachende<br />

wie verfremdende und<br />

irritierende Elemente, um sowohl die<br />

Realität, als auch deren Transformation<br />

ins Bild zu setzen. All dies geschieht<br />

in unmittelbarer Nähe zum Betrachter,<br />

alles steht zu ihm in Beziehung, denn<br />

letztlich ist es unsere Vorstellungskraft,<br />

die hier auf besondere Weise aktiviert<br />

wird. Indem er auf photographische<br />

Urformen zurückgreift, berührt Marek<br />

Požniak verborgene Erinnerungsbilder,<br />

angedeutete Erzählungen, die zur individuellen<br />

Fortsetzung freigegeben sind.<br />

Susanne Schmid<br />

© Marek Požniak, London<br />

Zur Ausstellung erscheint ein<br />

Katalog:<br />

Marek Požniak<br />

»Berlin - London - New York«<br />

Photographien von 1985 - 2010<br />

Hrsg. Johanna Breede<br />

PHOTOKUNST<br />

mit Textbeiträgen von Enno Kaufhold<br />

und Susanne Schmid<br />

Berlin <strong>2013</strong><br />

bis 11. August <strong>2013</strong><br />

Johanna Breede<br />

PHOTOKUNST<br />

Fasanenstraße 69<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Fr<br />

Sa<br />

11 – 18 Uhr<br />

11 – 16 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

15


Galerien<br />

Christian Reister<br />

»BERLIN TRILOGIE«<br />

Berlin kann ganz still sein. Auch wenn<br />

alle so tun, als befinde sich die Stadt<br />

in einem ewigen Bedeutungsrausch aus<br />

Kreativität, Party und Umsturz, finden<br />

sich doch immer genug Nischen, in<br />

denen eigentlich gar nichts wichtiges<br />

passiert. In diesen Ecken stöbert Christian<br />

Reister die ganz normalen Menschen<br />

auf: Alte und Junge, Tagträumer und<br />

Nachtschwärmer, graue Mäuschen und<br />

affektierte Selbstdarsteller. Sie bewegen<br />

sich am Rande des Geschehens, tun oft<br />

nichts und verfangen sich doch immer<br />

wieder in Situationen von wunderbar<br />

abseitiger Skurrilität. So werden sie<br />

auf Reisters Fotos festgehalten, die<br />

unter ihrer oft humorvollen Oberfläche<br />

immer auch ein wenig Melancholie<br />

in sich tragen und einen besonderen,<br />

subjektiven Blick auf das Leben im<br />

heutigen Berlin werfen.<br />

Die Ausstellung »Berlin Trilogie« in<br />

der traditionsreichen Photogalerie im<br />

Café Aroma vereint Fotografien der<br />

Arbeiten ALEX (Berlin, Alexanderplatz<br />

2008-2010), NACHT (seit 2001, work<br />

in progress) und Straßenfotografie aus<br />

den letzten acht Jahren.<br />

Das Interview ist in seiner ursprünglichen<br />

und ungekürzten Fassung im Mai<br />

<strong>2013</strong> auf http://blog.pepperproject.de<br />

erschienen.<br />

Christian Reister im Gespräch mit<br />

Pepper.<br />

Pepper: Du hast Dich in Deiner Arbeit<br />

als Fotograf vor allem auf die Street<br />

Photography konzentriert. Wie hat sich<br />

das entwickelt?<br />

Christian Reister: Ich kam zur Fotografie<br />

in einer Zeit in der ich sehr stark in<br />

meinen Brotjob als Webdesigner eingebunden<br />

war. Ende der Neunziger war<br />

ich Ende zwanzig und saß quasi Tag und<br />

Nacht am Computer. Da haben sich als<br />

© Christian Reister, Berlin 2010, (Original in Farbe)<br />

analoge Gegenbewegung drei Dinge<br />

in mein Leben geschlichen: die Lust an<br />

langen Spaziergängen, vor allem auch<br />

nachts, häufiger eine Reise in irgendeine<br />

Stadt und die Fotografie als künstlerisches<br />

Ausdrucksmittel. Alles drei passt<br />

ja wunderbar zusammen. Mit der Zeit<br />

habe ich begonnen, mich ernsthafter<br />

mit Fotografie zu beschäftigen. Aus der<br />

spaßigen Freizeitbeschäftigung wurde<br />

Passion und da ich diese schon immer<br />

hauptsächlich auf der Straße betrieben<br />

habe, haben mich dann auch bald<br />

die Meister dieses Genres am meisten<br />

beeindruckt: Frank, Winogrand, Klein,<br />

Erwitt... all diese New Yorker Fotografen.<br />

Aber auch Martin Parr war für mich<br />

damals eine ganz große Entdeckung.<br />

Bis ich mich selbst an Menschen rangetraut<br />

habe, hat es einige Zeit gedauert<br />

und letztlich habe ich mir das auch<br />

alles nicht überlegt sondern habe in<br />

erster Linie immer einfach gemacht.<br />

Irgendwann wurde der Begriff »Street<br />

Photography« dann wieder populär und<br />

ich dachte, super, da kannste dich einreihen,<br />

da haste nen Label, das passt<br />

schon irgendwie, Erklärung ende. Auch<br />

wenn ich mich im Detail wenig für die<br />

Definition oder Abgrenzung zu anderen<br />

Genres interessiere und ich vieles,<br />

was unter »Street Photography« läuft,<br />

gähnend langweilig finde, glaube ich<br />

doch, dass in den ungestellten, spontan<br />

erfassten Momenten aus dem öffentlichen<br />

Leben einen gewisse Urkraft der<br />

Fotografie liegt, die mir so unendlich<br />

mehr gibt und über unsere Gesellschaft<br />

verrät, als die aufwändigsten Inszenierungen.<br />

Einfach weil nichts planbar ist<br />

und ich am Ende des Tages – wenn es gut<br />

läuft – ein Bild mit nach Hause nehme,<br />

das mir die Welt ein bisschen anders<br />

zeigt, als ich sie bisher gesehen habe.<br />

Pepper: Du hast in London und New<br />

York Einheimische fotografiert, aber<br />

eher im klassischen Portraitbereich, in<br />

Berlin hast Du Dich intensiv mit dem<br />

Treiben der Menschen auf dem Alexanderplatz<br />

beschäftigt. Sind es bestimmte<br />

Städte und dort bestimmte Orte, die<br />

Dich vor allem anziehen, oder hast Du<br />

Deine Kamera grundsätzlich bei Dir<br />

und benutzt sie auch tagtäglich; ist es<br />

also eher ein Zufall, dass durch Deine<br />

aktuellen Publikationen und Ausstellungen<br />

der Eindruck einer sehr gezielten<br />

Location-Suche entsteht?<br />

Christian Reister: Nun, es ist schon so,<br />

dass ich die Kamera immer dabei habe<br />

und laufend am »einsammeln« bin. Eine<br />

gezielte Locationsuche gibt es daher<br />

eher nicht. Die Projekte entstehen da,<br />

wo ich eben bin. Meistens ist das Berlin.<br />

New York und London sind Städte, die<br />

mir von mehreren Aufenthalten und<br />

wahrscheinlich auch von der Mentalität<br />

her recht vertraut sind. Die Grundlagen<br />

für die angesprochenen Arbeiten<br />

16 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

Christian Reister: Beides.<br />

Pepper: Gibt es Situationen, Motive, in<br />

bzw. bei denen Du eine Technik bevorzugst?<br />

Was sind die jeweiligen Vorteile<br />

der einen Technik gegenüber der<br />

anderen, wenn man Street Photography<br />

betreibt?<br />

© Christian Reister, Berlin 2012<br />

sind alle mehr oder weniger spontan auf<br />

der Straße entstanden. Wobei die Straßenportraitserien<br />

jeweils in drei Tagen<br />

fertig waren, ALEX hat mich dann zwei<br />

Jahre beschäftigt.<br />

Pepper: Was hat Dich am Alexanderplatz<br />

gereizt?<br />

Christian Reister: Seit ich 1997 nach<br />

Berlin gekommen bin, bin ich meist<br />

mehrmals die Woche am Alex, meist<br />

einfach nur um von der einen Bahn<br />

in die andere umzusteigen, kurz eine<br />

Erledigung zu machen oder sonst wie<br />

durchzuhuschen. So wie es alle anderen<br />

in aller Regel auch machen. Bemerkenswert<br />

an diesem Platz ist ja, dass er<br />

allgemein als ziemlich hässlich und<br />

unwirtlich wahrgenommen wird. Städtebauliche<br />

Maßnahmen haben zumeist<br />

zur Folge, dass er danach noch unschöner,<br />

grauer und grauseliger daherkommt<br />

als vorher. Das sind so Phänomene, die<br />

mich staunen lassen. Wie kann das<br />

denn eigentlich sein, dass in der Mitte<br />

von Berlin-Mitte, die gerne für das trendigste<br />

und yuppihafteste gehalten wird,<br />

was die Haupststadt zu bieten hat, der<br />

größte und bekannteste Platz derart unelegant<br />

daherkommt? Mit allerhand Festivitäten<br />

wird immer mal wieder versucht,<br />

ein wenig Gemütlichkeit auf den Platz<br />

zu zaubern. Dann werden die immergleichen<br />

Buden notdürftig dem jeweiligen<br />

Anlass entsprechend umdekoriert –<br />

ob Oktoberfest oder Weihnachtsmarkt<br />

macht kaum Unterschied... Kurz: das ist<br />

dort alles irgendwie so uncharmant mit<br />

all seiner Antiästhetik, dass es bei mir<br />

ein gewisses »jetzt erst recht« hervorruft.<br />

Wer sind die Menschen da? Was<br />

machen die da? Und siehe da – ich habe<br />

mich dann auch immer mal wieder<br />

dabei ertappt, wie ich dort fröhlich zur<br />

Bulette mein Bier getrunken habe und<br />

durchaus auch mal zu dem ein oder<br />

anderen Schlager mitgesummt habe,<br />

der dort über die Betonplatten weht. Na<br />

also, geht doch.<br />

Pepper: Mir gefällt Dein Buch mit den<br />

Alex-Fotos ziemlich gut. Mit was für<br />

einer Kamera hast Du hier gearbeitet?<br />

Christian Reister: Mit einer recht unspektakulären<br />

Kompaktknipse. Neu für mich<br />

war damals die 24 mm Brennweite und<br />

die Bildproportion 16:9. Beides benutze<br />

ich sonst nicht und hat der Arbeit einen<br />

besonderen Stempel aufgedrückt.<br />

Pepper: Was benutzt Du denn sonst?<br />

Also, was für Kameras.<br />

Christian Reister: Kommt aufs Projekt<br />

an. Meist Kameras, die in die Jackentasche<br />

passen. 35 mm, nichts ungewöhnliches.<br />

Pepper: Analog, digital, oder beides?<br />

Christian Reister: Farbarbeiten digital,<br />

die neue Serie NACHT allerdings war<br />

von vornherein als schwarz/weiss und<br />

grobkörnig angedacht, da arbeite ich<br />

dann lieber mit Film als Digitalbilder<br />

umzuwandeln. Obwohl das natürlich<br />

auch ein völlig legitimes Mittel ist, ich<br />

bin da kein Dogmatiker. An der Arbeit<br />

mit Film schätze ich u. a. auch, dass<br />

man das Ergebnis nicht immer gleich<br />

sieht und ich lasse die Filme gerne lange<br />

liegen, bevor sie entwickelt werden.<br />

Das entschleunigt die Arbeitsweise und<br />

trennt die Bilder besser vom persönlich<br />

Erlebten zum Zeitpunkt der Aufnahme.<br />

Pepper: Was heißt, lange liegen lassen?<br />

Gleich mehrere Monate oder einfach<br />

nur ein paar Tage?<br />

Christian Reister: Ruhig ein paar<br />

Monate.<br />

Pepper: Wieso denkst Du, dass der<br />

noch vorhandene Eindruck des gerade<br />

erst Erlebten Dich in einer objektiven<br />

Beurteilung der gemachten Aufnahmen<br />

beeinflussen könnte? Als Seherfahrener<br />

Mensch kannst Du doch die Spreu<br />

vom Weizen trennen.<br />

Christian Reister: Naja, kühne Behauptung.<br />

Ich kenne keinen Fotografen, der<br />

bei der Beurteilung der eigenen Arbeit<br />

nicht seine Schwierigkeiten hat, das Bild<br />

von der erlebten Realität zu trennen. Das<br />

ganze Drumrum, die Geräusche, die<br />

Gerüche, die Atmosphäre eines Ortes,<br />

die eigene Verfassung etc. schwingen ja<br />

aus der Erinnerung mit, wenn ich mein<br />

eigenes Bild betrachte. Das Bild selbst<br />

klingt und riecht aber nicht. Hat noch<br />

nicht mal eine dritte Dimension. Das ist<br />

einfach nur ein flaches Oberflächenabbild,<br />

bei dem es ja auf ganz andere Kriterien<br />

ankommt als im »richtigen« Leben.<br />

Um das klarer sehen zu können, hilft<br />

es mir, die Bilder zeitlich getrennt vom<br />

Geschehen zu betrachten. Das habe ich<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

17


Galerien<br />

ja aber nicht erfunden, Henry Wessel<br />

z.b. ist ein bekannter Vertreter dieser<br />

Methode.<br />

Pepper: In dem bisher Gesagten<br />

beziehst Du Dich ausschließlich auf<br />

Amerikaner, die in der Street Photography<br />

aktiv waren oder es im hohen Alter<br />

eventuell noch sind. William Klein allerdings<br />

lebt und arbeitet in Paris. Was<br />

aber ist mit deutschen Fotografen? Da<br />

gibt es niemanden, der Dich interessiert?<br />

Hier gab und gibt es doch auch<br />

Straßenfotografen - klingt merkwürdig<br />

auf Deutsch, ich weiß - die einiges<br />

geleistet haben. Ist es, weil die deutschen<br />

Fotografen eher mit einem dokumentarischen<br />

Ansatz an die Sache ran<br />

gegangen sind, und nicht mit diesem<br />

experimentellen Ansatz, wie er beispielsweise<br />

von Winogrand und Klein<br />

gepflegt wurde?<br />

Christian Reister: Ja – das mit dem<br />

»eher dokumentarischen Ansatz« trifft<br />

es sicherlich. Trotzdem gibt es natürlich<br />

auch hier viel zu entdecken. Friedrich<br />

Seidenstücker mag ich für seinen<br />

liebevollen Humor, Harald Hauswand<br />

schätze ich wegen seiner authentischen<br />

Geradlinigkeit und Gundula Schulzes<br />

frühe Arbeiten – Berlin in einer Hundenacht<br />

– sind großartig. Letztere würde<br />

man gemeinhin aber nicht als Straßenfotografin<br />

bezeichnen. Vielleicht sind die<br />

Deutschen einfach auf anderen Bereichen<br />

erfolgreicher. Becher, Gursky etc.<br />

- das ist ja eine völlig andere Welt. Und<br />

sehr deutsch.<br />

Pepper: Meinst Du, die Deutschen sind<br />

eher für die Verwaltung und geordnete<br />

Archivierung von Motiven gut? Die<br />

Bechers mit ihren Wassertürmen, Candida<br />

Höfer, die die Pariser Oper oder<br />

Bibliotheken dokumentiert, usw.?<br />

Christian Reister: Deine Formulierung<br />

ist lustig. Da grinse ich mir eins und<br />

lasse das gerne so stehen.<br />

Pepper: Wenn die deutsche Fotografie<br />

in Deinen Augen ihre ganz speziellen<br />

Eigenarten hat, wie sieht es dann<br />

mit der Rezeption von Fotografie in<br />

Deutschland aus. Ist diese nach Deinen<br />

Erfahrungen auch anders als beispielsweise<br />

in den USA, also vor allem im<br />

© Christian Reister, Berlin-Mitte, 2011<br />

Bereich Street Photography, um wieder<br />

auf unser eigentliches Thema zurückzukommen?<br />

Gibt es hier andere Interessen<br />

seitens der Kritik, der Galerien,<br />

der Medien etc. Was für Erfahrungen<br />

hast Du hier?<br />

Christian Reister: Sicher - die Fotografie<br />

und vor allem die Straßenfotografie hat<br />

in Amerika seit je her einen ganz anderen<br />

Stellenwert. Die gehört da einfach<br />

zur Kultur und war ja auch schon viel<br />

früher eine anerkannte Kunstform.<br />

Ich beklage das aber nicht. Es gibt in<br />

Deutschland, besonders in Berlin, genug<br />

Raum, das auszuleben, sowohl was das<br />

Fotografieren angeht als auch die Ausstellungsmöglichkeiten.<br />

Im ersten Halbjahr<br />

<strong>2013</strong> habe/hatte ich Ausstellungen<br />

in Kneipen, Off-Galerien, einem Hotel,<br />

einem italienischen Restaurant und – in<br />

Wien – in einen »Schauraum für Mode<br />

und Fotografie«. Das sind alles keine<br />

subventionierten Kunstadressen und<br />

das ist doch großartig! In gewisser Weise<br />

hängen die Bilder dort wo sie herkommen.<br />

Ich würde mich nicht gegen eine<br />

Ausstellung in einem Museum wehren,<br />

aber notwendig ist das nicht. Neue<br />

Wege der Zurschaustellung der eigenen<br />

Arbeit bietet das Internet und es ist<br />

immer einfacher, selbst Künstlerbücher<br />

zu produzieren und auch ein Publikum<br />

dafür zu finden.<br />

Pepper: Wie benutzt Du das Internet<br />

um Deine Arbeit zu verbreiten?<br />

Christian Reister: Ich habe eine Website<br />

mit den wichtigsten Arbeiten darauf<br />

(reister-images.de) und betreibe ich<br />

einen Blog (blog61.com), auf dem ich<br />

hin und wieder Fotos poste, ein bisschen<br />

aus dem Nähkästchen plaudere<br />

und auf Fotografen, Veröffentlichungen<br />

oder Ausstellunge hinweise, die<br />

ich gerade bemerkenswert finde. Nach<br />

langer Verweigerungshaltung nutze ich<br />

mittlerweile auch Facebook.<br />

Und: Ich vertreibe meine Bücher über<br />

meine Website. Ohne Verlag, ohne<br />

Dealer, alles direkt vom Erzeuger. Dafür<br />

gibt es ein weltweit überschaubares<br />

aber sehr interessiertes Publikum.<br />

bis 6. Oktober <strong>2013</strong><br />

Café Aroma Photogalerie<br />

Hochkirchstraße 8<br />

10829 Berlin-Schöneberg<br />

Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />

Sa + So 14 – 24 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

18 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

125 Jahre NATIONAL<br />

GEOGRAPHIC<br />

Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />

und National Geographic Deutschland<br />

präsentieren im Berliner Willy-Brandt-<br />

Haus eine Auswahl der faszinierendsten<br />

Fotografien aus der 125-jährigen<br />

Geschichte des legendären Magazins<br />

mit dem gelben Rahmen: 55 außergewöhnliche<br />

Bilder, die Exp<strong>edition</strong>en und<br />

Reportagen des Magazins der National<br />

Geographic Society von der Gründung<br />

im Jahr 1888 bis heute widerspiegeln.<br />

© Dieter Schonlau, Wurzel eines Urwaldbaums, Borneo, 2011, Original in Farbe<br />

© Steve McCurry, Afghanisches Mädchen in<br />

einem pakistanischen Flüchtlingslager, 1984,<br />

Original in Farbe<br />

© George Steinmetz, Karawane in der Wüste, Niger, 1999, Original in Farbe<br />

Zu sehen ist unter anderem das wohl<br />

bekannteste National Geographic -<br />

Titelmotiv: das berührende Porträt<br />

eines afghanischen Flüchtlingsmädchens,<br />

fotografiert von Steve McCurry.<br />

National Geographic-Fotograf Carsten<br />

Peter entführt die Betrachter in bizarre<br />

mexikanische Kristallhöhlen, mit Emory<br />

Kristof geht es zum Wrack der Titanic.<br />

Außerdem umfasst die Jubiläumsausstellung<br />

Bilder von Jodi Cobb, David<br />

Doubilet, Annie Griffiths, Paul Nicklen,<br />

Joanna Pinneo, Norbert Rosing, Chris<br />

Johns und vielen weiteren Fotografen.<br />

National Geographic Deutschland ist<br />

das Magazin der National Geographic<br />

Society, einer der größten gemeinnützigen<br />

Wissenschaftsorganisationen weltweit.<br />

Die US-amerikanische Gesellschaft,<br />

die <strong>2013</strong> ihr 125-jähriges Bestehen<br />

feiert, hat seit ihrer Gründung mehr<br />

als 10.000 Forschungsprojekte gefördert.<br />

Unter dem Motto »Inspiring people<br />

to care about the planet« berichtet das<br />

Magazin mit dem gelben Rahmen fundiert,<br />

authentisch und unterhaltsam<br />

über Naturwissenschaften und Astronomie,<br />

Geschichte und Archäologie, ferne<br />

Länder, Klimawandel und Nachhaltigkeit.<br />

Das Magazin erscheint seit 1999<br />

auch in Deutschland.<br />

Eröffnung:<br />

11. Juli <strong>2013</strong>, um 19:30 Uhr<br />

12. Juli bis 14. August <strong>2013</strong><br />

Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />

Willy-Brandt-Haus<br />

Stresemannstraße 28<br />

10963 Berlin-Kreuzberg<br />

Di – So<br />

12 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

19


Galerien<br />

Kristin Maria<br />

Hachenberg<br />

»WASSER - SPIEGEL«<br />

Fotografische Impressionen aus Berlin,<br />

Potsdam, Mali, Taiwan und Venedig<br />

Durch wechselnde Lichtintensität, Wind<br />

oder Fließbewegung wird die Wasseroberfläche<br />

zur Projektionsebene für ungewöhnliche<br />

Bildschöpfungen.<br />

Neue flüchtige sich ständig verändernde<br />

Reflexionen entstehen, die durch ihre<br />

grafische Wirkung oder die unerwartete<br />

Farbigkeit faszinieren.<br />

Sie existieren jedoch nur für einen<br />

kurzen Moment und schaffen einmalige<br />

verfremdete Abbilder der Realität.<br />

© Kristin Maria Hachenberg, »Aufstrebend«, Taschkent 2012, Original in Farbe)<br />

© Kristin Maria Hachenberg, »Sich auflösend V«,<br />

Venedig 2011, Original in Farbe)<br />

Geboren und aufgewachsen in Berlin.<br />

Architekturstudium TU Berlin, Freiberufliche<br />

Tätigkeit im Bereich Städtebau<br />

/ Architektur in Berlin, Essen, Hannover<br />

und Stuttgart, Fotografie, Freihandzeichnen<br />

sowie Verfassen von<br />

Prosa als berufsbegleitende künstlerische<br />

Tätigkeiten,seit 1990 Vertiefung<br />

der künstlerischen Fotografie, Mitglied<br />

im Stuttgarter Künstlerbund e.V.,<br />

im Württembergischen Kunstverein,<br />

im Deutschen Verband für Fotografie<br />

(DVF) und der Gesellschaft für Fotografie<br />

(GfF).<br />

20 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

Lebt in Berlin und Stuttgart, seit 2007<br />

zahlreiche Fotografieausstellungen<br />

(Einzel- und Gruppenausstellungen in<br />

Berlin, Plochingen, Solingen, Stuttgart,<br />

Tübingen, Zürich)<br />

© Kristin Maria Hachenberg, »Nur ein Moment I«,<br />

Berlin 2008, Original in Farbe)<br />

bis 31. August <strong>2013</strong><br />

Galerie Altes Rathaus Steglitz<br />

Schlossstraße 37<br />

2. OG<br />

10165 Berlin-Steglitz<br />

Mo – Fr<br />

8 – 18 Uhr<br />

www.fotokunst-kristinhachenberg.de


Galerien<br />

Lutz Müller-Bohlen<br />

» Faces of Rock«<br />

Lutz Müller-Bohlen genannt Gramm,<br />

geboren am 21.1.1962 in Flensburg<br />

mit dänisch/polnisch/deutschen Wurzeln<br />

lebt seit 10 Jahren in Berlin, Prenzlauer<br />

Berg.<br />

Das Abseitige, Ungewöhnliche, aus<br />

dem Strom des alltäglichen Herausstechende<br />

ist es, was sowohl den Künstler<br />

als auch den sozial engagierten Menschen<br />

Müller-Bohlen interessiert, reizt,<br />

herausfordert.<br />

Schnell und handwerklich sicher arbeitet<br />

der gelernte Fotograf. Hier wirken<br />

sich auch 20 jährige leitende Tätigkeiten<br />

im psychiatrischen Bereich (»wir<br />

heilen eigentlich durch Liebe«) und als<br />

langjähriger sozialmedizinischer Sachverständiger<br />

unmittelbar aus: der intensive<br />

Umgang mit Menschen, die Beobachtung<br />

von Gefühlen, Gesten, Betonungen,<br />

Nuancen und seine unverrückbare<br />

Überzeugung, dass jedem Menschen<br />

eine einzigartige Schönheit zu<br />

eigen ist..<br />

Die Fähigkeit zum würdevollen Raumlassen,<br />

trotz intensivster Nähe, ist das<br />

unverwechselbare Markenzeichen<br />

seiner Portraits: alle Details der Gesichtslandschaften<br />

– Hautporen, Falten, Tränensäcke<br />

– sind messerscharf gezeichnet<br />

und überdeutlich zu erkennen. Und<br />

fügen sich doch zu einem ausdrucksstarken<br />

menschlichen Antlitz von Schönheit<br />

zusammen. Und so ergänzen sich<br />

in idealer Weise die menschlichen, die<br />

künstlerischen, sowie die handwerklichen<br />

Qualitäten Müller-Bohlens Er<br />

findet das Besondere und hat die Fähigkeit,<br />

den Betrachter in seine Sicht auf<br />

Menschen einzufangen.<br />

© Lutz Müller-Bohlen, Les Holroyd - Barclay James Harvest, (O. i. F.)<br />

© Lutz Müller-Bohlen, Nigel Kennedy, (Original in Farbe)<br />

Lutz Müller-Bohlen erstellt seine<br />

Künstler-Portraits und Bühnenfotos für<br />

online-portale, Radio- und Fernsehsender,<br />

sowie die Deutsche Presseagentur,<br />

die seine Arbeiten weltweit vermarktet.<br />

Der zweite Schwerpunkt seiner künstlerischen<br />

Tätigkeit ist die klare, eindeutige<br />

Positionierung gegen Ausgrenzung,<br />

Unterdrückung und Ausbeutung<br />

des Individuums. Große Anerkennung<br />

finden seine Arbeiten zum Thema Antifaschismus<br />

und seine seit inzwischen<br />

7 Jahren laufende fotografische Dokumentation<br />

von Konzenterationslagern<br />

Kai Müller<br />

Vernissage<br />

5. September <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

6. September bis 4. Oktober <strong>2013</strong><br />

Fotogalerie Friedrichshain<br />

Helsingforser Platz 1<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di, Mi, Fr, Sa<br />

Do<br />

14 – 18 Uhr<br />

10 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

21


Galerien<br />

Frank Machalowski<br />

Thomas Graichen<br />

»laut & leise – zwei<br />

Sichten auf Berlin«<br />

Die Stadt schläft nicht. Sie schweigt<br />

nicht. Sie gibt sich stets lärmend, lebhaft<br />

und ruhelos. Sie wird beherrscht von der<br />

Geräuschkulisse des urbanen Lebens,<br />

von Stimmen, Schritten und Motoren.<br />

Doch gibt es in der Stadt auch verschwiegene<br />

Winkel, versteckte Oasen<br />

der Stille, Orte, die sich dem hektischen<br />

Treiben entziehen, Orte, an denen die<br />

Stadt schlummert und ruht.<br />

Diesen Blickwinkeln folgend präsentieren<br />

Frank Machalowski und Thomas<br />

Graichen unter dem Titel »Laut & Leise«<br />

ihre zwei Sichten auf Berlin.<br />

Die Fotografien Frank Machalowskis<br />

konzentrieren sich auf das laute Berlin,<br />

auf Orte und Plätze mit regem Geschehen.<br />

Nicht selten sind seine Motive über<br />

die Stadtgrenzen hinaus bekannt und als<br />

touristische Attraktionen das Ziel zahlloser<br />

Besucher. Die Menschen werden<br />

in seinen Bildern jedoch zu bloßen<br />

Schatten. Sie überlagern und vervielfachen<br />

sich zu einem stetigen Strom, zu<br />

einer fließenden Spur in der Zeit. Was<br />

bleibt sind die Bauwerke. Sie bilden die<br />

Konstanten. Die Gebäude, Gebilde und<br />

Skulpturen sind aus verschiedenen Perspektiven<br />

aufgenommen, ebenso wie die<br />

unterschiedlichen Besucher sie betrachten,<br />

deren Blicken Frank Machalowski<br />

fotografisch folgt. Die Multiplikation<br />

und Intensivierung der Positionen und<br />

Blickfelder scheint die Bauwerke zu verzerren<br />

und auf ihren Kern zu reduzieren.<br />

Sie vibrieren regelrecht unter dem<br />

Versuch, die Zeit selbst in den Bildern<br />

einzufangen.<br />

Die Fotografien Thomas Graichens hingegen<br />

beleuchten die leisen Seiten der<br />

Stadt. Es sind versteckte und unbekannte<br />

Orte, manchmal nicht weit vom pulsierenden<br />

Leben der Stadt entfernt, manchmal<br />

nur über lange und labyrinthische<br />

Spaziergänge zu erreichen. Jeder<br />

© Thomas Graichen<br />

© Frank Machalowski<br />

dieser stillen abgelegenen Orte wurde<br />

von Menschenhand geformt, bearbeitet,<br />

betoniert, bebaut, beschnitten, umzäunt,<br />

beschriftet, begrenzt, in sein Regelwerk<br />

gezwungen und schließlich sich selbst<br />

und der Zeit überlassen. Das vermeintliche<br />

Schweigen des Raumes und der<br />

Objekte birgt somit seine ganz eigenen<br />

Geheimnisse. Es wirft unausgesprochene<br />

Fragen auf – nach den menschlichen<br />

Abdrücken, nach ihren Spuren<br />

vielleicht und nach den Geschichten,<br />

die diese Orte erzählen wollen. Diese<br />

Fragen, Geheimnisse und Geschichten<br />

sind die Fährten, denen Thomas Graichens<br />

Bilder folgen und den Betrachter<br />

mitnehmen auf eine Reise zur stillen<br />

Seite der Stadt.<br />

Vernissage:<br />

9. August <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

© Frank Machalowski<br />

© Thomas Graichen<br />

© Thomas Graichen<br />

10. August bis 1. September <strong>2013</strong><br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-galerie.de<br />

22 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

Arno Schidlowski<br />

Kim Sperling<br />

Jens Sundheim<br />

Kathrin Tschirner<br />

Marco Warmuth<br />

Masterklasse Ute Mahler und Vincent<br />

Kohlbecher<br />

Im September <strong>2013</strong> zeigt die aff-Galerie<br />

Arbeiten der ersten Masterklasse von<br />

Ute Mahler und Vincent Kohlbecher an<br />

der HAW Hamburg. Die Ausstellung<br />

vereint die unterschiedlichen Positionen<br />

von fünf Fotografen, alle mit differenzierter<br />

Herangehensweise und Bildsprache<br />

aber dem Drang und Bestreben,<br />

selbst frühere Arbeiten in Frage zu<br />

stellen und dem kuratorischen Blick der<br />

Ostkreuz-Fotografin Ute Mahler und der<br />

Erfahrung des früheren STERN- Fotografen<br />

Vincent Kohlbecher auszusetzen.<br />

Die Ergebnisse dieser mehr als zweijährigen<br />

Zusammenarbeit spiegeln die<br />

Vielfalt, Standpunkte und Sichtweisen<br />

der Teilnehmer wider. So reicht das<br />

Spektrum der ausgestellten Themen von<br />

naturphilosophischer Tierfotografie über<br />

die Entwicklung städtischer Räume bis<br />

hin zu fantastischen Modewelten.<br />

© Jens Sundheim, (Original in Farbe)<br />

© Arno Schidlowski, (Original in Farbe)<br />

© Jens Sundheim (Original in Farbe)<br />

© Kathrin Tschirner, (Original in Farbe)<br />

© Kathrin Tschirner (Original in Farbe)<br />

Vernissage:<br />

14. September <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

© Marco Warmuth (Original in Farbe)<br />

Dieses spannende Zusammenspiel führt<br />

dem Betrachter sowohl die Möglichkeiten<br />

moderner Ablichtung als auch traditionell<br />

analogen Ausdrucks vor Augen,<br />

lässt ihm Raum für Interpretationen und<br />

überrascht mit neuen künstlerischen<br />

Ansätzen. So stellt die von Ute Mahler<br />

© Marco Warmuth (Original in Farbe)<br />

kuratierte Ausstellung ein eindrucksvolles<br />

Beispiel selbstbewusster und kreativer<br />

deutscher Nachwuchsfotografie<br />

dar.<br />

15. September bis 6. Oktober <strong>2013</strong><br />

aff Galerie<br />

Kochhannstraße 14<br />

10249 Berlin-Friedrichshain<br />

Sa + So 14 – 17 Uhr<br />

www.aff-galerie.de<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

23


Galerien<br />

Efraim Habermann<br />

«Berlin und auch<br />

Wilmersdorf«<br />

In dem Film »Hitchcock« von 2012,<br />

in dem es um die Entstehung des Psychothrillers<br />

»Psycho« geht, sagt Alfred<br />

Hitchcock alias Sir Anthony Hopkins<br />

über sich selbst: »Ich bin nur der<br />

Mann in der Ecke mit der Kamera, der<br />

zusieht«.<br />

Der Mann, den ich Ihnen heute vorstellen<br />

will, ist kein Regisseur, sondern<br />

ein Fotograf, der seit fast einem halben<br />

Jahrhundert mit der Fotokamera zusieht:<br />

einem Berlin, wie es keiner kennt, Venedig,<br />

wenn die Gondeln Trauer tragen,<br />

oder Jerusalem, wenn die Sonne ihre<br />

gleißenden Strahlen auf die Holocaust-<br />

Gedenkstätte Yad Vashem wirft. Am 19.<br />

Juni 1933 in Berlin geboren, floh Efraim<br />

Habermann wegen seiner jüdischen<br />

Abstammung 1939 mit seinen Eltern<br />

über Triest nach Palästina und lebte<br />

dann in Jerusalem. 1957 kehrte er an<br />

die Spree zurück, seit ca. 1970 wohnt<br />

er im Ortsteil Wilmersdorf, der zu seiner<br />

zweiten Heimat wurde. Zunächst war<br />

er bei Berliner Senatsbehörden als graphisch-technischer<br />

Zeichner tätig und<br />

fand dann den Weg zur Fotografie, für<br />

die er sich schon immer interessiert hat:<br />

Ende der sechziger Jahre war er einer der<br />

Ersten im Westen der Spree-Metropole,<br />

der Kunstfotografien an Tageszeitungen<br />

verkaufte. Seine Arbeiten erschienen in<br />

Tageszeitungen, Fachzeitschriften und<br />

Büchern, einige befinden sich in privatem<br />

wie öffentlichem Besitz. Auch Ausstellungen<br />

haben sein Schaffen gewürdigt,<br />

so 1975 im Jüdischen Gemeindehaus<br />

an der Fasanenstraße, 1976 in Paris<br />

im Maison de la France, 1983 in der<br />

Berliner Neuen Nationalgalerie oder<br />

2011/2012 hier in der Kommunalen<br />

Galerie.<br />

Die knapp 50 Fotografien, die Sie<br />

heute erleben, waren bis jetzt noch<br />

nicht öffentlich zu sehen. Sie entstanden<br />

1982, als das Kunstamt Wilmersdorf<br />

Efraim Habermann los schickte,<br />

© Efraim Habermann, » Fahrrad vor der Neuen<br />

Nationalgalerie«, Berlin<br />

(Anm. der Redaktion: Mit diesem Fahrrad<br />

unternahm der Fotograf seine Fototouren durch<br />

Berlin)<br />

um den Bezirk zu fotografieren. Doch<br />

heraus kamen keine touristenfreundlichen<br />

oder dokumentarisch exakten<br />

Fotos von markanten Orten und Architekturen,<br />

keine um Glamour und Effekt<br />

bemühten Bilder von einer Stadt, die<br />

mit etwa zwei Millionen Einwohnern<br />

bis 1989 eine Insel für politische Utopisten,<br />

Wehrdienstverweigerer, Glücksritter,<br />

gesellschaftliche Losers und Outsiders<br />

inmitten eines feindlich gesonnen<br />

Landes war, das aber die gleiche Sprache<br />

sprach. Den Fall der Mauer hielt<br />

damals noch kaum einer für möglich.<br />

Habermann suchte nicht nach Motiven,<br />

er fand sie - auf den Straßen von Wilmersdorf,<br />

das damals knapp 140.000<br />

Einwohner hatte und 2001 mit den Ortsteilen<br />

Halensee, Schmargendorf und<br />

Grunewald zum Bezirk Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf fusionierte. Ursprünglich<br />

eine Ansiedlung von Bauern und<br />

Fischern durch die Markgrafen von Brandenburg,<br />

entwickelte sich das Dorf Ende<br />

des 19. Jahrhunderts im wirtschaftlichen<br />

Boom der Gründerzeit zum Wohnort<br />

und zur Sommerfrische für betuchte<br />

Berliner und Stadtflüchtlinge und erhielt<br />

1906 das Stadtrecht. 1920 nach Groß-<br />

Berlin eingemeindet, lebten in Wilmersdorf<br />

auch viele Intellektuelle und Künstler<br />

wie Harry Graf Kessler, Walter Benjamin,<br />

Rilke, Stefan George, Heinrich<br />

Mann, Walter Leistikow oder Max Pechstein;<br />

der Anteil der jüdischen Bewohner<br />

war bis 1933 relativ hoch.<br />

Habermann fotografierte 1982 Wilmersdorf<br />

als eine Art von überzeitlichem<br />

Berlin, das er, der gebürtige Berliner<br />

und Heimkehrer, aus einer ihm eigentümlichen<br />

Distanz beobachtete: einer<br />

Distanz, die weder verurteilt noch glorifiziert,<br />

sondern Vorgefundenes nochmals<br />

neu entdeckt. Es ist ein Berlin, das<br />

aber auch nur hier, in Berlin, stattfinden<br />

kann. So gibt es auf seinen Bildern<br />

die berlintypischen maroden Mauern,<br />

auf denen er in einer leeren Kartusche<br />

neben den Graffitis ironisch seine Signatur<br />

setzt, oder die er zur Sehdiagonalen<br />

einer Aufnahme macht, die in einem<br />

der damals für Wilmersdorf noch charakteristischen<br />

Hinterhöfe mit Kleingewerbe<br />

mündet – heute sind sie weitgehend<br />

wegsaniert. Es gibt bei Habermann<br />

die prunkvollen Architekturen des<br />

Viertels wie den neobarocken Palast der<br />

Universität der Künste, dessen einstiger<br />

Glanz mittels der Kamera durch Licht-<br />

Schatten-Wirkungen zum Mythos wird.<br />

Oder es gibt die verwunschenen Winkel,<br />

wie die unter Schnee begrabene Figur<br />

des Hasen für die Hasensprungbrücke<br />

zwischen Diana- und Königssee<br />

in Grunewald, oder den noch nicht<br />

von Hunden und ihren Herren irritierten<br />

Grunewaldsee, den Habermann in<br />

einem traumvollen Schwarz-Weiß versinken<br />

ließ. Stets treten seine Fotografien<br />

leise auf, auch, wenn der Mensch, meist<br />

als Einzelperson, innerhalb der Historie<br />

der Stadt ins Blickfeld gerät: die junge<br />

Frau, die auf den nackten Bänken eines<br />

Gartenlokals, womöglich ein Vorgänger<br />

des heutigen Parkcafés am Fehrbelliner<br />

Platz, die Sonnenstrahlen genießt, stört<br />

nicht die Idylle, die Licht und Schatten<br />

auf das Holz zaubern.<br />

Eine Habermannsche Spezialität sind<br />

die Brechungen des Motivs in Fenstern<br />

und Verglasungen, war doch sein<br />

erstes wichtiges Foto 1968 die Spiegelung<br />

der Matthäuskirche in den Scheiben<br />

der Neuen Nationalgalerie Berlin.<br />

Vor dem Museum stand sein Fahrrad,<br />

mit dem er seine Streifzüge durch die<br />

Stadt unternahm.<br />

24 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

Fotografie ist für Habermann nicht reine<br />

Ablichtung des Gesehenen, sondern<br />

wird zur Frage nach Realität und Abbild,<br />

letztendlich nach dem, was hinter den<br />

Dingen steckt, die für uns scheinbar<br />

die Wirklichkeit bedeuten. Seine Aufnahmen<br />

entschleunigen eine immer<br />

schneller werdenden Welt, gefrieren<br />

sie ein zum Moment eines Stilllebens,<br />

das - auch im Sinne der alten »Vanitas«<br />

- an die Vergänglichkeit allen irdischen<br />

Seins erinnert. So spontan die Aufnahmen<br />

wirken, so sind sie doch entstanden<br />

durch bewusstes Kalkül hinsichtlich<br />

Komposition, Ausschnitt und Lichtwirkung,<br />

die im Prozess der Filmentwicklung<br />

nochmals gefiltert wurden. Indirekt<br />

lehrt Habermann den Betrachter dabei<br />

ein neues Sehen, gerne auch ironisch:<br />

was schon allzu bekannt erscheint, wird<br />

durch seine Linse verfremdet, um so<br />

auch die Historie des Ortes nochmals<br />

unter die Lupe zu nehmen und - bloß<br />

zustellen. Oft muss man genau hinsehen,<br />

um das Motiv zu dechiffrieren –<br />

was manchmal spannend wird: Michelangelos<br />

muskelstrotzender »David«,<br />

zwar zur Statuette einer Schaufensterauslage<br />

im Dämmerlicht reduziert, aber<br />

immer noch David genug, verweist nur<br />

durch die hingekritzelte Telefonnummer<br />

auf eine Adresse, über die vielleicht<br />

Auskunft zu erlangen ist über den Herrn<br />

im Adamskostüm.<br />

© Efraim Habermann<br />

Kaum lassen sich Vorbilder aus der Fotografiegeschichte<br />

ausmachen. Eher entdeckt<br />

Efraim Habermann Analogien zu<br />

bereits bekannten Motiven: so erinnert<br />

die im spitzen Winkel aufgenomme<br />

Ansicht des Gebäudes an der U-Bahnstation<br />

Spichernstraße, in den 1970ern<br />

errichtet, damals Sitz der Wohnungsbaukreditanstalt,<br />

heute der Investitionsbank<br />

Berlin, an New York, nämlich an<br />

das Flat Iron Building. Wie Sie sehen,<br />

kann, wenn wir mit Efraim Habermanns<br />

Augen denken, Manhatten auch an der<br />

Spree liegen. Lassen wir außer Acht, dass<br />

heute der Tiergarten bei den Skycrapers<br />

des Potsdamer Platzes auch Ähnlichkeit<br />

zum Central Park in Manhattan aufweist,<br />

aus dem richtigen Blickwinkel betrachtet,<br />

nur mit dem historischen Unterschied,<br />

dass der Tiergarten älter ist als<br />

der New Yorker Rasen.<br />

Fazit: der Mann mit der Kamera, der<br />

zusieht und am liebsten sich selbst<br />

fotografieren würde, hat keine Vorbilder,<br />

nur eines vielleicht, wie er zugibt:<br />

Paul Cézanne, für ihn der »Verdi der<br />

Malerei«. Begonnen hat Habermann<br />

seine fotografische Karriere mit einer<br />

Kodak Retina Reflex, seit 1978 benützt<br />

er bevorzugt die Leica Spiegelreflexkamera,<br />

doch ist das Modell für ihn nicht<br />

so wichtig: »es ist ja auch egal, ob ein<br />

Schriftsteller mit der Feder oder der<br />

Schreibmaschine schreibt«, sagt er. Zu<br />

seinen Motiven zählen neben seinen<br />

Lieblingsstädten Venedig und Berlin<br />

© Efraim Habermann<br />

auch Frauen, die, um seinen Ansprüchen<br />

an die Frau als Frau zu genügen,<br />

alle Efraim Habermann heißen müssten.<br />

Feind der Raffinessen und Rapiditäten<br />

der heutigen digitalisierten Bilderwelt,<br />

fotografiert Habermann ausschließlich<br />

in Schwarz-Weiß und entwickelte<br />

bis vor Kurzem seine Aufnahmen<br />

noch selbst, jetzt überlässt er es<br />

einem Fachlabor. Dafür hat er seit einigen<br />

Jahren begonnen zu malen - kleinformatige<br />

Aquarelle, die mit den konstruktivistisch-suprematistischen<br />

Bildwirklichkeiten<br />

eines Piet Mondrian<br />

oder Kasimir Malewitsch ein ironischbuntes<br />

Spiel treiben. Sie sind derzeit in<br />

der Galerie Carlos Hulsch zu sehen.<br />

Habermann ist einer jener Stadtflaneure<br />

der Wirklichkeit, die schon im Aussterben<br />

begriffen sind. Korrekt gekleidet mit<br />

Anzug und Krawatte, das Kavalierstuch<br />

von passender Farbe in der Brusttasche<br />

und die Hornbrille als Markenzeichen,<br />

tritt der avancierte Tee- und Kaffeetrinkerr<br />

gegen eine gewisse Unkultur von<br />

Heute an, die sich dem City-Cycling<br />

und dem Coffee-to-Go verschrieben hat<br />

und nicht daran denkt, für den Abend<br />

noch einmal das T-Shirt oder Hemd zu<br />

wechseln. Auch plädiert der passionierter<br />

Raucher für separierte Smoking-<br />

Areas in seinen Stammlokalen, in denen<br />

der Fotograf, der ursprünglich einmal<br />

Maler oder Opernsänger werden wollte,<br />

auch gerne Verdi-Arien singt - oft zum<br />

Ergötzen der Gäste. Hoch versiert in der<br />

jüdischen Geschichte, ist Efraim Habermann<br />

auch zu Gesprächen über die<br />

Frauenquote, die Ähnlichkeit zwischen<br />

Jazz und Renaissance-Musik, den Preisboom<br />

auf dem Kunstmarkt oder Fußball<br />

bereit und wettert als bekennender<br />

Cineast über das Fernsehprogramm, das<br />

er gerne eintauscht gegen DVDs aus der<br />

Traumfabrik Hollywood.<br />

Sein nächstes Ziel? Die in Berlin lebende<br />

Literaturnobelpreisträgerin Hertha<br />

Müller im close-up. Zum 80. Geburtstag:<br />

nochmals: alles Gute! - Und Ihnen<br />

viel Vergnügen mit einem Wilmersdorf,<br />

wie es keiner kennt.<br />

Dr. Angelika Leitzke, Berlin, Juli <strong>2013</strong><br />

siehe auch Seite 64 / 65<br />

Galerie Carlos Hulsch<br />

80 Jahre Erfraim Habermann<br />

7. Juli bis 29. September <strong>2013</strong><br />

Kommunale Galerie<br />

Hohenzollerndamm 176<br />

10713 Berlin-Wilmersdorf<br />

Di – Fr<br />

Mi<br />

10 – 17 Uhr<br />

10 – 19 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

25


Galerien<br />

Shooting Kitty –<br />

neun Fotografen, ein<br />

Model<br />

Der Sommer ist immer gut für Experimente.<br />

So hält es auch die Carpentier<br />

Galerie in Berlin, die im August neun<br />

Fotografen und Fotografinnen bzw.<br />

Künstler eingeladen hat, gemeinsam<br />

eine Ausstellung zu bestreiten mit Fotos,<br />

die sie von dem Berliner Model Kitty<br />

Wild gemacht haben.<br />

Es ist ja kein neues Phänomen, dass sich<br />

mehrere Kreative unabhängig voneinander<br />

dazu entscheiden, mit ein und<br />

demselben Model zusammenzuarbeiten.<br />

Man denke da nur an Kiki aus Paris,<br />

die vor allem in den 1920er und 1930er<br />

Jahren viele Künstlerfreundschaften<br />

pflegte, einigen Künstlern Muse und<br />

Geliebte war und sich unter anderem<br />

von Man Ray, Berenice Abbott, André<br />

Kertesz und Jean Cocteau fotografieren<br />

ließ. In heutiger Zeit könnte man Kate<br />

Moss als Beispiel anführen, die freilich<br />

berufsbedingt vor vielen Kameralinsen<br />

stand, aber einigen Fotografen wohl<br />

ebenfalls Muse war.<br />

Kitty Wild ist nun kein Weltstar wie die<br />

Moss und auch noch nicht Kunstgeschichte<br />

wie Kiki, aber sie lebt in Berlin,<br />

das nach wie vor Kreativhauptstadt<br />

Deutschlands ist und in dem Menschen,<br />

die künstlerisch arbeiten, die experimentieren<br />

und sich ausleben wollen<br />

ein fruchtbares Gelände finden. Unter<br />

anderem als Burlesquetänzerin tätig ist<br />

Kitty in den vergangenen Jahren zahlreichen<br />

Fotografen und Künstlern begegnet,<br />

von denen einige darum baten, sie<br />

fotografieren zu dürfen. So wurde sie<br />

auch Model und hat inzwischen etliche<br />

Fotoshootings absolviert. Eine Auswahl<br />

der Fotografen, die in den vergangenen<br />

zwei Jahren mit ihre gearbeitet<br />

haben, stellt die Carpentier Galerie<br />

jetzt aus und präsentiert so ein Spektrum<br />

von Bildern das von Glamour über<br />

Portrait und Akt bis hin zu frei inszenierten<br />

Themen reicht. Insgesamt neun<br />

Fotografen und Fotografinnen sind so in<br />

dieser aufregenden Sommerausstellung<br />

zu sehen. In alphabetischer Reihenfolge<br />

© Jan Sobottka, (Original in Farbe)<br />

© Philipp Hille, (Original in Farbe)<br />

sind dies: Julija Goyd, Philipp Hille, Fay<br />

Nolan, pepper, Wolfgang Petrick, Rio<br />

Schmidt, Jan Sobottka, Benita Suchodrev<br />

und Ivan Toskanelli.<br />

Zwei von ihnen hatten gerade erst Einzelausstellungen<br />

in der Carpentier Galerie<br />

gehabt; so Jan Sobottka, der vor allem<br />

als Chronist der Berliner Kunstszene<br />

bekannt geworden ist und seit nunmehr<br />

acht Jahren auf seiner Homepage catonbed.de<br />

Aufnahmen von Künstlern, Ausstellungen<br />

und anderen Veranstaltungen<br />

publiziert, als auch der auf erotische<br />

Portraits spezialisierte Neuling in<br />

der Szene pepper, der bevorzugt einfache<br />

analoge und digitale Kameras<br />

für seine Arbeit verwendet. Der Maler,<br />

Zeichner und Bildhauer Wolfgang<br />

Petrick ist der wohl ungewöhnlichste<br />

Teilnehmer dieser Ausstellung, denn<br />

seine Aufnahmen von Kitty und anderen<br />

Models dienten ihm zunächst lediglich<br />

als Material für seine Arbeit. Seit<br />

einiger Zeit werden diese wild inszenierten<br />

Fotografien allerdings auch als<br />

eigenständige Werke in Ausstellungen<br />

26 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

© Pepper, (Original in Farbe)<br />

Suchodrev, die in letzter Zeit vor allem<br />

mit ihrer Bildserie Woman in Heat, Portraits<br />

und Akte von Frauen über 40, in<br />

Ausstellungen und Medien präsent war,<br />

sowie die ehemalige Finanzmanagerin<br />

und jetzt erfolgreiche Fotografin und<br />

Filmemacherin Julija Goyd runden mit<br />

ihren Studio- beziehungsweise Außenaufnahmen<br />

von Kitty diese Ausstellung<br />

in perfekter Weise ab.<br />

Es macht Spaß zu sehen, wie<br />

unterschiedlich neun Menschen ein und<br />

dasselbe Model sehen und ins Bild<br />

setzen. Shooting Kitty ist ein Must-See<br />

für jeden Fotoenthusiasten im August.<br />

© Wolfgang Petrick, (Original in Farbe)<br />

© Julija Goyd, (Original in Farbe)<br />

und Publikationen gewürdigt und neuerdings<br />

von dem Kurator und Sammler<br />

Rik Reinking promoted.<br />

Fay Nolan und Rio Schmidt gehören<br />

zu den jüngeren Teilnehmern der<br />

Schau und stehen kurz vor der Beendigung<br />

ihrer Ausbildung zum Fotografen<br />

am Berliner Lette Verein. Beide haben<br />

bereits mit eindrücklichen Werkzyklen<br />

berechtigte Aufmerksamkeit auf<br />

sich gelenkt und entwickelten zusammen<br />

mit Kitty Wild extra für die Ausstellung<br />

extra neue Portraitideen. Philipp<br />

Hille aus Dresden hingegen ist bereits<br />

seit langer Zeit mit Kitty Wild befreundet<br />

und begleitet diese Freundschaft seit<br />

jeher auch mit der Kamera.<br />

Der in Toyko lebende Werbe- und<br />

Modefotograf Ivan Toskanelli, der<br />

bereits mehrfach mit Kitty zusammengearbeitet<br />

hat, deckt den Glamourbereich<br />

in dieser Ausstellung ab. Benita<br />

Vernissage:<br />

9. August <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />

traditionelles Sommerfest<br />

10. August bis 31. August <strong>2013</strong><br />

Carpentier Galerie<br />

Meinekestraße 13<br />

10719 Berlin-Wilmersdorf<br />

Do – Fr 14 – 18 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

www.carpentier-galerie.de<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

27


Galerien<br />

Ingo Porschien<br />

»Someone’s going to<br />

win the Lottery.<br />

Just not you.«<br />

Die Fenster sehen aus wie Türen, wie<br />

die Austritte aus Waben, und der Platz<br />

davor mit den ansteigenden Treppen und<br />

den wie Schneckenmuster eingerollten<br />

Enden der Handläufe an den Geländern<br />

wirkt wie leer gefegt. Zwei altertümliche<br />

Laternen ragen auf, zwei fünfstöckige<br />

Häuser stehen im rechten Winkel<br />

vor der großen, nach oben auslaufenden<br />

Fassade und gleichen zwei seitlich<br />

aufgestellten Schuhkartons. »City Hall«<br />

heißt das Bild, eine Schwarz-Weiß-<br />

Fotografie als Barytabzug im Format 50<br />

x 60 cm, die aus der Serie »New York<br />

City 1999« stammt. Die Aufnahme ist<br />

menschenleer, doch das Plakat, das<br />

die Wand einer der beiden Hauskästen<br />

bespannt, spricht alle an: »Someone‘s<br />

going to win the Lottery. Just not you.«<br />

Seitdem er während eines mehrmonatigen<br />

Aufenthalts in New York City dieses<br />

Motiv entdeckte, zieht es sich wie ein<br />

Motto durch das fotografische Werk des<br />

Schriftstellers und Fotografen Ingo Porschien,<br />

so dass auch die Ausstellung in<br />

der Galerie Carpentier konsequenterweise<br />

diesen und keinen anderen Titel<br />

trägt, obschon neben der beschriebenen<br />

Aufnahme keine weiteren Bilder aus der<br />

New Yorker Serie gezeigt werden. Der<br />

Schwerpunkt der Ausstellung liegt auf<br />

neueren Aufnahmen aus Berlin, wo der<br />

Autor seit drei Jahren überwiegend lebt,<br />

ergänzt um eine kleine Auswahl aus<br />

dem Südwesten der USA.<br />

Ingo Porschien arbeitet analog und<br />

schwarz-weiß. Bei seinen Arbeiten handelt<br />

es sich um klassische streetphotography,<br />

dem Dokumentarischen verpflichtet,<br />

auch wenn er nach dem Besonderen<br />

sucht, das die Fotografie aus der Bilderflut<br />

und dem Zeitfluss heraushebt. Im<br />

Motiv, im Ausschnitt und in der Perspektive<br />

fokussiert sich das Uferlose. ‚Epiphanie‘<br />

habe Joyce eine solche Verdichtung<br />

des Alltäglichen genannt, meint der<br />

Autor, und so treffen sich Literatur und<br />

Fotografie dann doch, die er ansonsten<br />

© Ingo Porschien, »City Hall«, New York City, 1999<br />

© Ingo Porschien, »Die Tram«, Berlin, 2012<br />

scharf voneinander getrennt betrachtet<br />

wissen möchte. Teilweise ist der fotografische<br />

Blick ironisch, teilweise fragend,<br />

doch immer deckt er etwas auf.<br />

Der Lebensraum bestimmt die Suche<br />

der Abgebildeten und oft scheinen sie<br />

etwas zu erwarten oder etwas verloren<br />

zu haben.<br />

Während der Ausstellung wird Ingo Porschien<br />

an zwei Tagen aus seinem jüngsten<br />

Roman »Judith« lesen. Dies erklärt<br />

die kleine Auswahl an Bildern aus USA<br />

Südwest. Die Auszüge, die Porschien<br />

für diese Lesungen ausgewählt hat, sind<br />

dort angesiedelt.<br />

Die Lesungen finden statt am:<br />

15. und 29. Septrember <strong>2013</strong> jeweils<br />

ab 16 Uhr.<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog als<br />

Band Nr. 9 in der ‚Edition Carpentier‘.<br />

Eröffnung:<br />

Freitag, 6. September <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

7. September bis 12. Oktober <strong>2013</strong><br />

Carpentier Galerie<br />

Meinekestraße 13<br />

10719 Berlin-Wilmersdorf<br />

Do – Fr 14 – 18 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

www.carpentier-galerie.de<br />

28 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

Calin Kruse<br />

»Raunen«<br />

Calin Kruse ist in der Fotografie- und<br />

Kunstszene der vergangenen Jahre vor<br />

allem durch sein bemerkenswertes<br />

Magazin »dienacht« in Erscheinung<br />

getreten. Mit außerordentlichem verlegerischen<br />

Mut hat er darüber hinaus in<br />

dem gleichnamigen Verlag zahlreiche<br />

weitere Publikationen, vor allem mit<br />

zeitgenössischer Fotografie herausgegeben.<br />

Kleine anspruchsvolle Auflagen,<br />

bei denen er oft auch das Layout und<br />

den kuratorischen Prozess verantwortete.<br />

Das Gespür für das Medium Fotografie<br />

findet gewiss auch in den eigenen<br />

fotografischen Arbeiten Impulse, mit<br />

denen Kruse zunehmend die Öffentlichkeit<br />

findet.<br />

Wir zeigen in unserer Galerie unter dem<br />

Titel »Raunen« Fotografien von Calin<br />

Kruse, die wie die Ränder eines Tagebuches<br />

von Begegnungen mit jungen<br />

Frauen erzählen. Es sind Frauen, die sich<br />

dem Fotografen auf teils intime Weise<br />

in Porträts und Aktportraits offenbaren,<br />

an Orten, die in ihrer vermeintlichen<br />

Unwirtlichkeit einen weiteren Kontext<br />

von Vertrautheit und Hingabe erzeugen.<br />

Kruse fotografiert oft aus kurzer Distanz,<br />

als trüge er die Kamera fortwährend am<br />

Kopf. Die abgebildeten Frauen spielen<br />

mit der Nähe in subtilen Provokationen.<br />

Ein Geschmack von ewiger Jugend und<br />

Abschied klebt an den Sujets. Doch alles<br />

ist unaufgeregt. Kruse, ein ernster Flaneur,<br />

bleibt durch die passiv wirkende<br />

Kommunikation mit den Models sichtbar<br />

ohne etwas zu inszenieren. Es ist<br />

eine Bildsprache, die ein wenig an die<br />

Arbeiten von Nobuyoshi Araki erinnert:<br />

intime Nähe auf der einen Seite,<br />

fortwährende innere Distanz auf der<br />

anderen. Die ausgestellten Fotografien<br />

könnten durchaus als Solitäre stehen.<br />

Sie sind gleichwohl durch die Aura der<br />

analogen Farbigkeit und durch die Wiederkehr<br />

der Sujets atmosphärisch miteinander<br />

verwoben.<br />

© Calin Kruse<br />

Vernissage:<br />

19. Juli <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />

19. Juli bis 5. September <strong>2013</strong><br />

Galerie »Alles Mögliche«<br />

Odenwaldstraße 21<br />

12161 Berlin-Friedenau<br />

täglich außer Mittwoch und Donnerstag<br />

und nach Vereinbarung:<br />

0173 342 80 83<br />

www.alles-moegliche.de<br />

www.cargocollective.com/calin<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

29


Galerien<br />

Klassenausstellung<br />

»9Blickwinkel«<br />

Abschlussarbeiten der<br />

imagofotoklasse 32, unter der Leitung<br />

von Oliver S.Scholten<br />

Diese Jahresabschlussausstellung der<br />

nun bereits sage und schreibe zweiunddreissigsten<br />

Fotografieklasse insgesamt,<br />

der nunmehr zehnten unter meiner Leitung<br />

bei imago Fotokunst, zeigt wieder<br />

einmal, wie breit gefächert das Medium<br />

Fotografie sich darstellen kann. Natürlich<br />

ist dabei noch lange nicht Alles ausgereizt.Wichtig<br />

dabei ist mir jedoch zu<br />

vermitteln, dass anspruchsvolle Fotografie<br />

eben nicht das schnelle Handeln<br />

und das abgleichen mit vorgefertigten<br />

allgemeinen Bildvorstellungen ist, angelehnt<br />

an lediglich immer perfektioniertere<br />

Technik.<br />

Manchmal sogar das Gegenteil. Aktuell<br />

scheint sich häufiger eine Sehnsucht<br />

nach der einfachen Handlung jenseits<br />

von immer weiterentwickelteren Photoshopmutationen<br />

zu formulieren.<br />

Die Technik ist nie mehr als Mittel zum<br />

Zweck und das Medium eben nur das<br />

Medium, um einen Inhalt oder einer<br />

ästhetische Position zu vertreten. Niemals<br />

Selbstzweck. Das unterscheidet<br />

das aussagekräftige Bild von reiner<br />

Dekoration oder vom Klischee.<br />

Inwieweit die Teilnehmer sich dem<br />

annähern konnten, soll dem geneigten<br />

Betrachter wie immer zur Diskussion<br />

verführen. Was oft unterschätzt wird,<br />

auch beim Betrachten von Fotografie,<br />

ist ein Faktor, der durch nichts zu ersetzen<br />

ist, weder durch Informationsüberlastung,<br />

noch durch beschleunigende<br />

Technik: Zeit.<br />

Denn sich Zeit nehmen beim Fotografieren<br />

ebenso, wie beim Betrachten heißt,<br />

sich mit den Dingen auseinanderzusetzen.<br />

Und das ist immer auch eine Auseinandersetzung<br />

mit sich selbst. Manchmal<br />

gelingt dies.<br />

Oliver S. Scholten<br />

© Myrja Thal, (Original in Farbe)<br />

© Thorsten Behrend<br />

© Nadja Siegl, (Original in Farbe)<br />

© Maren Glockner, (Original in Farbe)<br />

30 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

© Anna Schatt<br />

© Detlef Eckardt, (Original in Farbe)<br />

© Anke Wilde<br />

© Anke Wilde, (Original in Farbe)<br />

© Nicolas Balcazar<br />

17. August bis 14. September <strong>2013</strong><br />

imago fotokunst<br />

Linienstraße 145<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

© Aline Vater<br />

Vernissage:<br />

16. August <strong>2013</strong>, ab 19 Uhr<br />

Di – Fr<br />

Sa<br />

12 – 19 Uhr<br />

14 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

31


Galerien<br />

Harakiri / alles wird<br />

gut.<br />

Aktueller Anlass zum Titel ist die<br />

Vertreibung aus dem erst vor zwei<br />

Jahren im Wedding mit großem<br />

Aufwand ausgebauten Werkatelier<br />

von position.fotografie. Nun schlägt<br />

Ausbauwahn und Gentrifizierung auch<br />

hier zu und zeigt das neu geschminkte,<br />

doch unschöne Gesicht dieser Stadt,<br />

die Künstlern nur noch wenig Platz zu<br />

beständiger Arbeit lässt, entgegen aller<br />

offizieller Verbalisierungen. Temporär<br />

scheint das neue Zauberwort leerer<br />

Versprechen zu sein.<br />

© O.S.Scholten, »Harakiri«, (Original in Farbe)<br />

© O.S.Scholten, »O Credit«, (Original in Farbe)<br />

Dementgegen steht die Prasxis Stolze &<br />

Schönberg mit Ihrem Anliegen, der Kunst<br />

über längere Zeit einen präsentablen<br />

anderen Ort zu bieten und zeigt mit<br />

Harakiri/Alles wird gut in einer eigens<br />

für diesen Ort zusammengestellten<br />

vorläufigen Dauerausstellung einen<br />

streiflichtartigen Überblick über das<br />

vielfältige fotografische Schaffen<br />

O.S.Scholtens der letzten zehn Jahre.<br />

Kritik an inneren und äusseren<br />

Zuständen ist bei O.S.Scholten wie<br />

immer Programm.<br />

Humor inclusive.<br />

Lee Revos<br />

© O.S.Scholten, »EGO Blumen an mich selbst (bye, bye)«, (Original in Farbe)<br />

Vernissage:<br />

13. Juni <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

14. Juni <strong>2013</strong> bis 30. Juni 2014<br />

Praxis Schönberg & Stolze<br />

im Forum Köpenick<br />

Bahnhofstraße 33<br />

12555 Berlin-Köpenick<br />

Mo – Fr 7 – 20 Uhr<br />

Sa 9 – 16 Uhr<br />

32 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

Dietmar Bührer<br />

»Grauzone Knast«<br />

Ein Fotograf – ein Ort in Berlin! So lautet<br />

das Konzept des Berliner Salons für<br />

Fotokunst. Hier werden Arbeiten von<br />

Fotografen gezeigt, die weit über konventionelle<br />

Dokumentarfotografie hinausgehen,<br />

sonder den Betrachtern vielmehr<br />

subjektive Perspektiven aufzeigen<br />

und neue Blickwinkel eröffnen.<br />

© Dietmar Bührer<br />

© Dietmar Bührer<br />

Dietmar Bührer arbeitete als Werkmeister<br />

in der Druckerei/Setzerei der JVA Berlin-<br />

Tegel. Mit diesen Bildern beschreibt er<br />

auf eindringliche, intensive Weise den<br />

Ort: Gefängnis.<br />

Die Schwarzweißfotos des Autors sind<br />

von einer kühlen Schönheit, die lange<br />

nachwirkt. Sie zeigen Gefängnisflure, -<br />

gänge, -treppen, Zellentüren, Mauern<br />

mit Schriftzeichen versehene Wände,<br />

Fassaden des Gefängnisses, Ausblicke<br />

aus Fenstern, hin und wieder einen Baum.<br />

Und Menschen in ihrer nichtalltäglichen<br />

Umgebung. Nüchtern, schnörkellos sind<br />

die Fotos, die die Stille einer Justizanstalt<br />

vermitteln.<br />

Alle Bilder entstanden zwischen 1990-<br />

1992 in der Justizanstalt Berlin-Tegel<br />

Dr. Elvira Schönow<br />

Vernissage: 6. September <strong>2013</strong><br />

19 Uhr<br />

© Dietmar Bührer<br />

© Dietmar Bührer<br />

11. September bis 24. Oktober <strong>2013</strong><br />

Berliner Salon für Fotokunst<br />

Kulturhaus Schöneberg<br />

Kyffhäuserstraße 23<br />

10781 Berlin-Schöneberg<br />

Mi 14 – 19 Uhr<br />

Do 12 – 17 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

Telefon 0179 591 351 6<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

33


Galerien<br />

Bastienne Schmidt<br />

»Rituale«<br />

1961 geboren in München als Tochter<br />

eines Archäologen.<br />

1969-79 lebt mit ihrer Familie in Athen,<br />

Griechenland, besucht dort die Schule<br />

1980 Studium der Ethnologie an der<br />

Ludwig Maximilian Universität, München;<br />

Arbeit an der psychiatrischen<br />

Abteilung eines Krankenhauses.<br />

© Bastienne Schmidt, Florida, 1993<br />

© Bastienne Schmidt, Cleveland, Ohio<br />

© Bastienne Schmidt, Guatemala, 1991 © Bastienne Schmidt, New York City, 1987 © Bastienne Schmidt, Bogota, Kolumbien, 1991<br />

1983 Studium der Malerei und der Fotografie<br />

an der Accademia di Belle Arti in<br />

Perugia, Italien.<br />

1987 Bachelor of Fine Arts Degree;<br />

Umzug nach New York City, arbeitet<br />

am International Center of Photography<br />

und für den Fotografen Ralph Gibson.<br />

1989-95 Reisen nach Guatemala,<br />

Mexiko, Kolumbien, Bolivien, Peru,<br />

Brasilien, Kuba, beginnt ihre Arbeit am<br />

Buchprojekt »Vivir la Muerte« (Stemmle<br />

Verlag, Zürich), regelmäßige Beiträge<br />

für Magazine, z.B. Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung, New York Times, The<br />

New Yorker, New York Magazine.<br />

1992-97 USA-Reisen; Arbeit an ihrem<br />

Projekt: »American Dreams«.<br />

1998 Grant der George Soros Foundation<br />

für »American Dreams«, Stemmle<br />

Verlag, Zürich.<br />

2004 ihr drittes Buch – »Schatten-<br />

Heimat / Shadow Home« Jovis Verlag,<br />

Berlin erhält div. Preise, u.a.: den Deutschen<br />

Fotobuch Preis, div. Ausstellungen.<br />

Int. Fotoforum Frankfurt, Deutsches<br />

Haus, New York und University<br />

of Austin, Texas.<br />

34 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

© Bastienne Schmidt, Bogota, Kolumbien, 1991<br />

2011 Das Buch »Home Stills« erscheint<br />

im Jovis Verlag, Berlin.<br />

Ihr neuestes Buch- und Ausstellungsprojekt<br />

trägt den Titel »Topography of<br />

Quiet« (Die Topography der Stille). Es<br />

ist ein vielschichtiges Projekt mit Mitteln<br />

der Fotografie und Malerei.<br />

Bastienne Schmidts fotografische Arbeiten<br />

wurden in über 60 Ausstellungen<br />

präsentiert, wie z.B. 2010 im Houston<br />

Center of Photography und 2012 im<br />

Manege Museum in St. Petersburg.<br />

Ihre Fotografien sind in zahlreichen<br />

internationalen Sammlungen vertreten<br />

Bastienne Schmidt lebt und arbeitet in<br />

Bridgehampton, New York.<br />

bis 10. August <strong>2013</strong><br />

Galerie argus fotokunst<br />

Marienstraße 26<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Mi – Sa<br />

14 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

35


Galerien<br />

Sameer Makarius<br />

»Buenos Aires in the<br />

Sixties«<br />

Bildender Künstler und einer der bekanntesten<br />

Fotografen Argentiniens, wurde<br />

1924 als Sohn eines ägyptischen Vaters<br />

und einer deutschen Mutter in Kairo<br />

geboren. Seine Kindheit und Jugend<br />

verbrachte er in Ägypten, Deutschland<br />

(Berlin) und Ungarn. Dort studierte er<br />

Malerei und Bildhauerei.<br />

Als abstrakter Maler der geometrischkonstruktivistischen<br />

Schule engagierte<br />

er sich in der Budapester Kunstszene<br />

und stellte als Gründungsmitglied der<br />

ungarischen Gruppe konkreter Kunst<br />

1944 seine Bilder in der ersten Ausstellung<br />

nicht-figurativer Kunst in Budapest<br />

aus.<br />

Er lebte in der Schweiz und in Paris. Als<br />

Dreißigjähriger wanderte er 1953 nach<br />

Buenos Aires aus und wurde dort Teil der<br />

abstrakt-avantgardistischen Kunstbewegung<br />

der fünfziger Jahre. 1956 gründete<br />

er die Gruppe AFNA Artistas No Figurativas<br />

Argentinos und die Gruppe der<br />

zeitgenössischen Fotografen (Grupo de<br />

fotógrafos contemporáneos).<br />

Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag seit<br />

Beginn der 50er Jahre auf dem Gebiet<br />

der Fotografie. In zahlreichen Artikeln<br />

und Essays beleuchtete er die vielfältigen<br />

Aspekte der Fotografie und recherchierte<br />

ihre Geschichte. Sein herausragendes<br />

Werk »La fotografia en la Argentina,<br />

1840 - 81« gilt als Pionier-Arbeit.<br />

Besonders bekannt sind seine Fotobücher<br />

über Buenos Aires, die Stadt<br />

und ihre Menschen: Buenos Aires y<br />

su gente, 1960, und Buenos Aires mi<br />

ciudad, 1961.<br />

Seine Fotografien - insbesondere seine<br />

herausragenden Portraits und seriellen<br />

Arbeiten über Buenos Aires - wurden<br />

in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, in<br />

Buenos Aires, Zürich, New York, Budapest,<br />

Madrid u.a. (Academia Nacional<br />

de Bellas Artes, Mueseo Arte Moderno,<br />

Museo de Bellas Artes, Museo de Arte<br />

Decorativo, Kunsthaus Zürich, Foto<br />

Forum, New York)<br />

Sameer Makarius starb 2009 in Buenos<br />

Aires.<br />

© Sameer Makarius<br />

© Sameer Makarius<br />

© Sameer Makarius<br />

© Sameer Makarius<br />

© Sameer Makarius<br />

Vernissage<br />

6. September <strong>2013</strong>, 19 – 21 Uhr<br />

7. September bis 26. Oktober <strong>2013</strong><br />

Galerie argus fotokunst<br />

Marienstraße 26<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Mi – Sa<br />

14 – 18 Uhr<br />

36 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galerien<br />

The Flood Wall II<br />

Projektion und<br />

Ausstellung um das<br />

Fotobuch<br />

Die im letzten Jahr bei exp12 – Raum für<br />

Fotografie - erfolgreich gestartete Slide-<br />

Show-Reihe »The Flood Wall« wurde<br />

auch in diesem Jahr mit einer Projektion<br />

am 21. Juni fortgesetzt, verbunden mit<br />

einer Ausstellung. Neben den Bildern<br />

liegt der Schwerpunkt diesmal auf der<br />

Präsentation von Künstlerbüchern und<br />

anderen Veröffentlichungen der zahlreichen<br />

internationalen Gäste und der<br />

exp12-Fotografen.<br />

Nüchtern und ungewöhnlich sind die<br />

Orte und Themen auf den ersten Blick,<br />

mit denen sich die Künstler auseinandergesetzt<br />

haben: bei Grégoire Eloy ist<br />

es ein Labor für Astrophysik; bei Marina<br />

Gadonneix und Sarah Pickering sind es<br />

Übungsräume der Feuerwehr, bei Alexandre<br />

Maubert ein ehemaliges Gefangenenlager.<br />

Dorothee Baumann widmet<br />

sich der Gehirnforschung, Alexander<br />

Gehring nimmt sich ein Fotolabor vor<br />

und Hélène Schmitz einen Ort, wo<br />

Schmetterlinge gezüchtet werden. Mit<br />

ihrer minimalistischen Herangehensweise<br />

gelingt es diesen Fotografen pure<br />

Abbildungen der Wirklichkeit in Poesie<br />

zu verwandeln.<br />

Um die persönliche Auseinandersetzung<br />

mit der eigenen Identität als Frau<br />

geht es sowohl bei Anni Leppalä und<br />

ihren märchenhaft farbigen Bildern<br />

als auch bei Virginie Otth, die mit Bildern<br />

ein Tagebuch zusammenstellt. Die<br />

Schwarzweiß-Serie »Exuvies« von Anais<br />

Boudot ist eine Metapher auf den Prozess<br />

der Häutung. Cristina Nunez vereint<br />

Selbstporträts aus verschiedenen<br />

Phasen ihres Lebens. Bei Zhe Chen sind<br />

die Spuren auf der Haut, seien es Pickel<br />

oder Wunden, ein Spiegel der Seele.<br />

Die Beziehung des Menschen zu seiner<br />

Umgebung bildet einen weiteren Themenkomplex.<br />

Isabelle Pateer befasst<br />

sich metaphorisch mit den Konsequenzen<br />

industrieller Expansion am Beispiel<br />

junger Menschen. Sasha Rudensky zeigt<br />

© Anni Leppälä, (Original in Farbe)<br />

© Pierre Liebaert, (O. i. F.)<br />

eine ernüchternde Reportage aus dem<br />

heutigen Russland. Pierre Libaert erzählt<br />

von der engen Beziehung eines Sohnes<br />

zu seinen Eltern in einem Landhaus.<br />

Martina Hoogland Iwanow besticht<br />

durch ihre dunklen poetischen Aufnahmen.<br />

Bei André Cepeda findet sich<br />

Nacktheit neben grauen Detailansichten<br />

von Objekten und urbanen Orten.<br />

Die Auswahl erfolgte unter der Prämisse,<br />

neue Arbeiten von anerkannten Künstlern<br />

neben Newcomern unterschiedlicher<br />

kultureller Herkunft und mit unterschiedlichen<br />

fotografischen Herangehensweisen<br />

zu präsentieren. So ist auch<br />

der eher dokumentarische Ansatz vertreten<br />

wie bei den Bergen von Richard<br />

Petit, der Kirche von Anne Guillin und<br />

den Orten von Anna Leader. Mit der<br />

© Anais Boudot<br />

© André Cepeda<br />

Ästhetik der Farbe befassen sich Dominique<br />

Dubois und Arno Schidlowski.<br />

Emil Salto erschafft abstrakte und geometrische<br />

Bilder. Nelli Palömaki zeigt in<br />

ihrem kürzlich bei Hatje Cantz erschienenen<br />

Buch »Breathing the same air«<br />

stille Schwarzweiß-Porträts.<br />

Zu sehen sind auch neue Arbeiten der<br />

Mitglieder des exp12-Kollektivs, nämlich<br />

von Isabel Kiesewetter, Dagmar<br />

Kolatschny, Claire Laude, Anna Meschiari,<br />

George Papacharalambus, Ulrike<br />

Schmitz und Nicole Woischwill.<br />

bis 28. Juli <strong>2013</strong><br />

exp 12 / exposure twelve<br />

Greifswalder Straße 217<br />

10405 Berlin-Prenzlauer Berg<br />

Sa 16 – 20 Uhr<br />

So 14 – 18 Uhr<br />

www.exp12.com<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

37


Galerien<br />

Karin Idelson &<br />

Anke Schüttler<br />

»Privado« / »Book of<br />

Life«<br />

»Book of Life« und »Privado« sind die im<br />

Dialog entstandenen Arbeiten von Anke<br />

Schüttler in Berlin und Karin Idelson in<br />

Buenos Aires. Im Laufe des Jahres 2011<br />

haben die Künstlerinnen gemeinsam<br />

und durch die räumliche Distanz doch<br />

jede für sich ihr Projekt entwickelt. Sie<br />

haben dabei Bilder und Ideen ausgetauscht<br />

und jeweils in Bezugnahme auf<br />

ihre Heimatstädte erarbeitet. Die Fotografien<br />

sind speziell für dieses gemeinsame<br />

Ausstellungsprojekt entstanden<br />

und wurden erstmals im Dezember<br />

2011 in der Galerie La Ira de Dios in<br />

Buenos Aires gezeigt.<br />

Die argentinische Fotografin und Videokünstlerin<br />

Karin Idelson erkundete in<br />

Buenos Aires die intime Seite des öffentlichen<br />

und urbanen Raumes der Cybercafés.<br />

Erklärende Panoramaansichten<br />

bewusst vermeidend tauchte sie in die<br />

Details ein, folgte dem schummrigen<br />

Licht der Bildschirme, beschäftigte sich<br />

mit der Farbe der Wände und dem Blickfeld<br />

der Webcam. Ihre abstrahierenden,<br />

atmosphärisch dichten Bilder erzählen<br />

vom privaten Erleben im öffentlichen<br />

Raum und von dem, was von flüchtigen<br />

Begegnungen übrig bleibt. Die Berliner<br />

Fotografin Anke Schüttler ließ sich auf<br />

der Suche nach ihrer eigenen Erzählung<br />

über Berlin mit dem Ausgangspunkt der<br />

Kartografie von visuellen Codes leiten.<br />

Sie beschäftigte sich mit einer Sprache<br />

bestehend aus Buchstaben, Ziffern und<br />

Symbolen. Mit der Kamera die eigene<br />

Stadt kartierend trug sie die einzelnen<br />

Seiten zu einem ungewöhnlichen Lexikon<br />

zusammen, das dem Unverständlichen<br />

eine Stimme gibt.<br />

In der Ausstellung »Privado« / »Book of<br />

Life« verbinden sich diese persönlichen<br />

Bereiche.<br />

Beide Künstlerinnen haben sich dabei<br />

bewusst für die analoge Technik entschieden,<br />

gewissermaßen um den Akt<br />

des Fotografierens zu zelebrieren und<br />

der Flüchtigkeit der digitalen Welt entgegenzuwirken.<br />

© Karin Idelson, (Original in Farbe)<br />

© Anke Schüttler, (Original in Farbe) © Anke Schüttler, (Original in Farbe)<br />

Vernissage:<br />

10. August <strong>2013</strong>, 19 Uhr<br />

www.ankeschuettler.com<br />

www.karinidelson.com<br />

11. August bis 7. September <strong>2013</strong><br />

exp 12 / exposure twelve<br />

Greifswalder Straße 217<br />

10405 Berlin-Prenzlauer Berg<br />

Sa 16 – 20 Uhr<br />

So 14 – 18 Uhr<br />

www.exp12.com<br />

38 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galeriebericht<br />

Mixed Pixels<br />

Gemeinhin vergeht in Berlin kaum ein<br />

Quartal ohne die Präsentation eines<br />

bedeutenden fotografischen Lebenswerks.<br />

Diesmal waren Gruppenevents<br />

angesagt, jeweils unter einem Motto,<br />

und auch die Solisten widmeten sich<br />

begrenzten Themen. Im Vergleich mit<br />

Mauerzeiten genießen wir jetzt eine<br />

schillernde Vielfalt, einmal durch das<br />

deutsch-deutsche Zusammenwachsen,<br />

zum anderen durch den globalen<br />

Austausch. Die »zerstörte Vielfalt«<br />

durch die Nazis nach 1933 ist gerade<br />

Gegenstand des Themenjahres <strong>2013</strong>.<br />

Mir scheint, dass wir auf gutem Wege<br />

sind sie wieder herzustellen. Die inflationäre<br />

Verbreitung der digitalen Fotografie<br />

trägt sicher dazu bei, allerdings oft<br />

auf einem Niveau, das vielen Galeristen<br />

und Kuratoren Sorge macht. So Norbert<br />

Bunge von der galerie argus fotokunst:<br />

»Die jungen Leute wissen ja gar nicht<br />

mehr, was ein gutes Foto ist«.<br />

Einer, der es wusste und dieses Wissen<br />

als Lehrer und Mentor mit großer Achtsamkeit<br />

weitergab, war Arno Fischer.<br />

Sein legendäres Urteil »Siehste, jeht<br />

doch« war Anerkennung und Ansporn<br />

für seine Schüler, die in ihm auch einen<br />

großen Menschen verehrten. Er starb am<br />

13. 9. 20011. Sein Name taucht immer<br />

wieder auf in den Lebensläufen aus Ost<br />

und West. Der eigene führte ihn in den<br />

Fünfzigern aus Westberlin in die DDR.<br />

Er wurde der vielleicht bedeutendste<br />

Fotograf der DDR. Thomas Honickel<br />

sagt im Katalog zur Kölner Ausstellung<br />

von 2004 »Utopie und Wirklichkeit«:<br />

»Für Fotografen war die DDR ein verstecktes<br />

Paradies, wäre alles so reich<br />

und vielfältig gewesen wie ihre fotografische<br />

Kultur, wäre sie nicht untergegangen«.<br />

Zweiunddreißig Meisterschüler seines<br />

letzten Jahrgangs an der Ostkreuzschule<br />

haben sich zusammen getan,<br />

und Fischers langjähriger Kurator Matthias<br />

Flügge hat ihre Ausstellung und den<br />

schönen Katalog betreut. Flügge schreibt<br />

darin: »Wenn nun der letzte Jahrgang<br />

seiner Meisterschüler eine gemeinsame<br />

Ausstellung eröffnet, so ist das zuerst<br />

eine Hommage an Arno Fischer. Es ist<br />

zugleich aber auch ein Nachweis dafür,<br />

wie viele originäre Begabungen sich<br />

um ihn versammelt haben, die mittlerweile<br />

selbst unser Bildgedächtnis und<br />

die Diskurse um die Fotografie bereichern«.<br />

Für diese Begabungen ist der<br />

Respekt für das Medium Fotografie mit<br />

seiner 174-jährigen Geschichte und<br />

seiner künstlerischen und gesellschaftlichen<br />

Relevanz selbstverständlich. Das<br />

unterscheidet sie wohltuend von der<br />

verbreiteten Verflachung und Beliebigkeit,<br />

die wir tagtäglich ertragen müssen,<br />

von der digitalen »Verwurstung« ganz<br />

zu schweigen. Arno Fischer hatte dafür<br />

einen schlichten Ausdruck: »Ich sticke<br />

nicht«. Pauschal abgelehnt hat er die<br />

digitale Fotografie keineswegs, hat sie<br />

auch gelehrt.<br />

© Eva Brunner<br />

Bei dem hohen fotografischen Niveau<br />

der Ausstellung will ich nur einige<br />

Autoren nennen, deren Botschaft mich<br />

besonders berührt hat. Es sind die, die<br />

mir vom Menschen erzählen, seinen<br />

Spuren, Erinnerungen und Sehnsüchten.<br />

So der Schweizer Mischa Christen mit<br />

der mutigen Geschichte vom Alleinsein,<br />

Eva Brunner mit Erinnerungsräumen, in<br />

denen wir unsere eigene Story in und<br />

hinter den Bildern finden können, Uta<br />

Protzmann mit einem zarten Gespinst<br />

von Nostalgie, Birgit Krause, deren<br />

»unbewusste Wirklichkeiten« in ihrem<br />

Heute nach der Jugend suchen, und sehr<br />

viel konkreter Eric Schütt, der in unseren<br />

Landen die letzten »Frauen in Tracht«<br />

© Birgit Krause<br />

© Janine Fritsch<br />

besucht hat mit Tonband und Kamera.<br />

Anna Thiele beobachtet die Menschen<br />

in den übermächtigen Architekturen des<br />

Regierungsviertels. In unserem Portfolio<br />

im Heft 4 – 2012 haben wir ihre Farbbilder<br />

mit dem Titel »Verdichtung/Verortung«<br />

in schwarzweiß vorgestellt. Im<br />

Mai gehörte Anna Thiele zu den achtundzwanzig<br />

Siegern des »Architekturbild<br />

<strong>2013</strong>« in Frankfurt/Main.<br />

Auch Joern Dudek ist durch Arno<br />

Fischers Schule gegangen und zeigte<br />

im AXEL- Hotel seine großen SW-Prints<br />

vom Neuen Berlin, edel auf Baryt.<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

39


Galeriebericht<br />

An einem märchenhaften Lehrgangsthema<br />

haben sich fünf Frauen<br />

und ein Mann an der Neuen Schule für<br />

Fotografie versucht: »Rotkäppchen«. In<br />

den »grimmigen« Hausmärchen steckt<br />

ja viel Zündstoff, Gewalt, Angst, der<br />

Kampf von Gut und Böse. Die Eleven<br />

lüpften das rote Käppchen in ihren Beiträgen<br />

nur zaghaft. Meike Sieverking<br />

und Janine Fritsch fanden am ehesten<br />

den Zugang.<br />

Um bei den Schulen zu bleiben: imago<br />

fotokunst (www.imago-fotokunst.de)<br />

hat sich seit vielen Jahren bestens eingeführt,<br />

mit Dozenten wie Ulla Kelm,,<br />

Torsten Andreas Hoffmann, Enno Kaufhold<br />

und vielen anderen. Dass sie keine<br />

Schlagzeilen macht, hat, so scheint mir,<br />

einen sympathischen Grund: Den Leitern<br />

Manuela Schäwe und Mathias<br />

Richter ist die Fotografie eine Herzensangelegenheit.<br />

Der wirtschaftliche<br />

Erfolg zählt erst in zweiter Linie.<br />

Im Mai hingen im alten Kellergewölbe<br />

der Galerie die musikalischen Straßenszenen<br />

von Matthias Klages (Jahrgang<br />

59), analog fotografiert und aufs Feinste<br />

handvergrößert.<br />

© Matthias Klages<br />

Auch Oliver S. Scholten lehrt noch klassische<br />

Labortechnik und unterhält ein<br />

Werkatelier (www.position-fotografie.<br />

de). Er ist sehr vielseitig und hat Marotten,<br />

die einem Künstler wohl anstehen.<br />

Eine davon ist eine ganz gegenständliche<br />

Versuchsanordnung, kürzlich in der<br />

Gruppenausstellung EGO in der Fotogalerie<br />

am Friedrichshain zu bewundern.<br />

Da verkabelt er leibhaftig seinen<br />

Schädel mit einer monströsen Plattenkamera.<br />

Das ist Philosophie zum Anfassen,<br />

ebenso anschaulich wie humorvoll. Mit<br />

von der lustigen Partie: Katja Schrader,<br />

deren schrille Selbstdarstellungen auf<br />

ihre Tätigkeit am Theater und im Journalismus<br />

verweisen. Fotografisch ist das<br />

alles eine Augenweide.<br />

Noch ein paar Perlen säumten meinen<br />

Weg durch die Galerien, so die Porträts<br />

aus der Berliner Kunstszene von Jan<br />

Sobottka bei Manfred Carpentier. Mehr<br />

im letzten »<strong>brennpunkt</strong>« und unter<br />

www.catonbed.de. Nicht weit davon,<br />

in der Fasanenstraße, Johanna Breedes<br />

»Frauen«, eine wunderbare Auswahl der<br />

bekanntesten Fotografen aus den letzten<br />

50 Jahren. Herbert Lists schöne Studie<br />

von Anna Magnani zierte unsere letzte<br />

Ausgabe.<br />

Bei Pavlov’s Dog waren die Wände vollgehängt<br />

mit 50 x Berlin von 50 Fotokünstlern,<br />

allzu viel Vielfalt auf engstem<br />

Raum. Das Auge kommt nicht zur<br />

Ruhe.<br />

Klar gegliedert hat Christian Reister<br />

seine Berlin-Trilogie für das Café<br />

Aroma.<br />

Ein bunter Fries mit quicklebendigen<br />

Streiflichtern vom Alex führt wie ein<br />

Film um den ersten Raum, im zweiten<br />

sind es gerahmte Stadtlandschaften, alle<br />

mit einem gewissen Pfiff, und im dritten<br />

frönt Reister seinem schwarzweißen<br />

Faible für das Berliner Nachtleben,<br />

das er uns schon im Kabinett des Hotels<br />

Bogotá näher gebracht hat. Hier waren<br />

im Saal die nicht eben aufregenden<br />

Werke von Bernadette Ypso und Charlotte<br />

K zu sehen, die mit ihrer Anonymität<br />

kokettieren, obwohl Joachim Rissmanns<br />

Photoplatz bisher von der Aura<br />

der großen Namen gelebt hat. Leider<br />

wurde ihm zum 30. März 2014 gekündigt,<br />

und die wechselvolle Kulturgeschichte<br />

des Hauses seit Yva und ihrem<br />

Schüler Helmut Newton wird damit<br />

wohl in Vergessenheit geraten. Da wird<br />

auch das Engagement von Harald Martenstein<br />

im Tagesspiegel nicht helfen.<br />

Rissmann kann es kaum trösten, dass<br />

demnächst c/o Berlin im alten Amerikahaus<br />

am Zoo die City West aufwerten<br />

wird.<br />

Da ist er wieder, der lange Schatten der<br />

Berliner Mauer. Die Galerie Camera<br />

Work versucht ein Spagat. Ihre glamourösen<br />

Stars amerikanischer Prägung vor<br />

und hinter der Kamera sind in der Kantstraße<br />

genau richtig, immer spektakulär<br />

und selten unter 10.000.- zu haben.<br />

Bei Michel Comtes Meisterstücken<br />

steigert sich das für die splitternackte<br />

Carla Bruni von 1993 auf 36.000.- Euro.<br />

Besser gefällt mir das Konterfei von Geraldine<br />

Chaplin, die in Clownspose ihren<br />

Papa Charlie herrlich treffend karikiert<br />

und ihm dabei so verblüffend ähnlich<br />

© Michael Comte<br />

sieht, dass man an einen fröhlichen<br />

Spuk aus dem Jenseits denkt. Bewegend<br />

ein intimes Porträt der Louise Bourgois<br />

aus New York 1996, deren kluge klare<br />

Augen in einem Meer von Falten das<br />

ganze Jahrhundert spiegeln.<br />

In der Dependance Ost, CWC in der<br />

Auguststraße, triumphiert mit Jean Baptiste<br />

Huynh die reine Form. Fast alle<br />

Motive sind exakt mittig ausgerichtet<br />

im Quadrat, die betenden Hände, ein<br />

Messer, eine Lotusknospe, eine Kerzenflamme,<br />

exotische Porträts. Cool. Nein,<br />

das ist eiskalte Ästhetik. Man muss das<br />

mögen. Muss man?<br />

Die Alfred Ehrhardt Stiftung, schräg<br />

gegenüber von CWC, hat es auch mit der<br />

Ästhetik, aber im Geiste ihres Namenspatrons<br />

mit der biologischen. Hier fragt<br />

Frank Darius mit der Serie »Low« verwegen:<br />

»Was ist Natur wirklich?«<br />

und reduziert sie auf haarfeine schwarze<br />

Linien auf großer weißer Fläche.<br />

40 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Galeriebericht<br />

© Frank Darius © Lutz Dille<br />

Der Philosoph Andreas Weber sieht<br />

darin ihre poetische Dimension. Auf die<br />

verstanden sich die Romantiker besser.<br />

Bei Darius denkt man eher aktuell, an<br />

ihr Verschwinden.<br />

Am selben Ort als starker Kontrast die<br />

bunten Wasserlandschaften »nach der<br />

Natur« von Hanns Zischler, aus der<br />

Rigby-pin-hole 4 x 5 inch, einer Lochkamera<br />

also, mit Blende 164. Dieses<br />

Eichenholzmöbel liefert recht malerische<br />

Bilder, mit dem typischen Lichtabfall<br />

zu den Rändern. Ein Loch kann man<br />

nicht korrigieren, das Ergebnis aber<br />

mit einem lyrischen Titel verklären wie<br />

»Rauchquast über Schreberland«. Zischler<br />

ist als preisgekrönter Publizist und<br />

Schauspieler bekannt. Wir verdanken<br />

ihm den brillant boshaften Text »Berlin<br />

ist zu groß für Berlin« über das Werden<br />

der Hauptstadt aus Sumpf und Sand (bei<br />

Galiani).<br />

Der Pole Marek Pozniak hat immerhin<br />

eine einfache Linse in seiner Black Box<br />

von 1887. Schon kurios, was die digitale<br />

Perfektion an Gegenstrom erzeugt.<br />

Bei ihm steht ein künstlerisches Konzept<br />

dahinter, das den Ablauf von Zeit auf<br />

mehreren Ebenen sichtbar und begreifbar<br />

macht. Enno Kaufhold und Susanne<br />

Schmid haben das im Katalog klug analysiert.<br />

Schmids Text ist auch in unserem<br />

letzten Heft abgedruckt, zu einigen<br />

Bildern. Die bei Johanna Breede bis<br />

24. August ausgestellten Originale sind<br />

zum Teil Unikate, weil die zugehörigen<br />

Negative vernichtet wurden. Ein echter<br />

Kunst-Griff zur Wertsteigerung, neben<br />

der aufwendigen Lith-Entwicklung und<br />

Tonung der speziellen Papiere. Dabei<br />

arbeitet Pozniak im »richtigen Leben«<br />

durchaus digital.<br />

Die Liebe zur analogen Technik ist<br />

auch für Norbert Bunge Programm.<br />

Für seine Galerie argus fotokunst hat<br />

er lauter Kostbarkeiten zur »Faszination<br />

Paris« zusammengetragen. Mit<br />

dabei Sibylle Bergemann, René Burri,<br />

Bunge selbst, Paul Almasy und George<br />

Friedmann, der uns zuvor daselbst mit<br />

seinen »Novelas Argentinas« amüsiert<br />

hat. Mit »Paris« feiert Bunge seine hundertste<br />

Ausstellung seit 1996. Ein Foto<br />

muss für den erfahrenen Dokumentarfilmer<br />

eine Geschichte erzählen, und<br />

zwar möglichst als Handvergrößerung<br />

auf Barytpapier.<br />

Besonders liegt ihm die ostdeutsche<br />

Fotografie am Herzen, auch die Wiederentdeckung<br />

fast vergessener Autoren<br />

des 20. Jahrhunderts.<br />

Einer, der sich seine Landschaften selbst<br />

erfindet, ist Thomas Wrede. Die großen<br />

Tableaus in der Galerie Wagner + Partner<br />

nennt er »Katastrophe und Idylle«,<br />

nicht zu verwechseln mit »Idylle und<br />

Desaster« des unsäglichen Bogomir<br />

Ecker im letzten Monat der Fotografie.<br />

Wrede versetzt schon länger typische<br />

Merkmale unserer modernen Zivilisation<br />

in urtümliche Gegenden für seine<br />

»Real Landscapes«, mit verblüffender<br />

Wirkung. Diesmal stellt er die Verwüstungen<br />

von Fukushima und New<br />

Orleans modellhaft nach und lässt die<br />

Bauruinen an der Costa im Meer versinken.<br />

Die Preisliste weist für so ein grandioses<br />

»Lambdaprint Diasec« in 140 x<br />

200 cm 12.600.- Euro aus, bei einer Auflage<br />

von 5 Stück.<br />

Mit Arnd Weider kehren wir zur relativen<br />

Wahrheit in der Fotografie zurück. Er<br />

gibt uns eher mit der Wahl seiner Räume<br />

Rätsel auf. Am Rathaus Tempelhof sind<br />

seine »Heterotopien« noch bis 27. Juli<br />

zu sehen. Weider meint damit – in Anlehnung<br />

an den Philosophen Michel Foucault<br />

– »andere« Orte, die in besonderer<br />

Weise für Situationen stehen, die wir im<br />

Alltag verdrängen oder nicht auf unsere<br />

Person beziehen. Er findet sie in Kliniken,<br />

Anstalten, Gefängnissen und im<br />

Krematorium, Lokalitäten, deren Betreten<br />

an bestimmte Rituale gebunden ist,<br />

und schöpft nach eigener Aussage aus<br />

»erlebtem Umgang mit Krankheit und<br />

Tod«. Groß-und Mittelformat unterstützen<br />

mit ihrem Detailreichtum die eindringliche<br />

Aufforderung des Autors, die<br />

innere Abwehr zu überwinden und sich<br />

seinem Thema zu öffnen. 2010 war er<br />

Preisträger am Haus am Kleistpark und<br />

erhielt ein Arbeitsstipendium. Sein Rüstzeug<br />

holte er sich bei Arno Fischer an<br />

der fas und an der Ostkreuzschule.<br />

Die engagierteste Arbeit des Quartals<br />

fand ich in der kleinen aff-Galerie in<br />

Friedrichshain: Helena Schätzles »9645<br />

Kilometer Erinnerung«. Für die junge<br />

Autorin (Jahrgang 83) waren es vier<br />

Jahre anstrengender Reisen und intensiver<br />

Beschäftigung mit der selbstgestellten<br />

Aufgabe, der Suche nach den Spuren<br />

des schrecklichen 2. Weltkriegs in Osteuropa,<br />

in den Fußtapfen des Großvaters,<br />

der als deutscher Soldat in neun<br />

Ländern gekämpft hat. Fast erdrückt<br />

wurde sie von Hunger, Leid und Tod in<br />

den Erinnerungen der Menschen, die sie<br />

aufsuchte.<br />

Ihre sensiblen Porträts erzählen davon,<br />

aber auch von Momenten großer Vertrautheit<br />

und Dankbarkeit für die Anteilnahme.<br />

Die Landschaftsbilder von<br />

heute, karg, winterlich, manchmal noch<br />

mit den Wunden des Krieges,<br />

verstärken die mahnende Wirkung<br />

dieser ergreifenden Reportage.<br />

Zum Schluss aber zwei heitere Tipps für<br />

den Rest des Sommers:<br />

Bis 20. Juli bei Petra Rietz am Koppenplatz<br />

die reizvollen »Kleider aus Licht«,<br />

die Heinrich Heidersberger in den 40-er<br />

Jahren auf bloße Körper zauberte (siehe<br />

<strong>brennpunkt</strong> 2/13), und die vielen meist<br />

malerisch oder neckisch inszenierten<br />

Nackedeis beiderlei Geschlechts von<br />

der vorletzten Jahrhundertwende, unter<br />

dem dummen Titel »Die nackte Wahrheit<br />

und anderes«, bis 25. August im<br />

alten Kaisersaal des Museums für Fotografie,<br />

über Helmut Newtons auch nicht<br />

gerade prüder Bilderwelt.<br />

Klaus Rabien<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

41


Fotoszene<br />

UPON PAPER<br />

magazine #03<br />

LOVERS<br />

Als definiertes »objet de désir« ist das<br />

UPON PAPER magazine prädestiniert<br />

dafür, diese Leidenschaft in seiner dritten<br />

Ausgabe wörtlich zu nehmen und<br />

das Thema Lovers bildmächtig umzusetzen.<br />

So zeigt UPON PAPER #03 ein<br />

herausragendes Line-up an internationalen<br />

Kontributoren wie James Franco,<br />

Jeff Burton, Larry Clark, James Gallagher,<br />

René Groebli, Rosa Loy und<br />

Hans Peter Adamski. Viele der gezeigten<br />

Arbeiten sind speziell für UPON<br />

PAPER #03 entstanden. Sie erzählen<br />

von den unterschiedlichsten Formen<br />

menschlicher Zuneigung, emotionaler<br />

Bindung und Zweisamkeit. Auch das<br />

Lieben und geliebt werden, die Amour<br />

Fou, Selbstliebe (bis hin zum Narzissmus),<br />

First Love, die Liebe zur Kunst und<br />

zur Architektur sowie die Abwesenheit<br />

und das Enden von Liebe sind Themen,<br />

die die neueste Ausgabe des UPON<br />

PAPER magazine behandelt und damit<br />

berührt, erinnert und mitfühlt.<br />

Es geht um Ver- und Geliebte wie z.B.<br />

in Groeblis Serie Das Auge der Liebe,<br />

welche er in den 1950er Jahren während<br />

der Hochzeitsreise mit seiner Frau<br />

inszenierte oder Kate Bellms Zyklus<br />

Lover, der ihren Freund Edgar Lopez<br />

auf den verschiedensten Stationen<br />

einer gemeinsamen Weltreise zeigt. Des<br />

Weiteren öffnete der Berliner Künstler<br />

Hans Peter Adamski sein Archiv erotischer<br />

Papierarbeiten, die von historischen<br />

asiatischen Zeichnungen inspiriert<br />

wurden, und teilt diese intimen<br />

Einblicke mit dem Leser. Und auch mit<br />

den Malereipositionen Rosa Loy und<br />

James Franco überzeugt die neue Ausgabe<br />

des Magazins: Während Loy mit<br />

ihren Werken an die pure Weiblichkeit,<br />

Fürsorge und Poesie appelliert, zelebriert<br />

das Multitalent Franco die eigene<br />

Persönlichkeit mit selbstreflektorischen<br />

und oftmals selbstironischen Zitaten.<br />

Neben etablierten Künstlerpositionen<br />

sind auch junge Talente wie die erst 19-<br />

jährige New Yorker Fotografie-Studentin<br />

Jordan Tiberio und die Wahlberlinerin<br />

Kandis Williams wichtiger Bestandteil<br />

René Groebli, Untitled, 1953, © René Groebli,<br />

courtesy PINTER & MILCH, Galerie für<br />

Fotografie<br />

des Portfolios von UPON PAPER #03.<br />

»Once upon a Trip«: UPON PAPER präsentiert<br />

erstmalig eine Kollektion von 8<br />

Fotografien und Malereien des künstlerischen<br />

Zusammenwirkens von Maler und<br />

Filmemacher Julian Schnabel und May<br />

Andersen, Model und Fotografin. Speziell<br />

für die dritte Ausgabe von UPON<br />

PAPER magazine haben sie jeweils 4<br />

ihrer Arbeiten, die auf einem gemeinsamen<br />

Ausflug nach Ocracoke in North<br />

Carolina, USA, entstanden sind, zusammengestellt<br />

und editiert - als ein Manifest<br />

der Liebe für: »LOVERS«!<br />

Upon Paper steht im Allgemeinen für<br />

das Zelebrieren von Farbe, Form und<br />

Text. In der dritten Ausgabe des Upon<br />

Paper magazines gewährt die sogenannte<br />

Dunkelkammer Einblick in die<br />

dunklen Seiten des Themas Liebe: abgesetzt<br />

auf schwarzem Hintergrund stehen<br />

erotische Zeichnungen von Francisco<br />

de Goya Seite an Seite mit der Fotografie<br />

eines zärtlichen Moments zwischen<br />

John Lennon und Yoko Ono, während<br />

eine klassische Aktfotografie von Frank<br />

Eugene durch die Szenerie eines Sexkinos<br />

kontrastiert wird. Die Dunkelkammer<br />

befindet sich, einem Kleinod<br />

gleichend, in der Mitte/im Inneren des<br />

Heftes und hebt sich nicht nur durch ihr<br />

spezielles, besonders haptisches Papier<br />

vom restlichen Heft ab.<br />

GRUPPENAUSSTELLUNG LOVERS<br />

Die Ausstellung begreift sich als Überführung<br />

des Leitthemas LOVERS in<br />

den dreidimensionalen Raum. Über<br />

die bereits im Heft vertretenen Künstler<br />

hinaus präsentiert LOVERS weitere<br />

Kreative und ihre Positionen zu diesem<br />

Thema. Bis zum 27. Juli werden Arbeiten<br />

von Hans Peter Adamski, Kate Bellm<br />

& Edgar Lopez, Larry Clark, James<br />

Franco, James Gallagher, Bill Henson,<br />

Claire Kurylwoski, Matt Lambert, Philip<br />

Loersch, Jordan Tiberio, Camille Vivier,<br />

Gavin Watson und Kandis Williams<br />

gezeigt.<br />

DAS UPON PAPER PROJECT<br />

UPON PAPER besteht aus drei sich<br />

ergänzenden Bereichen: Das großformatige<br />

UPON PAPER magazine (490<br />

x 690 mm) ist zweisprachig Deutsch/<br />

Englisch und widmet sich in jeder Ausgabe<br />

einem Leitthema. Das international<br />

mehrfach ausgezeichnete Design<br />

und die aufwändige Produktion machen<br />

das Magazin von Chefredakteur Holger<br />

Homann, Creative Director Helder Suffenplan<br />

und Editorial Director Paul Hetherington<br />

zu einem Sammler-Objekt mit<br />

starker physischer Präsenz. Der UPON<br />

PAPER space in Berlin-Mitte inszeniert<br />

Ausstellungen im Raum und die thematisch<br />

korrelierende Websitewww.uponpaper.com<br />

begleitet die Ausstellungen<br />

und Magazine im Netz.<br />

UPON PAPER ist eine Initiative von<br />

Hahnemühle FineArt. Ausgangspunkt<br />

ist die Leidenschaft für Papier als ein<br />

die Zeiten überdauerndes Medium,<br />

um Ideen, Träume und Visionen fest zu<br />

halten und Diskussionen anzustoßen:<br />

Die 1584 gegründete Hahnemühle<br />

FineArt ist ein weltweit führender Anbieter<br />

hochwertiger Papiere für Künstler,<br />

Fotografen und das grafische Gewerbe,<br />

sowohl für traditionelle Kunsttechniken<br />

wie Aquarell oder Zeichnung (Traditional<br />

FineArt) als auch für digitale Verarbeitung<br />

von Fotografie (Digital Fine-<br />

Art). Hahnemühle hat über die Jahrhunderte<br />

eine ausgeprägte Firmenkultur von<br />

Qualität und Innovation entwickelt und<br />

bedient aus der kleinen Stadt Dassel in<br />

Niedersachsen heraus mit seinen 150<br />

Mitarbeitern Künstler und Kreative auf<br />

fünf Kontinenten.<br />

bis 27. Juli <strong>2013</strong><br />

UPON PAPER space<br />

Max-Beer-Straße 25<br />

10119 Berlin-Mitte<br />

Di – Fr 12– 18 Uhr, Sa 12–16 Uhr<br />

42 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ausstellungen<br />

Museum für Fotografie<br />

27. Sept. <strong>2013</strong> bis 5. Januar 2014<br />

Brasiliens Moderne 1945-1961<br />

Thomaz Farkas, Hans Gunter Fleig,<br />

Marcel Gautherot, Jose Medeiros<br />

Jebensstraße 2<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di–So 10–18 Uhr<br />

Do 10–22 Uhr<br />

ifa-Galerie<br />

27. September bis 22. Dezember <strong>2013</strong><br />

Kulturtranfers #7:<br />

The Space between us<br />

Fotografie Afrika<br />

Linienstraße 139/140<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di–So 14–19 Uhr<br />

Haus am Kleistpark<br />

bis 11. August <strong>2013</strong><br />

Torsten Warmuth<br />

»Die Rückeroberung der Freiheit«<br />

Grunewaldstraße 6-7<br />

10823 Berlin-Schöneberg<br />

Di–So 10–19 Uhr<br />

Berlinische Galerie<br />

bis 30. September <strong>2013</strong><br />

Tobias Zielony<br />

»Fotografien 2008–2012«<br />

Alte Jakobstraße 124-129<br />

10969 Berlin-Kreuzberg<br />

Mi–Mo 10–18 Uhr<br />

Galerie Jette Rudolph<br />

25. Oktober bis 30. November <strong>2013</strong><br />

Samuel Henne<br />

Strausberger Platz 4<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di–Sa 12–18 Uhr<br />

Podbielski<br />

Contemporary<br />

14. September bis 9. November <strong>2013</strong><br />

Thomas Jorion<br />

Koppenplatz 5<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di–Sa 12–18 Uhr<br />

Instituto Cervantes<br />

bis 6. September <strong>2013</strong><br />

Leopoldo Pomés<br />

Carlos Sauro<br />

»Porträts«<br />

Rosenstraße 18-19<br />

10178 Berlin-Mitte<br />

Mo–Do 9–13 Uhr, 14–18 Uhr<br />

Fr<br />

9–13 Uhr<br />

KICKEN Berlin<br />

bis 31. August <strong>2013</strong><br />

Martin Kippenberger<br />

Linienstraße 161a<br />

10115 Berlin-Mitte<br />

Di–Sa 14–18 Uhr<br />

Deutsches<br />

Historisches Museum<br />

13. Dezember <strong>2013</strong> bis 4. Mai 2014<br />

Farbe für die Republik<br />

Fotoreportagen aus dem Alltagsleben<br />

der DDR<br />

Ausstellungshalle I. M. Pei<br />

Hinter dem Zeughaus<br />

Unter den Linden 2<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

täglich 10–18 Uhr<br />

Wagner + Partner<br />

bis 27. Juli <strong>2013</strong><br />

Natascha Stellmach<br />

»I dont´t have a Gun«<br />

Strausberger Platz 8<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Di–Sa 13–18 Uhr<br />

CWC Gallery<br />

bis 24. August <strong>2013</strong><br />

»Selection«<br />

Nick Brandt, Jean-Baptiste Huynh, Helmut<br />

Newton, Herb Ritts, Yoram Roth,<br />

Camera Work CWC Gallery<br />

Auguststraße 11-13<br />

10117 Berlin-Mitte<br />

Di–Sa 11–19 Uhr<br />

Swedish Photography<br />

bis 20. Juli <strong>2013</strong><br />

DIFFERENT DISTANCES<br />

Denise Grünstein, Julia Hetta, Martina<br />

Hoogland Ivanov, Julia Peirone, Elizabeth<br />

Toll<br />

7. September bis 19. Oktober <strong>2013</strong><br />

Inka Lindergard & Niclas Holmström<br />

»Becoming Wilderneso«<br />

Karl-Marx-Allee 62<br />

10243 Berlin-Friedrichshain<br />

Mi–Sa 12–18 Uhr<br />

Helmut Newton<br />

Stiftung<br />

bis 19. Oktober <strong>2013</strong><br />

Helmut Newton<br />

»World without Men / Archives de<br />

Nuit«<br />

François-Marie Banier<br />

»Porträts«<br />

Jebensstraße 2<br />

10623 Berlin-Charlottenburg<br />

Di–So 10–18 Uhr<br />

Do 10–20 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

43


Ausstellungen<br />

Justine Wodtke<br />

»Jenseits der Schärfe«<br />

Fotografische Impressionen<br />

Irritation wird das Erste sein, das<br />

Sie empfinden. Aber dann gewöhnt<br />

sich das Auge an das Gebotene, die<br />

Befremdlichkeit verschwindet und Sie<br />

beginnen, das Gesehene zu interpretieren,<br />

mit Ihrer Phantasie zu füllen, zu<br />

gestalten und schließlich in das Bild<br />

einzutauchen, Ihren Gefühlen Raum<br />

zu geben und die gegenständliche<br />

Welt für einen Augenblick zu verlassen,<br />

vielleicht sogar zu träumen.<br />

Und genau das ist die Intention der<br />

Fotografin Justine Wodtke: Abbildungs-,<br />

Betrachtungs- und Wahrnehmungsgewohnheiten<br />

infrage zu stellen.<br />

»Fotografieren bedeutet für mich<br />

seit meiner Kindheit, die Welt so abzubilden<br />

wie ich sie wahrnehme, empfinde<br />

und erlebe«.<br />

In den fotografischen Impressionen<br />

»Jenseits der Schärfe« werden Formen<br />

vereinfacht, teilweise aufgebrochen,<br />

aufgelöst, Farbnuancen verschwinden<br />

zugunsten intensiverer Farbgebung<br />

einzelner Objekte. Hierdurch entstehen<br />

Überzeichnungen bzw. Hervorhebungen<br />

wichtiger Bildelemente<br />

und somit auch gleichzeitig Reduzierungen<br />

auf Wesentliches. Unwesentliches<br />

wird vernachlässigt bzw. gar<br />

nicht mehr abgebildet.<br />

Die vermeintlich objektive Betrachtungsweise<br />

wird zugunsten einer<br />

bewußt subjektiven und somit emotionaleren<br />

Wahrnehmung ersetzt, da<br />

das fotografierte Objekt erst seitens<br />

der Betrachtenden anhand der reduzierten<br />

und somit verfälschten Bildinformationen<br />

wieder entstehen muß.<br />

Dieser Prozeß ist eine aktive Interaktion<br />

zwischen dem Interpreten und der<br />

Fotografie.<br />

© Justine Wodtke, (Original in Farbe) © Justine Wodtke, (Original in Farbe)<br />

© Justine Wodtke, (Original in Farbe)<br />

Diese intensive Auseinandersetzung<br />

mit minimalistischen, teils uneindeutigen<br />

Bildelementen, die erst durch die<br />

Phantasie und Kreativität der betrachtenden<br />

Person zu einem ganz eigenen,<br />

privaten Bild zusammengefügt<br />

werden - ist nichts anderes wie das,<br />

was wir tagtäglich aufgrund minimalistischer<br />

Informationen machen: Wir<br />

schaffen uns jeweils unsere eigene<br />

Realität, unseren ureigenen Blick auf<br />

die Welt.<br />

Faszinierend bei dieser Form der<br />

Rezeption ist, daß bei jedem erneuten<br />

Betrachten des Dargestellten immer<br />

wieder neue Bilder entstehen können<br />

und sich somit auch ein wesentlich<br />

intensiverer Kontakt zum Bild aufbaut.<br />

© Justine Wodtke, (Original in Farbe)<br />

Justine Wodtke<br />

»Zwar schon im Ruhestand, aber alles<br />

andere als ruhig. Immer noch hibbelig,<br />

immer noch neugierig auf das Leben<br />

und die Welt«.<br />

Fotografin aus Leidenschaft, Autodidaktin,<br />

Absolventin der Fotoklasse 23 von<br />

Ursula Kelm bei imago-fotokunst Berlin.<br />

Unternehmensberaterin, IT-Systementwicklerin<br />

Vernissage:<br />

2. Juli <strong>2013</strong>, 17 Uhr<br />

2. Juli bis 31. Juli <strong>2013</strong><br />

Rathaus Würzburg<br />

Rückermainstraße 2<br />

97070 Würzburg<br />

täglich von Montag bis Freitag<br />

www.justine-wodtke.com<br />

justine.foto@web.de<br />

44 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ausstellungen<br />

Ursula Kelm<br />

»weit draußen und tief<br />

drinnen«<br />

Bilder der Nacht<br />

Dunkelheit oder Mangel an (natürlichem)<br />

Licht hat Künstler stets fasziniert.<br />

Die Nacht ist ein Zustand, aber gewissermaßen<br />

auch eine Haltung, sie ist<br />

Mythos und Sehnsucht, Einschränkung<br />

und Option, Stille und Rausch. Sie ist<br />

dort - weit draußen - und hier - tief drinnen,<br />

u.a. aus »Apollo Theatre«, Harlem<br />

<strong>2013</strong>.<br />

© Ursula Kelm, Original in Farbe<br />

© Ursula Kelm, Original in Farbe<br />

© Ursula Kelm, Original in Farbe<br />

Teilnehmer:<br />

Claire Hooper, London (Video), Esther<br />

Horn, Berlin (site specific painting),<br />

Gabriele Horndasch, Düsseldorf<br />

(Video), Ursula Kelm, Berlin (Fotografie),<br />

Johannes Kersting, Nürnberg (Fotografie),<br />

Mathias Otto, Nürnberg (Malerei),<br />

Gerhard Rießbeck, Bad Windsheim<br />

(Malerei), Yukara Shimizu, München<br />

(Fotografie)<br />

Es erscheint ein Katalog von Ursula<br />

Kelm.<br />

© Ursula Kelm, Original in Farbe<br />

© Ursula Kelm, Original in Farbe<br />

15. September bis 27. Oktober <strong>2013</strong><br />

kunst galerie fürth<br />

Königsplatz 1<br />

90762 Fürth<br />

Mi – Sa<br />

So<br />

13 – 18 Uhr<br />

11 – 17 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

45


Ausstellungen<br />

Weegee<br />

»The Famous«<br />

Fotografie<br />

Arthur Fellig (1899-1968), der sich selbstbewusst<br />

Weegee – The Famous nannte,<br />

gehört zu den ungewöhnlichen Positionen<br />

der amerikanischen Fotografie der<br />

1930er, 40er und 50er Jahre. Er wurde<br />

berühmt durch seine nächtlichen Fotos<br />

zu Brandkatastrophen, Unfällen und<br />

Morden sowie seinen Beobachtungen<br />

von Obdachlosen und Outlaws. Eine<br />

harte Lichtführung mit erschreckender<br />

Unmittelbarkeit und drastischem Realismus<br />

zeichnet die Bilder aus. »The<br />

Critic« (1943) zählt zu den meist publizierten<br />

Fotografien und stellt in überzeichneter<br />

Weise eines seiner zentralen<br />

Themen - die Klassenunterschiede<br />

zwischen der New Yorker High Society<br />

und der Arbeiterbevölkerung dar. Ironischerweise<br />

wird das Bild im Zweiten<br />

Weltkrieg auch von den Nazis zu Propagandazwecken<br />

genutzt.<br />

Zehn Jahre arbeitet Weegee in den Manhattan<br />

Headquarters und macht nach<br />

eigenen Angaben über 5.000 Fotografien<br />

von den Randgruppen der Gesellschaft.<br />

Diese Arbeit lässt ihn zu einem<br />

der berühmtesten Bildchronisten dieser<br />

- noch schwarz-weißen - brutalen Epoche<br />

werden. 1945 erscheint sein erstes Buch<br />

Naked City, das ihm auch internationalen<br />

Ruhm einbringt und das zwei Jahre<br />

später in Hollywood verfilmt wird.<br />

Den Namen Weegee verdankt er laut<br />

eigener Aussage dem Gerücht, er habe<br />

telepathische Fähigkeiten. Denn ausgestattet<br />

mit dem Polizeifunk ist er meist<br />

der erste am Unfallort und so sind seine<br />

Fotos schon in der Zeitung, da ist die<br />

Nachricht ansonsten noch niemandem<br />

bekannt. So gab man ihm den Spitznamen<br />

nach einer damals sehr populären<br />

spiritistischen Alphabettafel, dem<br />

»Ouija«-Board. Er selbst überlegte<br />

hierzu die »englische« Schreibweise<br />

Weegee und bemerkte selbstbewusst:<br />

»Ein besserer Name oder ein besserer<br />

Photograph ist mir nie begegnet«.<br />

Straßenhändler, o.J. © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen <strong>2013</strong><br />

In über 100 Fotografien stellt die<br />

Ausstellung diesen für viele nachfolgende<br />

Fotografen sowie Regisseure und Filmer<br />

vorbildhaften und prägenden Realisten<br />

vor. Die Oberhausener Schau vereint<br />

neben den Bildern zu Tatorten und<br />

Tätern auch solche zu Celebrities und<br />

Stars wie Jackie Kennedy oder Salvador<br />

Dali.<br />

Die Ausstellung entsteht in Kooperation<br />

mit dem Institut für Kulturaustausch<br />

Tübingen. Sie wird gefördert<br />

durch die Peter und Irene Ludwig Stiftung,<br />

die Stadtsparkasse Oberhausen<br />

und WDR3.<br />

Ostersonntag in Harlem, 1940<br />

© Weegee / Institut für Kulturaustausch,<br />

Tübingen <strong>2013</strong><br />

46 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ausstellungen<br />

Santana in G-Strings, 1950 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen <strong>2013</strong><br />

Charles Sodokoff und Arthur Webber, 1942<br />

© Weegee / Institut für Kulturaustausch,<br />

Tübingen <strong>2013</strong><br />

bis 8. September <strong>2013</strong><br />

Ludwiggalerie - Schloss Oberhausen<br />

Konrad-Adenauer-Allee 46<br />

46042 Oberhaus<br />

Kritik, 1943 © Weegee / Institut für Kulturaustausch, Tübingen <strong>2013</strong><br />

Di – So<br />

11 – 18 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

47


Ausstellungen<br />

Ono Ludwig<br />

»Ikonen und<br />

Helden Werkschau<br />

15 Jahre analoge<br />

Portraitfotografie«<br />

»The Divinity«<br />

Bei der analogen Fotoserie »Divinity«<br />

frönt der Berliner Kunstfotograf Ono<br />

Ludwig dem Terrain der inszenierten<br />

Fotografie und antichambriert damit alle<br />

anderen Serien aus den letzten Jahren.<br />

Interessanter Weise handelt es sich bei<br />

den Modellen ausnahmslos um Freundinnen<br />

und Freunde oder Bekannte aus<br />

dem persönlichen Umfeld des Künstlers.<br />

Es geht ihm dabei weniger um die Menschen,<br />

die aufgrund ihres Bekanntheitsgrades<br />

bereits in irgendeiner Form prominent<br />

sind, genau die interessieren ihn<br />

hier weniger. Vielmehr versetzt er wie<br />

zufällig die Personen in eine Euphorie<br />

und bringt sie dazu aus sich herauszugehen,<br />

ohne grotesk und albern zu<br />

wirken. Die Authentizität der Abgebildeten<br />

bleibt erhalten – gerade wegen<br />

ihres Ausdrucks, der sich speist aus einer<br />

inneren Spannung oder Zerrissenheit<br />

oder einem unbequemen Lebensentwurf<br />

entspringt.<br />

© Ono Ludwig, Chloé, (Original in Farbe)<br />

Die Lebensfreude steckt an, die Situationen<br />

sind energetisch aufgeladen. Der<br />

Selbstdarstellung folgt der Fotograf mit<br />

dem Objektiv und erhöht sie mit den<br />

Mitteln der Fotografie auf sehr subtile<br />

Weise. Im realistischen Ausdruck erinnern<br />

die Fotografien an einen Meister<br />

des italienischen Frühbarocks: Caravaggio<br />

hätte seine helle Freude daran<br />

gehabt.<br />

Franz Werner, Berlin 2010<br />

»Heroes«<br />

Angesichts der inflationären Suche in<br />

den Massenmedien nach Superlativen,<br />

egal ob Stars und Sternchen, Nannys<br />

und Dschungelkönige und der einhergehenden<br />

Armada von allzu selbstsicheren<br />

und peinlichen Dilletanten, die<br />

die Warholsche Halbwertszeit von fünf<br />

Minuten meist über Gebühr überschreiten,<br />

ist es eine reine Wohltat, wenn der<br />

Berliner Fotograf Ono Ludwig einen<br />

ganz anderen Weg geht. Er widersetzt<br />

sich den Gesetzen des durchschaubaren<br />

Marktes, indem der Marktwert eines<br />

Fotografen mit der Anzahl der Celebrity-Portraits<br />

und der Veröffentlichungen<br />

steigt.<br />

Seine Helden und Heldinnen sind von<br />

einem ganz anderen Kaliber, vielleicht<br />

nicht konsumierbar für die Masse, aber<br />

dafür mit umso größerer sozialer Kompetenz.<br />

Alle haben eine Geschichte zu<br />

erzählen, hinter allen stecken persönliche<br />

Geschichten, alle hat er – auch<br />

um eine Objektivität zu erhalten – mit<br />

dem gleichen handwerklichen Können<br />

inszeniert, ohne die subjektive Wirkung<br />

der Portraits abzuschwächen.<br />

Glamour, Protz und aufgemotzte<br />

Gefühlsduselei sucht man bei seinen<br />

analogen Bildern vergebens und wer<br />

sich darauf einlassen kann, für deren<br />

oder dessen Augen werden diese stillen<br />

fast impressionistischen Bildwerke eine<br />

Wohltat in ihrer Poesie und Ernsthaftigkeit<br />

sein. Vielleicht sogar den reizüberfluteten<br />

Blick schärfen für noch weitere<br />

Heldinnen und Helden – es gibt sie tatsächlich!<br />

Da muss man oft nicht lange<br />

suchen.<br />

Franz Werner, Berlin 2008<br />

© Ono Ludwig, Joe, (Original in Farbe)<br />

© Ono Ludwig, Nadja, (Original in Farbe)<br />

»Attitude«<br />

Ich definiere, das Portrait über die Einbettung<br />

des Individuums in bestimmte<br />

Kontexte: räumliche und zeitliche, historische<br />

oder politische, mediale oder<br />

wirtschaftliche. Das Portrait ist ein Spiegel:<br />

von individuellen Wünschen bist zu<br />

gesellschaftlichen Visionen zeigt es uns,<br />

was wir waren, wer wir sind und wie<br />

wir werden können. Ich habe bewußt<br />

diese Männner in Dreiviertelprofil fotografiert.<br />

Immigranten, politisch Verfolgte, anders<br />

Denkende, jegliche Gesellschaftsschichten.<br />

Das Leben hat mehrere<br />

Abschnitte, wir verwandeln uns immer<br />

wieder aufs Neue. Haltung zum Leben,<br />

Haltung zur Freiheit, Haltung in Rand-<br />

48 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ausstellungen<br />

© Ono Ludwig, Claudia<br />

gruppen. Wie sieht die nächste Generation<br />

aus die sich zur Politik und der<br />

Gesellschaft stellt.<br />

Gibt es eine Freiheit zu denken, sagen<br />

und zutun was man will? Kann man dies<br />

schon an der Kleidung erkennen oder an<br />

den Gesichtszügen junger Männer? Was<br />

sagen Portraits von jungen Männern<br />

aus? Mit der Kamera kommentiere ich<br />

und fordere heraus, Männlichkeit als<br />

eine Form der Identität. Die kulturelle<br />

Sehnsüchte und Gegebenheiten<br />

spiegeln: Fragen nach Identität, nach<br />

Lebensweisen oder - Möglichkeiten<br />

oder nach dem Wunsch einer besseren<br />

Welt.<br />

One Ludwig, Berlin 2008<br />

»Ikonen im leeren Raum«<br />

Thema meiner analogen fotografischen<br />

Arbeit ist die Auseinandersetzung<br />

mit den Menschen als »Ikonen im<br />

leeren Raum«. Ikonen sollen inspirieren.<br />

Ikonen sind anbetungswürdig. Zu<br />

Ikonen schaut man hoch. Mein kreatives<br />

Input entwickelte sich aus der Portraitierung.<br />

Die Pose, als Stellung des Körpers<br />

zum Raum und zum Gegenüber, ist ein<br />

elementares Instrument der Selbstdarstellung.<br />

Unter diesem Titel verstehe ich<br />

die Reduzierung auf das Wesentliche.<br />

Meine Protagonisten sind das Wichtigste.<br />

Ich erzeuge eine fokussierte Konzentration<br />

auf sie selbst als Personen.<br />

Sie haben einerseits eine stark ästhetische<br />

Komponente und sind andererseits<br />

eine persönliche Kommunikationsform.<br />

Die Protagonisten sind keine Stars, sie<br />

© Ono Ludwig, Der blinde Indianer<br />

sind keine prominenten Persönlichkeiten,<br />

und sie haben auch im Leben nicht<br />

immer den Status des Besonderen. Es<br />

sind Menschen, die ich auf der Straße<br />

treffe und die mich magisch anziehen.<br />

Hinter der sichtbaren Fassade steckt<br />

mehr als nur ein fremdes unbekanntes<br />

Individuum. Die Pose, so egozentrisch<br />

sie auch manchmal erscheinen mag, ist<br />

dabei immer angewiesen auf den Blick,<br />

von mir als Fotograf oder dem Betrachter.<br />

Die Pose kann sowohl Schutzschild als<br />

auch Offenbarung von Wunsch, Traum<br />

und Wirklichkeit sein. Ohne die Spiegelung<br />

im Auge des Anderen und die<br />

damit einhergehende gesteigerte narzisstische<br />

Selbstwahrnehmung, bleibt<br />

die Pose bedeutungslos für das Modell.<br />

Ono Ludwig, Berlin 2005<br />

»Die Auserwählten«<br />

Der Darstellung von Heiligen/Helden in<br />

der Kunst und im Kultbild gehe ich mit<br />

meiner analogen Kamera nach. Über<br />

die ursprünglichen Namenspatronen<br />

oder deren Geschichten und Legenden<br />

weiß man oft wenig. Auch die Darstellung<br />

vieler dieser Heiligen in der Kunst<br />

bleiben oft rätselhaft für den Betrachter.<br />

Normalen Sterblichen bleibt die Gedanken-<br />

und Gefühlswelt seliger und heiliger<br />

Menschen mitunter verschlossen.<br />

Der Mensch und sein Streben nach<br />

Ewigkeit. Wie das Streben nach Ewigkeit<br />

sich in den Religionen und in der<br />

Kunst ausdrückt wird in meiner Kunst<br />

visuell angedeuetet. Eine Annäherung<br />

in analogen schwarz/weiß Fotografien<br />

sollen meine Heiligen Ikonen visuell<br />

neu Interpretiert werden. Durch meine<br />

eigene Bildprache werden meine Heiligen<br />

in den Mittelpunkt gehoben.<br />

Ich verfolge die unterschiedlichsten<br />

Ausprägungen dieser universalen<br />

Figuen und spüre diese in allen Weltkulturen<br />

und Epochen nach. Meine Protagonisten,<br />

gehören allesamt zu diesen<br />

Grenzgängern, leben in einer besonderen<br />

Sphäre und bringen Menschliches<br />

mit Übermenschlichem in Verbindung.<br />

Während die absolute Notwendigkeit<br />

des Andersseins für das Funktionieren<br />

menschlichen Lebens in der alltäglichen<br />

Betrachtung häufig aus dem Blickfeld<br />

gerät, rücken meine Fotografien die<br />

Randfiguren ins Licht und unterstreicht<br />

die vitale Bedeutung ihrer Aufgabe.<br />

Ono Ludwig, Berlin 2011<br />

Vernissage:<br />

Sonntag, 7. Juli <strong>2013</strong>, 16 Uhr<br />

Die Friedrich-Hundt-Gesellschaft e.V.<br />

präsentiert in einer Einzelausstellung,<br />

angelegt als Werkschau der vergangenen<br />

15 Jahre, Portraits verschiedener<br />

Serien.<br />

bis 8. September <strong>2013</strong><br />

Stadtmuseum Münster<br />

Salzstraße 28<br />

48143 Münster (Westfalen)<br />

Di – Fr<br />

Sa + So<br />

10 –18 Uhr<br />

11 – 18 Uhr<br />

Website:<br />

http://www.ono-ludwig.de<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

49


Ausstellungen<br />

about - 16 fotografische<br />

Positionen<br />

Am 31. Oktober 2010 starb der Fotograf<br />

und Hochschullehrer Prof. Heinrich<br />

Riebesehl. Auf der Trauerfeier<br />

begegneten sich viele seiner Studentinnen<br />

und Studenten. Manche sahen<br />

sich zum ersten Mal, andere erinnerten<br />

sich gemeinsamer Projekte; alle teilen<br />

die Freude daran, Heinrich Riebesehl<br />

als Vorbild und unbestechlichen Begleiter<br />

der eigenen Entwicklung erlebt zu<br />

haben. Ein Lehrer, der seinen künstlerischen<br />

Prozess offen zeigte- seine<br />

Position war klar und eindeutig, aber nie<br />

dogmatisch. Qualität konnte ihn immer<br />

begeistern.<br />

© Godehard Erichlandwehr, (O.i.F.) © Gunnar Bernskötter, (O.i.F.)<br />

Mit großem Respekt vor diesem Menschen<br />

und seinem Werk zeigen 16 Riebesehl-<br />

Schülerinnen und -Schüler eine<br />

Übersicht, einen farbenreichen Großakkord<br />

fotografischer Sichtweisen.<br />

16 Fotokünstlerinnen und -künstler<br />

bezeugen mit eigenwilliger Fotografie<br />

die Qualität der 24 jährigen Lehrtätigkeit<br />

eines der großen deutschen Fotografen<br />

unserer Zeit und präsentieren<br />

einen Ausschnitt aus ihrem Schaffen:<br />

Die städtische Galerie KUBUS zeigt<br />

Fotoarbeiten von Aenne Langhorst,<br />

Antonia Jacobsen, Anja Teske, Christoph<br />

Bartolosch, Dido Baxevanidis, Godehard<br />

Erichlandwehr, Gunnar Bernskötter,<br />

Kai Wetzel, Kurt Schapper, Kwanho<br />

Yuh, Ludger Paffrath, Michael Plümer,<br />

Matthias Koch, Mathias Philipp, Petra<br />

Kaltenmorgen und Raimund Zakowski.<br />

© Aenne Langhorst, (Original in Farbe) © Dido Baxevanidis, (Original in Farbe)<br />

© Kai Wetzel, (Original in Farbe)<br />

© Kurt Schapper © Matthias Koch, (Original in Farbe)<br />

50 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Ausstellungen<br />

© Michael Plümer, (Original in Farbe)<br />

© Anja Teske, (Original in Farbe)<br />

© Ludger Paffrath, (Original in Farbe)<br />

© Raimund Zakowski, (Original in Farbe)<br />

© Christoph Bartolosch, (Original in Farbe)<br />

© Kwanho Yuh<br />

© Petra Kaltenmorgen, (Original in Farbe)<br />

7. September bis 6. Oktober <strong>2013</strong><br />

Galerie KUBUS<br />

Theodor-Lessing-Platz 2<br />

30001 Hannover<br />

© Antonia Jacobsen, (Original in Farbe)<br />

Vernissage:<br />

7. September <strong>2013</strong>, 11 Uhr<br />

Di – Fr<br />

Sa, So, feiertags<br />

11 – 18 Uhr<br />

11 – 16 Uhr<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

51


Portfolio Nadine Dinter<br />

Nadine Dinter<br />

Ihre erste Kamera bekam die in Berlin<br />

lebende Fotografin Nadine Dinter<br />

(*1975) von ihrem Großvater geschenkt.<br />

Inspiriert durch Isolde Ohlbaum, folgen<br />

Reisen durch Europas Metropolen. Es<br />

sind insbesondere die Skulpturen der<br />

dortigen Friedhöfe, die ihr fotografisches<br />

Interesse wecken.<br />

Mit der Zeit entwickelt Nadine Dinter<br />

eine ganz spezielle Art, den in Wahrheit<br />

unbeweglichen Statuen eine<br />

verstörende, teilweise erschreckende<br />

Lebendigkeit zu verleihen. Spuren der<br />

Zeit wie verwitterte Stellen oder Rost<br />

wirken dabei auf den Betrachter wie<br />

Tränen oder Verletzungen, während die<br />

aufgenommenen Körper durch ungewöhnliche<br />

Perspektiven und Bildkompositionen<br />

aus dem Stein herauszutreten<br />

scheinen. Beinahe schwebend und<br />

ohne Bindung zur Umgebung erlangen<br />

sie ein Eigenleben.<br />

»Pere Lachaise«, Paris, 2012,<br />

© nadine dinter - photography<br />

»Douglas Gordon«, Schottischer Multi-Media Künstler, Berlin, 2008, © nadine dinter - photography<br />

Parallel zur Skulptur-Fotografie<br />

spezialisierte sich Nadine Dinter auf<br />

das Portraitieren von internationalen<br />

Künstlern, wie beispielsweise Douglas<br />

Gordon, Damián Ortega und Mathilde<br />

ter Heijne. Eine Verbindung beider<br />

fotografischer Genres, Skulptur- und<br />

Portraitfotografie, gelang ihr 2012<br />

während der Zusammenarbeit mit<br />

dem bekannten amerikanischen Modell<br />

Benjamin Godfre. Die entstandenen<br />

Aufnahmen sind eine Hommage und<br />

zugleich Neuinterpretation von Warhols<br />

»Torso Series« aus den 1970er- Jahren.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.nadine-dinter.de<br />

52 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Portfolio Nadine Dinter<br />

»Ives Maes«, Belgischer Konzeptkünstler, Berlin, 2008, © nadine dinter - photography<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

53


Portfolio Nadine Dinter<br />

»Benjamin Godfre«, Amerikanisches Modell und Performance Artist, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography<br />

»Audubon Park«, New Orleans, 2002, © nadine dinter - photography<br />

54 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Portfolio Nadine Dinter<br />

»Marco Nizzoli«, Italienischer Illustrator und Comiczeichner, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

55


Portfolio Nadine Dinter<br />

Stoned Immaculate<br />

»I‘ll tell you this...<br />

No eternal reward will forgive us now<br />

For wasting the dawn.<br />

Back in those days everything was simpler and more confused<br />

One summer night, going to the pier<br />

I ran into two young girls<br />

The blonde one was called Freedom<br />

The dark one, Enterprise<br />

We talked and they told me this story<br />

Now listen to this...<br />

I’ll tell you about Texas radio and the big beat<br />

Soft driven, slow and mad<br />

Like some new language<br />

Reaching your head with the cold, sudden fury of a divine<br />

messenger<br />

Let me tell you about heartache and the loss of god<br />

Wandering, wandering in hopeless night<br />

Out here in the perimeter there are no stars<br />

Out here we IS stoned<br />

Immaculate.«<br />

Homage to Warhol´s »torso series«, featuring Benjamin<br />

Godfre, Berlin, 2012, © nadine dinter - photography<br />

the doors<br />

56 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Portfolio Nadine Dinter<br />

»Alte Nationalgalerie«, Berlin, 2005,<br />

© nadine dinter - photography<br />

»Pere Lachaise«, Paris, 2012,<br />

© nadine dinter - photography<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

57


Buchbesprechung Harald Hauswald<br />

Harald Hauswald<br />

»Ferner Osten«<br />

Die letzten Jahre der<br />

DDR<br />

Fotografien 1986-1990<br />

Herausgegeben von Mathias Bertram<br />

Mit einem Vorwort von<br />

Christoph Dieckmann<br />

176 Seiten mit 155 Farbfotografien<br />

24 x 27 cm, Festeinband,<br />

Schutzumschlag, Fadenheftung<br />

ISBN 978-3-942473-50-7<br />

29,90 Euro (D), 30,90 Euro (A), 39,90 sFr<br />

Lehmstedt Verlag, Hainstraße 1<br />

Barthels Hof, 04109 Leipzig<br />

Fon: 0341-4927366<br />

Mail: info@lehmstedt.de<br />

Wie nahezu alle ostdeutschen Fotorealisten<br />

verdankt auch Harald Hauswald<br />

seinen Ruf ungeschönten und eindringlichen<br />

Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Um<br />

so mehr erstaunt, daß er – bedingt durch<br />

seine »illegale« Arbeit für westliche<br />

Medien – schon in den letzten Jahren<br />

der DDR mehrere tausend Farbaufnahmen<br />

machte. Wie die von Mathias Bertram<br />

ausgewählten Fotografien erkennen<br />

lassen, erweist er sich dabei nicht nur<br />

einmal mehr als genauer, oft sarkastischer<br />

Chronist des Alltags, sondern auch<br />

als ein bislang kaum wahrgenommener<br />

Meister der Farbkomposition. Die<br />

stimmungsvollen Bilder vergegenwärtigen<br />

die »Welt von gestern« stärker und<br />

intensiver als die vertrauten Aufnahmen<br />

in Schwarz und Weiß, lassen sie aber<br />

gerade dadurch auch fremder und ferner<br />

denn je erscheinen.<br />

»Wo Anspruch und Wirklichkeit des SED-<br />

Staats bildkräftig zusammenstießen, fing<br />

Hauswald diese Kollisionen ein, mit sarkastischer<br />

Sensibilität. Er blickte in die<br />

Risse und Klüfte der Gesellschaft. Oft<br />

zeigte er Schattengeschöpfe des Lebens,<br />

doch er schoß die Menschen nicht ab.<br />

Seinen Spott reservierte er für die Narrheit<br />

und den Pomp der Macht. Harald<br />

Buchcover, Friedrichstraße, Berlin-Mitte<br />

Hauswalds Bilder hüten unsere Welt<br />

von gestern. Das freie, ungelogene Erinnern<br />

sei unsere eigene Kunst.«<br />

(Aus dem Vorwort von Christoph Dieckmann)<br />

»Es gilt hinzusehen, wenn man das erste<br />

Erstaunen über die bunte Welt des Sozialismus,<br />

die wir als Grau in Grau abgespeichert<br />

hatten, hinter sich hat«.<br />

(Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung, 30. März <strong>2013</strong>)<br />

»Jetzt kann das Land noch einmal in<br />

Farbe begutachtet werden. Farbecht.<br />

Ein Glücksfall. Die Fotos sind eine Wiederentdeckung.<br />

Die Wiederentdeckung<br />

auch einer Zeit, die anders tickte - auch<br />

wenn sie schon längst aus den Fugen<br />

war. Manche Fotos wirken wie Gemälde,<br />

durchkomponiert wie ein echter Liebermann,<br />

ein Spiel mit Nuancen, wie es<br />

heute gar nicht mehr möglich wäre, weil<br />

schrille Werbung auch noch in den letzten<br />

Winkel vordringt«.<br />

(Ralf Julke, Leipziger Internetzeitung,<br />

1. März <strong>2013</strong>)<br />

»Eindrucksvolle Bilder in einer Qualität,<br />

als sei es erst gestern gewesen. Fotos, die<br />

den Betrachter auf eine spannende Zeitreise<br />

mitnehmen«.<br />

(SuperIllu, 21. März <strong>2013</strong>)<br />

»Der Titel des Bildbandes ist gut gewählt.<br />

Denn dieses Land DDR ist inzwischen<br />

tatsächlich fern, besetzt mit den verschiedensten<br />

Erinnerungen und Erzählungen,<br />

die Menschen mitunter weniger<br />

verbinden als trennen. Es mag in<br />

© Harald Hauswald, Kastanienallee,<br />

Berlin-Prenzlauer Berg (Original in Farbe)<br />

© Harald Hauswald, Die Sängerin und Bassistin<br />

Tatjana Besson der Punkband »Die Firma« bei<br />

einem Auftritt auf dem Gelände »Am Zirkus«,<br />

Berlin-Mitte (Original in Farbe)<br />

des auch an der Farbigkeit der Fotos<br />

liegen, dass die versunkene Welt dieses<br />

Gemeinwesens hier überaus lebendig<br />

wirkt«.<br />

(Irmtraut Gutschke, Neues Deutschland,<br />

14. März <strong>2013</strong>)<br />

»Hauswald, der landauf, landab fahrende<br />

Reporter, ein Jack Kerouac der<br />

Ost-Fotografie. Motto: »On the Road«.<br />

Er zeigt, was ihm auffällt: Poesie und<br />

Gegen-Politik. Unverstellte Wirklichkeiten.<br />

Im Nachhinein malerisch schön«.<br />

(Christian Eger, Mitteldeutsche Zeitung,<br />

9. März <strong>2013</strong>)<br />

Der Fotograf und Autor:<br />

Harald Hauswald (geboren 1954) kam<br />

nach der Ausbildung zum Fotografen<br />

1977 nach Berlin. Er arbeitete in verschiedenen<br />

Jobs und ab 1983 als Fotograf<br />

für die evangelische Stephanus-Stiftung.<br />

Seine Aufnahmen vom DDR-Alltag<br />

entstanden alle im Eigenauftrag bzw. ab<br />

1986 auch für westliche Medien.<br />

1989 gehörte er zu den Gründern der<br />

Agentur Ostkreuz.<br />

1997 erhielt er das Bundesverdienstkreuz.<br />

www.harald-hauswald.de<br />

58 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Buchbesprechung<br />

© Harald Hauswald, Pferdemarkt in Havelberg, Brandenburg, (Original in Farbe)<br />

© Harald Hauswald, Pferdemarkt in Havelberg, Brandenburg, (Original in Farbe)<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

59


Buchbesprechung Harald Hauswald<br />

© Harald Hauswald, Warteschlangen von beiden Seiten vor der Fleischerei Dufft in der Oderberger Straße, Berlin-Prenzlauer Berg (O.i.F.)<br />

© Harald Hauswald, Landstraße in Brandenburg, (Original in Farbe)<br />

60 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Buchbesprechung<br />

© Harald Hauswald, Im Oderbruch (Original in Farbe)<br />

© Harald Hauswald, Im Oderbruch (Original in Farbe)<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

61


Fotoszene<br />

» Afrikanische Portraits«.<br />

Ein Gespräch mit dem<br />

Fotografen Winfried<br />

Bullinger über seine<br />

Arbeit.<br />

Pepper: Zum Jahreswechsel warst Du<br />

zum wiederholten Mal in Äthiopien um<br />

dort beheimatete Volksgruppen aufzusuchen<br />

und die Menschen und ihr<br />

Leben fotografisch zu dokumentieren.<br />

Was interessiert Dich an Äthiopien?<br />

Winfried Bullinger: Äthiopien beherbergt<br />

völlig unterschiedliche Kulturräume.<br />

Mich interessieren dabei für<br />

meine Arbeit gerade die Grenzgebiete.<br />

Das Wüstenvolk der Afar im Nordosten<br />

an der Grenze zu Eritrea oder die Völker<br />

im Westen an der Grenze zu Sudan und<br />

Südsudan. Die Menschen leben dort in<br />

autonomen Gesellschaften, die sich<br />

jetzt teils im Umbruch befinden. Sieben<br />

Aufenthalte dort und im Sudan haben<br />

es mir ermöglicht, meine Portraits zu<br />

konzentrieren und eine Entwicklung zu<br />

verfolgen.<br />

Pepper: Welche Entwicklung hast Du<br />

beobachten können?<br />

Winfried Bullinger: Das Interesse verlagert<br />

sich hin zu einem Kernbereich, auf<br />

den sich die photographische Arbeit<br />

dann konzentriert. Nach den vielen Aufenthalten<br />

lenkt mich wenig ab. Ich konzentriere<br />

mich auf die Person – ich portraitiere<br />

sie wie ich dich portraitieren<br />

würde. Alles »exotische« geht verloren.<br />

Die Bildfolgen werden so stringent.<br />

Pepper: Damit unterscheidest du dich<br />

auch wohltuend von Fotografen die<br />

eben nur wegen der Exotik afrikanische<br />

Volksgruppen aufsuchen. Deine Arbeit<br />

hat, so wie du sie machst, eine ethnologische<br />

Komponente. Das gefällt mir.<br />

Winfried Bullinger: Im Mittelpunkt<br />

steht ein reichhaltiges Portrait, das über<br />

Spuren kulturelle Verknüpfungen offen<br />

legt. Das ist in der Tat ein ethnologischer<br />

Aspekt. Das Bild einer Nuer Frau aus<br />

dem Süden beispielsweise verrät die<br />

Verbindung zum arabischen Nordsudan,<br />

aus dem ihr Kleid stammt. Zugleich<br />

müssen die Bilder eine abstrakte Qualität<br />

aufweisen – sie müssen losgelöst<br />

von ihrem Kontext als Werk “funktionieren”.<br />

Pepper: Hattest du bei den portraitierten<br />

Personen durch Vorgespräche auch<br />

Zugang zu deren privatem Schicksal, so<br />

dass die Fotos nicht nur geografische<br />

und historische Korrelationen aufzeigen,<br />

sondern ganz explizit auch Ausdruck<br />

individueller Lebensumstände<br />

sind ?<br />

»Nuer«, 2011<br />

Winfried Bullinger: Es bleibt das Bild<br />

selbst, das über den Lebensweg der<br />

portraitierten Person etwas aussagt. Ich<br />

konzentriere mich auf das Bild. Mein<br />

Gegenüber gibt mir für die Begegnung<br />

ein bestimmtes Maß an Zeit. Die Aufnahme<br />

mit der Großformatkamera unter<br />

Feldbedingen braucht meine ganze Aufmerksamkeit.<br />

Manchmal folgt dem Portrait<br />

ein Gespräch, übersetzt durch den<br />

lokalen Guide, manchmal zieht die<br />

Person beschäftigt weiter. Immer recherchiere<br />

ich für ein anstehendes Projekt<br />

die Lebensbedingungen und politischen<br />

Zusammenhänge. Vor Ort ergeben<br />

sich Gespräche meist zwischendurch.<br />

Ich fertige aber über die portraitierte<br />

Person keinen Text an.<br />

Pepper: Wie offen sind die Menschen<br />

in den Regionen, die du bereist deinem<br />

Ansinnen gegenüber sie zu portraitieren?<br />

Winfried Bullinger: Fast immer besteht<br />

die Bereitschaft, meiner Einladung zu<br />

einer Portraitsitzung zu folgen. Der Aufnahmeprozess<br />

mit der Großformatkamera<br />

hat etwas rituelles, wofür die Portraitierten<br />

empfindlich sind. Sie behalten<br />

die Kontrolle über ihr Selbstbild. Schwierig<br />

war es für mich, in Ruanda und Ostkongo<br />

Portraitaufnahmen zu machen.<br />

Die Menschen dort waren gegenüber<br />

Portrait-Fotografie skeptisch.<br />

Pepper: Ach, warum das? Angst vor<br />

Okkultismus?<br />

Winfried Bullinger: Die Skepsis hängt<br />

dort mit dem Völkermord in Ruanda<br />

im Jahr 1994 und den nachfolgenden<br />

Konflikten zusammen. Die Bevölkerung<br />

scheut jede Form der Registrierung. Ich<br />

habe das respektiert.<br />

Pepper: Kannst du mir erzählen, wie<br />

dein Interesse daran in Afrika zu fotografieren<br />

entstanden ist? Du hast Ende<br />

der 1980er Jahre in Kapstadt studiert.<br />

Ist das der Beginn deiner Leidenschaft<br />

für diesen Kontinent?<br />

Winfried Bullinger: Das Interesse reicht<br />

lange zurück. Mich hat zunächst die<br />

Radikalität afrikanischer Skulpturen<br />

berührt. Hinzu kamen Filme und Fotografien,<br />

die ich in den achtziger Jahren<br />

gesehen habe. 1987 habe ich dann ein<br />

Jahr lang Kunst an der UCT in Kapstadt<br />

studiert. In der Malereiklasse waren<br />

Schwarze und Weiße zusammen. Die<br />

Apartheid in Südafrika ging ihrem Ende<br />

zu. Es war eine Zeit des Umbruchs und<br />

die Reisen in die Nachbarländer Südafrikas<br />

haben damals meinen Plan wachsen<br />

lassen, künftig an einer Aggregation<br />

von Bildnissen zu arbeiten. Ich<br />

fühle mich mit dem afrikanischen Kontinent<br />

und den Menschen dort verbunden<br />

– ich denke, das ist eine wichtige<br />

Voraussetzung für meine bildnerische<br />

Arbeit.<br />

Pepper: Was veranlasst dich in digitalen<br />

Zeiten analog und in schwarz/weiß<br />

zu arbeiten?<br />

62 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Fotoszene<br />

»Nomade mit Gewehr«, 2009<br />

Winfried Bullinger: Am Ende der Kette<br />

steht der analog vom 4 mal 5 inch Negativ<br />

gefertigte Print mit der Größe 180<br />

cm mal 145 cm auf Barytpapier, dessen<br />

Qualität ich liebe. Ich halte die Entscheidung,<br />

die Bildnisse schwarz/weiß aufzunehmen,<br />

nicht für anachronistisch.<br />

Es ist eine Form, die Bilder zu gestalten.<br />

Ich benutze bei meiner Produktion übrigens<br />

stets moderne Technik.<br />

Pepper: Fotografen wie Sebastiao Salgado<br />

oder James Nachtwey bevorzugen<br />

ebenfalls den analogen Schwarz/<br />

Weiß-Film. Zumindest Salgado bedauert<br />

allerdings, dass sich das analoge<br />

Filmmaterial verändert, schlechter<br />

wird. Ich meine mich zu erinnern, dass<br />

er den geringeren Silberanteil genannt<br />

hat, wodurch er nicht mehr die von ihm<br />

gewünschten Grauabstufungen erzielt.<br />

Was für Erfahrungen hast du mit dem<br />

von dir verwendeten Filmmaterial?<br />

Winfried Bullinger: Ich benutze Fuji<br />

Acros 100 Film, der bisher in unveränderter<br />

Form hergestellt wird. Der 4 mal<br />

5 inch Film ist aber in Europa nicht zu<br />

haben. Ich decke mich deshalb in New<br />

York damit ein. Klassische Schwarz/<br />

Weiß-Filme wie der Kodak TriX sind<br />

aber am verschwinden.<br />

Pepper: Könntest du dir vorstellen in<br />

Farbe zu fotografieren?<br />

Winfried Bullinger: Ja, andere Bildfolgen<br />

nehme ich in Farbe auf. In den neunziger<br />

Jahren habe ich überwiegend Farbfilm<br />

benutzt. Allerdings verwende ich in<br />

den letzten Jahren vorwiegend Schwarz/<br />

Weiß-Planfilm. Die Filmwahl folgt dem<br />

bildnerischen Plan. Es gibt aber keinerlei<br />

dogmatische Festlegung.<br />

Pepper: Welche Kamera bzw. welche<br />

Kameras benutzt du?<br />

Winfried Bullinger: Ich benutze eine<br />

Linhof Technika Master 2000, zwei Hasselblads<br />

(503 und 501), eine Leica MP<br />

und eine Nikon F3, letztere seit 1989.<br />

Pepper: Für die Portraits über die wir<br />

eingangs sprachen nimmst du die<br />

Linhof, oder?<br />

Winfried Bullinger: Ja, die Portraitserie<br />

entsteht mit der Linhof-Kamera.<br />

Pepper: Hast du Unterstützung von<br />

Assistenten, wenn du deine Reisen<br />

unternimmst?<br />

Winfried Bullinger: Die Fotoprojekte<br />

führe ich wie eine kleine Filmproduktion<br />

durch. Es gibt stets einen Guide,<br />

der die Exp<strong>edition</strong> leitet und Englisch<br />

spricht. Es gibt dann immer einen lokalen<br />

Guide, der sich mit den Personen,<br />

die ich portraitieren möchte, verständigen<br />

kann. Es gibt einen Koch und teilweise<br />

einen oder mehrere Begleiter, die<br />

für die Sicherheit sorgen. Hilfe brauche<br />

ich für das Licht: ich benutze einen<br />

großen weißen Reflektor, um Schatten<br />

milde aufzuhellen. Ich vermeide Blitzlicht,<br />

das die Figur herauslöst.<br />

Pepper: Wie viele gültige Fotos hast du<br />

von deiner letzten Reise mitgebracht,<br />

also Fotos, von denen du Prints machen<br />

wirst?<br />

Winfried Bullinger: Die Zahl ist noch<br />

offen. Der Projektaufenthalt endete<br />

am 9. Januar, so dass sich die Auswahl<br />

immer noch weiter verdichtet. Rund 15<br />

Portraits sind jetzt in der näheren Auswahl.<br />

Die Planfilmnegative werden für<br />

die Auswahl und Archivierung digitalisiert<br />

und anschließend auf etwa A4-<br />

Größe gedruckt. Weiter projiziere ich<br />

die Bilder mit einem Beamer in der späteren<br />

Originalgröße. Der letzte Schritt<br />

sind dann Probestreifen quer durch das<br />

gesamte Bild, die Jochen Rohner, mit<br />

dem ich bei den endgültigen, analogen<br />

Prints zusammenarbeite, herstellt.<br />

Alles muss stimmen. Bei einem analogen<br />

Print dieser Größe lässt sich nichts<br />

verbergen – schummeln ist ausgeschlossen.<br />

Vom Projekt bis zum ersten großen<br />

Print vergehen ein bis zwei Jahre.<br />

Pepper: Du legst dich auf eine ja recht<br />

große Printgröße fest. Die Wirkung ist<br />

bei dem beinahe lebensgroßen Format<br />

natürlich phantastisch. Aber der Kundenkreis<br />

für deine Arbeit ist dadurch<br />

auch begrenzt. Deine Fotografien in<br />

unterschiedlichen Größen herzustellen<br />

widerstrebt dir aus künstlerischen<br />

Gesichtspunkten?<br />

Winfried Bullinger: Die Größe der Bilder<br />

ist wichtig und Teil des Konzepts. Der<br />

Betrachter kann das Portrait als Ganzes<br />

nahezu lebensgroß erfassen. Es gibt aber<br />

auch die Nahsicht: Strukturen, Materialien,<br />

Narben von Wunden oder Skarifaktionen<br />

– das sind erhabene Narbentätowierungen<br />

die durch Ritzen und<br />

anschließendes, bewusstes Verschmutzen<br />

der Wunden entstehen – werden<br />

sichtbar und lassen sich erfahren.<br />

Pepper: Du verwendest Metallrahmen,<br />

damit die Wirkung der Bilder sich bestmöglich<br />

entfaltet.<br />

Winfried Bullinger: Ja, der Rahmen ist für<br />

die Portraitbilder festgelegt. Ich benutze<br />

einen an den Ecken geschweißten Aluminiumrahmen.<br />

Das Bild als dreidimensionales<br />

Objekt wird auch durch den<br />

Rahmen geprägt.<br />

Pepper: Du hast deine Arbeiten zuletzt<br />

in einer Einzelausstellung in der Schweiz<br />

gezeigt. Wo werden sie als nächstes zu<br />

sehen sein?<br />

Winfried Bullinger: Von mir waren<br />

gerade drei Portraitbilder in einer von<br />

Christoph Tannert im Berliner Künstlerhaus<br />

Bethanien kuratierten Gruppenausstellung<br />

zu sehen. Und dann wird<br />

es in diesem Jahr eine Ausstellung in der<br />

Galerie von Sassa Trülzsch geben.<br />

© Pepper<br />

Weitere Informationen:<br />

www.winfried-bullinger.com<br />

http://blog.pepperproject.de/?p=190<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

63


Fotoszene<br />

Efraim Habermann<br />

»zum 80.«<br />

Schwarzweiß-Fotografien & Aquarelle<br />

Nicht immer hat eine Galerie das Glück,<br />

einen Künstler doppelt auszustellen: als<br />

Maler und als Fotografen.<br />

Charles Baudelaire war vor gut 150<br />

Jahren der Ansicht, dass die Fotografie<br />

zu Unrecht als Kunst eingeschätzt<br />

wird. Für den französischen Kritikerpapst<br />

bedrohte sie die Malerei, zumal<br />

ein technisches Gerät wie die Kamera<br />

die Fantasie verhindere. Fanatsie war<br />

für ihn aber die Voraussetzung für echte<br />

Kunst.<br />

Hier sehen Sie heute Abend anhand<br />

von knapp 25 Fotografien und mehreren<br />

Aquarellserien von Efraim Habermann,<br />

dass Malerei und Fotografie einander<br />

nicht ausschließen, vielmehr<br />

Baudelaires These aushebeln, dass die<br />

Fotografie die Zuflucht der verkrachten<br />

bzw. schlechten Maler sei. Immerhin<br />

darf Efraim Habermann in seinem 80.<br />

Lebensjahr auf eine fotografische Karriere<br />

von fast einem halben Jahrhundert<br />

zurückblicken, auch wenn er ursprünglich<br />

lieber Maler oder Sänger geworden<br />

wäre. Seine Biografie hatte aber anderes<br />

mit ihm vor.<br />

Am 19. Juni 1933 in Berlin geboren,<br />

floh er wegen seiner jüdischen Abstammung<br />

1939 mit seinen Eltern über Triest<br />

nach Palästina und lebte dann in Jerusalem.<br />

1957 kehrte er an die Spree<br />

zurück; in West-Berlin war er zunächst<br />

bei Senatsbehörden als graphisch-technischer<br />

Zeichner tätig und fand dann<br />

den Weg zur Fotografie, für die er sich<br />

schon immer interessiert hat: Ende der<br />

sechziger Jahre war er einer der Ersten<br />

in West-Berlin, der Kunstfotografien an<br />

Tageszeitungen verkaufte. Seine Arbeiten<br />

erschienen in Tageszeitungen, Fachzeitschriften<br />

und Büchern, einige befinden<br />

sich in privatem wie öffentlichem<br />

Besitz. Auch Ausstellungen haben sein<br />

Schaffen gewürdigt, so 1975 im Jüdischen<br />

Gemeindehaus an der Fasanenstraße<br />

in Berlin, 1976 in Paris im Maison<br />

de la France oder 1983 in der Berliner<br />

© Efraim Habermann<br />

Neuen Nationalgalerie, in den letzten<br />

Jahren in den Galerien Raab, Carpentier<br />

und Carlos Hulsch. Ab Juli sind seine<br />

Fotografien von Berlin-Wilmersdorf in<br />

der Kommunalen Galerie am Fehrbelliner<br />

Platz zu sehen.<br />

Carlos Hulsch zeigt Ihnen heute in den<br />

Jahren von ca. 1980 bis 2006 entstandene<br />

Aufnahmen von Berlin, Venedig<br />

und last not but least vom weiblichen<br />

Geschlecht: es wurde für Habermann<br />

bevorzugt als »Frau im Bild« zum Modell<br />

vor Werken aus Berliner Museen. Aufgenommen<br />

mit einer Leica Spiegelreflexkamera<br />

und auf Aqua-Papier abgezogen,<br />

gibt es von jedem Foto eine Auflage von<br />

maximal drei Stück.<br />

In Venedig portätierte sich der Lebensund<br />

Überlebenskünstler Efraim Habermann<br />

selbst vor der historischen Architekturkulisse;<br />

ebenfalls in den 1980ern<br />

kreierte er in seiner Berliner Wohnung<br />

an der Fasanenstraße ein Selbstporträt<br />

in Gary Cooper-Pose, indem er ein Foto<br />

von sich ausschnitt, es in ein Glas auf<br />

dem Fensterbrett mit Blick auf die Berliner<br />

Baumlandschaft stellte und dieses<br />

Szenario ablichtete. Die Ironie ist nicht<br />

zu verkennen, die auch in anderen<br />

seiner Arbeiten ihre Früchte trug. Sie<br />

potenziert sich gewissermaßen, weiß<br />

man um eine von Habermanns Lieblingssentenzen<br />

Bescheid: »Der Vorzug<br />

des Fotografen ist es, von einem Negativ<br />

ein positives Bild zu machen«.<br />

In Venedig schuf Habermann »positive<br />

Bilder« von der Stadt mit den tausend<br />

Gesichtern: von den Kanälen und den<br />

alten Hausfassaden, deren Rustika und<br />

Baudekor wie den Maskarons (Fratzenmasken)<br />

über den Tür- und Fensterbögen<br />

er durch die Wahl seines Standortes,<br />

durch Licht-Schatten-Wirkung und eine<br />

entsprechende eigenhändige Bildbearbeitung<br />

zu einem fast gespenstischen<br />

Eigenleben verhalf. Er zeichnete mit<br />

der Kamera die Fluten unter Venedigs<br />

Brücken nach und ließ Gondeln hinter<br />

dem Anlegesteg im Wasser verschwinden.<br />

Abbröckelndes Mauerwerk wurde<br />

ihm zur Tiara für den Surrealisten-Papst<br />

Salvador Dali, der auf einem Ausstellungsplakat<br />

posiert. Man beachte: der<br />

Schwung des Dali-Schnurrbartes und<br />

des Stockknaufes treten in kompositorische<br />

Beziehung zur Rundung der steinernen<br />

Krone.<br />

Neben Venedig wurde Berlin für Habermann<br />

Lieblingsschauplatz: doch auch<br />

hier ist es ein Berlin, das nicht jeder kennt:<br />

der Blick über den Rand der Großen<br />

Granitschale auf das Alte Museum am<br />

Lustgarten macht aus dem Schinkel-Bau<br />

mit seiner antikisierenden Säulenfront<br />

64 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Fotoszene<br />

Variante eines Konstruktivismus in der<br />

Art von Piet Mondrian bzw. der niederländischen<br />

Künstlergruppe De Stijl oder<br />

von einigen Bauhaus-Künstlern. Hier<br />

sei noch anzumerken, dass Mondrian<br />

selbst ein Verehrer von Cézanne war.<br />

© Efraim Habermann © Efraim Habermann<br />

ein Rätsel, das der Erklärung hinsichtlich<br />

seines Standortes bedarf. Das bronzene<br />

Reiterstandbild für König Friedrich<br />

Wilhelm IV. von Preußen auf der Freitreppe<br />

der Alten Nationalgalerie Berlin<br />

erhält, betrachtet zwischen den Säulen<br />

der Kolonnaden am Rande des Museums,<br />

ein geradezu martialisches Aussehen.<br />

Die Kunst des Sehens, d. h. Vorhandenes<br />

neu und anders zu betrachten,<br />

ist, wie Habermann auch beteuert, eben<br />

nicht erlernbar, sie ist das Charakteristikum<br />

des Fotografen, der zwar nur das<br />

aufnimmt, was er leibhaftig sehen kann,<br />

aber durch das Gesehene zu Neuem<br />

inspiriert wird wie der Maler durch<br />

eine schöne Frau, einen Blumenstrauß<br />

oder eine besondere Lichtstimmung zu<br />

einem Gemälde.<br />

Fast schon Ikone ist bei den Berliner<br />

Fotos und für Habermann-Fans die<br />

1968 entstandene Aufnahme des eigenen<br />

Fahrrades vor der Glasfront der<br />

Neuen Nationalgalerie am Kulturforum,<br />

in deren Scheiben sich die Silhouette<br />

der St. Matthäuskirche spiegelt.<br />

Aber auch stilllebenhafte Arrangements<br />

im urbanen Milieu gehören zum Berliner<br />

Themenkreis: eine Rose im Glas<br />

auf einem Vorsprung, dessen steinerne<br />

Struktur unter Habermanns fotografischem<br />

Auge zum Leben erwacht. Ein<br />

Obststillleben auf einem Steinplateau<br />

gerät zum Bild à la Cézanne, für<br />

Habermann als »Verdi der Malerei« ein<br />

großes Vorbild. Eine Postkarte von Vermeers<br />

berühmtem Gemälde »Mädchen<br />

mit dem Perlenohrring« (1666, Mauritshuis<br />

in Den Haag) wird vor die leere<br />

Kartusche einer Mauerfront gesetzt, die<br />

plötzlich die Funktion eines Bildrahmens<br />

erhält. In Habermanns open-air-<br />

Museum wird Kleines, Unbedeutendes<br />

groß und bedeutsam, Bekanntes, Vertrautes<br />

erscheint in neuem Gewand.<br />

Zugleich erzeugt Efraim Habermann<br />

mit den technischen Mitteln der Bildentwicklung<br />

eine Ton-Malerei, die den<br />

ästhetischen Effekt der reinen Erscheinung<br />

der Dinge akzentuiert, wenn<br />

nicht gar zum Thema macht. So wirken<br />

seine Motive materiell und immateriell<br />

zugleich, versöhnen ihre Vergänglichkeit<br />

mit ihrer gegenwärtigen Präsenz.<br />

Schließlich wurde es auch eine weitere<br />

Spezialität von Efraim Habermann,<br />

Frauen vor Gemälden abzulichten,<br />

wobei neue Sinnzusammenhänge entstehen<br />

können. Das junge Mädchen mit<br />

dem verführerischen Rückendekolleté<br />

scheint 2002 den Sprung in Gustave<br />

Courbets »Welle« (1870) aus der Alten<br />

Nationalgalerie Berlin zu wagen, die<br />

wie eine Urgewalt auf den Betrachter<br />

zurollt. Die Frau und nicht der Mann<br />

als Voyeur betrachtet 1979 in der Neuen<br />

Nationalgalerie Berlin-West kritisch das<br />

edle Hinterteil des nackten »Orangenpflückers«<br />

- eine lebensgroße Ölstudie,<br />

die der Deutschrömer Hans von Marées<br />

1876 für die berühmten Fresken in der<br />

Bibliothek der »Zoologischen Station«<br />

von Neapel malte. Warum Habermann<br />

den Kopf des jungen Adonis aussparte,<br />

bleibt der individuellen Interpretation<br />

des Betrachters überlassen.<br />

Von der Fotografie, deren Aufnahmen<br />

er in seinem selbst eingerichteten Labor<br />

in seiner Berliner Wohnung bis vor<br />

Kurzem selbst entwickelte, kam Habermann<br />

in den letzten Jahren zur Malerei:<br />

wie kleine Meditationen wirken seine<br />

postkartengroßen Aquarelle, in denen<br />

er, einzeln oder als Serie, geometrische<br />

bunte Konstruktionen auf weißes<br />

Papier applizierte: eine spielerische<br />

Efraim Habermann kombinierte Kreise<br />

und Halbkreise, Quadrate, Recht- und<br />

Vierecke, Rhomben, Balken und Punkte<br />

zu kleinen delikaten Kompositionen, in<br />

denen die Primärfarben Rot, Gelb und<br />

Blau eine tragende Rolle spielen. Dabei<br />

beließ er es je nach Einfall und Laune<br />

bei einer rein flächigen Konstruktion<br />

oder weitete diese aus zu Anordnungen,<br />

die durchaus eine plastische Wirkung<br />

zeigen bzw. eine gewisse Gegenständlichkeit<br />

suggerieren können. Diese<br />

Aquarelle halten sorgsam und auf witzige<br />

Weise alles in der Schwebe, sie<br />

laden den Betrachter unaufgeregt dazu<br />

ein, mitzupielen im bunten Baukasten<br />

der konstruktivistischen Malerei. Fotografie<br />

kann hier auch nicht, um nochmals<br />

zu Baudelaire zurückzukehren,<br />

die Malerei bedrohen, hat sie doch eher<br />

auf Habermanns Schwarz-Weiß-Aquarelle<br />

vielleicht retour gewirkt. Und auch<br />

die stille Poetik von Habermanns »positiven<br />

Bilder«, seiner Fotografien, findet<br />

sich in diesen Miniaturen, die zu nichts<br />

lautstark aufrufen und dem Beschauer<br />

keine intellektuelle Dechiffrierungsarbeit<br />

aufbürden. Sie wollen einfach da<br />

sein und betrachtet werden.<br />

Zum achtzigsten Geburtstag: nochmals<br />

Happy Birthday! Und Ihnen, liebe<br />

Freunde der Galerie Carlos Hulsch, viel<br />

Freude bei Efraim Habermanns Kunst!<br />

Dr. Angelika Leitzke, Rede zur Ausstellung<br />

»Efraim Habermann zum 80.<br />

Geburtstag«, Galerie Carlos Hulsch,<br />

Berlin, Juni <strong>2013</strong><br />

bis 16. August <strong>2013</strong><br />

Galerie Carlos Hulsch<br />

KUDAMM-KARREE<br />

Eingang: Lietzenburger Straße 80<br />

10719 Berlin-Charlottenburg<br />

Di – Fr 15 – 19 Uhr<br />

und nach Vereinbarung<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

65


Fotoszene<br />

<strong>brennpunkt</strong><br />

AWARD <strong>2013</strong><br />

Anlässlich des jährlichen browse fotofestival<br />

findet der <strong>brennpunkt</strong> AWARD<br />

statt.<br />

Der <strong>brennpunkt</strong>, renomiertes Fotomagazin<br />

seit 29 Jahren, verlieh Auszeichnungen<br />

für die beste per Mal eingesandte<br />

Schwarz-Weiß-Serie. Der Preis ist ein<br />

Portfolioabdruck im Magazin <strong>brennpunkt</strong><br />

<strong>2013</strong>/2014. Ziel des AWARDS<br />

ist es, dass der Fotograf eine Serie mit<br />

zehn thematisch zusammenhängenden<br />

Fotos einreicht. Alle Bilder müssen<br />

akzeptabel sein, mit nur wenigen guten<br />

Bildern erreicht der Autor sein Klassenziel<br />

nicht. Es zählt die Gesamtleistung<br />

jedes Fotografen.<br />

Auch in diesem Jahr erreichten uns aus<br />

aller Welt sehr interessante Portfolios.<br />

Leider auch Einsendungen, die den Teilnahmebedingungen<br />

nicht entsprachen.<br />

Sei es Einsendungen von nur fünf Bildern<br />

oder weniger und gemischt mit<br />

Farbbildern.<br />

Die <strong>brennpunkt</strong> Jury suchte aus den<br />

zahlreichen Einsendungen acht Portfolios<br />

aus. Wir haben auf eine Platzierung<br />

verzichtet, alle kommenden Veröffentlichungen<br />

sind gleichgestellt.<br />

© Annette Lofy, »citykids«<br />

© Christian Werner, »Charoal Children«<br />

© Klaus Lundi, »blanco y negro«<br />

© Nils Stelte, »breathing deeply«<br />

© Manfred Carpentier, »cuban-coffee«<br />

© Yan Boechat, »Taken in Angola«<br />

© Birgit Bergmann, »Maybachufermarkt«<br />

© Charlotte Thömmes, »Memory & Imagination«<br />

Herzlichen<br />

Glückwunsch<br />

und vielen Dank<br />

66 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Fotoszene<br />

Michael Gebur<br />

Ulrich Meyer<br />

»Leben am Mekong«<br />

Am 8. September wird im Rahmen<br />

des Mekong-Ländertages in der Albert-<br />

Einstein Volkshochschule Tempelhof-<br />

Schöneberg auch eine Fotoausstellung<br />

eröffnet. Die beiden asienerfahrenen<br />

Fotografen Michael Gebur und Ulrich<br />

Meyer zeigen dokumentaristische Fotos,<br />

die Einblicke in das Leben der Menschen<br />

am Mekong außerhalb der touristischen<br />

Höhepunkte geben. Zu sehen<br />

sind Fotos aus den Ländern Vietnam,<br />

Kambodscha, Laos, Thailand, Myanmar<br />

und China, die auf verschiedenen<br />

Reisen der Fotografen entstanden.<br />

bis 25. Oktober <strong>2013</strong><br />

Albert Einstein Volkshochschule<br />

Barbarossaplatz 5<br />

10718 Berlin-Schöneberg<br />

© Michael Gebur, (Original in Farbe)<br />

© Michael Gebur, (Original in Farbe)<br />

© Ulrich Meyer, (Original in Farbe)<br />

Mo – Fr 8 – 21 Uhr<br />

(in den Ferien 9 bis 16 Uhr)<br />

Sa + So 10 – 14 Uhr © Michael Gebur, (Original in Farbe)<br />

© Ulrich Meyer, (Original in Farbe)<br />

Dietrich Oltmanns<br />

»Arche bauen – Lauben & Gärten in<br />

Leipzig 1990«<br />

mit einem Text von Katrin Arrieta<br />

ISBN 978-3-925935-69-5 (<strong>2013</strong>)<br />

132 Seiten, 17 x 21 cm,<br />

127 Farb-Abbildungen, Fadenheftung,<br />

Klappenbroschur<br />

Euro 24,90<br />

»In Leipzig hat das Schrebergartenwesen<br />

als Teil der europäischen Kleingartenbewegung<br />

seinen Anfang genommen.<br />

Die ältesten und sonderbarsten Blüten<br />

dieser Bewegung werden bis heute fortwährend<br />

mit stillem Stolz gehegt. Es<br />

lohnt sich, nach ihnen zu suchen – nicht<br />

zuletzt, um sich den Quellen jener Lust<br />

zu nähern, die die Menschen in solch<br />

ein labyrinthisches Diesseits und Jenseits<br />

von Zäunen, Umfriedungen, Mäuerchen<br />

und Bretterwänden zieht, wo<br />

ein winziger Mikrokosmos neben dem<br />

Buchcover<br />

anderen sich in einer Unzahl ähnlicher<br />

zu verlieren droht«. (Katrin Arrieta)<br />

Dietrich Oltmanns hat die Fotografien<br />

1990 aufgenommen. Heute sieht er in<br />

ihnen seine persönliche Erfassung des<br />

damaligen Zustands, dessen faszinierende<br />

Ausstrahlung sich durch den Einfluss<br />

der westlichen Konsumgesellschaft<br />

schnell zu verändern begann.<br />

Edition Carpentier<br />

Anläßlich des 80sten Geburtstags von<br />

Efraim Habermann erscheint in der<br />

Edition Carpentier das Heft Nr. 8<br />

Efraim Habermann<br />

»Venedig«<br />

24 Fotografien<br />

Hrsg. von Manfred Carpentier<br />

und Franziska Rutishauser<br />

Berlin : Das Foto, <strong>2013</strong><br />

(Edition Carpentier : 8)<br />

ISBN 978-3-944637-08-2<br />

Efraim Habermann<br />

»Berliner Stilleben«<br />

Hrsg. von Manfred Carpentier<br />

Leipzig : Lehmstedt, 2011<br />

ISBN 978-3-942473-13-2<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

67


Fotoszene<br />

Kann man einem Bild<br />

trauen?<br />

Na ja, kommt darauf an, was Sie erwarten<br />

liebe Leser.<br />

Wenn es zum Beispiel um Authentizität<br />

geht, würde ich die Erwartung nicht<br />

zu hoch schrauben.<br />

Das Gewinnerfoto von Paul Hansen<br />

beim World Press Photo Award <strong>2013</strong><br />

hat mich sehr beeindruckt. Es ist einfach<br />

perfekt - zu perfekt?<br />

Das Bild besitzt ein Traumlicht, eigentlich<br />

zu schön um wahr zu sein...<br />

In seiner Ausgabe 19 vom 6. Mai <strong>2013</strong><br />

hat sich auch »DER SPIEGEL« dieses<br />

Themas angenommen und äußert seine<br />

Bedenken über den Grad der Nachbearbeitung<br />

bei diesem Siegerbild. Süffisant<br />

weisen die Autoren des Artikels<br />

darauf hin, dass Hansen nicht wie versprochen,<br />

die Original RAW Datei zum<br />

Vergleich vorweisen konnte - angeblich<br />

vergessen...<br />

Vergleichsweise eine Enthüllung dagegen<br />

ist der Slogan an der Eingangstür:<br />

»You press the button. We do the rest -<br />

better«. Sie erinnern sich jetzt sicherlich<br />

auch an die alte KODAK-Werbung.<br />

Wenn man den Recherchen des SPIE-<br />

GEL-Artikels glauben darf, so werden<br />

die Dienste von Herrn Palmisano von<br />

der internationalen Journalistenbranche<br />

gerne und häufig in Anspruch genommen...<br />

Ich will das jetzt gar nicht werten. Die<br />

Geschichte der technischen Entwicklung<br />

zeigt aber, daß das was möglich<br />

ist, auch gemacht wird.<br />

Da sind moralische oder ethische<br />

Bedenken allenfalls Anfangshürden -<br />

die werden in der Regel aber schnell<br />

überwunden!<br />

Wenn wir mal ehrlich sind, Photographie<br />

war doch noch nie authentisch. Es<br />

wurde beim Entwickeln und Belichten<br />

in der Dunkelkammer gemogelt und<br />

manipuliert was das Zeug hielt. Ich<br />

erinnere mich noch selbst an abenteuerliche<br />

Konstruktionen aus Draht und<br />

zu tun, sie sind photographische Kunstwerke<br />

- im eigentlichen Wortsinn.<br />

Man sieht die Welt eben nicht in<br />

schwarz/weiß - es sei denn, man hat<br />

einen massiven Augenfehler!<br />

Schon immer hat das Gehirn des<br />

Betrachters die Wirklichkeit in Bildern<br />

interpoliert, es fiel nur niemandem auf.<br />

Es muss ja nicht nur die Schwarz/Weiß-<br />

Reduktion der analogen Zeit oder das<br />

»Post-Processing« (irgendwie gefällt mir<br />

das Wort) der heutigen Zeit sein, was<br />

die Authentizität der Photographie in<br />

Frage stellt, nein alleine der künstlerische<br />

Anspruch des Photographen führt<br />

doch schon zu einer Interpretation der<br />

Realität!<br />

Setzen Sie drei gute Photographen auf<br />

das gleiche Objekt an - Sie werden drei<br />

verschiedene Bilder bekommen. Und<br />

das ist auch selbstverständlich, weil<br />

jeder Photograph seine eigene Handschrift<br />

hat.<br />

»Photographie ist Subjektivierung der<br />

Umwelt«. Und da wir alle unterschiedliche<br />

Individuen sind, werden unsere<br />

»Schwäne«: Trauen Sie diesem Bild? Na ja, zumindest Ihr erster Gedanke ist falsch - keiner der Schwäne ist reinkopiert. Aber ansonsten...<br />

Interessant ist im weiteren Verlauf des<br />

Beitrages der Hinweis auf Herrn Palmisano,<br />

ein Meister des so genannten »Post-<br />

Processing« - so wird in journalistischen<br />

Fachkreisen die digitale Bearbeitung der<br />

Bilder etwas kryptisch umschrieben.<br />

Das Geschäft von jenem Herrn Palmisano<br />

residiert in Rom und trägt den<br />

unauffälligen Namen »10b Photography«<br />

- was mehr über die Hausnummer<br />

des Firmensitzes, als über deren<br />

Tätigkeit aussagt.<br />

Pappe, die zum Zwecke der Manipulation<br />

in dem Lichtstrahl des Vergrößerungsgerätes<br />

bewegt wurden.<br />

Bei einer Diskussion über dieses Thema,<br />

bedauerte neulich ein Kunsthistoriker<br />

mir gegenüber den Verlust von »Wahrheit«<br />

in der Photographie und verwies<br />

auf die gute alte analoge Photographie<br />

zu Zeiten Ansel Adams.<br />

Na also, nun ausgerechnet der!<br />

Ansel Adams, zugegebenermaßen hervorragende<br />

Landschaftsbilder haben ja<br />

mit der Wirklichkeit nun absolut nichts<br />

Umgebung auch unterschiedlich interpretieren<br />

und zu unterschiedlichen Bildern<br />

des gleichen Motives kommen.<br />

Wollen Sie wissen, welche Photographie<br />

noch am authentischten ist?<br />

Die ganz banale Urlaubs-und Familienknipserei,<br />

Blitz an, raufhalten und<br />

anschließend printen beim Supermarkt<br />

- führt garantiert zum »Aha« des Wiedererkennungseffektes!<br />

Manfred Kriegelstein<br />

68 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Buchbesprechung<br />

Der große Fotokurs<br />

Besser fotografieren lernen<br />

Jacqueline Esen<br />

Verlag: Galileo Design<br />

ISBN: 978-3-8362-2030-9<br />

439 S. Komplett in Farbe,<br />

2. Aktualisierte Auflage<br />

19,90 Euro<br />

Fotografie als Meditation<br />

Eine Reise zur Quelle der Kreativität<br />

Torsten Andreas Hoffmann<br />

Verlag: dpunkt.verlag<br />

ISBN: 978-3-86490-031-0<br />

260 Seiten, komplett in Farbe,<br />

Festeinband<br />

36,90 Euro<br />

Naturfotografie - Die große<br />

Fotoschule<br />

Naturmotive gekonnt in Szene setzen<br />

Hans-Peter Schaub<br />

Verlag: Galileo Design<br />

ISBN: 978-3-8362-1936-5<br />

397 S. Komplett in Farbe,<br />

2. Aktualisierte Auflage<br />

39,90 Euro<br />

Nun mal wieder etwas für Anfänger -<br />

sorry, politisch korrekt: Einsteiger!<br />

Frau Esen ist freiberufliche Fotografin<br />

und Autorin diverser Werke zu Fotografie<br />

und Fototechnik. Schon aus der Tatsache,<br />

dass dieses Werk jetzt schon für die<br />

zweite Auflage aktualisiert wurde kann<br />

man ablesen, dass ein großer Bedarf an<br />

dieser kompakten Wissensvermittlung<br />

vorhanden ist. Mir ist auch schon bei<br />

diversen Fototreffen in der Amateurszene<br />

aufgefallen, dass es in den letzten<br />

Monaten viele gibt, die Ihr Interesse an<br />

der Fotografie entdeckt haben. Für diese<br />

Zielgruppe ist das Buch eine absolute<br />

Empfehlung.<br />

Ohne viel Schnickschnack kommt die<br />

Autorin auf den Punkt und vermittelt<br />

alles was man als Grundlage zur Fototechnik,<br />

Bildgestaltung und digitaler<br />

Bearbeitung wissen sollte.<br />

Übrigens auch sehr informativ und dennoch<br />

kurzweilig stellt sich die Internetpräsentation<br />

der Autorin dar. Werfen Sie<br />

mal einen Blick darauf:<br />

www.fotonanny.de<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Warum fotografieren wir eigentlich?<br />

Na klar, um zu guten Bildern zu kommen<br />

- so werden jedenfalls die meisten antworten.<br />

Aber ist nicht der Akt des Fotografierens<br />

an sich schon ein sinnliches<br />

Erlebnis?<br />

Oder umgekehrt, hat nicht jeder schon<br />

einmal bemerkt, dass Fotos nicht gelingen,<br />

wenn man »nicht gut drauf ist«?<br />

In diesem Zusammenhang hat mich das<br />

Buch »Fotografie als Meditation« von<br />

Torsten Andreas Hoffman fasziniert.<br />

Der Autor zeigt uns den engen Zusammenhang<br />

zwischen japanischer Zen-<br />

Philosophie und der künstlerischen<br />

Fotografie. Er weist an Hand von vielen<br />

Bildbeispielen nach, wie wichtig der<br />

Seelenzustand des Fotografen für das<br />

Gelingen seiner Bilder ist.<br />

Der geneigte Leser dieses Magazins<br />

wird mich sicherlich nicht verdächtigen<br />

besonders esoterisch zu sein, dennoch<br />

hat mich diese andere Sichtweise<br />

von Herrn Hoffman doch sehr beeindruckt<br />

- insbesondere durch seine philosphischen<br />

Bildanalysen.<br />

Manfred Kriegelstein<br />

Wir kommen nicht daran vorbei, dass<br />

Landschafts-und Naturbilder sicherlich<br />

einen großen, wenn nicht sogar den<br />

größten Teil der deutschen Fotoszene<br />

beherrschen. Das liegt sicherlich zum<br />

einen Teil daran, dass insbesondere für<br />

Anfänger das Ablichten von Personen<br />

noch eine gewisse Hemmschwelle darstellt.<br />

Ich denke aber, dass die innere<br />

Naturverbundenheit vieler Menschen<br />

der Hauptgrund für diese große fotografische<br />

Affinität ist. Wie auch immer,<br />

das aktualisierte Werk von Schaub hilft<br />

allen Naturfotografen zu besseren Bildern<br />

zu kommen.<br />

Von Makroaufnahmen über Landschaftsund<br />

Tierfotografie wird alles gut erklärt<br />

und mit diversen tollen Bildbeispielen<br />

untermauert.<br />

Mir ist besonders sympathisch, dass<br />

der Autor in seinen Lektionen nicht auf<br />

perfekte aber langweilige Biologiebuch-<br />

Illustrationen zielt, sondern sich auch<br />

umfassend der kreativen Umsetzung<br />

dieses Themas widmet.<br />

Für Naturfotografen eine absolute Empfehlung!<br />

Manfred Kriegelstein<br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

69


Vorschau 4/<strong>2013</strong><br />

<strong>brennpunkt</strong> 4-<strong>2013</strong><br />

erscheint am<br />

4. Oktober <strong>2013</strong><br />

Leserfotos<br />

Browse Fotofestival<br />

<strong>2013</strong><br />

Foto-Marathon Berlin<br />

<strong>2013</strong><br />

© Thomas Lingens, »Rudolf Holtappel«, <strong>2013</strong><br />

© Thomas Lingens, »Thomas Hoepker«, <strong>2013</strong><br />

Portfolio<br />

Beide Fotografinnen leben und arbeiten<br />

in Berlin. Mit unterschiedlicher<br />

Sichtweise gehen sie an die Fotografie<br />

heran.<br />

Diese beiden Portfolios sind das Ergebnis<br />

des <strong>brennpunkt</strong> AWARDS <strong>2013</strong>, anlässlich<br />

des »browse Fotofestival Berlin«.<br />

In den nächsten <strong>brennpunkt</strong> Ausgaben<br />

werden wir weitere Portfolios der<br />

Gewinner veröffentlichen.<br />

© Birgit Bergmann © Charlotte Thömmes<br />

Birgit Bergmann<br />

»Maybachufermarkt«<br />

Was bedeutet die Fotografie für mich?<br />

Fotografieren ähnelt in meinen Augen<br />

einem Gespräch. Statt zuzuhören, beobachte<br />

ich. Statt zu reden, fotografiere<br />

ich.<br />

Gute Fotografie entsteht nur im Dialog<br />

zwischen Fotograf und Fotomotiv. Die<br />

Kunst dabei ist es zu beobachten und<br />

zuzuhören – im richtigen Moment zu<br />

reden … und im richtigen Moment zu<br />

schweigen und zu fotografieren.<br />

Charlotte Thömmes<br />

»Memory & Imagination«<br />

In meiner Serie »Memory & Imagination«<br />

zeige ich fragmentarische Momente,<br />

Bruchteile von Sekunden, die sich vor<br />

meinem Auge ausdehnten. Traumartige<br />

Sequenzen, in denen ich die Flüchtigkeit<br />

des Lebens festzuhalte.<br />

Fotografie ist Abbild der Vergangenheit,<br />

gelebte Zeit, dennoch versuche ich in<br />

meinen Bildern nicht mein subjektives<br />

Konstrukt der Realität einzufangen,<br />

sondern möchte den Betrachter anregen,<br />

seine Wahrnehmung zu hinterfragen.<br />

Absichtlich jeder Verortung entrissen,<br />

gebe ich dem Rezipienten die Möglichkeit<br />

eigenen Assoziationen hervorzurufen.<br />

70 <strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong>


Vorschau 4/<strong>2013</strong><br />

<strong>brennpunkt</strong> 3/<strong>2013</strong><br />

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Galerien<br />

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