01.03.2014 Aufrufe

"Das allzu kluge Baby" als PDF herunterladen - Hanser ...

"Das allzu kluge Baby" als PDF herunterladen - Hanser ...

"Das allzu kluge Baby" als PDF herunterladen - Hanser ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Herausgegeben von Michael Krüger. Gebunden. 272 Seiten<br />

Mit vielen farbigen Illustrationen. € 19,90 [D] / UVP sFr 27,90 / € 20,50 [A]<br />

ISBN 978-3-446-24318-7. © Carl <strong>Hanser</strong> Verlag, München


<strong>Das</strong><strong>allzu</strong><br />

<strong>kluge</strong>Baby<br />

HansMagnusEnzensberger<br />

Milli wollte schon immer eine kleine Schwester haben. Mit Max,<br />

ihrem älteren Bruder, war sie unzufrieden, weil der sie immer<br />

plagte und nie mit ihr spielen wollte. Der dachte doch immer<br />

nur an seinen Fußball und an seine Computerspiele.<br />

Eines Abends hörte Milli, wie ihre Eltern im Schlafzimmer<br />

miteinander stritten. »Du bist wohl verrückt«, rief ihr Vater.<br />

»Noch ein Gör, das hat uns gerade noch gefehlt!« <strong>Das</strong> merkte sie<br />

sich, aber natürlich sagte sie nichts zu ihrer Mutter. So dumm<br />

war Milli nicht.<br />

Aber dann, <strong>als</strong> sie kurz vor Weihnachten zur Post ging – sie<br />

musste die Päckchen für ihre Tanten aufgeben, die in Oldenburg,<br />

in Kanada und in Zuffenhausen wohnten, da fiel ihr an dem Pult,<br />

wo man die Paketzettel ausfüllt, eine elegante Dame mit einem<br />

Körbchen auf, die sich nervös umsah, bevor sie den Deckel lüftete.<br />

Was macht die denn da, fragte sich Milli; die sieht mir ganz<br />

so aus, <strong>als</strong> hätte sie ein schlechtes Gewissen! Die Dame ging auch<br />

nicht zum Schalter, sondern rannte plötzlich zur Tür hinaus auf<br />

die Straße. »Sie haben Ihr Körbchen liegen lassen«, rief Milli ihr<br />

nach, aber da war die Dame schon verschwunden.<br />

In dem Körbchen lag aber kein Weihnachtsstollen, sondern<br />

ein Baby, das zufrieden vor sich hin krähte. Allerdings war es<br />

sehr, sehr winzig, zwar größer <strong>als</strong> eine Briefmarke, aber kleiner<br />

129 Nikolaus Heidelbach die zukunft ist<br />

auch nicht mehr das, was sie war


<strong>als</strong> Millis Haarbürste. Dafür war es aber gut eingewickelt. Milli<br />

konnte das beurteilen, denn sie wusste natürlich, dass man<br />

Babys jeden Tag mindestens viermal ein- und auswickeln muss.<br />

Zu Hause zeigte sie ihr Mitbringsel vorsichtshalber zuerst ihrer<br />

Mutter, die sofort begeistert über diesen Zuwachs der Familie war.<br />

»Ein Frühchen«, sagte sie. »Bisschen klein, aber das wird schon<br />

noch, wenn man es richtig füttert. Jetzt muss ich nur deinen<br />

alten Kinderwagen aus dem Keller holen.« – »Nicht nötig«, versicherte<br />

Milli, »ich nehme es einfach in meiner Manteltasche mit,<br />

und wenn es draußen schneit, stecke ich es vorsichtig in meinen<br />

Handschuh, damit es sich nicht erkältet.«<br />

Millis Vater war weniger angetan. »Wo hast du es überhaupt<br />

aufgegabelt?« Die Geschichte von der Dame im Postamt wollte er<br />

nicht glauben. »<strong>Das</strong> wird allerhand Scherereien geben. Ich sehe<br />

es schon kommen. Überall Fläschchen und Windeln, und nachts<br />

wird es keine Ruhe geben. Ich weiß, wovon ich rede!« – »Du bist<br />

gemein«, schimpfte Milli. »Du musst doch zugeben, dass es niedlich<br />

ist.«<br />

»<strong>Das</strong> ist mir ganz egal. Bring es gefälligst dorthin zurück, wo<br />

du es hergeholt hast.« Mürrisch zog sich der Vater in sein Arbeitszimmer<br />

zurück.<br />

Auch Max beschwerte sich. »<strong>Das</strong> ist doch gar kein richtiges<br />

Baby«, wandte er ein. »So ein kümmerliches Ding! Wahrscheinlich<br />

hast du es geklaut. In mein Zimmer kommt es auf gar keinen<br />

Fall. Ich will meine Ruhe haben.«<br />

Nach ein paar Tagen hatten sich alle an das Baby gewöhnt,<br />

weil es keinen Krach machte und alle anlächelte. Am Heiligen<br />

Abend schlich sich Milli vor der Bescherung ins Wohnzimmer<br />

und hängte das Baby an einem goldenen Bändchen an den<br />

Christbaum.<br />

»Wer hat das Baby hingehängt?«, fragte ihr Vater. »<strong>Das</strong> ist der<br />

beste Platz im ganzen Haus, weil ich hier schaukeln kann«, antwortete<br />

das Baby mit glockenheller Stimme, »und wenn es Sie<br />

stört, können Sie mich ja in eine Schachtel tun.«<br />

»Warum siezt du uns?«, fragte Milli. »Du bist doch meine klei-<br />

130 Hans Magnus Enzensberger


ne Schwester!« Es war ihr gar nicht aufgefallen, dass das Baby fließend<br />

Deutsch sprach. »Allerhand für acht Wochen«, sagte Millis<br />

Mutter stolz. »<strong>Das</strong> müsst ihr zugeben.«<br />

»Vorlaut ist es auch noch«, schrie Max. »Am besten, ich hole<br />

meine Fliegenpatsche, dann wird es endlich Ruhe geben, und<br />

wir können O Tannenbaum singen.« Damit war nicht einmal Millis<br />

Vater einverstanden; denn er war Wissenschaftler von Beruf, und<br />

die ungewöhnlichen Fähigkeiten des Babys hatten seine Neugier<br />

geweckt. »Seid mal alle still!«, befahl er. »Seht ihr, wie behände es<br />

von Ast zu Ast klettert? Es erinnert mich an ein Rhesusäffchen.<br />

Mal sehen, ob es versteht, was ich ihm sage.«<br />

»Natürlich habe ich alles mitgekriegt: Sie bilden sich ein, dass<br />

ich Ihnen Scherereien mache, und wollen mich sobald wie möglich<br />

wieder loswerden. Überall Fläschchen und Windeln, haben<br />

Sie gesagt, und nachts, glauben Sie, würde ich keine Ruhe geben.«<br />

Dies ist nur der Anfang einer Geschichte. Der Autor würde sich freuen,<br />

wenn andere den Faden aufnähmen. Jeder, dem dazu etwas einfällt, ist<br />

willkommen. Hier noch ein paar einfache Fragen, die dabei helfen können,<br />

die Erzählung fortzusetzen:<br />

Hat sich denn keiner danach erkundigt, wo das Baby eigentlich herkommt?<br />

Es muss doch Geburtskliniken oder Babyklappen oder Standesämter<br />

geben, die sich um so etwas kümmern? Wahrscheinlich gibt es sogar<br />

irgendwo eine Geburtsurkunde – es sei denn, das Baby ist gar kein<br />

Baby, sondern ein Engel (der Autor selbst glaubt das allerdings nicht).<br />

Ist es denn nie getauft worden? Wenn nicht, wie soll es heißen? Wird<br />

es darüber Streit geben? Wird der Vater das Baby in sein Forschungslabor<br />

bringen, um es zu testen? Warum zieht die Mutter keinen Kinderarzt<br />

hinzu, obwohl das Baby viel zu klein ist? Wie schnell wächst es?<br />

Kann es nicht nur schaukeln und klettern, sondern auch schon gehen?<br />

<strong>Das</strong> alles ginge ja noch. Doch der eigentliche Skandal sind seine abnormen<br />

intellektuellen Fähigkeiten. <strong>Das</strong> <strong>allzu</strong> <strong>kluge</strong> Baby spricht nicht<br />

nur wie ein zwölfjähriges Kind, es kommt auch ohne Weiteres mit einem<br />

Taschenrechner, einem Smartphone und mit dem Computer des Vaters<br />

zurecht. <strong>Das</strong> verunsichert und erbittert vor allem Millis Bruder Max, der<br />

131 <strong>Das</strong> <strong>allzu</strong> <strong>kluge</strong> Baby


plötzlich <strong>als</strong> Halbidiot dasteht, obwohl das Baby alles tut, um ihn zu<br />

beruhigen.<br />

Wie lange wird es dauern, bis Nachbarn, Verwandte und Besucher<br />

bemerken, dass mit diesem Kind irgendetwas nicht stimmt? Auch im<br />

Institut des Vaters verbreiten sich Gerüchte. Manche seiner Mitarbeiter<br />

sagen, bei seinen Versuchen gehe es nicht mit rechten Dingen zu. Und was<br />

passiert, wenn die Medien davon Wind bekommen? Wie wird das <strong>allzu</strong><br />

<strong>kluge</strong> Baby mit ihnen umgehen?<br />

Wie kann die Geschichte weitergehen? Wer will, kann uns seine Fortsetzung<br />

schicken.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!