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„Ein Rockstar macht, was er will“ - Hessischer Rundfunk

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02 | März/April | 2013<br />

7<br />

politik<br />

Rumlung<strong>er</strong>n vorm Kanzl<strong>er</strong>amt<br />

Die Jagd nach d<strong>er</strong> Nachricht: Wie kommen Polit-Journalisten in B<strong>er</strong>lin an Informationen? Jan Garv<strong>er</strong>t, Hörfunkkorrespondent<br />

des Hessischen <strong>Rundfunk</strong>s im ARD-Hauptstadtstudio, üb<strong>er</strong> Beharrlichkeit vor v<strong>er</strong>schlossenen<br />

Türen, v<strong>er</strong>trauliche Mitteilungen und die richtigen Fragen.<br />

VIP-GEFLÜSTER<br />

Von Holg<strong>er</strong> Wein<strong>er</strong>t<br />

Holg<strong>er</strong> Wein<strong>er</strong>t mod<strong>er</strong>i<strong>er</strong>t die „Hessenschau“,<br />

tägl., 19.30 Uhr, im hr-f<strong>er</strong>nsehen.<br />

Eine neue Folge sein<strong>er</strong> Adelss<strong>er</strong>ie „Hessische<br />

Hoheiten“ läuft am Ost<strong>er</strong>montag,<br />

1. April, 10.45 Uhr, im hr-f<strong>er</strong>nsehen<br />

Foto: hr/Andreas Frommknecht<br />

Medienauftritt im Kanzl<strong>er</strong>amt: die Gen<strong>er</strong>alsekretäre Döring, Gröhe und Dohrindt, daneben hr-Report<strong>er</strong> Garv<strong>er</strong>t (v. l.)<br />

Es ist Januar, und ich lung<strong>er</strong>e abends<br />

vorm Kanzl<strong>er</strong>amt h<strong>er</strong>um. „Rumlung<strong>er</strong>n“<br />

ist hi<strong>er</strong> in d<strong>er</strong> Hauptstadt eine beliebte<br />

Tätigkeit unt<strong>er</strong> Journalisten. Warten vor<br />

v<strong>er</strong>schlossenen Türen, zu jed<strong>er</strong> Tagesund<br />

Nachtzeit. So wie an diesem Abend.<br />

Die Bundespolizei, die das Kanzl<strong>er</strong>amt<br />

bewacht, lässt uns im warmen Wachhäuschen<br />

warten. Im Kanzl<strong>er</strong>amt b<strong>er</strong>aten<br />

Angela M<strong>er</strong>kel, Horst Seehof<strong>er</strong> und<br />

Philipp Rösl<strong>er</strong> üb<strong>er</strong> eine Auswahl ihr<strong>er</strong><br />

Streitigkeiten. Es geht um Rente und<br />

En<strong>er</strong>giewende. Diesmal müssen wir Journalisten<br />

nicht lange warten. Eine Mitarbeit<strong>er</strong>in<br />

des Kanzl<strong>er</strong>amts ruft: „Wir können!“<br />

Rüb<strong>er</strong> ins Foy<strong>er</strong> des Kanzl<strong>er</strong>amts,<br />

Mikrofon an … und es treten auf: H<strong>er</strong>mann<br />

Gröhe, Alexand<strong>er</strong> Dobrindt und<br />

Patrick Döring, die Gen<strong>er</strong>alsekretäre von<br />

CDU, CSU und FDP. Gröhe setzt an:<br />

„Meine Damen, meine H<strong>er</strong>ren, nach dies<strong>er</strong><br />

Sitzung des Koalitionsausschusses<br />

teile ich Ihnen g<strong>er</strong>ne mit, dass wir in ausgesprochen<br />

gut<strong>er</strong>, kam<strong>er</strong>adschaftlich<strong>er</strong><br />

Atmosphäre das ge<strong>macht</strong> haben, <strong>was</strong> wir<br />

uns im letzten Jahr vorgenommen hatten,<br />

nämlich zukünftig regelmäßig<strong>er</strong> vor<br />

den Vorb<strong>er</strong>eitungen d<strong>er</strong> Bundesratssitzungen<br />

zusammenzukommen ...“<br />

Gut zehn Minuten lang sprechen die<br />

Gen<strong>er</strong>alsekretäre solche langen Sätze,<br />

die bedeutungsvoll klingen sollen, um<br />

zu kaschi<strong>er</strong>en, dass sie uns an diesem<br />

Abend eigentlich nichts zu sagen haben.<br />

Dass man dieses „Nichts“ besond<strong>er</strong>s gut<br />

hören können muss, habe ich hi<strong>er</strong> in<br />

B<strong>er</strong>lin schnell gel<strong>er</strong>nt. Int<strong>er</strong>essant ist<br />

nämlich oft das, <strong>was</strong> nicht gesagt wird.<br />

Wie vor einig<strong>er</strong> Zeit in d<strong>er</strong> Regi<strong>er</strong>ungspressekonf<strong>er</strong>enz.<br />

Damals gab es<br />

G<strong>er</strong>üchte, Minist<strong>er</strong>ium X arbeite daran,<br />

das Gesetz Y zu änd<strong>er</strong>n. Ich fragte nach:<br />

„Gibt es so einen Plan?“ Antwort des<br />

Sprech<strong>er</strong>s: Es gebe keinen „konz<strong>er</strong>ti<strong>er</strong>ten<br />

Gesetzentwurf“. Int<strong>er</strong>essant.<br />

Ab<strong>er</strong> ob es einen Gesetzentwurf gibt,<br />

hatte ich gar nicht gefragt. Die Frage war<br />

die nach d<strong>er</strong> Absicht, also: „Wenn Sie gestatten,<br />

eine Nachfrage<br />

...“ Außenstehende<br />

schütteln oft<br />

den Kopf, wenn sie<br />

dieses Spielchen<br />

mitbekommen: die<br />

bohrenden Journalistenfragen<br />

und<br />

die ausweichenden<br />

Antworten d<strong>er</strong> sich<br />

windenden Sprech<strong>er</strong>.<br />

Manchmal hat<br />

es groteske Züge, oft ist es ärg<strong>er</strong>lich,<br />

gelegentlich fühlt man sich für dumm<br />

v<strong>er</strong>kauft. Ab<strong>er</strong> belügen dürfen uns die<br />

Sprech<strong>er</strong> (eigentlich) nicht. Richtig<br />

gefragt, hat man eine Chance, auch Antworten<br />

zu bekommen.<br />

Viel wichtig<strong>er</strong> sind ab<strong>er</strong> die p<strong>er</strong>sönlichen<br />

Kontakte zu Abgeordneten und<br />

die Hint<strong>er</strong>grundgespräche. Bei diesen<br />

Treffen können uns Minist<strong>er</strong> und Abgeordnete<br />

ihre Sicht d<strong>er</strong> Dinge offen<strong>er</strong> darlegen,<br />

ihre Strategien <strong>er</strong>klären – und<br />

sogar mal Fehl<strong>er</strong> zugeben. Für uns sind<br />

diese Kontakte wichtig, um spät<strong>er</strong> an<br />

and<strong>er</strong><strong>er</strong> Stelle die richtigen Fragen stellen<br />

zu können. Ganz nebenbei l<strong>er</strong>nen<br />

wir die Politik<strong>er</strong> auch als Menschen kennen.<br />

Natürlich v<strong>er</strong>suchen sie auch hi<strong>er</strong><br />

zu inszeni<strong>er</strong>en. Diese Hint<strong>er</strong>grundgespräche<br />

laufen meistens „unt<strong>er</strong> drei“.<br />

Dies<strong>er</strong> Ausdruck bezieht sich auf eine<br />

Sprachregelung aus d<strong>er</strong> Satzung d<strong>er</strong><br />

Für den hr-Hörfunk in B<strong>er</strong>lin: Jan Garv<strong>er</strong>t<br />

<br />

Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Eric Thevenet<br />

Foto: pa/dpa<br />

Bundespressekonf<strong>er</strong>enz: „Die Mitteilungen<br />

(...) <strong>er</strong>folgen: unt<strong>er</strong> 1. zu beliebig<strong>er</strong><br />

V<strong>er</strong>wendung od<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> 2. zur V<strong>er</strong>w<strong>er</strong>tung<br />

ohne Quelle (...) od<strong>er</strong> unt<strong>er</strong> 3. v<strong>er</strong>traulich.“<br />

Diese Regeln w<strong>er</strong>den ab<strong>er</strong><br />

imm<strong>er</strong> wied<strong>er</strong> gebrochen. Manchmal<br />

legen es Politik<strong>er</strong> auch darauf an, dass<br />

Informationen aus<br />

ein<strong>er</strong> solchen Runde<br />

nach außen dringen.<br />

Pe<strong>er</strong> Steinbrück ist<br />

in so einem Hint<strong>er</strong>grundkreis<br />

zum<br />

Kanzl<strong>er</strong>kandidaten<br />

d<strong>er</strong> SPD ausg<strong>er</strong>ufen<br />

worden.<br />

Als die drei Gen<strong>er</strong>alsekretäre<br />

an diesem<br />

Abend ihre<br />

nichtssagenden Statements im Foy<strong>er</strong><br />

des Kanzl<strong>er</strong>amts beenden, stelle ich<br />

mich noch in die Journalistentraube um<br />

Döring, den FDP-Gen<strong>er</strong>alsekretär. Nachfragen<br />

und zuhören unt<strong>er</strong> drei. Natürlich!<br />

Meine Radiokollegen vom Bay<strong>er</strong>ischen<br />

und vom Westdeutschen <strong>Rundfunk</strong><br />

stehen ein paar Met<strong>er</strong> weit<strong>er</strong> bei<br />

Dobrindt und Gröhe. Kurz bevor wir die<br />

drei Minuten vom Kanzl<strong>er</strong>amt ins ARD-<br />

Hauptstadtstudio zurückradeln, tauschen<br />

wir uns aus. Auch das ist öffentlich-rechtlich<strong>er</strong><br />

Radiojournalismus: die<br />

gute Zusammenarbeit zwischen den<br />

einzelnen ARD-Radios, ohne die vieles<br />

nicht möglich wäre. Im Studio spreche<br />

ich einen kurzen Korrespondentenb<strong>er</strong>icht<br />

für die nächste Hörfunknachrichtensendung.<br />

Ein paar Minuten spät<strong>er</strong><br />

melden die hr-Radioprogramme:<br />

„Schwarz-Gelb v<strong>er</strong>tagt seine Konfliktthemen<br />

…“. [Jan Garv<strong>er</strong>t] n<br />

Bye-bye, Trix!<br />

Uns<strong>er</strong>e Beatrix dankt ab. „Uns<strong>er</strong>e“,<br />

weil sie d<strong>er</strong> nassauischen, also hessischen<br />

Dynastie entstammt. Und<br />

es gibt einige Königstreue in Dillenburg,<br />

dem Stammsitz ihres Ahnh<strong>er</strong>rn<br />

Wilhelm von Nassau – während<br />

wir schon fast v<strong>er</strong>gessen<br />

haben, dass Nassau eines d<strong>er</strong> drei<br />

großen Staatsgebilde des Absolutismus<br />

in Hessen war.<br />

Mit Beatrix geht mehr als ein<br />

Jahrhund<strong>er</strong>t beispiellos<strong>er</strong> Kontinuität<br />

in den Nied<strong>er</strong>landen zu Ende.<br />

1890 wurde Königin Emma, Witwe<br />

Wilhelms III., Regentin d<strong>er</strong> Nied<strong>er</strong>lande.<br />

Sie kam einst im Barockschloss<br />

Arolsen zur Welt und war<br />

eine Waldeckische, also hessische<br />

Prinzessin. 1898 bestieg offiziell<br />

ihre 18-jährige Tocht<strong>er</strong> Wilhelmina<br />

den Thron, die ihn sage und<br />

schreibe bis 1948 behielt. Danach<br />

regi<strong>er</strong>te Königin Juliane bis 1980.<br />

Von 1898 bis 2013 gab es in Holland<br />

also nur drei Königinnen – so viele<br />

Bundespräsidenten haben wir in<br />

den v<strong>er</strong>gangenen drei Jahren <strong>er</strong>lebt.<br />

Das <strong>macht</strong> selbstv<strong>er</strong>ständlich ein<br />

bisschen neidisch. D<strong>er</strong> Ruhe wegen.<br />

Und alle drei haben ihre Sache gut<br />

ge<strong>macht</strong>.<br />

Egal, w<strong>er</strong> in Holland regi<strong>er</strong>t, sie<br />

od<strong>er</strong> demnächst <strong>er</strong> ist imm<strong>er</strong> beliebt.<br />

Das klappte sogar mit Prinz<br />

Claus, dem zweiten deutschen<br />

Prinzgemahl nach Prinz B<strong>er</strong>nhard,<br />

den Beatrix in Kronb<strong>er</strong>g kennenl<strong>er</strong>nte.<br />

Das war in den Sechzig<strong>er</strong>n.<br />

Wenn wir damals nach Holland<br />

zum Butt<strong>er</strong>kaufen fuhren, wurden<br />

wir als Nazis beschimpft. Was<br />

meine Familie angeht zu Unrecht,<br />

ab<strong>er</strong> es war ja g<strong>er</strong>ade mal zwanzig<br />

Jahre h<strong>er</strong>, dass die Nazis die Nied<strong>er</strong>lande<br />

besetzt hatten. Es gab heftige<br />

Proteste gegen diese Ehe und eine<br />

Hochzeitsparade mit Molotowcocktails.<br />

Doch selbst das <strong>macht</strong>e<br />

auf die Dau<strong>er</strong> nichts aus. M<strong>er</strong>ke:<br />

Monarchie ist heute harmlos und<br />

hält ein Volk zusammen.

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