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das argument - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Bernd Gäbler<br />

Neue Subjektivität oder alter Privatismus ?<br />

Kritik an Waldhube'<<br />

Es ist offenbar <strong>das</strong> Anliegen Waldhubels, aus der Perspektive des Lehrenden <strong>das</strong> Phänomen<br />

zu analysieren, daß viele Studenten, die der spontaneistischen Bewegung zuzurechnen<br />

sind, neue Fragen an den Universitätsbetrieb stellen. Er will aufzeigen, was die<br />

Fragen, Denk- und Verhaltenstopoi innerhalb dieser Strömung »im Grunde genommen«<br />

ausdrücken, die Ansprüche innerhalb dieser Strömung abklopfen und auf Gefahren<br />

der Verirrung hinweisen. Wenn wir Thomas Waldhubel recht verstehen, hält er<br />

letztlich eine Ergänzung der Praxis der demokratischen Bewegung an den Hochschulen<br />

durch die Dimensionen, die die Spontibewegung aufgetan habe, für nötig.<br />

Wir meinen, daß es Thomas Waldhubel nicht gelingt, der Spontibewegung auf den<br />

Grund zu gehen. Sie zerfällt ihm in die großen neuen Dimensionen, die sie erschließe<br />

einerseits und die einzelnen Schwächen, die es zu korrigieren gelte, andererseits. Eine<br />

organische Vermittlung dieser Seiten gelingt ihm nicht. Weil Waldhubel die objektiven<br />

sozialen und politischen Prozesse. die der spontaneistischen Strömung zugrundeliegen,<br />

ausblendet, versagt er sich, <strong>das</strong> klassenmäßige Wesen und den politisch-ideologischen<br />

Kern dieser Strömung zu erfassen. In seiner Analyse begnügt sich der Autor mit dem<br />

von dem Selbstverständnis der Spontis abgesteckten Rahmen. Von der Beschreibung<br />

des erlebten Leidensalltags an der Uni geht er unmittelbar zu den Äußerungsformen<br />

des Spontiprotests über. Er sitzt damit dem von der Spontibewegung selbst errichteten<br />

Schein, etwas völlig Neues zu sein, auf, statt ihn zu durchdringen.<br />

In seiner Denkbewegung von der Uni als »Lernfabrik«, den dortigen Formen der wissenschaftlichen<br />

Sozialisation unmittelbar hin zur Rezeptions- und Reaktionsweise der<br />

Spontis bleibt er in der »Unmittelbarkeit« befangen, die die Spontis für ihre Reaktion<br />

reklamieren. Die Vorstellung von solcherart »spontaner« Bewußtseinsbildung ist letztlich<br />

mechanistisch. Sie sieht von allen Vermittlungsformen ab. Sowohl <strong>das</strong> Niveau der<br />

gesamtgesellschaftlichen Klassenkämpfe wie die historischen Resultate und <strong>das</strong> aktuelle<br />

Niveau der Studentenbewegung selbst gehen doch in die Bewußtseinsbildung auch des<br />

»spontan« Protestierenden ein. Selbst die Rezeption des Unialltags ist ja - dafür ist<br />

Thomas Waldhubcl selbst ein schönes Beispiel - nicht so naiv, wie mancher Sponti<br />

glauben machen will, sondern theoriegeleitet, wie wenig diese auch expliziert sein mag.<br />

Neben der Erörterung ihres klassenmäßigen Hinrergrundes gehört zur Kritik der Spontibewegung<br />

deshalb auch die Frage nach ihren ideologischen Bezügen und Traditionen.<br />

Wenn wir insgesamt zu anderen Resultaten kommen als Waldhubei, so hat dies<br />

nichts damit zu tun, daß wir die Anlässe des Leidens, <strong>das</strong> sich u.a. auch in der spontaneistischen<br />

Strömung ausdrückt, nicht ernst nähmen. Die existenzielle Verunsicherung<br />

und Perspektivlosigkeit, die Ablehnung der im Kapitalismus pervertierten Form der<br />

Produktivkraftentwicklung, durch die menschliche Fähigkeiten zahlreich verkrüppelt<br />

statt entwickelt werden, die Beunruhigung über die Zerstörung der natürlichen Um-<br />

Seitenzahlen in Klammern beziehen sich auf Thomas WaldhubeI: Sponti-Bewegung: Flucht in<br />

den Alltag? in: Das Argument 113.8-20.<br />

DAS ARGUMEr--:T 120,11980

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