Nr. 29, März 2008 - Evangelische Pfarrgemeinde Innsbruck ...
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WORT DES PFARRERS<br />
Seite 3<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser!<br />
„Der Karfreitag ist ja bei euch Protestanten der<br />
höchste Feiertag“, hat kürzlich jemand gemeint<br />
und damit sicher die Meinung der meisten Tiroler<br />
ausgesprochen: Die Katholiken feiern<br />
Ostern ganz besonders, während für die <strong>Evangelische</strong>n<br />
der Karfreitag wichtiger ist.<br />
Mir scheint, auch hier hat sich einiges geändert:<br />
Als ich vor knapp 40 Jahren nach <strong>Innsbruck</strong><br />
kam, waren die beiden evangelischen<br />
Kirchen am Karfreitag viermal voll, während die<br />
Gottesdienste am Ostersonntag gut besuchte<br />
Sonntagsgottesdienste waren. Inzwischen<br />
wird in beiden Kirchen die Osternacht gefeiert,<br />
und beidemale sind die Kirchen gut gefüllt.<br />
Und die Karfreitagsgottesdienste sind gut besucht<br />
– aber freie Plätze gibt es durchaus noch.<br />
In dieser „Abstimmung mit den Füßen“ zugunsten<br />
des Osterfests drückt sich sicherlich ein<br />
Generationenwechsel aus: „Das ist ja katholisch“<br />
war vor 40 Jahren noch ein schlagendes<br />
Argument. Inzwischen können eben hunderte<br />
<strong>Evangelische</strong> „unsere“ Osternacht mitfeiern,<br />
ohne sich daran zu stoßen, dass es solche<br />
Gottesdienste bei uns noch gar nicht so lange<br />
gibt.<br />
Abschied vom Karfreitags-Christentum<br />
In der Schwerpunktverlagerung des Gottes-<br />
Buchtipp<br />
Erich Emmanuel Schmitt:<br />
“Oskar und die Dame in Rosa"<br />
Karfreitag oder Ostern?<br />
dienstbesuchs hin zum Osterfest drückt sich<br />
aber noch ein weiterer Bewußtseinswandel<br />
aus, scheint mir: Viele Menschen tun sich<br />
schwer mit der Lehre vom „Kreuzesopfer“<br />
Jesu, und so bringt ihnen der Karfreitag vor<br />
allem Probleme. Dagegen kann die Osterbotschaft<br />
auch für sie Lebenshilfe sein.<br />
Im Mittelalter wurde ja ins Zentrum der kirchlichen<br />
Lehre und Frömmigkeit gestellt, dass<br />
alle Menschen durch ihre Schuld den Zorn<br />
Bild: W.Holl<br />
des gerechten Gottes auf sich laden und die<br />
ewige Verdammnis verdient haben. Nun<br />
aber hat Gott seinen Sohn am Kreuz geopfert.<br />
Durch diese unendliche Genugtuung<br />
im stellvertretenden Leiden und Sterben Jesu<br />
wird nun Rettung, Erlösung möglich. Der<br />
mittelalterliche Katholizismus hob dabei die<br />
Zum Inhalt: Oskar ist ein Junge von zehn Jahren,<br />
aber er weiß, dass er sterben wird. „Eierkopf“<br />
nennen ihn die anderen Kinder im Krankenhaus.<br />
Doch das ist nur ein Spitzname und tut nicht weiter<br />
weh. Schlimmer ist, dass seine Eltern Angst<br />
haben, mit ihm über die Wahrheit zu reden. Weder<br />
Chemotherapie noch Knochenmarkstransplantation<br />
können sein Leben retten. Nur die ehemalige<br />
Catcherin Oma Rosa hat den Mut, zusammen<br />
mit Oskar über seine Fragen nachzudenken.<br />
Sie rät ihm, jeden Tag einen Brief an den<br />
lieben Gott zu schreiben und ihm alles zu sagen,<br />
was ihn bewegt. Oskar, der nicht mal an den<br />
Weihnachtsmann geglaubt hat, findet die Idee<br />
nicht wirklich prima. Doch die pragmatische Oma<br />
Rosa entgegnet ihm: „Sorg dafür, dass es ihn<br />
gibt. Du würdest dich weniger einsam fühlen.“<br />
Und sie bringt ihn dazu, sich jeden noch verbleibenden<br />
Tag wie zehn Jahre seines Lebens vorzustellen.<br />
Auf wundersame Weise durchlebt<br />
Oskar ein ganzes Menschenleben: erste Liebe,<br />
Eifersucht, Midlifecrisis und das Alter. Glücklich,<br />
erschöpft und manchmal auch enttäuscht erzählt<br />
er dem lieben Gott davon. Bis zu jenem Augenblick,<br />
in dem er zu müde ist, um noch ein wenig<br />
älter zu werden.<br />
In diesem schmalen Bändchen von knapp 100<br />
großgedruckten Seiten gelingt es dem Autor in<br />
einfacher und ungekünstelter Kindersprache das<br />
schwierige Problem von Krankheit und Tod eines<br />
Kindes mutig und unerschrocken anzunehmen<br />
und Wege aufzuzeigen, wie man einer solchen Situation<br />
offen begegnen kann. Ohne große Worte,<br />
schlicht ergreifend, bisweilen tief traurig und stellenweise<br />
sogar komisch und zum Schmunzeln.<br />
Ich habe selten ein Buch in einem Zug gelesen,<br />
das mich so tief berührt hat.<br />
Bernhard Groß<br />
Rolle der Kirche als Gnadenvermittlerin<br />
hervor,<br />
während die Reformatoren<br />
die Wichtigkeit des<br />
persönlichen Glaubens betonten. Dass Jesus für<br />
unsere Schuld stellvertretend geopfert worden<br />
ist, blieb unbestritten – lesen sie sich nur unsere<br />
Karfreitagslieder durch!<br />
Damals hat diese Botschaft befreiend, erlösend<br />
gewirkt. Heute lehnen die meisten Menschen das<br />
Bild eines zürnenden, rächenden Gottes ab und<br />
können mit dem Gedanken einer stellvertretenden<br />
Bestrafung und Opferung nichts anfangen.<br />
Karfreitag und Ostern<br />
Ich kann das gut verstehen und werde mich hüten,<br />
jemandes Glauben deshalb in Frage zu stellen.<br />
Ich persönlich sehe im Kreuz Jesu vor allem<br />
das Zeichen dafür, wozu unsere Gemeinheit, Gewalt<br />
und Niedertracht fähig sind, und gleichzeitig<br />
Gottes Zusage, dass er uns auch im tiefsten Leid<br />
nahe ist. Und ich feiere zu Ostern die Botschaft,<br />
dass Gottes Liebe stärker ist als alles andere,<br />
stärker auch als der Tod. Das gibt mir Mut und<br />
Hoffnung. Denn der Herr ist auferstanden, er ist<br />
wahrhaftig auferstanden – halleluja!<br />
Bernd Hof<br />
Seelsorger in Krankenhäusern und Gefängnis