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Neue Bücher - Instytut Książki

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HEITEN/KEITEN<br />

– Maja,<br />

du bist der tollste Mensch der Welt.<br />

– Verzeihung, haben Sie etwas gesagt?<br />

Erst jetzt wurde Maja bewusst, dass sie vom Modus ‚lautloses<br />

Mantra‘ in den Modus ‚gesprochenes Mantra‘ gefallen<br />

war. Sie wurde rot. Nicht, weil sie etwas gesagt hatte.<br />

An den Irren, die in Bussen und Bahnen mit Gott und den<br />

Musen plauderten, konnte sie nichts Schlechtes finden.<br />

Die hatten wenigstens ein Anliegen, da sollten sich eher<br />

die schweigenden Fahrgäste schämen. Aber der Inhalt des<br />

Gesagten beschämte sie. Aus Sicherheitserwägungen heraus,<br />

und mit Rücksicht auf meine Würde, sollte ich wohl<br />

ein weniger persönliches Mantra wählen. Sie schwankte<br />

zwischen den in Sachen Ego neutralen ,,Drängeln Sie nicht<br />

so“ und ,,Die Fahrscheine bitte“; sie würde es mit der ersten<br />

Variante probieren, wenngleich sie bezweifelte, dass diese<br />

ähnlich schnell die Laune heben würde wie „Maja, du bist<br />

der tollste Mensch der Welt“.<br />

Kaum hatte sie den neuen therapeutischen Satz zweimal<br />

im Geiste gesprochen, war diese Stimme wieder da:<br />

– Ich habe es doch gehört. Sie haben etwas gesagt.<br />

Sie kapitulierte. Langsam hob sie den Blick, um die Quelle<br />

des nervenden Geredes ausfindig zu machen. Sie hatte<br />

nichts Besonderes erwartet, einen Lautsprecher vielleicht,<br />

am wenigsten aber das, was sie nun zu sehen bekam. Vor<br />

ihr stand ein breitschultriger Mann um die Dreißig; sorgsam<br />

gegeltes Haar, Rechtsscheitel, ebenmäßige Züge, tadellose<br />

Haut, keine Warze, kein Pickelchen, glatt rasierte<br />

Wangen, der Bartansatz so markant wie die Toleranzgrenze<br />

des Vatikans zur Gleichstellung von Mann und Frau. Unter<br />

dem offenen grauen Mantel blitzte ein schneeweißes Hemd<br />

hervor. Seine Hose hatte sie nicht beachtet, und jetzt wollte<br />

sie den Blick nicht mehr senken – das hätte sicher ausgesehen,<br />

als wollte sie seinen Schritt taxieren, als gehörte sie<br />

zu den sexuell Unterversorgten; selbst wenn es komplett<br />

anders ausgesehen hätte, nun hatte Maja einmal gedacht, es<br />

hätte so ausgesehen und nicht anders, deshalb hielt sie jetzt<br />

mit eisernem Willen den Nacken steif.<br />

Sie wollte ihn Auge in Auge fragen, was er für Hosen<br />

trug, da sie aus übergeordneten, quasi objektiven Gründen<br />

außerstande war, dies selbständig und eigenen Auges in Erfahrung<br />

zu bringen. Glücklicherweise verkniff sie sich die<br />

Frage. Der Mann präsentierte sich für Majas Geschmack<br />

derart aufgeräumt, ordentlich und sauber, dass seine Akkuratesse<br />

übertrieben und irritierend wirkte. Vor ihr stand<br />

der Bilderbuchsohn von Bilderbucheltern.<br />

Ein nervöser Schauder lief ihr über den Rücken: Dieser<br />

Mann war in einer kranken Familie aufgewachsen, allmorgendlich<br />

brachte seine sadistische Mutter ihm das Haar in

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