03.03.2014 Aufrufe

Neue Bücher - Instytut Książki

Neue Bücher - Instytut Książki

Neue Bücher - Instytut Książki

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

TRIEBMITTEL<br />

BERGAMO<br />

„Es fällt mir schwer zu glauben, dass der Schöpfer der neuen<br />

Architektur, einer der Schöpfer des Purismus, diese<br />

mithilfe von Stoffen – Verkaufsgegenständen – zu humanisieren<br />

versucht. Diese ganze sogenannte Renaissance des<br />

französischen Stoffes halte ich für eine Bewegung, die zu<br />

kommerziellen Zwecken ins Leben gerufen wurde, und um<br />

Kapital aus ihr zu schlagen. Eine Bewegung, in die die großen<br />

Künstler mit hineingezogen, und in deren Namen sie<br />

ausgenutzt werden sollen. […] Die Architekten des CIAM<br />

sollten dem entgegenwirken und die Humanisierung der<br />

modernen Architektur auf den ihr entsprechenden Wegen<br />

suchen“, wettert Oskar vom Rednerpult herab und<br />

richtet seine Worte an den, der ihn wenige Monate zuvor<br />

unter seinem Dach beherbergt, mit einem Abendessen bewirtet<br />

und ihm seine Bilder gezeigt hat. Als Oskar endet,<br />

bricht der ganze Raum in Beifall aus. Corbu, der bis dahin<br />

schweigend zugehört hat, applaudiert gemeinsam mit den<br />

anderen.<br />

Pierre Jeanneret hat Oskar hergeholt. Nicht eigentlich<br />

hergeholt, sondern Oskar vielmehr nahegelegt, er müsse<br />

unbedingt nach Bergamo zum CIAM VII kommen, dem 7.<br />

Internationalen Kongess der Modernen Architektur, und<br />

sich anhören, was dort <strong>Neue</strong>s über die Architektur der<br />

Gegenwart gesagt werde. Und Oskar hat die Aufforderung<br />

angenommen, obwohl er sich die Reise gar nicht leisten<br />

kann. Als er in Italien ankommt, hat er nicht einen Groschen<br />

in der Tasche. Er schläft im Park, wäscht sich an einem<br />

Springbrunnen, isst nur Brot und Weintrauben. Als<br />

Jeanneret sich in der ersten Pause zwischen den Debatten<br />

über sein Hotel beschwert und ihn fragt, wie er wohne, antwortet<br />

Oskar: „Ich habe mich billig und bequem einrichten<br />

können.“<br />

Mit seinem Auftritt hat er sich allerdings etwas weit<br />

vorgewagt; er wollte schließlich gar nicht sprechen. Er<br />

hat es nur nicht ausgehalten, Le Corbusier über Gobelins<br />

und deren Nützlichkeit in der Architektur reden zu hören.<br />

Deshalb hat er um Gehör gebeten, sich an das Redenerpult<br />

gestellt und ausgesprochen, was er dachte. Nun geht er ganz<br />

benommen zu seinem Platz zurück und ist sich nicht recht<br />

bewusst, was gerade geschehen ist. Er, Oskar Hansen, ein<br />

Niemand in leicht zerknautschtem Jacket, der sich nach dieser<br />

Besprechung auf einer Parkbank in der Nähe schlafen<br />

legen wird, hört den Applaus gar nicht. Ein paar Minuten<br />

später lädt Jacqueline Tyrwhitt ihn ein, an der CIAM-Sommerakademie<br />

in London teilzunehmen. Oskar sagt zu, auch<br />

wenn er keine Ahnung hat, wie er von der polnischen Regierung<br />

eine Reiseerlaubnis nach London bekommen will.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!