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Neue Bücher - Instytut Książki

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MAŁGORZATA<br />

REJMER<br />

BUKAREST,<br />

STAUB UND BLUT<br />

Małgorzata Rejmer (geb. 1985), Doktorandin<br />

der Warschauer Universität am <strong>Instytut</strong> Kultury<br />

Polskiej (Institut für Polnische Kultur). Ihr literarisches<br />

Debüt Toksymia im Jahr 2009 wurde für<br />

Nagroda Literacka Gdynia(Literarischer Preis<br />

Gdynia) nominiert. Der Reportagenband Bukarest.<br />

Staub und Blut wird von den Rezensenten<br />

sehr gut bewertet.<br />

Die Reise in die rumänische Hauptstadt, nach der das Buch<br />

Bukarest, Staub und Blut entstanden ist, war kein Abstecher für<br />

ein paar Tage und auch kein kurzes Abenteuer. Małgorzata<br />

Rejmer verbrachte dort (mit Pausen) zwei Jahre, und sie sagt,<br />

dass sie wieder hinfahren würde. Aus ihren Texten geht hervor,<br />

dass sie solide Feldforschung betrieben hat; sie mietete<br />

heruntergekommene Wohnungen, um diesen Ort auf eine<br />

möglichst intensive Art zu erfahren, machte Besichtigungen,<br />

sprach mit Menschen, las viel. Doch ihr Buch ist nicht<br />

nur eine Sammlung von Reisebildern. Rejmer präsentiert<br />

uns eine Zusammenstellung von kulturhistorischen Texten,<br />

die Antworten auf Fragen ermöglicht – Fragen, auf die man<br />

(wahrscheinlich) nicht antworten kann oder sogar nicht antworten<br />

darf. Mutig stellt die Autorin eine Diagnose auf – die<br />

Rumänen nähmen demütig ihr Schicksal hin (oft sei es der<br />

Tod), sie begehrten nicht auf, fänden sich ab, kämpften und<br />

diskutierten nicht. Die Volksballade Das Schäflein (laut Nichita<br />

Stănescu – die rumänische Illias und Odyssee, für Herta Müller<br />

dagegen ist es das rumänische Nibelungenlied), und der Ausspruch<br />

„Asta e, cesăfaci?“ („So ist es nun mal, was willst du<br />

machen?“) lassen die Autorin verstehen, wie die Herrschaft<br />

von Nicolae Ceauşecu überhaupt möglich war.<br />

Rejmer erkundet in Bukarest die Kultur der Anderen, eine<br />

östliche Kultur – die vor allem wegen ihrer Grausamkeit fasziniert,<br />

wegen ihrer Wildheit und der Schönheit des Hässlichen.<br />

Sie schreibt: „... das <strong>Neue</strong> gefällt mir nicht besonders.<br />

Ich mag lieber die alten Schichten.“ Und weiter: „Ich spüre die<br />

Macht der Stadt, unter der der Wahnsinn lauert.“ Sie greift<br />

in die „Eingeweide“ des Ortes, denn die interessieren sie am<br />

meisten. Extreme Verhältnisse (Chaos, gigantische Ausmaße)<br />

erscheinen ihr für die Texte am nützlichsten. Für Rejmer ist<br />

das Merkwürdige, das von der Norm abweichende, das Eigentümliche<br />

und Totale besonders interessant. Die Autorin ist berauscht<br />

von diesem Land ohne Eigenschaften – einem Land,<br />

das wie Knetmasse geformt und von Hand zu Hand weitergereicht<br />

wird. Das niedergebrannt, wieder aufgebaut und in<br />

Blut gebadet wurde, sich aber immer noch hält. Sie versucht,<br />

diese östliche Wildheit zu verstehen, zu erklären und zu erzählen,<br />

sie muss also für sich einen Standort wählen und eine<br />

Haltung gegenüber der „anderen“ Seite einnehmen. Rejmer<br />

wählt die Form des Essays, der diesen strategischen Standort<br />

„rechtfertigt“, doch man könnte auch fragen, ob dieser<br />

menschliche Faktor im Text eine Schwäche oder eine Stärke<br />

ist. Bezeichnend ist auch, dass Rejmer ihrem Buch den Titel<br />

Bukarest gab, anstatt zum Beispiel Mein Bukarest. Das ist ein<br />

mutiger Versuch, „das Ganze“ auszusprechen, und zwar auf<br />

die einzig „wahre“ Art und Weise...<br />

Man kann Bukarest, Staub und Blut den Erkenntniswert nicht<br />

absprechen – es ist ein wichtiges Buch, das an den nicht weit<br />

zurückliegenden Alptraum erinnert. Rejmer schreibt über<br />

Dinge, die man nicht vergessen darf; über Umerziehung durch<br />

Folter, über ein totalitäres System, über ein Dekret, das die<br />

Empfängnisverhütung verbietet und über die damit verbundenen<br />

Tragödien. In den Körpern der Frauen, die dazu gezwungen<br />

wurden zu gebären, oder die nach illegalen Abtreibungen<br />

ausbluteten, sieht Rejmer das Wesen des totalitären<br />

Rumäniens von Nicolae Ceauşescu; als sie über den Film 4 Monate,<br />

3 Wochen und 2 Tage von Cristian Mungiu schreibt, unterstreicht<br />

sie das quälende Verlangen des Regisseurs, von dem<br />

Leid, dem Elend und der Unterdrückung Zeugnis abzulegen.<br />

Das Buch von Małgorzata Rejmer lässt die Erinnerung wieder<br />

aufleben und es ermöglicht, weite Bereiche der neuesten Geschichte<br />

zu entdecken – einer Geschichte, von der wir nichts<br />

wissen wollen, weil das bequemer und leichter ist. Rejmers<br />

literarisches Debüt Toksymia von 2010 hat viel Wirbel verursacht<br />

und die Hoffnung geweckt, dass wir eine neue, interessante<br />

Schriftstellerin haben. Das zweite Buch ist bestimmt<br />

kein leichter Test. Doch Rejmer bestätigt mit Bukarest, Staub<br />

und Blut, dass der Trubel um Toksymia berechtigt war. Die Autorin<br />

wechselte den Verleger und veränderte die Form, doch<br />

es beschäftigt sie immer noch dasselbe: die exotische, nicht<br />

offensichtliche Schönheit der ungezähmten Welt.<br />

MAŁGORZATA REJMER<br />

„BUKARESZT”<br />

CZARNE, WOŁOWIEC 2013<br />

125×195, 272 PAGES<br />

ISBN: 978-83-7536-539-9<br />

TRANSLATION RIGHTS:<br />

POLISHRIGHTS.COM<br />

Anna Marchewka

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