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Pulsierende Sterne - Institut für Theoretische Astrophysik

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<strong>Pulsierende</strong> <strong>Sterne</strong><br />

und andere Veränderliche<br />

H.-P. Gail<br />

<strong>Institut</strong> für <strong>Theoretische</strong> <strong>Astrophysik</strong>, Universität Heidelberg<br />

Vorlesung im SS 2012


Typen veränderlicher <strong>Sterne</strong><br />

Es gibt zwei prinzipiell verschiedene Arten von veränderlichen <strong>Sterne</strong>n:<br />

• Physische Veränderliche<br />

Bei diesen ist der Zustand des Sterns zeitlich veränderlich auf Grund<br />

von Prozessen, die im Inneren des Sterns ablaufen. Hierbei sind allerdings<br />

nicht die langsamen Veränderungen bei der Entwicklung des<br />

Sterns durch Aufbrauch des nuklearen Brennmaterials gemeint.<br />

• Extrinsische Veränderliche Hierunter werden alle Objekte zusammengefaßt,<br />

deren Helligkeitsvariationen auf Ursachen beruhen, die<br />

außerhalb des veränderlichen Sterns liegen.<br />

Die veränderlichen <strong>Sterne</strong> werden nach bestimmten gemeinsamen Merkmalen<br />

klassifiziert und in Gruppen zusammengefaßt. Diese Typen werden<br />

meistens nach einem typischen Vertreter der Gruppe benannt.<br />

Zu Anfang erfolgte die Typeneinteilung naturgemäß nach gemeinsamen<br />

Eigenschaften der Lichtkurve. Wünschenswert wäre eine Einteilung<br />

nach den verschiedenen Ursachen der Variabilität, die aber immer noch<br />

nicht in allen Fällen unzweifelhaft feststeht. Die üblicherweise heute<br />

verwendete Einteilung ist oftmals noch recht willkürlich.<br />

Seite: 2.1


Typen veränderlicher <strong>Sterne</strong><br />

Untergruppen der physischen Veränderlichen<br />

• Pulsationsveränderliche. Dies sind <strong>Sterne</strong>, die mehr oder weniger<br />

rhythmisch expandieren und kontrahieren. Die Expansion und Kontraktion<br />

kann rein radial oder auch nichtradial erfolgen.<br />

• Eruptive Veränderliche. Hierunter werden alle Beobachtungen<br />

von einmaligen, eventuell auch gelegentlich wiederholten, Helligkeitsänderungen<br />

zusammengefaßt, die von dem Auswurf von Materie<br />

begleitet werden.<br />

Bei einer Reihe von eruptiven Veränderlichen liegt ist die Ursache<br />

der Veränderlichkeit in dem Massenüberstrom von einem Begleitstern.<br />

Dies sind die kataklysmischen Veränderlichen. Diese Gruppen<br />

werden aber nicht zu den Doppelsternveränderlichen gerechnet.<br />

Seite: 2.2


Typen veränderlicher <strong>Sterne</strong><br />

Untergruppen der extrinsischen Veränderlichen:<br />

• Bedeckungsveränderliche. Das sind Objekte, bei denen regelmäßige<br />

Helligkeitsänderungen durch eine wechselseitige Bedeckung der <strong>Sterne</strong><br />

verursacht sind.<br />

• Rotationsveränderliche. Das sind <strong>Sterne</strong>, deren Oberflächenhelligkeit<br />

ungleichmäßig verteilt ist und die bei Rotation dem Beobachter wechselnde<br />

Teile der Oberfläche präsentieren.<br />

• Anisotrope Strahler. Das sind rotierende Objekte mit ausgesprochen<br />

anisotroper Abstrahlung (wie Scheinwerfer).<br />

Die gebräuchliche Einteilung der Variablen ist in der Beschreibung des<br />

” General Catalogue of Variable Stars“ angegeben. Seite: 2.3


Typen veränderlicher <strong>Sterne</strong><br />

Tabelle 2.1: Die wesentlichen Typen der veränderlichen <strong>Sterne</strong><br />

Typ Symbol Periode Amplitude Bemerkungen<br />

Pulsationsveränderliche<br />

RR Lyrae RR 0.2–1 d 0.5–1.5 Spektrum A, F<br />

Cepheiden C 1–50 d 0.2–2.0 Spekrum F, G<br />

Mehrere Untertypen<br />

RV Tauri RV 30–150 d 1.0–3.0 Spektrum G, K<br />

Halbregelmäßige SR 20–500 d 0.2–2.5 Spektrum M, S, C<br />

Mehrere Untertypen<br />

Mira M 100–600 d 2.5–10 Spektrum M, S, C<br />

Irreguläre L keine 0.2–2.0 Spektrum M, S, C<br />

β Canis Majoris βC 0.1–0.5 d < 0.2 Spektrum B0–B4<br />

δ Scuti δ Sc 0.05–0.2 d 100 d Spektrum Ap<br />

ZZ Zeti ZZ 1–15 m 15 Explosion auf WZ Oberfläche<br />

Supernovae SN > 20 Explosion des Sterns<br />

Mehrere Untertypen<br />

Zwergnovae UG, Z 10–500 d 2–6 Wiederholte Explosionen<br />

Bedeckungsveränderliche<br />

Algol EA 0.1-10 000 d 0.1–3 Alle Spektraltypen<br />

β Lyrae EB 0.5–200 d 0.1–1.5 Riesen O, B, A<br />

W Ursae Majoris EW 0.2–1 d 0.2–1 Zwerge F, G, K<br />

Seite: 2.4


2 Pulsationsveränderliche<br />

Die Pulsationsveränderlichen bilden eine große Gruppe von <strong>Sterne</strong>n,<br />

die sehr heterogen zusammengesetzt ist. Die Helligkeitsvariationen der<br />

<strong>Sterne</strong> beruhen aber bei allen auf einer gemeinsamen Ursache, der<br />

rhythmische Kontraktion und Expansion des Sterns. Im Hertzsprung-<br />

Russell Diagramm findet man diese <strong>Sterne</strong> in in zwei relativ eng begrenzten<br />

Bereichen.<br />

Die Variablen der Spektraltypen A bis G bilden einen sog. Instabilitätsstreifen,<br />

der die δ Cephei <strong>Sterne</strong>, W Virginis <strong>Sterne</strong>, die RR Lyrae<br />

<strong>Sterne</strong> und die δ Scuti <strong>Sterne</strong> umfaßt, und von Zwergsterne bis zu Riesen<br />

quer durch das Hertzsprung-Russell Diagramm läuft.<br />

Die kühleren Variablen der Spektraltypen K, M, S und C bilden einen<br />

zweiten Streifen, der die Mira <strong>Sterne</strong>, die halbregelmäßigen SR-Typen<br />

und die irregulären L-Typen umfaßt.<br />

Die Verteilung der Pulsationsveränderlichen im HRD zeigt Abb. 2.1<br />

Seite: 2.5


Pulsationsveränderliche<br />

Abbildung 2.1: Verteilung der unterschiedlichen Typen pulsierender Veränderlicher im Hertzsprung-<br />

Russell Diagramm.<br />

Seite: 2.6


Pulsationsveränderliche<br />

Als Beispiel für die Variationen, die ein pulsierender Stern aufweist,<br />

zeigt Abb. 2.2 die Variationen bei δ Cephei, dem Prototypen einer Klasse<br />

von Pulsationsveränderlichen:<br />

(a) Die Variation der visuellen Helligkeit V mit der Phase φ innerhalb<br />

eines Pulszyklusses. Die Amplitude der Variationen in V ist mit<br />

0.86 mag nicht besonders groß. Das entspricht einem Verhältnis der<br />

Helligkeiten von Maximum zu Minimum von etwa einem Faktor zwei.<br />

(b) Die Variation der Effektivtemperatur: Im Maximum T = 6 600 K, im<br />

Minimum T = 5 800 K. Der Spektraltyp variiert zwischen F5 Ib und<br />

G1 Ib.<br />

(c) Die Variation des Sternradius zwischen 16 und 18 R⊙.<br />

(d) Die Variation der Radialgeschwindigkeit der Photosphäre. Diese zeigt<br />

direkt, wie bei dem Stern sich durch die Pulsation die äußeren Schichten<br />

des Sterns auf den Beobachter zu oder von ihm weg bewegen. Die<br />

Amplitude der Auf- und Abbewegung ist 40 km s −1 .<br />

Zwischen den verschiedenen Phänomenen gibt es jeweils eine kleine Phasenverschiebung.<br />

Seite: 2.7


Pulsationsveränderliche<br />

Abbildung 2.2: Pulsation<br />

von δ Cephei:<br />

(a) Lichtkurve,<br />

(b) Effektivtemperatur,<br />

(c) Radius,<br />

(d) Radialgeschwindigkeit<br />

in Abhängigkeit von der<br />

Phase.<br />

Seite: 2.8


Pulsationsveränderliche<br />

Die Interpretation der beobachteten Variationen als Pulsation des<br />

Sterns kam erst relativ spät. Sie wurde zuerst von Shapley 1912 als<br />

Hypothese ausgesprochen, und ab 1919 von Eddington und vielen anderen<br />

dann theoretisch ausgearbeitet und erst dann endgültig etabliert.<br />

Untersuchungen von Ritter zur Pulsation selbstgravitierender Gaskugeln<br />

von 1879 wurden in der Astronomie nicht beachtet.<br />

Vor den Arbeiten von Eddington überwogen Versuche, die Veränderlichkeit<br />

der <strong>Sterne</strong> und die große Vielfalt der Lichtkurven generell auf<br />

Bedeckung in Doppelsternsystemen zu erklären, was aber nur bei den<br />

Typen, die heute als Bedeckungsveränderliche betrachtet werden, in<br />

konsistenter Weise gelang.<br />

Seite: 2.9


2.1 Klassische Cepheiden<br />

Der Prototyp der Cepheiden, δ Cephei, ist bereits seit der Antike bekannt.<br />

Er erscheint bereits in dem Sternkatalog von Hipparchos von 126<br />

v.Chr. Die Variabilität wurde 1784 von Goodricke erkannt und ist seitdem<br />

von unzähligen Astronomen untersucht worden.<br />

Der Stern ist ein Überriese vom Spektraltyp G2 im Minimum und F5<br />

im Maximum und Mitglied in einem Doppelsternsystem. Der Begleiter<br />

ist ein A0 V Stern.<br />

Die Periode beträgt 5 d 8 h 47 min 30 s. Der ansteigende Teil der Lichtkurve<br />

dauert 1 d 14 h 30 min, der absteigende Teil 3 d 18 h 17 min.<br />

Generell sind Cepheiden Überriesen mit Spektraltypen F – K und Perioden<br />

von 1 d bis etwa 50 d. Die Lichtwechsel wiederholen sich exakt in<br />

allen Einzelheiten. Die Form der Lichtkurve ändert sich mit der Periodenlänge<br />

P (Abb. 2.3).<br />

Seite: 2.10


Klassische Cepheiden<br />

Abbildung 2.3: Lichtkurven von acht δ Cephei <strong>Sterne</strong>n unterschiedlicher Periode: R Tra (P = 3.3893 d),<br />

V350 Sgr (P = 5.1542 d), RS Cas (P = 6.2957 d), U Vul (P = 7.9907 d), β Dor (P = 9.8420 d), RX<br />

Aur (P = 11.6235 d), SZ Cyg (P = 35.5225 d).<br />

Seite: 2.11


Klassische Cepheiden<br />

Wegen der großen Leuchtkraft sind Cepheiden auch in weit entfernten<br />

Kugelhaufen und anderen Galaxien bis zum Virgo-Haufen (d ≈ 20 Mpc)<br />

zu beobachten. Sie sind wesentliche Standardkerzen und dienen der Entfernungsbestimmung<br />

im Kosmos.<br />

Die Amplituden in V sind klein, selten größer als 2 mag. Die Amplituden<br />

sind im Blauen größer als im Roten.<br />

Es gibt zwei Untertypen:<br />

• δ Cephei <strong>Sterne</strong>. Sie sind Mitglieder der Scheibenkomponente in der<br />

Galaxis. Sie sind massereiche, junge Objekte.<br />

• W Virginis <strong>Sterne</strong>. Sie sind Mitglieder des Halos in der Galaxis. Sie<br />

finden sich bei hohen galaktischen Breiten, in Kugelhaufen und im<br />

galaktischen Zentrum. Sie sind massearme, alte Objekte.<br />

Die Lichtkurven der W Virginis <strong>Sterne</strong> sind im Mittel weniger konstant.<br />

Die Form der Lichtkurven unterscheidet sich bei δ Cephei <strong>Sterne</strong>n und<br />

W Virginis <strong>Sterne</strong>n (Abb. 2.5).<br />

Seite: 2.12


Klassische Cepheiden<br />

Abbildung 2.4: Lichtkurven des δ Cephei Sterns SZ Aql (P = 17.138 d) und des W Virginis Sterns W<br />

Vir (P = 17.274 d). Beide haben fast identische Perioden.<br />

Seite: 2.13


Klassische Cepheiden<br />

Die Periodenverteilung ist bei δ Cephei <strong>Sterne</strong>n und bei W Virginis<br />

<strong>Sterne</strong>n unterschiedlich.<br />

Bei δ Cephei <strong>Sterne</strong>n gibt es zwei getrennte Gruppen: Eine Gruppe mit<br />

Perioden zwischen 4–6 d und eine zweite mit Perioden 12–15 d, getrennt<br />

durch ein Minimum bei 9 d.<br />

Be W Virginis <strong>Sterne</strong>n gibt es ebenfalls zwei Gruppen, eine mit Perioden<br />

von weniger als 2.5 d, und eine zweite mit Perioden 20–23 d, getrennt<br />

durch eine Lücke zwischen 2.5 d und 10 d.<br />

Seite: 2.14


Klassische Cepheiden<br />

Abbildung 2.5: Periodenverteilung: (a) 423 δ Cephei <strong>Sterne</strong>, (b) 179 W Virginis <strong>Sterne</strong>.<br />

Seite: 2.15


Klassische Cepheiden<br />

Der Prototyp der W Virginis <strong>Sterne</strong>, W Vir, wurde 1866 von Schönfeld<br />

entdeckt. Er wurde zunächst als δ Cephei Stern klassifiziert, trotz merklicher<br />

Unterschiede in den Lichtkurven und Spektren, und trotz seiner<br />

hohen galaktischen Breite. Erst die Entdeckung eines fast gleichartigen<br />

zweiten Veränderlichen im Kugelhaufen ω Cen zeigte, daß eine zweite<br />

Gruppe von Cepheiden existiert, die sich im Halo und in Kugelhaufen<br />

findet.<br />

Die Form der Lichtkurven variiert auch hier etwas mit der Periodenlänge<br />

(Abb. 2.6.)<br />

Seite: 2.16


Klassische Cepheiden<br />

Abbildung 2.6: Lichtkurven von vier δ Cephei <strong>Sterne</strong>n unterschiedlicher Periode: BL Her (P =<br />

1.3075 d), VZ Aql Sgr (P = 1.66822 d), W Vir (P = 17.274 d), RU Cam (P = 22.159 d).<br />

Seite: 2.17


2.1.1 Korrelation zwischen Zustandsgrößen und Perioden bei Cepheiden<br />

Bei den Cepheiden bestehen relativ strenge Beziehungen zwischen den<br />

Zustandsgrößen der <strong>Sterne</strong> und der Periode ihres Lichtwechsels. Je<br />

länger P , desto<br />

ˆ später der Spektraltyp,<br />

ˆ desto größer sind der Radius, die Helligkeit, und die Masse,<br />

ˆ desto niedriger sind die Temperatur und die mittlere Dichte.<br />

Diese wichtigen Zusammenhänge wurden – wie so oft – rein zufällig 1912<br />

durch H. Leavitt entdeckt, als sie bei einer Studie über 25 Cepheiden in<br />

der kleinen Magellanschen Wolke entdeckte, daß bei einer Anordnung<br />

der Daten nach ansteigender Periode auch die Helligkeit streng monoton<br />

anstieg. Da die Ausdehnung der kleinen Magellanschen Wolke klein im<br />

Vergleich zu ihrer Entfernung von uns ist, sind alle ihre <strong>Sterne</strong> praktisch<br />

in gleicher Entfernung. Ihre Größenklasse mV ist dann bis auf eine additive<br />

Konstante gleich ihrer absoluten Größenklasse MV. Auf diese Weise<br />

fand Miss Leavitt die heute so wichtige Perioden-Leuchtkraft-Relation<br />

der Cepheiden.<br />

Seite: 2.18


Korrelation zwischen Zustandsgrößen und Perioden bei Cepheiden<br />

Es musste allerdings noch gezeigt werden, daß diese Beziehung auch für<br />

galaktische Cepheiden gilt. Das Problem ist in diesem Fall, daß die δ<br />

Cephei <strong>Sterne</strong> zu den relativ seltenen Überriesen gehöre, die im Mittel<br />

alle weit von der Erde entfernt sind, sodaß damals für die meisten keine<br />

absoluten Entfernungen aus Messungen der Eigenbewegungen zu ermitteln<br />

waren. Immerhin konnte H. Shapley elf Cepheiden finden, deren<br />

Eigenbewegungen bestimmbar waren. Damit konnten absolute Helligkeiten<br />

bestimmt und die Perioden-Leuchtkraft-Relation absolut geeicht<br />

werden.<br />

Seitdem werden Cepheiden verwendet, um die Entfernungen der Galaxien<br />

zu bestimmen, in denen Cepheiden gefunden werden. Diese Tatsache<br />

macht die Cepheiden so wichtig für die astronomische Forschung, da<br />

sie die einzige Möglichkeit bieten, absolute Entfernungen bis zu relativ<br />

weit entfernten Galaxien zu bestimmen. Das ist auch einer der Gründe,<br />

warum von der Theorie immer viel Mühe darauf verwendet wurde, die<br />

Ursachen und Eigenschaften der Pulsation möglichst gut zu verstehen.<br />

Seite: 2.19


Korrelation zwischen Zustandsgrößen und Perioden bei Cepheiden<br />

Die Bestimmung des Nullpunktes der Beziehung war allerdings sehr<br />

ungenau, wie sich später herausstellte. Zum Zeitpunkt, als Shapley die<br />

Eichung durchführte, war noch nicht festgestellt worden, daß die Population<br />

der klassischen Cepheiden aus zwei physikalisch verschiedenen<br />

Gruppen besteht (δ Cep und W Vir <strong>Sterne</strong>), die jeweil ihre eigenen,<br />

voneinander verschiedenen, Perioden-Leuchtkraft-Relationen folgen.<br />

Dies wurde offenbar, als W. Baade bei einer Untersuchung von RR<br />

Lyrae <strong>Sterne</strong>n in der Andromeda Galaxie feststellte, daß sie 1.5 mag<br />

schwächer ware, als sie es auf Grund der Entfernungsbestimmung von<br />

M 31 mittels Cepheiden und den bekannten absoluten Helligkeiten galaktischer<br />

RR Lyrae <strong>Sterne</strong> sein sollten. Als Grund dieser Diskrepanz<br />

stellte Baade fest, daß die Eichung der Perioden-Leuchtkraft-Relation<br />

der Cepheiden bis zu dem Zeitpunkt fehlerhaft war, weil eigentlich zwei<br />

verschiedene Populationen existieren. Eine Neubestimmung des Nullpunktes<br />

der Relation durch Baade hatte die Konsequenz, daß damals<br />

alle bis dahin bestimmten Entfernungen im Kosmos verdoppelt werden<br />

mußten.<br />

Seite: 2.20


Korrelation zwischen Zustandsgrößen und Perioden bei Cepheiden<br />

Abbildung 2.7: Perioden-Leuchtkraft Beziehung der klassischen Cepheiden.<br />

Seite: 2.21


Korrelation zwischen Zustandsgrößen und Perioden bei Cepheiden<br />

Seitdem wurde sehr viel Arbeit in eine möglichst genaue Bestimmung<br />

der Korrelation zwischen den Zustandsgrößen der <strong>Sterne</strong> und ihrer<br />

Schwingungsperiode gesteckt.<br />

Derzeit meist verwendete Relationen für galaktische Cepheiden:<br />

Population I: δ Cephei <strong>Sterne</strong> (Massen 1.5 M⊙ bis 15 M⊙)<br />

MV = −1.43 − 2.81 log P mag (1)<br />

Population II: W Virginis <strong>Sterne</strong> (Massen 0.4 M⊙ bis 0.6 M⊙)<br />

MV = −0.08 − 1.75 log P mag (2)<br />

Die Periode P ist in Tagen.<br />

Aber das sind mittlere Beziehungen. Die Cepheiden überdecken einen<br />

Streifen im Hertzsprung-Russell-Diagramm, sodaß MV um ±0.5 mag<br />

um den mittleren Wert streut. Es ist inzwischen auch klar, daß die<br />

Beziehungen deutlich von der Metallizität der <strong>Sterne</strong> abhängen.<br />

Seite: 2.22


2.1.2 Variation der Periode<br />

Alle Veränderlichen <strong>Sterne</strong>, auch die Cepheiden, zeigen gewisse Variationen<br />

der Periode. Diese sind oft nur sehr gering, aber sie machen sich<br />

bemerkbar durch eine schleichend anwachsende Differenz zwischen den<br />

beobachten und vorausberechneten Minima und Maxima der Lichtkurve<br />

(Abb. 2.8).<br />

Die Periodenvariationen sind von ganz unterschiedlicher Natur: Teils<br />

nehmen sie kontinuierlich zu oder ab, teils ändern sich die Perioden<br />

ziemlich abrupt.<br />

Seite: 2.23


Variation der Periode<br />

Abbildung 2.8: Periodenvariation bei T Mon.<br />

Seite: 2.24


2.2 RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Der Prototyp, RR Lyr, ist der hellste Stern dieser Gruppe von Veränderlichen.<br />

Seine Helligkeit variiert zwischen den Größenklassen 7.07 und<br />

8.12 mit einer Periode von 13 h 36 min (0.56682326 d). Die Lichtkurve<br />

(Abb. 2.9) ist stark asymmetrisch. Der Anstieg zum Maximum dauert<br />

2 h 35 min, der Abfall zum Minimum 11 h. Die Amplitude der Variation<br />

nimmt zu kürzeren Wellenlängen hin zu: Von 1.06 in V zu 1.37 in B.<br />

Das Spektrum variiert zwischen A8 im Minimum zu F7 im Maximum<br />

und die Effektivtemperatur zwischen 7 200 K und 5 900 K<br />

Generell sind RR Lyr <strong>Sterne</strong> rasch pulsierend Riesensterne der Spektraltypen<br />

B8 bis F2. Ihr Lichtwechsel ist dem der klassischen Cepheiden<br />

sehr ähnlich, aber die Perioden sind mit 0.2 < P < 1 d deutlich kürzer.<br />

Ein auffälliges Häufigkeitsminimum bei ≈ 1 d trennt beide Typen voneinander.<br />

Die RR Lyrae <strong>Sterne</strong> gehören durchweg der Population II an. Man findet<br />

sie häufig in Kugelhaufen, im Halo und im Zentrum der Milchstraße.<br />

Sie werden wegen ihres häufigen Auftretens in Kugelhaufen auch Haufenveränderliche<br />

genannt.<br />

Seite: 2.25


RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Abbildung 2.9: Lichtkurven für drei Prototypen der verschiedenen Gruppen der RR Lyrae <strong>Sterne</strong>: RR<br />

Lyr, RX Leo (RRab), RZ Cep (RRc).<br />

Seite: 2.26


RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Die RR Lyrae <strong>Sterne</strong> wurden zunächst in drei Untergruppen eingeteilt:<br />

RRa Prototyp RR Lyr. Charakterisiert durch eine Lichtkurve mit<br />

Amplitude von 1 mag, einer Periode von ≈ 0.5 d und markanter<br />

Asymmetrie.<br />

RRb Prototyp RX Leo. Charakterisiert durch eine Lichtkurve mit<br />

Amplitude von 0.5–0.8 mag, einer Periode von > 0.7 d und mehr<br />

gerundetem Maximum und geringerer Asymmetrie.<br />

RRc Prototyp RZ Cep. Charakterisiert durch eine mehr sinusförmige<br />

Lichtkurve mit Amplitude von etwa 0.5 mag und einer Periode<br />

von 0.3 d.<br />

Es hat sich aber herausgestellt, daß die ersten beiden Gruppen nicht<br />

deutlich verschieden sind. Sie werden heute zur Gruppe RRab zusammengefaßt.<br />

Später wurde eine weitere Gruppe eingeführt<br />

RRd Charakterisiert durch die Existenz von Moden. Form und Amplitude<br />

der Lichtkurve ändern sich dadurch von Zyklus zu Zyklus.<br />

Seite: 2.27


RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Abbildung 2.10: Lichtkurven von sechs RR Lyrae <strong>Sterne</strong>n unterschiedlicher Periode: AA Aql (P =<br />

0.36 d), XZ Cyg (P = 0.466 d), SW Boo (P = 0.513 d), TT CnC (P = 0.563 d), SS Leo (P = 0.629 d),<br />

XX And (P = 0.722 d).<br />

Seite: 2.28


RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Die RR Lyrae <strong>Sterne</strong> liegen an einer eng begrenzten Stelle im<br />

Hertzsprung-Russell Diagramm (Abb. 2.1), die einer Lücke im horizontalen<br />

Ast der Farben-Helligkeitsdiagramme der Kugelhaufen entspricht,<br />

in der keine stabilen <strong>Sterne</strong> liegen. Es gibt für sie keine deutliche<br />

Perioden-Leuchtkraft Beziehung.<br />

Die Massen der RR Lyrae <strong>Sterne</strong> sind etwa 0.6 M⊙, ihre Radius ist typischerweise<br />

4–5 R⊙.<br />

Die RR Lyrae <strong>Sterne</strong> haben eine annähernd einheitliche Helligkeit von<br />

MV = 0.5 ± 0.4 mag.<br />

Die Form der Lichtkurven variiert mit der Periode (Abb. 2.10).<br />

Seite: 2.29


RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Abbildung 2.11: Häufigkeitsverteilung der Perioden für 4057 RRab und 319 RRc <strong>Sterne</strong>.<br />

Seite: 2.30


RR Lyrae <strong>Sterne</strong><br />

Für die RRab <strong>Sterne</strong> sind die kürzesten Perioden etwa 0.22 d und das<br />

Maximum der Häufigkeitsverteilung ist bei 0.55 d zu beobachten. Das<br />

Maximum ist deutlich ausgeprägt; die Hälfte der <strong>Sterne</strong> hat Perioden<br />

zwischen 0.50 und 0.63 d. Die längste Periode hat XX Vir mit 1.3482 d.<br />

Die Grenze zwischen RR Lyrae und den Cepheiden ist etwas fließend.<br />

Im Bereich um 1 d ist die Klassifikation eines Sterns als RR Lyr oder<br />

W Vir oft nicht ganz eindeutig möglich.<br />

Bei den RRc <strong>Sterne</strong>n sind die Perioden deutlich kürzer, im Mittel bei<br />

0.34 d. Diese Typen sind relativ selten.<br />

Die Perioden der RR Lyr <strong>Sterne</strong> können sehr genau bestimmt werden,<br />

weil wegen ihrer Kürze sehr viele Perioden beobachtet werden können.<br />

Beispiel: RZ Cep hat 1184 Maxima im Jahr. Eine Änderung der Periode<br />

um 1 s würde nach einem Jahr zu einer Differenz im vorhergesagten<br />

Zeitpunkt des Maximums von 20 m und nach 10 Jahren von 3 h führen.<br />

So etwas ist klar beobachtbar. Deswegen haben Periodenangaben bei<br />

RR Lyr <strong>Sterne</strong>n oft sehr viele Dezimalstellen!<br />

Seite: 2.31


2.2.1 Der Blashko Effekt<br />

Bei manchen <strong>Sterne</strong>n lässt sich die Variation der Helligkeit als eine<br />

Überlagerung mehrerer Perioden darstellen. Daraus resultiert eine fortschreitende<br />

Deformation der Lichtkurven, Dieser Effekt wird als Blashko<br />

Effekt bezeichnet (nach dem Autor der ersten genauen Beschreibung<br />

des Phänomens).<br />

Ein typisches Beispiel ist AR Her (Abb. 2.12). Die Periode ist 0.4700 d,<br />

die Amplitude der Variation 0.4 mag und die Asymmetrie der Lichtkurve<br />

variiert beträchtlich. Die Variationen der Lichtkurve sind zyklisch<br />

und haben eine Periode von Pb = 31.5 d, sodaß sich das ganze Phänomen<br />

nach 67 d regelmäßig wiederholt.<br />

Generell findet man Modulationen der Periode mit Perioden zwischen<br />

etwa dem 50-fachen und etwa dem 200-fachen der primären Periode. Der<br />

Blashko Effekt findet sich bei allen Typen pulsierender <strong>Sterne</strong>, aber vorzugsweise<br />

bei solchen mit kurzer Periode. Die Ursache dieses Effekts is<br />

bis heute nicht richtig vertanden.<br />

Seite: 2.32


Der Blashko Effekt<br />

Abbildung 2.12: Der Blashko Effekt bei AR Her. Oben: Mittlere Lichtkurve. Unten: Sechs verschiedene<br />

Zyklen.<br />

Seite: 2.33


2.2.2 Galaktische Verteilung<br />

RR Lyrae <strong>Sterne</strong> gehörn zur Population II, sind also metallarm und<br />

alt. Sie finden sich vorzugsweise im Halo (Abb. 2.13), im Bulge und<br />

in Kugelhaufen. Ihre typischen Massen sind 0.43 M⊙. bis 0.48 M⊙. In<br />

Kugelhaufen findet man sie in einer Lücke im Horizontalast, in der sonst<br />

keine <strong>Sterne</strong> gefunden werden.<br />

Seite: 2.34


Galaktische Verteilung<br />

Abbildung 2.13: Verteilung der RR Lyrae <strong>Sterne</strong> in der Galaxis. Links Verteilung senkrecht zur galaktischen<br />

Ebene, Rechts Verteilung in der Galaktischen Ebene.<br />

Seite: 2.35


2.3 δ Scuti <strong>Sterne</strong><br />

Das sind Pulsationsveränderliche mit Perioden von weniger als 0.3 d und<br />

Spektraltypen zwischen A5 und F5. Die Helligkeit im Visuellen variiert<br />

zwischen einigen tausendstel mag bis etwa 0.8 mag, die mittlere Variation<br />

ist 0.02 mag. Diese <strong>Sterne</strong> liegen auf dem gleichen Instabilitätsstreifen<br />

wie die Cepheiden und liegen im Hertzsprung-Russell Diagramm an der<br />

unteren Verlängerung des Cepheidenstreifens. Sie sind den Cepheiden<br />

ähnlich, aber mit geringerer Helligkeit und kürzerer Amplitude.<br />

Die δ Scuti <strong>Sterne</strong> gehören zu Pop I und sind jung. Sie finden sich oft in<br />

relativ jungen offenen Sternhaufen, wie in den Hyaden und Praesepe.<br />

Auch hier findet man überlagerte längere Perioden mit Perioden etwa<br />

20–50 mal länger als die Primärperiode. Z.B. hat δ Sct eine Periode<br />

P = 0.1937 d und eine sekundäre Periode Pb = 5.2477 d (das 27-fache).<br />

Seite: 2.36


δ Scuti <strong>Sterne</strong><br />

Abbildung 2.14: Lichtkurven in U, B, V und in B-V von β Cas, ein Variabler vom δ Scuti Typ. Die<br />

Helligkeiten sind relativ zu einem Vergleichsstern.<br />

Seite: 2.37

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