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2 Was sind Brownsche Motoren? - Institut für Theoretische Physik

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<strong>Institut</strong> für <strong>Theoretische</strong> <strong>Physik</strong><br />

Technische Universität Berlin<br />

<strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong><br />

Ausarbeitung von Marco Tomic und David van Treeck<br />

11.07.2012


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einführung und Motivation 5<br />

2 <strong>Was</strong> <strong>sind</strong> <strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong>? 7<br />

2.1 Zwei Worte: <strong>Brownsche</strong>r Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.2 Beispiel aus der Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

2.3 Charakteristische Eigenschaften eines <strong>Brownsche</strong>n Motors . . . . . . . . . 9<br />

3 Grundlegendes Modell des <strong>Brownsche</strong>m Motors 11<br />

3.1 Grundlegendes Modell des <strong>Brownsche</strong>m Motors . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

3.2 Die Fokker-Planck Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

3.3 Der Teilchenstrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

4 Die On-Off-Ratsche 17<br />

4.1 Das Modell der On-Off-Ratsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

4.2 Beispiel: Hepatitis C Virus Helicase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

5 Die Temperatur-Ratsche 21<br />

5.1 Das Modell der Temperatur-Ratsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

5.2 Beispiel: Kinesin auf Mikrotubuli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

6 Weitere Ratschetypen 25<br />

6.1 Beispiele weiterer Ratschentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

6.2 Anwendung einer Drift-Ratsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

Literaturverzeichnis 29<br />

3


1 Einführung und Motivation<br />

Als <strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong> bezeichnet man räumlich periodische Nichtgleichgewichtssysteme,<br />

welche bedingt durch thermische Fluktuationen, unter Ausnutzen räumlicher oder zeitlicher<br />

Asymmetrie des Systems, eine gerichtete Teilchenbewegung hervorrufen. [RH02]<br />

In dieser Ausarbeitung zum Thema „<strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong>“ sollen anhand verschiedener<br />

Ratschentypen die grundlegenden Konzepte dieses Phänomens dargestellt werden. Wir<br />

werden uns auf die Ebene mikro- bzw. nanoskopischer Regime begeben, in denen thermische<br />

Fluktuationen eine dominante Rolle spielen und die Funktionsweise <strong>Brownsche</strong>r<br />

<strong>Motoren</strong> an einigen Beispielen erläutern.<br />

Hier betrachten wir unter anderem die Bewegung von Kinesin auf Mikrotubuli, welches<br />

in jeder eukariotischen Zelle zu finden ist, die durch das Konzept des <strong>Brownsche</strong>n Motors<br />

beschrieben werden kann. Ebenso kann dieses Prinzip dazu dienen, den Abschreibvorgang<br />

der DNA der Hepatitis C Virus Helicase besser zu verstehen.<br />

Nicht nur die Natur selbst, sonder auch der Mensch versucht in der immer weiter fortschreitenden<br />

Nanotechnologie Nutzen aus den Eigenschaften <strong>Brownsche</strong>r <strong>Motoren</strong> zu<br />

ziehen. Hier werden wir uns am Beispiel einer Drift-Ratsche die Trennung unterschiedlicher<br />

mikroskopischer Teilchen anschauen.<br />

Zu Beginn wollen wir etwas detaillierter betrachten, welche Charakteristik einen <strong>Brownsche</strong>n<br />

Motor auszeichnet, also welche Eigenschaften ein System besitzen muss, um es als<br />

einen solchen zu beschreiben.<br />

5


2 <strong>Was</strong> <strong>sind</strong> <strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong>?<br />

2.1 Zwei Worte: <strong>Brownsche</strong>r Motor<br />

Fangen wir einmal ganz vorne an. <strong>Was</strong> sagen uns eigentlich die beiden Worte „<strong>Brownsche</strong><br />

Molekularbewegung“ und „Motor“, aus denen unser Begriff „<strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong>“ abgeleitet<br />

ist?<br />

<strong>Brownsche</strong> Molekularbewegung. Diese beschreibt die temperaturabhängige Wärmebewegung<br />

von mikroskopischen Teilchen in Flüssigkeiten und Gasen.<br />

Motor. Als Motor bezeichnet man eine Maschine, die mechanische Arbeit verrichtet,<br />

indem sie eine Energieform, zum Beispiel thermische Energie, in Bewegungsenergie umwandelt.<br />

Das heißt also, wenn wir von <strong>Brownsche</strong>n <strong>Motoren</strong> sprechen, haben wir es wohl mit<br />

Systemen zutun, die eine gerichtete Bewegung mikroskopischer Teilchen erlauben, in<br />

einem Regime, in dem thermische Fluktuationen eine große Rolle spielen.<br />

Wie sieht nun ein solches Regime aus? Dies wollen wir im folgenden Abschnitt anhand<br />

eines kurzen Beispiels aus der Biologie veranschaulichen.<br />

2.2 Beispiel aus der Biologie<br />

Die Frage ist nun, ab welcher Größenordnung thermische Fluktuationen wirklich relevant<br />

werden für ein betrachtetes System. Hierzu müssen wir uns etwas entfernen von unserer<br />

makroskopischen Welt, wie wir sie im Alltag wahrnehmen und tiefer in den Bereich sehr<br />

viel kleinerer Größenskalen eintauchen. Gehen wir also auf unserer Skala, wie wir sie in<br />

Abb. (2.1) links sehen, einmal einen gehörigen Schritt nach unten in den Bereich von<br />

Mikrometern (10 −6 m) und schauen, wie die Natur hier eine gerichtete Bewegung von<br />

Objekten solcher Größe, wie z.B. Bakterien, ermöglicht.<br />

Wie in Abb. (2.1) rechts zu sehen, gibt es viele Bakterienarten die sich mit Hilfe von so<br />

genannten „Geiseln“ fortbewegen. Im Bild sieht man zwei verschiedene Antriebsmechanismen,<br />

die es Bakterien ermöglicht aus eigener Kraft, d.h. aus der Eigenbewegung heraus,<br />

eine gerichtete Bewegung durchzuführen. Das bedeutet, betrachten wir ein biologisches<br />

System bei Raumtemperatur, so ist die Antriebsleistung eines solchen Bakteriums in<br />

diesem Fall größer, als die thermische Energie, die dieses währen der entsprechenden<br />

7


KAPITEL 2. WAS SIND BROWNSCHE MOTOREN?<br />

thermischen Relaxationszeit mit seiner Umgebung austauscht. Das Bakterium kann sich<br />

also beliebig fortbewegen [AH02].<br />

<strong>Was</strong> passiert nun wenn wir zu noch kleineren Größenordnungen gehen (Abb. 2.1, links)?<br />

Nehmen wir wieder ein Beispiel aus der Biologie. Ein typischer molekularer Motor, z.B. ein<br />

bestimmtes Protein, welches Zellstoffe transportiert, kann etwa 100-1000 ATP Moleküle<br />

pro Sekunde in Arbeit umsetzten. Das entspricht etwa 10 −16 bis 10 −17 Watt [AH02].<br />

Bewegt sich ein solcher Molekularer Motor bei Raumtemperatur z.B. in <strong>Was</strong>ser, so ist es<br />

einer Leistung von etwa 10 −8 Watt ausgesetzt, also einer um etwa acht Größenordnungen<br />

höheren Leistung als er selbst im Stande ist zu generieren. Das Molekül wird somit in<br />

der es umgebenden Flüssigkeit willkürlich hin und her gewaschen. Vergleichbar wäre dies<br />

etwa damit, wenn ein Mensch versuchen würde, in einem starken Hurrikan gezielt in eine<br />

Richtung zu laufen. Das wird nicht funktionieren, es ist also keine gerichtete Bewegung<br />

aus eigener Kraft möglich [AH02].<br />

Aber Molekulare <strong>Motoren</strong> bewegen sich und zwar sehr gezielt, genau in diesem Moment<br />

in jeder Körperzelle mit geradezu determinisischer Genauigkeit. Es muss also irgendwie<br />

ein System (sagen wir ein Motor) realisierbar sein, welches in der Anwesenheit starken<br />

thermischen Rauschens, irgendwie, unter Einfluss dieser thermischen Energie eine gerichtete<br />

Teilchenbewegung leisten kann.<br />

Abbildung 2.1: Die Abbildung zeigt den Größenvergleich von Bakterien (ca. 10 −6 m) und Molekularen<br />

<strong>Motoren</strong> (ca. 10 −8 m). Bei Raumtemperaturen ist es bestimmten Bakterien, im Gegensatz<br />

zu Molekularen <strong>Motoren</strong> noch möglich, aus Eigenantrieb eine gerichtete Bewegung zu<br />

vollziehen. In der Größenordnung von Molekularen <strong>Motoren</strong> <strong>sind</strong> thermische Einflüsse im<br />

Vergleich zur Eigenantriebsleistung zu stark, um gezielt voranzukommen [AH02].<br />

8


2.3. CHARAKTERISTISCHE EIGENSCHAFTEN EINES BROWNSCHEN MOTORS<br />

2.3 Charakteristische Eigenschaften eines <strong>Brownsche</strong>n<br />

Motors<br />

Wir haben zuvor gesehen, dass ein System, welches also <strong>Brownsche</strong>r Motor funktionieren<br />

soll, wohl gewisse Eigenschaften haben muss. Welches <strong>sind</strong> diese Eigenschaften? Hierzu<br />

wollen wir noch einmal die Definition aus der Einleitung aufgreifen, die im Grunde alle<br />

wichtigen Grundlagen enthält.<br />

„Als <strong>Brownsche</strong> <strong>Motoren</strong> bezeichnet man räumlich periodische Nichtgleichgewichtssysteme,<br />

welche bedingt durch thermische Fluktuationen, unter Ausnutzen<br />

räumlicher oder zeitlicher Asymmetrie des Systems, eine gerichtete<br />

Teilchenbewegung hervorrufen. [RH02]“<br />

Gehen wir diese Definition zum besseren Verständnis Schritt für Schritt durch.<br />

Ein solches System muss räumlich periodische sein, das heißt, sich in seiner Struktur (z.B.<br />

ein bestimmtes Potenzial) in einem gewissen räumlichen Intervall wiederholen.<br />

Wir sprechen von einem Nichtgleichgewischtssystem, was bedeutet, wir befinden uns nicht<br />

im thermischen Gleichgewicht.<br />

Zufallskräfte, also thermische Fluktuationen spielen eine große Rolle. Des Weiteren es<br />

gibt einen Symmertriebruch des Systems räumlicher oder anderweitig temporaler Natur.<br />

Man kann sich eine solche räumliche Asymmetrie in Form eines Ratschenpotentials, also<br />

einem „Sägezahnpotantial“ vorstellen. Darauf werden wir aber im nächsten Abschnitt<br />

noch einmal genauer eingehen. [RH02] [AH02]<br />

Wir haben also festgestellt, dass sich eine System durch all diese Eigenschaften auszeichnen<br />

muss, damit überhaupt ein gerichteter Teilchentransport möglich ist. Im nächsten<br />

Abschnitt wollen wir die Grundlagen eines <strong>Brownsche</strong>n Motors, wie wir sie eben kennengelernt<br />

haben, im Detail am Beispiel der On-Off-Ratsche betrachten.<br />

9


3 Grundlegendes Modell des<br />

<strong>Brownsche</strong>m Motors<br />

In diesem Kapitel werden wir zunächst die Grundlagen, die Langevin-Gleichung und<br />

die entsprechende Fokker-Planck-Geleichung (FPG) betrachten, anhand derer wir einen<br />

<strong>Brownsche</strong>n Motor beschreiben können, um dann den Teilchenstrom dieses Systems zu<br />

definieren. Wir werden außerdem zeigen, dass unabhängig von der Potentialform im<br />

thermodynamischen Gleichgewicht kein Teilchenstrom auftritt (verwenete Literatur zu<br />

diesem Abschnitt [RH02][Rei01]).<br />

3.1 Grundlegendes Modell des <strong>Brownsche</strong>m Motors<br />

Wir betrachte ein <strong>Brownsche</strong>s Teilchen in einer Dimension mit der Koordinate x(t) und<br />

der Masse m, dessen durch die Gleichung<br />

mẍ(t)+V ′ (x(t)) = −ηẋ(t)+ξ(t) (3.1)<br />

Hier ist V (x) ein periodisches Potenzial mit der Periode L, das heißt es gilt V (x + L) =<br />

V (x) und gebrochener räumlicher Symmetrie. Ein solches Potential (siehe Abb. 3.1) lässt<br />

sich etwa darstellen durch<br />

V (x) =V 0 [sin(2πx/L)+0.25sin(4πx/L)] (3.2)<br />

Abbildung 3.1: Beispiel für ein periodisches Ratschenpotential mit gebrochener räumlicher Symmetrie<br />

und Periode L in dimensionslosen Einheiten. [AH02]<br />

Die linke Seite von (3.1) stellt den deterministischen Teil der Teilchendynamik dar,<br />

während die rechte Seite die Effekte der thermischen Umgebung des Teilchens beschreibt.<br />

11


KAPITEL 3. GRUNDLEGENDES MODELL DES BROWNSCHEM MOTORS<br />

Zu diesen Effekten gehören zum einen die Energiedissipation, gegeben durch den Reibungsterm<br />

in (3.1) mit Reibungskoeffizient η und zum anderen eine zufällig fluktuierende<br />

Kraft ξ(t), hier in Form von Gaußschem weißen Rauschen für welches<br />

gilt, sowie das Fluktuations-Dissipations Theorem<br />

〈ξ(t)〉 =0 (3.3)<br />

〈ξ(t)ξ(s)〉 =2Dδ(t − s) (3.4)<br />

mit der Rauschstärke D = ηk B T , das die zeitliche Unkorreliertheit des Rauschens<br />

beinhaltet.<br />

In einem sehr kleinen System in dem thermische Fluktuationen eine große Rolle spielen,<br />

wie wir es betrachten, kann der Trägheitsterm aus (3.1) vernachlässigt werden und wir<br />

erhalten in diesem Grenzfall eine überdämpfte Langevin-Gleichung der Form<br />

ηẋ(t) =−V ′ (x(t)) + ξ(t) (3.5)<br />

Wir wollen nun im weiteren Verlauf die Fokker-Planck Gleichung für dieses Modell herleiten,<br />

um letztendlich einen Ausdruck für den Teilchenstrom in unserem System zu erhalten.<br />

3.2 Die Fokker-Planck Gleichung<br />

In diesem Abschnitt werden wir nun eine eher physikalische Ableitung der Fokker-Planck<br />

Gleichung vorstellen (weitere Literatur zur Herleitung [Ris84]).<br />

Die Trajektorien x(t) des in (3.5) beschriebenen stochastischen Prozesses bilden eine<br />

statistische Gesamtheit. Die Wahrscheinlichkeitsdichte P (x, t), ein <strong>Brownsche</strong>s Teilchen<br />

zum Zeitpunkt t am Ort x zu finden, kann man durch Mittelung der Gesamtheit über<br />

die einzelnen Trajektorien schreiben als<br />

P (x, t) := 〈δ(x − x(t))〉 (3.6)<br />

und somit folgt für die Normierung von P (x, t)<br />

sowie P (x, t) 0 für alle x und t.<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

dx P (x, t) =1 (3.7)<br />

Nun wollen wir wissen wie sich die Dynamik unserer Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

P (x, t) verhält. Hierzu betrachten wir zunächst die Gleichung (3.5) für den Spezialfall<br />

V ′ (x) = 0. Dies beschreibt aber gerade die Langevin-Gleichung der <strong>Brownsche</strong>n Bewegung,<br />

also die freie Diffusion mit der Diffusionskonstanten ˜D = D/η 2 = k B T/η. Somit ist die<br />

Dynamik von P (x, t) gegeben durch die Diffusionsgleichung<br />

∂<br />

∂2<br />

P (x, t) = ˜D P (x, t) (3.8)<br />

∂t ∂x2 12


3.3. DER TEILCHENSTROM<br />

Betrachten wir nun nur den deterministischen Anteil der Gleichung (3.5), d.h. ξ(t) = 0.<br />

Analog zur klassischen Hamiltonmechanik, kann man so die Entwicklung der Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

P (x, t) durch die Liouville-Gleichung der Form<br />

∂<br />

∂<br />

P (x, t) =<br />

∂t ∂x<br />

[ V ′ (x)<br />

η<br />

]<br />

P (x, t)<br />

(3.9)<br />

ausdrücken. Da die Gleichungen (3.8) und (3.9) beide linear in P (x, t) <strong>sind</strong>, folgt aus<br />

der Kombination der beiden Beiträge die Fokker-Planck Gleichung<br />

∂<br />

∂<br />

P (x, t) =<br />

∂t ∂x<br />

[ V ′ (x)<br />

η<br />

]<br />

P (x, t) +<br />

Allgemein lässt sich die Fokker-Planck Gleichung auch darstellen als<br />

∂2 ˜D P (x, t) (3.10)<br />

∂x2 ∂ ∂<br />

P (x, t)+ J(x, t) =0 (3.11)<br />

∂t ∂x<br />

Die Gleichung (3.11) hat die Form einer Kontinuitätsgleichung für die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

P (x, t) mit dem Wahrscheinlichkeitsstrom J(x, t). Für den Fall eines<br />

überdämpften Systems, wie durch (3.5) dargestellt, ergibt sich mit (3.10)<br />

[ V ′ (x)<br />

J(x, t) =− +<br />

η<br />

˜D ∂ ]<br />

P (x, t) (3.12)<br />

∂x<br />

Gleichung (3.10) beschriebt das dynamische Verhalten unseres Systems. Wir wollen<br />

noch einmal kurz zusammenfassen, worauf wir eigentlich hinaus wollen. Wir betrachten ein<br />

System, dass sich durch die Bewegungsgleichung (3.5) beschreiben lässt, mit einem periodischen,<br />

asymmetrischen Potential (3.2) (Ratschenpotential) und einem stochastischen Term<br />

ξ(t), der die thermischen Fluktuationen beschreibt. Ein System also, welches die Eigenschaften<br />

eines <strong>Brownsche</strong>n Motors besitzt. <strong>Was</strong> uns nun interessiert, ist der Teilchenstrom.<br />

‚<br />

3.3 Der Teilchenstrom<br />

Wir wollen also einen Ausdruck finden, der uns den Teilchenstrom 〈ẋ〉 unseres Systems<br />

beschreibt. Der Erwartungswert für ein <strong>Brownsche</strong>s Teilchen ist definiert als<br />

〈x(t)〉 =<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

dx x P (x, t) (3.13)<br />

Leiten wir einmal nach der Zeit ab, so erhalten wir einen Ausdruck für den Teilchenstrom<br />

〈ẋ(t)〉 = ∂ ∂t 〈x(t)〉 = ∂ ∂t<br />

=<br />

= −<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

∫ ∞<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

dx x P (x, t)<br />

dx x ∂ P (x, t)<br />

(3.14)<br />

∂t<br />

dx x ∂<br />

∂x J(x, t)<br />

−∞<br />

In der zweiten Zeile wurde Gleichung (3.11) verwendet und wir haben einen Ausdruck<br />

erhalten, den wir nun partiell integrieren können.<br />

13


KAPITEL 3. GRUNDLEGENDES MODELL DES BROWNSCHEM MOTORS<br />

∫ ∞<br />

〈ẋ(t)〉 = − dx x ∂<br />

−∞<br />

∣<br />

∂x J(x, t) =− xJ(x, t) ∣∣ L<br />

0<br />

} {{ }<br />

=0<br />

∫ ∞<br />

+ dx J(x, t)<br />

−∞<br />

(3.15)<br />

Der erste Term der zweiten Zeile in (3.15) geht zu Null, da der Teilchenstrom für −∞<br />

und ∞ verschwinden muss. Nun können wir (3.12) in (3.15) einsetzen und integrieren.<br />

〈ẋ(t)〉 =<br />

= −<br />

= −<br />

= −<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

∫ ∞<br />

dx J(x, t)<br />

−∞<br />

[ V ′ (x)<br />

dx<br />

η<br />

+ ˜D ∂ ]<br />

P (x, t)<br />

∂x<br />

∫ ∞<br />

dx V ′ (x)<br />

P (x, t)+<br />

η<br />

˜D<br />

dx V ′ (x)<br />

η<br />

dx ∂ P (x, t)<br />

−∞ ∂x<br />

P (x, t)+ ˜DP(x, t) ∣ ∞ −∞<br />

} {{ }<br />

=0<br />

(3.16)<br />

Somit erhalten wir einen allgemeinen Ausdruck für den Teilchenstrom unseres Systems.<br />

∫ ∞<br />

〈ẋ(t)〉 = −<br />

−∞<br />

dx V ′ (x)<br />

P (x, t) (3.17)<br />

η<br />

Um diesen konkret zu bestimmen, muss die Fokker-Planck Gleichung (3.10) für ein<br />

gegebenes periodisches Potential V (x) numerisch gelöst werden. Hierzu wollen wir den<br />

Lösungsanstz noch etwas weiter vorstellen.<br />

Wir beginnen damit, die so genannte reduzierte Wahrscheinlichkeitsdichte ˆP (x, t),<br />

sowie den reduzierten Wahrscheinlichkeitsstrom Ĵ(x, t) einzuführen, wobei L wieder die<br />

Periodenlänge darstellt.<br />

ˆP (x, t) :=<br />

∞∑<br />

n=−∞<br />

P (x + nL, t) (3.18)<br />

Daraus folgt für 3.7 und 3.17<br />

∞∑<br />

Ĵ(x, t) :=<br />

n=−∞<br />

J(x + nL, t) (3.19)<br />

ˆP (x + L, t) = ˆP (x, t) (3.20)<br />

∫ L<br />

0<br />

dx ˆP (x, t) =1 (3.21)<br />

∫ L<br />

〈ẋ(t)〉 = − dx V ′ (x)<br />

ˆP (x, t) (3.22)<br />

0 η<br />

14


3.3. DER TEILCHENSTROM<br />

Wir wollen uns nun noch die Lösung ˆP st (x) für den stationären Fall im thermodynamischen<br />

Gleichgewicht anschauen, die sich wie folgt ergibt<br />

ˆP st (x) =<br />

exp(−V (x)/k B T )<br />

∫ L<br />

0 dy exp(−V (y)/k BT )<br />

(3.23)<br />

Die Lösung ist eine Boltzmann-Verteilung. Setzen wir (3.23) in (4.2) ein und integrieren,<br />

so erhalten wir<br />

∫ L<br />

〈ẋ(t)〉 = −<br />

= −<br />

=0<br />

0<br />

∫ L<br />

0<br />

dx V ′ (x)<br />

η<br />

dx V ′ (x)<br />

η<br />

exp(−V (x)/k B T )<br />

∫ L<br />

0 dy exp(−V (y)/k BT )<br />

(3.24)<br />

Im Thermodynamischen Gleichgewicht findet also, wie zu erwarten, kein Teilchentransport<br />

statt.<br />

15


4 Die On-Off-Ratsche<br />

In diesem Kapitel werden wir, auf Basis der eben hergeleiteten Grundlagen, am On-Off-<br />

Ratschen Modell zeigen, wie sich ein <strong>Brownsche</strong>r Motor mathematisch beschreiben lässt<br />

und anschließend ein Beispiel für seine Anwendung in der Biologie geben.<br />

4.1 Das Modell der On-Off-Ratsche<br />

Nehmen wir nun unser Modell mit dem periodischen Ratschenpotential und fügen noch<br />

zwei kleine Änderungen hinzu (Literatur [RH02][Rei01]). Zum einen wollen wir das<br />

Potential V (x(t)) mit einer Frequenz von 1<br />

2τ<br />

ein- und ausschalten, zum anderen addieren<br />

wir zu der Bewegungsgleichung (3.5) noch eine konstante Kraft F = const., die wir<br />

beliebig einstellen können. Wir erhalten also aus (3.5)<br />

ηẋ(t) =−V ′ (x(t)) + ξ(t)+F (4.1)<br />

Der resultierende Teilchenstrom ergibt sich dann aus der allgemeinen Form (4.2) zu<br />

〈ẋ(t)〉 = 1 τ<br />

∫ t+τ<br />

t<br />

∫ L<br />

dt dx F − V ′ (x)<br />

ˆP (x, t) (4.2)<br />

0 η<br />

wobei zu erwähnen bleibt, dass der Strom 〈ẋ(t)〉 immer noch zeitabhängig ist und diese<br />

Abhängigkeit nur im Langzeit-Limes verschwindet.<br />

Wir haben also unser Wärmebad mit einer bestimmten Anzahl an Teilchen, deren<br />

Dynamik sich mit (4.1) beschreiben lässt und schalten nun das Potenzial V (x(t)) für eine<br />

Zeit τ an, bzw. aus. <strong>Was</strong> passiert?<br />

Wenn das Potential angeschaltet ist, befinden sich die Teilchen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit<br />

im Potentialminimum. Dies wird deutlich wenn wir uns die Abb. (4.1)<br />

anschauen, in der das Potential (3.2), schwarze Kurve, sowie die stationäre Lösung (3.23)<br />

in Grau, skizziert werden (mit F =0).<br />

Abbildung 4.1: Die Abbildung skizziert das Potential (3.2) (schwarze Kurve), sowie die stationäre Lösung<br />

(3.23) (graue Kurve) in willkürlichen Einheiten. Es wurde verwendet: V 0 = k BT = L =1.<br />

Betrachten wir den Vorgang anhand von Abbildung (4.2), so sehen wir bei angeschaltetem<br />

Potential die Teilchen, wie eben schon erläutert, im Potentialminimum. Wird das<br />

17


KAPITEL 4. DIE ON-OFF-RATSCHE<br />

Potential nun abgeschaltet, d.h. V 0 =0und somit auch V ′ (x(t)) = 0 in Gleichung (3.5)<br />

bzw. (4.1) mit F =0, erhalten wir ein System, das sich durch die Diffusionsgleichung<br />

(3.8) beschreiben lässt, deren Lösung folgende Form hat<br />

P diff (x, t) = P (<br />

0 x<br />

2 √ 2 )<br />

π ˜Dt exp 4 ˜Dt<br />

(4.3)<br />

Das bedeutet, die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Teilchen wird mit der Zeit breiter.<br />

In unserer konkreten Betrachtung geschieht dies in der Zeit τ in der das Potential abgeschaltet<br />

ist. Die Teilchen diffundieren nun, unter Einfluss der thermischen Fluktuationen<br />

des Wärmebades, willkürlich hin und her und bewegen sich um den Ort des jeweiligen<br />

Potentialminimums, in dem sie zuvor relaxiert waren. Es bleibt zu bemerken, dass für<br />

den mittleren Teilchenstrom immer noch gilt 〈ẋ(t)〉 =0. Wir befinden uns nach wie vor<br />

im thermodynamischen Gleichgewicht.<br />

Gehen wir nun einen Schritt weiter in Abb. (4.2) und schalten das Potential wieder an. In<br />

dem Moment, in dem wir Anschalten, kann es nun sein, dass sich durch die willkürliche<br />

Teilchenbewegung bei Abwesenheit des Potentials, das ein oder andere Teilchen schon<br />

über dem Ort des Potentialmaximums des benachbarten Potentialwalls befindet und somit<br />

nicht wieder zurück in die Position des Minimums fällt, in dem es sich zuvor befunden<br />

hat, sonder den Potentialwall hinunter in das Nachbarminimum rutscht. Es hat also<br />

Teilchentransport stattgefunden und wir können bei dem betrachteten System von einem<br />

<strong>Brownsche</strong>n Motor sprechen. Eine Frage bleibt jedoch noch offen. Es wurde offensichtlich<br />

Arbeit geleistet, um die Teilchen zu transportieren. Bisher haben all unser Betrachtungen<br />

jedoch im thermodynamischen Gleichgewicht stattgefunden und wie wir mit Gleichung<br />

(3.24) festgestellt haben, gibt es hier keinen Teilchenstrom. Ist ein <strong>Brownsche</strong>r Motors<br />

also ein Perpetuum Mobile zweiter Art und verstößt somit gegen den Zweiten Hauptsatz<br />

der Thermodynamik?<br />

Abbildung 4.2: Zusehen ist hier das Verhalten der Teilchen bei An- und Ausschalten des Ratschenpotentials.<br />

[LDZ05]<br />

18


4.2. BEISPIEL: HEPATITIS C VIRUS HELICASE<br />

Nein!!<br />

Die für den Teilchentransport nötige Energie muss beim Wiedereinschalten des Potentials<br />

aufgebracht werden. Hier wird Arbeit geleistet, da die Potenzielle Energie das Teilchens<br />

plötzlich erhöht wird. Der größte Anteil dieser Energie wird durch die Relaxation des<br />

Teilchens zum Minimum ins Wärmebad dissipiert und nur ein kleiner Teil verrichtet<br />

letztendlich Arbeit. Gehen wir noch einmal an den Punkt, an dem, wie in Abb. (4.2)<br />

zusehen, alle Teilchen zufällig hin und her diffundieren. Schaltet man das Potential<br />

nun an, so wird die potentielle Energie eines Teilchens, das sich über dem Ort des<br />

Nachbarpotentialhügels befindet, plötzlich angehoben. Diese Potentielle Energie kann<br />

dann für eine gerichtete Bewegung in Richtung der Nachbarpotentialminimums genutzt<br />

werden. Das bedeutet, hier muss man Energie in das System stecken, um das Potential<br />

überhaupt wieder anzuschalten und so den <strong>Brownsche</strong>n Motor neu „starten“ zu können.<br />

Zur weiteren Veranschaulichung findet sich auf der Homepage der Universität Basel<br />

(http://www.elmer.unibas.ch/bm/index.html) ein Java-Applet, mit welchem sich der<br />

hier behandelte <strong>Brownsche</strong>n Motor simulieren lässt. Im nächsten Abschnitt werden wir<br />

ein konkretes Beispiel aus der Biologie anschauen, das man anhand des Modells der<br />

On-Off-Ratsche und den Prinzipien eines <strong>Brownsche</strong>n Motors sehr gut beschreiben kann.<br />

4.2 Beispiel: Hepatitis C Virus Helicase<br />

Wir wollen nun das zuvor vorgestellte Modell der On-Off-Ratsche auf ein System aus<br />

der Biologie anwenden. Hierzu betrachten wir die Hepatitis C Virus Helicase. Helicasen<br />

kommen in allen Lebewesen und meisten Viren vor, wie auch hier in userem Beispiel. Das<br />

Enzym sorgt dafür, dass der DNA Doppelstrang aufgetrennt wird, damit die Virus-DNA<br />

eingebaut oder dass, wie in den menschlichen Zellen, DNA transkripiert wird und zur<br />

Herstellung bestimmter anderer Enzyme dient. Abschreiben bedeutet, dass die Helicase<br />

an der DNA entlang wandern muss, um diese Stück für Stück aufzutrennen. Nun, wie<br />

kann man solch eine Bewegung beschreiben?<br />

Wir bewegen uns wieder in einem Regim, in dem thermische Fluktuationen ein große<br />

Einwirkungen auf unser System haben. Man hat herausgefunden, dass durch unterschiedlich<br />

starke Bindungsenergien des Enzym-DNA-Komplexes, bedingt durch die variierende<br />

Struktur der DNA, ein periodisches Ratschenpotential hervorgerufen wird, wobei sich<br />

das Enzym zunächst an einer energetisch günstigen Stelle anlagert (siehe Abb. (4.3)).<br />

Durch ATP-Bindung ändert sich das gesamte Bindungsverhältnis des Komplexes, die<br />

Bindung wird schwächer, sodass die Helicase das Potenzial kaum noch spürt. Bedingt<br />

durch thermische Fluktuationen, deren Einfluss nun größer ist, fluktuiert auch das Enzym<br />

kurzzeitig willkürlich, bis das ATP hydrolysiert wird (hier wird Energie frei) und der<br />

Enzym-DNA-Komplex wieder ein Starke Bindung eingeht. Hier kann es nun passieren,<br />

dass sich das Enzym in diesem Moment die benachbarte Potenzialschwelle schon überquert<br />

hat und somit eine Position weiterrutsch. Dann beginnt der Prozess wieder von vorne. So<br />

kann nun Stück für Stück die DNA zum Abschreiben aufgetrennt werden.[LGP05]<br />

Wir sehen also, das wir mit Modellen des <strong>Brownsche</strong>n Motors grundlegende Mechanis-<br />

19


KAPITEL 4. DIE ON-OFF-RATSCHE<br />

Abbildung 4.3: Die Abbildung zeigt die Funktionsweise der Hepatitis C Virus Helicase am Modell eines<br />

<strong>Brownsche</strong>n Motors mit On-Off-Ratsche. [LGP05]<br />

men beschreiben können, die für das Leben an sich eine fundamentale Rolle spielen.<br />

20


5 Die Temperatur-Ratsche<br />

In diesem Kapitel werden wir noch einen weiteren Ratschentyp, die Temperaturratsche<br />

betrachten und uns anschließend ebenfalls ein biologisches System anschauen, auf welches<br />

man dieses Modell anwenden kann (Literatur [RH02][Rei01]).<br />

5.1 Das Modell der Temperatur-Ratsche<br />

Die Temperatur-Ratsche unterscheidet sich von der On-Off-Ratsche im Wesentlichen<br />

dadurch, dass nun nicht mehr das Potential an und ausgeschaltet wird, sondern die<br />

Temperatur der Teilchen periodisch mit der Zeit τ variiert wird. Für das System gelten<br />

nach wie vor (3.2), (4.1) und (4.2), sowie darüber hinaus nun<br />

〈ξ(t)ξ(s)〉 =2ηk B T (t)δ(t − s) (5.1)<br />

T (t) =T (t + τ) (5.2)<br />

wobei man die Periodizität der Temperatur für numerische Berechnungen mit einer<br />

mittleren Temperatur ˜T wie folgt darstellen kann<br />

T (t) = ˜T {1+A sign[sin(2πt/τ)]} (5.3)<br />

Die Funktion sign(x) sorgt dafür, dass die Temperatur, jeweils nach einer halben<br />

Periode, also τ/2, zwischen T (t) = ˜T [1 + A] und T (t) = ˜T [1 + A] hin und her springt. In<br />

Abbildung (5.1) sehen wir eine numerische Lösung für den den Teilchenstrom in Abhängigkeit<br />

einer externen Kraft für das Temperatur-Ratschen-Modell. Wie man erkennen<br />

kann, ergibt sich für F =0ein nicht verschwindender Teilchenstrom.<br />

Wie funktioniert nun die Termperatur-Ratsche, d.h. wie kann man sich den Teilchentransport<br />

in einem solchen Modell vorstellen?<br />

Schauen wir uns dazu Abbildung (5.2) an. Die Teilchen befinden sich zunächst, analog<br />

zum On-Off-Ratschen Modell, im Potentialminimum. Nun wird die thermische Energie der<br />

Teilchen schlagartig erhöht, was dazu führt, dass sie nunmehr kaum noch das Potential<br />

unter sich spüren. Jetzt kann es passieren, dass ein Teilchen genug Energie hat, sodass es,<br />

bevor es wieder im Wärmebad relaxiert, den benachbarten Potentialwall überquert. Es<br />

ergibt sich also ein Teilchenstrom.<br />

5.2 Beispiel: Kinesin auf Mikrotubuli<br />

Kinesin ist eine molekulares Motorprotein, welches für den Transport von Zellstoffen<br />

auf Mikrotubuli, auch entgegen von Diffusionsgradienten, in eukaryotischen Zellen verantwortlich<br />

ist. Als Mikrotubuli bezeichnet man einen Bestandteil des Cytosekeletts<br />

21


KAPITEL 5. DIE TEMPERATUR-RATSCHE<br />

Abbildung 5.1: Numerisch berechneter, zeit- und ensemblegemittelter Teilchenstrom 〈ẋ〉 in Abhänigkeit<br />

einer externen Kraft F für das Temperatur-Ratschenmodell. Es wurden dimensionslose<br />

Einheiten verwendet, sowie η = L = τ = k B =1, V 0 =1/2π, ˜T =0.5 and A =0.8. [RH02]<br />

Abbildung 5.2: Die Abbildung veranschaulicht das Prinzip der Temperatur-Ratsche. [HMN05]<br />

der u.a. als eine Transportbahn für Kinesin dient. Das bedeutet, hier findet gerichteter<br />

Transport auf molekularer Ebene statt, der sich, wie wir sehen werden, durch das Modell<br />

der Temperatur-Ratsche beschreiben lässt.<br />

Werfen wir einen Blick auf Abbildung (5.3). Aufgrund der periodischen, unterschiedlich<br />

stark bindenen Struktur des Mikrotubulis (dargestellt durch verschiedene Orangetöne,<br />

hell und dunkel) spürt das Kinesin ein periodisches Ratschenpotential. In der Mitte der<br />

Grafik sehen wir das Kinesin (grün) mit beiden „Füßen“ fest mit dem Mirkrotubuli<br />

verankert. Das heißt, bildlich vorgestellt, unsere Teilchen, in diesem Fall die Füße des<br />

Kinesins, sitzen in den Potenzialminima unser Ratsche (siehe Abb.(5.2)). Nun kommt<br />

wieder das ATP ins Spiel. Dieses mal wird jedoch nicht das Potential in irgend einer<br />

Weise verändert, sondern die durch die ATP-Hydrolyse frei werdende Energie nutzt das<br />

Kinesin, um seine thermische Energie kurzzeitig zu erhöhen, und sich aus dem Potenzial<br />

22


5.2. BEISPIEL: KINESIN AUF MIKROTUBULI<br />

Abbildung 5.3: Die Grafik zeigt den Transport von Zellstoffen durch Kinesin auf einem Mikrotubuli.<br />

[How09]<br />

Minimum, also vom Mikrotubule zu lösen. Durch ungerichtete Fluktuation des Fußes,<br />

kann so wieder die nächste Potenzialsenke erreicht, und ein weiterer Schritt gemacht<br />

werden.<br />

Unter dem Link (http://www.youtube.com/watch?v=KfEbuHCGIIo) findet sich ein<br />

Video, das ein solche Bewegung, wie die von Kinesin simuliert.<br />

23


6 Weitere Ratschetypen<br />

Wir haben in den vorherigen Kapiteln zwei verschiedene Ratschen-Modelle kennengelernt<br />

und gesehen, wie man sie auf natürliche Prozesse anwenden kann. Es gibt jedoch eine<br />

Vielzahl von weiteren Systemen, die durch verschiedenste Ratschen-Modelle beschrieben<br />

werden können und in denen die zu Beginn erwähnten Eigenschaften eines <strong>Brownsche</strong>n<br />

Motors realisiert <strong>sind</strong>.<br />

6.1 Beispiele weiterer Ratschentypen<br />

In Abbildung (6.1) <strong>sind</strong> vier weitere wichtige Ratschentypen vorgestellt, auf die in<br />

dieser Ausarbeitung jedoch nur sehr kurz eingegangen werden soll. Lediglich für die Drift-<br />

Ratsche werden wir im nächsten Abschnitt noch eine Anwendung aus der Nanotechnologie<br />

anschauen.<br />

Abbildung 6.1: Grafiken zu verschiedenen Ratschentypen. [HMN05][AH02]<br />

Pulsierende Ratsche. Im Fall der in Grafik (6.1) zu sehenden pulsierenden Ratche, wird<br />

das Potential nicht einfach an und aus geschaltet, sondern zeitlich moduliert, sodass das<br />

Teilchen quasi auf einer Potentialwelle „surft“ und somit ein Teilchentransport stattfindet.<br />

Hier muss bei der Potentialvariation Energie in das System gepumpt werden. [AH02]<br />

Drift-Ratsche. Wie in Abbildung (6.1) zu sehen haben wir eine Art Pore mit einem<br />

asymmetrischen, ratschenartigen Wandprofil, welche zwei zunächst homogene Bäder mit<br />

den zu betrachtenden Teilchen voneinander trennt. Wird die Flüssigkeit nun periodisch<br />

hin und her gepumt, ergibt sich auch ein asymmetrisches Verhalten der thermischen<br />

Diffusion, sowie der Kollisionen mit den Porenwänden, sodass sich die Teilchen während<br />

25


KAPITEL 6. WEITERE RATSCHETYPEN<br />

einer Periode etwas in eine Richtung der Pore bewegen. Da die durch das Pumpen<br />

entsehende Versetzung der Teilchen in der Regel sehr viel größer ist, als die aus der Porenasymmetrie<br />

resultierende Versetzung, motivierte dies den Begriff Drift-Ratsche. [Rei01]<br />

Quanten-Ratsche. Im Gegegenstatz zu den bisher betrachteten Ratschen bewegen wir<br />

uns hier nicht mehr in einem klassischen Regim. Die quantenmechanische Behandlung<br />

unseres Systems (z.B mit Elekronen als <strong>Brownsche</strong> Teilchen) liefert einen nicht verschwindenden<br />

Teilchenstrom, sogar im Grenzfall, wenn die Temperatur gegen Null geht (T → 0).<br />

Ein solches Phänomen lässt sich durch den Tunneleffekt erklären. [AH02]<br />

Feynman-Ratsche. Die Feynman-Ratsche oder auch Feynman-Smoluchowski-Ratsche<br />

ist ein Gedankenexperiment, welches zuerst 1912 von dem polnischen <strong>Physik</strong>er Marian<br />

Smoluchowski erdacht und später von Richard Feynman weitergeführt und in seine<br />

Vorlesungen übernommen wurde. Die Idee bestand darin, dass ein Paddelrad, welches<br />

sich in einem abgeschlossenen Bad befindet, über eine Kurbel mit einem ratscheförmigen<br />

Zahnrad verbunden ist, das sich, durch einen Mechanismus hervorgerufen, nur in eine<br />

Richtug drehen kann. Stoßen nun bedingt durch thermische Fluktuationen, Teilchen gegen<br />

das Paddelrad und zwar in Bewegungs Richtung, so müsste die Ratschen-Zahnrad doch<br />

einen Zahn weiterspringen und man könnte so die Drehbewegung z.B. ein kleines Gewicht<br />

an der Kurbel hochziehen. Befinden sich Paddelrad und Zahnrad jedoch im gleichen Bad,<br />

d.h. das System ist im thermodynamischen Gleichgewicht, so kommt es durch thermisch<br />

bedingt Teilchenstöße am Zahnrad, in dem Moment, in dem das Zahnrad frei gegeben<br />

wird, lediglich zu einer willkürlichen Vor- und Rückwärtsbewegung der Kurbel. Auch hier<br />

finden wir kein Perpetuum Mobile zweiter Art. [RH02]<br />

6.2 Anwendung einer Drift-Ratsche<br />

Abbildung 6.2: Die Grafik zeigt den Transport von Zellstoffen durch Kinesin auf einem Mikrotubuli.<br />

[How09]<br />

Zum Abschluss soll noch eine Anwendung für einen <strong>Brownsche</strong>n Motor nach dem<br />

Drift-Ratschen-Modell aus der Nanotechnologie behandelt werden. Es soll hier nun nicht<br />

mehr im Detail auf die Funktionsweise des Systems eingegangen, sondern nur kurz dessen<br />

Möglichkeiten vorgestellt werden.<br />

In dem System (Abb.(6.2) Mitte) haben wir zwei Bäder mit zwei Teilchensorten unter-<br />

26


6.2. ANWENDUNG EINER DRIFT-RATSCHE<br />

schiedlicher Größe, getrennt durch einem Makro-Poren-Siliziumwafer (Mikroskopaufnahme<br />

siehe Abb.(6.2) links). Pumpt man nun die Flüssigkeit periodisch hin und her, so kann<br />

man (für verschiedene Frequenzen) messen, dass, wie die Auswertung in Abb.(6.2) rechts<br />

zeigt, Teilchen unterschiedlicher Größe verschiedene Geschwindigkeiten haben, die auch<br />

entgegen gerichtet sein können. Es kommt zur Teilchentrennung. Interessant <strong>sind</strong> solche<br />

Systeme für medizinische Anwendungen, sowie künstliche Membranen. Auch versucht<br />

man durch Anwendung des Drift-Ratschen-Modells eine Alternative zur Gelelekrtrophorese<br />

zu finden, die oftmals keine sehr präziese Trennung verschiedener Teilchen bzw.<br />

Molekülsorten erlaubt.<br />

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Literaturverzeichnis<br />

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(2002), November, Nr. 11, S. 33+<br />

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[How09] Howard, H.: Motor Proteins as Nanomachines: The Roles of Thermal Fluctuations<br />

in Generating Force and Motion. In: Seminaire Poincare XII (2009),<br />

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[LDZ05] Linke, H. ; Downton, M.T ; Zuckermann, M.J.: Performance characteristics<br />

of Brownian motors. In: CHAOS 15 (2005), S. 026111<br />

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ISSN 1545–9993<br />

[Rei01] Reimann, P.: Brownian motors: noisy transport far from equilibrium. In:<br />

Physics Reports 361 (2001), S. 57–265<br />

[RH02] Reimann, P. ; Hänggi, P.: Introduction to the Physics of Brownian Motors.<br />

In: Appl. Phys. A 75 (2002), Aug, S. 169–178<br />

[Ris84] Risken, H.: Fokker-Plank Equation. Springer-Verlag, 1984<br />

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