Verfassungsbeschwerde
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SCHILLING & KOLLEGEN<br />
Anwaltskanzlei<br />
RAe Schilling & Kollegen · Alleenstraße 11 · D-78532 Tuttlingen<br />
Einschreiben/Rückschein<br />
An das<br />
Bundesverfassungsgericht<br />
Schloßbezirk 3<br />
76131 Karlsruhe<br />
. .<br />
Rechtsanwälte<br />
Franz Schilling<br />
Thomas Buchholz<br />
Arnd Steckenborn<br />
vertretungsberechtigt bei<br />
allen Amts- und Landgerichten<br />
sowie Oberlandesgerichten<br />
78532 Tuttlingen<br />
Alleenstraße 11<br />
Telefon 07461 9369-0<br />
Telefax 07461 9369-20<br />
e-mail:<br />
post@schillingundkollegen.de<br />
www.schillingundkollegen.de<br />
11.05.2010<br />
08/1141/S/wi<br />
<strong>Verfassungsbeschwerde</strong><br />
des<br />
Herrn Jochen Pleines<br />
Dachsweg 6, 78532 Tuttlingen<br />
- Beschwerdeführer -<br />
Verfahrensbevollmächtigte: RAe Schilling und Kollegen, Alleenstr. 11, 78532 Tuttlingen<br />
unter Vorlage der erteilten Vollmacht des Beschwerdeführers (Anlage 1)<br />
gegen<br />
1. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 04.02.2010 zum Az.: X R 52/08,<br />
zugestellt am 20.04.2010 (Anlage 2),<br />
2. das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.10.2008 zum Az. 3 K<br />
266/06 (Anlage 3),<br />
3. die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Tuttlingen vom 23.11.2006<br />
(Anlage 4),<br />
4. den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 13.03.2006 zum Az.: 21333/00405<br />
(Anlage 5)<br />
5. und mittelbar gegen § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a DBuchst. aa EStG<br />
in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG) vom 05.07.2004..<br />
Gerügt wird<br />
a) die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG<br />
und unabhängig davon<br />
b) die Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG<br />
und unabhängig davon<br />
c) die Verletzung des Art. 20 GG.<br />
Member of<br />
®<br />
Banken: Kreissparkasse Tuttlingen (BLZ 643 500 70) Kto-Nr. 378 · Postbank Stuttgart (BLZ 600 100 70) Kto-Nr. 569 56-709
2<br />
BEGRÜNDUNG<br />
A.<br />
Sachverhalt<br />
Der Beschwerdeführer erhält seit dem 1.1.2005 neben seiner Pension als Beamter auch eine<br />
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die neben Pflichtbeiträgen auch auf 438<br />
freiwilligen Beiträgen beruht. Staatliche Transferleistungen sind in der Rente nicht enthalten.<br />
Nach dem ab 1.1.2005 geltenden AltEinkG wird 50 Prozent seiner Rente als Einkommen<br />
versteuert. Gegen diese zu hohe Besteuerung wehrt sich der Beschwerdeführer.<br />
Der Grund für das AltEinkG war das sog. Rentenurteil 1 von 06.03.2002, das die<br />
unterschiedliche steuerliche Behandlung der Beamtenpensionen einerseits und der Renten<br />
nichtselbständig Tätiger andererseits für verfassungswidrig erklärte. Der Gesetzgeber hat die<br />
ihm vom Bundesverfassungsgericht erteilten Auflagen jedoch zum Anlass genommen, die<br />
Besteuerung aller Altersversorgungs-Systeme neu zu regeln. Ob er dazu aufgrund des sog.<br />
Rentenurteils befugt war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall hatte er bei der Neuregelung die<br />
Verfassungsgrundsätze und insbesondere deren Präzisierung im sog. Rentenurteil zu<br />
beachten. Dies hat er, wie ausgeführt werden wird, nicht getan.<br />
Das AlteinkG ist nicht verfassungsgemäß,<br />
a) weil es im Vergleich zu privaten Leibrenten die Rente des Beschwerdeführers<br />
aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund von freiwilligen Beiträgen<br />
ungleich besteuert und weil es weiterhin diesen Teil der Rente im Vergleich zu<br />
Renten aus einer abhängigen Beschäftigung gleich hoch besteuert,<br />
b) weil es den vermögenswerten Teil seiner Rente doppelt besteuert und<br />
c) weil es abgeschlossene, vor dem 1.1.2005 zurückliegende Tatbestände<br />
belastend in die Neuregelung mit einbezieht und damit auch das Vertrauen<br />
des Beschwerdeführers verletzt.<br />
Der Beschwerdeführer hat deshalb gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 mit der<br />
Begründung Einspruch 2 erhoben, die Besteuerung seiner Rente aufgrund von freiwilligen<br />
Beiträgen sei verfassungswidrig. Das Finanzamt hat den Einspruch zurückgewiesen, die<br />
Rente sei nach der aktuellen Rechtslage zutreffend versteuert worden. Ob diese<br />
Gesetzeslage verfassungswidrig sei, habe das Finanzamt nicht zu beurteilen.<br />
In der dagegen erhobenen Klage 3 vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hat der<br />
Beschwerdeführer seine Klage auch gegen die zu hohe Besteuerung seiner Rente aus<br />
Pflichtbeiträgen erweitert 4 , weil der Rentenanspruch auch aus diesen Beiträgen Vermögen<br />
ist und der vermögenswerte Rentenanteil nur eine nicht steuerbare Vermögensrückgewähr<br />
darstellt. Das Finanzgericht ist auf die verfassungsrechtlichen Fragen zum Teil überhaupt<br />
nicht eingegangen und hat die Klage mit dem Hinweis abgewiesen, der Gesetzgeber habe<br />
seinen ihm zukommenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten.<br />
Auch der BFH hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Revision 5 des Beschwerdeführers<br />
zurückgewiesen, indem er u.a. ausführt:<br />
Die Grundentscheidung des Gesetzgebers, die in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a<br />
Doppelbuchst. aa EStG genannten Leibrenten trotz einer unterschiedlichen<br />
1 Vergl.: BVerfG, 2 BvL 17/99 vom 6.3.2002<br />
2 Vergl.: Einspruch vom 23.03.2006 (Anlage 6)<br />
3 Vergl.: Schriftsätze des Beschwerdeführers vom 27.11.2006 (Anlage 7) und 22.05.2007 (Anlage 8)<br />
4 Vergl.: Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 25.02.2008 (Anlage 9)<br />
5 Vergl.: Revisionsbegründung vom 22.12.2008 (Anlage 10) und Schriftsatz vom 16.01.2009 (Anlage 11)
3<br />
Berücksichtigung der steuerlichen Belastung der jeweiligen Altersvorsorgeaufwendungen<br />
der nachgelagerten Besteuerung zu unterwerfen, verletzt nicht<br />
den Gleichheitssatz des Art. 3 GG (S. 9, 3. Absatz).<br />
Da beim Kläger aufgrund des anzuwendenden Nominalwertgrundsatzes keine<br />
Doppelbesteuerung eingetreten ist und auch unter Berücksichtigung seiner<br />
statistischen Lebenserwartung nicht eintreten wird, muss im Streitfall weder die<br />
Frage entschieden werden, wie im Einzelnen die Doppelbesteuerung zu ermitteln<br />
ist (…), noch ob der Gesetzgeber den Auftrag des BverfG, „in jedem Fall“ die<br />
Doppelbesteuerung zu vermeiden, in zutreffender Weise umgesetzt hat<br />
(S. 32, 3. Absatz).<br />
Die Besteuerung der Renteneinkünfte des Klägers aufgrund des Systems der<br />
nachgelagerten Besteuerung unter Aufgabe des Systems der Ertragsanteilsbesteuerung<br />
ab dem Jahr 2005 verstößt nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz<br />
des Vertrauensschutzes. (S. 19, 2. Absatz)<br />
Die <strong>Verfassungsbeschwerde</strong> ist zulässig:<br />
B.<br />
Zulässigkeit<br />
Das Urteil des BFH vom 04.02.2010 wurde am 20.04.2010 6 zugestellt. Somit ist die<br />
<strong>Verfassungsbeschwerde</strong> fristgerecht erhoben. Mit dem Urteil des BFH ist der Rechtsweg<br />
erschöpft. Der Beschwerdeführer kann den ihm entstandenen Schaden nicht durch andere<br />
Maßnahmen abwenden. Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdebefugt. Nachdem das<br />
Bundesverfassungsgericht bisher noch nicht über die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr.1 S.<br />
3 Buchstabe a DBuchst. aa EStG entschieden hat, ist die <strong>Verfassungsbeschwerde</strong> geboten.<br />
Die <strong>Verfassungsbeschwerde</strong> ist begründet.<br />
1.<br />
C.<br />
Begründetheit<br />
Der Beschwerdeführer sieht in der Besteuerung seiner Rente aufgrund der von 1960<br />
bis zum Jahr 2004 entrichteten 438 freiwilligen Beiträgen den Gleichheitssatz des Art.<br />
3 Abs. 1 GG verletzt.<br />
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, wesentlich Gleiches gleich und<br />
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (BVerfGE 98, 365 ; stRspr). […] Aus<br />
dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben sich je nach Regelungsgegenstand<br />
und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen<br />
Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen<br />
(BVerfGE 88, 87 ; 101, 54 ; 107, 27 ). Nähere Maßstäbe und Kriterien dafür,<br />
unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall der allgemeine Gleichheitssatz verletzt ist,<br />
lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen<br />
unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche präzisieren (vgl. BVerfGE 75, 108 ;<br />
93, 319 ; 110, 412 ). 7 Der Gleichheitsgrundsatz ist nur dann verletzt, wenn der<br />
Gesetzgeber versäumt, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden<br />
6 Vergl.: Empfangsbekenntnis über die Zustellung (Anlage 12)<br />
7 Vergl.: BVerfG, 2 BvL 7/00 vom 16.3.2005, Abs.-Nr. 45
4<br />
Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am<br />
Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. 8<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat weiter festgestellt, dass im Bereich des Steuerrechts,<br />
insbesondere des Einkommensteuerrechts, die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach<br />
der ständigen Rechtsprechung des BVerfG vor allem durch zwei eng miteinander<br />
verbundene Leitlinien begrenzt wird: durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen<br />
Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit 9<br />
a) Ungleiche steuerliche Behandlung gleichartiger steuerlicher Tatbestände<br />
Nach dem AltEinkG werden private Leibrenten nur mit dem Ertragsanteil 10 , dagegen werden<br />
50% der gesetzlichen Rente des Beschwerdeführers aus freiwilligen Beiträgen als zu<br />
versteuerndes Einkommen besteuert. Beide Rentenansprüche konnten bis 2004 unter<br />
identischen steuerlichen Bedingungen aufgebaut werden. Der Beschwerdeführer hätte statt<br />
der freiwilligen Beiträge auch Prämien zu einer privaten Leibrentenversicherung zahlen<br />
können. Er sieht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG u.a. darin verletzt, dass allein die<br />
Wahl des Versicherers (privat oder staatlich) ausschlaggebend für die Höhe der Besteuerung<br />
sein soll. Das widerspricht jeder Logik und dem Gerechtigkeitsgedanken und ist vor allem<br />
nicht folgerichtig. Das wäre so, als ob Zinsen aus Bundesschatzbriefen höher oder anders<br />
versteuert würden als Zinsen aus privaten Anleihen.<br />
Im Gegensatz dazu hat das FG Baden-Württemberg gegen die ungleiche Besteuerung von<br />
privaten Leibrenten und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung keine Bedenken,<br />
insoweit, als ’die Neuregelung aus Vereinfachungsgründen typisierend an die Art der<br />
Altersbezüge anknüpft und weder eine Aufteilung der gesetzlichen Altersrente in einen auf<br />
eigenen Beiträgen beruhenden Teil verlangt noch auf die steuerliche Behandlung der<br />
vormals entrichteten Beiträge abstellt’. 11<br />
Genau dieses hätte aber bei der völligen Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte,<br />
wie mit dem AltEinkG erfolgt, hinsichtlich des vorliegenden Falles - und der unzähligen<br />
gleich gelagerten Fälle -, in denen der Aufbau der Altersversorgung vor dessen Inkrafttreten<br />
bereits abgeschlossen war, vom Gesetzgeber beachtet werden müssen. Denn der Aufbau<br />
dieser Altersversorgung (-en) war unter völlig anderen steuerlichen Umständen erfolgt.<br />
Zudem darf die – zulässige – Typisierung nicht dazu führen, dass völlig verschiedene<br />
rechtserhebliche Sachverhalte vermittelst Typisierung gleich behandelt werden. Vielmehr<br />
widerspricht es gerade der Typisierung, dass abgrenzbar verschiedene Typen des Aufbaus<br />
von Altersversorgungen, die jeweils in unzähligen gleich gelagerten Fällen vorliegen,<br />
vermittelst Typisierung und den damit einhergehenden Rechtsnachteilen gleich behandelt<br />
werden (unter denselben Typ gezwungen werden).<br />
Die zur ungleichen Besteuerung getroffenen Ausführungen des BFH, dass nach Abschluss<br />
der Übergangsphase Rentenanwartschaften aus nicht versteuertem Einkommen gebildet<br />
werden können, gehen an der Sache vorbei 12 . Der Beschwerdeführer hat seine<br />
Rentenanwartschaften bereits vollständig vor Beginn der Übergangsphase aufgebaut, d.h.,<br />
der Vermögensaufbau war bereits vor Inkrafttreten des AltEinkG abgeschlossen. Was in<br />
Zukunft, das heißt nach Beginn - und erst recht nach Abschluss - der Übergangsphase,<br />
möglich ist, ist aus diesem Grund für dieses Verfahren unerheblich.<br />
8 Vergl.: BVerfG, Beschluss v. 26.3. 1980 - 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76:<br />
9 Vergl.: BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 105, 73, 125; vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412,<br />
433; vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 46; vom 21. Juni 2006 2 BvL<br />
2/99, BVerfGE 116, 164, 180, und vom 7. November 2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, 3<br />
10 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 15/07 Absatz 23 ff.<br />
11 Vergl.: FG-Urteil, Az.: 3 K 266/06, S. 13<br />
12 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 9, 4.Absatz ff.
5<br />
b) Gleiche steuerliche Behandlung ungleichartiger steuerlicher Tatbestände<br />
Der Beschwerdeführer sieht den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auch darin<br />
verletzt, dass Renten aus vom Versicherten vollständig selbst gezahlten Beiträgen gleich<br />
hoch besteuert werden wie die Renten von abhängig Beschäftigten, die nur den halben<br />
Beitragssatz zu zahlen hatten. Damit wird gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit<br />
verstoßen. 13<br />
Der BFH bestätigt selbst, dass die steuerliche Situation der Arbeitnehmer, Selbständigen<br />
und Beamten im Bereich der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte bis zur Neuregelung im<br />
Jahr 2005 vollkommen unterschiedlich war. 14 Das Argument, die sog. 'Zwischenschritte'<br />
dienten einer dem Art. 3 GG entsprechenden Differenzierung im Hinblick auf die völlig<br />
verschiedenen Gruppen bzw. Sachverhalte, geht fehl. Denn innerhalb eines sog.<br />
'Zwischenschritts' werden alle drei Gruppen bzw. Sachverhalte gleich behandelt.<br />
Das Bundesverfassungsgericht stellt zwar in seiner Entscheidung vom 13.02.2008 fest, der<br />
Gesetzgeber habe den Gesetzgebungsauftrag zutreffend so verstanden, dass eine<br />
gleichheitsgerechte Besteuerung der Altersbezüge nur möglich ist, wenn bei der<br />
Neuregelung die Besteuerung aller bestehenden Altersvorsorgesysteme aufeinander<br />
abgestimmt wird. 15 Dies ist im AltEinkG nicht erfolgt. Denn: „aufeinander abgestimmt“<br />
bedeutet gerade nicht eine pauschale Gleichschaltung, sondern eine auf die typisierten<br />
Sachverhaltsgruppen abgestimmte gleichheitsgerechte Lösung. Gegen diese pauschale<br />
Gleichschaltung wandte sich die Revision und wendet sich diese <strong>Verfassungsbeschwerde</strong>.<br />
Der erkennende Senat des BFH scheint die unterschiedliche steuerliche Situation auch zu<br />
erkennen, wenn er weiter unter bb) ausführt, die Besteuerung mit demselben Anteil trotz der<br />
unterschiedlichen Vorbelastung sei 'der Praktikabilität und Administrierbarkeit geschuldet'.<br />
Das bedeutet nichts anderes, dass diese Besteuerung damit einer Überprüfung im Hinblick<br />
auf Art. 3 Abs. 1 GG entzogen wird bzw. Praktikabilität und Administrierbarkeit als solche<br />
Vorrang vor der Verfassung haben.<br />
Aus der Sicht des Beschwerdeführers darf die Notwendigkeit einfacher, praktikabler und<br />
gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen nicht dazu führen, dass eine folgerichtige<br />
Ausrichtung der Einkommensbesteuerung völlig außer Acht gelassen wird, und sich so die<br />
Steuerbelastung mehr als verdoppelt.<br />
2.<br />
Der Beschwerdeführer sieht in der Besteuerung seiner Rente aus freiwilligen als auch<br />
aus Pflichtbeiträgen seine Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.<br />
Dem Grundrecht auf Schutz des Eigentums hat das Bundesverfassungsgericht in seinem<br />
sog. Rentenurteil Rechnung getragen, indem es in seinem 3. Leitsatz bestimmt:<br />
Der Gesetzgeber hat im Rahmen der gebotenen Neuregelung die Besteuerung von<br />
Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen<br />
aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass<br />
eine doppelte Besteuerung vermieden wird.<br />
a) Eigentums-geschützter Rentenanspruch<br />
13 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 5, 2.Absatz<br />
14 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 14, Mitte<br />
15 Vergl.: BverfG, 2 BvR 1220/04 vom 13.2.2008, Absatz 22
6<br />
Mit der Beitragsentrichtung hat sich der Beschwerdeführer einen Rentenanspruch aufgebaut,<br />
der den Schutz der Eigentumsgarantie genießt (Substanzgarantie, BVerfGE 53,257). Von<br />
dieser Rechtsauffassung ist das Bundesverfassungsgericht bisher nicht abgewichen. Wenn<br />
die Rentenhöhe auch erst 2005 zum Zeitpunkt des Rentenbeginns bekannt war, so war der<br />
Rentenanspruch aus wirtschaftlicher Sicht von Beginn an Vermögen. Gleiches gilt im<br />
Übrigen auch für den in der Rechtsprechung genannten Vergleich mit dem Erwerb eines<br />
Grundstücks 16 . Auch hier steht der tatsächliche Wert erst zum Zeitpunkt des Verkaufs fest.<br />
Der vermögenswerte Teil der Rentenzahlung (sog. ’Kapitalanteil’) ist daher im Gegensatz zur<br />
Auffassung des BFH 17 immer eine nicht steuerbare Vermögensrückgewähr und kein<br />
Vermögensaufbau.<br />
Aufgrund der Neuregelung durch das AltEinkG wird der Kapitalanteil der Rente<br />
Beschwerdeführers zumindest teilweise verfassungswidrig doppelt besteuert.<br />
des<br />
Bereits der Erwerb des Rentenanspruchs stellt eine Vermögensumschichtung aus dem<br />
Einkommen bzw. Vermögen des Versicherten und ggf. einen Vermögenszufluss durch den<br />
vom Arbeitgeber gezahlten und vom Arbeitnehmer erwirtschafteten Arbeitgeberanteil dar.<br />
Ausschließlich die Steuerfreiheit des Arbeitgeberanteils hat das Bundesverfassungsgericht<br />
im Vergleich zur Beamtenpension als verfassungswidrig angesehen. Die Verfassungswidrigkeit<br />
bedeutet jedoch nicht, dass durch den Arbeitgeberanteil kein Vermögen entsteht.<br />
Denn: Unabhängig davon, wer die Rentenbeiträge zahlt und ob die Beiträge aus<br />
versteuertem Einkommen geleistet werden, entsteht verfassungsrechtlich geschütztes<br />
Vermögen. Die Rente ist daher weitgehend eine nicht steuerbarere Vermögensrückgewähr.<br />
b) Ertragsanteilsbesteuerung bei versteuerten Beiträgen<br />
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Rentenurteil 18 festgestellt,<br />
soweit die Rente tatsächlich während der Erwerbsphase aus versteuerten 19 Beiträgen des<br />
Rentenbeziehers finanziert ist (oder mit solchen Beiträgen korreliert), hat die Ertragsanteilsbesteuerung<br />
ihre Berechtigung als eine systemkonforme Erfassung von Einkünften.<br />
Genau dies trifft bei dem Beschwerdeführer für seine freiwilligen Beiträge zu. Wie der BFH<br />
bestätigt und wie der Beschwerdeführer bereits in seiner Klage vor dem Finanzgericht<br />
Baden-Württemberg nachgewiesen hat, hat er seine freiwilligen Beiträge aus versteuertem<br />
Einkommen bzw. aus seinem Vermögen bezahlt 20 . Der daraus resultierende Rentenanteil<br />
darf daher, entgegen der Ansicht des BFH, – wenn überhaupt - nur mit dem Ertragsanteil<br />
besteuert werden.<br />
Insoweit widerspricht der Beschwerdeführer dem BFH, der die Auffassung vertritt, es sei<br />
unerheblich, dass die Ertragsanteilsbesteuerung weiterhin verfassungsrechtlich möglich ist,<br />
da der Gesetzgeber dem Konzept der Vereinheitlichung der Altersversicherungssysteme den<br />
Vorzug geben konnte und gegeben hat. 21 Das ist ein Blankoscheck für den Gesetzgeber.<br />
Wenn die Ertragsanteilsbesteuerung weiterhin möglich ist, dann steht eine höhere Rentenbesteuerung<br />
nicht mehr zur Disposition des Gesetzgebers.<br />
Die Steuerbelastung des Beschwerdeführers wurde durch die Entrichtung der freiwilligen<br />
Beiträge seinerzeit nachweislich nicht gemindert. Somit sind sie aus versteuertem<br />
Einkommen gezahlt worden.<br />
16 Vergl.: BVerfG, Beschluss v. 26.3. 1980 - 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76<br />
17 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 10, 2.Absatz<br />
18 Vergl.: BVerfG, 2 BvL 17/99 vom 6.3.2002, Abs. 207<br />
19 Hervorhebung durch den Beschwerdeführer<br />
20 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 4, 2.Absatz<br />
21 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 9, 2.Absatz
7<br />
3.<br />
Der Beschwerdeführer sieht in der Besteuerung seiner Rente wegen des Verstoßes<br />
gegen das Rückwirkungsverbot und den Vertrauensschutz seine Grundrechte aus Art.<br />
20 GG verletzt.<br />
Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung<br />
gebunden. Das Grundgesetz verlangt Berechenbarkeit staatlichen Handelns und schützt vor<br />
Willkür staatlicher Gewalt. Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips sind das Rückwirkungsverbot<br />
und der Vertrauensschutz.<br />
a) Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot<br />
Die Frage, ob die Beiträge des Beschwerdeführers versteuert oder unversteuert waren, stellt<br />
sich nicht für die Zeit vor dem Inkrafttreten des AltEinkG. Die Beiträge waren bis zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits entrichtet, und die einkommensteuerliche Behandlung der Beiträge war<br />
zum Zeitpunkt der Beitragsentrichtung bereits abgeschlossen. Außerdem kommt eine<br />
verfassungsgerichtliche Überprüfung für Zeiten vor 2005 nicht mehr in Frage 22 .<br />
Aufbauphase und die daran anschließende Versorgungsphase stellen für die verfassungsrechtliche<br />
Beurteilung eine Einheit dar. 23 Mit der ab 1.1.2005 erhöhten Besteuerung auch der<br />
Renten aus Beiträgen vor 2005 wird de facto die abgeschlossene einkommensteuerliche<br />
Behandlung früherer Beiträge verfassungswidrig rückwirkend wieder aufgehoben. Das bis<br />
31.12.2004 erworbene Renten-Vermögen wird durch das AltEinkG ab 2005 nicht plötzlich zu<br />
Einkommen. Wenn dies überhaupt zuträfe, dann hätte eine Änderung der Rechtsauffassung<br />
erst für die Zukunft für Renten aufgrund von Beiträgen ab 2005 gelten dürfen. Besteht die<br />
entlastende Wirkung des Alterseinkünftegesetzes erst für Beiträge ab 2005, dann kann die<br />
nachgelagerte steuerliche Belastung nicht schon für Renten aus Beiträgen vor diesem<br />
Zeitpunkt gelten, für welche die entlastende Wirkung nicht galt.<br />
b) Verstoß gegen den Vertrauensschutz<br />
Der Beschwerdeführer ist weiterhin der festen Überzeugung, dass er insbesondere bei einer<br />
so schwerwiegenden, schon in jungen Jahren zu treffenden und über Jahrzehnte wirkenden<br />
und später nicht mehr zu revidierenden Entscheidung wie die seiner Altersversorgung einen<br />
besonderen Vertrauensschutz als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips besitzt. Das hat auch<br />
der BFH gesehen, er gibt aber dem Ziel des Gesetzgebers, eine steuerrechtssystematisch<br />
schlüssige und folgerichtige Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen<br />
sowie der verfassungsrechtlich geforderten Beseitigung der Ungleichbehandlung bei<br />
gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen<br />
Haushalte eine so hohe Bedeutung, dass das Interesse des Beschwerdeführers am<br />
Fortbestand der Ertragsanteilsbesteuerung seiner Renteneinkünfte dahinter zurücktreten<br />
müsse 25 .<br />
Der BFH sagt weiter, dass für den Kläger bereits seit 1980 erkennbar war, dass die für ihn<br />
günstige Ertragsanteilbesteuerung seiner künftigen Rentenleistungen rechtlich umstritten<br />
war. 26 Der Beschwerdeführer widerspricht dieser Aussage. Wenn für ihn überhaupt etwas<br />
erkennbar war, dann war es die verfassungswidrige Steuerfreiheit des Arbeitgeberanteils bei<br />
22 Vergl.: BverfG-Beschluss vom 13.02.2008, Abs. 26 ff.; 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05<br />
23 Vergl.: BVerfG, 2 BvR 1220/04 vom 13.2.2008, Abs.-Nr. 25<br />
24 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 25, 2.Absatz<br />
25 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 24, 2.Absatz<br />
26 Vergl.: BFH-Urteil, Az.: X R 52/08 S. 27, 2.Absatz
8<br />
nichtselbständig Tätigen. Diese Steuerfreiheit hat dann auch im Jahr 2002 zur Feststellung<br />
der Verfassungswidrigkeit durch das Bundesverfassungsgericht geführt.<br />
Selbst zu diesem Zeitpunkt konnte der Beschwerdeführer davon ausgehen, dass seine<br />
zukünftige Rente aufgrund der voll versteuerten freiwilligen Beiträge weiterhin nur mit dem<br />
Ertragsanteil besteuert werden würde. Der Beschwerdeführer musste auch davon ausgehen,<br />
dass der Gesetzgeber, wenn er Rahmenbedingungen belastend verändert, für bestehende<br />
Rechtsverhältnisse Bestandsschutz gewährt. Gegen dieses berechtigte und verfassungsrechtlich<br />
geschützte Vertrauen auf rechtstaatliches Handeln des Gesetzgebers hat dieser mit<br />
dem AltEinkG verstoßen.<br />
D.<br />
Annahmefähigkeit<br />
Die <strong>Verfassungsbeschwerde</strong> ist annahmefähig, weil die geltend gemachte Verletzung von<br />
Grundrechten besonderes Gewicht hat. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung,<br />
wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder<br />
einen geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder<br />
rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzt (BverfG NJW 1994, 993, 993).<br />
Vorliegend weist die Besteuerung von Renten durch das AltEinkG ab dem 1.1.2005 eine<br />
weitreichende Verletzung von Grundrechten und Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />
auf, indem alle Renten pauschal, ohne jede Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />
Versicherungsbiographien hinweg, quasi gleichgeschaltet besteuert werden, weswegen die<br />
Annahme der <strong>Verfassungsbeschwerde</strong> angezeigt ist.<br />
Zusammenfassung<br />
Insoweit als der Beschwerdeführer seinen Rentenanspruch vollständig – wie eine Vielzahl<br />
anderer Steuerpflichtiger – aus eigenen versteuerten Einkünften bzw. aus eigenem<br />
Vermögen aufgebaut und erworben hat, stellt die Rentenzahlung (zumindest weitgehend) die<br />
Rückgewähr eigenen Vermögens dar. Diese der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen,<br />
ist i.H. auf Art. 14 I GG verfassungswidrig, weil entweder dadurch eine Doppelbesteuerung<br />
oder eine Vermögensbesteuerung im Gewande der Einkommensbesteuerung stattfindet.<br />
Zudem verstößt die vorgenannte Besteuerung, die sich ganz offenkundig ausschließlich an<br />
abhängig beschäftigten sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern orientiert, für welche<br />
50% ihrer Beiträge als Arbeitgeberanteile gezahlt wurden, gegen Art. 3 I GG, weil der<br />
Beschwerdeführer – wie eine Vielzahl anderer Steuerpflichtiger – im Gegensatz zu dem<br />
vorgenannten Personenkreis seine Beiträge voll selbst geleistet hat, also beide Gruppen<br />
grundverschieden sind und daher eine Gleichbehandlung mit der Folge der ausgeführten<br />
verwendeten Nachteile für den Beschwerdeführer unzulässig ist.<br />
Der Beschwerdeführer sieht weiter den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG dadurch verletzt,<br />
dass allein die Wahl des Versicherers (privat oder staatlich) ausschlaggebend für die Höhe<br />
der Besteuerung ist.<br />
Schließlich verstößt die Besteuerung der Rente des Beschwerdeführers gegen das Rückwirkungsverbot<br />
des Art. 20 III GG, weil die Beitragsentrichtung bereits vor dem Inkrafttreten<br />
des AltEinkG abgeschlossen war, und der Beschwerdeführer darauf vertrauen durfte,<br />
dass der Gesetzgeber bei Änderungen der Besteuerung der Alterseinkünfte das<br />
Grundgesetz beachten würde.
9<br />
Sollte das Gericht ergänzenden Sachvortrag oder weitere Ausführungen für erforderlich<br />
halten, wird um einen Hinweis des Gerichts gebeten.<br />
Schilling<br />
Rechtsanwalt<br />
Anlagen:<br />
1. Vollmacht des Beschwerdeführers<br />
2. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 04.02.2010 zum Az.: X R 52/08<br />
3. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18.10.2008 zum Az. 3 K 266/06<br />
4. Einspruchsentscheidung des Finanzamts Tuttlingen vom 23.11.2006 zum Az. 21333/00405<br />
5. Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 13.03.2006 zum Az.: 21333/00405<br />
6. Einspruch des Beschwerdeführers vom 23.03.2006<br />
7. Klage des Beschwerdeführers vom 27.11.2006<br />
8. Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 22.05.2007<br />
9. Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 25.02.2008<br />
10. Revisionsbegründung des Beschwerdeführers vom 22.12.2008<br />
11. Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 16.01.2009<br />
12. Empfangsbekenntnis über die Zustellung des BFH-Urteils, Az. X R 52/08