DIFFERENTIALDIAGNOSE DER ...
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<strong>DIFFERENTIALDIAGNOSE</strong> <strong>DER</strong><br />
BEWUßTSEINSEINSCHRÄNKUNGEN<br />
Neurologische Untersuchung komatöser Patienten<br />
Neurologische Defizite finden sich sowohl bei primär neurologischen Erkrankungen als auch<br />
sekundär bei einer Vielzahl von primär nicht neurologischen Erkrankungen (Trauma,<br />
Rhythmusstörungen, Vergiftungen, usw.), sodass der Notarzt sehr häufig mit diesem Themengebiet<br />
konfrontiert ist.<br />
Die neurologische Notfalluntersuchung ist einfach und in kurzer Zeit durchführbar. Es empfiehlt<br />
sich, eine bestimmte Untersuchungsfolge einzuüben. Es sind keine speziellen<br />
Untersuchungsinstrumente notwendig . Die Dokumentation der klinischen Befunde sowie die<br />
Weitergabe dieser ist von fundamentaler Bedeutung im Akutmanagement bewusstseinsgetrübter<br />
Patienten (Erstbefund + Verlaufskontrollen!). Rasche Änderungen des Befundes können für die<br />
Differentialdiagnose, Prognoseerstellung und Therapie von entscheidender Bedeutung sein.<br />
Kurze Angaben zur Vorgeschichte und zur Entwicklung des Komas (Angehörige, etc.) sind oft<br />
diagnostisch richtungsweisend (s.u.), da der Patient kurz vor der Bewusstlosigkeit erste Symptome<br />
seiner Erkrankung mitteilen kann (z.B. Subarachnoidalblutung), weiters Inspektion der Umgebung<br />
und Anamnese (Vorerkrankungen): z.B. „herumliegende“ Medikamente, Diabetiker- od.<br />
Antikoagulantienausweis, Ambulanzkarten, etc.<br />
Anamnestische Daten:<br />
abrupter od. langsamer Beginn des Komas Kopftrauma<br />
progrediente / intermittierende Lähmungen<br />
Kopfschmerzen<br />
Diabetes, Hypertonie, Myocardinfarkt<br />
Fieber + Kopfschmerz<br />
bekannte epileptische Anfälle<br />
frühere zerebrale Insulte<br />
Alkohol / Drogen / Tabletten-Anamnese<br />
psychiatrische Anamnese<br />
Inspektion von Spontanmotorik und Körperhaltung, etc.:<br />
Spontanatmung, Atemtyp<br />
Kopfhaltung (Überstreckung, Wendung)<br />
Spontanbewegung: symmetrisch/ asymm. Fokale Anfälle, stereotype Bewegungen<br />
Spontane Streck- oder Beugesynergien äußere Verletzungszeichen<br />
Zungenbiß, Erbrochenes, Sezessus Einstichstellen (DM, Drogen, etc.)<br />
Neurologischer Untersuchungsgang<br />
1) Feststellung der Bewusstseinslage:<br />
Das Bewusstsein ist Ausdruck der höchsten funktionellen Integrationsstufe des Nervensystems und<br />
stellt einen empfindlichen Indikator für primäre bzw. sekundäre Hirnfunktionsstörungen dar.<br />
Bewusstseinsklar Bewusstseinseinschränkung Bewusstlos<br />
Psychiater unterscheiden:<br />
qualitative (z.B. paranoid - halluzinatorische Syndrome) und<br />
quantitative Bewusstseinsstörung (Vigilanz, Wachbewusstsein).<br />
Grobskalierung quantitativer Bewusstseinsstörung (fließende Übergänge)<br />
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Benommenheit: Wahrnehmung, Auffassung und Denken verlangsamt. „Schwerbesinnlichkeit“.<br />
Somnolenz: Patient ansprechbar und bedingt kooperativ, wirkt apathisch und schläfrig, im<br />
Wechsel mit motorischer Unruhe und Umtriebigkeit. Jederzeit durch wenig intensive Reize<br />
weckbar. Versickern der Gedankengänge, Verknappung sprachlicher Äußerungen, Störung der<br />
zeitlichen und örtlichen Orientierung.<br />
Sopor: Schlafähnlicher Zustand, Wecken ist nur für kurze Zeit durch intensive wiederholte Reize<br />
möglich. DD: Stupor (depressiver, katatoner oder hysterischer Stupor)<br />
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Koma:Wecken auch durch starke Schmerzreize nicht möglich, keine Kommunikation, die Augen<br />
sind geschlossen.<br />
KOMASTADIEN:<br />
Frowein-Coma-Grading:<br />
Koma I = keine anderen zentralen neurologischen Funktionsstörungen<br />
Koma II = Paresen u./od. Pupillenstörungen, Augenbewegung und Atmung intakt.<br />
Koma III = +/- Pupillenstörung, aber Augenbew. merklich gestört und Strecksynergismen<br />
Koma IV = Pupillen weit und reaktionslos, Augenbewegungen gestört, Extremitäten schlaff, noch Spontanatmung<br />
Mittelhirnsyndrome nach Gerstenbrand I-IV<br />
Einfache Bestimmung der Komatiefe - am klarsten anhand des motorischen Reaktionsmusters auf Schmerzreize, wobei zur<br />
Beurteilung der Komatiefe die beste Reaktion herangezogen wird:<br />
STADIUM I: (MHS I / GCS 7) = gezielte Abwehr (Versuch der Beseitigung der Reizquelle bzw. Entfernung des gereizten<br />
Körperabschnittes von dieser).<br />
STADIUM II: (MHS II / GCS 6) = ungezielte Abwehr, ineffektiv, ev. nur Grimassieren, Wälzbewegungen, ungerichtete<br />
Gliedmaßenbewegungen.<br />
STADIUM III: (MHS III / GCS 5) = OEX Beuge-, UEX Strecksynergismen „Dekortikationsmuster“)<br />
(MHS IV / GCS 4) = OEX u. UEX Strecksynergien „Dezerebrationsmuster“)<br />
STADIUM IV: (BHS / GCS 3 ) = keine motorische Schmerzreaktion<br />
Für den NAW: Scoringsystem der Bewusstseinseinschränkung: Glasgow Coma Scale<br />
Zu bewertende Reaktion Beobachtete Reaktion Punkte<br />
Augenöffnen (O)<br />
Sprachliche Antwort (V)<br />
Motorische Reaktion (M)<br />
spontan<br />
auf Aufforderung<br />
auf Schmerzreiz<br />
kein Augenöffnen<br />
voll orientiert, prompte Antwort<br />
unvollständig orientiert<br />
verworren, unangemessen<br />
unverständlich<br />
keine verbale Antwort<br />
adäquat auf Aufforderung<br />
gezielte Abwehr auf Schmerz<br />
ungezielte Abwehr<br />
Beugesynergismen<br />
Strecksynergismen<br />
keine Bewegung<br />
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3<br />
2<br />
1<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
2) Atemtypen (Cheyne-Stokes Atmung, zentrale neurogene Hyperventilation, ataktische Atmung,..)<br />
3) Meningeales Syndrom - Meningismusprüfung (Cave: HWS-Trauma!)<br />
Opisthotonus? Passives Anheben des Kopfeserhöhter muskulärer Widerstand (Nackensteifigkeit).<br />
Brudzinski (KopfhebungBeugung Hüfte und Knie), Kernig (Beugung im Kniegelenk), Laségue.<br />
Kombiniert mit Lichtscheue, Kopfschmerzen und Erbrechen.<br />
4) Pupillen: Normal: rund, isokor, mw, prompte direkte u. indirekte Reaktion auf Licht.<br />
Einseitig weite, lichtstarre Pupille (supratentorielle Raumforderung auf der Seite der<br />
mydriatischen Pupille)<br />
Beidseits eng bei Koma (Opiatintoxikation, Mittelhirnsyndrom nach SHT, etc.)<br />
Beidseits weit bei Koma (Intoxikation mit Anticholinergika, Mittelhirnsyndrom und<br />
Bulbärhirnsyndrom nach SHT, etc.)<br />
Fehlende Lichtreaktion (prompt, verzögert, fehlend) Cave: vorangegangene Augen-OP´s<br />
zentrales Horner-Syndrom bei Hirnstammläsionen<br />
5) Bulbusstellung Normal: konjugiert, mittelständig<br />
Bulbusschwimmen (beginnende HS-Einklemmung durch Hirndruckerhöhung, etc.)<br />
Bulbusdivergenz (Augenmuskellähmungen, etc.)<br />
Blickdeviation (Herdblick z. B. bei Massenblutung, Mediainsult, bei Epi-anfall, etc.)<br />
Nystagmus. Oculocephaler Reflex („Puppenköpfchenphänomen“) beim Bewusstlosen.<br />
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6) Extremitäten<br />
Gesteigerter Muskeltonus? Pseudoschlaff? Wechselnd?<br />
(Hemi-) Parese, (Hemi-)Plegie - bei komatösen Patienten fällt Extremität bei passivem<br />
Hochheben eventuellrascher zur Unterlage zurück.<br />
Veränderungen der MuskelEigenReflexe? (A-, Hyperreflexie, einseitige MER-Betonung)<br />
Pyramidenbahnzeichen<br />
Einteilung akuter Bewusstseinseinschränkungen nach möglichen Ursachen/Begleitsymptomen<br />
Eine grobe Einteilung der Bewusstseinsstörung nach möglichen Ursachen bzw. Begleitsymptomen<br />
hilft dem Notarzt rasch zu einer möglichst sicheren Diagnose und damit zu einer Entscheidung<br />
bezüglich weiterer Untersuchungsschritte bzw. Therapien zu gelangen. Auch hier stehen jedoch für<br />
den Notarzt die lebensrettenden Sofortmaßnahmen im Vordergrund.<br />
A) Ursachenbezogene Einteilung:<br />
CEREBRAL ( Insult, Blutung, Hirndrucksteigerung, postiktale Zustände, SHT)<br />
INTOXIKATIONEN (Benzodiazepine, Alkohol, Suchtgifte)<br />
KARDIO-RESPIRATORISCHE URSACHEN (Hypoxie, AV-Block III, Synkopen, Cardiale<br />
Dekompensation)<br />
HYPOGLYCÄMIE / AN<strong>DER</strong>E METABOLISCHE URSACHEN<br />
PSYCHISCHE URSACHEN<br />
B) Symptomorientierte Einteilung:<br />
Akute Störungen des ZNS erscheinen notfallmedizinisch unter folgenden Kardinalsymptomen:<br />
Bewusstseinsstörungen, Krämpfe und neurologische Herdsymptome. Letztere weisen - im<br />
Gegensatz zu Allgemeinsymptomen - auf eine lokale Störung des Gehirns hin.<br />
B.1. Einfache Bewusstseinsstörung - Koma ohne Herdzeichen („sleep like coma“; keine gravierenden<br />
neurologischen Begleitsymptome):<br />
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Intoxikationen (Alkohol, Hypnotika, Antidepressiva, Opiate, etc.)<br />
Metabolisch (Hyper-, Hypoglykämie, hepatische Encephalopathie, Urämie, Hyponatriämie)<br />
Durchlaufen alle Stadien der Bewusstseinsstörung! Langsame Entwicklung, oft kombiniert mit<br />
generalisierten Anfällen, kaum Hirnnervenausfälle. Foetor, Kussmaulsche Atmung, Exsikkose,<br />
Hautveränderungen. Myoklonien, Asterixis-Flapping Tremor (DD: epi. Anfall).<br />
diffuse traumatische Hirnschädigung (Commotio cerebri)<br />
Hypoxisch (nach Aspiration, Reanimation) - Zeichen der Hypoxie bzw. des Kreislaufschocks<br />
Postparoxysmal (Epi-Anfall) - blutiger Speichel, Zungenbiss, Secessus<br />
Endokrin (Schilddrüse, Nebennierenrinde,...)<br />
Enzephalitis, Hydrocephalus occlusus<br />
B.2. Bewusstseinsstörung mit Herd- / Halbseitenzeichen - akuter / allmählicher Beginn:<br />
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Hirnblutung, -infarkt<br />
Subduralhämatom (akut, subakut, chronisch), Epiduralhämatom (lucides Intervall bei Fractur)<br />
Hirnkontusion<br />
Hirntumor, Hirnabszeß<br />
B.3. Koma mit meningealem Syndrom - akuter / allmählicher Beginn:<br />
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primäre SubArachnoidalBlutung<br />
Meningoencephalitis (Anamnese!), Meningeosis carcinomatosa, etc.<br />
DD: akinetische Krise, HWS-Trauma<br />
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B.4. Koma mit Halbseitenzeichen und meningealem Syndrom - akut / allmählicher Beginn:<br />
Primär intrazerebrales / intrazerebelläres Hämatom mit sekundärer SAB<br />
SAB mit sekundärer Einblutung / Infarzierung<br />
Hirntumor / -abszess mit beginnender Einklemmung<br />
B.5. Koma mit Hirnstammeinklemmungssymptomatik: siehe SHT -<br />
Potentiell hirndrucksteigernde Akutläsionen zeigen anfänglich nur unspezifische und diskrete<br />
Veränderungen wie Cephalea, Schwindel und geringe psychomotorische Verlangsamung.<br />
Pupillomotorik! Ablenkungseffekt (Alkohol, etc.)!<br />
B.6. Psychogene Reaktionslosigkeit:<br />
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Augenlider und Mund oft aktiv geschlossen<br />
Zusätzlicher Augenschluss nach leichtem Berühren der Wimpern<br />
Keine pathologischen Reflexe bei wechselndem Muskeltonus<br />
Oft vollständig unterdrückte Schmerzreaktion<br />
Unspezifische Therapie akuter Bewusstseinseinschränkungen<br />
Sicherung bzw. Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen (ABC) insbesondere Freimachen und<br />
Freihalten der Atemwege! Pat. nie alleine lassen!<br />
Vermeidung einer Hypoxie: Sauerstoffgabe., Aspirationsprophylaxe (Intubationsnarkose !)<br />
venöser Zugang, Überwachung (BZ, RR, EKG, Pulsoxymetrie, Temperatur) – Veränderungen?<br />
Basistherapie je nach Befunden (Hypotonievermeidung, etc.).<br />
schonender Transport unter Kopffixation und eventueller Oberkörper 30° Hochlagerung an eine<br />
geeignete Abteilung!<br />
Cave: Keine unnötige Sedierung wegen Verschleierung der Klinik! Vorsicht mit Anexate od. Narcan<br />
Dokumentation!<br />
Spezifische Therapie je nach Ursache bzw Befunden!<br />
Sonderstellung der Alkoholintoxikation!<br />
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