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in göttingen

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<strong>in</strong><br />

Auf e<strong>in</strong>en Kaffee<br />

mit: Erich Sidler<br />

Silke Pohl sprach mit dem<br />

zukünftigen Intendanten des<br />

Deutschen Theaters Gött<strong>in</strong>gen<br />

Herr Sidler, s<strong>in</strong>d Sie schon richtig<br />

angekommen <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen?<br />

Ich b<strong>in</strong> bereits seit e<strong>in</strong> paar Monaten<br />

vor Ort, habe von hier aus me<strong>in</strong><br />

Team zusammengestellt und den<br />

Spielplan gemacht. Dieses Arbeiten<br />

im H<strong>in</strong>tergrund hat den Vorteil, dass<br />

man gut <strong>in</strong> die Stadt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>horchen<br />

kann und mitbekommt, wie sie<br />

schw<strong>in</strong>gt.<br />

Was nehmen Sie denn wahr?<br />

Die Gött<strong>in</strong>ger identifizieren sich sehr<br />

stark mit ihrer Stadt. Die Uni wiederum<br />

gibt etwas Großstädtisches und<br />

sorgt außerdem für den E<strong>in</strong>druck,<br />

dass es sich bei Gött<strong>in</strong>gen um e<strong>in</strong>e<br />

junge Stadt handelt. Das ist toll fürs<br />

Theater, denn wir wünschen uns e<strong>in</strong><br />

alle Altersschichten umfassendes<br />

Publikum.<br />

Wie wählen Sie die Stücke für die<br />

kommende Spielzeit aus?<br />

Uns ist es ganz wichtig, <strong>in</strong> die Stadt<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuhorchen, um zu erfahren,<br />

welche Stücke und Themen uns<br />

anregen können, mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>s Gespräch<br />

zu kommen. Denn wir wollen,<br />

dass Theater als Begegnungsort fungiert.<br />

Wir fragen uns, welche Stücke<br />

<strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen „richtig“ s<strong>in</strong>d. Welche<br />

stoßen auf Resonanz, weil schon e<strong>in</strong><br />

Bewusstse<strong>in</strong> für e<strong>in</strong> Problem, e<strong>in</strong><br />

Thema, da ist? Und welche Stücke<br />

müssen gespielt werden, um e<strong>in</strong>e<br />

Diskussion <strong>in</strong> Bewegung zu setzen,<br />

die vielleicht noch nicht so lebendig<br />

geführt wird?<br />

Was muss e<strong>in</strong> Theatertext haben,<br />

damit Sie ihn <strong>in</strong>szenieren wollen?<br />

Er muss zeigen, dass die Welt nicht<br />

<strong>in</strong> ja und ne<strong>in</strong> und nicht <strong>in</strong> null und<br />

e<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>teilbar ist. Dass Mensch<br />

se<strong>in</strong> mehr ist, als immer zu wissen,<br />

Foto: DT<br />

Erich Sidler<br />

wie es geht, immer Lösungen <strong>in</strong><br />

petto zu haben. Vielleicht geht es<br />

auch darum, Widersprüchlichkeit zu<br />

erkennen und Stellungen zu f<strong>in</strong>den,<br />

die nicht e<strong>in</strong>fach richtig oder falsch<br />

s<strong>in</strong>d, sondern zum Leben dazugehören<br />

und eventuell ausgehalten<br />

werden müssen.<br />

Es gab ja im DT auch schon Inszenierungen<br />

mit Bürgern. Haben Sie<br />

Interesse daran, das fortzuführen?<br />

Grundsätzlich <strong>in</strong>teressiert mich die<br />

Arbeit mit Laien und die Arbeit an<br />

Projekten mit jungen Autoren sehr.<br />

Ich glaube aber auch, dass es wichtig<br />

ist, dass das Deutsche Theater und<br />

das Junge Theater im Schulterschluss<br />

ihre Profile dadurch schärfen, dass<br />

nicht beide alles abdecken. Wenn sich<br />

das Junge Theater für die Arbeit mit<br />

der Freien Szene oder mit Laien entscheiden<br />

sollte, ist es nicht s<strong>in</strong>nvoll,<br />

dass das Deutsche Theater das auch<br />

macht. Im Moment warte ich gerne<br />

ab, welche Richtung Nico Dietrich<br />

für sich def<strong>in</strong>iert. Das Deutsche Theater<br />

hat den ganz klaren Auftrag, se<strong>in</strong><br />

Ensemble und Repertoire zu pflegen<br />

und neue Stücke zu zeigen. Die<br />

Lösung ergibt sich von selbst, wenn<br />

die beiden Theater gut mite<strong>in</strong>ander<br />

klarkommen.<br />

Sie haben sich <strong>in</strong> Güntersen niedergelassen,<br />

20 M<strong>in</strong>uten außerhalb von<br />

Gött<strong>in</strong>gen. Zufall oder Plan?<br />

Ich werde sehr viel Zeit am Theater<br />

verbr<strong>in</strong>gen, mich dort vollumfänglich<br />

zur Verfügung stellen und ansprechbar<br />

se<strong>in</strong>. Ich habe immerzu überall und zu<br />

allem e<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung zu haben. Das ist<br />

auch <strong>in</strong> Ordnung so. Aber ich brauche<br />

auch Stille und die Möglichkeit, für<br />

mich se<strong>in</strong> zu können. Dieser Punkt<br />

hat mich dazu bewegt, aufs Land zu<br />

gehen.<br />

Angenommen, Sie bekommen morgen<br />

e<strong>in</strong>en Tag geschenkt, müssen<br />

nicht arbeiten und haben Zeit für<br />

sich. Was tun Sie?<br />

Nach Paris fahren. Das ist e<strong>in</strong> Ort,<br />

wo für mich Zeit sichtbar wird. Als<br />

ich mit 12 zum ersten Mal dort war,<br />

war alles wahns<strong>in</strong>nig französisch:<br />

die Autos, die Schaufenster, alles.<br />

Heute hört man auch viel Deutsch,<br />

hat die gleichen Läden wie hier<br />

und fährt deutsche Autos – alles<br />

ist so euro. Aber ich liebe Paris<br />

immer noch und hadere nicht damit.<br />

Schließlich sitze ich auch nicht<br />

mehr wie früher <strong>in</strong> der Brasserie<br />

und rauche e<strong>in</strong>e Zigarette. Ich<br />

genieße es vielmehr, <strong>in</strong> bestimmten<br />

Intervallen <strong>in</strong> die Stadt zu kommen<br />

und zu sehen, wie sie sich verändert.<br />

Andererseits: Wenn ich morgen<br />

e<strong>in</strong>en Tag freihätte, würde ich<br />

das jeden zweiten Tag wollen – um<br />

endlich die Stücke zu lesen, die ich<br />

lesen will, und all die E-Mails zu<br />

beantworten.<br />

FRÜHJAHR 2014<br />

<strong>in</strong><br />

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